Finanzmarktstabilitätsbericht_16_2008

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FINANZMARKT- STABILITÄTSBERICHT 16 OESTERREICHISCHE NATIONALBANK EUROSYSTEM Stabilität und Sicherheit. DEZEMBER 2008

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Finanzmarktstabilitätsbericht, Oesterreichische NationalbankFinancial Stability Report of Austria, Central Bank of Austria

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  • FINANZMARKT-STABILITTSBERICHT 16

    OESTERREICHISCHE NATIONALBANKE U R O S Y S T E M

    Stabilitt und Sicherheit.FIN

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    DEZEMBER 2008

  • FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 15 3

    Berichtsteil Schwierige Rahmenbedingungen als Belastungsprobe fr das sterreichische Finanzsystem 6

    Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr 8

    Finanzmarktkrise beeintrchtigt die realwirtschaftlichen Sektoren 27

    Anhaltende Finanzmarktturbulenzen bedeuten auch fr sterreichische Finanzintermedire ein schwieriges Umfeld 45

    Schwerpunktthemen Die Refinanzierungsstruktur von Banken in ausgewhlten Lndern Zentral-, Ost- und Sdosteuropas 82Zoltan Walko

    Die Umsetzung des ICAAP in sterreichischen Grobanken 103Elisabeth Woschnagg

    Carry-Trade auf sterreichisch: Was fr Haushalte entscheiden sich am ehesten fr Fremdwhrungskredite? 117Christian Beer, Steven Ongena, Marcel Peter

    Entwicklung der Kreditvergabe an den Haushaltssektor in sterreich eine Analyse 133Friedrich Fritzer, Lukas Reiss

    Corporate Governance und Kreditinstitute 147Birgit Sauerzopf

    Tabellenanhang 163

    Hinweise Abkrzungen 180

    Zeichenerklrung 181

    Schwerpunktthemen im Finanzmarktstabilittsbericht 182

    Periodische Publikationen der Oesterreichischen Nationalbank 183

    Publikationen der Bankenaufsicht 185

    Adressen der Oesterreichischen Nationalbank 188

    Redaktionsschluss: 13. November 2008

    Die von den Autoren zum Ausdruck gebrachte Meinung kann von der Meinung der Oesterreichischen Nationalbank

    abweichen.

    Inhalt

  • Berichtsteil

  • 6 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    Finanzmarktturbulenzenhinterlassen deutliche Spurenin den Wachstumsaussichten Weltweit haben die anhaltenden Finanz-marktturbulenzen im Verlauf des Jah-res 2008 zu einer stufenweisen Reduk-tion der Wachstumsaussichten sowohl in den industrialisierten als auch in den Emerging Markets gefhrt.

    Auch der Wachstumsausblick der Volkswirtschaften in Zentral-, Ost- und Sdosteuropa (CESEE) hat sich eingetrbt, wenngleich die Prognosen nach wie vor meist deutlich ber jenen des Euroraums liegen. In einigen Ln-dern hat jedoch bis Mitte des Jahres 2008 eine berhitzung der Konjunk-tur zum Andauern oder Ansteigen groer externer Ungleichgewichte ge-fhrt. Diese Ungleichgewichte und in manchen Lndern auch der relativ hohe Anteil von Fremdwhrungskrediten haben zu einer weiteren Erhhung der Zins- und Wechselkursrisiken beige-tragen, die sich zum Teil bereits reali-siert haben. Auch die Risikoaufschlge auf Staatsanleihen zeigen deutliche Aus-weitungen fr diese Lnder, whrend die restlichen Staaten Zentraleuropas von diesen Entwicklungen weniger be-troffen waren.

    Als Konsequenz aus den Finanz-marktturbulenzen haben eine Reihe von Staaten, darunter auch sterreich, Pakete zur Strkung der Liquiditt so-wie der Eigenkapitalbasis des Banken-sektors geschnrt. Zudem wurden in vielen Lndern die Garantiesummen fr Spareinlagen erhht. Weltweithaben auch die Zentralbanken auf die sehr angespannte Liquidittssituation auf den Geldmrkten reagiert. Die Risiko indikatoren auf dem Aktien-,

    Anleihen- und Interbankenmarkt blei-ben aber auf einem hohen Niveau.

    Finanzierungsbedingungenverschlechtern sich, Aktien-finanzierungen kommen zumStillstand

    Nach dem berschreiten des Konjunk-turhhepunkts 2007 haben sich die Wachstumsaussichten fr die ster-reichische Wirtschaft nochmals einge-trbt. Whrend die Gewinnsituation der sterreichischen Unternehmen im ersten Halbjahr 2008 nach wie vor gut war, zeigten sich in der Auenfinanzie-rung bereits in den Halbjahresdaten die ersten Auswirkungen der Ereignisse auf den Finanzmrkten. So kam dieFinanzierung ber brsennotierte Ak-tien nahezu zum Stillstand, und auch die Zuwchse der Anleihenfinanzie-rung schwchten sich von einem hohen Niveau ausgehend ab. Das Kreditwachs-tum blieb bis August 2008 weiterhin lebhaft, wenngleich sich die Finanzie-rungsbedingungen verschlechtert ha-ben. Die markante Eintrbung vonKapitalmarktbedingungen und Wachs-tumsaussichten in der zweiten Jahres-hlfte 2008 wird jedoch neben einer weiteren Belastung des Auenfinanzie-rungspotenzials der Unternehmen auch eine Reduktion des Innenfinanzie-rungspotenzials ber Gewinne mit sich bringen.

    Auch die Risikoposition der Haus-halte war von den Ereignissen auf den weltweiten Finanzmrkten geprgt. Diese hinterlieen ihre Spuren insbe-sondere in Form von Bewertungsver-lusten bei Kapitalmarktprodukten, die auch fr die kapitalgedeckte Altersvor-sorge sowie fr Fremdwhrungskredite

    Schwierige Rahmenbedingungen alsBelastungsprobe fr das sterreichischeFinanzsystem

  • Schwierige Rahmenbedingungen als Belastungsprobe fr das sterreichische Finanzsystem

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 7

    besondere Relevanz haben. Im Lichte unblich hoher Volatilitten auf den Aktienmrkten kam es im ersten Halb-jahr 2008 zu einer Umschichtung des Geldvermgens von Kapitalmarktins-trumenten, insbesondere Investment-zertifikaten, zu Einlagen. hnlich wie im Unternehmenssektor werden die Ereignisse im Herbst 2008 zu einer weiteren Verstrkung dieses Effekts fhren. Zudem bestehen nach wie vor betrchtliche Wechselkursrisiken auf der Finanzierungsseite. Sowohl die ge-stiegene Volatilitt des Schweizer Fran-ken gegenber dem Euro als auch die Bewertungsverluste von Tilgungstrger-produkten lieen das Risikopotenzial von Fremdwhrungskrediten schlagend werden. In diesem Zusammenhang stellt ihre anhaltend hohe Bedeutung in sterreich und in einigen CESEE-Ln-dern somit eine weitere Risikoquelle dar.

    Indirekte Effekte der Finanz-marktturbulenzen erfassen auch die sterreichischen Banken

    Whrend der sterreichische Finanz-sektor von den direkten Auswirkungen der vom US-Subprime-Markt ausge-henden Turbulenzen vergleichsweise gering betroffen war, kann er sich der weltweiten Finanzkrise nicht entzie-hen. Wenngleich der sterreichische Bankensektor im historischen Vergleich weiterhin eine gute Rentabilittssitua-tion aufweist, zeigen sich nach Jahren wachsender Gewinne erstmals wieder Rckgnge. Bereits in den Halbjahres-zahlen waren vor allem ein negatives Handelsergebnis und zum Teil deut-liche Rckgnge in den Provisionser-trgen bislang ein wichtiger Wachs-tumstreiber dafr verantwortlich.

    Insbesondere aufgrund des im ers-ten Halbjahr 2008 weiterhin sehr star-ken CESEE-Geschfts der sterrei-chischen Banken konnte eine bei inter-nationalen Banken zu beobachtende deutlichere Verschlechterung von Ren-tabilitt und Effizienz vermieden wer-den. Die weiter gestiegene Bedeutung des CESEE-Geschfts stellt angesichts nach wie vor bedeutender externerUngleichgewichte in einigen Lndern jedoch auch ein Risiko fr die zuknf-tige Ertragskraft der dort ttigen Ban-ken dar.

    Aufgrund der deutlichen Verschlech-terung der Rahmenbedingungen seit Mitte 2008, die in den vorliegenden Daten noch nicht enthalten ist, ist zu-dem mit weiteren Belastungen aus dem Handelsgeschft, dem Provisionsge-schft und bei Kreditvorsorgen zu rech-nen. Da sich letztere sowohl im Inland als auch in CESEE auf historischen Tiefstwerten befinden, muss zudem eine lnger andauernde Reduktion der Rentabilitt erwartet werden.

    Im Gegensatz zu zahlreichen inter-nationalen Banken waren die sterrei-chischen Kreditinstitute jedoch in der Lage, die bisher aufgelaufenen Belas-tungen aus ihren laufenden Ertrgen zu verkraften. Zudem profitieren die s-terreichischen Banken von ihrem Ge-schftsmodell als Retailbanken. Der deutliche Zuwachs an Einlagen strkt die Liquidittsposition der sterrei-chischen Banken und spiegelt zudem das Vertrauen der Einleger in die Risiko-tragfhigkeit der Institute wider.

    Der sterreichische Versicherungs-sektor war von der auerordentlichhohen Volatilitt auf den internatio-nalen Kapitalmrkten ebenso betrof-fen. Die Nachfrage nach sterrei-chischen Investmentfonds hat sich deut-lich abgekhlt.

  • 8 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    Industrielnder: Staatliche Manahmen zur Eindmmung der Finanzmarktkrise und ihrer Folgen fr die RealwirtschaftWachstumsaussichten durch Finanz-marktkrise dsterIn den industrialisierten Lndern hat sich das Wirtschaftswachstum in den letz-ten Quartalen aufgrund gestiegener Rohstoffpreise und den Auswirkungen der US-Subprime-Krise verlangsamt. Gleichzeitig ist die Inflation in vielen Lndern hauptschlich wegen der er-hhten Rohstoffpreise auf langjhrige Hchststnde angestiegen. Der Rohl-preis (Brent) zeigte eine erhebliche Vo-latilitt; von April bis Mitte Juli 2008 stieg er von rund 100 USD auf bis zu 145 USD und fiel dann bis Mitte No-vember 2008 jedoch auf rund 50 USD, da sich die Wirtschaftsaussichten fr smtliche Industrielnder verschlech-tert haben. Der IWF erwartet in seiner November-Prognose fr die industri-alisierten Lnder insgesamt fr das Jahr 2009 einen BIP-Rckgang um 0,3 %, insbesondere aufgrund der durch die Finanzmarktkrise verschlech-terten Finanzierungsbedingungen.

    Die seit Sommer 2007 von den USA ausgehenden Turbulenzen auf den in-ternationalen Finanzmrkten haben sich ab September 2008 krisenhaft zuge-spitzt. In den USA erfolgte zuerst die staatliche bernahme der beiden groen Hypothekeninstitute Freddie Mac und Fannie Mae, am 15. Septem-ber 2008 kam es jedoch zum Konkurs der viertgrten US-Investmentbank, Lehman Brothers. Im Gefolge dieses Konkurses konnte das grte US-Versi-cherungsunternehmen, American In-ternational Group (AIG), nur durch staatliche Intervention vor dem Zusam-menbruch bewahrt werden, und es kam zu umfangreichen Restrukturierungen im Finanzsektor durch (teils staatlich gefrderte) Unternehmensbernahmen.

    Der Lehman-Konkurs fhrte auch zum Abzug hoher Volumina aus Geldmarkt-fonds, die eine wichtige Finanzierungs-quelle fr die berwlzung vonCommercial Papers zur Betriebsmittel-kredit finanzierung von Grounterneh-men darstellen, und lste auch einen massiven Vertrauensverlust zwischen den Banken aus. Dadurch kam der Han-del auf den Geldmrkten teilweise zum Erliegen. Die Zentralbanken stellten mit koordinierten Manahmen zustz-liche Liquiditt, vor allem in US-Dollar bereit. Am 19. September 2008 gab das US-Finanzministerium einen Vorschlag fr ein umfassendes Programm zur Sta-bilisierung des US-Finanzsektors be-kannt, das jedoch erst zwei Wochen spter gemeinsam mit weiteren Steuer-senkungen und einer Anhebung der Grenzen fr die Einlagensicherung be-schlossen wurde. Auch in Europa kam es bei einzelnen Finanzinstituten, bei denen Refinanzierungsschwierigkeiten aufgetreten waren, zu Sttzungen oder Verstaatlichungen. Ab Ende September 2008 wurden in den EU-Mitgliedstaa-ten zuerst isoliert und dann auch in Ab-sprache auf EU-Ebene eine Reihe von Initiativen zur Wiederherstellung des Vertrauens der Banken untereinander sowie zwischen den Banken und den Bankkunden gesetzt, die insbesondere in staatlichen Garantiebernahmen, der Bereitstellung staatlicher Fonds fr allfllige Kapitalerhhungen bei Ban-ken und einer Erhhung der Einlagensi-cherung (auf mindestens 50.000 EUR bis zu unlimitiert) bestanden. Am 8. Oktober 2008 gaben die Federal Re-serve, die EZB, die Bank of England, die Bank of Canada, die schwedische Notenbank und die Schweizerische Nationalbank in einer konzertierten Aktion eine Senkung ihrer Leitzinsen um 50 Basispunkte bekannt. Die Ma-nahme erfolgte wegen der durch die Finanzmarktkrise erhhten Abwrts-

    Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 9

    risiken fr die Konjunktur und, damit verbunden, deutlich verringerter Auf-wrtsrisiken fr die Preisstabilitt. Diese Einschtzung basierte vor allem auf den im Oktober verffentlichten Revisionen der IWF-Prognosen.

    In den USA war das annualisierte Quartalswachstum des (saisonal berei-nigten) realen BIP im dritten Quartal 2008 gem Vorabschtzung negativ (0,3 %), nachdem es im zweiten Quartal mit +2,8 % noch deutlich posi-tiv gewesen war. Im Jahresabstand fiel das Wachstum auf 0,8 % (nach 2,1 % im zweiten Quartal 2008). Die posi-tiven Beitrge der Nettoexporte und der ffentlichen Hand zum Quartals-wachstum reichten nicht aus, den Ein-bruch beim privaten Konsum und die weitere Schrumpfung der privaten In-vestitionen auszugleichen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich in den letz-ten Monaten verschlechtert (steigende Arbeitslosigkeit und rcklufige Be-schftigung). Die Korrektur auf dem US-Immobilienmarkt setzte sich mit landesweit fallenden Hauspreisen und einem weiter hohen und steigenden Be-stand an unverkauften Husern fort. In

    seiner November-Prognose erwartet der IWF fr das Jahr 2009 einen Rck-gang des BIP (0,7 %). Die Kerninfla-tionsrate betrug im September 2008 im Vorjahresvergleich 2,5 %, der Ver-braucherpreisindex (VPI) stieg dagegen um 4,9 % (August 2008: +5,4 %). Fr das Jahr 2009 erwartet der IWF einen Rckgang der Inflation auf 1,8 %.

    Im Euroraum ist das (nicht annuali-siert) saisonal berei nig te reale BIP im zweiten Quartal gegenber dem Vor-quartal um 0,2 % zurckgegangen, im Jahresabstand ist das BIP-Wachstum auf 1,4 % (nach 2,1 % im ersten Quar-tal) gesunken. Eine Wachstumskorrek-tur war nach der auf Sonderfaktoren beruhenden dynamischen Entwicklung im ersten Quartal (+0,7 % im Vergleich zum Vorquartal) erwartet worden. In Deutschland, Frankreich und Italien ist das BIP im zweiten Quartal 2008 im Vergleich zum Vorquartal zurckge-gangen. In seiner November-Prognose erwartet der IWF fr den Euroraum sowie fr diese drei grten Volkswirt-schaften des Euroraums einen Rck-gang des BIP im Jahr 2009 um 0,5 % bis 0,8 %. Die HVPI-Inflationsrate hat

    Tabelle 1

    IWF-Ausblick: Industrielnder

    BIP (reales Wachstum) Verbraucherpreisinflation Leistungsbilanz

    Okt. 08

    Apr. 08 Okt. 08 Nov. 08 Okt. 08

    Apr. 08 Okt. 08 Okt. 08

    2007 20081 20091 20081 20091 20081 20091 2007 20081 20091 20081 20091 2007 20081 20091

    in % in % in % des BIP

    Industrialisierte Lnder 2,6 1,3 1,3 1,5 0,5 1,4 0,3 2,2 2,6 2,0 3,6 2,0 0,9 1,0 0,6

    USA 2,0 0,5 0,6 1,6 0,1 1,4 0,7 2,9 3,0 2,0 4,2 1,8 5,3 4,6 3,3Euroraum 2,6 1,4 1,2 1,3 0,2 1,2 0,5 2,1 2,8 1,9 3,5 1,9 0,2 0,5 0,4Deutschland 2,5 1,4 1,0 1,8 0,0 1,7 0,8 2,3 2,5 1,6 2,9 1,4 7,6 7,3 6,8Frankreich 2,2 1,4 1,2 0,8 0,2 0,8 0,5 1,6 2,5 1,7 3,4 1,6 1,2 2,8 2,7Italien 1,5 0,3 0,3 0,1 0,2 0,2 0,6 2,0 2,5 1,9 3,4 1,9 2,5 2,8 2,4Vereinigtes Knigreich 3,0 1,6 1,6 1,0 0,1 0,8 1,3 2,3 2,5 2,1 3,8 2,9 3,8 3,6 3,4Japan 2,1 1,4 1,5 0,7 0,5 0,5 0,2 0,0 0,6 1,3 1,6 0,9 4,8 4,0 3,7

    Quelle: IWF (World Economic Outlook), April 2008 und Oktober 2008, und IWF (World Economic Outlook Update), November 2008.1 Prognose.

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    10 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    im Sommer ihren Hhepunkt ber-schritten. Nach jeweils 4 % im Juni und Juli 2008 (im Vergleich zum Vorjahr) ging sie bis September 2008 auf 3,6 % im Jahresabstand zurck. Fr das ge-samte Jahr 2009 erwartet der IWF ei-nen weiteren Rckgang der Inflation auf 1,9 %.

    In Japan ist das reale BIP im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 0,7 % gesunken. In seiner Novem-ber-Prognose erwartet der IWF fr das Jahr 2009 eine Stagnation des BIP (0,2 %). Die Inflationsrate betrug im September 2,1 % und lag damit ber der Obergrenze der von der Bank of Japan festgelegten Definition von Preis-stabilitt. Allerdings sollte der Roh-stoffpreisrckgang den Preisauftrieb dmpfen.

    Liquidittsspannungen, steigende Risikoprmien und hohe Volatilitt auf den Finanzmrkten

    Auf den Geldmrkten gab es vor derZuspitzung der Finanzmarktkrise im September 2008 nur punktuelle Zins-nderungen. So beschloss der Offen-marktausschuss der Federal Reserve am 30. April 2008 eine Senkung des Leit-zinses um 25 Basispunkte auf 2 % mit dem Ziel, Konjunkturrisiken entgegen-zuwirken. Im Euroraum beschloss der EZB-Rat am 3. Juli 2008 eine Anhe-bung des Leitzinses um 25 Basispunkte auf 4,25 % aufgrund gestiegener Auf-wrtsrisiken fr die Preisstabilitt und der Abwesenheit von signifikanten Be-schrnkungen fr die Kreditvergabe. Die seit August 2007 bestehenden Spannungen auf den Interbankengeld-mrkten verstrkten sich, jedoch seit Mitte September 2008, da der Konkurs von Lehman Brothers zu einer erhh-ten Wahrnehmung von Risiken undeiner erhhten Liquidittsprferenz der Finanzinstitute fhrte. Der Interbanken-geldhandel beschrnkte sich teilweise

    nur auf Taggeldgeschfte. Neben der koordinierten Zinssenkung am 8. Ok-tober 2008 kooperierten die Noten-banken auch bestndig in ihrem Be-mhen, den Geldmarkt vorbergehend zu ersetzen, indem sie sich untereinan-der (via Devisenswaps) und den Banken (via Auktionen) Liquiditt bereitstell-ten. Die Federal Reserve und derEZB-Rat senkten ihre jeweiligen Leit-zinsstze nochmals um 50 Basispunkte mit Wirkung vom 29. Oktober bzw. 12. No vember 2008 auf 1 % bzw. 3,25 %. Aufgrund der starken Span-nungen auf den Interbankengeldmrk-ten war der Drei-Monats-EURIBOR von Ende August bis Ende September 2008 von 5,0 % auf 5,3 % gestiegen, whrend sich der US-Dollar-Drei-Monats-LIBOR von 2,8 % auf 4,1 %erhht hatte. Im Gefolge der Noten-bankmanahmen ging der Drei-Monats- EURIBOR dann bis Mitte Novem ber auf 4,3 % und der US-Dollar-Drei-Monats-LIBOR auf 2,2 % zurck.

    Auf den Mrkten fr langfristige Staatsanleihen im Euroraum und den USA kam es von April bis Juni 2008 zu Renditeanstiegen von 0,5 bzw. 0,4 Pro-zentpunkten auf 4,8 % bzw. 4,1 %, da sich die Risikoaversion der Anleger leicht legte und mit den steigenden Erdl- und Rohstoffpreisen die Inflati-onsbesorgnisse zunahmen. Gleichzeitig wurden die Konjunkturaussichten we-niger pessimistisch eingeschtzt und die erwarteten Leitzinsen nach oben revidiert. Von Juni bzw. Juli 2008 bis Mitte November 2008 gingen die Ren-diten im Gefolge der Finanzkrise wie-der auf das April-Niveau zurck, da sich die gesamtwirtschaftlichen Aus-sichten eintrbten und die Investoren sichere Staatsanleihen bevorzugten. Die aus inflationsindexierten Anleihen ab-geleiteten Break-Even-Inflationsraten stiegen bis Juli 2008 aufgrund steigen-der Inflationserwartungen und Infla-

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 11

    tionsrisikoprmien im Euroraum an und gingen danach infolge der Leit-zinsanhebung der EZB, niedrigerer Rohlpreise und zuletzt der Verschr-fung der Finanzmarktkrise wieder zu-rck.

    Die Risikoaufschlge auf Unterneh-mensanleihen fr Schuldner mit bester Bonitt (AAA) und schlechter einge-stufte Emittenten (BBB) stiegen mit Zuspitzung der Finanzmarktkrise auf-grund der hheren Risikoaversion und Liquidittsprferenz sowie vermehrter Konjunkturbesorgnisse ab September 2008 deutlich an und erreichten neue langjhrige Hchststnde, nachdem zu-vor nur ein gradueller Anstieg zu beob-achten war. Die BBB-Risikoaufschlge stiegen von April bis Mitte November 2008 im Euroraum und den USA um rund 310 bzw. 330 auf 600 bzw. 660 Basispunkte. Die AAA-Risikoauf-schlge hingegen stiegen von April bis Oktober im Euroraum um 60 Basis-punkte, in den USA jedoch um 180 Ba-sispunkte, gingen dann allerdings bis Mitte November um 20 bzw. 30 auf 90 bzw. 310 Basispunkte zurck.

    Auf den Aktienmrkten im Euroraum und in den USA kam die Mitte Mrz 2008 einsetzende Erholung im Mai zum Stillstand, und die Kurse ent-wickelten sich im dritten Quartal 2008 weiter rcklufig. Diese Entwicklung war hauptschlich auf die Unsicherheit bezglich der weiteren Finanzmarkt- und Konjunkturentwicklung und auf die sich abschwchende Gewinndyna-mik der Unternehmen zurckzufh-ren. Sowohl im Euroraum als auch in den USA wurde der Gesamtmarkt-index durch den Fall der Rohstoff- und Energieaktien nach unten gezogen. Aufgrund der negativeren Entwicklung der Bankaktien war jedoch der Aktien-

    index im Euroraum strker rcklufig als in den USA. Von Ende September bis Mitte November 2008 kam es in beiden Regionen zu einem noch gre-ren Kursrckgang als im dritten Quar-tal 2008. Vor allem bei Finanzwerten kam es zu einem berproportionalen Einbruch; erstens aufgrund von gestie-genen Zweifeln an der Rentabilitt oder sogar der Solvenz der (US-)Finanzinsti-tute, zweitens aufgrund von Leerver-kufen1 und drittens aufgrund des Li-quidittsbedarfs von Investmentfonds, von denen risikoaversere Anleger zu-nehmend Geld abzogen. In vielen Ln-dern wurden regulatorische Manah-men zur Beschrnkung von Leerver-kufen gesetzt. Die hhere Unsicherheit auf den Aktienmrkten zeigte sich auch in einem starken Anstieg der impliziten Volatilitt von Ende August bis Mitte November 2008.

    Auf den Devisenmrkten erreichte der US-Dollar/Euro-Wechselkurs am 15. Juli 2008 einen neuen Hchststand von 1,5990 USD/EUR. In den fol-genden Wochen kam es aufgrund ver-schlechterter Wachstumsaussichten im Euroraum zu einem deutlichen Kurs-rckgang. Auch der japanische Yen und der Schweizer Franken konnten in diesem Zeitraum gegenber dem Euro zulegen, wenn auch in geringerem Aus-ma. Mit Zuspitzung der Finanzmarkt-krise Mitte September 2008 stieg die Volatilitt auf den Devisenmrkten deutlich an, und der US-Dollar/Euro-Wechselkurs reagierte auf die negativen Nachrichten mit starken Kursausschl-gen, wobei der US-Dollar insgesamt an Wert gewann, was mit den hohen Ver-anlagungen in kurzfristige US-Staats-papiere zusammenhngen knnte. Der Schweizer Franken setzte seinen Auf-wrtstrend fort, was auf seine Rolle als

    1 Leerverkufe von Aktien sind Verkufe von ausgeliehenen Aktien, die spter wieder rckgekauft und dem Eigen-tmer retourniert werden mssen.

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    12 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    sicherer Hafen und Finanzierungs-whrung fr Carry-Trades zurckzu-fhren sein drfte. Der japanische Yen geriet im Zuge der Finanzmarktturbu-lenzen unter Aufwertungsdruck. Mitte November 2008 lag der Wechselkurs des Euro gegenber dem US-Dollar und dem japanischen Yen um 22 % bzw. 29 % unter den jeweiligen Hchst-stnden vom Juli 2008 und gegenber dem Schweizer Franken um 9 % tiefer als im Juli 2008.

    Aufstrebende Mrkte: Nachlassende Konjunktur-dynamik; nach Rekord-Netto-kapitalzufluss 2007 an den Privat-sektor setzt Rckgang ein

    Starke, aber nachlassende wirtschaftliche Dynamik bei abnehmenden Inflationsrisiken

    Der IWF rechnet in seiner November-Prognose fr die aufstrebenden Volks-wirtschaften (Emerging Market Eco-nomies EMEs) und Entwicklungsln-der (EL) mit einer Verlangsamung des

    Tabelle 2

    IWF-Ausblick: Emerging Market Economies und Entwicklungslnder

    BIP (reale nderung) Inflation Leistungsbilanz

    Nov. 08 Apr. 08 Okt. 08 Nov. 08 Okt. 08 Okt. 08

    2007 20081 20081 20091 20081 20091 2007 20081 20091 2007 20081 20091

    in % in % in % des BIP

    Alle EMEs & EL 8,0 6,7 6,9 6,1 6,7 5,1 6,4 9,4 7,8 4,1 4,1 2,9

    CESEE2 5,7 4,4 4,5 3,4 4,2 2,5 5,7 7,8 5,7 6,6 7,1 7,2TschechischeRepublik 6,6 4,2 4,0 3,4 . . . . 2,8 6,7 3,4 1,8 2,2 2,5Ungarn 1,3 1,8 1,9 2,3 . . . . 7,9 6,3 4,1 5,0 5,5 6,1Polen 6,6 4,9 5,2 3,8 . . . . 2,5 4,0 3,3 3,8 4,7 5,7Slowakei 10,4 6,6 7,4 5,6 . . . . 1,9 3,9 3,6 5,4 5,1 4,7Rumnien 6,0 5,4 8,6 4,8 . . . . 4,8 8,2 6,6 14,8 13,8 13,3Kroatien 5,6 4,3 3,8 3,7 . . . . 2,9 7,0 4,9 8,6 10,1 10,2

    GUS 8,6 7,0 7,2 5,7 6,9 3,2 9,7 15,6 12,6 4,4 5,5 3,0Russland 8,1 6,8 7,0 5,5 6,8 3,5 9,0 14,0 12,0 5,9 6,5 3,4Ukraine 7,6 5,6 6,4 2,5 . . . . 12,8 25,3 18,8 3,7 7,2 9,2

    Naher Osten 6,0 6,1 6,4 5,9 6,1 5,3 10,6 15,8 14,4 18,4 22,9 17,1gypten 7,1 7,0 7,2 6,0 . . . . 11,0 11,7 16,1 1,5 0,6 0,9Iran 6,4 5,8 5,5 5,0 . . . . 18,4 26,0 22,0 10,1 11,2 6,7

    Afrika 6,1 6,3 5,9 6,0 5,2 4,7 6,2 10,2 8,3 0,4 3,0 0,2Nigeria 5,9 9,1 6,2 8,1 . . . . 5,5 11,0 11,1 2,1 6,2 0,6Sdafrika 5,1 3,8 3,8 3,3 . . . . 7,1 11,8 8,0 7,3 8,0 8,1

    Asien 10,0 8,2 8,4 7,7 8,3 7,1 4,9 7,3 5,8 6,8 5,2 5,0China 11,9 9,3 9,7 9,3 9,7 8,5 4,8 6,4 4,3 11,3 9,5 9,2Indien 9,3 7,9 7,9 6,9 7,8 6,3 6,4 7,9 6,7 1,4 2,8 3,1Indonesien 6,3 6,1 6,1 5,5 . . . . 6,2 9,8 8,8 2,5 0,1 0,1

    Lateinamerika2 5,6 4,4 4,6 3,2 4,5 2,5 5,4 7,9 7,3 0,4 0,8 1,6Argentinien 8,7 7,0 6,5 3,6 . . . . 8,8 9,1 9,1 1,7 0,8 0,6Brasilien 5,4 4,8 5,2 3,5 5,2 3,0 3,6 5,7 5,1 0,1 1,8 2,0Mexiko 3,2 2,0 2,1 1,8 2,0 0,9 4,0 4,9 4,2 0,6 1,4 2,2

    Quelle: IWF (World Economic Outlook), April 2008 und Oktober 2008, und IWF (World Economic Outlook Update), November 2008.1 Prognose.2 Hier CESEE exklusive europischer GUS-Lnder; Lateinamerika inklusive Karibik.

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    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 13

    realen BIP-Wachstums in den Jahren 2008 und 2009 auf 6,7 % bzw. 5,1 %.

    Nachdem im Jahr 2008, wie auch bestndig seit 2003, das Wachstum in Asien und in der Gemeinschaft Unabhn-giger Staaten (GUS) weltweit am strks-ten sein drfte, wird im Jahr 2009 laut IWF Asien, gefolgt vom Nahen Osten und Afrika, die hchsten Wachstumsra-ten aufweisen.

    In Asien sollte die Nachfrageschw-che in den Industrielndern durch die binnenwirtschaftliche und regionale Dynamik groteils kompensiert wer-den knnen. Obwohl das Wachstum nachlassen wird, drften diese Lnder die wirtschaftliche Stabilitt aufgrund der niedrigen Verschuldungsquoten aufrecht halten knnen. Whrend sich im ersten Halbjahr 2008 das Wachstum in China aufgrund eines schwcheren Exportwachstums verlangsamte, wa-ren dafr in Indien die schwachen In-vestitionen verantwortlich. Auch in La-teinamerika wird heuer das Wachstum trotz verschrfter Finanzierungsbe-dingungen berwiegend von der In-landsnachfrage gesttzt, nicht zuletzt aufgrund des Ausklingens der positiven Terms-of-Trade-Effekte, die sich in meh-reren Lndern bis ins dritte Quartal aus den hohen Rohstoffpreisen ergeben haben. Auch in Afrika2 wurde das Wachs-tum bis ins dritte Quartal des Jahres 2008 durch die hohen Energie- und Rohstoffpreise (insbesondere Preise fr Metall, Kaffee, Kakao und Baumwolle) begnstigt. Der dann einsetzende starke Preisverfall dieser Gter be-deutete eine deutliche Wachstums-bremse. Zugleich stiegen die Risiken fr das Wachstum der Region in Ver-bindung mit dem Risiko einer strkeren glo balen Nachfrageschwche. Im Nahen Osten ist das anhaltend (berdurch-schnittlich) hohe Wachstum im Erdl

    importierenden gypten bemerkens-wert, das auch vom Fremdenverkehr begnstigt wird. In der Trkei wird das Wachstum von der schwcheren Nach-frage aus der EU (betroffen ist vor allem die Automobil industrie) und den schlep-penden Investitionen belastet. Auch die zur Inflationsbekmpfung eingesetzte restriktive Geldpolitik und die fiska-lische Konsolidierung dmpfen die Kon-junktur. Das aktuelle Austrocknen der Kreditmrkte bildet laut IWF eine be-sondere Gefahr fr die trkische Kon-junktur.

    Der IWF hat im November 2008 seine Wachstumsprognose fr 2008 fr die EMEs und EL insgesamt wieder auf das Niveau seiner Prognose vom April 2008 geringfgig gesenkt. Regional be-trachtet erfolgte fr das Jahr 2008 im November die bei weitem markanteste Prognosenderung, und zwar eine Ab-wrtsrevision, bei Afrika. Fr das Jahr 2009 lagen die Prognosewerte im No-vember gegenber den Werten im Ok-tober fr die EMEs und EL insgesamt um einen Prozentpunkt niedriger. Vor allem fr die GUS nahm der IWF seine Prognosen markant berdurchschnitt-lich zurck. Dies hngt mit den Proble-men des Bankensektors in Russland zu-sammen, die mit der internationalen Finanzkrise und dem Verfall der Roh-stoff- und Energiepreise eng verbunden sind (siehe im Abschnitt zu CESEE).

    Insgesamt werden die EMEs und EL im Jahr 2008 erneut einen hohen Leistungsbilanzberschuss erzielen, der sich jedoch im Jahr 2009 verringern drfte. Hier bestehen sowohl zwischen den als auch innerhalb der einzelnen Regionen groe Unterschiede, vor allem je nach Verfgbarkeit von Rohstoffen. Europa ist die einzige Region mit einem hheren Defizit. Dieses drfte laut IWF im Jahr 2009 auch weiter ansteigen.

    2 Nicht eingerechnet sind hier Libyen und gypten, die zur Lndergruppe des Nahen Ostens gezhlt werden.

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    14 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    Aber auch in Lateinamerika wird sich das fr 2008 erwartete leichte Defizit im Jahr 2009 ausweiten. Neben der Ukraine knnte es laut IWF bei wei-teren EMEs und EL mit greren Leis-tungsbilanzdefiziten (unter anderem Trkei, Sdafrika) aufgrund der gestie-genen Risikoaversion bei den Investo-ren und verschrfter externer Kredit-vergabekonditionen zu Finanzierungs-problemen kommen.

    Die Wachstumsverlangsamung hat laut IWF in den meisten EMEs und EL dazu gefhrt, dass nun der Inflations-druck, der vor allem von den markant gestiegenen Energie- und daher auch Nahrungsmittelpreisen, aber zum Teil auch von einer starken Inlandsnach-frage ausgegangen war, nachlsst. In einer Reihe von Lndern ist die Infla-tion bereits vor der Zuspitzung der in-ternationalen Finanzkrise im Septem-ber 2008 und der damit einherge-

    henden drastischen Verschlechterung der Wirtschaftsaussichten deutlich ge-sunken, insbesondere aufgrund des Rckgangs der Energie- und Nahrungs-mittelpreise.

    Nettokapitalzuflsse an den privaten Sektor fr 2009 stark rcklufig erwartet, whrend Nettokapital-abflsse aus dem ffentlichen Sektor anhalten

    In vielen EMEs und EL ist es im Jahr 2007 zu historisch hohen Nettokapital-zuflssen an den privaten Sektor gekom-men. Traditionell werden die Nettozu-flsse von den Direktinvestitionen (FDIs) dominiert. Hinzu kamen im Jahr 2007 Nettozuflsse an Portfolio-investitionen und stark gestiegene Net-tozuflsse an Krediten. Der IWF er-wartet, dass sich die gesamten Netto-zuflsse an den Privatsektor im Jahr 2008 leicht und im Jahr 2009 markant

    Tabelle 3

    Nettokapitalzuflsse in Emerging Market Economies und Entwicklungslnder1

    2004 2005 2006 2007 20082 20092

    in Mrd USD

    Nettokapitalzufluss an den Privatsektor 236,5 248,7 223,0 632,8 528,6 286,6Nach InstrumentenDirektinvestitionen 189,0 261,8 246,0 379,0 443,6 414,6Portfolioinvestitionen 12,7 20,4 107,3 54,5 6,6 89,1Andere Nettokapitalflsse (v.a. Kredite) 34,8 7,3 84,4 199,5 91,8 38,7Nach Regionen (Lnder)Europa 74,3 119,2 119,9 173,8 179,9 181,7GUS 3,1 31,7 56,8 125,3 19,8 26,0Naher Osten 16,9 57,5 47,5 33,7 99,6 86,2Afrika 13,1 26,3 36,0 39,6 43,7 62,3Asien 147,8 90,9 48,3 163,0 291,6 22,0Lateinamerika u. Karibik 15,2 38,1 9,5 97,4 93,2 80,8

    Nettokapitalzufluss an den ffentlichen Sektor3 71,1 109,9 158,0 140,7 158,6 135,4NachrichtlichLeistungsbilanzsaldo 300,0 525,1 709,9 745,5 869,6 695,6Vernderung der Whrungsreserven4 508,4 595,8 754,3 1256,1 1270,1 920,2davon China 206,3 207,0 247,0 461,8 670,0 500,0

    Quelle: IWF (World Economic Outlook), Oktober 2008.1 Dargestellt sind aggregierte Zahlungsbilanzdatenstze von 131 Nichtindustrielndern, darunter die wirtschaftlich dominierenden 44 EMEs.

    Europa = Zentral- und Osteuropa exklusive europischer GUS-Lnder und inklusive Trkei. Asien = einschlielich Hong Kong, Korea, Singapur und Taiwan.

    2 Prognose.3 Minus: Nettokapitalabf luss aus den Entwicklungslndern in die Industrielnder. 4 Minus: Anstieg.

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    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 15

    abschwchen. Erwartete Grnde sind ein (zunehmend strkerer) Nettoab-fluss an volatilen Portfolioinvestitionen (verstrkte Auslandsveranlagungen von Asiens Privatsektor), ein geringerer Nettozufluss an Krediten im Jahr 2008 (Drehung des bisherigen starken Net-tozuflusses in einen Nettoabfluss in der GUS) und ein Nettoabfluss an Krediten im Jahr 2009 (analoge Drehung in Asien).

    Die FDIs stellen auch 2008 und 2009 in allen EME-Regionen die be-deutendste Form des Nettokapitalzu-flusses an den privaten Sektor dar, mit Ausnahme von Europa, wo in beiden Jahren die Nettozuflsse an Krediten die bedeutendste externe Finanzierungs-quelle bleiben drften.

    Zentral-, Ost- und Sdosteuropa (CESEE), die einzige Region mit einem traditionell hohen Leistungsbilanzdefizit, zieht seit Mitte der 1990er-Jahre die hchsten Nettokapitalzuflsse an den Pri-vatsektor an. Im Jahr 2008 drfte sie diese Spitzenposition vorbergehend an Asien abgeben, da in diesem Jahr auergewhnlich hohe Nettokreditver-gaben an Asien erfolgen. Auch Latein-amerika wird in den Jahren 2008 und 2009 ein (allerdings geringes) Leistungs-bilanzdefizit mit Nettokapitalzuflssen an den Privatsektor kombinieren. In Asien, Afrika und der GUS wird die seit dem Jahr 2004 bestehende Kombi-nation aus Leistungsbilanzberschssen und Nettokapitalzuflssen an den Privat-sektor auch in den Jahren 2008 und 2009 anhalten. Nur im Nahen Osten wird es in beiden Jahren insgesamt zu Nettokapitalabflssen des Privatsektors (Ver-anlagung der Leistungsbilanzberschsse in Form der Petrodollars) kommen.

    In den Jahren 2008 und 2009 wird fr jede Region auer Afrika und Lateinamerika ein Nettokapitalabfluss

    aus dem ffentlichen Sektor ohne Zentral-bank (Rckzahlungen von Auslands-schulden sowie Veranlagungen, z. T. via Sovereign Wealth Funds) erwartet, am weitaus strksten im Nahen Osten. Auch drfte laut IWF in jeder Region der Aufbau von Whrungsreserven in bei-den Jahren weitergehen, wobei der Zu-wachs im Jahr 2009 hinter dem rekord-hohen Aufbau 2008 bleiben drfte. Grund ist ein geringerer Reservenauf-bau in Asien, wo dennoch der absolute Zuwachs am hchsten bleiben wird, da hier der grte absolute Leistungs-bilanzberschuss erwirtschaftet wird.

    Spitzenposition sterreichs bei Bankenforderungen in CESEE

    Ende Mrz 2008 erreichten die Forde-rungen der sterreichischen Banken3 8,5 % des nominellen BIP der Empfn-gerlnder in CESEE und waren damit weiterhin hher als die Bankenfor-derungen jedes anderen Landes an diese Region (siehe Tabelle 4). Nahe-zu ein Fnftel der Forderungen smt-licher an die BIZ meldender Banken an diese Region entfiel auf sterreichische Banken.

    Im Vergleich zu den Banken ande-rer Lnder hielten die sterreichischen Banken gegenber Slowenien, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Rumnien, Kroatien und der Ukraine den hchsten und gegenber Ungarn (nach Deutschland) und Bulgarien (nach Italien) den zweithchsten Forde-rungsstand. Gegenber Russland ran-giert der Forderungsstand hinter Deutschland, Frankreich und den Nie-derlanden gemeinsam mit Italien auf Rang vier. Im Fall Sloweniens (als Mit-gliedstaat des Euroraums), der Slo-wakei, der Tschechischen Republik und Kroatiens sind die Forderungen von smtlichen an die BIZ meldenden Ban-

    3 Die konsolidierte BIZ-Bankenstatistik zhlt die BA-CA-Gruppe nicht zu den sterreichischen Banken.

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    16 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    ken in besonders hohem Ausma auf die sterreichischen Banken konzent-riert mit einem Anteil von 30 % und darber.

    Eurobonds stark beeinflusst von der internationalen Finanzkrise

    Die Entwicklung auf dem internationa-len Eurobondmarkt stand bereits seit Sommer 2007 unter dem Einfluss der globalen Finanzmarktturbulenzen. Nachdem der durchschnittliche Rendi-teabstand von in US-Dollar bzw. Euro denominierten Staatsanleihen von Emittenten aus EMEs gegenber den Staatsanleihen der USA bzw. des Euroraums, gemessen am (Euro-)EMBI (Emerging Market Bond Index) Global von J.P. Morgan, im Juni 2007 mit 150 (US-Dollar) bzw. 50 (Euro) Basispunkten ein historisches Mini-mum erreicht hatte, machte er die

    Wellen bewegung der anderen Seg-mente des internationalen Finanz-marktes mit.

    Bis zur staatlich untersttzten bernahme der US-Investmentbank Bear Stearns durch JPMorgan Chase Mitte Mrz 2008 stieg der durch-schnittliche Renditeabstand um 190 (US-Dollar) bzw. 95 (Euro) Basis-punkte. Diese Spreadausweitung ent-stand primr auf die Weise, dass die Renditen der Eurobonds den Rckgang der Renditen der Benchmarkanleihen nicht mitvollzogen. So gingen die Renditen der zehnjhrigen US-Staats-an leihen in diesem Zeitraum um 165 Basis punkte und jene der zehn-jhrigen Staatsanleihen von Lndern des Euroraums um 75 Basispunkte zu-rck. Nach der Auffanglsung fr Bear Stearns gingen die Spreads bis Ende Mai 2008 um knapp 80 bzw. 40 Basis-

    Tabelle 4

    Forderungen der an die BIZ meldenden Banken gegenber CESEE1

    AT DE IT FR NL SE BE UK Europa2 USA Japan

    in % des BIP (2007) des Empfngerlandes

    CESEE 8,5 6,2 6,0 4,9 2,9 2,8 3,6 1,2 42,2 1,6 0,7

    EU-Lnder in CESEE (ohne Baltikum)

    Bulgarien 12,4 5,3 15,5 6,3 1,3 0,0 4,5 0,6 78,9 0,9 0,2Tschechische Republik 31,0 5,4 8,3 18,6 3,3 0,1 24,2 . . 95,4 1,8 0,6Ungarn 22,8 23,1 17,3 6,8 3,7 0,2 11,1 . . 91,3 1,9 1,5Polen 3,3 10,3 11,4 4,8 6,0 1,4 4,7 0,3 52,8 2,5 1,4Rumnien 22,8 1,9 6,1 11,2 4,5 0,1 0,6 0,1 61,1 0,8 0,1Slowakei 37,5 4,5 22,6 7,0 6,8 0,1 11,7 . . 92,7 1,5 0,1Slowenien 29,9 25,8 14,7 5,5 1,6 0,0 5,7 0,6 86,3 0,7 0,9

    Sonstige Lnder in CESEE

    Kroatien 64,5 31,6 56,5 14,9 0,3 0,0 0,7 0,7 171,6 0,5 0,9Ukraine 8,9 3,3 3,3 7,2 2,5 3,5 0,5 0,5 36,1 1,2 0,6Russland 1,5 3,1 1,5 2,5 1,6 0,5 0,6 . . 14,1 1,1 0,7Trkei 0,4 2,4 . . 2,0 2,7 0,1 2,1 . . 17,6 2,0 0,5

    Quelle: BIZ, Eurostat, Thomson Financial, nationale Quellen und eigene Berechnungen.

    Anmerkung: Die hier dargestellten Forderungen entsprechen den von der BIZ verffentlichten Konsolidierten Auslandsforderungen der an die BIZ berichtenden Banken (BIS Quarterly Review September 2008, Table 9B). Diese umfassen bei jeder Bank die Forderungen (in smtlichen Whrungen) der Mutter- und der Tochtergesellschaften gegenber Schuldnern auerhalb des Konzerns in den jeweiligen Lndern. Die Forderungen der sterreichischen Banken enthalten in dieser konsolidierten Betrachtung nicht die Forderungen der BA-CA-Gruppe.

    1 Ende Mrz 2008. 2 Europa umfasst neben den aufgelisteten Herkunftslndern auch Dnemark, Griechenland, Irland, Portugal, Finnland, Spanien, die Schweiz,

    Norwegen und Slowenien.

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    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 17

    punkte zurck, stiegen dann jedoch bis Mitte September wieder um knapp 100 bzw. 30 Basispunkte an. Nachdem sie sich somit seit Beginn der Finanzmarkt-turbulenzen Mitte 2007 bis Mitte Sep-tember 2008 um 210 bzw. 85 Basis-punkte ausgeweitet hatten, erhhten sie sich whrend der Zuspitzung der Finanzmarktkrise nach dem Konkurs-antrag der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 sprunghaft um 350 bzw. 240 Basis-punkte auf 710 bzw. 380 Basispunkte bis Mitte November 2008, whrend sich die Renditen der USD-Benchmark-anleihen (zehnjhrige US-Staatsan-leihen) per Saldo kaum vernderten (leichter Anstieg bis Mitte Oktober, dann Rckgang) und sich jene der EUR-Benchmarkanleihen (zehnjhrige Staatsanleihen von Lndern des Euro-raums) um 50 Basispunkte verringerten.

    Nachdem die durchschnittlichen Ge-samtertrge aus Veranlagungen in Euro-bonds von Mrz bis Mitte September 2008 bei beiden Indizes nahe null gele-

    gen waren, mussten beide Index-Porte-feuilles zwischen Mitte September und Mitte November 2008 (nicht annuali-sierte) Gesamtverluste von 19 % (US-Dollar-Portfolio) bzw. 8 % (Euro-Port-folio) hinnehmen. Fr Investoren aus dem Euroraum wurden diese Verluste aus dem US-Dollar-Portfolio durch die parallele Aufwertung des US-Dollar um 12 % zum Teil kompensiert.

    Offensichtlich stand der Nachfrage-rckgang nach von staatlichen Schuld-nern aus EMEs begebenen Eurobonds und der resultierende Anstieg der Ren-diteabstnde nicht im Einklang mit der positiven Entwicklung der Fundamental-daten gemessen an der Anzahl der Ra-tingheraufstufungen (durch die drei grten Ratingagenturen) fr die in den beiden Indizes enthaltenen Lnder zwischen Ende Mrz und Ende Septem-ber 2008. Diese berstiegen nmlich nach wie vor deutlich die Anzahl der Ratingherabstufungen, wenn auch in geringerem Ausma als zuvor. Viel-mehr war der treibende Faktor die

    Tabelle 5

    Eurobonds: Renditeabstnde zu Referenzanleihen und Ertragsentwicklung nach Weltregionen

    EMBI Global (in USD) Euro EMBI Global (in EUR)

    Anteil am Gesamt-index in %

    Renditeabstand in Basispunkten

    Gesamt-ertrag in %

    Rating Dura-tion

    Anteil am Gesamt-index in %

    Renditeabstand in Basispunkten

    Gesamt-ertrag in %

    Rating Dura-tion

    13. Nov. 2008

    13. Nov. 2008

    nde-rung seit 31. Mrz 2008

    seit 31. Mrz 2008

    13. Nov. 2008

    31. Okt. 2008

    13. Nov. 2008

    13. Nov. 2008

    nde-rung seit 31. Mrz 2008

    seit 31. Mrz 2008

    13. Nov. 2008

    31. Okt. 2008

    Gesamtindex 100,0 711 387 19,4 BB+ 5,95 100,0 381 252 7,9 BBB+ 4,72Afrika 2,3 797 369 19,8 BB+ 4,21 3,9 715 461 13,6 BBB+ 4,03Asien 17,4 610 338 17,7 BB+ 5,79 3,4 342 227 3,9 BBB 3,76Europa 27,6 708 436 20,8 BBB 5,47 76,6 336 233 7,5 BBB+ 4,99Lateinamerika 49,1 740 393 20,3 BBB 6,47 16,1 590 366 9,0 BBB 3,67Naher Osten 3,6 741 164 4,1 B 4,35 . . . . . . . . . . . .

    Quelle: Bloomberg, J.P. Morgan, OeNB-Berechnungen.

    Anmerkung: EMBI Global und Euro EMBI Global unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung (z. B. hinsichtlich Whrung, Lnderkreis, Instrumenten, Laufzeit etc.). Dies und die unterschiedliche Anlegerstruktur erklren z. T. die Unterschiede in Niveau und Entwicklung der Renditeabstnde und der Ertrge sowie Unterschiede in anderen Indexmerkmalen. Das Rating wird ermittelt als der Durchschnitt der von Moodys, Standard & Poors und Fitch vergebenen Ratings fr langfristige Fremdwhrungsverbindlichkeiten der ffentlichen Hand und ist ausgedrckt in den Kategorien von Standard & Poors.

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    18 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    enorm gestiegene globale Risikoaver-sion, die auch dieses Segment des inter-nationalen Finanzmarktes ansteckte.

    Die europischen in US-Dollar bzw. in Euro denominierten Staatsanleihen wurden von den Finanzmarktturbu-lenzen sehr unterschiedlich getroffen. Von Mitte 2007 bis Mitte September 2008 stiegen die Spreads der Ukraine, Rumniens und Bulgariens sowie in einem geringeren Ausma auch von Kroatien und Ungarn strker als beim Gesamtindex an, von Mitte September bis Mitte November 2008 war dies so-wohl in diesen Lndern als auch in der Trkei und Russland der Fall. Im Ge-gensatz dazu weiteten sich die Spreads der Slowakei und der Tschechischen Republik sowie Polens in beiden Zeit-abschnitten viel geringer als beim Ge-samtindex aus.

    CESEE: Lnder mit externen Ungleichgewichten von internationaler Finanzkrise strker getroffen

    Sowohl die Finanzmarktturbulenzen ab Mitte 2007 als auch die Zuspitzung der internationalen Finanzkrise ab Mitte September 2008 haben primr die Fi-nanzvermgenswerte jener Lnder ge-troffen, die aufgrund ihrer externen Position (Zahlungsbilanz, Auslands-schulden) oder ihres Anteils an inln-dischen Fremdwhrungskrediten str-ker exponiert und verwundbar waren. Dies gilt insbesondere fr Eurobonds staatlicher Schuldner (siehe oben) und mit Einschrnkungen fr Staatsan-leihen in nationaler Whrung sowie die nationalen Whrungen selbst (siehe un-ten). In einem schwcheren Ausma finden sich diese Unterschiede auch bei der Entwicklung der Aktienmrkte. Zu den betroffenen Lndern zhlten neben

    der Ukraine, in der auch politische Un-sicherheiten eine magebliche Rolle spielten, vor allem die Lnder Sdost-europas und Ungarn. Die internatio-nale Finanzkrise und die nderung der Risikoaversion wirkten sich ber meh-rere Wirkungskanle aus. So kam es zu einem Rckzug von Banken und Kun-den aus Investmentfonds, die ihrerseits zur Auszahlung der Fondsanteile Posi-tionen, die mit relativ hherem Risiko bewertet wurden, liquidieren mussten. Weiters waren von der allgemeinen Vertrauenskrise auf dem Interbanken-markt sowohl auf dem Geldmarkt als auch auf dem Markt fr Devisenswaps4 auch Banken in den EMEs betroffen. Daher wurden problematische Finanz-marktentwicklungen in diesen CESEE-Lndern nicht nur dadurch hervorgeru-fen, dass ein nervser Markt sehr sensi-bel auf fundamentale Verschlechte-rungen reagierte. Vielmehr machte ins-besondere das Beispiel Ungarn deut-lich, dass das international gestiegene Risiko zu Ansteckungen fhren kann, indem es Probleme auch dort hervor-ruft, wo sich die Fundamentaldaten in den letzten Jahren zwar sprbar ver-bessert haben, aber die verbliebenen Risiken nun als noch immer zu hoch eingestuft werden nachdem viel schlechtere Fundamentaldaten bzw. grere Risiken zuvor keine negative Reaktion bewirkt hatten.

    Auswirkungen der Finanzkrise in Zentral- und Sdosteuropa

    In Ungarn brach Anfang Oktober 2008 auf dem Markt fr in Forint denomi-nierte Staatsanleihen die Nachfrage deutlich ein. Dies fhrte zu einem star-ken Anstieg der Renditeabstnde der Forint-Staatsanleihen gegenber den Benchmarkanleihen im Euroraum auf

    4 Devisenswaps sind zeitlich befristete Fremdwhrungstauschgeschfte, die Zinsdifferenzen von zwei Whrungen bercksichtigen.

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 19

    ein Niveau, das zuletzt im September 2004 verzeichnet wurde: Nachdem dieser Spread von Mitte Mrz bis Mitte September 2008 um 110 auf 360 Basis-punkte zurckgegangen und dann bis Ende September 2008 auf 420 Basis-punkte angestiegen war, sprang er bis zum 10. Oktober 2008 auf 670 Basis-punkte in die Hhe. Hintergrund fr diesen Nachfrageeinbruch drfte ins-besondere das weitgehende Wegfallen der Devisenswapgeschfte gewesen sein, auf deren Basis die auslndischen Swap-partner die erhaltene Forint-Liquiditt in Staatspapiere investiert hatten. Hinzu kamen auch Spekulationen ber finanzielle Schwierigkeiten bei der grten und mehrheitlich in unga-rischem Besitz stehenden Bank des Landes (OTP Bank), deren Brsenkurs in der Woche zum 10. Oktober 2008 um 40 % an Wert verlor, was auch den Index, an dem die OTP Bank einen groen Anteil hat, negativ beeinflusste (21 %). Tatschlich war auch die OTP Bank vom Einbruch des internationalen Devisenswapmarktes betroffen, da sie solche Geschfte zum Schlieen sonst offener Devisenpositionen insbeson-dere aufgrund gewhrter Fremdwh-rungskredite bentigte und daher unter Druck stand, auf den Devisenkassa-markt auszuweichen, was einen Abwer-tungsdruck auf die Whrung auslste. Befrchtungen ber eventuell notwen-dige staatliche Eingriffe, die die Staats-schulden erhhen knnten, mischten sich mit Assoziationen zu den Proble-men Islands und seiner Banken. Auf-grund der Aktien- und Anleiheverkufe durch auslndische Portfolioinvestoren erhhte sich die Fremdwhrungsnach-frage zustzlich und der Forint wertete von Ende September bis zum 10. Okto-ber 2008 um 7 % gegenber dem Euro ab. In Reaktion auf die Kursstrze wurde sofort eine Reihe von Manah-men ergriffen:

    Die Notenbank begann (mit ergn-zender Untersttzung durch eine Kreditlinie der EZB) zur Verbesse-rung der (Fremdwhrungs-)Liqui-ditt auf dem Interbankenmarkt als Devisenswappartner zu fungieren. Zur Wiederherstellung des Gleich-gewichts auf dem Anleihemarkt wurde die Grenze fr Veranlagun-gen der ungarischen Pensionsfonds in Staatsanleihen aufgehoben, fr das Jahr 2008 das Budgetdefizitziel von 3,8 % auf 3,4 % des BIP verrin-gert und das Emissionsvolumen auf die berwlzung bestehender Schulden reduziert, fr das Jahr 2009 Steuersenkungsplne verscho-ben und das Defizitziel auf 2,9 % gesenkt sowie auch Anleiherck-kaufauktionen abgehalten. Auerdem setzte die Regierung umgehend den EU-weiten Beschluss einer Mindesteinlagensicherung von 50.000 EUR um, wobei sie zustz-lich staatliche Garantien fr den Fall von Bankkonkursen festlegte.

    Dennoch stieg der Spread der Forint-Staatsanleihen bis zum 23. Oktober 2008 noch um weitere 160 auf 830 Ba-sispunkte, und der Forint wertete ge-genber dem Euro um weitere 8 % (und somit insgesamt um fast 15 % seit Ende September 2008) ab.

    Am 22. Oktober 2008 erhhte die ungarische Notenbank den Leitzinssatz um 300 Basispunkte auf 11,5 %. Ende Oktober 2008 vereinbarten der IWF, die EU und die Weltbank mit der unga-rischen Regierung ein Kreditpaket ber insgesamt 20 Mrd EUR, wovon der IWF 12,5 Mrd EUR und die EU 6,5 Mrd EUR stellte. In dieser Vereinba-rung verpflichtete sich die Regierung, die Mittel auch fr die Stabilisierung des Bankensektors zu verwenden (Ein-richtung eines Refinanzierungsgaran-tiefonds und eines Kapitalerhhungs-fonds) und das Budgetdefizit im Jahr

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    20 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    2009 auf 2,5 % zu senken, insbeson-dere im Wege von Einsparungen bei den ffentlichen Gehltern und den Pensionen. Mit diesem Kreditabkom-men ist zugleich die Erwartung verbun-den, dass die auslndischen Banken weiterhin im bisherigen Ausma in Un-garn aktiv bleiben. Das Bekanntwerden der Vorbereitungen auf dieses Paket so-wie sein Abschluss fhrten zu einer po-sitiven Marktreaktion: Der Forint wer-tete gegenber dem Euro bis Anfang November 2008 stark auf (+9,5 %) und der Forint-Anleihespread ging deutlich zurck (210 Basispunkte). Danach folgten bis Mitte November eine mige graduelle Abwertung und Spreadaus-weitung.

    Die Ereignisse in Ungarn zogen An-steckungseffekte in Polen und in der Tschechischen Republik nach sich. Der Renditespread der Staatsanleihen in na-tionaler Whrung stieg von Ende Sep-tember bis zum 23. Oktober 2008 in Polen und in der Tschechischen Repu-blik um 180 bzw. 110 auf 320 bzw. 80 Basispunkte, nachdem er zuvor von Mrz bis Mitte September 2008 um 50 bzw. 80 Basispunkte zurckgegangen war. Der polnische Zloty und die Tschechische Krone werteten in die-sem Zeitraum gegenber dem Euro um 13 % bzw. 5 % ab, nachdem sie aller-dings zuvor von Mrz bis August 2008 um 9 % bzw. 6 % aufgewertet und da-nach nur mig abgewertet hatten. Als Gegenmanahme begann in Polen die Notenbank, die Liquiditt im Wege von neu eingefhrten Devisenswaps und einer Ausweitung des Angebots an Refinanzierungskrediten zu verbes-sern, whrend die Regierung vorsorg-lich eine Gesetzesvorlage fr staatliche Untersttzungsmglichkeiten (Garan-tien, Kredite, Beteiligungen) fr pro-blemgeschttelte Finanzinstitute be-schloss. In der Tschechischen Republik

    sagte die Regierung Staatsanleiheauk-tionen ab, und die Notenbank begann, Liquiditt zufhrende Repogeschfte (mit Staatsanleihen als Sicherheit fr Kreditgewhrung) anzubieten. Das Be-kanntwerden der Vorbereitungen so-wie die Verlautbarung der Kreditver-einbarung des IWF und der EU mit Ungarn brachte dann fr beide Lnder positive Ansteckungseffekte. Die Wh-rungen und die Staatsanleihen in natio-naler Whrung machten in der ersten Reaktion einen substanziellen Teil der vorherigen ansteckungsbedingten Ver-luste wett, danach folgte bis Mitte No-vember 2008 eine graduelle Abwer-tung der beiden Whrungen.

    In Bulgarien bernahm die Regie-rung die Haftung fr Interbankenkre-dite, fhrte fr inlndische Finanzins-titute ein Rckkaufsystem von Staats-anleihen ein und kndigte vorsorglich die allfllige Bereitstellung von staatli-chen Einlagen in den Banken an.

    Wie in Ungarn wurde auch in allen anderen EU-Mitgliedstaaten dieser Re-gion der EU-weite Beschluss einer An-hebung der Einlagensicherung auf den Mindestbetrag von 50.000 EUR um-gesetzt. Dabei ging neben Ungarn und Litauen, das einen Betrag von 100.000 EUR normierte, nur die Slowakei ber den Mindestbetrag hinaus und legte eine unbeschrnkte Einlagen-sicherung fest. Das in EU-Beitrittsver-handlungen stehende Kroatien vollzog die Anhebung der Einlagensicherung mit, indem es den entsprechenden Be-trag von 14.000 EUR auf 56.000 EUR erhhte. Zur Verbesserung der Fremd-whrungsliquiditt auf dem Interban-kenmarkt setzte die kroatische Noten-bank weiters die fr Geschftbanken gltige spezielle Reserveverpflichtung, 55 % der neu aufgenommenen Aus-landskredite als Reserven bei der No-tenbank deponieren zu mssen, aus.

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    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 21

    Auswirkungen der Finanzkrise in der UkraineIn der Ukraine hatten eine wirtschaft-liche berhitzung mit Kreditboom und starkem Konsumwachstum sowie der Rckgang der Stahlpreise im ersten Halbjahr 2008 zu einer Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits auf 7,7 % des BIP (nach 3,3 % im ersten Halbjahr 2007) gefhrt, das nur mehr zum Teil durch Zuflsse an Direktinvestitionen (6,2 % des BIP) gedeckt werden konnte. Dennoch stand die Whrung (Hryvnia) aufgrund von hohen Kapitalzuflssen unter starkem Aufwertungsdruck und Ende Mai 2008 wertete die Notenbank ihr an den US-Dollar gebundenes Wh-rungsband um 4 % auf. Mitte Septem-ber 2008 traf die internationale Finanz-krise die Ukraine dann in mehrfacher Weise, indem sich (1) der Ausblick fr die Konjunktur und damit fr Stahlex-porte und Direkt investitionszuflsse stark eintrbte (wh rend Preisanhe-bungen fr Gas importe aus Russland 2009 anstehen), (2) die gestiegene Risi-koaversion zu einer Neubewertung der Ausweitung des externen Defizits fhrte und (3) viele west liche sowie russische Portfolioinvestoren Liquiditt brauchten. Hinzu kamen der Zerfall der Regierungskoalition und die Unsi-cherheit bezglich Neuwahlen. Dies fhrte zu einer starken Ausweitung der Eurobondspreads, zu einem Einbruch des Aktienmarktes und einer Abwer-tung der Hryvnia von Ende August bis Ende September 2008 um 8 % gegen-ber dem US-Dollar (vom starken zum schwachen Band ende), was einer Ab-wertung um 5 % gegenber dem Euro entsprach. Als das schwache Bandende durchbrochen war, reagierte die No-tenbank Anfang Oktober 2008 mit Ab-wertung und Aus weitung des Wh-rungsbands sowie mit massiven Devi-seninterventionen. Notenbankkre diten

    zur Rettung einer mittel groen Bank Anfang Oktober folgten Notmanah-men zur Sicherung der Stabilitt des Bankensektors (unter anderem Verbot vorzeitiger Abhebungen, Anhebung der Einlagensicherungsgrenze, Einschrn-kungen fr die Vergabe von Fremdwh-rungskrediten). Mitte Oktober 2008 kam es zur Herabstufung des Ratings fr langfristige staatliche Fremdwh-rungsschulden durch Fitch bzw. Stan-dard & Poors. Am 26. Oktober 2008 vereinbarte der IWF mit der ukrai-nischen Regierung einen zweijhrigen Stand-by-Kredit in Hhe von 16,5 Mrd USD. Von Ende September bis zum 26. Oktober 2008 hatte die Hryvnia gegenber dem US-Dollar um weitere 14 % abgewertet, blieb jedoch gegen-ber dem Euro (aufgrund der parallelen Abwertung des Euro) fast stabil. Trotz der Verlautbarung des Kreditabkom-mens wertete die Whrung dann je-doch binnen dreier Handelstage erneut stark ab (17 % gegenber dem US-Dollar, 18 % gegenber dem Euro). Erst mit der schrittweisen Zustimmung des ukrainischen Parlaments zum Kre-ditabkommen (endgltige Abstimmung am 31. Oktober 2008) und weiteren hohen Deviseninterventionen konnte diese Abwertung dann bis Mitte No-vember 2008 gegenber beiden Wh-rungen wieder rckgngig gemacht werden. Von Ende September bis Ende Oktober 2008 sanken die offiziellen Devisenreserven um 5 % (gemessen in Euro) auf 25 Mrd EUR. Aufgrund der Abwertung des Euro gegenber dem US-Dollar in diesem Zeitraum betrug der Reservenverlust gemessen in US-Dollar jedoch 15 %. Das Abkommen mit dem IWF beinhaltet die Verpflich-tung zu einer restriktiven Geld- und Fiskalpolitik sowie zu umfassenden Strukturreformen (einschlielich der Stabilisierung des Bankensektors).

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    22 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    Auswirkung der Finanzkrise in RusslandAllerdings wurden nicht ausschlielich Lnder mit (relativ) hohen negativen Leistungsbilanzsalden oder Auslands-schulden (jeweils gemessen am BIP) von der internationalen Finanzkrise in Probleme gebracht. Auch Russland hat gravierende Folgen fr den heimischen Finanzsektor zu bewltigen, wenn auch hier die Probleme etwas anders gela-gert sind. Schon ab August 2008 fhr-ten sicherheitspolitische Spannungen im Gefolge der Georgien-Krise und der Rckgang der Energie- und Rohstoff-preise zu Nettoabflssen an Portfolio-kapital sowie zu Kapitalflucht. Dies wurde durch die Zuspitzung der inter-nationalen Finanzkrise noch weiter ver-schrft, nicht zuletzt auch weil sich durch diese Krise die Erwartungen eines weiteren Energiepreisrckgangs verstrkten. Der dadurch bewirkte Einbruch auf dem Aktienmarkt, mehr-mals begleitet von einem Aussetzen des Handels fr ganze Tage, fhrte zu schweren Liquidittsproblemen insbe-sondere der kleinen und mittleren der rund 1.150 russischen Banken, da Ak-tien oft als Kreditbesicherung gegeben wurden und deren Wertverfall die Ein-schusspflichten (in Form von liquiden Mitteln) massiv erhhte. Die russische Notenbank reagierte rasch mit um-fangreichen Deviseninterventionen zur Sttzung des Rubel und mit Liquidi-ttszufuhr via kurzfristiger Kredite. Dann folgten mehrere umfangreiche Manahmenpakete. Mitte September 2008 wurden die Mindestreservestze um 4 Prozentpunkte gesenkt, und die Regierung kndigte (1) finanzielle Stt-zungen fr 28 groe und mittlere Ban-ken und groe brsennotierte Unter-nehmen im Wege von lngerfristigen Einlagen, Krediten und Aktienkufen, (2) die Reduktion der Exportsteuern auf Erdl, (3) das Reservieren eines Teils der offiziellen Devisenreserven

    zur Garantie der Bedienung der Aus-landsschulden des Privatsektors und (4) die Anhebung der Einlagensicherung um 75 % auf umgerechnet rund 19.400 EUR an. Ende September 2008 wurde eine grere private Bank, die in Schwierigkeiten gekommen war, von der staat lichen Vneshekonombank (VEB) bernommen. Anfang Oktober 2008 wurden weitere Untersttzungen ins-besondere fr die Grobanken ange-kndigt, unter anderem die Vergabe von langfristigen (fnfjhrigen) Kre-diten. Am 10. Oktober 2008 beschloss das Parlament eine Reihe der zuvor angekndigten Manahmen. Insgesamt erreichte die Summe der Auszahlungen und Haftungsbernahmen etwa 150 Mrd EUR bzw. etwa 17 % des BIP. Von Anfang August bis Ende Oktober 2008 sanken die (teils in US-Dollar und teils in Euro gehaltenen) offiziellen Devi-senreserven um 4 % (gemessen in Euro) auf 380 Mrd EUR. Aufgrund der Ab-wertung des Euro gegenber dem US-Dollar in diesem Zeitraum betrug der Reservenverlust gemessen in US-Dol-lar jedoch 19 %. In der ersten Novem-ber-Hlfte begann die russische Noten-bank eine Politik der kontrollierten Abwertung des Rubel, indem sie einer-seits die enge Bindung des Rubel aneinen Whrungskorb bestehend aus 55 % US-Dollar und 45 % Euro in ein 1-Prozent-Whrungsband umwan-delte, worauf der Rubel sofort auf das schwache Bandende abwertete, ande-rerseits am 11. November den Refinan-zierungssatz um 100 Basispunkte auf 12 % anhob. Abgesehen von politischen Unsicherheiten und institutionellen Schwchen wurde Russland von der in-ternationalen Finanzkrise im Wege der gleichzeitigen Eintrbung des Ausblicks fr den Leistungsbilanzberschuss (En-ergiepreisrckgang) und der Belastung des auenwirtschaftlichen Finanzie-rungskontos getroffen. Letztere war

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 23

    besonders gro, weil die Finanzie-rungsstrme in enger Verknpfung mit der Aktienmarktentwicklung standen und die auslndischen Mutterbanken nur einen geringen Anteil zur gesamten externen Finanzierung des russischen Bankensektors beitragen, an dem sie ja nur einen relativ niedrigen Marktanteil halten. Andererseits konnte Russland jedoch dank der offiziellen Devisenre-serven bzw. der staatlichen Reserve-fonds, die auf Basis der hohen Energie- und Rohstoffpreise aufgebaut waren, um-fangreiche Gegenmanahmen setzen.

    Zu den wichtigsten mittelfristigen Risikofaktoren fr die CESEE-Lnder zh-len vor dem Hintergrund der internatio-nalen Finanzmarktkrise insbesondere die negativen Wachstumsaussichten fr den Euroraum und die damit ein-hergehende Schwchung des Export-marktes fr die Lnder der Region und die Abschwchung des Zuflusses an Direktinvestitionen in diesen Lndern. Zugleich verschlechtert die Finanzkrise auch die Bedingungen fr und mgli-cherweise den Umfang von externen Finanzierungen durch Schuldenaufnah-men. Das drfte vor allem Lnder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten treffen.

    Die folgende Darstellung und Ana-lyse der Entwicklung der Whrungen zeigt, wie stark die CESEE-Lnder

    bei zum Teil groen Unterschieden in den Fundamentaldaten letztlich alle von der internationalen Finanz-marktsituation und Risikoneigung be-einflusst werden.

    Whrungen der Region durch globale Finanzkrise Anfang Oktober unter Abwertungsdruck

    Whrend der bulgarische Lev im Rah-men des Currency-Board-Regimes auch whrend der Finanzmarktturbulenzen fest blieb, zeigte der Kursverlauf gegen-ber dem Euro bei den hier unter-suchten Whrungen mit nicht fest ge-bundenem Wechselkurs (Slowakische Krone, Tschechische Krone, polnischer Zloty, ungarischer Forint, Rumnischer Leu, kroatische Kuna, russischer Ru-bel) ein zum Teil hnliches Bild.

    Alle diese Whrungen werteten von Mrz bis Ende Juli/Anfang August 2008 gegenber dem Euro auf besonders krftig der Rumnische Leu (+5 %) und der ungarische Forint (+11 %), die zuvor von Mitte 2007 bis Mrz 2008 17 % bzw. 6 % abgewertet hatten, so-wie die slowakische (+7 %), die tsche-chische (+6 %) und die polnische (+9 %) Whrung, die zuvor bereits 4 %, 15 % bzw. 6 % aufgewertet hatten (siehe Grafik 1).

    31. Dez. 2003 = 100

    Wechselkurse gegenber dem Euro (Euro fr eine Einheit Lokalwhrung)

    Grafik 1

    150

    140

    130

    120

    110

    100

    90

    Quelle: Thomson Financial.

    2004

    Auf

    wer

    tung

    der

    nat

    iona

    len

    Wh

    rung

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    uro

    CZK HUF PLN SKK RUB RON2005 2006 2007 2008

    Anmerkung: Index auf Basis Euro je Einheit nationaler Whrung.

    HRK2003

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    24 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    Die Aufwertung der Slowakischen Krone fhrte zu einem Marktkurs in-nerhalb des +/15-Prozent-Bands, der am 27. Mai 2008 12,2 % unter dem SKK/EUR-Leitkurs (bzw. in Euro ge-messen 13,9 % strker als der Leitkurs) war. Auf Antrag der Slowakei wurde am 28. Mai 2008 (mit Wirkung vom 29. Mai 2008) einvernehmlich be-schlossen, den SKK/EUR-Leitkurs auf das um 15 % niedrigere bisherige starke Bandende hinunterzusetzen, also den in Euro gemessenen Leitkurs der Slo-wakischen Krone im WKM II um 17,6 % aufzuwerten. In der Verlautba-rung der EU wurde die Aufwertung als durch die Entwicklung der kono-mischen Fundamentaldaten gerechtfer-tigt bezeichnet. Danach erfolgte keine weitere Aufwertung innerhalb des neuen Bands, sondern der Marktkurs blieb stabil nahe beim Leitkurs, der spter auch als Konversionskurs fr die Euro-Einfhrung am 1. Jnner 2009 festgelegt wurde.

    Der erfolgreiche Weg der Slowakei zur Euro-Einfhrung und die Aufwer-tung der Slowakischen Krone knnte sich auch auf die anderen flexiblen

    Whrungen der Region strkend ausge-wirkt haben. Weiters drfte hinter dem starken Aufwertungstrend dieser fle-xiblen Whrungen die generell posi-tive, wenn auch zum Teil undifferen-ziert positive, Wahrnehmung der Re-gion durch Investoren gestanden sein. Schlielich knnte angesichts des star-ken Inflationsanstiegs in einigen Ln-dern, wie z. B. in Rumnien, die (teil-weise) bereits erfolgte bzw. die erwar-tete Straffung der Zinspolitik einen wichtigen Einfluss ausgebt haben. Zinsdifferenzen drften immer dann rasch an Relevanz gewinnen, wenn die Risikoaversion international etwas nach lsst.

    Von Ende Juli/Anfang August bis Mitte September 2008 erfolgte dann eine mo-derate korrigierende Abwertung ge-genber dem Euro bei den Whrungen der Tschechischen Republik (3 %), Polens (4 %), Ungarns (3 %) und Rumniens (2 %), whrend die (stark gemanagte) kroatische Kuna aufgrund des Sommertourismus weiter leicht aufwertete (+1,5 %). Nach dem Kon-kurs von Lehman Brothers Mitte Sep-tember 2008 erfolgten bis Mitte Novem-

    Tabelle 6

    Fundamentale Einflussfaktoren fr die Wechselkursentwicklung

    BIP-Wachstum,in %

    Beitrag derNettoexporte zum BIP-Wachstum,in Prozentpunkten

    Handels- und Dienstleistungs-bilanz, in % des BIP

    Einkommensbilanz, in % des BIP

    Externer Finanzie-rungsbedarf,in % des BIP1

    Externer Finanzie-rungsbedarf plus auslndische Direkt-investitionszuflsse netto, in % des BIP

    H1 07 H1 08 H1 07 H1 08 H1 07 H1 08 H1 07 H1 08 H1 07 H1 08 H1 07 H1 08

    Slowakei 8,8 8,1 6,1 0,3 0,0 1,1 3,0 4,2 3,2 5,0 0,5 3,8Tschechische Republik 6,6 4,9 0,3 3,4 5,9 7,2 6,3 8,9 0,6 0,0 3,2 3,1Polen 6,8 6,1 1,4 0,3 2,9 3,5 3,4 3,4 3,5 3,7 0,3 1,8Ungarn 1,9 1,9 3,2 2,5 1,2 2,0 7,9 7,6 6,7 5,0 7,9 0,7

    Bulgarien 6,5 7,1 8,9 5,2 23,6 27,1 0,7 1,2 22,6 23,8 3,0 12,9Rumnien 5,9 8,8 16,4 14,3 16,4 15,2 5,3 4,8 16,1 14,4 8,7 5,3Kroatien 6,8 3,8 0,6 3,0 17,2 19,0 4,8 5,4 19,0 21,7 6,5 12,5

    Russland 7,7 8,0 7,6 6,0 9,4 11,4 2,7 3,3 6,5 8,0 6,8 9,4

    Quelle: Eurostat, nationale Zentralbanken, OeNB.1 Externer Finanzierungsbedarf = Summe aus Leistungs- und Vermgensbertragungsbilanzsaldo, somit Finanzierungsbedarf zustzlich zum Finanzierungsbedarf aufgrund des

    Finanzierungskontos (z. B. Kreditaufnahme zur berwlzung bestehender externer Verbindlichkeiten, Kapitalf lucht).

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 25

    ber grere Abwertungen gegen ber dem Euro beim Forint (11 %), beim Zloty (10 %), beim Rumnischen Leu (5 %) und bei der Tschechischen Krone (3,5 %) (siehe oben). Der Ru-bel, der sich an einem Whrungskorb (55 % US-Dollar und 45 % Euro) ori-entiert, wertete von Mitte Mrz bis Ende Juli 2008 gegenber dem Korb auf und wertete somit gegenber dem Euro mit +1,5 % etwas strker auf, als es dem bloen partiellen Mitvollziehen der Aufwertung des US-Dollar gegen-ber dem Euro in diesem Zeitraum entsprechen wrde. Von Ende Juli bis Mitte November 2008 jedoch wertete der Rubel gegenber dem Korb konti-nuierlich ab, er wertete also gegenber dem Euro mit +6 % deutlich schwcher auf, als es mit +14 % der anteiligen Aufwertung des US-Dollar gegenber dem Euro entsprochen htte. Diese Rubel-Schwche war das Ergebnis der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf Russland (siehe oben), die durch die massiven Deviseninter-ventionen der russischen Notenbank nur zum Teil kompensiert wurden.

    Im ersten Halbjahr 2008 war das Wirt schaftswachstum in fast allen CESEE-Lndern robust. Es lag zwischen 4,3 % in Kroatien und 8,8 % in Rumnien. Die Ausnahme bildete nach wie vor Ungarn, wo das Wachstum aufgrund der Effekte der Manahmen zur Fiskal-konsolidierung sowie aufgrund struk-tureller Schwchen (geringe Investi-tions- und Beschftigungsquote) nur 1,9 % betrug. Im Vergleich mit der Vor-jahresperiode verlangsamte sich das Wachstum in den meisten Lndern, mit Ausnahme Rumniens, Bulgariens und Russlands. Unter den inlndischen Nachfragekomponenten war im ersten Halbjahr 2008 in allen Lndern (auer der Slowakei) das Wachstum der Inves-titionen (deutlich) strker als jenes des privaten Konsums; letzterer war in

    Ungarn nach wie vor negativ. Nur in Rumnien und Russland wuchs der pri-vate Konsum bedeutend strker als das BIP. Vorlaufindikatoren fr das dritte Quartal 2008 zeigen eine deutliche Abschwchung des Wachstums in der CESEE-Region, insgesamt jedoch im Gegensatz zum Euroraum keine Schrumpfung.

    Der Wachstumsbeitrag der Nettoex-porte war in Rumnien in hohem Ma negativ, daneben auch in Russland, Bul-garien und Kroatien. In Rumnien und Russland ist dies insbesondere durch das sehr starke Wachstum des privaten Konsums zustzlich zur regen Investi-tionsttigkeit zu erklren.

    Der kombinierte Leistungsbilanz- und Vermgensbertragungsbilanzsaldo war bis auf Russland und neuerdings die Tsche-chische Republik nach wie vor in allen Lndern der Region negativ (das heit, dass ein externer Finanzierungsbedarf vorliegt), wenngleich das Niveau und die Struktur in den einzelnen Lndern sehr unterschiedlich waren. In den zen-traleuropischen Lndern (mit Aus-nahme der Tschechischen Republik) lag der externe Finanzierungsbedarf nicht ber 5 % des BIP, wobei die negative Einkommensbilanz den Hauptgrund bzw. (in Polen) einen wesentlichen Mitgrund fr das externe Finanzie-rungsdefizit darstellte. In den sdost-europischen Lndern rhren die zum Teil massiven Finanzierungsdefizite vor allem von der Entwicklung der Han-dels- und Dienstleistungsbilanz her, wobei in Rumnien und Kroatien auch die Einkommensbilanz beachtlich nega-tiv ist. In Bulgarien und Kroatien ver-grerte sich das Leistungsbilanzdefizit berdies, whrend sich der Nettozu-fluss an auslndischen Direktinvestiti-onen verringerte, wodurch sich der verbleibende Finanzierungsbedarf mar-kant erhhte. Allerdings ist vor allem bei Kroatien darauf zu verweisen, dass

  • Finanzmarktkrise erhht Rezessionsgefahr

    26 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    das Leistungsbilanzdefizit im Gesamt-jahr aufgrund eines tourismusbedingten berschusses im zweiten Halbjahr 2008 gemessen am BIP immer deutlich niedriger liegt. Im Jahr 2008 werden in Kroatien berdies auch die Nettozu-flsse an Direktinvestitionen aufgrund einer groen Privatisierung im Erdl-bereich noch deutlich ansteigen.

    Mitte November 2008 verzeichnete der Rumnische Leu mit fast 12 Pro-zentpunkten die mit Abstand hchste kurzfristige Zinsdifferenz zum Euroraum unter den hier betrachteten Wh-rungen. Nur in Rumnien war die kurzfristige Zinsdifferenz zum Euro-raum bereits von Mrz bis Mitte Sep-tember deutlich angestiegen (+240 Ba-sispunkte auf 8,6 %), teils aufgrund von Leitzinsanhebungen (+125 Basis-punkte), teils aufgrund des Anstiegs der Risikoprmien. Nach Mitte Sep-tember 2008 weitete sich die Zinsdiffe-renz weiter aus, wobei Mitte Oktober fr ein paar Tage sehr hohe Werte von bis zu 45 % erreicht wurden, die zum Teil mit der Kulmination von Zahlungs-fristen und zum Teil mit Deviseninter-ventionen zur Sttzung des Leu erklrt wurden. In Kroatien war die kurzfris-tige Zinsdifferenz von Mrz bis Mitte September 2008 rcklufig (65 Basis-punkte), stieg dann jedoch bis Mitte November 2008 stark an (+360 Basis-punkte auf 5 %). In Bulgarien hatte sich die kurzfristige Zinsdifferenz von Mrz bis Mitte September 2008 moderat aus-geweitet (+30 Basispunkte) und stieg dann bis Mitte November ebenfalls deutlich an (+140 Basispunkte auf 3,7 %). In Ungarn und Polen blieben die kurzfristigen Zinsdifferenzen zum Euroraum von Mrz bis Mitte Septem-ber 2008 recht stabil und in der Slo-wakei sowie in der Tschechischen Re-publik blieben sie nach wie vor negativ und weiteten sich insbesondere auf-grund des Anstiegs der Zinsstze auf

    dem Interbankenmarkt im Euroraum sogar weiter aus. Mit Ausnahme der Slowakei stiegen dann von Mitte Sep-tember bis Mitte November 2008 die kurzfristigen Zinsdifferenzen deutlich an: in Ungarn um 380 Basispunkte auf 7,5 %, in Polen um 90 Basispunkte auf 2,5 % und in der Tschechischen Repu-blik um 120 Basispunkte auf 0 %. Diese Anstiege sind zum Teil mit den unter-schiedlichen Leitzinsnderungen zu er-klren: Zinssenkungen im Euroraum um insgesamt 100 Basispunkte gegen-ber einer Zinsanhebung um 300 Basis-punkte in Ungarn, keiner Zinsnde-rung in Polen und einer Zinssenkung um 75 Basispunkte in der Tschechischen Republik.

    Grere Devisenmarktinterventionen zur Beeinflussung der Wechselkursdy-namik wurden whrend der Berichts-periode in Rumnien und vor allem in Russland durchgefhrt.

    Die Bruttoauslandsverschuldung war Mitte 2008 vor allem in Ungarn, Bul-garien und Kroatien besonders hoch. Dies gilt auch nach Bercksichtigung der Hhe der offiziellen Devisenreser-ven. In Ungarn entfallen die Auslands-schulden vor allem auf die ffentliche Hand und den Bankensektor. Dagegen haben in Bulgarien und Kroatien vor allem private Nichtbanken und der Bankensektor die grten Volumina an Auslandskrediten aufgenommen. Die Auslandsschulden des Bankensektors bestehen zu einem nicht unwesent-lichen Teil aus Verbindlichkeiten ge-genber auslndischen Mutterbanken. Neben den Auslandsschulden bestehen in einigen Lndern, insbesondere in Ungarn, Rumnien und Kroatien, auch relativ hohe Anteile an inlndischen Fremdwhrungskrediten, die im Fall einer strkeren Wechselkurskorrektur grere Belastungen fr den Finanz-sektor darstellen knnten.

  • FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 27

    Finanzierungsbedingungen des Unternehmenssektors krisen-bedingt verschlechtertKonjunktur stagniert Die Rahmenbedingungen der ster-reichischen Wirtschaft waren im Jahr 2008 von auergewhnlich hohen Un-sicherheiten geprgt. Infolge der inter-nationalen Finanzmarktkrise haben sich die internationalen Konjunkturperspek-tiven deutlich verschlechtert. Die Er-eignisse vom September/Oktober 2008 haben die Unwgbarkeiten fr die Ein-schtzung der weiteren Entwicklung der Konjunktur wie auch der Finanzie-rungsbedingungen markant verschrft. Angesichts der Einmaligkeit der aktu-ellen Krisensituation gibt es allerdings keine historischen Muster, anhand de-rer sich die Effekte der Finanzmarkt-krise abschtzen lieen.

    Durch die Abflachung der interna-tionalen Konjunktur hat auch die Dy-namik der sterreichischen Wirtschaft

    im ersten Halbjahr 2008 merklich an Tempo verloren. Die drei Jahre dauernde Hochkonjunkturphase ging im zweiten Quartal 2008 zu Ende. Gleichzeitig hat sich die Zusammen-setzung des Wachstums gegenber den letzten Jahren verndert, die Exporte bildeten nicht mehr die treibende Kraft des Wachstums. Die Dmpfung der heimischen Exporte belastete vor allem die Wertschpfung der Sachgterer-zeugung. Das Investitionswachstum verlangsamte sich ebenfalls, gestaltete sich jedoch noch vergleichsweise relativ robust. Der private Konsum ent-wickelte sich angesichts des hohen Preisauftriebs weiterhin sehr ge-dmpft.

    Trotz der konjunkturellen Abkh-lung verzeichneten die sterreichischen Unternehmen hnlich wie im gesam-ten Euroraum nach den hohen Zu-wchsen der Vorjahre im ersten Halb-jahr 2008 noch steigende Gewinne, ob-

    Finanzmarktkrise beeintrchtigtdie realwirtschaftlichen Sektoren

    Vernderung zum Vorquartal in %, saisonbereinigt

    Gewinnentwicklung des Unternehmenssektors

    Grafik 2

    6,0

    5,0

    4,0

    3,0

    2,0

    1,0

    0,0

    1,0

    2,0

    Bruttobetriebsberschuss1

    Vernderung zum Vorquartal in %, saisonbereinigt

    2,5

    2,0

    1,5

    1,0

    0,5

    0,0

    0,5

    1,0

    Gewinnspanne2

    Quelle: Eurostat.

    sterreichEuroraum

    1 Inklusive Selbststndigeneinkommen.2 BIP-Deflator abzglich Lohnstckkosten.

    1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008

  • Finanzmarktkrise beeintrchtigt die realwirtschaftlichen Sektoren

    28 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    wohl in diesem Zeitraum eine Auf-wertung des Euro und hohe Rohl-preise zu verzeichnen waren.

    In der Entwicklung der Unter-nehmensinsolvenzen, die blicherweise einen nachlaufenden Konjunkturindi-kator darstellen, reflektiert sich noch die Hochkonjunktur der letzten beiden Jahre. Ihre Anzahl lag in den ersten drei Quartalen 2008 um 2,1 % unter dem Vergleichswert des Vorjahres. Die geschtzten Insolvenzverbindlichkeiten stiegen gegenber den ersten drei Quartalen des Vorjahres nominell um 3,6 %. In Relation zu den gesamten Verbindlichkeiten des Unternehmens-sektors (laut Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungsrechnung GFR) sanken die Insolvenzverbindlichkeiten in den ersten drei Quartalen 2008 auf von 0,59 % auf 0,51 %.

    Mittelaufnahme ber den Kapitalmarkt durch Krise stark beeintrchtigt

    Von der internationalen Finanzmarkt-krise war die Unternehmensfinanzie-rung in Form von Aktienemissionen besonders stark betroffen, da sich die Aufnahmefhigkeit der Brse infolge der durch die starken Kursverluste aus-gelsten Unsicherheiten deutlich ver-minderte. Seit Mitte vergangenen Jah-res hat sich die Emissionsttigkeit auf dem sterreichischen Aktienmarkt stark reduziert, einige bereits angekn-digte Platzierungen wurden abgesagt. Im Zeitraum Jnner bis September 2008 beliefen sich die Neuemissionen (Kapitalerhhungen und Neunotierun-gen) von nichtfinanziellen Unterneh-men an der Wiener Brse auf 0,4 Mrd EUR, nach 7,0 Mrd EUR im Ver-gleichszeitraum des Vorjahres.

    Dabei hat die Mittelaufnahme in Form von brsennotierten Aktien in den letzten beiden Jahren einen erheb-lichen Beitrag zur Unternehmensfinan-

    zierung geleistet, wenngleich sie ber-aus volatil war: Im Jahr 2006 stammten rund 40 % und 2007 immerhin noch 20 % des Mittelzuflusses aus diesem In-strument. Im ersten Halbjahr 2008 wa-ren es hingegen nur mehr 1,7 %. Damit hat die Krise durchaus messbare Effekte auf die Unternehmensfinanzierung ge-habt. Allerdings ist die Aktienemission vor allem fr eine relativ geringe An-zahl vornehmlich groer Unternehmen von Relevanz.

    Da sich im Gefolge der Turbulenzen auf den Finanzmrkten die Kurse an der Wiener Brse rcklufig entwickel-ten, sank die Marktkapitalisierung der an der Wiener Brse notierten nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften in den ersten neun Monaten 2008 um rund 37 Mrd EUR auf 64 Mrd EUR; das entsprach rund 23 % des BIP. Die Marktkapitalisierung aller an der Wie-ner Brse notierten Werte (inklusive finanzieller Gesellschaften) erreichte Ende September 2008 29 % des BIP.

    Einschlielich der auerbrslichen Anteilswerte wurde im ersten Halbjahr 2008 rund ein Viertel der Auenfinan-zierung der nichtfinanziellen Kapital-gesellschaften in Form von Eigenkapi-tal aufgenommen. Aufgrund der rck-lufigen Aktienkurse verminderte sich der Eigenkapitalanteil an den Verpflich-tungen zwischen Mitte 2007 und Mitte 2008 um 2 Prozentpunkte auf 51 %, da laut den Regeln der GFR die Bewer-tung von ber die Brse aufgenom-menem Eigenkapital zu den aktuellen Marktwerten erfolgt.

    Die Anleihefinanzierung expan-dierte in den ersten neun Monaten 2008 weiterhin relativ krftig. Die Jahres-wachstumsrate der Unternehmensan-leihen gem Emissionsstatistik betrug per Ende September 2008 13,9 %.Die Zuwachsrate lag bis zuletzt deutlich ber jener des gesamten Euroraums. Mehr als drei Viertel des in diesem

  • Finanzmarktkrise beeintrchtigt die realwirtschaftlichen Sektoren

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 29

    Zeitraum begebenen Anleihevolumens war fix verzinst. Knapp drei Viertel des Emissionsvolumens waren in Euro de-nominiert, der Rest entfiel auf Schwei-zer Franken.

    Auch wenn in den vergangenen Jah-ren die Bedeutung der Kapitalmrkte deutlich zugenommen hat, bildet der Bankkredit immer noch die mit Ab-stand wichtigste Auenfinanzierungs-quelle fr die Unternehmen in ster-reich. Gem GFR stammten Ende des zweiten Quartals 2008 28,6 % der Auenfinanzierungsbestnde des Un-ternehmenssektors von Bankkrediten; das war deutlich mehr als der Beitrag von brsennotierten Aktien (20,7 %) oder von Anleihen (7,6 %).

    In den vorliegenden Daten war noch keine Abschwchung der Kredite an Unternehmen zu registrieren. Im Sep-tember 2008 lag die Jahreswachstums-rate der MFI-Kredite an nichtfinan-zielle Unternehmen in sterreich bei 7,8 %. In den ersten Monaten nach Ausbruch der Finanzmarktturbulenzen

    hatte sich das Kreditwachstum sogar noch beschleunigt (von 6,9 % im zwei-ten Quartal 2007 auf 9,7 % im ersten Quartal 2008).

    Zum Teil knnte diese bis zuletzt lebhafte Entwicklung auf Substitutions-effekte zurckzufhren sein, indem Unternehmen angesichts der schwie-rigen Bedingungen fr die Mittelauf-bringung auf dem Aktienmarkt ver-strkt Bankenkredite aufgenommen haben. Zudem hat die gute Ertragslage die Kreditwrdigkeit vieler Unterneh-men erhht. Allerdings wirkte die an-haltend gute Innenfinanzierung in den ersten drei Quartalen 2008 dmpfend auf die Kreditnachfrage, wie die ster-reichischen Ergebnisse der Eurosystem-Umfrage ber das Kreditgeschft (Bank Lending Survey) zeigen. berdies zeigten sich die Unternehmen auch zu-nehmend unsicher ber geplante Inves-titionsvorhaben, sodass die Finanzie-rung von Anlageinvestitionen, die in den beiden Jahren zuvor einen (zum Teil wesentlichen) Faktor fr eine

    Vernderung zum Vorjahr in %

    Wichtige Elemente der Auenfinanzierung der Unternehmen

    Grafik 3

    Quelle: OeNB.

    sterreich

    AnleihenKredite

    Vernderung zum Vorjahr in %

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    Brsennotierte Aktien

    2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

  • Finanzmarktkrise beeintrchtigt die realwirtschaftlichen Sektoren

    30 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    Nachfragesteigerung gebildet hatte, im bisherigen Verlauf des Jahres 2008 ebenfalls (leicht) zu einem Nachfrage-rckgang beitrug.

    Die Ereignisse im September/Ok-tober 2008, die die Kreditvergabe der Banken an den Unternehmenssektor deutlich beeintrchtigt haben, sind in diesen Daten noch nicht enthalten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Finanzmarktturbulenzen dieses Aus-maes das Wachstum der Unterneh-menskredite durch ein gendertes Kre-ditvergabeverhalten der Banken sowie durch eine verminderte Kreditwrdig-keit der Unternehmen verlangsamen.

    In Bezug auf die Kreditvergabe der Banken zeigt der Bank Lending Survey (in den seit Beginn der Krise regelm-ig Zusatzfragen ber die Effekte der Finanzmarktturbulenzen auf Refinan-zierung und Kreditrichtlinien der Ban-ken aufgenommen wurden), dass sich die Refinanzierungsbedingungen durch die anhaltenden Verwerfungen auf den internationalen Finanzmrkten merklich verschlechtert haben. Diese erschwerten Refinanzierungsbedingun-gen schlugen sich in den Margen und zuletzt auch verstrkt im Umfang der von den Banken vergebenen Kredite nieder. Kredite an groe Unternehmen waren deutlicher als KMU-Finanzie-rungen beeintrchtigt.

    Ein weiterer bertragungsmecha-nismus ist der Einfluss der Krise auf die Werthaltigkeit derjenigen Aktiva, die von Unternehmen als Sicherheiten fr Kredite verwendet werden knnen. Primr sind von den aktuellen Verwer-fungen auf den Finanzmrkten Wert-papiere betroffen, die als Besicherung fr Lombardkredite verwendet werden knnen. Die sinkenden Kurse der Akti-enbestnde, die in vielen Fllen we-sentliche Aktiva von Firmen darstellen, knnen hnlich wie im Finanzsek-

    tor auch bei Unternehmen infolge eines erhhten Wertberichtigungsbe-darfs zu Ertragseinbuen fhren. Per Juni 2008 hielten sterreichische ge-m GFR nichtfinanzielle Kapitalge-sellschaften brsennotierte Aktien im Ausma von 39 Mrd EUR. In den vier Quartalen bis zum Halbjahresultimo 2008 erwuchs den Unternehmen dar-aus ein aggregierter Bewertungsverlust von rund 4 Mrd EUR.

    Schlielich drften die konjunktu-rellen Effekte der Finanzmarktkrise und die damit einhergehenden Unsi-cherheiten die Absatzerwartungen der Unternehmen schmlern. Das drfte wiederum die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und damit auch die Kreditnachfrage vermindern.

    Strker steigende Unternehmens verschuldung

    Infolge der verstrkten Inanspruch-nahme von Fremdkapital hat sich die Zuwachsrate der Unternehmensver-schuldung seit dem zweiten Quartal 2007 merklich beschleunigt. Im zwei-ten Quartal 2008 belief sich die Jahres-wachstumsrate auf 8,5 % (nach 5,3 % im Vergleichszeitraum des Vorjahres). Auch in Relation zu den Gewinnen (Bruttobetriebsberschuss) zeigte die Verschuldung des Unternehmenssek-tors zuletzt eine steigende Tendenz, lag aber immer noch deutlich unter den Werten whrend der letzten Finanz-marktkrise zu Beginn des Jahrzehnts (Grafik 4). Die sterreichischen Unter-nehmen hatten die starke Ausweitung der Verschuldung in der zweiten Hlfte des aktuellen Jahrzehnts, wie sie im ge-samten Euroraum zu verzeichnen war, nicht mitgemacht, wodurch mittler-weile die Unternehmensverschuldung relativ zum Bruttobetriebsberschuss und zum BIP unter dem Euroraum-Durchschnitt liegt.

  • Finanzmarktkrise beeintrchtigt die realwirtschaftlichen Sektoren

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 31

    Finanzierungsbedingungen infolge der Finanzmarktturbulenzen verschlechtert

    In den Finanzierungsbedingungen fr die sterreichischen Unternehmen wa-ren die Verwerfungen auf den interna-tionalen Finanzmrkten bereits deut-lich zu spren, und zwar fr die Auf-nahme von Eigenkapital und von Fremdkapital gleichermaen.

    Die Aktienkurse an der Wiener Brse verzeichneten seit Beginn der in-ternationalen Finanzmarktturbulenzen markante Rckgnge. Von Ende 2007 bis 13. November 2008 verminderte sich der ATX um rund 60 %. Da sich jedoch die Gewinne der an der Wiener Brse notierten Unternehmen weiter positiv entwickelten, stieg die Gewinn-rendite1 seit Beginn der Finanzmarkt-turbulenzen Mitte 2007 deutlich an.

    Dies impliziert hhere Kosten der Kapitalbeschaffung ber den Aktien-markt. Auch relativ zur Entwicklung von Renditen auf Staatsanleihen hat sich die Gewinnrendite merklich erhht. Dies ist ein Indikator fr eine gestie-gene Risikoprmie des Aktienmarktes.

    Die Renditen fr Unternehmensan-leihen auf dem Euro-Rentenmarkt stie-gen in den ersten zehn Monaten 2008 um rund 2 Prozentpunkte an.2 Zwar haben sich die langfristigen Renditen von Staatsanleihen seit Anfang des Jah-res leicht verringert, gleichzeitig stie-gen jedoch die Risikoaufschlge auf Un-ternehmensanleihen relativ zu Staats-anleihen hnlicher Laufzeit im Zuge der zunehmenden Unsicherheiten auf-grund der Finanzmarktturbulenzen markant an.

    Verschuldung des Unternehmenssektors1

    Grafik 4

    sterreich Euroraum

    225

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    602001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

    Quelle: OeNB.

    In % des BIP (rechte Achse)In % des Bruttobetriebsberschusses2 (linke Achse)

    2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

    1 Kurzfristige und langfristige Kredite, Geld- und Kapitalmarktpapiere.2 Inklusive Selbststndigeneinkommen.

    2008 2008

    1 Die Gewinnrendite stellt den Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhltnisses dar.2 Als Indikator dient hier die Entwicklung der BBB-Anleihen im Euroraum. Datenreihen fr sterreich stehen

    nicht zur Verfgung.

  • Finanzmarktkrise beeintrchtigt die realwirtschaftlichen Sektoren

    32 FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16

    Die Bedingungen fr die Aufnahme von Bankkrediten haben sich im Ge-folge der Finanzmarktkrise ebenfalls verschlechtert. Schon seit Ende 2005 befanden sich die Zinsen fr Unterneh-menskredite wegen der Leitzinserh-hungen durch die EZB in einem Auf-wrtstrend. Seit Mitte des Jahres 2007 hat sich die Differenz zwischen den Geldmarktstzen und den Leitzinsen im Zuge der Vertrauenskrise auf den internationalen Finanzmrkten zuneh-mend ausgeweitet. Da sich die Verzin-sung von variabel verzinsten Krediten zu einem wesentlichen Teil an den Geldmarktzinsen orientiert, hat sich dadurch die Verzinsung von Bankkre-diten erhht.

    Demgegenber haben sich die Zins-margen fr Unternehmenskredite in den ersten drei Quartalen 2008 nur wenig verndert, wie die Entwicklung der Differenz von Zinsen fr Unter-nehmenskredite und dem Swapsatz mit einer korrespondierenden Laufzeit.

    Gem den sterreichischen Ergeb-nissen der Eurosystem-Umfrage ber das Kreditgeschft haben die Banken

    seit dem dritten Quartal 2007 die Mar-gen fr Ausleihungen an Unternehmen angehoben. Fr risikoreichere Kredite erfolgte dies deutlich strker als fr Kreditnehmer durchschnittlicher Boni-tt. Gleichzeitig wurden die Kredit-richtlinien fr Unternehmenskredite (Kredite an Grobetriebe und KMU-Finanzierungen) zunehmend ver schrft. Die Standards fr langfristige Kredite wurden deutlich strker angehoben als fr kurzfristige Kredite. Ein wesent-licher Faktor fr diese genderte Kre-ditvergabepolitik waren die Verwerfun-gen der internationalen Finanzmrkte und deren Effekte auf die Finanzie-rungsbedingungen auf dem Geld- und Anleihemarkt.

    Hherer Zinsaufwand

    Die Zinsbelastung der Unternehmen ist seit Anfang 2006 sehr rasch ange-stiegen, was in erster Linie auf das ge-stiegene Zinsniveau, aber auch auf das lebhafte Kreditwachstum zurckzu-fhren war, das in den ersten beiden Quartalen 2008 sogar den greren Anteil an der Ausweitung des Zinsauf-

    Finanzierungbedingungen fr Unternehmen

    Grafik 5

    in %

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    Kredite (Zinssatz im Neugeschft fr Euro-Kredite mit Volumen ber 1 Mio EUR)

    Quelle: OeNB, Thomson Financial, Wiener Brse AG.

    1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

    Anleihen (Rendite von Anleihen von Unternehmen der Ratingstufe BBB im Euroraum)Aktien (Gewinnrendite fr den sterreichischen Aktienmarkt)

  • Finanzmarktkrise beeintrchtigt die realwirtschaftlichen Sektoren

    FINANZMARKTSTABILITTSBERICHT 16 33

    wands hatte (Grafik 7).3 Im dritten Quartal lag der Zinsaufwand um mehr als 80 % ber dem Tiefstwert der ver-gangenen fnf Jahre. Fr hoch ver-schuldete Unternehmen, die eine hohe Zinsbelastung aufweisen, knnen die hheren Zinsen eine sprbare Belas-tung darstellen.

    Unternehmenssektor ging mit guter Risikoposition in die Krise

    Der Unternehmenssektor hat in den letzten Jahren seine Exponierung ge-genber einer Reihe von finanziellen Risiken deutlich reduziert. Auf der Pas-sivseite sank vor allem infolge der zu-nehmenden Bedeutung des Eigenkapi-tals in der Finanzierungsstruktur die Exponierung gegenber Zinsnde-rungsrisiken bis Mitte des Jahres 2007

    merklich. Danach hat sich jedoch in-folge der zunehmenden Dynamik der Kredite der Anteil der verzinslichen Passiva an den gesamten Verbindlich-keiten des Unternehmenssektors wie-der leicht erhht.

    Die Exponierung der Un