Finanzmathematik und Investment I · ein Portfolio, das aus zwei typischen Finanztiteln eines...

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Schriftliche Prüfung im Spezialwissen Finanzmathematik und Investment I gemäß Prüfungsordnung 4 der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. am 20. Juni 2020 Hinweise: Als Hilfsmittel ist ein Taschenrechner zugelassen. Die Gesamtpunktzahl beträgt 180 Punkte. Die Klausur ist bestanden, wenn mindestens 90 Punkte erreicht werden. Bitte prüfen Sie die Ihnen vorliegende Prüfungsklausur auf Vollständigkeit. Die Klausur besteht aus 30 Seiten. Alle Antworten sind zu begründen und bei Rechenaufgaben muss der Lösungs- weg ersichtlich sein. Mitglieder der Prüfungskommission: Dr. Mario Hörig, Prof.Dr. Thomas Knispel, Dr. Marcus Scheffer, Prof.Dr. Jochen Wolf, Philipp Wolters, Dr. Mario Zacharias

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Schriftliche Prüfung im Spezialwissen

Finanzmathematik und Investment I

gemäß Prüfungsordnung 4der Deutschen Aktuarvereinigung e. V.

am 20. Juni 2020

Hinweise:

• Als Hilfsmittel ist ein Taschenrechner zugelassen.

• Die Gesamtpunktzahl beträgt 180 Punkte. Die Klausur ist bestanden, wennmindestens 90 Punkte erreicht werden.

• Bitte prüfen Sie die Ihnen vorliegende Prüfungsklausur auf Vollständigkeit. DieKlausur besteht aus 30 Seiten.

• Alle Antworten sind zu begründen und bei Rechenaufgaben muss der Lösungs-weg ersichtlich sein.

Mitglieder der Prüfungskommission:

Dr. Mario Hörig, Prof. Dr. Thomas Knispel,Dr. Marcus Scheffer, Prof. Dr. Jochen Wolf,

Philipp Wolters, Dr. Mario Zacharias

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Klausur SpezialwissenFinanzmathematik und Investment I

am 20. Juni 2020

Aufgabe 1. [Grundlegende Denkfiguren der Finanzmathematik] [25 Punkte]

(a) [7 Punkte] [Sensitivitäten]

(i) [3 Punkte] Definieren Sie die effektive Zinsduration sowie die Key-Rate-Duration KRD bezüglich des zur Laufzeit bewertungsrelevanten Zinssat-zes. Zeigen Sie, dass die Summe der Key-Rate-Durationen KRD, = 1, . . . , N, eines Bonds mit Laufzeit von N Jahren seiner effektiven Dura-tion entspricht.

(ii) [4 Punkte] Geben Sie ein Beispiel zur approximativen Bewertung einesFinanztitels an, bei dem die Verwendung einer Sensitivität versagt:

• Nennen Sie den von Ihnen gewählten Finanztitel sowie den Parameter,bezüglich dessen Sie die Sensitivität verwenden.

• Beschreiben Sie, wie Sie die gewählte Sensitivität berechnen.

• Erklären Sie, in welchem Fall die Sensitivität versagt.

(b) [9 Punkte] Gegeben seien die folgenden Marktdaten für eine Zinskurve mitRestlaufzeiten von bis zu 20 Jahren (approximativ EURO-Swap-Kurve AnfangJanuar 2020):

Tabelle 1:

Zeit 1 2 3 4 5Kuponkurve in % -0,33% -0,32% -0,28% -0,24% -0,19%Zerokurve in % -0,33% -0,32% -0,28% -0,24% -0,19%Diskontfaktoren 1,003311 1,006431 1,008451 1,009667 1,009571Kumulierte Diskontfaktoren 1,003311 2,009742 3,018193 4,027860 5,037431

Zeit 6 7 8 9 10Kuponkurve in % -0,13% -0,08% -0,01% 0,05% 0,11%Zerokurve in % -0,13% -0,08% -0,01% 0,05% 0,11%Diskontfaktoren 1,007859 1,005641 1,000805 0,995476 0,988960Kumulierte Diskontfaktoren 6,045290 7,050931 8,051736 9,047212 10,036172

Zeit 11 12 13 14 15Kuponkurve in % 0,17% 0,23% 0,28% 0,32% 0,36%Zerokurve in % 0,17% 0,23% 0,28% 0,33% 0,37%Diskontfaktoren 0,981270 0,972423 0,963730 0,955491 0,946520Kumulierte Diskontfaktoren 11,017443 11,989866 12,953596 13,909087 14,855607

Zeit 16 17 18 19 20Kuponkurve in % 0,40% 0,43% 0,46% 0,48% 0,50%Zerokurve in % 0,41% 0,44% 0,47% 0,49% 0,51%Diskontfaktoren 0,936830 0,928102 0,918859 0,910958 0,902735Kumulierte Diskontfaktoren 15,792437 16,720539 17,639397 18,550356 19,453090

(i) [2 Punkte] Berechnen Sie mit den angegebenen Diskontfaktoren und ku-mulierten Diskontfaktoren die Marktwerte für einen StepUp-Bond und einenStepDown-Bond mit 20 Jahren Restlaufzeit und jährlichen Kupons in Höhevon

1. StepUp Bond (Jahr 1-10: 0,25%, Jahr 11-20: 0,75%)

2. StepDown Bond (Jahr 1-10: 0,75%, Jahr 11-20: 0,25%)

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Geben Sie die Ergebnisse in Prozent des Nominals mit 6 Nachkommastel-len an.

(ii) [2 Punkte] Berechnen Sie mit den angegebenen Diskontfaktoren und ku-mulierten Diskontfaktoren die fehlenden Kupons für einen StepUp-Bondund einen StepDown-Bond mit 20 Jahren Restlaufzeit und jährlichen Ku-pons, sodass der Marktwert der Bonds bei 100% (par) liegt.

3. StepUp-Bond (Jahr 1-10: 0,25%, Jahr 11-20: x%)

4. StepDown-Bond (Jahr 1-10: 0,75%, Jahr 11-20: x%)

Geben Sie die Ergebnisse in Prozent mit 4 Nachkommastellen an.

(iii) [5 Punkte] Berechnen Sie für die folgenden Bonds

a. StepUp-Bond 3. aus (ii),

b. StepDown-Bond 4. aus (ii),

c. Par-Bond mit 20 Jahren Restlaufzeit und konstantem jährlichen Kupon

die effektive Duration auf Basis einer um 1 Basispunkt (bps) nach obengeschifteten Kurve. Die benötigten Diskontfaktoren finden Sie in Tabelle 2unten. Geben Sie einen kurzen Kommentar zu den Unterschieden in denWerten der effektiven Duration.

Hinweise: Für a. und b. können Sie die auf 4 Nachkommastellen gerunde-ten Kupons aus (ii) verwenden. Für c. kann der Kupon aus Tabelle 1 abge-lesen werden, der Marktwert bezüglich der ungeschifteten Kurve erfordertkeine Rechnung (Par-Bond).

Tabelle 2:

Zeit 1 2 3 4 5Kuponkurve in % -0,32% -0,31% -0,27% -0,23% -0,18%Zerokurve in % -0,32% -0,31% -0,27% -0,23% -0,18%Diskontfaktoren 1,003210 1,006229 1,008147 1,009262 1,009065Kumulierte Diskontfaktoren 1,003210 2,009440 3,017587 4,026849 5,035913

Zeit 6 7 8 9 10Kuponkurve in % -0,12% -0,07% 0,00% 0,06% 0,12%Zerokurve in % -0,12% -0,07% 0,00% 0,06% 0,12%Diskontfaktoren 1,007252 1,004934 1,000000 0,994574 0,987963Kumulierte Diskontfaktoren 6,043165 7,048099 8,048099 9,042673 10,030637

Zeit 11 12 13 14 15Kuponkurve in % 0,18% 0,24% 0,29% 0,33% 0,37%Zerokurve in % 0,18% 0,24% 0,29% 0,34% 0,38%Diskontfaktoren 0,980181 0,971243 0,962461 0,954134 0,945078Kumulierte Diskontfaktoren 11,010817 11,982060 12,944521 13,898655 14,843734

Zeit 16 17 18 19 20Kuponkurve in % 0,41% 0,44% 0,47% 0,49% 0,51%Zerokurve in % 0,42% 0,45% 0,48% 0,50% 0,52%Diskontfaktoren 0,935306 0,926496 0,917173 0,909104 0,900893Kumulierte Diskontfaktoren 15,779044 16,705535 17,622708 18,531902 19,432795

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(c) [9 Punkte] [Robustheit, Stabilität und Finanzrisiken]

(i) [6 Punkte] Nennen Sie drei Algorithmen oder Modelle aus der Finanzland-schaft, die robust sind, und drei Algorithmen oder Modelle, die nicht stabilsind. Benennen Sie dabei, bezüglich welcher Veränderung die Algorith-men/Modelle robust bzw. instabil sind.

(ii) [3 Punkte] Nennen Sie vier typische Finanzrisiken eines Versicherers undein Portfolio, das aus zwei typischen Finanztiteln eines Versicherers be-steht und das die vier genannten Risiken besitzt.

Lösungsskizze:

(a) (i) Definitionen: Bezeichnet MV den Marktwert des Bonds zum Bewertungs-zeitpunkt t = 0, so ist dieser eine Funktion der Spot Rates (Zinskurve) undes gilt:

• Effektive Duration:

Dreƒ ƒ := −1

MV

∂MV

∂rz0,

wobei rz0 die Parallelverschiebung der bewertungsrelevanten Zinskur-ve darstellt bzw. ∂MW /∂rz0 die Richtungsableitung des Marktwertesbzgl. der Richtung d = (1, . . . ,1) ist

• Key-Rate-Duration:

KRD := −1

MV

∂MV

∂rz0(),

wobei rz0() den bewertungsrelevanten Zinssatz zur Laufzeit darstelltund damit ∂MW /∂rz0() die Richtungsableitung des Marktwertes bzgl.der Richtung d = (0, . . . ,0,1,0, . . . ,0) darstellt, wobei der Vektor dgenau an der Stelle den Wert 1 und sonst 0 besitzt

Gleichheit für Plain Vanilla Bond:

N∑

=1

KRD = −1

MV

N∑

=1

∂MV

∂rz0()= −

1

MV

∂MV

∂rz0= Dreƒ ƒ

(ii) Beispiel:

• Finanztitel: CMS-Floater, Referenzrate 10 Jahres Swap Rate mit Multi-plikator 2, Floor 1%, 10 Jahre Laufzeit

• Sensitivität: Effektive Duration (Zins)

• Berechnung der Sensitivität: Approximation der effektiven Durationals (momentaner Marktwert - Marktwert bei 1 Basispunkt Verringerungdes Zinses) / 0,01%

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• Versagen der Sensitivität: Wenn der momentane Marktwert ein loka-les Minimum bezüglich einer parallelen Verschiebung der Zinskurvedarstellt, ist die effektive Duration Null. Bei einer stärkeren parallelenÄnderung der Zinskurve profitiert der Marktwert. Bei Zinsrückgang:Anstieg des Marktwertes durch Floor des Kupons, bei Zinsanstieg: An-stieg des Marktwertes durch Multiplikator des Kupons.

Weitere Beispiele sind möglich: Z. B. Effektive Duration für Steepener zurApproximation von Änderungen von Zinskurvensteigungen; CMS-Floatermit Cap & Multiplikator & Marktwert ist lokales Maximum bezüglich par-alleler Zinsverschiebung: Effektive Duration= 0, aber Marktwertrückgangbei steigenden Zinsen wäre korrekt

(b) (i)

Aufgabe Bond Kupon Kupon kumulierte kumulierte Barwert Barwert Marktwert1-10 11-20 Diskontfaktoren Diskontfaktoren Kupons Nominal Bond

1-10 11-20(i) 1. StepUp 0,25% 0,75% 10,036172 9,416918 9,571732% 90,273455% 99,845186%(i) 2. StepDown 0,75% 0,25% 10,036172 9,416918 9,881359% 90,273455% 100,154814%

Plain 0,50% 0,50% 10,036172 9,416918 9,726545% 90,273455% 100,000000%

(ii)

Aufgabe Bond Kupon Kupon kumulierte kumulierte Barwert Barwert Marktwert1-10 11-20 Diskontfaktoren Diskontfaktoren Kupons Nominal Bond

1-10 11-20(i) 3. StepUp 0,25% 0,7664% 10,036172 9,416918 9,726545% 90,273455% 100,000000%(i) 4. StepDown 0,75% 0,2336% 10,036172 9,416918 9,726545% 90,273455% 100,000000%

Plain 0,50% 0,5000% 10,036172 0,000000 9,726545% 90,273455% 100,000000%

(iii)

Aufgabe Bond Kupon Kupon Shift: kumulierte Shift: kumulierte Barwert Barwert Marktwert1-10 11-20 Diskontfaktoren Diskontfaktoren Kupons Nominal Bond

1-10 11-20(iii) a. StepUp 0,25% 0,7664% 10,030637 9,402158 9,712473% 90,089275% 99,802748%(iii) b. StepDown 0,75% 0,2336% 10,030637 9,402158 9,719322% 90,089275% 99,808596%(iii) c. Plain 0,50% 0,5000% 10,030637 9,402158 9,716397% 90,089275% 99,805672%

Aufgabe Bond Kupon Kupon Marktwert Marktwert Effektive1-10 11-20 ohne Shift mit Shift Duration

(iii) a. StepUp 0,25% 0,7664% 1,000000 0,998027 19,725209(iii) b. StepDown 0,75% 0,2336% 1,000000 0,998086 19,140381(iii) c. Plain 0,50% 0,5000% 1,000000 0,998057 19,432795

Kommentierung: Z. B. Zinskurve ist in Normalform, d. h. ansteigend. Beidem StepDown-Bond liegen die hohen Kuponzahlungen am Beginn derLaufzeit, die Duration ist im Vergleich zum Plain-Bond kürzer, da der In-vestor sein Geld früher zurückbekommt. StepUp-Bond analog.

(c) (i) Robuste Beispiele:

• Smith-Wilson-Extrapolation funktioniert auch weiterhin bei negativenZinsen

• Hauptkomponentenanalyse anwendbar auch bei nicht normalverteil-ten Daten

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• Schätzung des Medians (Hinzunahme eines Ausreißers verändert denMedian bei hinreichend vielen Daten nicht)

• Mittelwertregression, auch wenn die Residuen nicht normalverteilt sind

• Robuste Mittelwertregression, robust gegen Ausreißer

• Durationskonzept bei kleiner Zinsänderung eines Kuponbonds mit fes-ter Zahlung, robust beispielsweise bei Änderung des Kupons oder No-minals

[Bemerkung: Zu nennen sind nur drei Beispiele; alternative Nennungensind dabei möglich.]

Nichtstabile Beispiele:

• Bewertung mithilfe eines Economic Scenario Generators (real-world/risikoneutral): wenn Anzahl der Szenarien zu klein (noch keine Konver-genz erreicht)

• Regression/Curve Fitting:

– wenn Anzahl der Fitting-Szenarien zu klein ist

– Generell problematisch, wenn nicht-stetige Funktionen (beispiels-weise diskrete nicht-stetige Verteilungen mit extremen Wertunter-schieden) durch eine stetige Funktion approximiert werden sollen

• Black-Scholes-Formel für Swaptions: negative Zinsen (keine Lösung fürnegative Zinsen als Input)

• Real-world Zinsmodell: kalibriert auf relative Änderungen von positi-ven Zinsen, angewendet auf negative Zinsen

• Bewertung: Simulation von Spreadänderungen und Bewertung vonBonds mit negativem Spread< −(1 + Zins)

[Bemerkung: Zu nennen sind nur drei Beispiele; alternative Nennungensind dabei möglich.]

(ii) • Beispiel für Risiken: Zinsänderungsrisiko, Spreadrisiko, Aktienkursrisi-ko, Fremdwährungsrisiko

• Beispiel für Portfolio: Bond mit Spread- und Zinsänderungsrisiko sowieAktie mit Aktienkurs- und Fremdwährungsrisiko

[Bemerkung: Zu nennen ist je nur ein Beispiel; alternative Nennungen sinddabei möglich.]

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Aufgabe 2. [Anlageklassen und Finanztitel] [25 Punkte]

(a) [5 Punkte] Grenzen Sie den Future vom Forward ab. Gehen Sie dabei auf Ge-meinsamkeiten und Unterschiede ein.

(b) [3 Punkte] Der Risikomanager X schließt am 01.04.2020 mit der Bank Y einTermingeschäft (Forward) ab. Hierbei vereinbart er, eine Aktie der ABC AG perTermin 01.10.2020 zum Terminkurs von 159e zu kaufen. Der Kurs der ABCAktie beträgt 150e am 01.04.2020.

Geben Sie die Auszahlungsprofile des Forward-Kontrakts zum Liefertermin ausSicht beider Vertragsparteien an und stellen Sie diese graphisch dar.

(c) [5 Punkte] Erläutern Sie allgemein den Begriff des Swap-Kontrakts! NennenSie ein Finanzinstrument, welches gleichzeitig ein einfaches Beispiel für einenSwap darstellt.

(d) [10 Punkte] Die Fix-Bank (Fixed-Rate-Payer) und das Variabel-Versicherungs-unternehmen (Floating-Rate-Payer) vereinbaren am 31.03.2020 einen 1-Jahres-Zinsswap mit folgenden Konditionen: Nominalvolumen 100 Mio.e, halbjährli-che Zinszahlungen, fixer Zins: 3% p. a., variabler Zins: 6-Monats-EURIBOR. DerEURIBOR-Satz beträgt zum Stichtag 31.03.2020 für eine Laufzeit von 6 Mona-ten 2,6% p. a. und für 12 Monate 3,3% p. a.. Es wird angenommen, dass a priorijenseits des Ausgleichs der Zinszahlungen keine weiteren Zahlungen zwischenden Vertragsparteien erfolgen.

(i) [4 Punkte] Geben Sie die Zahlungsströme des Swaps auf Basis der 6-Monats-EURIBOR-Sätze aus Sicht der Fix-Bank am 31.03.2020 an, d. h. un-ter der Annahme, dass sich der entsprechende Forwardsatz realisiert.

(ii) [6 Punkte] Zeigen Sie, dass für die gegebenen EURIBOR-Sätze eine Arbi-tragemöglichkeit existiert. Bestimmen Sie den arbitrage-freien Swap-Satz.Geben Sie eine weitere Möglichkeit an, mit der Arbitrage ausgeschlossenwerden kann.

Hinweis: Verwenden Sie die einfache Verzinsung.

(e) [2 Punkte] Begründen Sie, warum der erwartete Verlust eines Zahlungsausfallsbei einem Plain-Vanilla-Swap kleiner ist als bei einem Darlehen mit gleichemNominalbetrag.

Lösungsskizze:

(a) Gemeinsamkeiten:

• Bei beiden Geschäften handelt es sich um Terminfixgeschäfte. Beide Ver-tragspartner verpflichten sich, zu einem zukünftigen festgesetzten Termin

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Leistung und Gegenleistung zu erbringen. Die Konditionen für Leistungund Gegenleistung werden dabei bei Vertragsabschluss festgelegt.

• Instrumente der zweiseitigen Risikobegrenzung

Unterschiede:

Merkmal Forward FutureVertragsgestaltung individuell standardisiert in Lieferterminen

(nicht standardisiert) und -mengen, Handelseinheiten etc.Börsenhandel nicht börsengehandelt börsengehandeltAbrechnung Abrechnung bei börsentägliche Abrechnung über

Fälligkeit „marking to market“(Einschuss- und Nachschusspflichten)

(b) Bezeichnen ST den Kassakurs am Liefertermin 01.10.2020 und K = 159 e denTerminkurs, so gilt für die Auszahlungsprofile der Vertragsparteien:

• Risikomanager X (Long Forward): ST − K

• Bank Y (Short Forward): K − ST

Graphisch:

0

1

-1

Long-Position(Steigung +1)Risikomanager X

Short-Position(Steigung -1)Bank Y

159 160158

Aktienkurs der ABC AG am 01.10.2020 (in €)

(c) Ein Swap (engl. Ò= Tausch) ist eine Vereinbarung zwischen zwei Vertragspart-nern, bei der heute festgelegt wird, zu welchen Bedingungen in der Zukunftgetauscht wird. In der Regel handelt es sich dabei um Zahlungsströme und esexistieren mehrere Termine, an denen ein Tausch stattfindet.

• Bei Swaps handelt es sich um OTC-gehandelte Derivate, da die Konditio-nen an die individuellen Bedürfnisse der Vertragspartner angepasst wer-den.

• Swaps sind in der Regel Terminfixgeschäfte. Es existieren aber auch Swap-tions, d. h. Optionen auf Swap-Geschäfte.

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Ein einfaches Beispiel für einen Swap mit einem Tauschtermin stellt ein Forward-Kontrakt dar (z. B. Terminkauf einer Aktie).

(d) (i) Für den Zahlungsstrom des Plain-Vanilla-Swaps aus Sicht der Fix-Bank aufBasis von Terminzinssätzen gilt (in Mio. e):

Datum 6-Monats-LIBOR erzielter Betrag gezahlter Betrag(in % p. a.) (in Mio.e) (in Mio.e)

31.03.2020 2,6

30.09.2020 re6(12)12 ·2,6100 · 100 −

12 ·3100 · 100

31.03.202112 ·r

e6(12)

100 · 100 −12 ·3100 · 100

Hierbei berechnet sich der Zins re6(12) wie folgt:

1,033 = (1 + 12 · 0,026) · (1 +

12 · r

e6(12))

⇔ 1,0331,013 − 1 = 1

2 · re6(12)

⇒ re6(12) = 3,9487% p. a.

Damit folgt konkret der Zahlungsstrom:

Datum 6-Monats-LIBOR erzielter Betrag gezahlter Betrag Differenz-(in % p. a.) (in Mio.e) (in Mio.e) betrag

31.03.2020 2,600030.09.2020 3,9487 1,3000 −1,5000 −0,200031.03.2021 1,9744 −1,5000 0,4744

(ii) Die Barwerte der erzielten bzw. gezahlten Beträge lauten (in Mio. e):

PVerzet(EURIBOR) =1,3000

1,013+1,9744

1,033= 3,1946

PVgezht(EURIBOR) =1,5000

1,013+1,5000

1,033= 2,9328

Alternativ: Direkte Ermittlung des Barwerts der Saldobeträge:

PVSdo(EURIBOR) =−0,2000

1,013+0,4744

1,033= 0,2618

Die Barwerte der fixen und variablen Zinszahlungen sind heute ohne Zins-änderung unterschiedlich hoch. Somit ergibt sich durch dieses Swapge-schäft eine Arbitragemöglichkeit für die Fix-Bank i. H. v. 0,2618 Mio.e(= 3,1946 − 2,9328). Diese Arbitragemöglichkeit lässt sich auf zwei un-terschiedliche Weisen ausschließen:

• sofortiges Cash-Settlement i. H. v. 0,2618 Mio.e bei Vertragsabschluss;Fix-Bank zahlt diesen Betrag an das Variabel-Versicherungsunternehmen,

• Anpassung des festen Zinssatzes nach oben.

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Hierbei ist der gesuchte arbitrage-freie Swap-Satz bestimmt durch

0,013 −12 ·

100

!

·100

1,013+

(0,019744 −12 ·

100

!

·100

1,033= 0

bzw. nach Umstellen

·1

2

1

1,013+

1

1,033

=1,3000

1,013+1,9744

1,033.

Der arbitrage-freie Swap-Satz beträgt 3,2678% p. a..

(e) Bei einem Plain-Vanilla-Swap hängt das Exposure von der Differenz eines fes-ten zu einem variablen Zinssatz ab. Es besitzt kein Exposure gegenüber demNominal. Bei einem Darlehen unterliegt das gesamte Nominal einem Ausfallri-siko.

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Aufgabe 3. [Konkrete Assetmodelle] [25 Punkte]

(a) [2 Punkte] Der folgende Q-Q-Plot vergleicht die empirischen Quantile der tägli-chen Returns ausgewählter Finanzmarktindizes mit den Quantilen der Normal-verteilung.

QQ−PlotsEmpirische Returnverteilungen vs. Normalverteilung

−0.06

−0.03

0

0.03

0.06

−0.03 0 0.03

EUTOSTOXX 50

−0.06

−0.03

0

0.03

0.06

−0.04 −0.02 0 0.02 0.04

TecDAX

−0.06

−0.03

0

0.03

0.06

−0.02 0 0.02

S&P 500

−0.06

−0.03

0

0.03

0.06

−0.04 −0.02 0 0.02 0.04

DAX 30

theoretische Quantile

empi

risch

e Q

uant

ile

Interpretieren Sie kurz diese Graphik und erklären Sie, was dies für die Vertei-lungseigenschaften der Returns bedeutet.

(b) [6 Punkte]

(i) [3 Punkte] Geben Sie die mathematische Struktur des ARCH-Modells sowiedes GARCH-Modells an.

(ii) [3 Punkte] Erläutern Sie, welche zentrale empirische Eigenschaft dieseZeitreihenmodelle in Bezug auf die Volatilität abbilden. Welchen Zusatzef-fekt bildet das GARCH-Modell dabei ab?

(c) [5 Punkte] Ein Versicherungsunternehmen plant 20 Millionen Euro in einenImmobilienfonds zu investieren. Die Auswertung historischer Zeitreihen derjährlich auf kontinuierlicher Basis berechneten (Log-)Renditen eines Immobi-lienindizes ergibt die mittlere erwartete Rendite μ(R) = 5%, die Volatilitätσ(R) = 5% und die Autokorrelation 1. Ordnung in Höhe von 0,6.

(i) [2 Punkte] Führen Sie zur Korrektur der Volatilität die Entglättung mit demBlundell-Ward-Verfahren durch.

(ii) [3 Punkte] Unterstellen Sie normalverteilte i. i. d. Renditen mit adjustier-ter Volatilität nach dem Blundell-Ward-Verfahren. Berechnen Sie für dasEndvermögen des Versicherungsunternehmens nach 20 Jahren den Varia-tionskoeffizienten.

Hinweis: Für X ∼ N (μ, σ2) ist Y = exp(X) eine lognormalverteilte Zufalls-variable mit den Parametern μ, σ2 (kurz: Y ∼ LN (μ, σ2)) und es gilt

E[Y] = eμ+12σ

2, Vr[Y] = E[Y]2(eσ

2− 1).

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(d) [9 Punkte]

(i) [2 Punkte] Erläutern Sie kurz, warum in der Praxis lokale und stochastischeVolatilitätsmodelle zum Einsatz kommen.

(ii) [4 Punkte] Beschreiben Sie das Heston-Modell aus der Klasse der stochas-tischen Volatilitätsmodelle. Nennen Sie zwei weitere Beispiele.

(iii) [3 Punkte] Geben Sie eine Modifikation des Heston-Modells an, mit derPhasen unterschiedlicher Volatilität an Märkten modelliert werden können.

(e) [3 Punkte] Beschreiben Sie das Merton-Sprungdiffusionsmodell. Erläutern Siekurz die Motivation für diese Modellerweiterung.

Lösungsskizze:

(a) Die Q-Q-Plots weisen eine „invertierte S-Form“ auf und weichen somit voneiner Gerade ab. Dies bedeutet, dass niedrige Werte der Returns niedriger alsbei Normalverteilung, hohe Werte der Returns größer als bei Normalverteilungsind („heavy tails“). Damit ist die Normalverteilung kein geeignetes Modell fürdie Verteilung täglicher Returns.

(b) (i) Es sei (Zt)t∈T ein striktes Weißes Rauschen SWN(0,1).

• Ein strikt stationärer Prozess (Xt)t∈T heißt ARCH(p)-Prozess (autore-

gressive conditionally heteroscedastic), falls für einen strikt positivenProzess (σt)t∈T folgende Gleichungen bestehen:

Xt = σtZt

σ2t= α0 +

p∑

=1

αX2t−

mit Konstanten α0 > 0, α1, . . . , αp ≥ 0.

• Ein strikt stationärer Prozess (Xt)t∈T heißt GARCH(p,q)-Prozess (gene-

ralized autoregressive conditionally heteroscedastic), falls für einenstrikt positiven Prozess (σt)t∈T folgende Gleichungen bestehen:

Xt = σtZt

σ2t= α0 +

p∑

=1

αX2t− +

q∑

j=1

βjσ2t−j

mit Konstanten α0 > 0, α1, . . . , αp, β1, . . . , βq ≥ 0.

(ii) Bei Finanzmarktzeitreihen treten extreme Returns in Clustern auf (Volati-

lity Clustering). Beide Zeitreihenmodelle können dies abbilden. Sind beimARCH-Modell |Xt−1|, |Xt−2|, . . . |Xt−p| groß, so ist auch die Volatilität σt und

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damit - modulo Wirkung des Shocks Zt aus dem Rauschen - |Xt | hoch.Selbiges gilt für den GARCH-Prozess. Allerdings sind hier die Perioden ho-her Volatilität persistenter als im ARCH-Modell, da σ2

texplizit auch von

σ2t−1, σ

2t−2, . . . , σ

2t−q abhängt.

(c) (i) Das Blundell-Ward-Verfahren korrigiert die Varianz einer Zeitreihe von Ren-diten Rt, t = 1,2, . . ., gemäß Vr(R∗

t) = Vr(Rt)

1−2(1−)2 , also

σ(R∗) = σ(R)

√1 − 2

(1 − )2= 0,05 ·

p1−0,621−0,6 = 0,1 (10%).

Der Erwartungswert bleibt unverändert, d. h. μ(R∗) = μ(R) = 5%.

(ii) Für die bereinigte Gesamtrendite nach 20 Jahren gilt

R∗(20) =20∑

=1

R∗∼ N (20 · μ(R∗); 20 · σ2(R∗)) = N (1; 0,2).

Damit gilt für das Endvermögen

V20 = V0 exp(R∗(20)) = exp(lnV0 + R∗(20)) ∼ LN (17,8112; 0,2).

Mit den im Hinweis angegebenen Formeln folgt nun E[V20] = 60.080.747,σ(V20) = 28.270.067 und entsprechend

cv(V20) =σ(V20)

E[V20]= 0,4705.

Alternativ kann man für eine LN (μ, σ2)-verteilte Zufallsvariable Y durchKürzen in den Berechnungsformeln cv(Y) =

Æ

eσ2 − 1 folgern und damit

direkt (ohne deren Erwartungswert und Standardabweichung zu bestim-men) den Variationskoeffizienten berechnen. Es folgt wiederum

cv(V20) =Æ

e0,2 − 1 = 0,4705.

(d) (i) Aus der Analyse von Zeitreihen von Aktienreturns ist erstens erkennbar,dass sich die Volatilität im Zeitverlauf ändert. Insbesondere sind Phasenmit niedriger und hoher Volatilität zu beobachten. Zweitens besteht ei-ne Abhängigkeit der impliziten Volatilität von Call- und Put-Optionen vomStrike und der Restlaufzeit/Maturität. Dies steht im Widerspruch zu einerkonstanten Volatilität und motiviert die Volatilität als Funktion des aktuel-len Aktienkurses und der Zeit (lokale Volatilitätsmodelle) oder als stochas-tischen Prozess (stochastische Volatilitätsmodelle) zu modellieren.

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(ii) Für zwei korrelierte Wiener-Prozesse B,W mit Kovariation ⟨W,B⟩t = ρt sindder diskontierte Aktienpreisprozess (eSt)t≥0 und die zugehörige Volatilitätunter dem risikoneutralen Maß modelliert durch:

deSt = σt eSt dBt,

σt =p

t.

Der Prozess heißt „variance“ und ist definiert durch einen Cox-Ingersoll-Ross-Prozess

dt = κ(θ − t)dt + ξp

t dWt.

Weitere Beispiele umfassen u. a. das Hull-White-Modell und das SABR-Modell.

(iii) Eine Erweiterung des Heston-Modells im Kontext von Regime-Switching-Modellen ist gegeben durch folgende Modellierung des diskontierten Akti-enpreisprozesses unter einem Martingalmaß Q:

deSt = eStp

Yt dBt,

dYt = κ(θ − Yt)dt + Xtξp

Yt dWt.

Hierbei sind B, W korrelierte Wiener-Prozesse unter Q mit ⟨B,W⟩t = ρt,ρ ∈ (−1,1), und (Xt)t≥0 bezeichnet einen (zeitlich homogenen) Markov-Prozess mit z. B. zwei Zuständen z1, z2, 0 < z1 < 1 < z2. In diesem Fallhängt die „Vol of Vol“ vom Zustand des exogenen Faktors ab. Die zwei Zu-stände spiegeln eine Verringerung oder Verstärkung der Volatilität wider.

(e) Im Merton-Sprungdiffusionsmodell ist der Preisprozess der Aktie (St)t≥0 untereinem äquivalenten Martingalmaß Q modelliert durch

SMt= SM0 exp(σW

Qt+ (μ − 1

2σ2)t +

Nt∑

=1

X) (t ≥ 0)

mit:

• Unter Q ist (WQt )t≥0 ein Wiener-Prozess und (Nt)t≥0 ist ein Poisson-Prozess

mit Intensität λ > 0. Beide Prozesse sind stochastisch unabhängig.

• (X)∈N sind i. i. d. normalverteilte Zufallsvariablen.

• Die Parameter genügen der Bedingung μ− r + λ(EQ[exp(X1)] − 1) = 0, dieäquivalent zu EQ[e−rtSMt ] = S

M0 ist.

Im Black-Scholes-Modell (und anderen Diffusionsmodellen) sind die Pfade derPreisprozesse stetig, sodass abrupte, sprunghafte Kursänderungen (Kursan-stieg, Kursverfall) nicht abgebildet werden. Das Merton-Sprungdiffusionsmodellmodelliert Kurssprünge; zwischen den Sprüngen verhält sich der Preisprozesswie eine Geometrische Brownsche Bewegung.

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Aufgabe 4. [Verallgemeinerte real-world Zinsmodelle] [25 Punkte]

(a) [17 Punkte] [Hauptkomponentenanalyse (Principal Component Analysis, PCA)]

(i) [5 Punkte] Gegeben seien ein Vektor z ∈ Rn einer diskretisierten Zinskurvesowie eine Funktion G : R4 → R, die den Marktwert MV eines Portfolios P inAbhängigkeit von den Faktorladungen PC1, PC2, PC3, PC4 beschreibt, mitdenen Zinskurvenänderungen repräsentiert werden. Ihr Vorstand möchtedie effektive Duration des Portfolios P wissen.

Beschreiben Sie die einzelnen Schritte für Ihr Vorgehen zur Berechnungder effektiven Duration von P. Warum kann es gegebenenfalls sehr kritischsein nur PC1 in dem von Ihnen beschriebenen Verfahren zu verwenden?

(ii) [4 Punkte] Es seien die empirische Kovarianzmatrix S = Kov(XT) und diezugehörigen Eigenvektoren EV1, . . . ,EVk mit Eigenwerten λ1 ≥ . . . ≥ λkgegeben.

Zeigen Sie, dass die Faktorladungen der Hauptkomponentenanalyse derempirischen Daten der Matrix XT ∈ Rn×p unkorreliert sind. Gehen Sie da-von aus, dass XT zentriert ist, d. h. der Mittelwert jeder Spalte von XT istnull.

(iii) [1 Punkt] Erklären Sie kurz in zwei Stichpunkten, welche Funktionsweiseein orthogonaler Projektor anschaulich erfüllt und wo dieser bei der Haupt-komponentenanalyse angewendet wird.

(iv) [2 Punkte] Es seien historische diskretisierte Zinskurven auf täglicher Ba-sis für die vergangenen 10 Jahre gegeben. Angenommen, Sie erkennen,dass sich Zinssätze zu festen Laufzeiten jeweils ungefähr normalverteiltverhalten. Dabei scheint die Zinsänderung unabhängig vom Level desAusgangszinssatzes zu sein.

Geben Sie eine Transformation an, um die Datenmatrix XT zu erstellen,die Sie als Grundlage für eine Hauptkomponentenanalyse verwenden wür-den, um zukünftige monatliche Zinsänderungen modellieren zu können.Begründen Sie die Art der Transformation.

(v) [5 Punkte] Gegeben sei die Funktion ƒ : Rn → R, ƒ () := TS für eine sym-metrische, positiv definite Matrix S ∈ Rn×n. Weiterhin seien 1, . . . , n dieEigenvektoren von S, wobei der Eigenvektor zum -größten Eigenwertvon S ist.

Zeigen Sie, dass für ∈ 1, . . . , n eine Lösung des Problemsrgmx∈Ω ƒ () mit Ω := y ∈ Rn|y ∈ spn, . . . , n und ||y|| = 1 dar-stellt.

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(b) [8 Punkte] [Zinsmodelle]

(i) [2 Punkte] Beschreiben Sie die Kernidee des Modells von Nelson-Siegel inStichpunkten. Gehen Sie dabei darauf ein, welche Rolle die Parameter desModells spielen.

(ii) [1 Punkt] Es sei eine diskretisierte Zinskurve gegeben. Angenommen, Siemöchten die Nelson-Siegel-Parameter bestimmen und verwenden dazueinen numerischen Algorithmus der nicht-linearen Optimierung. Welchegenerelle Problematik ergibt sich bezüglich der Startwerte?

(iii) [3 Punkte] Nennen Sie drei Gemeinsamkeiten und drei Unterschiede beider Erklärung historischer Zinskurven zwischen der Verwendung einerHauptkomponentenanalyse (PCA) und dem Nelson-Siegel-Modell.

(iv) [2 Punkte] Beschreiben Sie die Kernidee des Modells von Diebold/Li inStichpunkten. Nennen Sie dabei das Grundmodell und den Zweck des Mo-dells.

Lösungsskizze:

(a) (i) Idee: Berechnung der effektiven Duration als Diskretisierung, z. B.

Dreƒ ƒ ≈ − 1MV

MV(0)−MV(Δz)Δz

Vorgehen:

• Es sei z der Vektor der heutigen diskretisierten Zinskurve und zBP derum Basispunkte additiv parallel verschobene Vektor z. Ferner seiPC(z) die -te Faktorladung zur Beschreibung der Zinskurve z.

• Berechnung von

G0 := G(PC1(z),PC2(z),PC3(z),PC4(z)) und

GBP := G(PC1(zBP),PC2(zBP),PC3(zBP),PC4(zBP))

• Dann folgt Dreƒ ƒ ≈ − 1G0

G0−GBPBP .

• sollte dabei relativ klein gewählt werden.

Kritische Würdigung:

• Es muss überprüft werden, ob die vier PCs eine parallele Verschiebungvon z hinreichend gut approximieren können; sonst kann es durch denApproximationsfehler der PCA zu starken Abweichungen zur exakt ge-rechneten effektiven Duration kommen.

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• Bei alleiniger Verwendung von PC1 kann der Approximationsfehler ei-ner parallel verschobenen Zinskurve zu groß sein, um die effektiveDuration hinreichend gut zu approximieren.

(ii) Es sei XT die zentrierte Matrix der Punkte der zu erklärenden Daten mitden Laufzeiten in den Spalten und den Stichproben in den Zeilen. Fernerseien EV der -te Eigenvektor von S = Kov(XT) sowie λ der zugehörigeEigenwert. Setze PC = XT EV, d. h. PC stellt den Vektor der historischenFaktorladungen zum Eigenvektor EV dar. Dann gilt

Kov(PC,PCj) := 1n−1 PC

TPCj = EVT

1n−1XX

T

EVj

= EVTKov(XT)EVj = λj EVT EVj

=

λj, = j,0, sonst.

(iii) Stichpunkte:

• Ein orthogonaler Projektor projiziert einen Punkt senkrecht in eine Hy-perebene. Genauer gilt (nicht als Teil der Lösung gefordert):

Es seien p Eigenvektoren EV1 , . . . ,EVp einer PCA bekannt. Mit der Ma-trix E = (EV1 , . . . ,EVp) ist dann t : Rn 7→ R, t(z) := EETz, ein ortho-gonaler Projektor. Der orthogonale Projektor t projiziert den Punkt zsenkrecht auf den von den p Eigenvektoren aufgespannten Raum.

• Bei der PCA kann ein orthogonaler Projektor verwendet werden, umdie Approximation eines Punktes bezüglich der verwendeten Eigen-vektoren aus der PCA zu berechnen.

(iv) Da die Zinsänderung unabhängig vom Level des Ausgangszinssatzes zusein scheint und sich die Daten ungefähr normalverteilt verhalten, könn-ten monatliche Differenzen (überlappend oder auch nicht überlappend)zwischen den Zinskurven verwendet werden, um die Matrix XT zu erstel-len.

(zDtm+1Mont(t) − zDtm(t))Dtm,t =: YT , XT := YT − M

XT stellt dabei die durch die Matrix M zentrierte Datenmatrix von YT dar.

(v) Jedes ∈ Ω lässt sich für bestimmte βk ∈ R in der Form

=∑nk= βkk

‖∑nk= βkk‖

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darstellen, wobei nicht alle βk null sein können und damit wohldefiniertist. Hierbei gilt ‖

∑nk= βkk ‖=

Ç

∑nk= β

2k . Damit folgt für die Funktion ƒ

ƒ () = TS =1

∑nk= β

2k

n∑

k=

βkTk

S

n∑

k=

βkk

=1

∑nk= β

2k

n∑

k=

β2kλk

≤1

∑nk= β

2k

n∑

k=

β2kλ =

1∑n

k= β2k

ƒ ()n∑

k=

β2k= ƒ (),

da nach Voraussetzung λ1 ≥ . . . ≥ λn ≥ 0 gilt. Damit ist für alle festen ∈ 1, . . . , n der Wert ƒ () ein Maximum auf der Menge Ω.

(b) (i) Idee: Beschreibung von (historischen) Zinskurven mit wenigen Parame-tern (Dimensionsreduktion), Inter- und Extrapolation wird ermöglicht

Die Parameter lassen sich interpretieren als kurzfristiger Zins, langfristigerZins, Anteil der Steigung der Zinskurve, Anteil der Krümmung der Zinskur-ve, Laufzeit des Hochpunkts der Krümmung der Zinskurve.

(ii) Werden unterschiedliche Startwerte verwendet, kann der Algorithmus zuunterschiedlichen Lösungen kommen. Dies ist insbesondere der Fall, wennauch über den Parameter λ optimiert wird und dieser Parameter in denStartwerten abweicht.

(iii) Gemeinsamkeiten:

• Erklärung der Zinskurve mit wenigen Basisfunktionen möglich

• „Kleinste-Quadrate“-Minimierung zur Bestimmung der Faktorladungenbzw. Parameter

• Erste drei Basisfunktionen entsprechen in der Regel „Level“, „Stei-gung“ und Krümmung der Zinskurve

Unterschiede:

• Faktorladungen bei PCA einfach über Matrixmultiplikation zu bestim-men → Analytische Lösung möglich & einfach zu berechnen

• Faktorladungen bei Nelson-Siegel erfordern Lösung eines nicht-linearenMinimierungsproblems → Numerische Lösung erforderlich

• Faktorladungen PCA nach Konstruktion unkorreliert, bei Nelson-Siegelkorreliert

• Faktorladungen PCA können unabhängig von einander bestimmt wer-den + Lösung eindeutig

• Faktorladungen Nelson-Siegel sind abhängig + Lösung nicht eindeutig

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• Bei der PCA können die ersten drei Eigenvektoren (=Basisfunktionen)je nach Datensatz unterschiedlich ausgestaltet sein (muss nicht „Le-vel“, „Steigung“ und Krümmung entsprechen)

• Bei Nelson-Siegel ist die Struktur der Basisfunktionen vorgegeben (le-diglich der Parameter λ hat Einfluss auf die Gestalt)

• PCA kann auch zur Dimensionsreduktion von Daten, die nicht aus demZinsbereich stammen verwendet werden, Nelson-Siegel eher auf Zins-kurven beschränkt

• Erklärungsmodell der PCA für Zinskurven kann beliebig ausgestaltetwerden: PCA direkt auf Zinskurven, auf absoluten Änderungen, auf re-lativen Änderungen, auf relativen geshifteten Änderungen, auf loga-rithmischen Änderungen, ...

[Bemerkung: Zu nennen sind nur drei Unterschiede.]

(iv) Grundmodell: Nelson-Siegel

• Beschreibung historischer Zinskurven

• Verwendung eines autoregressiven Modells AR(1) zur Beschreibungder historischen Zinskurvenentwicklung mithilfe der Parameter vonNelson-Siegel

• Nutzung des Modells, um eine Prognose der zukünftigen Zinskurvenach der Zeit T zu ermöglichen

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Aufgabe 5. [Bewertung von Optionen im Black-Scholes-Modell] [35 Punkte]

Der Prozess (Wt)t≥0 sei ein Wiener-Prozess auf dem Wahrscheinlichkeitsraum(Ω,F , P), der die Filtration (Ft)t≥0 erzeugt. Betrachten Sie das Black-Scholes-Modellmit endlichem Zeithorizont T > 0:

• Die Wertentwicklung des Sparbuchs ist bei stetiger Verzinsung mit Rate r ≥ 0gegeben durch Bt = ert, t ∈ [0, T].

• Der Preisprozess (St)t∈[0,T] der Aktie besitzt unter dem Maß P die Dynamik

dSt = St(μdt + σ dWt), μ ∈ R, σ > 0, S0 = s > 0.

(a) [10 Punkte]

(i) [5 Punkte] Beschreiben Sie formal, wie in der Theorie ausgehend von derDynamik des diskontierten Aktienpreisprozesses das äquivalente Martin-galmaß Q konstruiert wird. Geben Sie die Dynamik des Aktienpreisprozes-ses unter Q an.

(ii) [2 Punkte] Erläutern Sie kurz, welche Implikationen die Existenz des (ein-deutigen) äquivalenten Martingalmaßes Q auf die Arbitragefreiheit desFinanzmarktmodells sowie die arbitrage-freie Bewertung von ContingentClaims hat.

(iii) [3 Punkte] Beschreiben Sie kurz, wie das Black-Scholes-Modell in der Pra-xis für Bewertungszwecke kalibriert wird. Nennen Sie zwei mögliche Grund-ansätze zur Kalibrierung.

(b) [11 Punkte] Betrachten Sie den Contingent Claim CT := (ST)4 mit Maturität T,der als Funktion des terminalen Aktienkurses definiert ist.

(i) [4 Punkte] Leiten Sie eine explizite Formel zur Berechnung des arbitrage-freien Preises Ct des Contingent Claims zum Zeitpunkt t ∈ [0, T] her. Zei-gen Sie dabei insbesondere, dass Ct = (St, t) für eine geeignete Funktion gilt.

Hinweis: Für X ∼ N (0, γ2) und ∈ R gilt E[exp(X)] = exp(122γ2).

(ii) [4 Punkte] Berechnen Sie eine dynamische Hedging-Strategie, mit der CTdurch Handel von Sparbuch und Aktie perfekt abgesichert werden kann.

(iii) [3 Punkte] Erläutern Sie kurz, wie ausgehend von der dynamischen Ab-sicherungsstrategie aus dem zeitstetigen Finanzmarktmodell semistati-sches Hedging in der Praxis implementiert werden kann.

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(c) [6 Punkte] Der arbitrage-freie Preis einer Europäischen Call-Option auf die Ak-tie mit Maturität T und Strike K > 0 ist zum Zeitpunkt t ∈ [0, T] gegeben durchCcllt= cll(St, t) für die Funktion

cll(, t) = (d+(, t)) − e−r(T−t)K(d−(, t)),

wobei die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichnet undfolgende Konstanten verwendet werden:

d±(, t) =ln(/K) + (r ± 1

2σ2)(T − t)

σpT − t

.

Erläutern Sie inklusive Herleitung die Put-Call-Parität und nutzen Sie diese, umeine Formel für den Preis Cptt einer Europäischen Put-Option auf die Aktie mitMaturität T und Strike K > 0 zum Zeitpunkt t herzuleiten.

(d) [6 Punkte] Eine fondsgebundene Erlebensfallversicherung für eine bei Ver-tragsabschluss -jährige versicherte Person mit Laufzeit T liefert im Erlebens-fall als Auszahlung das Maximum aus dem Fondsvermögen N · ST (N=Anzahlder Aktien im Fonds) und einer vereinbarten deterministischen Garantie G.

Leiten Sie mithilfe von (c) eine Formel zur Berechnung der Nettoeinmalprämiedieser Erlebensfallversicherung her. Begründen Sie ggf. Ihre Annahmen.

(e) [2 Punkte] Geben Sie mit kurzer Begründung zwei Fakten aus der Analyse vonFinanzmarktzeitreihen an, die das Black-Scholes-Modell empirisch falsifizieren.

Lösungsskizze:

(a) (i) Mit der Itô-Formel folgt für die Dynamik des diskontierten Aktienpreispro-zesses eSt = e−rtSt, t ∈ [0, T],

deSt = e−rt dSt − re−rtSt dt = eStσ(dWt +μ−rσ dt).

(eSt)t∈[0,T] ist demnach ein Martingal bezüglich eines Maßes Q (Martingal-maß), falls

WQt=Wt +

∫ t

0

μ−rσ d, t ∈ [0, T], (1)

ein Wiener-Prozess unter Q ist. Zur Konstruktion des (eindeutig bestimm-ten!) äquivalenten Martingalmaßes Q auf (Ω,FT) wird der Satz von Girsa-nov verwendet: Definiert man Q durch die Dichte

dQdP

FT= e

−∫ T

0

μ−rσ dW−

12∫ T

0

μ−rσ

2d= e

−μ−rσ WT−

12

μ−rσ

2T,

d. h. EQ[X] = EP[dQdP |FTX], so ist der Prozess (WQ

t )∈[0,T] ein Q-Wiener-Prozessbis zur Zeit T. Für die Dynamik von (eSt)t∈[0,T] unter Q gilt

deSt = eStσ dWQt,

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d. h. der diskontierte Preisprozess (eSt)t∈[0,T] ist in der Tat ein Q-Martingal.

Für die Dynamik des Aktienpreises (St)t∈[0,T] unter Q erhält man via (1)

dSt = St(μdt + σ dWt) = St(r dt + σ dWQt),

d. h. (St)t∈[0,T] ist unter Q eine Geometrische Brownsche Bewegung mitDriftparameter r und Volatilität σ.

(ii) Aus der Existenz des äquivalenten Martingalmaßes folgt die Arbitragefrei-heit des Black-Scholes-Modells. Der arbitrage-freie Preis Ct eines Contin-gent Claims CT mit Maturität T in t ergibt sich durch risikoneutrale Bewer-tung:

Ct = Bt EQ

CTBT|Ft

= ert EQ[e−rTCT |Ft].

(iii) Gemäß (i) ist zur Spezifikation des Black-Scholes-Modells für Bewertungs-zwecke nur die Volatilität σ zu bestimmen; der Driftparameter ist durchden Zins gegeben. Zur Schätzung von σ können grundsätzlich zwei Ver-fahren verwendet werden:

• Schätzung aus historischen Daten (führt zur sogenannten historischen

Volatilität)

• Schätzung aus den Preisen bereits vorhandener Optionen für densel-ben Basistitel (führt zur sogenannten impliziten Volatilität)

(b) (i) Nach (a) (i) ist der Aktienpreisprozess unter Q eine Geometrische Brown-sche Bewegung mit Driftparameter r und Volatilität σ. Somit folgt für denPreis im Zeitpunkt t mit risikoneutraler Bewertung

Ct = e−r(T−t) EQ[(ST)4|Ft] = e−r(T−t) EQ[(Steσ(WQ

T −WQt )+(r−

12σ

2)(T−t))4|Ft]

= e−r(T−t) EQ[(St)4e4σ(WQT −W

Qt ) · e4(r−

12σ

2)(T−t)|Ft]

= (St)4e(4(r−

12σ

2)−r)(T−t) EQ[e4σ(WQT −W

Qt )]

= (St)4e(4(r−

12σ

2)−r)(T−t)e1216σ

2(T−t)

= (St)4e(3r+6σ2)(T−t).

Fazit: Ct = (St, t) mit (, t) = 4e(3r+6σ2)(T−t)

(ii) Man berechnet via Delta-Hedging die dynamische Absicherungsstrategie:

• Einheiten Aktie:

ϑSt=

∂(St, t) = 4(St)3e(3r+6σ

2)(T−t)

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• Einheiten Sparbuch: Mit Vϑt= Ct als Wertprozess der Handelsstrategie

folgt

ϑBt=

Vϑt−ϑS

tSt

Bt= −3(St)4e(3r+6σ

2)(T−t)−rt.

(iii) In der Praxis können Portfolios nicht zeitstetig adjustiert werden; Repli-kations-/Hedging-Strategien sind semistatisch. Eine Möglichkeit ist dasDelta-Hedging auf Basis des Deltas Δ(, t) = ∂

∂(, t) (Sensitivität).

Approximativ gilt für die Wertänderung der Preise Ct = (St, t) in kleinenZeitintervallen [t, t + h], h > 0,

(St+h, t + h) − (St, t) ≈ Δ(St, t)(St+h − St).

Dies erlaubt, die Position im Contingent Claim gegen Preisänderungen desBasiswertes im Zeitintervall [t, t + h] abzusichern, indem eine Position imBasiswert aufgebaut wird, deren Wertänderungen bei Preisbewegung denWertänderungen dieser Position genau entgegengesetzt sind.

(c) Für z ∈ R gilt (z−K)+− (K− z)+ = z−K. Dies führt bei risikoneutraler Bewertungaufgrund der Martingaleigenschaft des diskontierten Aktienpreisprozesses un-ter Q zur Put-Call-Parität

Ccllt− Cptt = EQ[e−r(T−t)(ST − K)+ |Ft] − EQ[e−r(T−t)(K − ST)+ |Ft]

= EQ[e−r(T−t)(ST − K)|Ft] = St − e−r(T−t)K,

d. h. die Preise von Aktie, Call- und Put-Option sind abhängig voneinander. Sindzwei dieser Preise bekannt, so kann der dritte mit der Put-Call-Parität berech-net werden. Insbesondere folgt Cptt = pt(St, t) mit einer Preisfunktion, diecll(, t) − pt(, t) = − e−r(T−t)K erfüllt. Umstellen liefert die Bewertungs-formel

pt(, t) = (d+(, t)) − e−r(T−t)K(d−(, t)) − + e−r(T−t)K

= −[1 − (d+(, t))] + e−r(T−t)K[1 − (d−(, t))]

= −(−d+(, t)) + e−r(T−t)K(−d−(, t)).

Hierbei verwendet: (−) = 1 − () für alle ∈ R.

(d) Mit der Restlebensdauer T der -jährigen versicherten Person lässt sich dieAuszahlung der Erlebensfallversicherung im Zeitpunkt T schreiben als

1T>TmxN · ST , G = 1T>T

G + N ·

ST − GN

+

.

Nimmt man an, dass das biometrische Risiko unabhängig vom Marktrisiko ist,so gilt für die Nettoeinmalprämie NEP0 zum Zeitpunkt 0

NEP0 = Tp EQh

e−rT

G + N ·

ST − GN

+i

= Tp

e−rTG + N · EQh

e−rT

ST − GN

+i

,

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wobei Tp die T-jährige Überlebenswahrscheinlichkeit der -jährigen versicher-ten Person bezeichnet. Damit lässt sich die Berechnung der Nettoeinmalprä-mie auf die Bewertung einer Europäischen Call-Option mit Strike K = G/N zu-rückführen, d. h. es gilt

NEP0 = Tp

e−rTG + Ncll(S0,0)

.

(e) • Q-Q-Plots der Returndaten von Finanzmarktzeitreihen bezüglich der Nor-malverteilung weisen eine invertierte S-Form auf, sodass die Returns nichtals normalverteilt angesehen werden können. Returns im Black-Scholes-Modell sind jedoch normalverteilt.

• Die implizite Volatilität weist in der Realität typischerweise eine Abhän-gigkeit vom Strike sowie der Restlaufzeit/Maturität auf. Die Volatilität imBlack-Scholes-Modell ist jedoch konstant.

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Aufgabe 6. [Bewertung im Zinsbereich] [35 Punkte]

(a) [5 Punkte] Vergleichen Sie das Hull-White-Modell und das Black-Karasinski-Modell mit besonderem Hinblick auf das Niedrigzinsumfeld. Gehen Sie dabeiinsbesondere auf die Themen „negative Zinsen“ und „Zinsuntergrenze“ sowieauf mögliche Anpassungen/Erweiterungen ein.

(b) [12 Punkte] Das weithin gebräuchliche Hull-White-Modell geht aus dem Vasicek-Modell hervor, indem eine Zeitabhängigkeit des Mean-Reversion-Levels er-laubt wird. Die stochastische Differentialgleichung für die Short Rate im Hull-White-Modell lautet dann

drt = α(θ(t) − rt)dt + σ dWt.

(i) [2 Punkte] Was ist die Begründung für diese Erweiterung?

(ii) [5 Punkte] Eine alternative Formulierung ist gegeben durch die Einführungdes Prozesses

t := rt − φ(t)

mit dt = −αt dt + σ dWt.

Stellen Sie den Zusammenhang zwischen den deterministischen Funktio-nen φ und θ her!

(iii) [5 Punkte] Die Lösung des Hull-White-Modells in der Formulierung als er-weitertes Vasicek-Modell ist gegeben als

rt = rse−α(t−s) + α∫ t

s

e−α(t−)θ()d + σ∫ t

s

e−α(t−) dW

Wie lautet die Lösung in der Formulierung mittels der Funktion φ?

(c) [18 Punkte] Im Black-Karasinski-Modell sind keine analytischen Formeln fürdie Bondpreise verfügbar. Daher müssen diese zum Beispiel auf einem trino-mischen Baum approximiert werden. Ausgangspunkt sei die Alternativformu-lierung analog zum Hull-White-Modell

t = ln(rt) − φ(t)

mit dt = −αt dt + σ dWt.

(i) [5 Punkte] Stellen Sie den trinomischen Baum für das Black-Karasinski-Modell graphisch dar. Starten Sie dafür vom Knotenpunkt r,j zum Zeit-punkt t und stellen Sie den Übergang von t nach t+1 dar.Benennen Sie alle Übergangswahrscheinlichkeiten und Knotenpunkte undnotieren Sie die Knotenpunkte dabei auch in der Alternativformulierung.

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(ii) [6 Punkte] Es sei E,j der Erwartungswert von +1 bedingt auf = ,j undV2

bezeichne die bedingte Varianz.Stellen Sie damit das allgemeine Gleichungssystem für die Bestimmungder Übergangswahrscheinlichkeiten auf. Bleiben Sie dabei in der Notation,die Sie in Teil (i) etabliert haben und kommentieren Sie die Bedeutung dereinzelnen Gleichungen in einem Satz.

(iii) [2 Punkte] Die Struktur des trinomischen Baums wird festgelegt durch dieParametrisierung ,j = j ·

Ç

3V2 . Weiterhin wird der mittlere Knotenpunkt

fixiert durch die Wahl k = rond

E,j /Ç

3V2

. Hierbei ist k der Index desmittleren Short-Rate-Pfades (r+1,k) in t+1, der von r,j erreicht wird. Kom-mentieren Sie diese Wahl kurz.

(iv) [5 Punkte] Verwenden Sie obige Struktur, um das Gleichungssystem zulösen.

Hinweis: Stellen Sie dafür die Übergangswahrscheinlichkeiten in Abhän-gigkeit von der Größe E,j−

Ç

3V2dar. Nutzen sie zudem, dass ,j±1 = ,j±

Ç

3V2 .

Lösungsskizze:

(a) Das Hull-White-Modell führt zu normalverteilten Short Rates; daher sind nega-tive Zinsen im Modell durchaus möglich. Im Gegensatz dazu führt das Black-Karasinski-Modell zu lognormalverteilten Short Rates; somit sind negative Zin-sen ausgeschlossen. Eine mögliche Lösung besteht darin, die verschobeneShort Rate rt + c zu simulieren. Dabei stellt allerdings die Bestimmung derangemessenen Verschiebung eine weitergehende Herausforderung dar.

Während das Black-Karasinski-Modell (auch in der erweiterten Fassung) eineuntere Schranke aufweist, ist das Hull-White-Modell unbeschränkt und kannsomit beliebig tiefe Zinsen generieren. Dies steht im Widerspruch zur Bar-geldhaltungsoption, die das Zinslevel nach unten beschränkt. Eine möglicheLösung besteht in der ex-post Zinskappung solcher Pfade, die ein gegebenesLevel unterschreiten. Dabei stellen die Bestimmung der unteren Schranke so-wie die Sicherstellung der Risikoneutralität weitergehende Herausforderungendar.

(b) (i) Das Vasicek-Modell ist ein endogenes Modell, d. h. eine gegebene Zins-strukturkurve kann nicht reproduziert werden. Durch die Einführung derParameterfamilie θ(t) wird dies ermöglicht. Somit kann eine marktkonsis-tente Zinssimulation erreicht werden.

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(ii) Das Differential dt berechnet sich als

dt = d(rt − φ(t)) = drt − φ′(t)dt

= α (θ(t) − rt) dt + σ dWt − φ′(t)dt

= α

θ(t) −1

αφ′(t) − rt

dt + σ dWt

= α

θ(t) −1

αφ′(t) − t − φ(t)

dt + σ dWt

= −αt dt + σ dWt + α

θ(t) −1

αφ′(t) − φ(t)

dt.

Also folgt

θ(t) = φ(t) +1

αφ′(t).

(iii) Aus der SDG für t folgt direkt mit θ(t) = 0

t = se−α(t−s) + σ∫ t

s

e−α(t−) dW.

Mit t = rt − φ(t) folgt weiterhin für den Short-Rate-Prozess

rt = se−α(t−s) + φ(t) + σ∫ t

s

e−α(t−) dW.

(c) (i)

(ii)

() 1 = p + pm + pd() E,j = p+1,k+1 + pm+1,k + pd+1,k−1

() V2= p

+1,k+1 − E,j2 + pm

+1,k − E,j2 + pd

+1,k−1 − E,j2

Gleichung () stellt die Vollständigkeit der Wahrscheinlichkeiten sicher.Die anderen beiden Gleichungen gewährleisten, dass das approximativeBaumdiagramm Erwartungswert () und Varianz () des kontinuierlichenModells reproduziert.

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(iii) Die Parametrisierung der ,j skaliert mit der StandardabweichungÇ

V2 ,da diese die typische Ausdehnung der Verteilung darstellt. Der Faktor 3folgt aus Normierungsgründen für den trinomischen Baum. Die Wahl desmittleren Index ist derart, dass der resultierende Wert für +1,k nahe dembedingten Erwartungswert E,j liegt.

(iv) Einsetzen des Hinweises führt auf das Gleichungssystem

() 1 = p + pm + pd

() E,j = (p + pm + pd)+1,k + (p − pd)Ç

3V2

() V2= (p + pm + pd)

+1,k − E,j2 + 2

+1,k − E,j

Ç

3V2 (p − pd)

+ 3V2(p + pd)

Aus () folgt durch Ersetzung mittels ()

() (p − pd) =E,j − +1,kÇ

3V2

sowie durch Einsetzen von () und () in ()

() (p + pd) =V2+

E,j − +1,k2

3V2.

Die Lösung des Gleichungssystems kann dann ermittelt werden durch() ± () sowie Einsetzen in () als

p =1

6+1

2

E,j − +1,kÇ

3V2+1

2

E,j − +1,kÇ

3V2

2

,

pm =2

3−

E,j − +1,kÇ

3V2

2

,

pd =1

6−1

2

E,j − +1,kÇ

3V2+1

2

E,j − +1,kÇ

3V2

2

.

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Aufgabe 7. [Numerik und Praktikabilität] [10 Punkte]

Der stochastische Prozess (Xt)t≥0 folge der stochastischen Differentialgleichung

dXt = μ(t, Xt)dt + σ(t, Xt)dWt, X0 = (0),

wobei (Wt)t≥0 ein Wiener-Prozess ist und μ, σ deterministische Funktionen bezeich-nen.

(a) [5 Punkte] Zur Simulation von (Xt)t≥0 stehen grundsätzlich zwei Ansätze zurVerfügung: die direkte Simulation aus der (exakten) Verteilung und die Diskre-

tisierung. Nennen Sie für beide Ansätze je einen Vorteil und einen Nachteil.

(b) [5 Punkte] Für μ ∈ R, σ > 0 seien nun μ(t, Xt) = μ · Xt und σ(t, Xt) = σ · Xt, d. h.(Xt)t≥0 entspricht einer geometrischen Brownschen Bewegung.

(i) [2 Punkte] Beschreiben Sie, wie in diesem Fall mittels exakter SimulationRealisierungen von Xt erzeugt werden können.

(ii) [3 Punkte] Beschreiben Sie, wie mittels Diskretisierung über die Euler-Methode (rekursiv) Realisierungen von Xt erzeugt werden können.

Lösungsskizze:

(a) Direkte Simulation:

• Vorteile:

– Direkte Simulation vermeidet Fehler durch Diskretisierung

– Vorliegen der Verteilung von Xt ermöglicht oft weiterführende Anwen-dungen und erleichtert die Validierung der Simulation

• Nachteile:

– Verfahren oft nicht anwendbar, da bei hinreichender Komplexität derSDE bzw. deren Parameter oft keine Verteilung in geschlossener Formvorliegt

– Gegebenenfalls hohe Komplexität der Verteilungen

Diskretisierung:

• Vorteile:

– Kann direkt auf nahezu beliebige Gestalt der SDE angewendet werden

– Einfach und schnell in der Implementierung

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• Nachteile:

– Kann Diskretisierungsfehler aufweisen, welche sich auf verschiedeneArten äußern können

– Abwesenheit einer geschlossenen Verteilung von Xt verhindert weiter-führende Anwendungen und erschwert die Validierung der Simulation

[Bemerkung: Zu nennen ist je nur ein Vor- und Nachteil.]

(b) (i) Für die geometrische Brownsche Bewegung ist die Lösung der SDE gege-ben durch

Xt = (0)exp((μ − 12σ

2)t + σWt),

d. h. zur Simulation von Xt simuliert man Realisierungen einer standard-normalverteilten Zufallsvariable ε und betrachtet anschließend den Aus-druck (0)exp((μ − 1

2σ2)t + σ

ptε).

(ii) Folgt ein stochastischer Prozess (Xt)t≥0 der SDE

dXt = μ(t, Xt)dt + σ(t, Xt)dWt, X0 = (0),

so liefert das Euler-Verfahren für die Zeitpunkte 0 = t0 < t1 < . . . < tn = T

mit t+1− t = h eine Diskretisierung in Form einer Markov-Kette (Yt)=1,...,ndurch die Rekursion

Y0 = (0), Yt+1 = Yt + μ(t, Yt)h + σ(t, Yt)ΔW,

wobei ΔW = Wt+1 − Wt ein normalverteilter Noise-Term mit MittelwertNull und Varianz h ist. Durch Simulation von (voneinander unabhängi-gen) standardnormalverteilten Zufallsvariablen ε1, . . . , εn kann basierenddarauf rekursiv eine Realisierung von Yt+1 simuliert werden, indem manYt+1 = Yt + μ(t, Yt)h + σ(t, Yt)

phε+1 setzt. Im Fall μ(t, Xt) = μ · Xt und

σ(t, Xt) = σ · Xt ergibt sich konkret die Rekursion

Yt+1 = Yt + μYth + σYtp

hε+1 mit Yt0 = (0)

und mit Yt+1 die gewünschte Realisierung.

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