FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4...

296
Steffen Funk Wilfried Gawehn FINITE ELEMENTE METHODE FEM-Grundlagen zur Statik und Dynamik Für Studierende des Maschinenbaus, des Bauwesens und der Technischen Mathematik (FH und TU)

Transcript of FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4...

Page 1: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

Steffen Funk Wilfried Gawehn

FINITE ELEMENTE METHODE

FEM-Grundlagen zur Statik und Dynamik

Für Studierende des Maschinenbaus, des Bauwesens undder Technischen Mathematik (FH und TU)

Page 2: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

Autoren

Steffen Funk, M.Eng.Firma DR. SCHIPPKE + PARTNERIngenieure im BauwesenMaschinenbau und ElektrotechnikD-30169 Hannover

Prof. Wilfried GawehnHochschule OsnabrückE-Mail [email protected] www.fem-fundamente.deWeb-Site www.mathematik-fundamente.de

Hinweise:Die Autoren haben den Text zu diesem Buch sorgfältig erstellt. Sie können aber weder eine Garantie nocheine juristische Verantwortung für die Fehlerfreiheit des Textes übernehmen.Einige Beispiele und Bilder wurden mit der Software SOLIDWORKS erstellt.COREL DRAW ist eine geschützte Produktbezeichung der Firma COREL CORPORATION.

Herstellung: Steffen Funk , Wilfried Gawehnc© 2015-2020 Steffen Funk , Wilfried GawehnAlle Rechte vorbehaltenDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Eine jedwede Verwertung außerhalb des Urheberrechts ist ohneZustimmung der Autoren nicht zulässig.

Umschlaggestaltung: Wilfried GawehnSatz: Wilfried Gawehn, mit LATEX2ε (MIKTEX 2.9), COREL DRAW und PSTricksHerstellung: E-Book

Page 3: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

Vorwort

Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen in der Festigkeitslehre, Dynamik, Strömungslehreund Elektrotechnik entwickelt. Das Buch ist geeignet sowohl für Studenten der maschinenbautechnischenStudiengänge als auch für im Beruf stehende Ingenieure, die sich zur Anwendung der FEM ein Hintergrund-wissen aneignen möchten.Der Inhalt dieses Buches entspricht in etwa der Vorlesung, die einer der Verfasser an der FH Osnabrück gehal-ten hat. Die 1985 - 1995 erschienene Buchausgabe wurde überarbeitet und stark erweitert. Hinzugenommenwurde die FE-Methode für dynamische Anwendungen. Es wird ein Einstieg in die FEM mit ausführlichenmathematischen Grundlagen gegeben. Die Erfahrungen der Autoren lassen dies notwendig erscheinen, dadem Leser meistens das erforderliche mathematische Rüstzeug fehlt. Daher ist das Buch auch für an derFEM interessierte Mathematiker geeignet. Allerdings sollten Mathematiker nicht zu hohe Ansprüche an dieExaktheit der mathematischen Ausführungen stellen.Der in Mathematik und Mechanik sattelfeste Leser kann für die FEM-Statik und FEM-Dynamik zunächstdie folgenden Abschnitte durcharbeiten und bei Bedarf auf die anderen Kapitel und Abschnitte zurückgrei-fen:

FEM - Statik FEM - Dynamik1.2 Koordinatentransformation 10.1 Schwinger m. einem Freiheitsgrad3.2 Die Bewegung des Körpers unter Belastung 10.5 Ungedämpfte Systeme3.3 Die Stoffgesetze 10.6 FE-Methode für Stabwerke3.4 Die Gleichgewichtsbedingungen 10.7 FE-Methode für Balken6 Die Matrixsteifigkeitsmethode 10.9 Gedämpfte Systeme8 Die Formulierung der FEM: Statik 10.10 Modale Dämpfung

10.11 Übersicht SystemschwingungenDer in der Mathematik ’unbedarfte’ Leser sollte den Stoff konsequent von vorne lesen.

Die FE-Methode fußt hier auf der Verschiebungsmethode. Hat der Anfänger das Prinzip der FEM verstan-den, kann er sich leicht andere Einstiegsmöglichkeiten erschließen.Zur linearen Elastizitätstheorie ist anzumerken, dass es sich um eine zweifach lineare Theorie handelt. Ers-tens wird dabei angenommen, dass bei der kleinen Größe der Verzerrungen ein linearisierter Zusammenhangzwischen Verzerrungen und Verschiebungen ausreicht. Zweitens werden die physikalischen Eigenschaften desWerkstoffs durch das Hooke‘sche Gesetz beschrieben, das einen linearen Zusammenhang zwischen Spannun-gen und Verzerrungen herstellt.

Vektoren werden mit → überstrichen, z.B. ~w , Matrizen in fetten Großbuchstaben dargestellt, z.B.M . Der Operator des Skalarprodukts wird durch den etwas dickeren ··· gekennzeichnet, der Operatordes äußeren (Kreuz-)produkts durch ×. Bemerkungen, Hinweise und Ergänzungen werden durchN beendet.

Herrn Dipl.-Ing. Benno Kleine Trimpe danken wir für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Wir sinddankbar für Anregungen und Verbesserungsvorschläge, insbesondere für Hinweise auf Fehler. Erreichen kön-nen Sie uns unter

[email protected]

Es wurden kleinere Fehler beseitigt.

16. Februar 2020 Steffen Funk , Wilfried Gawehn

Page 4: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

Inhaltsverzeichnis

1 Matrizenalgebra 71.1 Grundbegriffe der Matrizenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.2 Koordinatentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191.3 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

1.3.1 Der Gauß’sche Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251.3.2 Berechnung der inversen Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311.3.3 Der verkettete oder LR-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341.3.4 Das Cholesky-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

2 Spannungen 392.1 Der Spannungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

2.1.1 Der dreiachsige Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422.1.2 Der ebene Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3 Die Deformation des belasteten Körpers 503.1 Die Taylorentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503.2 Die Bewegung des Körpers unter Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523.3 Die Stoffgesetze (Das Hooke’sche Gesetz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573.4 Die Gleichgewichtsbedingungen am belasteten Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613.5 Die Gleichungen des belasteten dreidimensionalen Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

3.5.1 Der gelagerte Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633.5.2 Einfache Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

4 Integrale 734.1 Kurvenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

4.1.1 Kurvenintegrale 1. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744.1.2 Kurvenintegrale 2. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754.1.3 Zusammenhang zwischen Kurvenintegralen 1. und 2. Art . . . . . . . . . . . . . . . . 76

4.2 Mehrfachintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784.2.1 Doppelintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784.2.2 Dreifachintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784.2.3 Oberflächenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794.2.4 Der Gauß’sche Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie 855.1 Die innere Energie oder Formänderungsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855.2 Der Energiesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895.3 Die Einheitslastmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925.4 Der 1. Satz von Castigliano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945.5 Die Steifigkeits- und Nachgiebigkeitsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

5.5.1 Steifigkeitsbeziehung für den Balken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

6 Die Matrixsteifigkeitsmethode 1016.1 Die Verschiebungsmethode für ebene Stabwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

6.1.1 Die Matrixsteifigkeitsmethode am Beispiel eines Stabwerks . . . . . . . . . . . . . . . 1046.2 Die ES-Matrix für räumliche Stabwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

4

Page 5: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.3 Die Verschiebungsmethode für ebene Balkensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1116.4 Die ES-Matrix für räumliche Balkensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1166.5 Allgemeine Beschreibung der Matrixsteifigkeitsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1186.6 Ersatzlasten für Balken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

7 Variationsmethoden 1347.1 Variationsmethoden für Funktionen einer Veränderlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1347.2 Variationsmethoden für Funktionen von zwei Veränderlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1437.3 Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen für den ebenen Spannungszustand . . . . . . . . . 1457.4 Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

8 Die Formulierung der FEM: Statik 1558.1 Die Konstruktion am Beispiel des ebenen Zug-Druck-Stabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

8.1.1 Minimierungsprozess am einzelnen Stabelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1558.1.2 Minimierungsprozess am Stabwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

8.2 Das Scheibendreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1678.3 Die Konstruktion der ES- und GS-Matrix für den allgemeinen Fall . . . . . . . . . . . . . . . 177

8.3.1 Verschiebungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1778.3.2 Die totale potenzielle Energie für das Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1848.3.3 Die totale potenzielle Energie für das gesamte Bauteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

8.4 Darstellung von stetig verteilten Flächen- und Volumenlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1878.5 Auswahlkriterien für Verschiebungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1908.6 Transformation auf Einheitselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1928.7 Das Tetraederelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2018.8 Allgemeine Koordinatentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

9 Eigenwerte 2149.1 Das Eigenwertproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2149.2 Eigenschaften der Eigenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2189.3 Ähnliche Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2209.4 Das Verfahren von Jacobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

10 Die Formulierung der FEM: Dynamik 23110.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

10.1.1 Ungedämpfter freier (ungezwungener) Schwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23210.1.2 Ungedämpfter erzwungener Schwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23410.1.3 Gedämpfter freier Schwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23510.1.4 Gedämpfter erzwungener Schwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23810.1.5 Diskussion der Systemantwort (allgemein für D > 0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

10.2 Schwinger mit zwei Freiheitsgraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24410.3 Schwinger mit n Freiheitsgraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24710.4 Prinzipe der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

10.4.1 d´Alembert´sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25010.4.2 Lagrange´sche Gleichungen zweiter Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25310.4.3 Prinzip von Hamilton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

10.5 Ungedämpfte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25810.5.1 Konstruktion des FE-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

10.6 FE-Methode für Stabwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26210.6.1 Der einzelne Stab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26210.6.2 Das gesamte Fachwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

10.7 FE-Methode für Balken (reine Biegung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Page 6: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.8 Entkopplung bei ungedämpften Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27510.8.1 Die spezielle Eigenwertaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27510.8.2 Rückführung der allgemeinen auf die spezielle Eigenwertaufgabe . . . . . . . . . . . . 27610.8.3 Entkopplung der allgemeinen Eigenwertaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

10.9 Gedämpfte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28010.9.1 Gedämpftes System ohne Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28110.9.2 Gedämpftes System mit Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28410.9.3 Sonderfall: Systemantwort für das ungedämpftes System . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

10.10Modale Dämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28610.11Übersicht Systemschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28810.12Lösungsverfahren für das DGL-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Page 7: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7

1 Matrizenalgebra

Die FEM läßt sich mathematisch als Variationsproblem formulieren. Vorentwicklungen zur FEM wurdenvon Galerkin (1871-1945), Ritz (1878-1909), Trefftz (1888-1937) geleistet, der Durchbruch wurde von denAmerikanern Turner und Clough in den 1940er Jahren erzielt. Endgültig durchsetzen konnte sich die FEM inden 1960er Jahren mit der rasanten Entwicklung der Computertechnik. Sie wird in der praktischen Anwen-dung z.B. in der Statik und Dynamik als linearisiertes Rechenverfahren aufbereitet, das mit großen linearenGleichungssystemen arbeitet. Es handelt sich in der Regel um große quadratische symmetrische Koeffizien-tenmatrizen, die z.T. schwach besetzt sind. Kenntnisse aus der Matrizenalgebra sind daher unabdingbar. Eswird in diesem Kapitel eine Einführung in die Matrizenalgebra gegeben:Zunächst werden die einfachsten Regeln der Matrizenalgebra erklärt, dazu gehören der Begriff der transpo-nierten und inversen Matrix. Ergänzend wird die Drehung von Koordinatensystemen in Matrixschreibweiseerläutert, weil solche Transformationen als Drehung von lokalen in globale Koordinatensysteme in der FEMeine große Rolle spielen. Die Behandlung von linearen Gleichungssystemen wird einschließlich des Cholesky-Verfahrens vorgetragen, da dieses in der FEM ein Standardverfahren ist.

1.1 Grundbegriffe der Matrizenrechnung

Ein lineares Gleichungssystem aus m Gleichungen mit n Unbekannten hat folgenden Aufbau:

a11 x1 + a12 x2 + . . . + a1n xn = b 1...

ai1 x1 + ai2 x2 + . . . + ain xn = b i...

am1 x1 + am2 x2 + . . . + amn xn = b m

. (1.1)

Dabei sind die Größen x1, x2, . . . , xn die linearen Unbekannten, die aij ,(i=1,...,mj=1,...,n

)die vorgegebenen kon-

stanten Koeffizienten. Die Verknüpfung der aij mit den xi ergibt die rechten Seiten bj , (j = 1, . . . ,m).

Beispiel 1.1−x1 + 3x2 + 2x3 = 12x2 + 4x2 + 5x3 = 44x1 − 2x2 + 4x3 = 5 .

Gesucht sind die Zahlen (Werte) x1, x2, x3 , die das Gleichungssystem erfüllen. Die Lösungen sindx1 = 1

10, x2 = − 3

10, x3 = 1 .

Die Koeffizienten von (1.1) bilden ein Rechteckschema von reellen Zahlen:

A =

a11 a12 . . . a1j . . . a1n

a21 a22 . . . a2j . . . a2n...

ai1 ai2 . . . aij . . . ain...

am1 am2 . . . amj . . . amn

. (1.2)

Page 8: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8 1 Matrizenalgebra

Ein solches Rechteckschema heißt Matrix. Matrizen werden in der Regel abkürzend mit großen Buchstabenbezeichnet. Die obige Matrix A kann man auch kurz schreiben als

A = (aij),(i=1,...,mj=1,...,n

).

Die Matrix A besteht aus m Zeilen und n Spalten. A ist eine (m,n)-Matrix.

Lineare quadratische Gleichungsysteme bestehen aus n Gleichungen mit n Unbekannten mit der Koeffizien-tenmatrix

A = (aij) , i, j = 1, . . . n ;

d.h. A ist eine quadratische (n,n)-Matrix.

Vektoren sind auch Matrizen. Der Spaltenvektor

~a =

a1

a2...an

kann als (n,1)-Matrix aufgefasst werden. Der Zeilenvektor

~b = (b1 , b2 , . . . , bm)

ist eine (1,m)-Matrix. Definieren wir weitere spezielle Matrizen.Bei quadratischen Matrizen sprechen wir von einer Einheitsmatrix, wenn die Diagonalelemente aii,i = 1, . . . , n den Wert 1, alle anderen Elemente den Wert 0 haben:

I =

1 0 0 . . . 0 00 1 0 . . . 0 00 0 1 . . . 0 0

...0 0 0 . . . 0 1

,

kurz I = (aij), wobei aij =(1 für i = j

0 für i 6= j

).

Die Einheitsmatrix ist ein Sonderfall derDiagonalmatrix, die auf der Diagonalen beliebige Werte annimmt,wobei mindestens ein aii 6= 0 ist:

D =

a11 0 0 . . . 0 0

0 a22 0 . . . 0 00 0 a33 . . . 0 0

...0 0 0 . . . 0 ann

,

kurz D = (aij) , aij = 0 für i 6= j.

In der Finite-Elemente-Methode treten Matrizen auf, bei denen nur in der Hauptdiagonalen und einigenbenachbarten Diagonalen Zahlenwerte 6= 0 sind. Solche Matrizen heißen Bandmatrizen. Die Anzahl derbesetzten Nebendiagonalen unterhalb und oberhalb der Hauptdiagonalen ist gleich.

Page 9: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.1 Grundbegriffe der Matrizenrechnung 9

Beispiel 1.2

B =

1 3 0 0 0 02 0 2 0 0 00 4 1 9 0 00 0 5 1 7 00 0 0 9 0 40 0 0 0 2 6

Eine Matrix A geht in ihre transponierte Matrix A T über, wenn man in A die Zeilen als Spalten schreibt(bzw. umgekehrt):

A =

a11 a12 . . . a1j . . . a1n

a21 a22 . . . a2j . . . a2n...

ai1 ai2 . . . aij . . . ain...

am1 am2 . . . amj . . . amn

,

A T =

a11 a21 . . . ai1 . . . am1

a12 a22 . . . ai2 . . . am2...

a1j a2j . . . aij . . . amj...

a1n a2n . . . ain . . . amn

.

Beispiel 1.3

A =

(1 2 34 5 6

)A T =

1 42 53 6

.

Eine quadratische Matrix A heißt symmetrisch, wenn sie gleich ihrer Transponierten ist: A = A T .

Beispiel 1.4

A = A T =

3 4 5 64 3 7 85 7 2 96 8 9 1

.

Die Transponierung eines Spaltenvektors ergibt einen Zeilenvektor und umgekehrt:

~v =

v1

v2...vn

−→ ~v T = (v1 , v2 , . . . , vn) .

Page 10: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10 1 Matrizenalgebra

Eine Nullmatrix ist eine Matrix, die nur Nullen enthält:

N =

0 0 . . . 00 0 . . . 0

...0 0 . . . 0

.

Zwei Matrizen A = (aij) und B = (bij) heißen gleich, wenn sie gleiche Zeilen- und Spaltenzahl haben undwenn aij = bij für alle i,j gilt.

Rechenoperationen mit Matrizen

Definition 1.1Seien k ∈ R ein Skalar und A = (aij) eine (m,n)-Matrix. Wir definieren

k ·

a11 . . . a1n...

am1 . . . amn

Def=

k · a11 . . . k · a1n...

k · am1 . . . k · amn

und schreiben kurz k · (aij) = (k · aij).

Beispiel 1.5

2 ·

1 23 45 6

=

2 46 8

10 12

.

Definition 1.2Seien die Matrizen A und B (m,n)-Matrizen, d.h. Matrizen mit jeweils gleicher Zeilen- bzw. Spaltenzahl.Wir definieren die Summen- bzw. Differenzmatrix C = A ± B durch

cij = aij ± bij ,

wobei die aij ∈ A , bij ∈ B , cij ∈ C für(i=1,...,mj=1,...,n

).

Beispiel 1.6 (4 2 10 3 5

)+

(−1 3 8

2 −3 4

)=

(3 5 92 0 9

),(

3 86 7

)−(

5 61 0

)=

(−2 2

5 7

).

Die Addition einer (m.n)-Matrix A mit der (m.n)-Nullmatrix N ist wieder A:

A + N = A .

Die Nullmatrizen sind die neutralen Elemente der Addition.

Page 11: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.1 Grundbegriffe der Matrizenrechnung 11

Kommen wir zur Definition der Multiplikation zweier Matrizen und erinnern zunächst an das Skalarproduktzweier Vektoren.

Definition 1.3Das Skalarprodukt ~a ··· ~b zweier Vektoren ~a und ~b, die den Winkel φ einschließen, ist

~a ··· ~b Def= |~a| · |~b| · cos φ .

Gesprochen: Das Skalarprodukt ist das Produkt aus den Beträgen der beiden Vektoren und dem Cosinus deseingeschlossenen Winkels.

Wenn die Vektoren durch ihre Komponenten gegeben sind, läßt sich das Skalarprodukt als Produktsummedes Zeilenvektors ~a T mit dem Spaltenvektor ~b rein algebraisch beschreiben:

~a T ··· ~b =(a1 a2 · · · an

)···

b1b2...bn

= a1 · b1 + a2 · b2 + · · ·+ an · bn =n∑i=1

ai · bi .

Der Begriff der Produktsumme beim Skalarprodukt spielt auch bei der Definition des Matrizenprodukts eineRolle.

Definition 1.4Seien A eine (m,p)-Matrix und B eine (p,n)-Matrix, d.h. die Spaltenzahl von A ist gleich der Zeilenzahlvon B. Unter dem Produkt C = A · B verstehen wir die (m,n)-Matrix C mit den Elementen

cij = ai1b1j + ai2b2j + · · ·+ aipbpj =p∑k=1

aikbkj für(i=1,...,mj=1,...,n

),

wobei die aik ∈ A und bkj ∈ B.

Die Definition besagt, dass sich jedes Element cij der Produktmatrix C als das Skalarprodukt der i-ten Zeilevon A mit der j-ten Spalte von B ergibt. Genau aus diesem Grund muss die Spaltenzahl von A mit derZeilenzahl von B übereinstimmen. Das folgende Bild veranschaulicht die Definition.Das Skalarprodukt der i-ten Zeile von A mit der j-ten Spalte von B ergibt das Element cij :

...ai1 ai2 · · · aip

...

···

b1jb2j

· · ·... · · ·bpj

=

...

· · · cij · · ·...

.

Beispiel 1.7

a)(

2 −1 03 1 −2

1 4 2−2 0 1

1 3 5

=

(4 8 3−1 6 −3

).

Das Produkt einer (2,3)-Matrix mit einer (3,3)-Matrix ist eine (2,3)-Matrix.

Page 12: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

12 1 Matrizenalgebra

b)

1 5 74 2 18 2 −2

· 1−1

2

=

1042

.

Die Multiplikation einer Matrix mit einem Vektor von rechts ergibt einen Vektor.

c) Seien A eine beliebige (m,n)-Matrix und I die (n,n)-Einheitsmatrix. Es gilt

A · I = A .

d)(1 2 3

)···

321

= 10 . Das Produkt einer (1,3)-Matrix (Zeilenvektor) mit einer (3,1)-Matrix (Spal-

tenvektor) ist ein Skalar. Es ist das Skalarprodukt zweier dreistelliger Vektoren.

e) Vertauschen wir in d) die Reihenfolge der Matrizen, erhalten wir eine (3,3)-Matrix:321

· (1 2 3)

=

3 6 92 4 61 2 3

.

Aus den Beispielen d) und e) erkennen wir, dass die Matrizenmultiplikation nicht kommutativ ist, d.h. imallgemeinen gilt A ·B 6= B ·A .Da bei der handschriftlichen Ausführung der Matrizenmultiplikation sich leicht Fehler einschleichen, sollteman die Rechnung mit dem Falk’schen Schema ausführen. Dazu ordnet man die zu multiplizierendenMatrizen A und B so an, dass sich die Elemente des Produkts A ·B als “Schnittpunkte“ der Zeilen von Amit den Spalten von B ergeben.

Falk’sches Schema für C = A ·B:

nb1j

B b2j

p · · ·... · · ·

p bpj

A... C

m ↓ai1 ai2 · · · aip → cij

...

Page 13: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.1 Grundbegriffe der Matrizenrechnung 13

Beispiel 1.8

C =

1 4

−2 0

1 3

·(2 −1 0

3 1 −2

)−→

B2 -1 03 1 -2

1 4 14 3 -8A -2 0 -4 2 0

1 3 11 2 -6C

.

Definition 1.5Sei A eine quadratische (n,n)-Matrix. Dann heißt die Matrix A−1 Kehrmatrix oder inverse Matrix zu A,wenn gilt

A−1 ·A = A ·A−1 = I .

( I ist die (n,n)-Einheitsmatrix)

Nicht zu jeder quadratischen Matrix A existiert die inverse Matrix A−1. Wenn A−1 existiert, heißt Aregulär, andernfalls heißt A singulär.

Beispiel 1.9

a) A =

1 1 −1

1 −1 1

−1 1 1

, A−1 = 12·

1 1 0

1 0 1

0 1 1

.

b) Die Matrix D =

(cosα − sinα

sinα cosα

)beschreibt die Drehung der Punkte der Ebene um den Nullpunkt

des Koordinatensystems mit dem Winkel α. Ersetzen wir α durch −α, haben wir die Matrix

D∗ =

(cos(−α) − sin(−α)

sin(−α) cos(−α)

)=

(cosα sinα

− sinα cosα

).

Wie man durch Multiplikation nachprüft, ist

D∗ ·D = D ·D∗ = I ,

d.h. D∗ ist die Inverse zu D, D−1 = D∗. Das ist anschaulich klar, da ja die Hintereinanderschaltungeiner Drehung um α mit einer Drehung um −α die Identität ist.

Eine reguläre Matrix A hat genau eine inverse Matrix A−1. Sei nämlich B auch eine zu A inverse Matrix.Es gilt

B = B · I = B · (A ·A−1) = (B ·A) ·A−1 = I ·A−1 = A−1 .

Bilden wir das Produkt C = A ·B einer (m,p)-Matrix A mit einer (p,n)-Matrix B und dann die Transpo-nierte C T = (A ·B) T . Es gilt folgende Rechenregel.

Page 14: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

14 1 Matrizenalgebra

Satz 1.1(A ·B) T = B T ·A T

In Worten: Ein Matrizenprodukt wird transponiert, indem man die Matrizen einzeln transponiert und inumgekehrter Reihenfolge multipliziert.

Beweis:Die Elemente der Matrizen A,B,AT ,BT seien

A = (aik) , B = (bkj) , AT = (a Tki ) , BT = (b Tjk) ,(i = 1 , ··· , mj = 1 , ··· , nk = 1 , ··· , p

).

Ein beliebiges Element cij ∈ C = A ·B läßt sich darstellen als

cij =

p∑k=1

aik · bkj .

Ein beliebiges Element c Tji ∈ C T = (A ·B) T ergibt sich somit zu

c Tji = cij =

p∑k=1

aik · bkj .

Mit aik = a Tki und bkj = b Tjk formen wir um

c Tji =

p∑k=1

aik · bkj =

p∑k=1

b Tjk · aTki .

Die Summe ist aber das Skalarprodukt der j-ten Zeile von B T mit der i-ten Spalte von A T , stellt also einElement B T ·A T dar. Dies ist aber auch gleich dem Element c Tji der Matrix (A ·B) T in der j-ten Zeileund i-ten Spalte. Damit ist die Behauptung bewiesen.

Nehmen wir eine (m,n)-Matrix A und die beiden Vektoren

~x =

x1

x2...xn

, ~y =

y1

y2...ym

.

Multiplizieren wir A von rechts mit dem Spaltenvektor ~x, erhalten wir den m-spaltigen Vektor A · ~x. Bildenwir nun das Skalarprodukt des Zeilenvektors ~y T mit dem Vektor A · ~x, erhalten wir den Skalar

~y T ·A · ~x =(y1 y2 · · · ym

a11 a12 · · · a1n

...am1 am2 · · · amn

·x1

x2

...xn

Page 15: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.1 Grundbegriffe der Matrizenrechnung 15

=(y1 y2 · · · ym

a11x1 + a12x2 + · · ·+ a1nxn

a21x1 + a22x2 + · · ·+ a2nxn...

am1x1 + am2x2 + · · ·+ amnxn

= y1 · (a11x1 + a12x2 + · · ·+ a1nxn)

+ y2 · (a21x1 + a22x2 + · · ·+ a2nxn)

+ · · ·+ ym · (am1x1 + am2x2 + · · ·+ amnxn)

=

m∑i=1

n∑j=1

yi · aij · xj .

Definition 1.6

Seien A eine (m,n)-Matrix und ~x =

x1

x2...xn

, ~y =

y1

y2...ym

Vektoren.

Der Skalar ~y T ·A · ~x heißt eine Bilinearform.

Beispiel 1.10

a) A =

1 2 3

4 5 6

7 8 9

, ~x =

2

−2

1

, ~y =

2

−1

3

A · ~x =

1 2 3

4 5 6

7 8 9

· 2

−2

1

=

1

4

7

,

~y T ·A · ~x =(

2 −1 3)·

1

4

7

= 19 .

b) Für n = m = 2 lautet die allgemeine Bilinearform

(y1 y2

)·(a11 a12

a21 a22

)·(x1

x2

)=(y1 y2

)·(a11x1 + a12x2

a21x1 + a22x2

)

= a11y1x1 + a12y2x1 + a21y1x2 + a22y2x2 .

Page 16: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

16 1 Matrizenalgebra

Betrachten wir die Bilinearform für quadratische Matrizen A und für ~x = ~y, die wir die quadratischeForm ~x T ·A · ~x nennen.

Definition 1.7

Seien A eine quadratische symmetrische (n,n)-Matrix und ~x =

x1

x2...xn

Vektor. Der skalare Ausdruck

~x T ·A · ~x heißt eine quadratische Form.

Eine quadratische Form heißt positiv definit, wenn für alle Vektoren ~x 6= ~0 die Form~x T ·A · ~x > 0 ist. Man nennt dann auch die zugehörige Matrix A positiv definit.

Die positiv definiten Matrizen spielen in der FEM eine große Rolle. Die dort erzeugten linearen Gleichungs-systeme mit positiv definiten symmetrischen Koeffizientenmatrizen lassen sich z.B. besonders elegant mitdem Cholesky-Verfahren lösen.

Beispiel 1.11

A =

2 −1 5

−1 1 4

5 4 3

, ~v =

xyz

.

~v T ·A · ~v =(x y z

2 −1 5

−1 1 4

5 4 3

·xyz

= 2x2 + y2 + 3z2 − 2xy + 8yz + 10zx .

Die quadratische Form ~v T ·A ·~v kann auch als Funktion der 3 Veränderlichen x, y und z aufgefasst werden.

Da quadratische Formen skalare Funktionen der Vektorkomponenten x1 , x2 , · · · , xn sind, können wir sienach diesen Variablen differenzieren.

Definition 1.8Sei y = f(x1, x2, · · · , xn) eine skalare Funktion der n Variablen x1 , x2 , · · · , xn. Der Ableitungsvektor∂f

∂~xwird definiert zu (

∂f

∂~x

)TDef=

(∂f

∂x1,

∂f

∂x2, · · · ,

∂f

∂xn

)∂f

∂~xheißt der Gradient der Funktion f(x1, x2, · · · , xn).

Beispiel 1.12

a) v = g(~u) = g(x, y, z) = 2x2 + x · y + 3z2 ,∂g

∂~u=

4x+ y

x

6z

.

Page 17: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.1 Grundbegriffe der Matrizenrechnung 17

b) Die lineare Funktion φ = φ(x1, x2, · · · , xn) = a1x1 + a2x2 + · · ·+ anxn läßt sich als Skalarprodukt der

~x =

x1

x2

· · ·xn

und ~a =

a1

a2...an

schreiben : φ = ~a T ··· ~x .

Der Gradient ist∂φ

∂~x= ~a .

Wir berechnen von der quadratischen Form ~u T · A · ~u mit ~u T = (u1 , u2 , · · · , un) den Gradienten∂(~u T ·A · ~u)

∂~u. Berechnen wir zunächst ~u T ·A · ~u:

A · ~u =

a11 · · · a1n...

an1 · · · ann

·u1

u2...un

=

a11u1 + a12u2 + · · ·+ a1nun...

an1u1 + an2u2 + · · ·+ annun

~u T ·A · ~u =

(a11u1 + a12u2 + · · ·+ a1iui + · · ·+ a1nun) · u1 +

...+ (ai1u1 + ai2u2 + · · ·+ aiiui + · · ·+ ainun) · ui +

...+ (an1u1 + an2u2 + · · ·+ aniui + · · ·+ annun) · un .

=n∑i=1

n∑j=1

ui · aij · uj .

(1.3)

Wir differenzieren partiell nach der Veränderlichen ui (die fetten unterstrichenen Elemente müssen beachtetwerden):

∂(~u T ·A · ~u)

∂ui= a1iu1 + a2iu2 + · · ·+ ai−1,iui−1

+ (ai1u1 + ai2u2 + · · ·+ ai,i−1ui−1 + 2aiiui + ai,i+1ui+1 · · ·+ ainun)

+ ai+1,iui+1 + ai+2,iui+2 + · · ·+ an−1,iun−1 + aniun .

Wegen der Symmetrie von A (aij = aji) folgt

∂(~u T ·A · ~u)

∂ui= 2 · (a1iu1 + ai2u2 + · · ·+ ainun) = 2 · (a1i , ai2 , · · · , ain) ··· ~u . (1.4)

Auf der rechten Seite steht das Skalarprodukt der i-ten Zeile von A mit ~u. Damit haben wir für den

Page 18: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

18 1 Matrizenalgebra

Gradienten (alle partiellen Ableitungen vektoriell zusammengefasst)

∂(~u T ·A · ~u)

∂~u= 2 ·

a11 · · · a1n...

an1 · · · ann

·u1

u2...un

= 2 ·A · ~u .

Diese Regel wird später bei der Konstruktion der Elementsteifigkeitsmatrizen immer wieder benötigt. Wirformulieren sie als Satz.

Satz 1.2Sei A eine symmetrische Matrix und ~u T = (u1, u2, · · · , un). Es gilt

∂ (~u T ·A · ~u)

∂~u= 2 ·A · ~u .

Beispiel 1.13

A =

1 2 3

2 4 7

3 7 5

, ~u =

xyz

.

∂(~u T ·A · ~u)

∂~u= 2 ·

1 2 3

2 4 7

3 7 5

· ~u =

2x+ 4y + 6z

4x+ 8y + 14z

6x+ 14y + 10z

.

Wir können auch zunächst ~u T ·A · ~u berechnen,

~u T ·A · ~u =(x y z

1 2 3

2 4 7

3 7 5

·xyz

=(x y z

x+ 2y + 3z

2x+ 4y + 7z

3x+ 7y + 5z

= x2 + 2xy + 3zx+ 2yx+ 4y2 + 7zy + 3xz + 7yz + 5z2 = x2 + 4xy + 6zx+ 4y2 + 14yz + 5z2

und bekommen dann für die einzelnen partiellen Ableitungen dieselben Ergebnisse:

∂(~u T ·A · ~u)

∂x= 2x+ 4y + 6z ,

∂(~u T ·A · ~u)

∂y= · · · ,

∂(~u T ·A · ~u)

∂z= 6x+ 14y + 10z

Matrizen und Vektoren, deren Elemente von einer Variablen abhängen, können nach der folgenden Verein-barung hinsichtlich dieser Variablen integriert werden.

Page 19: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.2 Koordinatentransformationen 19

Definition 1.9Sei A eine Matrix, deren Elemente von der Variablen x abhängen, A = (aij(x)). Wir definieren∫

A dx =

∫(aij(x)) dx

Def=

( ∫aij(x) dx

).

Beispiel 1.14

A =

(2x sinx 12

−3 x+ 4 x2

),

∫A dx =

(x2 − cosx 12x

−3x 12x2 + 4x 1

3x3

).

Wenden wir die Definition auf quadratische Formen an. Dazu betrachten wir eine symmetrische (n,n)-MatrixA, deren Elemente von x abhängen, d.h. A = (aij(x)) und den Vektor~w T = (u1 , u2 , · · · , un). Die quadratische Form lautet ausgeschrieben mit dem Summenzeichen (siehe (1.3))

=n∑i=1

n∑j=1

ui · aij(x) · uj .

Wir bilden das Integral über der quadratischen Form hinsichtlich x und erhalten∫(~w T ·A · ~w) dx =

∫ n∑i=1

n∑j=1

ui · aij(x) · uj dx

=

n∑i=1

n∑j=1

ui ·∫aij(x) dx · uj = ~w T ·

( ∫A dx

)· ~w . (1.5)

Von (1.5) bilden wir nun den Gradienten nach ~w

∂∫

(~w T ·A(x) · ~w) dx

∂ ~w=

∂(~w T ·∫

A dx · ~w)

∂ ~w= 2 · (

∫A dx) · ~w =

∫2 ·A · ~w dx

=

∫∂(~w T ·A(x) · ~w)

∂ ~wdx . (1.6)

Das Integrieren einer quadratischen Form über der Variablen x aus A und das Bilden des Gradienten nach~w können also vertauscht werden. Diese Regel wird bei der Entwicklung und Nutzung des Minimums dertotalen potientiellen Energie gebraucht.

1.2 Koordinatentransformationen

Für die Festigkeitsberechnung von Bauteilen mittels der FEM ist es zunächst notwendig, das Bauteil durcheine gewisse Anzahl von Punkten, die man Knoten nennt, geometrisch zu beschreiben. Hierzu wählt manein Koordinatensystem, in dem die Knoten durch ihre Ortsvektoren erfasst werden. Dieses Koordinatensys-tem nennt man das globale Koordinatensystem. Als Ergebnis einer FEM-Rechnung erhält man neben denSpannungen auch die Verschiebungen in den Knoten.

Page 20: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

20 1 Matrizenalgebra

Bild 1.1Mit Hilfe der Knoten wird das Bauteil in Elemente zerlegt. Nehmen wir z.B. ein Stabwerk, so bieten sich dieStäbe als Elemente an und ihre Anfangs- und Endpunkte als Knoten. In Bild 1.2 ist ein Stab als Verbindungder Knoten 1 und 2 gezeichnet. Nach dem Aufbringen der Lasten verschieben sich die Knoten als Teil desgesamten Bauteils um die Verschiebungsvektoren ~d

T

1 = (u1, v1, w1) und ~dT

2 = (u2, v2, w2).

Bild 1.2 Globales Koordinatensystem Bild 1.3 Lokales Koordinatensystem

Die Komponenten von ~dT

1 und ~dT

2 beziehen sich auf das globale Koordinatensystem (Bild 1.2). In je-dem Element errichten wir ein lokales Koordinatensystem. In Bild 1.3 ist für den Stab von Knoten 1 nachKnoten 2 ein lokales xyz-Koordinatensystem errichtet. Die Verschiebungen lassen sich auch im lokalen xyz-Koordinatensystem erfassen:

~d

T

1 = (u1, v1, w1) ,~d

T

2 = (u2, v2, w2) .

Wir entwickeln die Transformationsbeziehungen zwischen den lokalen und globalen Koordinaten. Betrachtenwir zunächst den zweidimensionalen Fall. Da die Verschiebungsvektoren freie Vektoren sind, transformierensich ihre Koordinaten alleine durch eine Drehung des lokalen in das globale System oder umgekehrt.

Wir geben einen lokalen Verschiebungsvektor ~dT

= (u, v) im lokalen System vor. Die Basisvektoren imglobalen System seien ~e1 , ~e2, im lokalen System ~f1 , ~f2. Gefragt sind die Koordinaten des Vektors ~d

T=

(u, v) im globalen System.

Page 21: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.2 Koordinatentransformationen 21

Bild 1.4Die Vektoren lassen sich über die Basisvektoren darstellen:

~d = u · ~e1 + v · ~e2~d = u · ~f1 + v · ~f2 .

Wegen ~d =~d folgt

u · ~e1 + v · ~e2 = u · ~f1 + v · ~f2 . (1.7)

Wir bilden das Skalarprodukt von ~e1 mit (1.7), wegen ~e1 ··· ~e1 = 1 und ~e1 ··· ~e2 = 0 haben wir

u = (~f1 ··· ~e1) · u + (~f2 ··· ~e1) · v . (1.8)

Entsprechend erhalten wir, wenn wir das Skalarprodukt von ~e2 mit (1.7) bilden:

v = (~f1 ··· ~e2) · u + (~f2 ··· ~e2) · v . (1.9)

Die Gleichungen (1.8) und (1.9) fassen wir in einer Matrizenbeziehung zusammen:(u

v

)=

(~f1 ··· ~e1 ~f2 ··· ~e1~f1 ··· ~e2 ~f2 ··· ~e2

)·(u

v

). (1.10)

Die Skalarprodukte in der Matrix sind die Richtungscosinus der Basisvektoren untereinander, weil die Ba-sisvektoren die Länge 1 haben.Eine ähnliche Beziehung erhalten wir, wenn wir Gleichung (1.7) mit den Basisvektoren ~f1 und ~f2 multipli-zieren: (

u

v

)=

(~f1 ··· ~e1 ~f1 ··· ~e2~f2 ··· ~e1 ~f2 ··· ~e2

)·(u

v

). (1.11)

Bezeichnen wir die Transformationsmatrix in (1.11) mit D2, haben wir

~d = D2 · ~d (1.12)

Page 22: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

22 1 Matrizenalgebra

Die Beziehungen (1.10) und (1.11) sind invers zueinander, d.h. die Matrix in (1.10) ist die zu D2 inverseMatrix, es gilt somit

~d = D−12 · ~d . (1.13)

Man sieht auch sofort, dass D2 und D−12 zueinander transponierte Matrizen sind, also wird aus (1.13)

~d = D T2 ·

~d (1.14)

Mit den Beziehungen (1.12) und (1.14) haben wir die Transformationsgleichungen vom globalen in das lokaleKoordinatensystem und umgekehrt.

Beispiel 1.15

Bild 1.5Der Stab ist durch die Koordinaten der Knoten 1 und 2 gegeben:

K1(x1|y1) , K2(x2|y2) .

Die gegebenen globalen Verschiebungen sollen in das lokale Koordinatensystem umgerechnet werden. DieBasiseinheitsvektoren im globalen System sind

~e1 =

(1

0

), ~e2 =

(0

1

).

Aus den Koordinaten der Knoten berechnen wir die Basiseinheitsvektoren ~f1 und ~f2, bezogen auf das globaleSystem. Den Einheitsvektor ~f1 bekommen wir durch Normierung des Vektors von Knoten 1 nach 2:

L2 = (x2 − x1)2 + (y2 − y1)2

~f1 =1

L·(x2 − x1

y2 − y1

).

Page 23: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.2 Koordinatentransformationen 23

~f2 ist zu ~f1 im mathematisch positiven Drehsinn um 900 gedreht:

~f2 =1

L·(−(y2 − y1)

x2 − x1

).

Für die Transformationsmatrix erhalten wir nach (1.12) bzw. (1.11)

D2 =1

L·(

x2 − x1 y2 − y1

−(y2 − y1) x2 − x1

).

Sei α der Winkel zwischen der x-Achse und x-Achse. Wegen x2 − x1 = L · cosα und y2 − y1 = L · sinαhaben wir

D2 =

(cosα sinα

− sinα cosα

). (1.15)

Erfassen wir die Verschiebungen in den beiden Knoten in einer Beziehung, ergibt sichu1

v1

u2

v2

=

cosα sinα 0 0

− sinα cosα 0 0

0 0 cosα sinα

0 0 − sinα cosα

·u1

v1

u2

v2

. (1.16)

Beispiel 1.16Wir erweitern das letzte Beispiel, indem wir annehmen, dass anstelle des Stabes ein Balken vorliegt. Inden Knoten K1 und K2 sind die Schnittgrößen Fx1

, Fy1, Mz1 und Fx2

, Fy2, Mz2 im lokalen System

gegeben. Gesucht sind die entsprechenden Größen im globalen System.

Bild 1.6Die senkrecht auf der xy-Ebene stehenden Momente sind koordinateninvariant, d.h. sie haben in allen Ko-ordinatensystemen denselben Wert. Wenn wir die lokalen Größen z.B. in Knoten 1 transformieren wollen,

Page 24: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

24 1 Matrizenalgebra

müssen wir die Transformationsmatrix D T2 erweitern: Fx1

Fy1

Mz1

=

cosα − sinα 0

sinα cosα 0

0 0 1

· Fx1

Fy1

Mz1

= T2 ·

Fx1

Fy1

Mz1

. (1.17)

Wenden wir uns nun dem dreidimensionalen Fall zu. Entsprechend Bild 1.3 sei im Knoten des Elements einlokales xyz-System installiert. Die Basiseinheitsvektoren im globalen System sind ~e1 , ~e3 , ~e3, im lokalenSystem ~f1 , ~f2 , ~f3.Der Verschiebungsvektor (u , v , w) schreibt sich im globalen System

~d = u · ~e1 + v · ~e2 + w · ~e3 ,

im lokalen System~d = u · ~f1 + v · ~f2 + w · ~f3 .

Wegen ~d = ~d gilt auch

u · ~f1 + v · ~f2 + w · ~f3 = u · ~e1 + v · ~e2 + w · ~e3 . (1.18)

Wir bilden nacheinander das Skalarprodukt der Vektorgleichung mit~f1 , ~f2 , ~f3 und erhalten

u = ~f1 ··· ~e1 · u+ ~f1 ··· ~e2 · v + ~f1 ··· ~e3 · wv = ~f2 ··· ~e1 · u+ ~f2 ··· ~e2 · v + ~f2 ··· ~e3 · ww = ~f3 ··· ~e1 · u+ ~f3 ··· ~e2 · v + ~f3 ··· ~e3 · w

oder als Matrizenbeziehung u

v

w

=

~f1 ··· ~e1 ~f1 ··· ~e2 ~f1 ··· ~e3~f2 ··· ~e1 ~f2 ··· ~e2 ~f2 ··· ~e3~f3 ··· ~e1 ~f3 ··· ~e2 ~f3 ··· ~e3

·u

v

w

, (1.19)

kurz

~d = D3 · ~d (1.20)

Wir können die Gleichung (1.18) aber auch nach u , v , w auflösen, indem wir sie nacheinander von rechtsmit ~e1 , ~e2 , ~e3 skalar multiplizieren:

u = ~f1 ··· ~e1 · u+ ~f2 ··· ~e1 · v + ~f3 ··· ~e1 · wv = ~f1 ··· ~e2 · u+ ~f2 ··· ~e2 · v + ~f3 ··· ~e2 · ww = ~f1 ··· ~e3 · u+ ~f2 ··· ~e3 · v + ~f3 ··· ~e3 · w .

Die zugehörige Transformationsmatrix ist D−13 , man erkennt sofort D−1

3 = D T3 , also

~d = D T3 · ~d (1.21)

Page 25: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.3 Lineare Gleichungssysteme 25

Beispiel 1.17Wir betrachten einen Balken, der entsprechend Bild 6.4 auf S. 111 in den Knoten durch je 3 Kräfte und 3Momente belastet ist, die jeweils 3 Verschiebungen und 3 Drehungen hervorrufen. Im globalen Koordinaten-system haben wir daher den Verschiebungsvektor

~w T = (u1 v1 w1 α1 β1 γ1 u2 v2 w2 α2 β2 γ2) ,

im lokalen System~w

T= (u1 v1 w1 α1 β1 γ1 u2 v2 w2 α2 β2 γ2) .

Jeweils eine Gruppe von 3 Verschiebungen bzw. 3 Drehungen transformiert sich über die Matrix D3 in (1.20),sodass für alle 12 Größen folgende Transformationsmatrix entsteht

T3 =

D3 0 0 0

0 D3 0 0

0 0 D3 0

0 0 0 D3

. (1.22)

T3 ist eine (12,12)-Matrix. Die Nullen (0) in T3 sind (3,3)-Nullmatrizen. Die Transformation für die 12Verschiebungen bzw. Drehungen bei dreidimensionalen Balken ist darstellbar durch

~w = T3 · ~w bzw. ~w = T T3 · ~w .

1.3 Lineare Gleichungssysteme

Wir betrachten lineare Gleichungssysteme (siehe Gleichung (1.1)). In Matrixschreibweise haben wir kürzer

A · ~x = ~b (1.23)

mit A = (aij) , i = 1, · · · ,m , j = 1, · · · , n ,~x T = (x1, · · · , xn) , ~b T = (b1, · · · , bm) .

Gesucht sind die Vektoren ~x, die das Gleichungsysystem (1.23) erfüllen.

Ein Gleichungssystem heißt homogen, wenn ~b = ~0, also A ·~x = ~0, andernfalls heißt es inhomogen. Wirbetrachten im allgemeinen inhomogene Gleichungssysteme, d.h. im Vektor ~b ist mindestens eine Komponentebi 6= 0.Bei den Lösungsverfahren unterscheidet man zwischen Eliminations- und Iterationsverfahren. In der FEMhat man es oft mit mehreren 1000 Variablen zu tun, es werden beide Verfahren bzw. Spezialisierungeneingesetzt. Im Folgenden werden Eliminationsverfahren behandelt.

1.3.1 Der Gauß’sche Algorithmus

Beim Algorithmus von Gauß (1777-1855) wird, ausgehend vom Gleichungssystem (1.23), durch lineare alge-braische Umformungen ein einfacheres Gleichungssystem erzeugt, das natürlich dieselben Lösungen hat wiedas ursprüngliche, mit dem sich aber die Lösungen schnell berechnen lassen.

Nehmen wir z.B. an, dass das System (1.23) quadratisch ist, d.h. n=m. Das umgeformte System soll dann

Page 26: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

26 1 Matrizenalgebra

folgendes Aussehen haben:a11x1 + a12x2 + · · ·+ a1nxn = b1

a22x2 + · · ·+ a2nxn = b2...

annxn = bn

. (1.24)

Die Koeffizientenmatrix ist eine (n,n)-Dreiecksmatrix:

A =

a11 a12 · · · a1n

0 a22 · · · a2n...

0 0 · · · ann

.

Die Lösungen x1, · · · , xn findet man durch Rückwärtseinsetzen, beginnend mit der n-ten (letzten) Zeile,fortfahrend bis zur 1. Zeile:

Zeile n : xn =1

ann· bn

Zeile n−1 : xn−1 =1

an−1,n−1· (bn−1 − an−1,nxn)

......

Zeile i : xi =1

ai,i· (bi − ai,i+1xi+1 − · · · − ai,nxn)

......

Zeile 1 : x1 =1

a1,1· (b1 − a1,2x2 − · · · − a1,nxn) .

(1.25)

Beispiel 1.18−x1 + 3x2 + 2x3 = 1

2x1 + 4x2 + 5x3 = 4

4x1 − 2x2 + 4x3 = 5

.

Um auf die Dreiecksform (1.24) zu gelangen, beseitigen wir zunächst in der 2. und 3. Zeile die Glieder mitder Unbekannten x1, indem wir die 1. Zeile mit 2 multiplizieren und auf die 2. Zeile addieren bzw. die 1.Zeile mit 4 multiplizieren und auf die 3. Zeile addieren:

−x1 + 3x2 + 2x3 = 1

10x2 + 9x3 = 6

10x2 + 12x3 = 9

.

Nun beseitigen wir noch das x2 in der 3. Zeile, indem wir die 2. Zeile mit -1 multiplizieren und auf die 3.Zeile addieren:

−x1 + 3x2 + 2x3 = 1

10x2 + 9x3 = 6

3x3 = 3

.

Nun haben wir die Dreiecksform

A =

−1 3 2

0 10 9

0 0 3

.

Page 27: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.3 Lineare Gleichungssysteme 27

Die Lösungen sindx1 = 1

x2 =1

10· (6− 9 · 1) = −

3

10

x3 = −1 · (1− 2 · 1− 3 · (−0, 3)) =1

10

.

Der Lösungsvektor lautet ~x T = (1 , −3

10,

1

10).

Folgende Umformungen ändern nicht die Lösungen eines Gleichungssystems:

• Vertauschen zweier Zeilen• Vertauschen zweier Spalten• Multiplizieren einer Zeile mit einer Konstanten und Addieren auf eine andere.

Mit diesen Elementarumformungen läßt sich ein Gleichungssytem auf Dreiecksform bringen. Diese Ma-nipulationen lassen sich einfach und übersichtlich an der Koeffizientenmatrix vornehmen. Wir demonstrierendies am folgenden Beispiel.

Beispiel 1.192x1 + 3x2 − x3 = 20

−6x1 − 5x2 + 2x4 = −45

2x1 − 5x2 + 6x3 − 6x4 = −3

4x1 + 6x2 + 2x3 − 3x4 = 58

.

Wir führen die Umwandlung auf Dreiecksform mit der Koeffizientenmatrix durch:

2 3 -1 0 20 Multiplizieren der 1. Zeile mit 3 bzw. -1 bzw. -2-6 -5 0 2 -45 und Addieren auf die 2. bzw. 3. bzw. 4. Zeile

A 2 -5 6 -6 -34 6 2 -3 582 3 -1 0 200 4 -3 2 15 Multiplizieren der 2. Zeile mit 20 -8 7 -6 -23 und Addieren auf die 3. Zeile0 0 4 -3 182 3 -1 0 200 4 -3 2 250 0 1 -2 7 Multiplizieren der 3. Zeile mit -40 0 4 -3 18 und Addieren auf die 4. Zeile2 3 -1 0 200 4 -3 2 15

A 0 0 1 -2 7 ~b

0 0 0 5 -10

Durch Rückwärtseinsetzen in das Gleichungssystem A · ~x =~b bekommen wir die Lösungen. Man kann das

direkt an der Matrix A durchführen: ~x T = (1 , 7 , 3 , −2) .

Page 28: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

28 1 Matrizenalgebra

Wir führen jetzt die Umwandlung der (m,n)-Matrix A von A · ~x = ~b in das gleichwertige System A · ~x =~b

mit der ’Dreiecksmatrix’ A allgemein durch und können dabei die verschiedenen Lösungsfälle diskutieren.

Die Umwandlung von A nach A geschieht in mehreren Schritten.

1. Schritt: Sei a11 6= 0. Ist dies nicht der Fall, wird die 1. Zeile mit einer anderen Zeile vertauscht, deren1. Element 6= 0 ist. Die nun aktuelle 1. Zeile wird nacheinander mit

−a21

a11, −

a31

a11, · · · , −

an1

a11

multipliziert und jeweils auf die 2. , 3. , ... , n. Zeile addiert. Dadurch entstehen unter a11 Nullen:

a11 a12 a13 · · · a1n b1

0 a22 a23 · · · a2n b2

0 a32 a33 · · · a3n b3...

...0 am2 am3 · · · amn bm

.

Die Elemente, die sich verändert haben, sind mit ∼ akzentuiert.

2. Schritt: Unter dem Diagonalelement a22 werden nach dem gleichen Verfahren Nullen erzeugt.

(i-1). Schritt: Nach dem (i-1)-ten, also vor dem i-ten Schritt haben wir folgende Situation erreicht:

a∗11 a∗12 a∗13 · · · a∗1i · · · a∗1n b∗10 a∗22 a∗23 · · · a∗2i · · · a∗2n b∗20 0 a∗33 · · · a∗3i · · · a∗3n b∗3...

.... . .

. . ....

......

0 0 · · · 0 a∗ii · · · a∗in b∗i......

......

......

0 0 · · · 0 a∗mi · · · a∗mn b∗m

. (1.26)

i. Schritt: Ist aii = 0, wird die i-te Zeile mit einer der folgenden vertauscht, die in der i-ten Stelle einElement 6= 0 hat. Ist dies nicht der Fall, kann alternativ auch die i-te Spalte mit einer der folgenden Spaltenvertauscht werden. Man sollte mit derjenigen Zeile und oder Spalte vertauschen, die das größte Element vonallen restlichen ist, sodass in der Position (i,i) das betragsmäßig größte von den restlichen an diese Stellegelangt. Dadurch erreicht man eine größere numerische Stabilität. Die nun i-te Zeile wird mit den Faktoren

−a∗i+1,i

a∗ii, −

a∗i+2,i

a∗ii, · · · , −

a∗mia∗ii

multipliziert und auf die zugehörigen Zeilen addiert.

Das Verfahren ist allerdings zu Ende, wenn in der Matrix unterhalb der i-ten Zeile nur noch Nullen vorhanden

Page 29: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.3 Lineare Gleichungssysteme 29

sind:a∗11 a∗12 a∗13 · · · a∗1i · · · a∗1n b∗10 a∗22 a∗23 · · · a∗2i · · · a∗2n b∗20 0 a∗33 · · · a∗3i · · · a∗3n b∗3...

.... . .

. . ....

......

0 0 · · · 0 a∗ii · · · a∗in b∗i0 0 · · · 0 0 · · · 0 b∗i+1...

......

......

...0 0 · · · 0 0 · · · 0 b∗m

. (1.27)

Man sagt, die Matrix A hat den Rang A = i und den Defekt A = n - i. Für die Lösungen gibt es dannverschiedene Fälle.

Lösungen existieren genau dann, wenn

bi+1 = bi+2 = · · · = bm = 0 . (1.28)

Wäre nämlich ein solches bj 6= 0 , j = i + 1, · · · ,m, nehmen wir o.B.d.A. bm 6= 0 an, ergäbe sich dieGleichung

0 · x1 + 0 · x2 + · · ·+ 0 · xn = bm

zu lösen. Es existiert aber kein Vektor ~x, der diese Gleichung erfüllt.

Wir nehmen daher an, dass im Folgenden (1.28) erfüllt ist, d.h. Lösungen existieren.

Fall I (Rang A = n , Defekt A = 0):Sei m = n, also A eine quadratische Matrix und außerdem i = n, d.h. das Reduzierungsverfahren sei in dern-ten (letzten) Zeile zu Ende gekommen (Rang A = n , Defekt A = 0).

a∗11 a∗12 a∗13 · · · a∗1i · · · a∗1n b∗10 a∗22 a∗23 · · · a∗2i · · · a∗2n b∗20 0 a∗33 · · · a∗3i · · · a∗3n b∗3...

.... . .

. . ....

......

0 0 · · · 0 a∗ii · · · a∗in b∗i...

......

......

...0 0 · · · 0 · · · 0 a∗nn b∗n

. (1.29)

Da alle Diagonalelemente aii 6= 0 sind, ergibt sich ein eindeutiger Lösungsvektor durch Rückwärtseinset-zen mit (1.25).Fall II (Rang A = i , Defekt A = n - i mit i 6= 0):Das Verfahren sei nach i Schritten mit i ≤ Min(m,n) zu Ende, d.h. in den restlichen Zeilen i + 1, · · · ,mstehen lauter Nullen (siehe (1.27)). Für n Unbekannte x1, · · · , xn stehen nur i Gleichungen zur Verfügung.Wir machen z.B. die Unbekannten xi+1, · · · , xn zu Parametern und benennen sie um in λi+1, · · · , λn. DasGleichungssystem (1.27) stellen wir um, indem wir in den ersten i Zeilen die Summanden mit den Parameternλi+1 bis λn auf die rechten Seiten bringen. Das restliche Gleichungssystem mit veränderter rechter Seite hat

Page 30: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

30 1 Matrizenalgebra

eine quadratische (i,i)-Rechtsdreiecksmatrix:

a∗11 a∗12 a∗13 · · · a∗1i b∗1 − a∗1,i+1λi+1 − · · · − a∗1nλn0 a∗22 a∗23 · · · a∗2i b∗2 − a∗2,i+1λi+1 − · · · − a∗2nλn...

.... . .

. . ....

...0 0 · · · 0 a∗ii b∗i − a∗i,i+1λi+1 − · · · − a∗inλn

. (1.30)

Dieses Gleichungssystem ist nun eindeutig lösbar in den Unbekannten x1, · · · , xi. Die Lösungen hängennatürlich linear von den Parametern λi+1, · · · , λn ab, die beliebig aus R gewählt werden können. Somitergeben sich durch Rückwärtseinsetzen für ~x unendlich viele Lösungen:

x1

x2

...xi

xi+1

...xn

=

α1 −n∑

j=i+1β1jλj

α2 −n∑

j=i+1β2jλj

...

αi −n∑

j=i+1βijλj

λi+1...λn

, λi+1, · · · , λn ∈ R .

(1.31)

Die Konstanten αk und βkj ergeben sich durch das Rückwärtseinsetzen.

Beispiel 1.20−x1 + 3x2 + 2x3 = 1

2x1 + 4x2 + 5x3 = 4

4x1 − 2x2 + x3 = 2

.

−1 3 2 1

2 4 5 4

4 −2 1 2

−1 3 2 1

0 10 9 6

0 10 9 6

−1 3 2 1

0 10 9 6

0 0 0 0

Die letzte Zeile und einschließlich der rechten Seite b3 sind 0. Die Matrix hat den Rang 2 und den Defekt1, d.h. einen freien Parameter λ = x3. Das umgestellte System ist

−1 3 1− 2λ

0 10 6− 9λ.

Page 31: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.3 Lineare Gleichungssysteme 31

Die Lösungen sind

x2 =1

10· (6− 9λ) =

3

5−

9

10λ

x1 = −1 · (1− 2λ− 3λ) =4

5−

7

10λ

,

als Vektor notiert

~x =

4/5

3/5

0

+ λ ·

−7/10

−9/10

1

, λ ∈ R .

Beispiel 1.21−x1 + 3x2 + 2x3 = 1

2x1 − 6x2 − 4x3 = −2

−6x1 + 18x2 + 12x3 = 6

.

−1 3 2 1

2 −6 −4 −2

−6 18 12 6

−1 3 2 1

0 0 0 0

0 0 0 0

Da die letzten 2 Zeilen lauter Nullen enthalten, formen wir die erste Zeile um in

−1 1− 3λ2 − 2λ3 .

mit den Parametern λ2 und λ3. Die Matrix hat den Rang 1 und Defekt 2. Der Lösungsvektor ist

~x =

−1 + 3λ2 + 2λ3

λ2

λ3

=

−1

0

0

+ λ2 ·

3

1

0

+ λ3 ·

2

0

1

, λ2 , λ3 ∈ R .

1.3.2 Berechnung der inversen Matrix

Erinnern wir uns an die Definition der inversen Matrix in der Def. 1.5. In der Linearen Algebra wird be-wiesen, dass eine quadratische Matrix genau dann regulär ist, d.h. ihre Inverse existiert, wenn sie sich mitden elementaren Umformungen auf vollständige Dreiecksform (1.29) bringen läßt. Ein lineares quadratischesGleichungssystem hat also genau dann einen eindeutigen Lösungsvektor, wenn die Koeffizientenmatrix re-gulär ist, d.h. den Rang n hat.Wir setzen also eine reguläre (n,n)-Matrix A voraus und wollen die inverse Matrix A−1 berechnen. Zudiesem Zweck setzen wir die Elemente von A−1 als unbekannt an:

Page 32: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

32 1 Matrizenalgebra

A−1 =

x11 x12 · · · x1n

x21 x22 · · · x2n...

xn1 xn2 · · · xnn

.

Die Gleichung A ·A−1 = I muss erfüllt sein, ausführlicha11 a12 · · · a1n

a21 a22 · · · a2n...

an1 an2 · · · ann

·x11 x12 · · · x1n

x21 x22 · · · x2n...

xn1 xn2 · · · xnn

=

1 0 · · · 0

0 1 · · · 0...

0 0 · · · 1

. (1.32)

Multiplizieren wir nur die i-te Spalte von A−1 mit A, haben wir

a11 a12 · · · a1n

a21 a22 · · · a2n...

an1 an2 · · · ann

·x1i

x2i...xni

=

0...1...0

, i = 1, · · · , n . (1.33)

Der Vektor auf der rechten Seite hat in der i-ten Komponente eine 1, sonst Nullen. (1.33) ist ein linearesGleichungssystem mit der regulären Matrix A. Betrachten wir nacheinander alle Spalten von A−1, habenwir daher n Gleichungssysteme mit jeweils einer bekannten Spalte aus I zu lösen. Wir können die n Glei-chungssysteme simultan lösen.Zur praktischen Berechnung von A−1 schreiben wir die Matrix A und die Einheitsmatrix I nebeneinanderund formen das Schema mit den elementaren Umformungen soweit um, bis aus der Matrix A die Einheits-matrix geworden ist, d.h. wir müssen oberhalb und unterhalb der Diagonalen Nullen erzeugen und aufder Diagonalen Einsen, die wir zum Abschluss erreichen, indem wir alle Zeilen mit den Kehrwerten derDiagonalwerte multiplizieren. Dann steht schließlich auf der rechten Seite die inverse Matrix:

a11 a12 · · · a1n 1 0 · · · 0

a21 a22 · · · a2n 0 1 · · · 0...

...an1 an2 · · · ann 0 0 · · · 1

↓Elementare Umformungen

1 0 · · · 0 x11 x12 · · · x1n

0 1 · · · 0 x21 x22 · · · x2n...

...0 0 · · · 1 xn1 xn2 · · · xnn

(1.34)

Page 33: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.3 Lineare Gleichungssysteme 33

Beispiel 1.22

A =

(2 −4

1 8

)2 −4 1 0

1 8 0 1

2 −4 1 0

0 10 −0, 5 1

2 0 0, 8 0, 4

0 10 −0, 5 1

1 0 0, 4 0, 2

0 1 −0, 05 0, 1

A−1 =1

20·(

8 4

−1 2

).

Beispiel 1.23Für den ebenen Spannungszustand lauten die Beziehungen zwischen den Verzerrungen und Spannungen εxx

εyy

γxy

=1

1 −ν 0

−ν 1 0

0 0 2 · (1 + ν)

·σxxσyy

τxy

. (1.35)

Die Beziehung wird nach den Spannungen aufgelöst, indem wir die inverse Matrix berechnen:

1 −ν 0 1 0 01

E· −ν 1 0 0 1 0

0 0 2 · (1 + ν) 0 0 11 −ν 0 E 0 0

0 1− ν2 0 νE E 0

0 0 1 0 0E

2(1 + ν)

1 0 0E

1− ν2

νE

1− ν20

0 1 0νE

1− ν2

E

1− ν20

0 0 1 0 0E

2(1 + ν)

Wenn wir noch den SkalarE

1− ν2ausklammern, haben wir

σxxσyy

τxy

=E

1− ν2·

1 ν 0

ν 1 0

0 01− ν

2

· εxx

εyy

γxy

. (1.36)

Page 34: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

34 1 Matrizenalgebra

1.3.3 Der verkettete oder LR-Algorithmus

Wir setzen lineare Gleichungssysteme A · ~x = ~b mit einer quadratischen (n,n)-Matrix voraus, A sei regulär,d.h. es existiert eine eindeutige Lösung.

Beim LR-Algorithmus wird die Matrix A zunächst in das Produkt einer Linksdreiecksmatrix L mit einerRechtsdreiecksmatrix R zerlegt:

A = L ·R ,

wobei L =

l11 0 · · · 0

l21 l22 · · · 0...

ln1 ln2 · · · lnn

, R =

r11 r12 · · · r1n

0 r22 · · · r2n...

0 0 · · · rnn

.

Wenn dies erreicht ist, kommen wir schnell zum Lösungsvektor:

1) Für A · ~x = ~b schreiben wir L ·R · ~x = ~b und nennen das Produkt R · ~x den Vektor ~y.

2) Wir lösen die Gleichung L · ~y = ~b für ~y durch Vorwärtseinsetzen.

3) Bei nun bekanntem ~y lösen wir die Gleichung R · ~x = ~y durch Rückwärtseinsetzen.

Es bleibt die Konstruktion der Zerlegung A = L ·R zu erklären. Der Vektor ~b der rechten Seite von A ·~x = ~bwird hierbei nicht benötigt. Notieren wir der Übersichtlichkeit halber die Matrizen A,L und R im Falk’schenSchema:

r11 r12 · · · r1j · · · r1n

0 r22 · · · r2j · · · r2n...

......

0 · · · 0 rjj · · · rjn...

......

0 0 · · · 0 rnn

1 0 · · · 0 a11 a12 · · · a1j · · · a1n

l21 1...

......

......li1 li2 · · · 1 · · · 0 ai1 · · · aij · · · ain...

......

......

ln1 ln2 · · · lni · · · 1 an1 an2 · · · anj · · · ann

(1.37)

Die Matrizen L und R enthalten jeweils n(n+1)2

Elemente als Unbekannte, also zusammen n(n + 1). DieProduktbildung A = L ·R besteht aber aus genau n2 Skalarprodukten aus Zeilen von L mit Spalten von Rzur Berechnung der aij , d.h. es stehen n2 Gleichungen für n2 + n Unbekannte zur Verfügung. Wir wählendaher die Diagonalelemente lii = 1 für i = 1, · · · , n. Damit sind noch genau n2 Elemente aus L und Runbekannt. Die Abfolge der Produkte von Zeilen aus L mit Spalten aus R wird so gewählt, dass jeweils eineUnbekannte in der entstehenden Gleichung vorhanden ist und damit berechnet werden kann.

1. Schritt:Berechnung der Elemente der 1. Zeile von R und dann der 1. Spalte von L:a) Das Skalarprodukt der 1. Zeile von L mit der j-ten Spalte von R bringt die r1j :

Page 35: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.3 Lineare Gleichungssysteme 35

1 · r1j = a1j ,

r1j = a1j , j = 1, · · · , n

b) Das Skalarprodukt der 1. Spalte von R mit der j-ten Zeile von L bringt die lj1:

lj1 · r11 = aj1 ,

lj1 =aj1

r11, j = 2, · · · , n

i. Schritt:Berechnung der Elemente der i-ten Zeile von R und der i-ten Spalte von L:Im Bild unten sind die Zeilen von R und die Spalten von L in derjenigen Reihenfolge mit Nummerierungeingetragen, in der sie berechnet werden.

Bild 1.7a) Das Skalarprodukt der i-ten Zeile von L mit der j-ten Spalte von R ergibt die rij :

li1 · r1j + li2 · r2j + · · ·+ li,i−1 · ri−1,j + 1 · rij = aij ,

rij = aij − (li1 · r1j + · · ·+ li,i−1 · ri−1,j) , j = i, · · · , n

b) Das Skalarprodukt der i-ten Spalte von R mit der j-ten Zeile von L ergibt die lji:

lj1 · r1i + lj2 · r2i + · · ·+ lj,i−1 · ri−1,i + lji · rii = aji ,

lji =1

rii· [aji − (lj1 · r1i + · · ·+ lj,i−1 · ri−1,i)] , j = i+ 1, · · · , n

Page 36: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

36 1 Matrizenalgebra

n. Schritt:Das Skalarprodukt der n-ten Zeile von L mit der n-ten Spalte von R bringt das rnn :

ln1 · r1n + · · ·+ ln,n−1 · rn−1,n + 1 · rnn = ann ,

rnn = ann − (ln1 · r1n + · · ·+ ln,n−1 · rn−1,n)

Da im Ablauf der Berechnung durch die rii dividiert wird, funktioniert das Verfahren nur, wenn sich dierii 6= 0 ergeben. Bei Gesamtsteifigkeitsmatrizen in der FEM ist dies gewährleistet. Im nächsten Abschnittwerden wir sehen, dass sich der Aufwand halbiert für den Fall, dass die Matrix A symmetrisch ist. Das LR-Verfahren wird dann vereinfacht zum Cholesky-Verfahren. Gesamtsteifigkeitsmatrizen sind symmetrischund bei kleineren zu berechnenden Bauteilen, d.h. mit kleineren Gleichungssystemen, wird das Cholesky-Verfahren eingesetzt.

Beispiel 1.242x1 + 3x2 − x3 = 20

−6x1 − 5x2 + 2x4 = −45

2x1 − 5x2 + 6x3 − 6x4 = −3

4x1 + 6x2 + 2x3 − 3x4 = 58

.

~y ~x

2 3 −1 0 20 1

R 0 4 −3 2 15 7

0 0 1 −2 7 3~b L 0 0 0 5 −10 −2

20 1 0 0 0 2 3 −1 0

−45 −3 1 0 0 −6 −5 0 2

−3 1 −2 1 0 2 −5 6 −6

−58 2 0 4 1 4 6 2 −3

A

Ablauf der Berechnung:a) Berechnen der Matrizen L und R mit A ,b) Berechnen der Zwischenlösung ~y durch Vorwärtseinsetzen in L mit ~b ,c) Berechnen der Lösung ~x durch Rückwärtseinsetzen in R mit ~y .

1.3.4 Das Cholesky-Verfahren

Die (n,n)-Matrix des Gleichungssystems A · ~x = ~b sei jetzt zusätzlich symmetrisch. Wir machen an Stellevon A = L ·R den Ansatz

A = R T ·R ,

sodass nur eine Dreiecksmatrix zu berechnen ist. Dies ist wegen der Symmetrie von A möglich. Den n(n+1)2

unbekannten Elementen von R stehen ebenso viele bekannte Elemente aus A auf und oberhalb der Diago-nalen gegenüber.

Page 37: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

1.3 Lineare Gleichungssysteme 37

Wir nehmen weiter an, dass die Matrix A entsprechend der Definition (1.7) positiv definit ist. Das stelltsicher, dass im Laufe des Rechengangs bei den auftretenden Wurzeln keine komplexen Zahlenwerte auftreten.Genau die Gesamtsteifigkeitsmatrizen der FEM sind quadratisch, symmetrisch und positiv definit. In derLinearen Algebra wird nachgewiesen, dass positiv definite Matrizen regulär sind, d.h. unser Gleichungssys-tem hat einen eindeutigen Lösungsvektor.

Gegenüber dem LR-Verfahren vereinfacht sich das Cholesky-Verfahren (Cholesky, 1875-1918), weil nichtmehr n2 Elemente, sondern nur noch n(n+1)

2zu bestimmen sind, bei großen Matrizen rund um die Hälfte.

r11 r12 · · · r1i · · · r1n

0 r22 · · · r2i · · · r2n

R...

...0 · · · 0 rii · · · rin...

...0 0 · · · 0 rnn

a11 a12 · · · a1i · · · a1n...

...A ai1 ai2 · · · aii · · · ain

......

an1 an2 · · · ani · · · ann

Wir müssen R T nicht notieren, da beim Multiplizieren einer Spalte aus R mit einer Zeile von R T dieentsprechende Spalte von R genommen werden kann.1. Schritt:Berechnen der 1. Zeile von R, Skalarprodukt der 1. Spalte von R mit der j. Zeile von R T , d.h. mit derj.Spalte von R:

r11 · r1j = a1j , j = 1, · · · , n ,

r11 =√a11

rij =1

r11· a1j , j = 2, · · · , n

i. Schritt:Berechnen der i-ten Zeile von R:

r1i · r1j + r2i · r2j · · ·+ rii · rij = aij , j = i, · · · , n ,

rii =√aii − r2

1i − r22i − · · · − r2

i−1,i

Page 38: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

38 1 Matrizenalgebra

rij =1

rii· (aij − r1i · r1j − · · · − ri−1,i · ri−1,j) , j = i+ 1, · · · , n

n. Schritt:Berechnen der n-ten Zeile von R (also nur rnn):

r21n + r2

2n + · · ·+ r2nn = ann ,

rnn =√ann − r2

1n − · · · − r2n−1,n−1

Die rii ergeben sich als Wurzelausdrücke, die für positiv definite Matrizen positive Radikanden haben. DasCholesky-Verfahren ist nummerisch sehr stabil. Durch das Bilden der Quadratwurzeln für die Diagonalele-mente rii werden mögliche kleine Werte größer, sodass nummerisch ein zu großer Stellenverlust verhindertwird. Dies bedeutet, dass man auch recht große Systeme, deren Koeffizientenmatrix fast singulär ist, mitdem Cholesky-Verfahren befriedigend lösen kann.

Beispiel 1.254x1 − 2x2 + 6x3 + 2x4 = 30

−2x1 + 17x2 − 11x3 + 19x4 = −35

6x1 − 11x2 + 22x3 − 19x4 = 70

2x1 + 19x2 − 19x3 + 43x4 = −29

.

~b 30 −35 70 −29 ~y ~x2 −1 3 1 15 2

0 4 −2 5 −5 −1

R 0 0 3 −4 5 3

0 0 0 1 1 1

4 −2 6 2

−2 17 −11 19

A 6 −11 22 −19

2 19 −19 43 .

Ablauf der Berechnung:a) Berechnen der Matrix R aus A ,b) Berechnen der Zwischenlösung ~y durch Vorwärtseinsetzen in R T mit ~b , praktisch

bedeutet dies, dass wir von ’links vorwärts einsetzen’ in R, aber spaltenweise ,c) Berechnen der Lösung ~x durch Rückwärtseinsetzen in R mit ~y .

In der FEM sind Gleichungssysteme A · ~x = ~b mit folgenden Eigenschaften für A zu lösen:

A ist eine symmetrische positiv definite Bandmatrix.Das bedeutet, dass zur Lösung von Gleichungsystemen der FEM vorteilhaft das Cholesky-Verfahren einge-setzt werden kann. Die Tatsache, dass A Bandform hat, vereinfacht das Cholesky-Verfahren insofern, als esnur auf die besetzten Diagonalen angesetzt werden muss.

Page 39: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

39

2 Spannungen

Die FEM liefert in den Auflagern und für eine gewisse Anzahl von innneren Punkten die Auflagerreak-tionen bzw. die inneren Spannungen. Es ist daher angebracht, sich Begriffe wie Spannung, Normal- undSchubspannung sowie den zwei- und dreiachsigen Spannungszustand in Erinnerung zu rufen.

2.1 Der Spannungsbegriff

Die auf einen Körper (Bauteil) aufgebrachten Kräfte und/oder Momente erzeugen nicht nur in den AuflagernReaktionen, sondern rufen auch im Inneren Kräfte hervor. Eine Möglichkeit, diese inneren Kräfte sichtbarzu machen, ist das Schnittprinzip. Das Bauteil wird durch einen z.B. ebenen Schnitt in 2 Teile zerlegt.Im Schnitt sind auf beiden Schnittflächen über die jeweils gesamte Fläche verteilt Kräfte und Momenteanzunehmen, sodass die beiden getrennten Bauteile im Gleichgewicht mit den äußeren Kräften bleiben.Wir können uns diese Kräfte und Momente ersetzt denken durch eine Kraft ~Fs und ein Moment ~Ms, diebeide im Schwerpunkt der Schnittfläche wirken. Die Flächenkräfte, über die gesamte Schnittfläche verteilt,heißen Spannungen. Indem wir die Einzelkraft ~Fs der Summe aller Schnittkräfte über die Schnittfläche Agegenüber stellen, können wir einen mittleren Wert ~s für die Spannungen in der Schnittfläche angeben mit

~s =1

A· ~Fs .

Beispielhaft betrachten wir einen einseitig eingespannten Stab mit Rechteckquerschnitt, an dem mit derKraft ~F gezogen wird. Wir schneiden den Stab an einer Stelle, weit genug von der Krafteinleitung entfernt,senkrecht zur Stabrichtung auf. In der Schnittfläche A wird sich die Einzellast ~F gleichmäßig verteilen, d.h.über die Schnittfläche verteilt, erhalten wir in jedem Punkt die Spannung

~s =

−→F

A.

Bild 2.1Im allgemeinen sind die Spannungen nicht konstant in Größe und Richtung über die Schnittfläche verteilt.Wir müssen daher den Begriff der Spannung über den Grenzwertbegriff definieren. Nehmen wir der Einfach-heit halber wieder eine ebene Schnittfläche an. In der Schnittebene wird ein Flächenelement ∆A um den

Page 40: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

40 2 Spannungen

Punkt P betrachtet. Die inneren Kräfte (Spannungen) im Flächenelement ∆A werden zur Resultierenden−−→∆F zusammengefasst. Dann ist die Spannung in P näherungsweise gegeben durch

~s =

−−→∆F

∆A.

Bild 2.2

Den exakten Wert für die Spannung in P erhalten wir durch Grenzwertbildung

~sp = lim∆A→0

−−→∆F

∆A.

Legen wir durch P eine anders gerichtete Schnittebene, ergibt sich in P auch ein anderer Spannungsvektor,da sich über verschiedenen Schnittflächen A1 und A2 unterschiedliche Lastverteilungen ergeben:

Bild 2.3Der Spannungsvektor in einem inneren Punkt des belasteten Körpers hängt in Größe und Richtung von derWahl des Punktes und der Schnittrichtung ab, d.h. verschiedene Schnitte durch einen Punkt des Bauteilsergeben verschiedene Spannungsvektoren. Besonders die sogenannten Hauptspannungen, nämlich diejenigen,die von allen Spannungsvektoren in einem Punkt den größten Betrag aufweisen, sind wichtig. Hierauf gehenwir später ein. Summieren (Integrieren) wir übrigens über alle Spannungen einer Schnittfläche, ergibt sichwieder die Schnittgröße

Page 41: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

2.1 Der Spannungsbegriff 41

~Fs =∫A

~s dA .

Der belastete Körper sei in ein rechtsgerichtetes xyz-Koordinatensystem eingebettet. Betrachten wir dieSpannungsverhältnisse in einem Punkt P. Wir können wie oben entwickelt in P unendlich viele Schnittebe-nen anschauen. Speziell in den 3 Schnittebenen parallel zu den Koordinatenebenen untersuchen wir dieSpanunngen.

Bild 2.4

Wir schneiden in P eine rechtwinklige ’Ecke’ parallel zu den globalen Koordinatenebenen heraus. Die Schnit-tebenen nennen wir Axy , Ayz , Azx. Um die Spannungsverhältnisse im Bild 2.4 übersichtlich darstellen zukönnen, rücken wir jeweils etwas von P in die jeweilige Ebene hinein in die Punkte Pxy , Pyz , Pzx. Fürdie Schnittebene Ayz liege der Spannungsvektor s1 vor, den wir hinsichtlich des globalen Koordinatensys-tems in Komponenten zerlegen können, die man mit σxx , τxy , τxz bezeichnet. Spannungen, die senkrechtzur Schnittebene liegen, heißen Normalspannungen und werden mit σ bezeichnet, hingegen heißen Span-nungen parallel zur Schnittebene Schubspannungen, sie werden mit τ gekennzeichnet. Die Doppelindiceshaben folgende Bedeutung: Der erste Index bezeichnet die Lage der Schnittebene durch die Richtung desNormalenvektors auf ihr, der zweite Index gibt die Koordinatenrichtung der Spannungskomponente an. Bei-spiel: τxz bedeutet, dass es sich um eine Schubspannung in der yz-Ebene (deren Normalenvektor zeigt inx-Richtung) handelt, die in die Richtung der z-Achse zeigt.

Somit liegen in den drei Schnittebenen durch P parallel zur yz-Ebene, zx-Ebene und xy-Ebene die Span-nungsvektoren

~s1 =

σxxτxyτxz

, ~s2 =

τyx

σyy

τyz

, ~s3 =

τzx

τzy

σzz

. (2.1)

Nachdem man hinsichtlich des Bauteils ein globales xyz-Koordinatensystem gewählt hat, ergeben sich fürjeden inneren Punkt die 9 Normal- und Schubspannungen parallel zu den Koordinaten- ebenen. Ein wichtigesZiel der Festigkeitslehre ist es, diese Spannungsgrößen zu berechnen. Im weiteren Verlauf zeigen wir, dasssich die Normal- und Schubspannungen für eine beliebige Schnittrichtung durch P aus den 9 Spannungenberechnen lassen.

Page 42: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

42 2 Spannungen

2.1.1 Der dreiachsige Spannungszustand

Wir betrachten einen belasteten Körper in einem beliebigen Punkt P und beziehen uns auf Bild 2.4. Wirwählen eine beliebige durch P verlaufende Schnittebene, die in Bild 2.5 aus Gründen der Übersichtlichkeitetwas aus P nach P’ herausgerückt ist.

Bild 2.5Die Neigung der Schnittebene ist durch ihren Normalenvektor ~n bestimmt, der gegen die Koordinatenachsendie Winkel α , β , γ habe. Der Normalenvektor ~n läßt sich als Einheitsvektor über die Richtungscosinus inKomponenten erfassen:

~n T = (cosα , cosβ , cos γ) .

Wir untersuchen die Spannungsverhältnisse am hervorgehobenen Tetraeder, das durch die zu den Koordina-tenebenen parallelen Ebenen durch P und die gewählte Schnittebene begrenzt wird, die um die infinitesimalenGrößen dx, dy, und dz aus P herausgerückt wurde.

Bild 2.6Da das Tetraeder aus dem Körper herausgeschnitten wurde, müssen die Spannungen in Bild 2.6 denen imBild 2.4 entgegengesetzt gerichtet sein, da es sich um jeweils gegenüber liegende Schnittufer handelt undGleichgwicht herrschen muss. Alle Spannungen in Bild 2.6 sind in den Schwerpunkten der Flächen einge-zeichnet. Für die folgende Rechnung verschieben wir das globale Koordinatensystem o.B.d.A. in den PunktP, sodass P(0|0|0) gilt.

Unser Ziel ist es, die im Punkt P’ vorliegende Spannung ~s, die in der Schnittebene eine Normal- undSchubspannungskomponente ~σ und ~τ hat, durch die Spannungen ~s1 , ~s2 , ~s3 in den anderen 3 Ebenenauszudrücken (siehe (2.1)).

Page 43: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

2.1 Der Spannungsbegriff 43

Das Tetraeder muss im Gleichgewicht sein. Um die Gleichgewichtsbedingungen aufstellen zu können, benö-tigen wir die Flächeninhalte der 4 Begrenzungsdreiecke.

Die Schnittebene A durch P’ hat die Hesse’sche Normalform

(~r − ~p) ··· ~n = 0 ,

wobei ~r den allgemeinen Ortsvektor, ~p den Ortsvektor zu P’ und ~n den Normalenvektor bedeuten. Explizitausgerechnet bekommen wir

x · cosα+ y · cosβ + y · cos γ = K

mit der Konstanten K = ~p ··· ~n. Die Koordinaten der Eckpunkte des Tetraeders folgen sofort durch Setzenvon z.B. y = z = 0 für Px usw. zu

Px(K

cosα| 0 | 0) , Py(0 |

K

cosβ| 0) , Pz(0 | 0 |

K

cos γ) .

Für die Dreiecke in den Koordinatenebenen berechnen sich die Flächeninhalte über die Punktkoordinaten:

Axy =1

K2

cosα cosβ, Ayz =

1

K2

cosβ cos γ, Azx =

1

K2

cos γ cosα.

Mit den Ortsvektoren ~px , ~py , ~pz der Punkte Px , Py , Pz haben wir den Flächeninhalt von A:

A = 12· |(~pz − ~px) × (~pz − ~py)|

= 12·∣∣∣∣( K2

cosβ cos γ,

K2

cos γ cosα,

K2

cosα cosβ

)∣∣∣∣= 1

K2

cosα cosβ cos γ.

Wir erkennenAxy = A · cos γ , Ayz = A · cosα , Azx = A · cosβ . (2.2)

Wir stellen die Gleichgewichtsbedingungen auf, zunächst für die Momente um die durch P’ zur z-Achseparallele Achse:

τxy ·1

2· dydz ·

1

3· dx = τyx ·

1

2· dxdz ·

1

3· dy .

Es folgt direktτxy = τyx .

Entsprechendes folgt für die anderen Schubspannungen.

Satz 2.1 Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen:τxy = τyxτyz = τzyτzx = τxz .

Page 44: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

44 2 Spannungen

Wir stellen die Gleichgewichtsbedingungen für die Kräfte in den 3 Achsenrichtungen auf, wobei der allgemeineSpannungsvektor in P’ angesetzt wird zu ~s T = (sx , sy , sz) und beachten Satz 2.1

sx ·A − σxx ·Ayz − τyx ·Azx − τzx ·Axy = 0

sy ·A − τyx ·Ayz − σyy ·Azx − τzy ·Axy = 0

sz ·A − τzx ·Ayz − τzy ·Azx − σzz ·Axy = 0

.

Mit den Beziehungen (2.2) bekommen wir

sx = σxx · cosα + τyx · cosβ + τzx · cos γ

sy = τyx · cosα + σyy · cosβ + τzy · cos γ

sz = τzx · cosα + τzy · cosβ + σzz · cos γ

.

Wir führen die wegen Satz 2.1 symmetrische Spannungsmatrix

S =

σxx τxy τzx

σyy τyz

symm. σzz

(2.3)

ein und schreiben mit ~n T = (cosα , cosβ , cos γ) kurz

~s = S · ~n . (2.4)

Ergebnis: Mit der Beziehung (2.4) können wir bei Vorgabe der nunmehr noch 6 Normal- und Schubspan-nungen an Stelle von 9 den Spannungsvektor ~s für eine beliebig gewählte Schnittebene in P berechnen.Den in Bild 2.6 eingezeichneten Normal- und Schubspannungsanteil σ und τ von ~s können wir betragsmäßigangeben, wenn wir beachten, dass σ durch Projektion von ~s auf ~n gewonnen wird,

σ = ~s T ··· ~n = (S · ~n T ) ··· ~n = ~n T · S T · ~n = ~n T · S · ~n . (2.5)

Wegen |~s|2 = σ2 + τ2 haben wir auch

τ =√|~s|2 − σ2 . (2.6)

Die eigentliche Aufgabe besteht darin, diejenige(n) Schnittrichtung(en) durch P zu finden, für die der Span-nungsvektor ~s mit dem Normalenvektor ~σ zusammenfällt, falls sie existiert. Das sind genau die Schnittrich-tungen, die schubspannungsfrei sind. Wir fordern daher

~σ = σ · ~n .Mit (2.4) geht die Forderung über in

S · ~n = σ · ~n .Wir bringen die rechte Seite nach links und schreiben ausführlichσxx − σ τxy τzx

τxy σyy − σ τyz

τzx τyz σzz − σ

·cosα

cosβ

cos γ

=

0

0

0

. (2.7)

Dies ist eine Eigenwertaufgabe (siehe Abschnitt 9). Das lineare Gleichungssystem in den Unbekanntencosα , cosβ , cos γ lösen wir mit dem Gauß’schen Algorithmus, d.h. bringen es auf Dreiecksform:

σxx − σ τxy τzx 0

0 a b 0

0 0 c 0

Page 45: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

2.1 Der Spannungsbegriff 45

mit

a = σyy − σ −τ2xy

σxx − σ

b = τyz −τxy · τzxσxx − σ

c = σzz − σ −τ2zx

σxx − σ−(τyz −

τxy · τzxσxx − σ

)·τyz · (σxx − σ)− τxy · τzx

(σyy − σ) · (σxx − σ)− τ2xy

.

Bei regulärer Koeffizientenmatrix ergibt sich der Nullvektor als Lösung. Da die gesuchte Spannung σ eineweitere Unbekannte in (2.7) ist, können wir die Matrix singulär machen, also Lösungen bekommen, indemwir σ so wählen, daß z.B. in der untersten Zeile der Matrix c=0 wird. Wir formen die Gleichung c=0 umund erhalten mit den Abkürzungen

I1 = −(σxx + σyy + σzz)

I2 = σxx · σyy + σyy · σzz + σxx · σzz − τ2xy − τ2

yz − τ2zx

I3 = −σxx · σyy · σzz + σxx · τ2yz + σyy · τ2

zx + σzz · τ2xy − 2 · τxy · τyz · τzx

(2.8)

eine Gleichung 3. Grades in σ:σ3 + I1 · σ2 + I2 · σ + I3 = 0 . (2.9)

Die Lösungen der Gleichung sind die gesuchten Spannungen, für die das Gleichungssystem (2.7) Lösungsvek-toren ungleich dem Nullvektor hat. In FE-Programmen werden die Lösungen benötigt. Deshalb berechnenwir sie. Zunächst führen wir die Substitution σ = x−I1/3 ein und bekommen dann die reduzierte Gleichung

x3 + p · x+ q = 0 , (2.10)

wobei

p = I2 −I21

3, q = I3 −

I1 · I23

+2 · I3

1

27.

Die Lösungen sind mit der Abkürzung cosφ = −

q

2

3

√|p|3

x1 = 2 ·√|p|3· cos

φ

3

x2 = −2 ·√|p|3· cos(

φ

3− 60) ,

x3 = −2 ·√|p|3· cos(

φ

3+ 60)

. (2.11)

Diese Lösungen xi müssen wir noch wegen obiger Substitution nach σi zurücktransformieren, indem wir−I1/3 addieren.Schließlich setzen wir nacheinander die Lösungen für σ1 , σ2 , σ3 in das Gleichungssystem (2.7) ein underhalten jeweils einen Richtungssvektor

~ni =

~nxi~nyi

~nyi

, i = 1, · · · , 3 . (2.12)

Page 46: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

46 2 Spannungen

Die Lösungsvektoren normieren wir auf die Länge 1 mit dem Kehrwert√n2xi + n2

yi + n2zi. Dann entspre-

chen die Komponenten den Richtungscosinus gegen die Koordinatenachsen. Aus der Linearen Algebra istbekannt, dass das System (2.7) wegen der symmetrischen Koeffizientenmatrix senkrecht aufeinander stehendeLösungsvektoren liefert.

Satz 2.2Das Gleichungssystem (2.7) liefert zusammen mit der Gleichung (2.9) 3 Hauptachsenrichtungen~n1 , ~n2 , ~n3 und die zugehörigen Hauptnormalspannungen ~σ1 , ~σ3 , ~σ3. Die auf den Hauptachsenrich-tungen senkrecht stehenden Schnittebenen sind schubspannungsfrei. Von allen Normalspannungen füralle Schnittebenen sind die 3 Hauptnormalspannungen betragsmäßig maximal.

Eine ähnliche Aufgabe stellt sich durch die Frage nach den hauptspannungsfreien Schnittebenen.

Ein ausführliches Beispiel zeigt die erforderlichen Rechengänge.

Beispiel 2.1 In einem Punkt P eines belasteten Bauteils seien hinsichtlich des globalen Koordinatensystemsdie 6 Normal- und Schubspannungen in den Schnittebenen durch P parallel zu den Koordinatenebenenbekannt:

σxx = 2N

cm2, σyy = 2

N

cm2, σzz = 3

N

cm2

τxy = 2N

cm2, τyz = 1

N

cm2, τzz = 2

N

cm2.

a) Wir betrachten die Schnittebene durch P, deren Normalenvektor mit den 3 Koordinatenachsen den jeweilsselben Winkel 54, 74 hat, es ist cos 54, 74 = 1√

3. Berechnet werden sollen die Normal- und Schubspannung

in P bezogen auf diese Schnittebene.

Dazu benutzen wir die Gleichung ~s = S · ~n in (2.3) und σ = ~n T · S · ~n aus (2.5):

~s =

2 2 2

2 2 1

2 1 3

·

1√3

1√3

1√3

=1√

6

5

6

N

cm2.

σ =(

! 1√3

1√3

1√3

2 2 2

2 2 1

2 1 3

·

1√3

1√3

1√3

=17

3

N

cm2,

τ =√|~s|2 − σ2 = 0, 47

N

cm2.

b) Die Hauptachsenrichtungen mit den Hauptnormalspannungen sind zu berechnen. Mit (2.11) wird dieGleichung 3. Grades:

σ3 − 7σ2 + 7σ + 2 = 0 .

Mit der Substitution σ = x+ 73erhalten wir die reduzierte Gleichung

x3 −28

3x−

191

27= 0 .

Page 47: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

2.1 Der Spannungsbegriff 47

Die Gleichungen (2.11) liefern die Lösungen x1 = 3, 380 , x2 = −2, 564 , x3 = −0, 816 .

Rücksubstituieren liefertσ1 = 5, 713 N

cm2 , σ2 = −0, 231 Ncm2 , σ3 = 1, 517 N

cm2 .

Wir setzen nun in das System (2.7) die 6 vorgegebenen Spannungswerte und σ1 ein und lösen es mit demGauß’schen Algorithmus:

−3, 713 2 2 0

2 −3, 713 1 0

2 1 −2, 713 0

−3, 713 2 2 0

0 −2, 636 2, 077 0

0 0 0 0 .

Wir wählen nz1 = 1, damit bekommen wir ny1 = 0, 788 , nx1 = 0, 963. Normieren wir noch den 1. Haupt-normalenvektor,

~n1 =

0, 603

0, 494

0, 626

=

cosα1

cosβ1

cos γ1

.

Für die Werte der Winkel gibt der Taschenrechnerα1 = 52, 9 , β1 = 60, 42 , γ1 = 51, 22

die 1. Hauptachsenrichtung. Setzen wir die beiden anderen Hauptspannungen σ2 und σ3 in (2.7) ein, ergebensich die Normalenvektoren für die beiden restlichen Hauptachsenrichtungen:

~n2 =

−0, 773

0, 556

0, 307

, ~n3 =

−0, 197

−0, 663

0, 717

.

Nun sollte die Reihenfolge der 3 Hauptnormalenvektoren so gewählt werden, dass sie ein Koordina-ten-Rechtssystem bilden. Zu diesem Zweck berechnen wir ~n3 nicht wie oben, sondern wir bilden das Vektor-produkt ~n3 = ~n1 × ~n2. Dann ist man sicher, dass die 3 Vektoren ein Rechtssystem bilden.Leicht prüft man mit dem Skalarprodukt nach, dass die 3 Hauptnormalenvektoren natürlich senkrecht auf-einander stehen: ~n1 ··· ~n2 = ~n2 ··· ~n3 = ~n3 ··· ~n1 = 0 .

2.1.2 Der ebene Spannungszustand

Die Ergebnisse aus dem vorigen Abschnitt (2.1.1) können wir nun leicht auf den ebenen Spannungszustandübertragen. Die Spannungen

~s1 =

(σxx

τxy

), ~s2 =

(τxy

σyy

)in den zu den Koordinatenachsen parallelen Schnittflächen lassen sich ähnlich wie in (2.4) mit (2.3) zu derSpannung ~s mit dem Normalenvektor

~n =

(cosα

cosβ

)zusammenfassen:

~s =

(σxx τxy

τxy σyy

)·(

cosα

cosβ

)= S · ~n , (2.13)

Page 48: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

48 2 Spannungen

Bild 2.7wobei α und β die Winkel des Normalenvektors gegen die Koordinatenachsen sind. Wegen cosα2+cosβ2 = 1folgt cosβ = sinα. Damit haben wir für den Normalspannungsanteil σα von ~s:

σα = σxx · cos2 α+ σyy · sin2 α+ 2 · τxy · sin(2α) . (2.14)

Die Frage nach demjenigen Winkel α, für den die Schnittebene schubspannungsfrei ist, bedeutet die Forde-rung (wir schreiben jetzt σ anstatt σα)

~s = S · ~n = σ · ~n bzw.(S− σ · I

)· ~n = ~0

und lautet ausgeschrieben (σxx − σ τxy

τxy σyy − σ

)·(

cosα

sinα

)=

(0

0

). (2.15)

Mit den Elementarumformungen finden wir die Dreiecksform der Koeffizientenmatrix

σxx − σ τxy 0

0 σyy − σ −τ2xy

σxx − σ0

. (2.16)

2.16 hat Lösungen, wenn die Matrix singulär ist. Das ist der Fall, wenn z.B. die 2. Zeile aus Nullen besteht,also fordern wir

σyy − σ −τ2xy

σxx − σ= 0 ,

bzw.σ2 − σ · (σxx + σyy) + σxx · σyy − τ2

xy = 0 .

Diese quadratische Gleichung hat 2 Lösungen,

σ1,2 =σxx + σyy

√τ2xy +

(σxx − σyy)2

4. (2.17)

Wir lösen das Gleichungssystem, indem wir σ1,2 nacheinander dort einsetzen. Wir setzenny1 = λ, und bekommen den Lösungsvektor

~n1 =

λ ·τxy

σ1 − σxxλ

= λ ·

τxy

σ1 − σxx1

, λ ∈ R .

Page 49: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

2.1 Der Spannungsbegriff 49

Damit haben wir unendlich viele Normalenvektoren gleicher Richtung, aber beliebiger Länge. Wählen wir

λ =σ1 − σxx√

τ2xy + (σ1 − σxx)2

, ergibt sich der auf die Länge 1 normierte Normalenvektor. Genauso ergibt sich

die 2. Lösung aus σ2, sodass die beiden Hauptnormalenrichtungen sind

~ni =

(cosαi

sinαi

)=

τxy√

τ2xy + (σi − σxx)2

σi − σxx√τ2xy + (σi − σxx)2

, i = 1, 2 . (2.18)

Die Lösungen (2.17) ergeben sich auch, wenn man Gleichung (2.14) in Abhängigkeit von α nach Extremwertenuntersucht, also die notwendige Bedingung für das Vorliegen von Extremwerten aufstellt und löst:

d σα

d α= 0 .

Die Gleichung wird z.B. nach sinα aufgelöst und man erhält wieder die Lösungen (2.18) und (2.17).

Wenn man nach den normalspannungsfreien Schnittebenen sucht, erhält man entsprechende Ergebnisse.

Beispiel 2.2Im Punkt P einer Scheibe liegen hinsichtlich der Koordinatenschnittebenen die Spannungen

σxx = 8N

cm2, σyy = 3

N

cm2, τxy = 6

N

cm2

vor. Aus (2.17) erhalten wir die beiden Hauptnormalspannungen

σ1,2 =8 + 3

√36 +

(8− 3)2

4=

11

13

2

N

cm2,

σ1 = 12N

cm2, σ2 = − 1

N

cm2.

Über (2.18) besorgen wir uns die Normalenvektoren zu den Hauptnormalspannungsebenen, zunächst

~n1 =

(cosα1

sinα1

)=

6√

36 + (12− 8)2

4√36 + (12− 8)2

=

3√

131√

13

.

Der zweite Normalenvektor ist

~n2 =

2√

13−3√

13

.

Die Richtungswinkel gegen die globale x-Achse sind

α1 = arccos3√

13= 33, 69 , α2 = arccos

−2√

13= 123, 69 .

Page 50: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

50

3 Die Deformation des belasteten Körpers

3.1 Die Taylorentwicklung

Die Bewegungen eines dreidimensionalen Körpers beschreiben wir durch Funktionen von 3 Veränderlichen,ebenso die Deformationen des belasteten Körpers. Da wir eine linearisierte Mechanik zugrunde legen, müssenwir diese Funktionen linearisieren. Das ist über die Taylorentwicklung für Funktionen möglich.

Die Funktion y = f(x) wird im Punkt P0(x0|f(x0)) betrachtet und sei in einer Umgebung [x0−dx ; x0 +dx]von x0 (n+1)-mal differenzierbar. Die Taylorentwicklung um x0 ist

f(x0 + dx) = f(x0) +f ′(x0)

1!· dx+

f ′′(x0)

2!· dx2 + · · ·+

f (n)(x0)

n!· dxn + Rn . (3.1)

mit dem Restglied

Rn =f (n+1)(u)

(n+ 1)!· dxn+1 ,wobei u ∈ [x0 − dx;x0 + dx] .

Die Taylorentwicklung gestattet die Approximation einer Kurve zu y = f(x) in der Umgebung von x0 durchein Polynom n-ten Grades. Das Restglied gibt den Fehler an, den man macht, wenn man nach n Potenzenabbricht.

Bild 3.1 Approximation Grad n=0 Bild 3.2 Lineare Approximation Grad n=1

Wir wählen n=0 (Bild 3.1):

Die Taylorentwicklung lautetf(x0 + dx) = f(x0) +R0 .

Indem wir das Restglied R0 weglassen, approximieren wir y = f(x) in x0 durch die konstante Funktiony = g(x) = f(x0). Eine solche Approximation ist sicherlich zu ungenau.

Wir wählen n=1 (Bild 3.2):

Die Taylorentwicklung lautet

f(x0 + dx) = f(x0) + f ′(x0) · dx+R1 .

Page 51: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.1 Die Taylorentwicklung 51

Setzen wir x0 + dx = x, erhalten wir die Gleichung der Tangente in P0:

g(x) = f(x0) + f ′(x0) · (x− x0) +R1 .

Wir haben die Funktion y = f(x) in P0 in der Umgebung von P0 durch ihre Tangente linearisiert.

Hinsichtlich der Tangente wird bei einer Änderung dx die Folgeänderung dy

dy = g(x0 + dx)− g(x0) = f(x0) + f ′(x0) · dx− f(x0) = f ′(x0) · dx ,

dy = f ′(x0) · dx(3.2)

wirksam.

Da die Spannungs- und Verschiebungsfunktionen für zwei- bzw. dreidimensionale Körper Funktionen von2 bzw. 3 Veränderlichen sind, geben wir die Taylorentwicklung für eine Funktion u = f(x,y,z) im PunktP0(x0 | y0 | z0) bis zum 2. Glied (n=2) an:

f(x0 + dx, y0 + dy, z0 + dz) = f(x0, y0, z0)

+ fx(x0, y0, z0) · dx+ fy(x0, y0, z0) · dy + fz(x0, y0, z0) · dz

+1

2!·[fxx(x0, y0, z0) · dx2 + fyy(x0, y0, z0) · dy2 + fzz(x0, y0, z0) · dz2

]+ fxy(x0, y0, z0)dxdy + fxz(x0, y0, z0)dxdz + fyz(x0, y0, z0)dydz

+ R2 .

(3.3)

In der linearen Mechanik benötigen wir die Taylorentwicklung für n=1, sodass sich für die Funktion z =f(x, y) für 2 Veränderliche als Fläche im Raum um (x0, y0) ergibt

f(x0 + dx, y0 + dy) = f(x0, y0)

+ fx(x0, y0) · dx+ fy(x0, y0) · dy

+ R1 .

(3.4)

Mit der Wahl x0 + dx = x und y0 + dy = y wird (3.4) zur Tangentialebene in P0 an z = f(x, y):

g(x, y) = f(x0, y0) + fx(x0, y0) · (x− x0) + fy(x0, y0) · (y − y0) , (3.5)

wenn wir R1 weglassen.

Mit dz = f(x0 + dx, y0 + dy)− f(x0, y0) , dx = x− x0 , dy = y− y0 geht die Tangentialebene in die Formdes sogenannten totalen Differenzials der Funktion z = f(x, y) in P0(x0 | y0 | f(x0, y0)) über:

dz = fx(x0, y0) · dx+ fy(x0, y0) · dy (3.6)

Die Änderung dz des totalen Differenzials bezieht sich, weil wir eine lineare Approximation gewählt (n=1)haben, auf die Tangentialebene von z = f(x, y), die durch (3.4) gegeben ist, wenn wir dort R1 weglassen.Diese Tangentialebene in P0 an die Fläche zu z = f(x, y) bedeutet die Linearisierung in P0. (3.2) ist die

Page 52: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

52 3 Die Deformation des belasteten Körpers

lineare Reduktion von (3.6) auf den eindimensionalen Fall.

Die Tangentialebene und ihre spezielle Form als totales Differenzial bedeuten die Linearisierung der Flächein der Umgebung von P0.

Hinter der Physik der Elastizität steht keine lineare Mathematik. Sie wird aber auf zweifache Weise zurlinearen Elastizitätstheorie vereinfacht. Zum einen spricht man von einer linearen Theorie, weil zwischenden Spannungen und Verzerrungen ein linearer Zusammenhang über das Hooke’sche Gesetz hergestellt wird.Der andere Grund ist darin zu sehen, dass man beim deformierten Körper davon ausgehen kann, dass dieVerzerrungen sehr klein sind und man daher ihren funktionalen Zusammenhang mit den Deformationen(Verschiebungen) über die Taylorentwicklung linearisieren kann. Dies betrachten wir im nächsten Abschnitt.

3.2 Die Bewegung des Körpers unter Belastung

Ein durch äußere Kräfte und Momente belasteter statisch gelagerter Körper wird seine urprüngliche Formund Lage verändern. Aus der theoretischen Mechanik ist bekannt, dass sich die Bewegung eines Körpers alsSumme von Translation, Rotation und Deformation beschreiben läßt. Nehmen wir einen ideal starrenKörper an, fällt der Anteil der Deformation weg.

Betrachten wir die Veränderung eines Stabes unter Belastung.

Bild 3.3 Bild 3.4Ein innerhalb eines Stabwerks eingebetter Stab wird durch die Belastung von den Nachbarstäben aus derursprünglichen Lage AB in eine neue Lage A’B’ gebracht (Bild 3.3). Er erfährt Translation, Rotation undDeformation. Da ein Stab nur Längskräfte aufnehmen kann, ist ein Verbiegen nicht möglich. Er kann alsonur länger oder kürzer werden. Die Gesamtbewegung kann zerlegt werden in (siehe Bild 3.4)

• eine Translation durch den Vektor ~r ,

• eine Drehung um A’ mit dem Winkel α und

• eine Deformation (Streckung oder Stauchung) in Stabrichtung von B”’ nach B’ .

Die gesamte Bewegung heißt Verschiebung. Die Deformationen erfasst man durch die Verzerrungen. EinMaß für die Verzerrung des Stabes ist das Verhältnis der Längenänderung ∆L = L′−L zur ursprünglichenLänge L.Deformationen rufen im Inneren des Bauteils Spannungen (Kräfte) hervor. Die Spannungen möchte manidealerweise in jedem Punkt des Bauteils kennen. An zweiter Stelle interessieren die Verschiebungen. Wir

Page 53: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.2 Die Bewegung des Körpers unter Belastung 53

betrachten Körper, die ideal linear elastisch sind; d.h. nach der Entlastung nimmt der Körper seine ur-sprüngliche Lage und Form wieder ein.

Im Folgenden entwickeln wir einen formelmäßigen Zusammenhang zwischen den Verzerrungen und den Ver-schiebungen. Betrachten wir beispielhaft den zweidimensionalen Fall. Die Bewegung eines zweidimensionalenBauteils (Scheibe) sei durch das Verschiebungsfeld in Form einer Vektorfunktion gegeben:

~d(x, y) =

(u(x, y)

v(x, y)

). (3.7)

Die Verschiebung eines Punktes P erhalten wir durch Einsetzen der Koordinaten des Punktes P (xp|yp) indie Funktionsgleichung:

~d(xp, yp) =

(u(xp, yp)

v(xp, yp)

). (3.8)

Der Punkt P (xp|yp) geht durch die Belastung in den Punkt P ′(xp + u(xp, yp) | yp + v(xp, yp)) über. Umeine Beziehung zwischen Verschiebungen und Verzerrungen herstellen zu können, betrachten wir im Bildzwei weitere Punkte Q und R des Bauteils:

Bild 3.5

Wegen der Koordinaten Q(xp+dx | yp) und R(xp | yp+dy) bilden PQ und RP einen rechten Winkel. Nachder Belastung seien die Lagen P ′, Q′, R′ erreicht.

Für die Verschiebungsfunktionen u(x,y) und v(x,y) notieren wir die Taylorentwicklung (3.4) um den PunktP (xp | yp), wobei wir die Änderungen dx und dy annehmen. Mit der Schreibweise

∂u

∂x= ux(xp, yp) und

∂v

∂y= vy(xp, yp)

ergibt sich

u(xp + dx, yp + dy) = u(xp, yp) +∂u

∂x· dx+

∂u

∂y· dy

v(xp + dx, yp + dy) = v(xp, yp) +∂v

∂x· dx+

∂v

∂y· dy .

(3.9)

Page 54: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

54 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Die Ausdrücke sind in dx und dy linear. Wir arbeiten also nicht mit den Verschiebungsfunktionen, sondernmit ihren Linearisierungen. Indem wir von P nach Q bewegen, ist dy = 0, aus (3.9) wird

u(xp + dx, yp) = u(xp, yp) +∂u

∂x· dx

v(xp + dx, yp) = v(xp, yp) +∂v

∂x· dx .

(3.10)

Entsprechende Beziehungen ergeben sich, wenn wir von P nach R laufen:

u(xp, yp + dy) = u(xp, yp) +∂u

∂y· dy

v(xp, yp + dy) = v(xp, yp) +∂v

∂y· dy .

(3.11)

Ausgehend von der ursprünglichen Länge dx der Strecke PQ können wir die Verzerrung in x-Richtungangeben durch

εxxDef=

P ′Q∗ − PQPQ

.

MitPQ = dx

undP ′Q∗ = u(xp + dx, yp) + dx− u(xp, yp) =

∂u

∂xdx+ dx (Bild 3.5)

ergibt sich

εxx =

∂u

∂x· dx+ dx− dx

dx=

∂u

∂x(3.12)

Ähnlich berechnen wir die Verzerrung (Dehnung) in y-Richtung zu

εyy =∂v

∂y(3.13)

Damit ist die Deformation des Bauteils nicht vollständig beschrieben. Wir müssen noch die Winkeländerungvon P nach P’ erfassen. Die Winkeländerung des ursprünglich rechten Winkels in P kann durch das Bogenmaßder Winkel α und β in P’ beschrieben werden. Man bezeichnet diese Änderung als Schiebung oderGleitungγxy ,

γxyDef= α+ β .

Wir berechnen den Tangens des Winkels α aus Bild 3.5 mit (3.11) zu

tanα =Q∗Q′

P ′Q∗=

∂v

∂x· dx

∂u

∂x· dx+ dx

=

∂v

∂x

1 +∂u

∂x

.

Page 55: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.2 Die Bewegung des Körpers unter Belastung 55

Dabei nehmen wir an, dass wir es mit sehr kleinen Dehnungsgrößen zu tun haben und daher auch sehr kleineGleitungen stattfinden, also

∂u

∂x 1 und α ≈ tanα ,

somitα =

∂v

∂x. (3.14)

Analog folgt für den Winkel β

β =∂u

∂y. (3.15)

Für die Gleitung in der xy-Ebene können wir nun angeben

γxy =∂u

∂y+∂v

∂x(3.16)

Wir erweitern auf den dreidimensionalen Fall, untersuchen also die Deformationen eines infinitesimalenQuaders mit den Seitenkanten dx, dy und dz. Zu dem Bisherigen kommen noch die Verzerrungen in deryz-Ebene und zx-Ebene hinzu:

εzz =∂w

∂zγyz =

∂v

∂z+∂w

∂yγzx =

∂w

∂x+∂u

∂z(3.17)

Die 6 Verzerrungen εxx , εyy , εzz , γxy , γyz , γzx fassen wir in einer Matrizenbeziehung zusammen.Dazu führen wir den Begriff des Differenzialoperators ein. Den Ausdruck ∂u

∂xkönnen wir so verstehen,

dass auf die Funktion u = u(x,y) der Operator ∂∂x

angewendet wird. Auf diese Weise lassen sich alle 6Verzerrungen als Anwendung von Differenzialoperatoren auf die Verschiebungsfunktionen ausdrücken. Wirführen die Differenzialoperatormatrix ein:

B =

∂∂x

0 0

0 ∂∂y

0

0 0 ∂∂z

∂∂y

∂∂x

0

0 ∂∂z

∂∂y

∂∂z

0 ∂∂x

, (3.18)

fassen die Verzerrungen im Vektor

~ε = (εxx , εyy , εzz , γxy , γyz , γzx)

zusammen und können somit schreiben

εxx

εyy

εzz

γxy

γyz

γzx

= B ·

u(x, y, z)

v(x, y, z)

w(x, y, z)

Page 56: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

56 3 Die Deformation des belasteten Körpers

oder kurz

~ε = B · ~d (3.19)

Beispiel 3.1Einachsiger Spannungszustand des Stabes bei Längskraft

Bild 3.6Die Verschiebungen der Stabachse sind durch die Funktion u = u(x) gegeben.

a) Nehmen wir eine lineare Verschiebungsfunktion an, setzen wir also an

u(x) = a1 · x+ a0 .

Mit der Randbedingung u(0) = 0 folgt a0 = 0 ,

u(x) = a1 · x =⇒ εxx =∂u

∂x= a1 ,

alsou(x) = εxx · x .

Bei einem linearen Verschiebungsfeld sind die Dehnungen konstant im gesamten Stab.

b) Nehmen wir die Verschiebungsfunktion dagegen quadratisch an,

u(x) = a2 · x2 + a1 · x+ a0 ,

folgt aus der Randbedingung u(0) = 0 auch wieder a0 = 0 und weiter

εxx =∂u

∂x= 2a2 · x+ a1 .

Die Dehnung ist über die Stabachse nicht mehr konstant, sie enthält aber den konstanten Anteil a1 .

Das Berechnen des Verschiebungsfeldes eines belasteten Bauteils läßt sich mit einfachen Mitteln z.B. nurin der Balkentheorie durchführen, wo es unter anderem darum geht, die Biegelinie w(x) der Balkenachsezu finden. Mit der Finite Elemente Methode gelingt es, auch für komplizierte Bauteile bei beliebigerBelastung das Verschiebungsfeld näherungsweise zu berechnen.

Page 57: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.3 Die Stoffgesetze (Das Hooke’sche Gesetz) 57

3.3 Die Stoffgesetze (Das Hooke’sche Gesetz)

Als Nächstes wird der Zusammenhang zwischen den Spannungen und den Verzerrungen eines belastetenKörpers hergestellt. Dieser Zusammenhang wird vom physikalischen Verhalten des Werkstoffs geprägt.

Für den eindimensionalen Fall wird das Verhalten am Zug-/Druckstab untersucht.

Bild 3.7Man hat empirisch herausgefunden, dass innerhalb gewisser Belastungsgrenzen ein linearer Zusammenhangzwischen der durch die Kraft F hervorgerufenen Spannung σxx und der Verzerrung εxx besteht. In dernichtlinearen Elastizitätstheorie wird das Verhalten des Werkstoffs auch bei größeren Lasten untersucht. Dielineare Beziehung lautet

σxx = E · εxx , (3.20)

wobei εxx = L′−LL

das Verhältnis der Längenänderung ∆L = L′ − L zur ursprünglichen Länge L ist.Die Formel (3.20) ist das Hooke’sche Gesetz (Hooke, 1635-1703) für den eindimensionalen Fall. DerElastizitätsmodul E ist ein konstanter Proportionalitätsfaktor, der den linearen Bezug herstellt. Da εxxdimensionslos ist, hat E dieselbe Dimension wie die Spannung, also Kraft/Fläche.Da der Stab im Zug-/Druckversuch nicht nur länger/kürzer wird, sondern in seinem Querschnitt auch dün-ner/dicker, sind auch Dehnungen in z- und y-Richtung vorhanden, für die folgende Formeln gelten:

Bild 3.8

εyy = −ν

E· σxx εzz = −

ν

E· σxx (3.21)

Dabei sind εyy = b′−bb

und εzz = h′−hh

. Die Konstante ν heißt Querkontraktionszahl. Sie ist dimen-sionslos. Wird der Stab z.B. gedehnt, verjüngt sich der Stab, d.h. b′ < b und h′ < h, daher das negativeVorzeichen in 3.21.Auch für die Schubspannung gilt ein linearer Zusammenhang zwischen der Schubspannung und der Gleitung:

τxy = G · γxy (3.22)

Page 58: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

58 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Die Konstante G heißt Gleitmodul. Da γxy dimensionslos ist, hat G dieselbe Dimension Kraft/Fläche wiebei der Spannung. Normaler Stahl hat die Konstanten

Stahl :

E = 2, 1 · 105 Nmm2

ν = 0, 3

G = 0, 8 · 105 Nmm2

(3.23)

Für die 3 Werkstoffkonstanten besteht ein formelmäßiger Zusammenhang, sodass nur jeweils 2 Größen be-kannt sein müssen:

E = 2 ·G · (1 + ν) (3.24)

Im Folgenden erweitern wir auf den dreidimensionalen Zustand und entwickeln das verallgemeinerte Hoo-ke’sche Gesetz. Wir betrachten einen achsenparallelen Quader, der in seinen Seitenflächen durch die Nor-malspannungen σxx , σyy , σzz beansprucht ist.

Bild 3.9σxx erzeugt in x-Richtung eine Verlängerung und jeweils eine Verkürzung in y- und z-Richtung, es gilt

ε(1)xx =

1

E· σxx , ε

(1)yy = −

ν

E· σxx , ε

(1)zz = −

ν

E· σxx ,

für die y- bzw. z-Richtung gilt analog

ε(2)xx = − ν

E· σyy , ε

(2)yy = 1

E· σyy , ε

(2)zz = − ν

E· σyy ,

ε(3)xx = − ν

E· σzz , ε

(3)yy = − ν

E· σzz , ε

(3)zz = 1

E· σzz .

Durch Aufaddieren erhalten wir die Gesamtdehnungen in den Achsenrichtungen

Page 59: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.3 Die Stoffgesetze (Das Hooke’sche Gesetz) 59

εxx =1

E(σxx − ν(σyy + σzz))

εyy =1

E(σyy − ν(σzz + σxx))

εzz =1

E(σzz − ν(σxx + σyy)) .

(3.25)

Für die 3 Schubspannungen ergibt mit (3.22)

γxy =1

G· τxy , γyz =

1

G· τyz , γzx =

1

G· τzx . (3.26)

Die 6 Gleichungen (3.25) und (3.26) fassen wir mit den Vektoren

~σ T = (σxx , σyy , σzz , τxy , τyz , τzx) ,

~ε T = (εxx , εyy , εzz , γxy , γyz , γzx)

und der Matrix D−1 (wir schreiben sie als inverse Matrix )

D−1 =1

1 −ν −ν 0 0 0

−ν 1 −ν 0 0 0

−ν −ν 1 0 0 0

0 0 0 2(ν + 1) 0 0

0 0 0 0 2(ν + 1) 0

0 0 0 0 0 2(ν + 1)

(3.27)

zu der Beziehung~ε = D−1 · ~σ (3.28)

zusammen. Die Matrix D−1 ist regulär, wie man leicht sieht, da Erzeugen von Nullen unter der Diagonaleneine vollständige Dreiecksmatrix bringt. Also können wir die Umkehrgleichung zu (3.28) angeben, wobei wirvorher die Umkehrmatrix D zu D−1 berechnen:

D =E

(1 + ν)(1− 2ν)·

1− ν ν ν 0 0 0

ν 1− ν ν 0 0 0

ν ν 1− ν 0 0 0

0 0 01− 2ν

20 0

0 0 0 01− 2ν

20

0 0 0 0 01− 2ν

2

Satz 3.1 ~σ = D · ~ε

Dies ist das verallgemeinerte Hooke’sche Gesetz.

Page 60: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

60 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Nehmen wir an, dass das Verschiebungsfeld ~d eines belasteten Bauteils gegeben ist. Mit den Beziehungen(3.19) und Satz (3.1) lassen sich aus den Verschiebungen die Spannungen berechnen:

~σ = D ·B · ~d . (3.29)

Beispiel 3.2Ein Stab der Länge l = 4000 mm wird durch eine Längskraft um ∆l = 1, 2 mm verlängert.a) Welche Normalspannung liegt vor ?b) Mit welcher Kraft wird gezogen, wenn der Querschnitt des Stabes A = 15cm2 beträgt ? (Gegeben istE = 210000 N

mm2 .)Für diesen eindimensionalen Fall schrumpfen die Matrizen B und D auf Skalare zusammen:

B =∂

∂x, D = E .

Die Verschiebungsfunktion wird linear angesetzt, u = u(x) = a1x+a0. Mit den Randbedingungen u(0) =0 und u(4000) = 1,2 mm wird u(x) = 1,2

4000· x . Es folgt

ε = B · u(x) =∂u

∂x=

1, 2

4000= 0, 0003 .

Die Normalspannung ist

σ = E · ε = 210000 · 0, 0003N

mm2= 63

N

mm2.

Die Zugkraft beträgtF = σ ·A = 63 · 1500 mm2 N = 94500 N .

Beispiel 3.3Für einen belasteten Körper sei das Verrschiebungsfeld bekannt:

~d (x, y, z) =

u(x, y, z)

v(x, y, z)

w(x, y, z)

=

2 · 10−5 · x2 + 4 · 10−2 + 10−4 · z32· 10−4 · x+ 1

2· 10−4 · y2 − 10−5 · z2

0, 4 · 10−3 · y − 2, 5 · 10−4 · x+ 2 · 10−2

mm .

Welche Verschiebungen erfährt der Punkt P(1 | 1 | 2), wobei die Koordinaten in mm angegeben sind ?Wie groß ist der Spannungsvektor in diesem Punkt ?Für die Verschiebungen bekommen wir, indem wir in ~d die Koordinaten von P einsetzen:

~d (1, 1, 2) =

0, 0402

0, 0016

0, 0202

mm .

Page 61: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.4 Die Gleichgewichtsbedingungen am belasteten Körper 61

Bei Stahl können wir mit E = 210000N

mm2und ν = 0, 3 arbeiten und haben

D = 403846 ·

0, 7 0, 3 0, 3 0 0 0

0, 3 0, 7 0, 3 0 0 0

0, 3 0, 3 0, 7 0 0 0

0 0 0 0, 2 0 0

0 0 0 0 0, 2 0

0 0 0 0 0 0, 2

N

mm2.

Die Verzerrungen haben wir über (3.19) zu

~ε T (x, y, z) =(

4 · 10−5x , 10−5y , 25000

, 32· 10−4 , 1

5· 10−4z − 5

2· 10−4 , − 3

2· 10−4

).

Durch Einsetzen der Koordinaten von P ergibt sich der Verzerrungsvektor an dieser Stelle zu

~ε T (1, 1, 2) =(

4 · 10−5 , 10−5 , 4 · 10−4 , 32· 10−4 , −21 · 10−5 , − 3

2· 10−4

).

Die Spannungen in P erhalten wir durch Einsetzen von ~ε in (3.1):

~σ T (1, 1, 2) =(

61 , 56 , 119 , 12 , −16 , −12) N

mm2.

3.4 Die Gleichgewichtsbedingungen am belasteten Körper

Wir gehen naturgemäß davon aus, dass sich der Gesamtkörper im Gleichgewicht befindet. Jeder beliebigeaus dem Gesamtkörper herausgeschnittene Teilkörper muss an seinen Schnittflächen derart mit Spannungenversehen werden, dass auch er im Gleichgewicht ist. Das Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen an diesemSchnittkörper ergibt einen Zusammenhang zwischen den auftretenden Spannungen.Wir wählen innerhalb des Körpers an beliebiger Stelle einen infinitesimalen Quader mit den achsenparallelenKantenlängen dx, dy, dz. Die Punkte Mxy , Myz , Mzx liegen in den Mittelpunkten der Rechtecke desQuaders in der xy-Ebene, yz-Ebene bzw. zx-Ebene.Die Spannungen nachfolgenden Bild 3.10 sind der Übersichtlichkeit halber nur an den negativen Schnittuferneingezeichnet. Vom Punkt P ausgehend entwickeln wir die Spannungen in den jeweils um dx, dy, dz versetztenparallelen Schnittebenen. Dort an den positiven Schnittufern haben die Spannungen das entgegengesetzteVorzeichen und auch einen anderen Betrag. Die Spannungen sind Funktionen von x, y und z. Wir entwickelndie Spannungsfunktion σxx = σxx(x, y, z) um den Punkt P(x | y | z) nach der Taylorformel (3.3), indem wirx um dx ändern, aber y und z festhalten. Mit dy = dz = 0 folgt

σxx(x+ dx, y, z) = σxx(x, y, z) +∂σxx

∂x· dx +

1

2·∂σ2xx

∂x2· dx2 + · · · .

Wir berücksichtigen nur den linearen Anteil (Bild 3.11):

σxx(x+ dx, y, z) = σxx(x, y, z) +∂σxx

∂x· dx . (3.30)

Page 62: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

62 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Bild 3.10

Bild 3.11

Ähnliches gilt auch für die anderen 5 Spannungen σyy , · · · . Wir können im herausgeschnittenen Quader inBild 3.10 die Spannungen in allen Ebenen angeben und somit die Gleichgewichtsbedingungen aufstellen.Betrachten wir zunächst alle Kräfte in x-Richtung und tragen sie in Bild 3.12 ein.

Bild 3.12Die in x-Richtung angreifenden Kräfte müssen im Gleichgewicht stehen, wobei die Kräfte sich als Produkte

Page 63: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.5 Die Gleichungen des belasteten dreidimensionalen Körpers 63

der Spannungen mit ihren zugehörigen Flächen ergeben:

(σxx +∂σxx

∂x· dx) · dy · dz + (τxy +

∂τxy

∂y· dy) · dz · dx + (τzx +

∂τzx

∂z· dz) · dx · dy

!= σxx · dy · dz + τxy · dz · dx + τzx · dx · dy .

(3.31)

Für die beiden anderen Achsenrichtungen y und z leiten wir analoge Beziehungen her. Indem wir (3.31) nochvereinfachen, bekommen wir die Gleichgewichtsbedingungen

∂σxx

∂x+

∂τxy

∂y+

∂τzx

∂z= 0

∂τxy

∂x+

∂σyy

∂y+

∂τyz

∂z= 0

∂τzx

∂x+

∂τyz

∂y+

∂σzz

∂z= 0

. (3.32)

Die Gleichungen sind die 3 Gleichgewichtsbedingungen, ausgedrückt durch die 6 Spannungen. Dabei habenwir den Satz 2.1 auf S.43 berücksichtigt und somit von 9 auf 6 Spannungen reduziert. Nun müßten wirnoch die Momentengleichgewichtsbedingungen aufstellen, erhalten aber nur den Sachverhalt des Satzes 2.1.Die obigen Gleichungen stellen partielle Differenzialgleichungen 1. Ordnung dar. Die wichtigste Aufgabe derlinearen Elastizitätstheorie ist die Lösung dieser Gleichungen.

Die unabhängigen Veränderlichen der partiellen DGL’en sind die Koordinaten x,y,z, deren Definitionsbereichdie Menge aller Punkte des Bauteils ist. Gesucht sind die 6 Lösungsfunktionen σxx(x, y, z), · · · , τzx(x, y, z).Diese Funktionen hängen noch von freien Parametern ab, die durch Randbedingungen festgelegt werden. DieRandbedingungen sind zum einen durch die Vorgabe der Auflager, zum anderen durch die äußeren Lastenbestimmt.

3.5 Die Gleichungen des belasteten dreidimensionalen Körpers

3.5.1 Der gelagerte Körper

Wir gehen von den Gleichungen (3.19) , (3.32) und dem Hooke’schen Gesetz (Satz 3.1) aus und entwickelndaraus Lösungsansätze für einfache Fälle hinsichtlich der gesuchten Spannungen und Deformationen.

Der allgemeine Fall ist ein dreidimensionales Bauteil, das ausreichend gelagert ist und durch äußere Kräftebelastet wird. Die Lasten können Einzellasten, Streckenlasten, Flächenlasten oder auch Volumenkräfte sein.Das Eigengewicht ist z.B. eine Volumenkraft, die in der Dimension Kraft / Volumen angegeben wird. Wirlassen die Volumenkräfte im Augenblick beiseite.

Wir teilen die Oberfläche in 2 Bereiche ein, einen Bereich Ra, auf dem die Randbedingungen gelten (Auflager)und einen Bereich Rb, wo die äußeren Lasten wirken.Dem Bereich Rb schlagen wir auch die lastfreien Bereiche zu, sodass die gesamte Oberfläche des Bauteils alsVereinigung von Ra und Rb gesehen werden kann:

Page 64: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

64 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Für jeden Punkt des Bauteils sind gesucht:

• die Verschiebungen, also die Verschiebungsfunktion (3 Unbekannte)

~d =

u(x, y, z)

v(x, y, z)

z(x.y.z)

• die Verzerrungen εxx(x, y, z), · · · , γzxx, y, z) (6 Unbekannte)

• die Spannungen σxx(x, y, z), · · · , τzxx, y, z) . (6 Unbekannte)

Für diese 15 Unbekannten stehen 15 Gleichungen zur Verfügung:

• die kinematischen Gleichungen (3.19) (6 Gleichungen)

• die Stoffgesetze (Hooke’sches Gesetz) (Satz 3.1) (6 Gleichungen)

• die Gleichgewichtsbedingungen (3.32) . (3 Gleichungen)

Bild 3.13

Folgende Punkte sind noch zu beachten:

(1) Die Auflagerbedingungen können dadurch befriedigt werden, dass in den Lösungsfunktionen für dieVerschiebungen die freien Parameter festgelegt werden.

(2) Die eingetragenen äußeren Kräfte müssen noch berücksichtigt werden. Eine äußere Kraft muss mit denSpannungen an der Angriffsstelle im Gleichgewicht stehen. Liegt eine äußere Kraft

~P T = (Px , Py , Pz)

vor und ist~n T = (cosα , cosβ , cos γ)

der Einheitsnormalenvektor im Angriffspunkt der Kraft, müssen die Oberflächenspannungen an dieser Stellemit der Kraft ~F im Gleichgewicht stehen. Mit der Beziehung (2.4) auf S.44 gilt

~P = ~s = S · ~n

Page 65: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.5 Die Gleichungen des belasteten dreidimensionalen Körpers 65

oder ausführlichPx = σxx · cosα + τxy · cosβ + τzx · cos γ

Py = τxy · cosα + σyy · cosβ + τyz · cos γ

Pz = τzx · cosα + τyz · cosβ + σzz · cos γ .

(3.33)

(3) Das Bauteil sei durch Volumenkräfte belastet. Volumenkräfte wirken in jedem Punkt des Bauteils, wennsie z.B. durch das Eigengewicht des Körpers hervorgerufen werden. Die Volumenkraft sei

~F T = (X , Y , Z) .

Die Gleichgewichtsbedingungen (3.32) erweitern sich z.B. für die x-Richtung um die Kraft X, sodass sichdie Gleichgewichtsbedingungen nun darstellen als

∂σxx

∂x+

∂τxy

∂y+

∂τzx

∂z+ X = 0

∂τxy

∂x+

∂σyy

∂y+

∂τyz

∂z+ Y = 0

∂τzx

∂x+

∂τyz

∂y+

∂σzz

∂z+ Z = 0 .

(3.34)

3.5.2 Einfache Lösungsansätze

In der technischen Festigkeitslehre werden stark vereinfachende Annahmen getroffen, die mit den realenVerhältnissen oft gut übereinstimmen. Lösungen lassen sich dann relativ einfach finden.

Beispiel 3.4 Stab mit Normalkraft (Bild 3.6 auf S.56)Annahmen: Die Stabachse bleibt gerade, es treten nur Normalspannungen σxx auf, die Spannung ist überden Querschnitt gleichverteilt.

Von den 15 Gleichungen bleiben für den eindimensionalen Fall folgende übrig:

(1) εxx =∂u

∂x(2) εyy =

∂v

∂y(3) εzz =

∂w

∂z

(4) εxx =1

E· σxx (5) εyy = −

ν

E· σxx (6) εzz = −

ν

E· σxx

(7)∂σxx

∂x= 0 .

Glücklicherweise können wir die Gleichungen (1) , (4) und (7) getrennt von den anderen behandeln. Aus (7)bekommen wir durch unbestimmte Integration

σxx = C1 , C1 ∈ R .

Weit genug von der Krafteinleitung am Stabende weg ist nach obiger Annahme die Spannung gleichmäßigüber die Querschnittsfläche A verteilt, sodass∫

A

σxx dA = F =⇒ σxx =F

A.

Page 66: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

66 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Die Gleichungen (1) und (4) fassen wir zusammen zu

σxx = E ·∂u

∂x,

lösen nach∂u

∂xauf:

∂u

∂x= σxx ·

1

E=

F

A · E,

Integration liefert

u(x) =F

A · E· x+ C2 .

Die Randbedingung u(0) = 0 an der Einspannung liefert sofort C2 = 0, also

u(x) =F

A · E· x .

Aus (1) erhalten wir die Dehnung

εxx =F

A · E.

Nun können hieraus mit den Gleichungen (2) , (3) , (5) und (6) die Dehnungen und Verschiebungen in y-und z-Richtung berechnet werden.

Beispiel 3.5 Reine Biegung am Balken mit Rechteckquerschnitt

Bild 3.14Das Moment My greift am Balkenende im Schwerpunkt der Querschnittsfläche an.Annahmen: Die Querschnitte senkrecht zur Balkenachse bleiben nach der Verformung eben. Die Schnitt-flächen parallel zur Balkenachse sind spannungsfrei.Aus den Annahmen folgt σyy = σzz = τyz = τxy = τzx = 0 . Damit stehen folgende Gleichungen zur

Page 67: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.5 Die Gleichungen des belasteten dreidimensionalen Körpers 67

Verfügung:

εxx =∂u

∂x, εzz =

∂w

∂z, γzx =

∂w

∂x+

∂u

∂z,

εxx =1

E· σxx , εzz = −

ν

E· σxx , γzx = 0 ,

∂σxx

∂x= 0 .

Die obigen Annahmen (Bernoulli-Hypothese) machen den Ansatz für die Lösungsfunktion σxx(z) einfach.Die Spannung ist von x und y unabhängig, sie hängt nur von z ab:

σxx = C1 · z + C2 .

Dieser Ansatz folgt aus dem unbestimmten Integral über z, d.h. erfüllt∂σxx

∂x= 0 . Berechnen wir die

Parameter C1 und C2.(1) Da Längskräfte nicht vorhanden sind, ist die Summe aller Kräfte in x-Richtung im Querschnitt gleich 0:∫

A

σxx dA = 0 =⇒

h2∫−h

2

b2∫− b

2

(C1 · z + C2) dydz =

h2∫

−h2

(C1 · z + C2) · y b

2

− b2

dz

=

h2∫−h

2

(C1 · z + C2) · b dz =1

2· C1 · z2 · b + C2 · z · b

h2

−h2

= C2 · b · h = 0 .

Es folgt C2 = 0.

(2) In der Querschnittsfläche herrscht Momentengleichgewicht, wir integrieren über die Momente, die vonden σxx in der Querschnittsfläche erzeugt werden:

h2∫

−h2

b2∫

− b2

σxx · z dydz =

h2∫

−h2

b2∫

− b2

C1 · z2 dydz

=

h2∫

−h2

C1z2b dz = C1

b · z3

3

h2

−h2

=C1 · b · h3

12!=

My .

Daraus folgt C1 =12

b · h3·My =

My

Iy. Die Spannungsfunktion lautet somit

σxx(z) =My

Iy· z . (3.35)

Für die Dehnung ergibt sich sofort

εxx(z) =My

E · Iy· z . (3.36)

Page 68: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

68 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Aus den kinematischen Gleichungen berechnen wir die Verschiebungsfunktionen u(x,z) und w(x,z). Wegen

εxx =∂u

∂xfolgt u(x, z) =

My

E · Iy· z · x+ f(z) .

Es wurde über x integriert, die Integrationskonstante hängt daher noch von z ab, also C = f(z).

Aus

εzz =∂w

∂zfolgt analog w(x, z) = −

1

2·ν ·My · z2

E · Iy+ g(x) .

Aus der Gleichung∂w

∂x+

∂u

∂z= γzx = 0 berechnen wir die Integrationsparameter f(z) und g(x):

∂w

∂x+

∂u

∂z= g′(x) + f ′(z) +

My

E · Iy· x = 0

oderf ′(z) = − g′(x) −

My

E · Iy· x .

Das bedeutet aber, dass f’(z) hinsichtlich z eine Konstante ist, f ′(z) = C3, also folgt

g′(x) = −My

E · Iy· x− C3 ,

g(x) = −1

2·My

E · Iy· x2 − C3 · x+ C4

und damit für w(x,z)

w(x, z) = −1

2·ν ·My

E · Iy· z2 −

1

2·My

E · Iy· x2 − C3 · x+ C4 .

Mit den Randbedingungen w(0, 0) = 0 und∂w

∂x(0, 0) = 0 werden C3 = C4 = 0 . Die Verschiebungs-

funktion lautet endgültig

w(x, z) = −1

2·ν ·My

E · Iy· z2 −

1

2·My

E · Iy· x2 .

Die Randbedingungen besagen, dass der Balken im Punkt A befestigt ist und ansonsten an der Wand anlehnt.Vernachlässigen wir die Querdehnung in z-Richtung, ergibt sich die Biegelinie, die aus der elementarenBalkentheorie bekannt ist:

w(x, 0) = −1

2·My

E · Iy· x2 .

Dies ist die Biegelinie der Balkenachse in der zx-Ebene.

Die Beispiele zeigen, dass man vereinfachende Annahmen treffen muss, um zu Lösungsansätzen zu kommen.Eine andere Möglichkeit, Lösungen der 15 Gleichungen zu finden, besteht darin, die gegebenen Differenzial-gleichungen in andere DGL’en umzuformen, für die man Lösungsansätze finden kann.

(1) Wir untersuchen dies am zweidimensionalen Spannungszustand. Beim ebenen Spannungszustand

Page 69: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.5 Die Gleichungen des belasteten dreidimensionalen Körpers 69

reduzieren sich die 15 Gleichungen in (3.19) , Satz 3.1 , (3.32) auf 8 Gleichungen mit 8 Unbekannten:

εxx =∂u

∂xεyy =

∂v

∂yγxy =

∂u

∂y+

∂v

∂x

εxx =1

E· (σxx − ν · σyy) εyy =

1

E· (σyy − ν · σxx) γxy =

1

G· τxy

∂σxx

∂x+

∂τxy

∂y= 0

∂τxy

∂x+

∂σyy

∂y= 0

(3.37)

Wir reduzieren die Anzahl der Gleichungen nochmals, indem wir die Verzerrungen und Spannungen eliminie-ren, sodass nur 2 DGL’en für die Verschiebungen übrig bleiben. Wir lösen die Verzerrungs-Spannungsbezieh-ungen nach den Spannungen auf und ersetzen die Verzerrungen durch die partiellen Ableitungen der Ver-schiebungen:

σxx =E

1− ν2· (∂u

∂x+ ν ·

∂v

∂y) ,

σyy =E

1− ν2· (∂v

∂y+ ν ·

∂u

∂x) ,

τxy =E

2(1 + ν)· (∂u

∂y+

∂v

∂x) .

(3.38)

Hiervon bilden wir partielle Ableitungen wie sie in (3.37) vorkommen:

∂σxx

∂x=

E

1− ν2

(∂2u

∂x2+ ν ·

∂2v

∂x∂y

),

∂σyy

∂y=

E

1− ν2

(∂2v

∂y2+ ν ·

∂2u

∂x∂y

),

∂τxy

∂x=

E

2(1 + ν)

(∂2u

∂x∂y+∂2v

∂x2

),

∂τxy

∂y=

E

2(1 + ν)

(∂2u

∂y2+

∂2v

∂x∂y

),

setzen sie in die DGL’en in (3.37) ein und vereinfachen. Es ergeben sich DGL’en für die Verschiebungen:

1

1− ν2·[∂2u

∂x2+

1− ν2·∂2u

∂y2

]+

1

2(1− ν)·∂2v

∂x∂y= 0

1

1− ν2·[

1− ν2·∂2v

∂x2+

∂2v

∂y2

]+

1

2(1− ν)·∂2u

∂x∂y= 0 .

(3.39)

Dies ist ein partielles DGL-System für die Verschiebungsfunktionen u(x,y) und v(x,y). Wir verfolgen dieseDGL’en nicht weiter, werden aber bei den Variationsmethoden für die FEM hierauf zurückkommen.

(2) Eine andere Möglichkeit, die Gleichungen (3.37) zu vereinfachen, besteht darin, auf Gleichungen für dieSpannungen zu reduzieren. Wir bilden von den Verzerrungen partielle Ableitungen 2. Ordnung:

∂2εxx

∂y2=

∂3u

∂x∂y2,

∂2εyy

∂x2=

∂3v

∂y∂x2,

∂2γxy

∂x∂y=

∂3u

∂x∂y2+

∂3v

∂y∂x2

und fassen sie zu einer Gleichung zusammen:

∂2εxx

∂y2+

∂2εyy

∂x2−

∂2γxy

∂x∂y= 0 . (3.40)

Page 70: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

70 3 Die Deformation des belasteten Körpers

Dies ist die sogenannte Verträglichkeitsbedingung. Wir ersetzen hier noch die Verzerrungen durch dieSpannungen und haben dann mit den beiden Gleichgewichtsbedingungen aus (3.37) (dort die beiden letztenGleichungen) 3 DGL’en für die 3 unbekannten Spannungsfunktionen:

∂2(σxx − ν · σyy)

∂y2+

∂2(σyy − ν · σxx)

∂x2= 2(1 + ν)

∂2τxy

∂x∂y,

∂σxx

∂x+

∂τxy

∂y= 0 ,

∂τxy

∂x+

∂σyy

∂y= 0 .

(3.41)

Wir erhalten einen Lösungsansatz, wenn wir die 3 gesuchten Spannungsfunktionen durch einen Funktions-ansatz ersetzen, die Airy´sche Spannungsfunktion Φ(x, y), die durch die Bedingungen

σxx =∂2Φ

∂y2, σyy =

∂2Φ

∂x2, τxy = −

∂2Φ

∂x∂y(3.42)

definiert wird. Dieser Ansatz erfüllt die beiden letzten Gleichungen aus (3.41). Setzen wir noch (3.42) in dieerste Gleichung von (3.41) ein, ergibt sich eine partielle DGL für Φ(x, y):

∂4Φ

∂y4− ν ·

∂4Φ

∂x2∂y2+

∂4Φ

∂x4− ν ·

∂4Φ

∂x2∂y2= − 2(1 + ν) ·

∂4Φ

∂x2∂y2

oder vereinfacht∂4Φ

∂x4+ 2

∂4Φ

∂x2∂y2+

∂4Φ

∂y4= 0 . (3.43)

Mit dem Operator

∆Def=

∂2

∂x2+

∂2

∂y2

und der Eigenschaft

∆∆ =∂4

∂x4+ 2

∂4

∂x2∂y2+

∂4

∂y4

können wir (3.43) kurz notieren:∆∆Φ(x, y) = 0 . (3.44)

Anstelle von Lösungen für (3.44) sucht man zunächst Lösungen der DGL ∆Ψ(x, y) = 0. Dann sind nämlichdie Funktionen Φ(x, y) = x ·Ψ(x, y) oder Φ(x, y) = y ·Ψ(x, y) oder Φ(x, y) = (x2 + y2) ·Ψ(x, y) Lösungenvon (3.44). Es wird hier nicht bewiesen, dass alle Funktionen der Gestalt

Ψ(x, y) = (x± i · y)n , n = 1, 2, 3, · · ·

Lösungen von ∆Ψ(x, y) = 0 sind, wobei i die imaginäre Einheit ist. Damit sind aber auch die Real- undImaginärteile Lösungen der DGL. Es läßt sich also ein ganzer Katalog von Funktionen als Lösungen von∆∆Φ(x, y) = 0 angeben:

Φ(x, y) = x , y , x2 , y2 , x3 , y3 , xy , x2y , xy2 , · · · .

Die Schwierigkeit besteht darin, für die jeweilige Probemstellung (Art des Bauteils) Lösungsfunktionen soauszuwählen, dass die vorgegebenen Randbedingungen erfüllbar sind. Das folgende Beispiel zeigt, wie schnellder Aufwand gegenüber der elementaren Balkentheorie steigt. Es ist wohl klar, dass bei komplizierterenBauteilen diese Methode nicht mehr handhabbar ist.

Page 71: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

3.5 Die Gleichungen des belasteten dreidimensionalen Körpers 71

Beispiel 3.6Ein Balken der Länge L mit rechteckigem Querschnitt der Breite b und der Höhe h sei am Anfang imSchwerpunkt befestigt und lehne ansonsten an der Wand. In Bild 3.14 wird allerdings das Moment durcheine Querkraft F in positiver z-Richtung ersetzt. Wir interessieren uns für den Spannungsverlauf im Balken.

Es gilt σzz = σyy = τyz = τxy = 0 . Gesucht sind die Spannungsfunktionen σxx und τxz . Wir fordern,dass am Balkenende für x = L die Normalspannung σxx = 0 ist. Da der Balken auf der Ober- und Unterseitenicht belastet ist, ist hier τzx = 0 anzunehmen. Das hat Konsequenzen für den Verlauf τzx im Querschnittdes Balkens.

Bild 3.15Wir nehmen an, dass τzx in y-Richtung konstant ist und machen den Ansatz

τzx(z) = A · z2 + B .

Dies ist eine Parabelgleichung und wir können erzwingen, dass für z ± h2

die Schubspannung (wie obenvorausgesetzt) 0 ist.Aus diesem Ansatz können wir mittels der letzten Gleichung aus (3.42) auf die Airy´sche SpannungsfunktionΦ(x, z) schließen, wobei die Veränderlichen hier x und z anstelle von x und y sind. Durch unbestimmteIntegration über z und dann über x haben wir

Φ(x, z) = −(A

3· z3 +B · z

)· x+ C .

Dieser Ansatz kann aber σxx = 0 nicht befriedigen, denn wegen der ersten Gleichung in (3.42) ist

σxx =∂2Φ

∂z2= 2A · z · x .

Dies ist aber an der Stelle x = L ungleich 0 und stimmt daher nicht mit unserer Randbedingung für σxxüberein. Wir erweitern daher unseren obigen Ansatz mit neuen Koeffizientenbezeichnugen zu

Φ(x, z) =(C1 · z3 + C2 · z

)· x+ C3 · z3

und bestimmen die Parameter C1 , C2 , C3 . Mit (3.42) wird

σzz =∂2Φ

∂x2= 0 , σxx =

∂2Φ

∂z2= 6 · C1 · z · x+ 6 · C3 · z ,

τxz = −∂2Φ

∂x∂z= 3 · C1 · z2 + C2 .

Wir nutzen die Randbedingungen:

Page 72: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

72 3 Die Deformation des belasteten Körpers

σxx(x = L , z) = 6 · z ·(C1 · L+ C3

)= 0 =⇒ C3 = −L · C1 ,

τxz(x , z =h

2) = 3 · C1 ·

h2

4+ C2 = 0 =⇒ C2 = −3 · C1 ·

h2

4,

h2∫−h

2

b2∫− b

2

(3 · C1 · z2 + C2

)dydz = b ·

(C1 ·

h2

4+ C2 · h

)= F .

Es folgt

C1 = −2 · Fb · h3

, C2 =3 · F

2 · b · h, C3 =

2 · F · Lb · h3

.

Die Airy´sche Spannungsfunktion lautet nun

Φ(x, z) = −F

2 · b · h3

[x · (4 · z3 − 3h3z)− 4 · L · z3

].

Mit (3.42) ergeben sich die gesuchten Spannungen

σxx =12 · Fb · h3

· z · (L− x) , τxz = −6 · Fb · h3

·(z2 −

h2

4

).

Mit den Randbedingungen an der Einspannung und den Beziehungen (3.37) kann man noch die Verschie-bungsfunktionen u(x,z) und w(x,z) entwickeln. Ein längerer Rechengang liefert

w(x, z) = −6 · F

E · b · h3·[−ν · z2(L− x) +

1

3x3 − L · x2 −

2(1 + ν)

4· h2 · x

].

Speziell im Angriffspunkt der Kraft ist

w(L, 0) =4 · F · L3

E · b · h3+ 3 ·

F · LE · b · h

· (1 + ν) . (3.45)

Die elementare Balkentheorie liefert eine leichte Abweichung,

w(L, 0) =4 · F · L3

E · b · h3+

11

5·F · LE · b · h

· (1 + ν) .

Page 73: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

73

4 Integrale

In diesem Kapitel werden die Integraltypen erläutert, die zum Verständnis des Energiesatzes, des Zusammen-hangs des Prinzips der virtuellen Verschiebungen mit dem Prinzip vom Minimum der totalen potenziellenEnergie und zur Entwicklung der FEM notwendig sind.

4.1 Kurvenintegrale

Beginnen wir mit dem Integral der Bogenlänge für ebene Kurven y = f(x).

Bild 4.1Das Differenzial ds der Bogenlänge ist

ds2 = dx2 + dy2

oder (ds

dx

)2

= 1 +

(dy

dx

)2

oderds

dx=√

1 + f ′ 2(x) . (4.1)

Integration liefert den

Satz 4.1 Die Länge des Bogens zwischen den Punkten Pa(a|f(a)) und P1(x1|f(x1)) ist

s =

x1∫

a

√1 + f ′ 2(x) dx (4.2)

Page 74: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

74 4 Integrale

Beispiel 4.1Gesucht ist die Bogenlänge des Kurvenstücks der Kurve zu y = f(x) = 1

2x2 zwischen den Punkten P1(0 | 0)

und P2(1 | 12

). Mit f ′(x) = x ergibt sich

s =

1∫0

√1 + x2 dx =

1

2· x ·

√1 + x2 + arsinhx

∣∣∣∣10

= 1, 15 .

4.1.1 Kurvenintegrale 1. Art

In der xy-Ebene ist die Kurve zu y = f(x) vorgelegt. Des weiteren ist über der xy-Ebene eine Fläche z =g(x,y) gegeben, die wir aber nur über der Kurve y = f(x) betrachten. Für die Punkte der Fläche über y =f(x) gilt z = g(x,f(x)) (Bild 4.2).

Bild 4.2 Bild 4.3Wir betrachten in einem Punkt P zu y = f(x) das tangentiale Bogenelement ds und muliplizieren es mit demFunktionswert g(x,f(x)) über P. Anschaulich gesehen bekommen wir das Flächenelement

dS = g(x, f(x)) · ds .

Dies ist der Flächeninhalt des über dem Bogenelement ds stehenden Rechtecks mit der Höhe g(x,f(x)). Wiein (4.1) schreiben wir um zu

dS = g(x, f(x)) ·√

1 + f ′ 2(x) dx . (4.3)

Integration liefert das gewünschte Ergebnis.

Satz 4.2 Der Flächeninhalt der „Wand“ über der Kurve zu y = f(x), die durch z = g(x,f(x)) begrenzt wird,ist

S =

x1∫

a

g(x, f(x)) ·√

1 + f ′ 2(x) dx . (4.4)

Man schreibt kurz S =∫C

g(x, y) dx , wobei C die Kurve zu y = f(x) bezeichnet.

Page 75: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

4.1 Kurvenintegrale 75

Beispiel 4.2

Das Kurvenstück C in der xy-Ebene ist y=f(x)=x+2 zwischen P1(0 | 2) und P2(2 | 4). Über der xy-Ebene istdie Fläche z=g(x,y)=x+y gegeben. Es ist g(x,f(x))=2x+2 und f’(x)=1. Der Flächeninhalt S des senkrechtstehenden Vierecks ist

Bild 4.4

S =2∫0

(2x+ 2)√

2 dx

= (x2 + 2x)√

2∣∣∣20

= 8 ·√

2 .

4.1.2 Kurvenintegrale 2. Art

Im xyz-Raum sind 2 Flächenfunktionen z = Q(x,y) und z = R(x,y) gegeben. Die in der xy-Ebene liegendeKurve C zu y = f(x) schneidet senkrecht über sich die Raumkurven z = Q(x,f(x)) bzw. z = R(x,f(x)) aus denFlächen aus. Zum Bogenelement ds gehören die Differenziale dx und dy. In Bild 4.5 ist das FlächenelementR(x, f(x)) · dy zu z = R(x,y) im Punkt P gebildet.

Bild 4.5Wir bilden die Flächenlemente R(x, f(x)) · dy und Q(x, f(x)) · dx, die wir addieren und dS nennen:

dS = Q(x, f(x)) · dx+R(x, f(x)) · dy .

Wegen dy = f ′(x)dx erhalten wir

dS = Q(x, f(x)) dx + R(x, f(x)) · f ′(x) dx

=[Q(x, f(x)) + R(x, f(x)) · f ′(x)

]dx .

(4.5)

Page 76: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

76 4 Integrale

Als Integral geschrieben ist

S =

x1∫a

[Q(x, f(x)) +R(x, f(x)) · f ′(x)

]dx , (4.6)

kurz

S =

∫C

[Q dx+R dy

]. (4.7)

4.1.3 Zusammenhang zwischen Kurvenintegralen 1. und 2. Art

Wir wandeln das Kurvenintegral 2. Art in eines 1. Art um:

S =x1∫a

[Q(x, f(x)) +R(x, f(x)) · f ′(x)] dx

=x1∫a

Q+R · f ′(x)√1 + f ′ 2(x)

·√

1 + f ′ 2(x) dx .

Mit der Wahl für g(x,f(x)),

g(x, f(x)) =Q(x, f(x)) +R(x, f(x)) · f ′(x)√

1 + f ′ 2(x),

geht S in ein Kurvenintegral 1. Art über:

S =

x1∫a

g(x, f(x)) ·√

1 + f ′ 2(x) dx .

Ergänzungen

(1) Kurvenintegrale der 2. Art lassen sich mit Hilfe des Tangentenvektors der Kurve C formulieren.

Bild 4.6

Der Tangentenvektor im Punkt P der Kurve Czu y = f(x) ist

~t =

(dx

dy

)=

(cos Φ

cos Ψ

)ds (4.8)

oder(dx

dy

)=

(1

dy/dx

)dx =

(1

f ′(x)

)dx ,

d.h.(1

f ′(x)

)dx =

(cos Φ

cos Ψ

)ds . (4.9)

Page 77: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

4.1 Kurvenintegrale 77

Mit (4.9) stellen wir das Integral (4.6) um:

S =x1∫a

[Q(x, f(x)) +R(x, f(x)) · f ′(x)

]dx

=x1∫a

[Q(x, f(x)) , R(x, f(x))

]···(

1

f ′(x)

)dx

=∫C

(Q · cos Φ +R · cos Ψ) ds .

(4.10)

(2) Ist die Kurve durch eine Paramterdarstellung gegeben,

~r(t) =

(x(t)

y(t)

),

können wir das Integral (4.6) mittels der Substitution x = x(t) von x nach t substituieren. Mit

x = x(t) , y = f(x(t)) , dx = x(t) dt ,ta = x−1(a)

t1 = x−1(x1)

ändert sich (4.6) in

S =

t1∫ta

[Q(x(t), y(t)) · x(t) + R(x(t), y(t)) · y(t)

]dt =

t1∫ta

[Q , R

]··· ~r(t) dt . (4.11)

N

Beispiel 4.3 Mit den Funktionen Q(x , y) = x+y und R(x , y) = 2y+1 berechnen wir das Kurvenintegral2. Art von P1(0 | 1) nach P2(2 | 4).

a) Nehmen wir die kartesische Form (4.6). Die Gerade durch P1 und P2 hat die Funktion y = f(x) = 32x+1:

S =2∫0

[x+ y + (2y + 1) · 32

] dx

=2∫0

[ 52x+ 1 + (3x+ 3) · 3

2] dx

= 54x2 + x+ 9

4x2 + 9

2x∣∣20

= 25 .

b) Für die Berechnung über die Parameterdarstellung nehmen wir für die Ortsdarstellung von P1 nach P2,z.B.

~r(t) =

(2t

1 + 3t

), ~r(t) =

(2

3

), 0 ≤ t ≤ 1 .

Mit Q(x(t), y(t)) = 1 + 5t , R(x(t), y(t)) = 3 + 6t wird

S =

1∫0

[(1 + 5t) · 2 + (3 + 6t) · 3

]dt =

1∫0

·[(28t+ 11]dt = 14t2 + 11t

∣∣10

= 25 .

Page 78: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

78 4 Integrale

4.2 Mehrfachintegrale

4.2.1 Doppelintegrale

Sei G eine konvexe Menge in der xy-Ebene. Eine Menge heißt konvex, wenn sie von jeder Geraden höchstenszweimal geschnitten wird (siehe Bild 4.7 auf S. 78). Auf G sei eine Funktion z = g(x, y) definiert, die zwischenG und g(x, y) ein Volumen begrenzt.Wir geben das Volumenintegral an:

∫G

g(x, y) dA =

x2∫x1

f2(x)∫f1(x)

g(x, y) dydx . (4.12)

Bild 4.7

4.2.2 Dreifachintegrale

Wir setzen ein konvexes dreidimensionales Gebiet V im R3 voraus, auf dem eine Funktion u = h(x, y, z)definiert ist. Die Oberfläche von V werde „unten“ durch die Funktion z = f1(x, y), „oben“ durch die Funktionz = f2(x, y) beschrieben. Die Projektion von V auf die xy-Ebene ist ein ebenes Gebiet G, dessen Rand durchdie Funktionen y = g1(x) und y = g2(x) begrenzt ist.

Bild 4.8

Page 79: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

4.2 Mehrfachintegrale 79

Das Volumenintegral lautet

∫V

h(x, y, z) dV =

x2∫x1

g2(x)∫g1(x)

f2(x,y)∫f1(x,y)

h(x, y, z) dzdydx . (4.13)

Beispiel 4.4 Das Integrationsgebiet ist ein Tetraeder, das durch die Ebenenx+ y + z = a , x = 0 , y = 0 , z = 0

begrenzt ist. Im Inneren des Tetraeders ist die Funktion z = h(x,y,z) = x definiert.

Bild 4.9

V =a∫0

a−x∫0

a−x−y∫0

x dzdydx

=a∫0

a−x∫0

xz∣∣a−x−y0

dydx

=a∫0

a−x∫0

x(a− x− y) dydx

=a∫0

xy(a− x)− 12xy2

∣∣a−x0

dx

=a∫0

12x(a− x)2 dx

= 14a2x2 + 1

8x4 − 1

3ax3

∣∣a0

= 124a4 .

4.2.3 Oberflächenintegrale

Über dem Gebiet G in der xy-Ebene sei die Funktion z = f(x,y) gegeben. Wir entwickeln das Integral fürdie Oberfläche, die die Funktion über G bildet (Bild 4.10).In G betrachten wir ein infinitesimales Rechteck mit den Seitenlängen dx und dy und das Flächenstück, dasdadurch in der Oberfläche aus z = f(x, y) ausgeschnitten wird.

Bild 4.10 Bild 4.11

Page 80: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

80 4 Integrale

Im Punkt P bilden wir die Tangentialebene mit ihren Richungsvektoren ~a in x-Richtung und ~b in y-Richtung:

~a T =

(dx , 0 ,

∂f

∂x· dx)

, ~b T =

(0 , dy ,

∂f

∂y· dy).

dF ′ ist die Projektion von dF ∗ oder dF . Das Flächenstück kann näherungsweise durch dF ∗ ersetzt werden:

dF ∗ =∣∣~a × ~b

∣∣ =

∣∣∣∣ (−∂f∂x · dydx , −∂f

∂y· dydx , dydx

) ∣∣∣∣=√

1 + f2x(x, y) + f2

y (x, y) dydx .

Als Integral geschrieben erhalten wir die Oberfläche O:

O =∫O

√1 + f2

x(x, y) + f2y (x, y) dO

=x2∫x1

f2(x)∫f1(x)

√1 + f2

x(x, y) + f2y (x, y) dydx .

(4.14)

Beispiel 4.5 Die Oberfläche zu z = f(x, y) =√

1− y2 über dem Gebiet des Einheitskreises ist zu berechnen.Mit fx(x, y) = 0 und fy(x, y) = − y√

1−y2wird das Integral, wenn wir zuerst über x, dann über y

integrieren, wobei wir die Integrationsgrenzen dem Bild entnehmen:

Bild 4.12

O =1∫−1

√1−y2∫

−√

1−y2

√1 + y2

1−y2 dxdy

=1∫−1

√1−y2∫

−√

1−y2

1√1−y2

dxdy

=1∫−1

1√1−y2

· x∣∣∣∣√

1−y2

−√

1−y2

dy

=1∫−1

2 dy = 4 .

4.2.4 Der Gauß’sche Integralsatz

Der Integralsatz von Gauß (1777-1855) für den R2 und R3 ist eine Verallgemeinerung der partiellen Inte-gration im R1. Wir gehen von einem Gebiet G in der xy-Ebene aus, das durch eine geschlossene RandkurveC umrandet wird und konvex ist. Die Kurve C können wir algebraisch auf 2 Arten erfassen.

Page 81: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

4.2 Mehrfachintegrale 81

Bild 4.13 Bild 4.14Im linken Bild 4.13 wird C beschrieben durch die Funktionen y = g1(x) und y = g2(x) für a ≤ x ≤ b, imrechten Bild durch die Funktionen x = h1(y) und x = h2(y) für α ≤ x ≤ β.

Auf G seien 2 Funktionen z = Q(x,y) und z = R(x,y) definiert, deren partielle Ableitungen existieren undstetig sind. Wir bilden zunächst die beiden Doppel(Bereichs-)integrale:

(1)∫G

Qy(x, y) dG =b∫a

g2(x)∫g1(x)

Qy(x, y) dydx =b∫a

[Q(x, g2(x))−Q(x, g1(x))

]dx

= −a∫b

Q(x, g2(x)) dx−b∫aQ(x, g1(x)) dx = −

∫C

Q(x, y) dx ,

(4.15)

(2)∫G

Rx(x, y) dG =β∫α

h2(y)∫h1(y)

Rx(x, y) dxdy =β∫α

[R(h2(y), y)−R(h1(y), y)

]dy

=β∫αR(h2(y), y) dy +

α∫β

R(h1(y), y) dy =∫C

R(x, y) dy .

(4.16)

Die Ergebnisse (4.15) und (4.16) fassen wir zusammen, indem wir (1) von (2) subtrahieren, und erhaltenden Satz von Stokes (1819-1903):

Satz 4.3 [Satz von Stokes]∫

G

[Rx(x, y)−Qy(x, y)

]dydx =

C

[Q(x, y)dx+R(x, y)dy

]

Das bedeutet, dass sich ein Bereichsintegral über (linker Teil) G durch ein Kurvenintegral (rechter Teil) 2.Art über dem Rand von C ersetzen läßt. Aus der Herleitung wird klar, dass die Kurve C zur Berechnungdes Linienintegrals gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen wird.

Im Satz von Stokes nehmen wir eine formale Änderung vor, indem wir R durch Q und Q durch -R ersetzen.Der Satz von Stokes schreibt sich jetzt∫

G

[Qx(x, y) +Ry(x, y)

]dydx =

∫C

[−R(x, y)dx+Q(x, y)dy

].

Page 82: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

82 4 Integrale

Diese Form des Satzes von Stokes können wir in den Gauß’schen Integralsatz umformen. Betrachten wir dieStellung des nach außen gerichteten Normalenvektors ~n in Bezug auf die Lage des senkrecht zu ~n stehendenTangentenvektors ~t an die Kurve C.

Bild 4.15Die beiden Vektoren erfassen wir komponentenmäßig über ihre Richtungscosinus gegen die Koordinatenach-sen, daher sind sie Einheitsvektoren (Bild 4.15):

~n =

(cosα

cosβ

), ~t =

(cos Φ

cos Ψ

), wobei cosα = cos Ψ , cosβ = − cos Φ .

Mit dieser Kenntnis läßt sich die rechte Seite von Satz 4.3 umwandeln, indem wir die Formel (4.8) benutzen:

∫C

[−R(x, y)dx+Q(x, y)dy

]=

∫C

[−R(x, y) · cos Φ +Q(x, y) · cos Ψ

]ds

=∫C

[R(x, y) · cosβ +Q(x, y) · cosα

]ds

=∫C

[Q(x, y) · cosα+R(x, y) · cosβ

]ds .

Damit haben wir den Gauß’schen Integralsatz für die Ebene.

Satz 4.4 [Gauß’scher Integralsatz im R2]∫G

[Qx(x, y) +Ry(x, y)

]dydx =

∫C

[Q(x, y) · cosα+R(x, y) · cosβ

]ds

=∫C

[Q(x, y) , R(x, y)

]··· ~n ds

Page 83: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

4.2 Mehrfachintegrale 83

Beispiel 4.6 Für die Funktionen Q(x,y) = -3y und R(x,y) = -2x berechnen wir das Bereichs- bzw. Kurven-integral mit dem Satz von Stokes. Das Gebiet G mit der einschließenden Kurve C ist in Bild 4.16 vorgegeben.

Bild 4.16

(1) Bereichsintegral: Mit Qy(x, y) = −3 undRx(x, y) = −2 ergibt sich für die linke Seite von Satz4.3:

3∫0

− 23x+2∫

0

−2− (−3) dydx

=3∫0

y

∣∣∣∣− 23x+2

0

dx

=3∫0

(− 23x+ 2) dx = 3 .

(2) Kurvenintegral:Die rechte Seite von Satz 4.3 ist

S =

∫C

[−2xdy − 3ydx] .

Wir notieren eine Parameterdarstellung für C, wobei wir im Punkt O beginnen:

a) x(t) = t , y(t) = 0 für 0 ≤ t ≤ 3 ,

b) x(t) = 3− 3t , y(t) = 2t für 0 ≤ t ≤ 1 ,

c) x(t) = 0 , y(t) = 2− 2t für 0 ≤ t ≤ 1

und benutzen die Gleichung (4.11):

S =

∫C

[Q(x, y)dx+R(x, y)dy

]=

t1∫ta

[Q(x(t), y(t)) · x(t) + R(x(t), y(t)) · y(t)

]dt

also

S =3∫0

[− 3 · 0 · 1 + (−2t) · 0

]dt

+1∫0

[− 6t · (−3) + (−6 + 6t) · 2

]dt

+1∫0

[(−6 + 6t) · 0− 2 · 0 · (−2)

]dt = 0 + 3 + 0 = 3 .

Wir geben für den Gauß’schen Integralsatz eine Verallgemeinerung auf den dreidimensionalen Fall an. An-stelle des ebenen Gebietes G sei jetzt ein dreidimensionales Gebiet V gegeben. Die Berandung C von Gist jetzt eine Oberfläche O, die das Volumen V einschließt. Den auf der Oberfläche stehenden nach außenzeigenden Normalenvektor können wir durch seine Richtungscosinus gegen die Koordinatenachsen erfassen:

~n T = (cosα , cosβ , cos γ) .

Auf dem Integrationsgebiet V sind die Funktionen A(x,y,z) , B(x,y,z) und C(x,y,z) mit ihren partiellen

Page 84: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

84 4 Integrale

Ableitungen ∂A(x, y, z)

∂x,

∂B(x, y, z)

∂y,

∂C(x, y, z)

∂z

gegeben. Der Integralsatz von Gauß lautet für den R3:

Satz 4.5 [Integralsatz von Gauß im R3]∫

V

[∂A(x, y, z)

∂x+∂B(x, y, z)

∂y+∂C(x, y, z)

∂z

]dV

=

C

[A(x, y, z) · cosα+B(x, y, z) · cosβ + C(x, y, z) · cos γ

]dO

(4.17)

Eine für die Herleitung des Energiesatzes wichtige Spezialisierung bekommen wir, indem wir B(x, y, z) =C(x, y, z) = 0 setzen und

A(x, y, z) = σxx(x, y, z) · u(x, y, z)

wählen, damit also∫V

[∂σxx(x, y, z)

∂x· u(x, y, z) + σxx(x, y, z) ·

∂u(x, y, z)

∂x

]dV =

∫O

[σxx(x, y, z) · u(x, y, z) · cosα

]dO .

(4.18)

Page 85: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

85

5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

5.1 Die innere Energie oder Formänderungsenergie

Wir nehmen an, dass die auf einen Körper einwirkenden Kräfte und Momente „unendlich langsam“ aufge-bracht werden, um dynamische Prozesse auszuschließen. Die Kräfte erzeugen dabei eine äußere Arbeit.Diese Energie wird im linear elastischen Körper als Energie der inneren Kräfte, d.h. der Spannungen gespei-chert.

Wir berechnen die innere Energie für die verschiedenen Spannungen σxx, · · · , τzx. Beginnen wir mit der Nor-malspannung σxx. Wir schneiden aus dem Körper einen infinitesimalen Quader der Kantenlängen dx, dy, dzparallel zu den Koordinatenachsen aus. Liegt nur die Normalspannung σxx vor, wird der Quader bei derKantenlänge dx um εxx · dx verlängert oder verkürzt. Wegen des Hooke’schen Gesetzes σxx = E · εxx geltenlineare Beziehungen (siehe Bild 5.1).

Bild 5.1Die aufgebrachte Energie U am infinitesimalen Quader ist

dU =

s1∫0

F ds

längs des Weges s. Nehmen wir an, dass durch das langsame Aufbringen der Lasten die Dehnung im Quadervon 0 auf ε(1)

xx und damit die Spannung von 0 auf σ(1)xx ansteigen. Durch die Dehnung verlängert (verkürzt)

sich dx auf dx∗, es gilt εxx =dx∗ − dx

dx. Der zurückgelegte Weg ist s1 = dx∗ − dx . Somit ist

s1 = εxx · dx

Page 86: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

86 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

die obere Grenze des Integrals. Wir ersetzen F durch F = σxx · dydz und substituieren mit der Gleichungs = εxx · dx von s nach εxx, also ds = dx dεxx :

dU =s1∫0

F ds =ε(1)xx∫0

σxx dxdydz dεxx

= E ·ε(1)xx∫0

εxx dεxx dxdydz =1

2· E · (ε(1)

xx )2 dV =1

2· σ(1)xx · ε

(1)xx dV .

(5.1)

dV ist das Volumen des infinitesimalen Quaders. Integrieren wir über das Volumen des gesamten Körpers,erhalten wir die gesamte innere Energie:

Satz 5.1 Innere Energie U der Normalspannung σxx :

U =1

2·∫

V

σxx · εxx dV

Einen analogen Rechengang vollziehen wir z.B. für die Schubspannung τxy . Der Quader ist in den Seitenflä-chen durch τxy belastet:

Bild 5.2

Die zur Schubspannung gehörende Kraft ist

F = τxy · dydz ,

der Weg ist

s1 = γxy dx .

Für die von τxy erbrachte Arbeit ergibt sichmit τxy = G · γxy

dU =s1∫0

F ds =γ

(1)xy∫0

τxy · dxdydz dγxy

= G ·γ

(1)xy∫0

γxy dγxy dxdydz

= ·1

(1)xy · γ

(1)xy dV .

Durch Integration über das gesamte Volumen des Körpers haben wir den Energieanteil der Schubspannungτxy :

U =1

2·∫V

τxy · γxy dV . (5.2)

Für die restlichen Spannungen ergibt sich die Energie genauso. Mit

~σ T = (σxx , σyy , σzz , τxy , τyz , τzx) ,

~ε T = (εxx , εyy , εzz , γxy , γyz , γzx)

ist die innere Gesamtenergie

Page 87: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

5.1 Die innere Energie oder Formänderungsenergie 87

Satz 5.2 [Innere Energie U – Formänderungsenergie]

U = 12

V

[σxx · εxx + σyy · εyy + σzz · εzz + τxy · γxy + τyz · γyz + τzx · γzx

]dV

= 12 ·∫

V

~σ T ··· ~ε dV .

Mit dem Hooke’schen Gesetz ~σ = D ·~ε (Satz 3.1) formen wir die Gleichung für die innere Energie um:

U =1

2

∫V

(D · ~ε) T · ~ε dV =1

2

∫V

~ε T ·D · ~ε dV (beachte D = D T )

=E

2(1 + ν)(1− 2ν)

∫V

[(1− ν

)·(ε2xx + ε2yy + ε2zz

)+

1− 2ν

2·(γ2xy + γ2

yz + γ2zx

)+ 2ν ·

(εxx · εyy + εyy · εzz + εzz · εxx

)]dV .

(5.3)

U läßt sich alleine über die Verzerrungen berechnen. Umgekehrt können wir alles durch die Spannungenausdrücken über das nach ~ε aufgelöste Hooke’sche Gesetz ~ε = D −1 · ~σ :

U =1

2

∫V

~σ T ·D −1 · ~σ dV

=1

2E

∫V

[σ2xx + σ2

yy + σ2zz

− 2ν ·(σxx · σyy + σyy · σzz + σzz · σxx

)+ 2(1 + ν) ·

(τ2xy + τ2

yz + τ2zx

)]dV .

(5.4)

Beispiel 5.1 Innere Energie eines Balkens unter Längskraft F (siehe Bild 3.6). Der Balken habe dieQuerschnittsfläche A.

σxx =F

A, εxx =

F

E ·A, σyy = σzz = τxy = τyz = τzx = 0 .

Damit wird

U = 12

∫V

~σ T · ~ε dV = 12

∫V

σxx · εxx dV

= 12

∫V

F 2

E ·A2dV =

F 2

2 · E ·A2

∫V

1 dV =F 2

2 · E ·A2· VStab .

Mit VStab = A · L ist U =F 2 · L

2 ·A · E. (5.5)

Page 88: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

88 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

Beispiel 5.2 Innere Energie eines Balkens durch ein Biegemoment My(x), das durch eine Querkraft oderein Biegemoment am Balkenende erzeugt wird. Die Schubspannung durch die Querkraft wird vernachlässigt.Es liegt daher nur σxx 6= 0 vor. Nach (3.35) und (3.36) aus Beispiel 3.5 auf S. 67 ist

σxx =My(x)

Iy· z , εxx =

My(x)

E · Iy· z .

Wir nehmen einen rechteckigen Querschnitt an:

A = b · h , Iy =1

12· b · h3 .

Damit bekommen wir

U =E

2

∫V

ε2xx dV =1

2E

∫V

M2y (x)

I2y

· z2 dV

=1

2E

L∫0

(∫A

M2y (x)

I2y

· z2 dA

)dx =

1

2E

L∫0

M2y (x)

I2y

dx ·∫A

z2 dA .

Wegen∫A z

2dA = Iy folgt

U =1

2 · E · Iy

L∫0

M2y (x) dx . (5.6)

Nehmen wir über der Balkenachse ein konstantes Moment My(x) = My an, vereinfacht sich (5.6) zu

U =M2y · L

2 · E · Iy. (5.7)

Beispiel 5.3 Innere Energie eines Balkens durch ein Torsionsmoment Mt am Balkenende. Die Quer-schnittsfläche ist kreisförmig: A = π · a2.

Bild 5.3In der Querschnittsfläche liegt die Schubspannung

τ(r) =Mt

Ipr =

√τ2xy + τ2

zx , 0 ≤ r ≤ a .

vor. Dabei ist Ip =∫A r2 dA .

Page 89: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

5.2 Der Energiesatz 89

Wir benutzen (5.4) für die Berechnung der inneren Energie (nur mit τxy und τxz):

U =1

2E

∫V

2 · (1 + ν) ·(τ2xy + τ2

zx

)dV

=1

2G

∫V

(τ2xy + τ2

zx

)dV

=1

2G

∫V

M2t

I2p

r2 dV =1

2G

L∫0

M2t

I2p

( ∫A

r2 dA)dx

=1

2G

L∫0

M2t

Ipdx =

M2t · L

2 · 7G · Ip.

(5.8)

5.2 Der Energiesatz

Wir setzen einen linear elastischen Körper voraus, der nach dem Aufbringen der Oberflächen- und Volumen-lasten im Gleichgewicht ist, d.h. es gelten

• das Hooke’sche Gesetz (Satz 3.1),• die Gleichgewichtsbedingungen (3.34),• die kinematischen Gleichungen (3.19),• die Oberflächenkräfte erfüllen die Bedingung (3.33).

Im Satz 5.2 auf S. 87 für die innere Energie ersetzen wir die Verzerrungen mit (3.19) durch die Verschiebun-gen:

U = 12

∫V

(σxx ·

∂u

∂x+ σyy ·

∂v

∂y+ σzz ·

∂w

∂z

+τxy ·(∂u∂y

+∂v

∂x

)+ τyz ·

(∂v∂z

+∂w

∂y

)+ τzx ·

(∂w∂x

+∂u

∂z

))dV .

(5.9)

Der Einheitsnormalenvektor auf der Oberfläche O von V ist

~n T = (cosα , cosβ , cos γ) ,

wobei α , β , γ die Winkel gegen die positiven Koordinatenachsen sind. Aus dem Integranden in (5.9)greifen wir stellvertretend den ersten Anteil ∫

V

σxx ·∂u

∂xdV

zur weiteren Behandlung heraus.Die Gleichung (4.18) (Integralsatz von Gauß) auf S. 84 formen wir um:∫

V

σxx ·∂u

∂xdV =

∫O

σxx · u · cosα dO −∫V

∂σxx

∂x· u dV .

Page 90: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

90 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

Auf diese Weise lassen sich alle Integrandenanteile aus (5.9) umwandeln und zusammengefaßt ergibt sich

U =1

2

∫O

[σxx · u · cosα+ σyy · v · cosβ + σzz · w · cos γ

+τxy ·(u cosβ + v cosα

)+ τyz ·

(v cos γ + w cosβ

)+ τzx ·

(u cos γ + w cosα

)]dO

−1

2

∫V

[∂σxx

∂xu+

∂σyy

∂yv +

∂σzz

∂zw +

∂τxy

∂yu+

∂τxy

∂xv

+∂τyz

∂zv +

∂τyz

∂yw +

∂τzx

∂zu+

∂τzx

∂xw

]dV .

Wir ordnen um:

U = 12

∫O

[(σxx cosα+ τxy cosβ + τzx cos γ

)· u

+(τxy cosα+ σyy cosβ + τyz cos γ

)· v

+(τzx cosα+ τyz cosβ + σzz cos γ

)· w]dO

− 12

∫V

[(∂σxx∂x

+∂τxy

∂y+∂τzx

∂z

)· u

+(∂τxy∂x

+∂σyy

∂y+∂τyz

∂z

)· v

+(∂τzx∂x

+∂τyz

∂y+∂σzz

∂z

)· w]dV .

(5.10)

Wegen der Gleichgewichtsbedingungen (3.34) und der Bedingung (3.19) für die Oberflächenkräfte können wir(5.10) weiter umformen. Wir beachten dabei, dass die Oberfläche des Körpers in den Bereichen Ra und Rbgetrennt betrachtet wird. Auf Ra sind die Randbedingungen u, v, w vorgegeben mit den AuflagerreaktionenAx , Ay , Az . Auf Rb wirken die Oberflächenlasten Px , Py , Pz .Das Oberflächenintegral in (5.10) ist daher wegen (3.33) ersetzbar durch

1

2

∫Ra

[Ax · u+Ay · v +Az · w

]dO +

1

2

∫Rb

[Px · u+ Py · v + Pz · w

]dO ,

das Volumenintegral durch1

2

∫V

[X · u+ Y · v + Z · w

]dV .

Die beiden Integrale stellen zusammen die Arbeit A der äußeren Kräfte (Oberflächen-, Auflager-, Volumen-kräfte) dar. Wir haben den Energiesatz entwickelt.

Satz 5.3 [Energiesatz]

Für einen linear elastischen Körper giltU = A ,

Page 91: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

5.2 Der Energiesatz 91

ausführlich

12

V

[σxx · εxx + · · ·+ τzx · εzx

]dV = 1

2 ·[ ∫

Ra

[Ax · u+Ay · v +Az · w

]dO

+

Rb

[Px · u+ Py · v + Pz · w

]dO

+

V

[X · u+ Y · v + Z · w

]dV

]

In vielen Anwendungsfällen geht man davon aus, dass die Volumenlasten vernachlässigbar sind, also X =Y = Z = 0 . Weiter gilt in den Auflagern in der Regel u = v = w = 0 . Im Satz 5.3 entfallen daher auf derrechten Seite 2 Integrale, sodass wir eine vereinfachte Beziehung haben:

1

2

∫V

~σ T ··· ~ε dV =1

2

∫Rb

[Px · u+ Py · v + Pz · w

]dO . (5.11)

Haben wir es z.B. nur mit einer einzelnen Last ~F T = (Fx , Fy , Fz) zu tun, die im Angriffspunkt dieVerschiebung ~d T = (u , v , w) hervorruft, schrumpft der Energiesatz zu

1

2

∫V

~σ T ··· ~ε dV =1

2· (~F T ··· ~d) . (5.12)

Beispiel 5.4 Verschiebung bei Einzellast

Bild 5.4

Nach dem Energiesatz in der Form (5.12) gilt 12

∫V

~σ T ··· ~ε dV = 12· F · w(L) . Wir vernachlässigen

den Anteil der Schubspannung und haben für die innere Energie nach Beispiel 5.2: (Beachte im Bild diex -Achse von rechts nach links)

U =1

2E

∫V

σ2xx dV =

1

2E

∫V

M2y (x)

I2y

· z2 dV =1

2E

∫V

F 2 · x2

I2y

· z2 dV

=1

2E

∫L

F 2 · x2

Iydx =

F 2 · L3

6E · Iy.

Page 92: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

92 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

Wir setzen dies in die Energiegleichung ein und erhalten die Absenkung w(L) = F ·L3

3·E·Iy.

5.3 Die Einheitslastmethode

Bild 5.5Ein Balken sei durch Kräfte und Momente in der zx-Ebene belastet.Gesucht ist die Verschiebung w(x0) an einer beliebigen Stelle x0 des Balkens. Die Schnittgrößen im Balkensind die Längskraft N(x), das Moment My(x), die Querkraft Qz(x) für 0 ≤ x ≤ L. Wir vernachlässigenden Energieanteil der Schubspannung, die durch die Querkraft Qz(x) entsteht. Die innere Energie ist

U =1

2

∫V

~σ T ··· ~ε dV =1

2

L∫0

N2(x)

A · Edx +

1

2

L∫0

M2y (x)

E · Iy(x)dx . (5.13)

Dem steht die Arbeit der äußeren Lasten gegenüber:

A =1

2· F1 · w1 + · · ·+

1

2·M1 · Φ1 + · · ·+

1

2

L2∫L1

pz(x) · w(x) dx+ · · · .

Zunächst denken wir uns den Balken von allen realen Lasten befreit und nehmen in x0 gedanklich z.B. eineKraft F0 = 1 in z-Richtung an. Die innere Energie dieser Kraft ist

U =1

2

L∫0

N2(x)

A · Edx +

1

2

L∫0

M2y (x)

E · Iy(x)dx . (5.14)

(1) Wenn wir das Bauteil durch die realen und gedachten Kräfte und Momente belasten, ist die gesamteinnere Energie U∗:

U∗ =1

2

L∫0

[N(x) +N(x)]2

A · Edx +

1

2

L∫0

[My(x) +My(x)]2

E · Iy(x)dx .

Die unter den Integralen stehenden Summenquadrate rechnen wir aus und erhalten:

U∗ = U + U +

L∫0

N(x) ·N(x)

A · Edx +

L∫0

My(x) ·My(x)

E · Iydx .

Page 93: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

5.3 Die Einheitslastmethode 93

(2) Andererseits können wir das Bauteil auch in 2 Schritten hintereinander belasten, zuerst durch diegedachte Last F0 und danach durch die realen Lasten. Nach dem ersten Schritt entsteht die innere EnergieU , durch den zweiten Schritt die innere Energie U. Zusätzlich wird aber im zweiten Schritt wegen der durchdie realen Lasten entstehenden Verschiebung w(x0) noch die Arbeit F0 · w(x0) geleistet, da F0 währendder Aufbringung der realen Lasten konstant bleibt. Diese so erhaltene Gesamtenergie ist aber gleich U∗ ,sodass wir folgende Gleichheit haben:

U + U +

L∫0

N(x) ·N(x)

A · Edx+

L∫0

My(x) ·My(x)

E · Iydx = U + U + F0 · w(x0) .

Wegen F0 = 1 folgt die Formel für die Absenkung an der Stelle x0 nach der Einheitslastmethode:

w(x0) =

L∫0

N(x) ·N(x)

A · Edx +

L∫0

My(x) ·My(x)

E · Iydx (5.15)

Ist die Verdrehung an der Stelle x0 gefragt, müssen wir anstelle der Einheitslast F0 ein EinheitsmomentM0 = 1 wählen. In (5.15) setzen wir an Stelle w(x0) die Verdrehung Φ(x0), wobei zu beachten ist, dass N(x)

und My(x) jetzt andere Größen sind als bei der Einheitslast.

Beispiel 5.5

Bild 5.6Längskräfte N(x) sind nicht vorhanden, sodass der zugehörige Summand in (5.15) wegfällt. Die reale Belas-tung ist durch das konstante Moment My an der Stelle L gegeben. Da die Absenkung an der Stelle x0 = L

2gefragt ist, setzen wir dort eine gedachte Einheitslast F0 an. Diese Last erzeugt den Momentenverlauf

My(x) = − F0 ·L

2+ F0 · x für 0 ≤ x ≤

L

2,

ansonsten My(x) = 0 . Die Absenkung ist nach (5.15)

w(L

2) =

L2∫

0

My ·(F0 · x− F0 ·

L

2

)E · Iy

dx ,

wenn wir noch F0 = 1 setzen:

w(L

2) =

L2∫

0

My ·(x−

L

2

)E · Iy

dx = −My · L2

8 · E · Iy.

Page 94: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

94 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

5.4 Der 1. Satz von Castigliano

Bild 5.7Ein Balken der Länge L sei durch verschiedene Querkräfte und Momente in der zx-Ebene belastet. Längs-kräfte seien nicht vorhanden. Die Schubspannung wird wieder vernachlässigt.Mit den eingezeichneten Kräften liefert der Energiesatz

1

2· F · wF +

1

2·G · wG +

L2∫L1

pz(x) · w(x) dx+1

2·M1 · Φ1 =

1

2

L∫0

M2y (x)

E · Iydx .

Da außer z.B. der Kraft F noch weitere Kräfte auf das Bauteil wirken, hängt die Größe der Verschiebung ander Stelle xF nicht nur von F ab, sondern auch von den anderen Lasten. Wir klären, wie die Verschiebungan einer Stelle von allen auf das Bauteil wirkenden Kräften abhängt.Der Einfachheit halber betrachten wir ein Bauteil mit Kräften F1 und F2 in den Angriffspunkten (1) und(2):

Bild 5.8Bringen wir zunächst in (1) die Einheitslast 1 auf, ruft sie dort die Verschiebung α11 und in (2) die Ver-schiebung α21 hervor. Nehmen wir anstelle der Kraft 1 die Kraft F1 an, ergeben sich in (1) und (2) dieVerschiebungen

w11 = F1 · α11 , w21 = F1 · α21 . (5.16)

Analog gilt, wenn wir nur in (2) die Kraft F2 aufbringen:

w12 = F2 · α12 , w22 = F2 · α22 . (5.17)

Greifen beide Kräfte F1 und F2 an, entstehen die Verschiebungen

w1 = F1 · α11 + F2 · α12 , w2 = F1 · α21 + F2 · α22 .

Bei n Kräften Fi gilt für die Absenkung im Angriffspunkt (i)

wi = F1 · αi1 + F2 · αi2 + · · ·+ Fn · αin =

n∑j=1

Fj · αij , i = 1, · · · , n . (5.18)

Page 95: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

5.4 Der 1. Satz von Castigliano 95

Die von 2 Kräften F1 und F2 erzeugte innere Energie ist speziell für Einzellasten nach Gleichung (5.12)(siehe auch Anfang des Beispiels 5.4) gleich der von den beiden Kräften geleisteten Arbeit:

U = A =1

2· F1 · w1 +

1

2· F2 · w2

=1

2· F1 · [F1 · α11 + F2 · α12] +

1

2· F2 · [F1 · α21 + F2 · α22]

=1

2·[F 2

1 α11 + F1F2α12 + F2F1α21 + F 22 α22

].

Die Verallgemeinerung auf n Kräfte bringt analog

U =1

2· [F 2

1 α11 + · · ·+ FiFjαij + · · ·+ F 2nαnn] =

1

2

n∑i=1

n∑j=1

FiFjαij . (5.19)

Die Koeffizienten αij in der Gleichung (5.19) fassen wir zu einer quadratischen Matrix H zusammen: H =

(αij) , i, j = 1, · · · , n . Mit ~F T = [F1 , F2 , · · · , Fn] können wir schreiben:

U =1

2· ~F T ·H · ~F .

Satz 5.4 (Satz von Maxwell (1831-1879))

Die Matrix H = (αij) in U = 12· ~F T ·H · ~F ist symmetrisch, d.h.

αij = αji , i, j = 1, · · · , n .

~F T ·H · ~F ist also eine quadratische Form.

Beweis:Wir beweisen den Satz für den Fall zweier Kräfte F1 und F2. Dann ist

H =

(α11 α12

α21 α22

).

Es ist α12 = α21 zu zeigen (dazu Bild 5.8).(a) Zuerst wird F1, danach F2 aufgebracht. Mit F1 wird die Arbeit (siehe (5.16))

1

2· w11 · F1 =

1

2· (F1α11) · F1 =

1

2· α11 · F 2

1

erbracht. Durch das folgende Aufbringen von F2 wird die Angriffsstelle (1) von F1 nochmals um (siehe (5.17))F2 · α12 verschoben, die Stelle (2) um F2 · α22 . Da F1 in (1) schon voll wirkt, wenn F2 aufgebracht wird,wird in (1) der weitere Energieanteil α12 ·F1 ·F2 und in (2) der Energieanteil 1

2(·F2 ·α22) ·F2 = 1

2·α22) ·F 2

2erzeugt. Insgesamt ist die Arbeit der äußeren Kräfte somit für die Reihenfolge „(1) dann (2)“

Aa =1

2· α11 · F 2

1 + α12 · F1 · F2 +1

2· α22 · F 2

2 .

(b) Wir lassen die Kräfte in der umgekehrten Reihenfolge „(2) dann (1)“ hintereinander wirken und erhaltenanalog

Page 96: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

96 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

Ab =1

2· α11 · F 2

1 + α21 · F1 · F2 +1

2· α22 · F 2

2 .

Wegen Aa = Ab folgt sofort α12 = α21. Damit ist die Symmetrie bewiesen.

Wir fassen U als Funktion der Kräfte F1 , F2 , · · · , Fn auf, die wir als Veränderliche betrachten,U = U(F1 , F2 , · · · , Fn)

und nach den einzelnen Kräften Fk , k = 1, · · · , n partiell differenzieren können. Wegen (1.4) auf S.17bekommen wir

∂U

∂Fk=

1

2

n∑i=1

Fi · (αki + αik) , k = 1, · · · , n .

Wegen Satz 5.4 folgt sofort∂U

∂Fk=

n∑i=1

Fi · αki , k = 1, · · · , n .

Die rechte Seite ist wegen (5.18) gleich wk . Damit können wir den 1. Satz von Castigliano (1827-1884)formulieren.

Satz 5.5 (1. Satz von Castigliano)Die innere Energie eines Bauteils, das durch n äußere Kräfte F1 , F2 , · · · , Fn belastet ist, kann alsFunktion U = U(F1 , F2 , · · · , Fn) dieser Kräfte aufgefasst werden.Für die Verschiebung wk an der Angriffsstelle der Kraft Fk gilt

wk =∂U

∂Fk, k = 1, · · · , n .

Für Momente läßt sich der Drehwinkel berechnen zu

Φk =∂U

∂Mk, k = 1, · · · , n .

Beispiel 5.6 An einem Balken der Länge L = L1 + L2 greift am rechten Ende die Kraft F an. Gesucht istdie Absenkung wF im Angriffspunkt der Kraft.

Bild 5.9Wir berechnen die Auflagerreaktionen in A und B:

M(B) = −Az · L1 − F · L2 = 0∑Zi = F −Az −Bz = 0 ,

Page 97: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

5.4 Der 1. Satz von Castigliano 97

alsoAz = − F ·

L2

L1und Bz = F ·

L1 + L2

L1.

Der Momentenverlauf ist (Beachte die beiden Achsen x1 und x2 in der Zeichnung)

My(x1) = Az · x1 = − F · x1 ·L2

L1, für 0 ≤ x1 ≤ L1

My(x2) = −F · x2 , für 0 ≤ x2 ≤ L2 .

Die Gesamtenergie hängt nur von F ab:

U(F ) =1

2 · E · Iy

L1+L2∫0

M2y (x) dx =

1

2 · E · Iy

[ L1∫0

M2y (x1) dx1 +

L2∫0

M2y (x2) dx2

]

=1

2 · E · Iy

[ L1∫0

F 2 · x1 ·L2

2

L21

dx1 +

L2∫0

F 2 · x22 dx2

]

=F 2

2 · E · Iy·[1

3· L2

2 · L1 +1

3L3

2

].

Wir wenden den 1. Satz von Castigliano an und differenzieren U(F) nach F und erhalten damit die AbsenkungwF im Angriffspunkt von F:

wF =∂U

∂F=

F · L22

3 · E · Iy(L1 + L2) .

Die Anwendung des 1. Satzes von Castigliano läßt sich vereinfachen, wenn man die partielle Ableitung desEnergieausdrucks nach der Kraft unter dem Integral vollzieht. Das ist natürlich möglich, weil die Kraftunabhängig von der Integrationsvariablen x ist. Nehmen wir die Formänderungsenergie z.B. durch

U =1

2

L2∫L1

M2y (x)

E · Iydx

gegeben an, wobei der Integrand die Kraft F enthalte (allgemein hier nicht sichtbar in My(x)). Der 1. Satzvon Castigliano liefert

wF =∂

∂F

[1

2

L2∫L1

M2y (x)

E · Iydx

]=

1

2

L2∫L1

∂F

[M2y (x)

E · Iy

]dx

=1

2

L2∫L1

2 ·My(x) ·∂My(x)

∂FE · Iy

dx =1

E · Iy

L2∫L1

My(x)∂My(x)

∂Fdx .

(5.20)

Ergänzungen(1) Einen Spezialfall des 1. Satzes von Castigliano erhalten wir, wenn wir ihn in einem Auflager anwenden.Sei FA eine unbekannte Auflagerreaktion im Auflager A. Fassen wir FA als einwirkende Kraft auf, enthältdie innere Energie auch die Größe FA . Da die Verschiebung in Richtung FA gleich 0 ist, bekommen wir

∂U

∂FA= 0 . (5.21)

Page 98: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

98 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

(5.21) ist eine weitere Gleichung zur Bestimmung von Auflagerreaktionen bei statisch unbestimmten Syste-men.(2) Der 1. Satz von Castigliano läßt sich auch an Stellen anwenden, wo keine Last vorliegt. Man führt andieser Stelle eine gedachte Last ein, berechnet die innere Energie, die die angenommene mit Kraft enthält,wendet den Satz von Castigliano an und bildet in dem erhaltenen Ausdruck für die gedachte Last den Grenz-übergang gegen 0. Das Ergebnis entspricht genau der Formel (5.15) aus der Einheitslastmethode und bringtdaher nichts Neues. N

5.5 Die Steifigkeits- und Nachgiebigkeitsmatrix

Die Beziehung (5.18) läßt sich mit den Abkürzungen

~w T = (w1 , w2 , · · · , wn) , ~F T = (F1 , F2 , · · · , Fn)

und der Matrix H = (αij) zu der Gleichung

~w = H · ~F (5.22)

zusammenfassen. Die Matrix H heißt Nachgiebigkeits- oder Flexibilitätsmatrix. Nach dem Satz 5.4 vonMaxwell und (5.22) gilt

U =1

2· ~F T · ~w =

1

2· ~F T ·H · ~F . (5.23)

Die innere Energie U ist immer positiv: U > 0 . Nach der Definition 1.7 auf Seite 16 ist die Matrix H positivdefinit. Positiv definite Matrizen sind, wie aus der Linearen Algebra bekannt, regulär, d.h. umkehrbar. Somitexistiert die zu H inverse Matrix K = H−1 . Die Matrix K heißt Steifigkeitsmatrix des an n Punktendurch Kräfte und Momente belasteten Systems. (5.22) schreibt sich auch als

~F = K · ~w . (5.24)

Mit (5.24) können wir die innere Energie durch die Verschiebungen ausdrücken:

U =1

2· ~F T · ~w =

1

2· ~w T ·K T · ~w =

1

2· ~w T ·K · ~w . (5.25)

Über diese Gleichung läßt sich der 2. Satz von Castigliano direkt entwickeln. Fassen wir U als FunktionU = U(w1 , w2 , · · · , wn) auf, differenzieren wir mit Satz 1.2 auf S. 18

∂U

∂ ~w= K · ~w = ~F .

Für die Komponente wk ist speziell∂U

∂wk= Fk . Das ist der 2. Satz von Castigliano:

Satz 5.6 (2. Satz von Castigliano)

∂U

∂wk= Fk , k = 1, · · · , n ,

in Worten:Die partielle Ableitung der inneren Energie U als Funktion der Verschiebungen,U(w1 , w2 , · · · , wn), nach dem wk im Angriffspunkt der Kraft Fk ergibt die Kraft Fk .

Page 99: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

5.5 Die Steifigkeits- und Nachgiebigkeitsmatrix 99

Die Beziehung ~F = K · ~w (5.24) zwischen den Kräften / Momenten und Verschiebungen /Verdrehungen über die Steifigkeitsmatrix K ist grundlegend für die Finite Elemente Methodein der Statik.Im folgenden Beispiel entwickeln wir die Steifigkeitsbeziehung für einen geraden Balken.

5.5.1 Steifigkeitsbeziehung für den Balken

Wir betrachten einen Balken, der in den Endpunkten durch Kräfte und Momente in der zx-Ebene belastetist. Das System sei im Gleichgewicht.

Bild 5.10Das Ziel ist, die Steifigkeitsbeziehung zwischen den Kräften und Momenten auf der einen Seite und denVerschiebungen und Verdrehungen auf der anderen Seite aufzustellen, d.h. eine Beziehung der Art (5.24) zubekommen,

F1

M1

F2

M2

=

k11 k12 k13 k14

k21 k22 k23 k24

k31 k32 k33 k34

k41 k42 k43 k44

·w1

Φ1

w2

Φ2

=

(K11 K12

K21 K22

w1

Φ1

w2

Φ2

,

wobei die Kij , i, j = 1, 2 (2,2)-Untermatrizen sind. Die Beziehung ist singulär, da Starrkörperbewegungendes Balkens noch möglich sind. Die Singularität kann z.B. beseitigt werden, indem wir z.B. Knoten 2 festeinspannen, d.h. w2 = Φ2 = 0 setzen. Dann bleibt aus der obigen Beziehung

F1

M1

F2

M2

=

(K11

K21

)·(w1

Φ1

).

Wir berechnen die Untermatrizen K11 und K21 mit Hilfe des 1. Satzes von Castigliano. Die Gleichgewichts-bedingungen lauten

F1 + F2 = 0 und M1 +M2 − F2 · L = 0 .

Der Momentverlauf über der x-Achse ist My(x) = −M1 − F1 · x . Damit wird die innere Energie

U =1

2E · Iy

L∫0

(−M1 − F1 · x)2 dx .

Die Anwendung des 1. Satzes von Castigliano bringt

w1 =∂U

∂F1=

1

E · Iy

L∫0

(−x)(−M1 − F1 · x) dx =F1 · L3

3 · E · Iy+

M1 · L2

2 · E · Iy,

Φ1 =∂U

∂M1=

1

E · Iy

L∫0

−(−M1 − F1 · x) dx =F1 · L2

2 · E · Iy+

M1 · LE · Iy

.

(5.26)

Page 100: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

100 5 Der Energiesatz der linearen Elastizitätstheorie

Die Auflösung der Gleichungen nach F1 und M1 bringt die Untermatrix K11:(F1

M1

)= E · Iy ·

12/L3 −6/L2

−6/L2 4/L

· (w1

Φ1

)= K11 ·

(w1

Φ1

). (5.27)

Über die obigen Gleichgewichtsbedingungen ersetzen wir in U nun F1 und M1 durch F2 und M2:

U =1

2E · Iy

L∫0

(M2 − F2 · L+ F2 · x)2 dx .

Die Anwendung des 1. Satz von Castigliano mit F2 und M2 ergibt analog die Untermatrix K21:(F2

M2

)= E · Iy ·

(−12/L3 6/L2

−6/L2 2/L

)·(w1

Φ1

)= K21 ·

(w1

Φ1

). (5.28)

Nun spannen wir den Balken im Knoten 1 fest ein, d.h. w1 = Φ1 = 0 und berechnen über der x-Achse mitMy(x) = M2 − F2 · x die innere Energie:

U =1

2E · Iy

L∫0

(M2 − F2 · x)2 dx

und erhalten wie oben

w2 =∂U

∂F2=

1

E · Iy

L∫0

(−x)(M2 − F2 · x) dx =F2 · L3

3 · E · Iy−

M2 · L2

2 · E · Iy,

Φ2 =∂U

∂M2=

1

E · Iy

L∫0

(M2 − F2 · x) dx = −F2 · L2

2 · E · Iy+

M2 · LE · Iy

.

(5.29)

Analog erhalten wir (F2

M2

)= E · Iy ·

12/L3 6/L2

6/L2 4/L

· (w2

Φ2

)= K22 ·

(w2

Φ2

)(5.30)

und (F1

M1

)= E · Iy ·

−12/L3 −6/L2

6/L2 2/L

· (w2

Φ2

)= K12 ·

(w2

Φ2

). (5.31)

Mit den Gleichungen (5.27), (5.28), (5.30) und (5.31) haben wir die symmetrische Elementsteifigkeitsbezie-hung für den Balken:

F1

M1

F2

M2

= E · Iy ·

12/L3 −6/L2 −12/L3 −6/L2

−6/L2 4/L 6/L2 2/L

−12/L3 6/L2 12/L3 6/L2

−6/L2 2/L 6/L2 4/L

·w1

Φ1

w2

Φ2

. (5.32)

Erste Anwendungen hierzu werden im Abschnitt 6.3 gegeben.

Page 101: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

101

6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Das Prinzip der Matrixsteifigkeitsmethode ist grundlegend für die FEM und hat in der linearen Elastizi-tätstheorie als Basis den linearen Zusammenhang zwischen den Kräften/Momenten und den Verschiebun-gen/Verdrehungen über den Satz von Maxwell. In Zukunft benennen wir Kräfte/Momente zusammenfassendals Kräfte und entsprechend Verschiebungen/Verdrehungen als Verschiebungen.

Bild 6.1

Die lineare Steifigkeitsbeziehung ~F = K · ~w in (5.24) hat eine positiv definite Steifigkeitsmatrix K.

Setzen wir voraus, dass die Kräfte F1, · · · , Fn gegeben sind, läßt sich das Gleichungssystem ~F = K · ~wnach den Verschiebungen w1, · · · , wn auflösen. Dies ist die Matrixsteifigkeitsmethode bzw. Verschie-bungsmethode.

Sind andererseits die Verschiebungen w1, · · · , wn vorgelegt, ist die Gleichung ~w = K−1 · ~F nach denKräften F1, · · · , Fn aufzulösen. Man spricht von der Kraftmethode.

Im Rahmen dieses Buches beschäftigen wir uns mit der Verschiebungsmethode als eines von mehreren FE-Verfahren. Als erstes tragen wir die Matrixsteifigkeitsmethode für Stabwerke vor. Für Stabwerke und Bal-kensysteme bietet sich die Zerlegung des Bauteils in Elemente (Stäbe bzw. Balken) auf natürliche Weisedurch die Vorgabe der Konstruktion an.

6.1 Die Verschiebungsmethode für ebene Stabwerke

Wir betrachten ein Stabwerk aus 5 Stäben als einführendes Beispiel. Die Stäbe I bis V sind über die Kno-ten 1 bis 4 miteinander verbunden. In den Knoten 1 und 2 befinden sich Auflager, d.h. die unbekanntenAuflagerkräfte Gx1 , Gy1 , Gy2 . Das Stabwerk ist durch die äußeren Kräfte Gx3 und Gy4 belastet. DieAuflagerkräfte und Lasten setzen in den Knoten an. Es bietet sich an, die Knoten des Bauteils als diejenigenPunkte anzusehen, für die man Verschiebungen und Spannungen wissen möchte.

Page 102: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

102 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Bild 6.2Die Steifigkeitsbeziehung für die Kräfte und Verschiebungen in den 4 Knoten lautet

Gx1

Gy1

Gx2

Gy2

Gx3

Gy3

Gx4

Gy4

=

k11 · · · k18

......

k81 · · · k88

·

u1

v1

u2

v2

u3

v3

u4

v4

, (6.1)

kurz~G = K · ~w .

Zunächst müssen wir die Koeffizienten der Matrix K bestimmen.

Zu diesem Zweck schneiden wir einen beliebigen Stab aus dem Stabwerk heraus und bezeichnen Anfangs-und Endknoten o.B.d.A. mit 1 und 2.

Bild 6.3Wir installieren ein lokales Koordinatensystem, dessen Nullpunkt Knoten 1 ist, wobei die x-Achse vonKnoten 1 nach Knoten 2 orientiert ist. Der Stab kann nur Längskräfte aufnehmen. Um Gleichgewicht amherausgeschnittenen Stab zu erhalten, installieren wir in den beiden Knoten die Kräfte Fx1 bzw. Fx2, diedie Verschiebungen u1 bzw. u2 hervorrufen. Wir nehmen an, dass der Stab die konstante QuerschnittsflächeA und den Elastizitätsmodul E hat.Wir entwickeln die Steifigkeitsbeziehung zwischen den Kräften und den Verschiebungen. Für jeden Punktdes Stabes ist die Normalspannung

σxx = εxx · E bzw. σxx =Fx2

A,

daher

εxx =Fx2

A · E.

Page 103: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.1 Die Verschiebungsmethode für ebene Stabwerke 103

Mit εxx =∂u

∂xfolgt durch unbestimmte Integration

u(x) =Fx2

A · E· x+ C .

Mit der Randbedingung u(0) = u1 folgt sofort C = u1 . Wir setzen u(L) = u2 in die Gleichung ein:

u2 =Fx2

A · E· L+ u1

oder

Fx2 =A · EL· (u2 − u1) . (6.2)

Wir ersetzen in (6.2) wegen der Gleichgewichtsbedingung Fx1 + Fx2 = 0 die Kraft Fx2 durch Fx1 :

Fx1 =A · EL· (u1 − u2) . (6.3)

Die Gleichungen (6.2) und (6.3) fassen wir in einer Matrizenbeziehung, der Steifigkeitsbeziehung, zusammen:

(Fx1

Fx2

)= A·E

L·(

1 −1

−1 1

)·(u1

u2

)(6.4)

Die Matrix

Ke =A · EL·(

1 −1

−1 1

)(6.5)

ist die lokale Elementsteifigkeitsmatrix (ES-Matrix) des Zug-Druckstabes. Ke ist singulär wie alleES-Matrizen, da ein aus dem Verband herausgeschnittener Stab, für sich betrachtet, statisch unbestimmtgelagert ist.

Die Beziehung (6.4) erweitern wir formal, indem wir in y-Richtung die Nullkräfte Fy1, Fy2 und die Null-verschiebungen v1, v2 hinzunehmen:

Fx1

Fy1

Fx2

Fy2

=A · EL·

1 0 −1 0

0 0 0 0

−1 0 1 0

0 0 0 0

·u1

v1

u2

v2

, (6.6)

kurz~F = Ke · ~w .

Nun ist der in Bild 6.3 gezeigte Stab ein Sonderfall, da die Beziehung (6.6) im lokalen xy-Koordinatensystem entwickelt wurde. Innerhalb eines beliebigen Stabwerks hat ein Stab eine Neigung gegen die positivex-Achse des globalen xy-Koordinatensystems. Uns interessiert daher eine zu (6.6) analoge Beziehung, in derdie Verschiebungen u1 , v1 , u2 , v2 und Kräfte Fx1 , Fy1 , Fx2 , Fy2 vorkommen, die sich auf das globaleKoordinatensystem beziehen. Eine solche Beziehung läßt sich entwickeln, indem man den Zusammenhang

Page 104: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

104 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

zwischen den lokalen und globalen Größen herstellt. Dies ist aber mit der Gleichung (1.16) im Beispiel 1.15auf S. 23 hergeleitet:

u1

v1

u2

v2

=

cosα sinα 0 0

− sinα cosα 0 0

0 0 cosα sinα

0 0 − sinα cosα

·u1

v1

u2

v2

. (6.7)

Wir nennen die Transfomationsmatrix Te . Diese Beziehung gilt für alle lokalen Größen, die global trans-formiert werden sollen oder umgekehrt, es gilt deshalb für Verschiebungen und Kräfte gleichermaßen:

~w = Te · ~w und ~F = Te · ~F . (6.8)

Mit diesen beiden Gleichungen gehen wir in die Beziehung (6.6):

Te · ~F = Ke ·Te · ~w . (6.9)

Die Matrix Te ist regulär und man prüft leicht T−1e = T T

e . Damit ergibt sich

~F = T Te · Ke ·Te · ~w . (6.10)

Wir haben eine Beziehung zwischen den Kräften und Verschiebungen im globalen Koordinatensystem. DieMatrix Ke = T T

e · Ke ·Te ist die globale ES-Matrix des Zug-Druckstabes im globalen System,d.h. heißt für die allgemeine Lage (Winkel α gegen die positive x-Achse). Die Ausrechnung des Produktsbringt

Ke =A · EL·

cos2 α cosα · sinα − cos2 α − cosα · sinα

cosα · sinα sin2 α − cosα · sinα − sin2 α

− cos2 α − cosα · sinα cos2 α cosα · sinα

− cosα · sinα − sin2 α cosα · sinα sin2 α

(6.11)

6.1.1 Die Matrixsteifigkeitsmethode am Beispiel eines Stabwerks

Wir wenden dies konkret auf unser Stabwerk in Bild 6.2 an und stellen die ES-Matrizen der 5 Stäbe auf. Dazubenötigen wir geometrische Daten über das Stabwerk, die wir im folgenden angeben und die so aufbereitetsind, dass sie schon als Eingabe für ein FEM-Programm dienen könnten:

Knotenkoordinaten in mmKnoten x y

1 0 02 1000 03 1500 5004 500 500

Element-Knoten-ZuordnungenElement 1. Knoten 2. Knoten

I 1 2II 2 3III 4 3IV 2 4V 1 4

Auflagerbedingungen in mmKnoten x-Verschieb. y-Verschieb.

1 0 02 (frei) 0

Belastungen in NKnoten x-Kompon. y-Kompon.

3 -500 04 0 -1000

Page 105: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.1 Die Verschiebungsmethode für ebene Stabwerke 105

Für alle Stäbe nehmen wir an: Querschnittsfläche A = 150 mm2 ,Elastizitätsmodul E = 210000 N/mm2 .

Aus dem Bild 6.2 können wir entnehmen bzw. leicht berechnen:Die Stäbe I und III haben die Länge L = 1000 mm,

die Stäbe II, IV, V haben die Länge L1 =1

2·√

2 · 1000 mm = 707,107 mm .

Wir berechnen die ES-Matrizen für die 5 Stäbe mit (6.11):

Stab IA · EL

= 31500 N/mm , α = 0

KeI = 31500 ·

1 0 −1 0

0 0 0 0

−1 0 1 0

0 0 0 0

, also

Fx1

Fy1

Fx2

Fy2

= KeI ·

u1

v1

u2

v2

.

Stab IIA · EL1

=√

2 · 31500 N/mm , α = 45

KeII =√

2 · 31500 ·

0, 5 0, 5 −0, 5 −0, 5

0, 5 0, 5 −0, 5 −0, 5

−0, 5 −0, 5 0, 5 0, 5

−0, 5 −0, 5 0, 5 0, 5

, also

Fx2

Fy2

Fx3

Fy3

= KeII ·

u2

v2

u3

v3

.

Stab IIIA · EL

=√

2 · 31500 N/mm , α = 0

KeIII = KeI ,also

Fx4

Fy4

Fx3

Fy3

= KeIII ·

u4

v4

u3

v3

.

Stab IVA · EL1

=√

2 · 31500 N/mm , α = 135

KeIV =√

2 · 31500 ·

0, 5 −0, 5 −0, 5 0, 5

−0, 5 0, 5 0, 5 −0, 5

−0, 5 0, 5 0, 5 −0, 5

0, 5 −0, 5 −0, 5 0, 5

, also

Fx2

Fy2

Fx4

Fy4

KeIV ·

u2

v2

u4

v4

.

Stab VA · EL1

=√

2 · 31500 N/mm , α = 45

KeV = KeII ,also

Page 106: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

106 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Fx1

Fy1

Fx4

Fy4

= KeV ·

u1

v1

u4

v4

.

Man achte darauf, mit welchen Kräften und Verschiebungen die jeweiligen ES-Matrizen verknüpft werden,z.B. sind am Stab V die Knoten 1 und 4 beteiligt.

Diese 5 Elementsteifigkeitsbeziehungen können wir über die an jedem Knoten vorliegenden Gleichgewichts-bedingungen miteinander verknüpfen. Die Gleichgewichtsbedingungen an den Knoten lauten:

Knoten 1: Fx1I + Fx1V = Gx1 (unbekannt)Fy1I + Fy1V = Gy1 (unbekannt)

Knoten 2: Fx2I + Fx2II + Fx2IV = Gx2 = 0Fy2I + Fy2II + Fy2IV = Gy2 (unbekannt)

Knoten 3 Fx3II + Fx3III = Gx3 = -500 NFy3II + Fy3III = Gy3 = 0

Knoten 4: Fx4III + Fx4IV + Fx4V = Gx4 = 0Fy4III + Fy4IV + Fy4V = Gy4 = -1000 N .

Mit diesen Gleichungen erstellen wir die Gesamtsteifigkeitsmatrix (GS-Matrix) (6.1). Greifen wir die 5. Zeileaus (6.1) beispielhaft heraus. Sie lautet

Gx3 =(k51 , k52 , k53 , k54 , k55 , k56 , k57 , k58

u1

v1

...u4

v4

.

Die Werte für die k5j , j = 1, · · · , 8 bekommen wir aus der Gleichgewichtsbedingung−500 = Gx3 = Fx3II + Fx3III ,

indem wir Fx3II und Fx3III aus den Elementsteifigkeitsbeziehungen für die Stäbe II und III, die am Knoten3 enden, entnehmen und in die 5. Zeile der GS-Beziehung (6.1) einarbeiten:

Gx3 = −500 =√

2 · 31500 · (−0, 5 − 0, 5 0, 5 0, 5) ·

u2

v2

u3

v3

+ 31500 · (−1 0 1 0) ·

u4

v4

u3

v3

= 31500 ·(

0 0 −0, 707 −0, 707 1, 707 0, 707 −1 0)·

u1

v1

...u4

v4

.

Der Zeilenvektor dieser Gleichung stellt schon die 5. Zeile der GS-Matrix K dar. Man erkennt, dass dieES-Matrizen entsprechend ihrer beteiligten Knoten an den entprechenden Stellen in der GS-Matrix K ein-gearbeitet werden. Das heißt, man addiert die ES-Matrizen in Abhängigkeit ihrer beteiligten Indices auf die

Page 107: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.1 Die Verschiebungsmethode für ebene Stabwerke 107

zunächst leere GS-Matrix K, indem allerdings der Faktor 31500 ausgeklammert wird:

Gx1

Gy1

0

Gy2

−500

0

0

−1000

= K ·

0

0

u2

0

u3

v3

u4

v4

(6.12)

mit K =

31500 ·

1, 707 0, 707 −1 0 0 0 −0, 707 −0, 707

0, 707 0, 707 0 0 0 0 −0, 707 −0, 707

−1 0 2, 414 0 −0, 707 −0, 707 −0, 707 0, 707

0 0 0 1, 414 −0.707 −0, 707 0, 707 −0, 707

0 0 −0, 707 −0, 707 1, 707 0, 707 −1 0

0 0 −0, 707 −0, 707 0, 707 0, 707 0 0

−0, 707 −0, 707 −0, 707 0, 707 −1 0 2, 141 0

−0, 707 −0, 707 0, 707 −0, 707 0 0 0 1.414

.

In den Vektoren ~w und ~G sind die Unbekannten u2 , u3 , v3 , u4 , v4 und Gx1 , Gy1 , Gy2 gefragt.Die gesamte GS-Matrix K ist singulär, weil sie eine Beziehung für das ungelagerte Stabwerk darstellt.

Wir „verkleinern“ (reduzieren) das Gleichungssystem folgendermaßen:

(1) Die Auflagerbedingungen u1 = v1 = v2 = 0 bedeuten, dass bei Multiplikation des rechts stehendenVerschiebungsvektors ~w mit K die 1., 2. und 4. Spalte zu „Nullspalten“ werden, d.h. weggelassen werdenkönnen.(2) Die 1., 2. und 4. Zeile, die die unbekannten Auflagerreaktionen Gx1 , Gy1 , Gy2 enthalten, werdenauch gestrichen.

Es bleibt ein Gleichungssystem aus 5 Gleichungen mit den 5 Unbekannten u2 , u3 , v3 , u4 , v4 übrig.Wie man sieht, ist das Streichen der 1., 2. und 4. Zeile und der gleichen Spalten ein symmetrischer Vorgang.

Der beschriebene Vorgang reduziert das Gleichungssystem. Wir nennen es das reduzierte Gleichungssys-tem. Es ist regulär:

31500 ·

2, 414 −0, 707 −0, 707 −0, 707 0, 707

−0, 707 1, 707 0, 707 −1 0

−0, 707 0, 707 0, 707 0 0

−0, 707 −1 0 2, 414 0

0, 707 0 0 0 1, 414

·u2

u3

v3

u4

v4

=

0

−500

0

0

−1000

. (6.13)

Da das Aufaddieren der symmetrischen ES-Matrizen auf die GS-Matrix K ein symmetrischer Vorgang istund auch das Reduzieren durch Streichen von Zeilen und Spalten die Symmetrie erhält, ist die reduzierteMatrix Kred aus (6.13) symmetrisch. Des weiteren ist Kred positiv definit. Das Gleichungssystem in (6.13)

Page 108: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

108 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

läßt sich daher am besten mit dem Cholesky-Verfahren lösen. Die Verschiebungen ergeben sich so zu

~w Tred =

(u2 u3 v3 u4 v4

)=

(0, 00794 −0, 02313 0, 03107 −0, 00726 −0, 02642

)mm .

Wir fügen die Nullverschiebungen der Auflager ein und erhalten den Gesamtverschiebungsvektor

~w Tges =

(0, 0 0, 0 0, 00794 0, 0 −0, 02313 0, 03107 −0, 00726 −0, 02641

)mm . (6.14)

Im nächsten Schritt berechnen wir die Auflagerkräfte, die sich aus den aus (6.12) gestrichenen Vektorzeilenergeben, wobei wir aber wieder die 1., 2. und 4. Spalte weglassen können:

Gx1

Gy1

Gy2

=

−1 0 0 −0, 707 −0, 707

0 0 0 −0, 707 −0, 707

0 −0, 707 −0, 707 −0, 707 −0, 707

·u2

u3

v3

u4

v4

N ,

die Lösungen sind Gx1 = 500N , Gy1 = 750N , Gy2 = 250N .

Über die ES-Matrizen berechnen wir die inneren Stabkräfte (Längskräfte). Als Beispiel nehmen wir denStab IV, der Knoten 2 mit 4 verbindet. Beteiligt aus ~wges sind (u2 , v2 , u4 , v4) = (0, 00794 0, 0 −0, 00726 − 0, 02642) mm:

Fx2

Fy2

Fx4

Fy4

= 31500√

2 ·

0, 5 −0, 5 −0, 5 0, 5

−0, 5 0, 5 0, 5 −0, 5

−0, 5 0, 5 0, 5 −0, 5

0, 5 −0, 5 −0, 5 0, 5

·

0, 00794

0, 0

−0, 00726

−0, 02642

=

−250

250

250

−250

N .

Über die Beziehung ~F = Te · ~F in (6.8) transformieren wir diese globalen Stabkräfte in lokale und damitin direkt erkennbare Längskräfte in den beiden Knoten, wobei in Te der Winkel α = 135 einzusetzen ist:

Fx2

Fy2

Fx4

Fy4

= 31500√

2 ·

−0, 707 0, 707 0 0

−0, 707 −0, 707 0 0

0 0 −0, 707 0, 707

0 0 −0, 707 −0, 707

·−250

250

250

−250

=(

353, 5 0, 0 −353, 5 0, 0) T

N .

Die Normalspannung im Stab IV berechnet sich über die Gleichung σxx =F

A:

σxx =−353, 5

150N/mm2 = − 2, 357 N/mm2 .

Page 109: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.2 Die ES-Matrix für räumliche Stabwerke 109

6.2 Die ES-Matrix für räumliche Stabwerke

Das Fachwerk sei in ein globales xyz-Koordinatensystem eingebettet, jeder Stab hat ein lokales xyz-System.Die lokale Steifigkeitsmatrix in (6.4) erweitern wir formal für den dreidimensionalen Fall, indem wir iny-Richtung und in z-Richtung die Nullkräfte Fy1, Fy2, Fz1, Fz2 und die Nullverschiebungen v1, v2, w1, w2

hinzunehmen, sodass zusätzlich eine 2., 3., 5., 6. Nullzeile bzw. Nullspalte entsteht:

Fx1

Fy1

Fz1Fx2

Fy2

Fz2

=

A · EL·

1 0 0 −1 0 0

0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0

−1 0 0 −1 0 0

0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0

·

u1

v1

w1

u2

v2

w2

, (6.15)

~F = Ke · ~w

mit ~FT

= (~F 1,

~F 2) und ~w

T= (

~d1,

~d2) .

Die Transformationsgleichung (1.19) auf S. 24, u

v

w

=

~f1 ··· ~e1 ~f1 ··· ~e2 ~f1 ··· ~e3~f2 ··· ~e1 ~f2 ··· ~e2 ~f2 ··· ~e3~f3 ··· ~e1 ~f3 ··· ~e2 ~f3 ··· ~e3

·u

v

w

, (6.16)

kurz~d = D3 · ~d

erweitern wir zur Transformationsbeziehung für beide Knoten des Stabes:~d1

~d2

=

(D3 00 D3

)·(~d1

~d2

)= Te ·

(~d1

~d2

), (6.17)

also~w = Te · ~w (6.18)

und für die Kräfte entsprechend~F = Te · ~F . (6.19)

Zur Berechnung von D3 bzw. Te stellen wir zunächst die Basiseinheitsvektoren ~ei , ~fi auf. Es gilt imglobalen System

~e1 =

1

0

0

, ~e2 =

0

1

0

, ~e3 =

0

0

1

.

Nach Bild 1.3 auf S. 20 berechnen wir zunächst den lokalen Basisvektor ~f1 in Richtung von Knoten 1 nachKnoten 2 und normieren mit der Stablänge L:

L =√

(x2 − x1)2 + (y2 − y1)2 + (z2 − z1)2 ,

Page 110: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

110 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

also~f T1 =

1

L·(x2 − x1 , y2 − y1 , z2 − z1

).

Die y-Achse legen wir der Einfachheit halber parallel zur xy-Ebene, sodass die z-Komponente von ~f2 gleichNull ist. Die Projektion von ~f1 auf die xy-Ebene ist der Vektor

(x2 − x1 , y2 − y1 , 0) ,

seine Drehung um 90 und anschließende Normierung bringt den Basisvektor ~f2:

~f T2 =

1

L′·(− (y2 − y1) , x2 − x1 , 0

)mit L′ =

√(x2 − x1)2 + (y2 − y1)2 .

Schließlich ist der Basisvektor ~f3 das äußere (Kreuz-)Produkt von ~f1 mit ~f2,

~f3 = ~f1 × ~f2 =1

LL′·

x2 − x1

y2 − y1

z2 − z1

×

−(y2 − y1)

x2 − x1

0

=1

LL′·

−(x2 − x1)(z2 − z1)

−(y2 − y1)(z2 − z1)

L′ 2

.

Wir bilden nun die Skalarprodukte aus (6.16). Die lokale x-Achse, d.h. auch ~f1, habe mit den Achsen desglobalen Systems die Winkel α , β , γ :

~f T1 ··· ~e1 =x2 − x1

L= cosα , ~f T1 ··· ~e2 =

y2 − y1

L= cosβ ,

~f T1 ··· ~e3 =z2 − z1L

= cos γ , ~f T2 ··· ~e1 = −y2 − y1

L′= −

L

L′cosβ ,

~f T2 ··· ~e2 =x2 − x1

L′=

L

L′cosα , ~f T2 ··· ~e3 = 0 ,

~f T3 ··· ~e1 = −(x2 − x1)(z2 − z1)

LL′= −

L

L′cosα cos γ ,

~f T3 ··· ~e2 = −(y2 − y1)(z2 − z1)

LL′= −

L

L′cosβ cos γ , ~f T3 ··· ~e3 =

L′

L.

Wir fassen die Ergebnisse in D3 zusammen:

D3 =

x2 − x1

L

y2 − y1

L

z2 − z1L

−y2 − y1

L′x2 − x1

L′0

−(x2 − x1)()

LL′−

(y2 − y1)(z2 − z1)

LL′L′

L

=

cosα cosβ cos γ

−L

L′cosβ

L

L′cosα 0

−L

L′cosα cos γ −

L

L′cosβ cos γ

L′

L

.

(6.20)

Mit Te aus (6.18) und (6.19), die D3 enthält, ergibt sich die globale Steifigkeitsbeziehung, indem wir in

(6.15) ~F und ~w ersetzen:~F = Ke · ~w =

(T Te · Ke ·Te

)· ~w .

Page 111: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.3 Die Verschiebungsmethode für ebene Balkensysteme 111

Wegen der Nullzeilen und Nullspalten von Ke in (6.15) spielt nur die 1. Zeile von D3 eine Rolle beimAusrechnen des Matrizenprodukts. Dies ist aber auch anschaulich klar, weil der Stab im lokalen System iny-Richtung und z-Richtung keine Kräfte und Verschiebungen hat. Somit lautet die globale ES-Matrix fürden dreidimensionalen Stab

Ke = (6.2)

A·EL·

cos2 α cosα cosβ cosα cos γ − cos2 α − cosα cosβ − cosα cos γ

cos2 β cosβ cos γ − cosα cosβ − cos2 β − cosβ cos γ

cos2 γ − cosα cos γ − cosβ cos γ − cos2 γ

cos2 α cosα cosβ cosα cos γ

(symmetrisch) cos2 β cosβ cos γ

cos2 γ

Hinweis:Obwohl wir nur die 1. Zeile von D3 für die Transformation gebrauchten, haben wir D3 vollständig entwickelt,weil wir D3 bzw. Te bei der Entwicklung der ES-Matrix des räumlichen Balkens benötigen werden. N

6.3 Die Verschiebungsmethode für ebene Balkensysteme

Wir ersetzen den Stab, der nur Längskräfte aufnehmen kann, durch den Balken, der Längskräfte, Querkräfteund Momente übertragen kann. Diese Größen sollen nur an den Balkenenden angreifen dürfen. Wir zeichnenschon hier den dreidimensionalen Fall, obwohl wir diesen erst später komplett behandeln. Ein Balken mitden Knoten 1 und 2 ist prinzipiell durch folgende Kräfte und Momente belastbar:

Bild 6.4

Page 112: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

112 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Die Eigenschaften des Balkens sind durch die folgenden Konstanten festgelegt:

Querschnittsfläche A Länge LElastizitätsmodul E Gleitmodul GTrägheitsmomente Iy , Iz , Ix .

In (5.32) im Abschnitt 5.5.1 auf S. 99 wurde die Elementsteifigkeitsbeziehung für den Balken in der zx-Ebeneentwickelt. Allerdings können wir die vollständige ES-Matrix des räumlichen Balkens erst dann aufstellen,wenn wir außerdem die Steifigkeitsbeziehung für das Torsionsmoment Mx kennen.

I ES-Matrix für das Torsionsmoment Mx :Wir nehmen an, dass ein Balken alleine durch die TorsionsmomenteMx1 undMx2 in den Knoten beanspruchtwird.

Bild 6.5Die Gleichgewichtsbedingung lautet: Mx1 +Mx2 = 0 . Für den Torsionswinkel α an der Stelle x des Balkensgilt:

∂α

∂x=

Mx2

G · Ix,

unbestimmt integriert

α(x) =Mx2

G · Ix· x+ C .

Mit den Randbedingungen α(0) = α1 und α(L) = α2 folgt

α2 =Mx2 · LG · Ix

+ α1 .

bzw.Mx2 =

G · IxL· (α2 − α1) .

Wegen Mx1 = −Mx2 gilt

Mx1 =G · IxL· (α1 − α2) .

Zusammengefasst haben wir die gesuchte Beziehung(Mx1

Mx2

)=

G · IxL

(1 −1

−1 1

)·(α1

α2

). (6.21)

II ES-Matrix für Kräfte und Momente in der zx-Ebene :

Bild 6.6

Page 113: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.3 Die Verschiebungsmethode für ebene Balkensysteme 113

Den beteiligten Vektoren und Matrizen geben wir den Zusatzindex u zur Unterscheidung gegen den folgendenFall III:

~Fu

T

= (Mx1 , Fz1 , My1 , Mx2 , Fz2 , My2) und ~wuT

= (α1 , w1 , β1 , α2 , w2 , β2) .

Wir kombinieren die Gleichungen (6.21) und (5.32) im Abschnitt 5.5.1 auf S. 99 zu einer gesammelten ES-Beziehung, wobei wir in (5.32) für Φ nun β schreiben und aus der ES-Matrix den Faktor (E · Iy)/L3

herausziehen:

Mx1

Fz1My1

Mx2

Fz2My2

=

E · IyL3

G · Ix · L2

E · Iy0 0 −

G · Ix · L2

E · Iy0 0

0 12 −6L 0 −12 −6L

0 −6L 4L2 0 6L 2L2

−G · Ix · L2

E · Iy0 0

G · Ix · L2

E · Iy0 0

0 −12 6L 0 12 6L

0 −6L 2L2 0 6L 4L2

·

α1

w1

β1

α2

w2

β2

(6.22)

bzw. kurz~Fu = Ku

e · ~wu .III ES-Matrix für Kräfte und Momente in der xy-Ebene :

Bild 6.7In der gleichen Weise legen wir die Steifigkeitsbeziehungen in (6.21) und (5.32) zugrunde, indem wir jetztden Balken in der xy-Ebene betrachten und dort die Kräfte und Momente Fx , Fy , Mz berücksichtigen.Die beteiligten Vektoren und Matrizen bekommen den Zusatzindex o:

~Fo

T

= (Fx1 , Fy1 , Mz1 , Fx2 , Fy2 , Mz2) und ~woT

= (u1 , v1 , γ1 , u2 , v2 , γ2) .

Es ist zu beachten, dass das Koordinatensystem in Bild 6.7 anders als in Bild 6.6 orientiert ist und dadurchdie Elemente aus (5.32) z.T. andere Vorzeichen erhalten:

Fx1

Fy1

Mz1

Fx2

Fy2

Mz2

=

E · IzL3

A · L2

Iz0 0 −

A · L2

Iz0 0

0 12 6L 0 −12 6L

0 6L 4L2 0 −6L 2L2

−A · L2

Iz0 0

A · L2

Iz0 0

0 −12 −6L 0 12 −6L

0 6L 2L2 0 −6L 4L2

·

u1

v1

γ1

u2

v2

γ2

(6.23)

Page 114: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

114 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

bzw. kurz~F o = Ko

e · ~wo .Im folgenden Beispiel wird ein Balkensystem in der xy-Ebene mit dem soeben behandelten Balkentyp IIIbetrachtet. In Beispiel 1.16 auf S. 23 wurde die Transformationsmatrix für einen solchen Balkentyp vorbe-reitet. Die Transformationsmatrix Te für die lokale ES-Matrix (6.23) ergibt sich aus T2 in Beispiel 1.16zu

Te =

(T2 00 T2

).

Mit ~F o = Te · ~Fo und ~wo = Te · ~wo wird aus ~

F o = Koe · ~wo :

Te · ~Fo = Koe ·Te · ~wo oder

~Fo =(T Te · Ko

e ·Te)· ~wo = Ko

e · ~wo . (6.24)

Beispiel 6.1Wir haben ein Balkensystem in der xy-Ebene mit dem Balkentyp (6.23) und berechnen Ko

e aus der lokalenES-Matrix über (6.24).Gegebene Daten: Last F = 600 N L = 1000 mm

Querschnitt Q = 1000 mm2 E = 210000 N/mm2

Iz = 105 mm4

Daraus wirdE · IzL3

= 21, 0 ,A · L2

Iz= 10000 .

Da Kräfte und Momente nur in Knoten angrei-fen dürfen, bietet sich die folgende Zerlegungdes Bauteils in Balkenelemente an. Das globa-le Koordinatensystem wird so gelegt, dass dieBalken I und II im lokalen und globalen Koor-dinatensystem dieselbe ES-Matrix haben. Wirbilden daher zunächst die ES-Matrix für dieBalken I und II, die gleich sind und sich direktaus (6.23) ergeben.

Balken I und II:KeI und KeII ergeben sich ohne Transforma-tion direkt zu

Bild 6.8

Bild 6.9

KeI = KeII = 21 ·

10000 0 0 −10000 0 0

0 12 6000 0 −12 6000

0 6000 4 · 106 0 −6000 2 · 106

−10000 0 0 10000 0 0

0 −12 −6000 0 12 −6000

0 6000 2 · 106 0 −6000 4 · 106

.

Page 115: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.3 Die Verschiebungsmethode für ebene Balkensysteme 115

Balken III: Der Balken III verbindet Knoten 3 mit 4. Der Drehwinkel gegen das globale Koordinaten-system ist daher α = −90 . Die Transformationsmatrix Te lautet für Balken III

TeIII =

0 1 0 0 0 0

−1 0 0 0 0 0

0 0 1 0 0 0

0 0 0 0 1 0

0 0 0 −1 0 0

0 0 0 0 0 1

.

Mit (6.23) berechnen wir Ko = T Te · Ko

e ·Te , also für den Balken III KeIII = T TeIII · KeIII ·TeIII :

KeIII = 21 ·

12 0 6000 −12 0 6000

0 10000 0 0 −10000 0

6000 0 4 · 106 −6000 0 2 · 106

−12 0 −6000 12 0 −6000

0 −10000 0 0 10000 0

6000 0 2 · 106 −6000 0 4 · 106

.

Die ES-Matrizen KeI ,KeII ,KeIII werden auf die beteiligten Knoten der GS-Matrix Kges addiert:

Kges

21=

104 0 0 −104 0 0 0 0 0 0 0 0

0 12 6·103 0 −12 6·103 0 0 0 0 0 0

0 6·103 4·106 0 −6·103 2·106 0 0 0 0 0 0

−104 0 0 2·104 0 0 −104 0 0 0 0 0

0 −12 −6·104 0 24 0 0 −12 6·103 0 0 0

0 6·103 2·103 0 0 8·106 0 −6·106 2·106 0 0 0

0 0 0 −104 0 0 10012 0 6·103 −12 0 6·103

0 0 0 0 −12 −6·103 0 10012 −6·103 0 −104 0

0 0 0 0 6·103 2·106 6·103 −6·103 8·106 −6·103 0 2·106

0 0 0 0 0 0 −12 0 −6·103 12 0 −6·103

0 0 0 0 0 0 0 −104 0 0 104 0

0 0 0 0 0 0 6·103 0 2·106 −6·103 0 4·106

Die Lage der 3 beteiligten ES-Matrizen ist durch die Rahmen kenntlich gemacht. Kges gehört zur Ge-samtsteifigkeitsbeziehung ~F = Kges · ~w . Aufgrund der angegebenen Auflager in den Knoten 1 und 4 istv1 = u4 = v4 = γ4 = 0 . Wir streichen daher die 2., 10., 11. und 12. Zeile und Spalte aus dem Systemheraus. Übrig bleibt

0

0

0

−600

0

0

0

0

= 21 ·

104 0 −104 0 0 0 0 0

0 4 · 106 0 −6 · 103 2 · 106 0 0 0

−104 0 2 · 104 0 0 −104 0 0

0 −6 · 103 0 24 0 0 −12 6 · 103

0 2 · 106 0 0 8 · 106 0 −6 · 103 2 · 106

0 0 −104 0 0 10012 0 6 · 103

0 0 0 −12 −6 · 103 0 10012 −6 · 103

0 0 0 6 · 103 2 · 106 6 · 103 −6 · 103 8 · 106

·

u1

γ1

u2

v2

γ2

u3

v3

γ3

Im Lösungsvektor fügen wir die Nullverschiebungen der Auflager wieder ein und erhalten die Verschiebungenals Vektor aus 12 Komponenten:

Page 116: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

116 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

~w T = [u1 , v1 , γ1 , u2 , v2 , γ2 , u3 , v3 , γ3 , u4 , v4 , γ4]

= [−2, 143 0, 0 − 0, 0057 − 2, 143 − 3, 690 0, 00036−2, 143 − 0, 00164 0, 00429 0, 0 0, 0 0, 0] [mm] bzw. [Rad] .

Die Auflagerreaktionen ergeben sich, indem wir ~w mit den gestrichenen Zeilen von Kges multiplizieren. Soist z.B. das Moment im Auflager des Knoten 4:

Mz4 = 21 ·[

0 , 0 , 0 , 0 , 0 , 0 , 6 · 103 , 0 , 2 · 106 , −6 · 103 , 0 , 4 · 106]··· ~w

= -90000 Nmm .

Für die anderen Auflagerkräfte ergibt sich genauso

Gy1 = 255 N , Gx4 = 0 N , Gy4 = 345 N .

Über die ES-Matrizen berechnen wir die Schnittkräfte in den Balken. Beispielsweise ergeben sich die Schnitt-kräfte für den Balken II über die ES-Beziehung ~FII = KeII · ~wII :

Fx2

Fy2

Mz2

Fx3

Fy3

Mz3

= 21 ·

10000 0 0 −10000 0 0

0 12 6000 0 −12 6000

0 6000 4 · 106 0 −6000 2 · 106

−10000 0 0 10000 0 0

0 −12 −6000 0 12 −6000

0 6000 2 · 106 0 −6000 4 · 106

·

−2, 143

−3, 690

0, 00036

−2, 143

−0, 00164

0, 00429

=(0 -345 -255000 0 345 -90000

)[N] bzw. [Nmm] .

6.4 Die ES-Matrix für räumliche Balkensysteme

Schließlich gewinnen wir die komplette ES-Beziehung für den allgemeinen räumlichen Balken (siehe Bild 6.4),indem wir die Gleichungen (6.22) und (6.23) zusammenfassen zur ES-Beziehung im lokalen xyz-System

(Fx1 , Fy1 , Mz1 , Fx2 , Fy2 , Mz2 , Mx1 , Fz1 , My1 , Mx2 , Fz2 , My2) T

=

(Koe 00 Ku

e

)· (u1 , v1 , γ1 , u2 , v2 , γ2 , α1 , w1 , β1 , α2 , w2 , β2) T ,

(6.25)

bzw.~F∗

= K∗e · ~w∗.

Die Matrix K∗e ist eine (12,12)-Matrix. Der ∗-Akzent bedeutet, dass die Komponentenreihenfolge für dieBenutzung in FEM-Programmen in dieser Form nicht brauchbar ist. Dort muss sie knotenweise angeordnetwerden. Zu diesem Zweck muss die Reihenfolge der Verschiebungen/Drehungen auf der einen Seite und derKräfte/Momente auf der anderen Seite umorientiert werden, nämlich

~F =

(Fx1 , Fy1 , Fz1 , Mx1 , My1 , Mz1︸ ︷︷ ︸ , Fx2 , Fy2 , Fz2 , Mx2 , My2 , Mz2︸ ︷︷ ︸ ) T

1. Knoten 2. Knoten

Page 117: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.4 Die ES-Matrix für räumliche Balkensysteme 117

und~w =

(u1 , v1 , z1 , α1 , β1 , γ1︸ ︷︷ ︸ , u2 , v2 , z2 , α2 , β2 , γ2︸ ︷︷ ︸ ) T

1. Knoten 2. Knoten.

Die Elemente in K∗e sind entsprechend umzuordnen.

Übung: Ordnen Sie die Matrix K∗e so um in die Matrix Ke , dass mit den obigen Vektoren ~F und ~w die

Beziehung ~F = Ke · ~w gilt.

Das Ergebnis ist die lokale ES-Matrix Ke für den räumlichen Balken:~F = Ke · ~w mit Ke =

E

L3· (Matrix nächste Zeile)

AL2 0 0 0 0 0 −AL2 0 0 0 0 0

12Iz 0 0 0 6IzL 0 −12Iz 0 0 0 6IzL

12Iy 0 −6IyL 0 0 0 −12Iy 0 −6IyL 0

GIxL2

E0 0 0 0 0 −GIxL

2

E0 0

4IyL2 0 0 0 6IyL 0 2IyL

2 0

4IzL2 0 −6IzL 0 0 0 2IzL

2

AL2 0 0 0 0 0

12Iz 0 0 0 −6IzL

(symmetrisch) 12Iy 0 6IyL 0

GIxL2

E0 0

4IyL2 0

4IzL2

(6.26)

Wir transformieren die lokale ES-Matrix Ke in die globale ES-Matrix Ke. Dabei nehmen wir vereinfachendan, dass die Breite b des Balkenquerschnitts parallel zur globalen xy-Ebene liegt. Dies bedeutet eine geringeEinschränkung, weil die meisten Anwendungen in dieser Form vorliegen, macht aber die Gewinnung derTransformationsmatrix Te einfacher, wie wir auf S. 110 bei der Berechnung des Basisvektors ~f2 zurGewinnung von Te über D3 gesehen haben.

Bild 6.10Unter dieser Annahme können wir für die Aufstellung von Te die Matrix D3 aus (6.20) hinzuziehen. Da anjedem Knoten 3 Kräfte und 3 Momente angreifen, lautet die (12,12)- Transformationsmatrix Te

Page 118: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

118 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Te =

D3 0 0 0

0 D3 0 0

0 0 D3 0

0 0 0 D3

, (6.27)

wobei 0 je eine (3,3)-Nullmatrix bedeutet. Mit

~F = Te · ~F und ~w = Te · ~w

bekommen wir die globale ES-Matrix des dreidimensionalen Balkens zu

Ke = T Te · Ke ·Te . (6.28)

Sonderfall:Steht der Balken senkrecht zur xy-Ebene, können wir D3 in (6.20) nicht benutzen, da dort L’ = 0 und dieNenner von 4 Elementen in D3 unbestimmt werden. Für diesen Fall ist der Basiseinheitsvektor in Richtungder x-Achse

~f T1 = (0 , 0 , 1).

Die y-Achse wählen wir senkrecht zur x-Achse, indem wir

~f T1 = (0 , 1 , 0)

setzen. Damit wird~f T3 = (~f1 × ~f2) T = (−1 , 0 , 0) .

Mit (1.19) auf S. 24 wird damit, indem wir die dortigen Skalarprodukte ausrechnen:

D3 =

0 0 1

0 1 0

−1 0 0

. (6.29)

Hieraus ergibt sich durch Einsetzen von D3 in (6.27) die Transformationsmatrix Te für den Sonderfall.

6.5 Allgemeine Beschreibung der Matrixsteifigkeitsmethode

Außer den bisher besprochenen Elementtypen Stab und Balken, die bei Fachwerken eine „natürliche“ Zer-legung des Bauteils in Elemente vorgeben, gibt es eine Vielzahl von weiteren Elementtypen, die je nachProblemstellung eingesetzt werden. Das hängt z.B. davon ab, ob es sich um ebene oder räumliche Proble-me handelt. Es werden beispielhaft einige Elementtypen ohne ihre ES-Matrizen aufgeführt. Das allgemeineVerfahren zur Konstruktion von ES-Matrizen und ihre Einbettung in die GS-Matrix wird im Kapitel 8 be-schrieben.

Der räumliche BiegestabIn jedem Knoten sind 3 Verschiebungen und3 Drehungen zugelassen, sodass (12,12)-ES-Matrizen entstehen. Ein Sonderfall ist der Zug-Druck-Stab, bei dem in jedem Knoten 3 Ver-schiebungen auftreten. Die ES-Matrix ist eine(6,6)-Matrix.

Bild 6.11

Page 119: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.5 Allgemeine Beschreibung der Matrixsteifigkeitsmethode 119

Das ebene Scheibendreieck mit konstan-ter DickeIn jedem Knoten sind 2 Verschiebungen mög-lich, die ES-Matrix ist eine (6,6)-Matrix

Bild 6.12

Das HexaederelementBei 3 Verschiebungen pro Knoten entstehen(24,24)-Matrizen.

Bild 6.13Dreieckselement mit ZwischenpunktenKnoten 10 liegt im Schwerpunkt der Dreiecks-fläche. Bei 2 Verschiebungen pro Knoten er-geben sich (20,20)-Matrizen.

Bild 6.14Der erste Schritt vor einer FE-Berechnung des Bauteils ist die Zerlegung in die gewählten Elementtypen.

Bild 6.15 Bild 6.16

Der Balken in Bild 6.16 ist in Hexaeder (Quader) zerlegt. Da im Angriffspunkt dieser Zerlegung die LastF nicht in einem Knoten angreift, könnte man auf die Idee kommen, in den 4 vorderen Knoten jeweils dieErsatzlast F/4 anzubringen. Dieses Problem entsteht immer dann im FE-Modell, wenn die vorgegebenen

Page 120: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

120 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Einzelkräfte nicht an Knotenpunkten angreifen oder wenn etwa eine Linienlast vorliegt. Dann muss man sichum Ersatzlasten bemühen, die dieselbe Wirkung wie die vorgelegten Lasten haben. Die Frage nach dersel-ben Wirkung hängt dabei vom Elementtyp ab. Ein Verfahren der Ersatzlasten wird im folgenden Abschnittbehandelt.

Da die aneinander grenzenden Elemente des FE-Modells nur durch die Knoten miteinander verbunden sind,können nur hier Kräfte innerhalb des Modells übertragen werden. Jede FE-Struktur eines Bauteils machtdas Modell steifer als das reale Bauteil. Je feiner jedoch die Zerlegung gewählt wird, desto besser wird dasVerhalten des Bauteils angenähert. Mit fortschreitender Verfeinerung konvergieren die Näherungslösungenfür die Verschiebungen, Spannungen usw. gegen die tatsächlichen Werte.Wir entwickeln den Algorithmus, der für das FE-Modell zu den gesuchten Näherungslösungen der Verschie-bungen usw. führt. Wir nehmen an, dass das Bauteil in

s Elemente mit insgesamt n Knotenzerlegt sei. Der gewählte Elementtyp habe

k Knoten pro Element undf Freiheitsgrade pro Knoten.

Der Verschiebungsvektor im i-ten Knoten des Modells ist

~d Ti =(ui1 , ui2 , · · · , uif

),

der zugehörige Kraftvektor (Kräfte und Momente) ist

~F Ti =

(Fi1 , Fi2 , · · · , Fif

).

Die ES-Matrix eines Elements lautet~F1

~F2

...~Fk

=

K11 K12 · · · K1k

K21 K22 · · · K2k

......

...Kk1 Kk2 · · · Kkk

·~d1

~d2

...~dk

.

Die quadratischen Untermatrizen Kij , i, j = 1, · · · , k sind (f , f)-Matrizen, die gesamte ES-Matrix ist eine(k · f , k · f)-Matrix.

Nur der äußeren Übersichtlichkeit halber nehmen wir o.B.d.A. im Folgenden ES-Matrizen mit 2 Knoten,allgemein i und j, und 2 Freiheitsgraden, an:(

~Fi~Fj

)=

(Kii Kij

Kji Kjj

)·(~di~dj

), ~Fi =

(Fi1

Fi2

), ~di =

(ui

vi

),

kurz~Fe = Ke · ~we . (6.30)

Wir nehmen weiter an, dass die ES-Matrizen schon mit ihren Transformationsmatrizen Te in das globaleKoordinatensystem transformiert wurden. Betrachten wir einen Knoten i aus der FE-Struktur des Bauteils.Im Knoten treffen z.B. L Elemente zusammen. Wiederum der Einfachheit halber nummerieren wir o.B.d.A.die benachbarten Elemente von 1 bis L. Als Elemente sind im Bild beispielhaft Stäbe gewählt. Der Knoteni erfährt die Verschiebung ~di. Im Knoten i greife die Kraft ~G T

i =(Gi1 , Gi2

)an.

Page 121: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.5 Allgemeine Beschreibung der Matrixsteifigkeitsmethode 121

Bild 6.17

Für ~Gi gibt es 3 Möglichkeiten:

• ~Gi ist eine vorgegebene äußere Belastung,

• ~Gi bedeutet eine Auflagerreaktion, weil dort ein Auflager vorliegt (Randbedingung),

• ~Gi ist der Nullvektor.

Jedes den Knoten i enthaltende Element überträgt innere Kräfte bzw. Momente nach Knoten i. Von denElementen 1 bis L werden also die inneren Kräfte bzw. Momente ~F

(1)i , ~F

(2)i , · · · , ~F (L)

i in Knoten i übertra-gen. Die Akzente in Klammern zeigen die am Knoten i beteiligten Elemente, der Index i zeigt den Knotenan. Schneiden wir den Knoten aus dem Bauteil heraus, muss Gleichgewicht herrschen:

~Gi = ~F(1)i + ~F

(2)i + · · ·+ ~F

(j)i + · · ·+ ~F

(L)i . (6.31)

Eine solche Gleichgewichtsbedingung gilt für alle Knoten des Bauteils, d.h. i=1,...,n. Die am Knoten ibeteiligten Kräfte ~F

(j)i , j = 1, · · · , L können wir über die am Knoten i angrenzenden Elemente über

ihre ES-Matrizen durch Verschiebungen ausdrücken. Es gilt die ES-Beziehung (6.30) für alle am Knoten ibeteiligten Elemente von Knoten i nach Knoten j:(

~F(j)i~Fj

)=

(K

(j)ii K

(j)ij

Kji Kjj

)·(~di~dj

), j = 1, · · · , L .

Das ist die ES-Beziehung für das Element j von Knoten i nach j (Bild 6.17). Wir führen für die obere Zeileden Akzent (j) ein, um die Beteiligung aller angrenzenden Untermatrizen der beteiligten Elemente optischunterscheiden zu können. Ziehen wir die erste Zeile heraus, haben wir für die Kraft ~F (j)

i in (6.31)

~F(j)i = K

(j)ii · ~di + K

(j)ij · ~dj , j = 1, · · · , L . (6.32)

Wir formen die Gleichgewichtsbedingung (6.31) mit Hilfe von (6.32) um:

~Gi = K(1)i1 · ~d1 + K

(2)i2 · ~d2 + · · · + K

(L)iL · ~dL +

L∑j=1

[K

(j)ii · ~di

]. (6.33)

Page 122: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

122 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Mit (6.33) bauen wir eine Matrizenbeziehung der Form~G1

~G2

...~Gn

= Kges ·

~d1

~d2

...~dn

(6.34)

auf. Die Matrix Kges ist eine (n · f, n · f)-Matrix und heißt die Gesamtsteifigkeitsmatrix (GS-Matrix).Die Gleichung (6.33) bedeutet dabei die i-te Zeile von (6.34). Die Vektorsumme (6.33) hat 2 Komponenten,weil wir in (6.30) der Übersichtlichkeit halber f = 2 angenommen haben. Im allgemeinen Fall besteht (6.33)aus f Komponenten. Beim Einfügen von ~Gi in Kges muss die Stellung der Summanden von (6.33) in Kges

in Abhängigkeit ihrer Indices beachtet werden. In Kges entsteht ~Gi als das folgendes Produkt:

~Gi =

(K1i1 K2

i2 · · · KLiL 0 · · · 0

(L)∑j=1

K(j)ii 0 · · · 0

)···

~d1

...~dL...~di...~dn

. (6.35)

0 bedeutet für f=2 die Nullmatrix

[0 0

0 0

]. Dieses „Einbetten“ führen wir für alle Knoten durch und

erhalten so die Gesamtsteifigkeitsbeziehung mit Kges.Diese Konstruktion von Kges ist knotenorientiert, d.h. es werden die Gleichgewichtsbedingungen fürdie Knoten nacheinander, z.B. aufsteigend abgearbeitet. Diese Vorgehensweise ist vorteilhaft, wenn manals Lösungsverfahren für das Gleichungssystem die sogenannte Frontlösungsmethode anwendet. Sie wirdbei großen Systemen, also Bauteilen mit sehr vielen Elementen eingesetzt und basiert auf dem Cholesky-Verfahren, wobei schon während des Aufbaus von Kges diese auf Dreiecksform gebracht wird.Übersichtlicher läßt sich Kges aufbauen, indem man nicht knotenweise, sondern elementorientiert vorgeht.Die beteiligten ES-Matrizen werden auf Kges aufaddiert, die zunächst eine leere (n · f , n · f) -Matrix ist.Wir betrachten erstens (Akzent (a)) die ES-Matrix des Elements, das vom Knoten i zum Knoten j läuft imBild 6.17. Addieren wir die Untermatrizen auf Kges, haben wir das folgende Bild:

~G1

...~Gi...~Gj...~Gn

=

......

· · · K(a)ii · · · K

(a)ij · · ·

......

· · · K(a)ji · · · K

(a)jj · · ·

......

·

~d1

...~di...~dj...~dn

. (6.36)

Page 123: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.5 Allgemeine Beschreibung der Matrixsteifigkeitsmethode 123

Wenn wir weiter zweitens (Akzent (b)) z.B. die ES-Matrix des Elements vom Knoten j zum Knoten k aufKges addieren, bekommen wir folgendes Bild:

~G1

...~Gi...~Gj...~Gk...~Gn

=

......

· · · K(a)ii · · · K

(a)ij · · ·

......

· · · K(a)ji · · · K

(a)jj + K

(b)jj · · · K

(b)jk · · ·

......

...· · · K

(b)kj · · · K

(b)kk · · ·

......

·

~d1

...~di...~dj...~dk...~dn

. (6.37)

Nach der Platzierung aller ES-Matrizen ist Kges erstellt. Man macht sich schnell klar, dass das Ergebnisdasselbe ist wie mit Hilfe der Gleichungen (6.35). In dieser Darstellung sind die Kij (2,2)-Untermatrizen.Im allgemeinen Fall bei f Freiheitsgraden pro Knoten sind es (f , f)-Untermatrizen. Mit den Abkürzungen

~G T =(~G1 , ~G2 , · · · , ~Gn

)und ~w T =

(~d1 , ~d2 , · · · , ~dn

)lautet die GS-Beziehung

~G = Kges · ~w . (6.38)

Die Vektoren ~G und ~w bestehen n · f Komponenten. Die Matrix Kges ist symmetrisch, da erstens die ES-Matrizen symmetrisch sind und zweitens das Eintragen in die GS-Matrix ein symmetrischer Vorgang ist.Wie wir aus (6.36) erkennen, hängt die Position einer ES-Matrix innerhalb Kges nur von den Knotennum-mern des Elements ab. Diese Tatsache ist von großer Wichtigkeit. Wir erläutern dies an einem Beispiel.

Beispiel 6.2 Eine Stange sei durch 100 Knoten in Balkenelemente zerlegt. Normalerweise wird man dieKnoten z.B. von links nach rechts aufsteigend nummerieren:

Bild 6.18Die Platzierung der 99 ES-Matrizen, deren Untermatrizen im Bild durch unterschiedliche Symbole gekenn-zeichnet sind, ist in Bild 6.19 sichtbar.

Page 124: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

124 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Bild 6.19 Bild 6.20Nehmen wir eine andere Nummerierung vor (siehe Bild 6.21). Diese Nummerierung liefert eine Platzierung,die in Bild 6.20 gezeigt ist. Man erkennt folgendes:Sind die Differenzen der an einem Element beteiligten Knotennummern klein, wird die ES-Matrix in derNähe der Hauptdiagonalen von Kges platziert oder anders ausgedrückt: Je größer die Knotenzahldifferenz in-nerhalb eines Elements ist, desto weiter rücken die Untermatrizen von der Hauptdiagonalen weg. Die beidenNummerierungsbeispiele (Bild 6.18 und 6.21) zeigen für dieses Bauteil den günstigsten und ungünstigstenFall. Im günstigsten Fall sind die ES-Matrizen direkt um die Hauptdiagonale angeordnet, und außerhalbdieses „Bandes“ besteht Kges nur aus Nullen.

Bild 6.21Die Bedeutung einer „optimalen“ Nummerierung kann man erahnen. Ist Kges eine schmale Bandmatrix (sie-he S. 8 unten), wird z.B. der Einsatz des Cholesky-Verfahrens und auch anderer erhebliche Vorteile bringen,weil man sich in der Berechnung der Lösungen auf das „besetzte“ Band beschränken kann.

Bild 6.22

Die Knotenzahldifferenz eines Elements istdie Differenz der größten und kleinsten Knoten-nummer dieses Elements. So hat z.B. ein Elementmit den Knotennummern 4, 7, 9 und 12 die Kno-tenzahldifferenz ke = 8. Sei ke die Knotenzahl-differenz eines Elements und f der Freiheitsgradder Knoten. Dieses Element erzeugt besetzte Ne-bendiagonalen. Die am weitesten nach links bzw.rechts von der Hauptdiagonalen entfernte Neben-diagonale ist die p-te mit p = (ke + 1) · f − 1 .Da Kges eine symmetrische Matrix ist, interes-sieren wir uns nur für die Hauptdiagonale undz.B. die darüber liegenden besetzten Neben-diagonalen.

Das Maximum der Knotenzahldifferenzen aller Elemente einer FE-Struktur heißt die maximale Knoten-

Page 125: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.5 Allgemeine Beschreibung der Matrixsteifigkeitsmethode 125

zahldifferenz m der Struktur. Sie gibt Auskunft über die in Kges am weitesten von der Hauptdiagonalenentfernte Nebendiagonale, die mit Zahlen ungleich Null besetzt ist. Hat die erste Nebendiagonale die Num-mer 1, so hat die am weitesten entfernte die Nummer (m+ 1) · f − 1. Für Kges ergibt sich nach Aufaddierenaller ES-Matrizen etwa Bild (6.22). Je kleiner die Anzahl

mb = (m+ 1) · f − 1 ,ist, desto schneller ist das Gleichungssystem (6.38) zu lösen, da man z.B. das Cholesky-Verfahren auf diebesetzten Diagonalen beschränken kann. mb ist die Bandbreite der Struktur. Man muss nur diese Diagonalenplus die Hauptdiagonale im Programm speichern, d.h. zur Verfügung stellen. Es ist daher darauf zu achten,dass die Nummerierung der FE-Struktur mit Rücksicht auf mb möglichst optimal gewählt wird, d.h. mb,also m möglichst klein werden läßt. Da moderne FE-Programme einen sogenannten Netzgenerator besitzen,der auf der Grundlage der Geometrie des Bauteils automatisch ein Netz von Elementen erzeugt und dieBandbreite optimiert, ist dieses Problem zweitrangig geworden.

Beispiel 6.3 Eine Rechteckscheibe soll in Rechteckelemente zerlegt werden und optimal nummeriert werden.Wir geben 2 Nummerierungsmöglichkeiten vor. Im Fall a) beträgt die maximale Knotenzahldifferenz m =13, im Fall b) ist m = 4 (siehe Bild 6.23). Das FE-Modell besteht aus s = 22 Elementen und n = 36Knoten. Es handelt sich um ein ebenes Problem, d.h. Verschiebungen in x- und y-Richtung sind möglich,der Knotenfreiheitsgrad ist also f = 2. Die GS-Matrix Kges ist somit eine (72,72)-Matrix. Im Fall a) sind esmb = (m+ 1) · f − 1 = 27 Diagonalen, im Fall b) nur mb = 9.

Bild 6.23

Im ersten Teil dieses Abschnitts wurde beschrieben, wie die GS-Matrix Kges aus den ES-Matrizen erzeugtwird. Wir müssen jetzt das Gleichungssystem (6.38) vervollständigen. Im Kraftvektor ~G und im Verschie-bungsvektor ~w sind die bekannten Größen einzutragen: die Lasten und die Randbedingungen.(I) Kraftvektor:Die ~Gi aus ~G sind entweder der Nullvektor, eine bekannte vorgegebene Last oder unbekannte Auflagerre-aktionen. Aus Gründen der übersichtlichen Darstellung nehmen wir an, dass die ersten m Kraftvektoren~Gi, i = 1, · · · ,m unbekannte Auflagerreaktionen sind, wir versehen sie mit einem *:

~G T =(~G∗1 , ~G

∗2 , · · · , ~G∗m , ~Gm+1 , · · · , ~Gn

).

Page 126: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

126 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

(II) Verschiebungsvektor:Da die ersten m Knoten Auflager darstellen, müssen für die ersten m Verschiebungsvektoren Randbedingun-gen festgelegt werden, sagen wir alle sind fest, haben also die Sollverschiebung 0. Im Verschiebungsvektor ~wsind daher die ersten m Verschiebungsvektoren gleich dem Nullvektor, d.h.

~w T =(~0 , ~0 , · · · , ~0 , ~dm+1 , · · · , ~dn

).

Das System (6.38) gestaltet sich daher zu

~G∗1...~G∗m~Gm+1

...~Gn

=

Ka Kauf

Kb Kred

~0

...~0~dm+1

...~dn

. (6.39)

Die GS-Matrix wird in 4 Untermatrizen entsprechend bekannter und unbekannter Verschiebungen bzw.unbekannter und bekannter Käfte zerlegt, also in Ka , Kb , Kauf , Kred .

Das Gleichungsystem (6.39) wird in 2 Schritten gelöst.

(a) Das reduzierte GleichungssystemWir lösen das reduzierte Gleichungsystem

~Gm+1

...~Gn

= Kred

~dm+1

...~dn

. (6.40)

Die Unbekannten sind hier die Komponenten der Verschiebungsvektoren ~dm+1, · · · , ~dn , bei einem Freiheits-grad f pro Knoten sind dies (n−m) · f Gleichungen. Die Lösungen dieses Systems sind die Deformationenund Verdrehungen in den Knoten des FE-Modells.

(b) Die AuflagerreaktionenDie unbekannten Auflagerreaktionen ~G∗1, · · · , ~G∗m bekommen wir durch Einsetzen der soeben berechnetenVerschiebungen in die Beziehung

~G∗1...~G∗m

= Kauf

~dm+1

...~dn

. (6.41)

Damit ist das Gleichungssystem gelöst.

Page 127: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.5 Allgemeine Beschreibung der Matrixsteifigkeitsmethode 127

Die Dehnungen und SpannungenNun können wir die Dehnungen und Spannungen in den Knoten berechnen. Wir greifen zurück auf dieBeziehungen (3.19) und Satz (3.1):

~ε = B · ~d , also ~σ = D ·B · ~d .

Die MatrixB ist eine Differenzialoperatormatrix, die angesetzt auf ~d, die partiellen Ableitungen der Funktiondes Vektorfeldes der Verschiebungen bedeutet. Gehen wir vom allgemeinen dreidimensionalen Fall aus, lautetdas Verschiebungsfeld

~d = ~d(x, y, z) =

u(x, y, z)

v(x, y, z)

w[x, y, z)

.

Wie später in Abschnitt 8.3 entwickelt wird, gehört zu jedem Elementtyp ein Verschiebungsfeld, das wir alsbekannt voraussetzen können. Sei beispielsweise das Verschiebungsfeld

~d(x, y, z) =

x2 + 2y − z3x− 4y2 + z2

4x− 5y + 3z

gegeben. Dann müssen wir zunächst ~ε = B · ~d berechnen: Die Matrix B in (3.18) setzen wir auf ~d an:

B · ~d(x, y, z) =

2x

−8y

3

5

2z − 5

3

.

Setzt man hier die Koordinaten eines Knotens ein, erhält man die Verzerrungen ~ε im Knoten. Die Mul-tiplikation mit der Hooke’schen Matrix D bringt die Spannungen im Knoten. Im Abschnitt 8.3 wird dieVorgehensweise für allgemeine Elemente vorgetragen. Die praktische Vorgehensweise ist dort etwas abwei-chend vom eben vorgetragenen Ablauf.

Mit der Kenntnis des Spannungsvektors ~σ =(σxx , σyy , · · · , τzx

)ist es mit den Entwicklungen in den

Abschnitten 2.1.1 und 2.1.2 möglich, z.B. die Hauptnormalspannungen in den gewünschten Knoten zu be-stimmen.

ErgänzungenIm vorgetragenen Ablauf hatten wir der Übersichtlichkeit angenommen, dass die ersten m Knoten die Auf-lager sind, um die Matrix Kges übersichtlich darstellen und das Verfahren einfach erläutern zu können.Im allgemeinen Fall ist es aber so, dass die Auflagerknoten beliebig in die Nummerierung von 1 bis n einge-streut sind. Das macht es natürlich aufwendig, die Untermatrix Kred aus Kges zu isolieren. Wir betrachtendaher eine andere Möglichkeit. Nehmen wir ein Auflager im Knoten i an, also z.B. ~di = ~0. Der Einfachheithalber setzen wir wieder die Anzahl der Freiheitsgrade auf f = 2, d.h. ~d Ti =

(ui , vi

)=(0, 0). Aus dem

Page 128: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

128 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Gleichungssystem (6.38) machen wir nur die am Knoten i beteiligten Untermatrizen aus Kges sichtbar:

~G1

...~Gi...~Gn

=

K1i

...Ki1 Ki2 · · · Kii · · · Kin

...Kni

·

~d1

...~0

...~Gn

. (6.42)

Für unsere Annahme f = 2 bestehen die in (6.42) eingetragene i-te Zeile und i-te Spalte aus je 2 Zeilen bzw.2 Spalten. Wir ändern das Gleichungssystem wie folgt:

• Der unbkannte Vektor ~Gi wird als Nullvektor eingetragen ,

• Der bisherige Nullvektor ~di wird als unbekannter Vektor eingeführt ,

• Die zum Index i gehörenden 2 Zeilen und 2 Spalten werden bis auf die Diagonalelemente auf 0, dieDiagonalelemente auf 1 gesetzt.

Wir haben folgendes Bild:

~G1

...~Gi−1

~0~Gi+1

...~Gn

=

0 0

...0 · · · 0 1 0 0 · · · 0

0 · · · 0 0 1 0 · · · 0

...0 0

·

~d1

...~di−1

~di~di+1

...~dn

. (6.43)

Dies wird für alle Auflager durchgeführt. Was bewirkt das so geänderte Gleichungssystem ?

• Es bringt für alle Auflagerknoten, also z.B. für den Knoten i den Verschiebungsvektor ~di = ~0. Insofernhat sich nichts geändert.

• Für die anderen Knoten ergeben sich dieselben Verschiebungsvektoren wie oben mit Kred.

Die Änderungen an Kges ergeben, wenn man die erzeugten Nullzeilen und Nullspalten gedanklich streicht,genau die Matrix Kred. Die Nullzeilen und Nullspalten sind aber hinsichtlich der Lösungen für die unbe-kannten Verschiebungsvektoren neutral. Die Nullzeilen selbst bringen wegen der 1 im Diagonalelement undansonsten Nullen genau den Nullvektor für die Verschiebung wie vorgesehen. Man löst also das so geänderte,aber ansonsten vollständige Gleichungssystem, d.h. hat nicht den Aufwand, Kred aus Kges zu isolieren.

Der Nachteil, dass man nicht direkt mit der kleineren Matrix Kred rechnen kann, sondern mit einer Matrixvon derselben Größenordnung wie Kges, spielt bei üblicherweise großen FE-Strukturen, die vergleichsweisewenige Auflagerknoten enthalten, kaum eine Rolle.

Das „Nullsetzen“ der Auflagerzeilen und zugehöriger Spalten zerstört natürlich genau die Matrix Kauf , so-dass man nicht mehr auf diesem bequemen Weg über Kauf die Auflagerreaktionen berechnen kann. Daman natürlich in der Regel diese Größen haben möchte, wird in FE-Programmen vor der Veränderung derMatrix Kges die Teilmatrix Kauf in einer externen Datei gesichert, um sie später zur Berechnung derAuflagerreaktionen wieder einzulesen. N

Page 129: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.6 Ersatzlasten für Balken 129

6.6 Ersatzlasten für Balken

Bei der Beschreibung des FE-Verfahrens in den vorigen Abschnitten haben wir vorausgesetzt, dass dievorgegebenen Lasten nur als Einzellasten in Knoten angreifen. Wir entwickeln am Beispiel des BalkensLösungen, dass Lasten auch an anderen Punkten des Bauteils angreifen dürfen und z.B. auch Streckenlastenzugelassen sind.

I Senkrechte Einzellast:Die auf den ersten Blick einfache Lösung besteht darin, den Balken, an dem die Last angreift, in 2 Balkenzu zerlegen, sodass der Zwischenknoten im Angriffspunkt der Last liegt. Nach dem Aufstellen der Strukturnoch einen Knoten hinzuzufügen, verschlechtert die Bandbreite mb der Struktur möglicherweise extrem.

(1) Der Balken habe o.B.d.A. die Knoten-nummern 1 und 2. Wir setzen zunächst un-bekannte Ersatzkräfte Fe1, Fe2 und Ersatz-momente Me1,Me2 an, die in den beidenKnoten Verschiebungen w1, w2 und Verdre-hungen Φ1,Φ2 hervorrufen:

Bild 6.24

Nach (5.26) und (5.29) in Abschnitt 5.5.1 auf S. 99 gilt mit den noch unbekannten Ersatzgrößen

w1 =L3 · Fe13E · Iy

+L2 ·Me1

2E · Iy

Φ1 =L2 · Fe12E · Iy

+L ·Me1

E · Iy︸ ︷︷ ︸Hierbei ist Knoten 2 eingespannt

w2 =L3 · Fe23E · Iy

−L2 ·Me2

2E · Iy

Φ2 = −L2 · Fe22E · Iy

+L ·Me2

E · Iy︸ ︷︷ ︸Hierbei ist Knoten 1 eingespannt .

(6.44)

(2) Wir betrachten den Balken jetzt nur unter der Last F im Abstand a vom Knoten 1.

(2a) Wir berechnen die Absenkung undVerdrehung im Knoten 1 nach der Einheits-lastmethode, nehmen in Knoten 1 die Ein-heitslast „1“ an und spannen den Balken imKnoten 2 ein:

Bild 6.25

w1 =F

E · Iy

L∫a

−x · (a− x) dx =F

E · Iy

[L3

3−a · L2

2+a3

6

].

Zur Berechnung von Φ1 nehmen wir in Knoten 1 das Einheitsmoment „1“ an:

Φ1 =F

E · Iy

L∫a

−(a− x) dx =F

E · Iy

[L2

2− a · L+

a2

2

].

Page 130: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

130 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

(2b) Indem wir den Balken im Knoten 1 einspannen und im Knoten 2 die Einheitslast „1“ bzw. das Ein-heitsmoment „1“ annehmen, ergibt sich analog:

w2 =F

E · Iy

a∫0

(x− a)(x− L) dx =F

E · Iy

[a3

3−

(a+ L) · a2

2+ a2 · L

]

Φ2 =F

E · Iy

a∫0

(x− a) dx = −F · a2

2E · Iy.

Der Vergleich w1 = w1, · · · ,Φ2 = Φ2 aus (1) mit (2a,2b) bringt die gesuchten Ersatzlasten für die Last Fin den Knoten 1 und 2:

Fe1 =F

L3(L− a)2(L+ 2a)

Me1 = −F · aL2

(L− a)2

Fe2 =F · a2

L3(3L− 2a)

Me2 =F · a2

L2(L− a)

(6.45)

II Senkrechte Streckenlast:Vorgegeben ist eine konstante senkrecht auf den Balken über die Balkenlänge L wirkende Streckenlast q(x) =q0:

Für die Ersatzlasten Fe1 bisMe2 haben wirwieder die Gleichungen (6.44).

Bild 6.26

(1) Zunächst spannen wir den Balken wieder im Knoten 2 ein und bringen im Knoten 1 eine Einheitslastbzw. ein Einheitsmoment „1“ auf. Die Einheitslastmethode bringt die beiden Ergebnisse

w1 =1

E · Iy

L∫0

(−x)(−1

2q0 · x2) dx =

q0 · L4

8E · Iy

Φ1 =1

E · Iy

L∫0

(−1)(−1

2q0 · x2) dx =

q0 · L3

6E · Iy.

Page 131: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.6 Ersatzlasten für Balken 131

Bild 6.27

Bild 6.28 (2) Jetzt spannen wir den Balken im Knoten 1 ein und bringen die Einheitslast bzw. dasEinheitsmoment im Knoten 2 auf:

w2 =1

E · Iy

L∫0

q0 · (Lx−L2

2−x2

2)(x− L) dx =

q0 · L4

8E · Iy

Φ2 =1

E · Iy

L∫0

q0 · (Lx−L2

2−x2

2) dx = −

q0 · L3

6E · Iy.

Wir vergleichen die erhaltenen Werte mit denen aus (6.44), setzen sie gleich, d.h.w1 = w1, · · · , Φ2 = Φ2 und erhalten

Fe1 =q0 · L

2

Me1 = −q0 · L2

12

Fe2 =q0 · L

2

Me2 =q0 · L2

12

(6.46)

Hinweise:(1) Anstelle der Einzellast F bzw. der Streckenlast q0 sind die Ersatzlasten

~F Ters =

[Fe1 , Me1 , Fe2 , Me2

]auf der linken Seite von (6.38) als bekannte Lasten in den zugehörigen Knotenkomponenten der Gesamtstei-figkeitsbeziehung einzutragen.

(2) Weitere Änderungen ergeben sich, wenn wir die ES-Beziehung des beteiligten Elements benutzen wol-len, um aus den Verschiebungen und Verdrehungen die in den Knoten übertragenen Kräfte und Momentezu berechnen. Wir zeigen, dass die Gleichung ~Fe = Ke · ~we korrigiert werden muss zu

~Ge = Ke · ~we − ~Fers . (6.47)

Wir erläutern die Gleichung (6.47) an einem Beispiel:

Page 132: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

132 6 Die Matrixsteifigkeitsmethode

Bild 6.29

Zunächst greife die vorgegebene Last F auf dem Balken an. ~G Te =

[~G1

1 ,~G1

2

]sind die gesuchten Schnitt-

kräfte des Elements 1 an den Knoten 1 und 2. Weiter sind ~F(2)1 , ~F

(3)2 , ~F

(4)2 die Schnittkräfte an den

benachbarten Elementen 2, 3 und 4. Die Gleichgewichtsbedingungen liefern

Knoten 1: ~F(2)1 + ~G

(1)1 = ~0

Knoten 2: ~F(3)2 + ~F

(4)2 + ~G

(1)2 = ~0 .

(6.48)

Die ursprüngliche Kraft F ersetzen wir jetzt durch die Ersatzlasten ~F Ters in den Knoten 1 und 2:

~F Ters =

(Fe1 , Me1 , Fe2 , Me2

)=(~Fers,1 , ~Fers,2

).

Bild 6.30Die Schnittkräfte in den Nachbarelementen bleiben unverändert, weil die Wirkung vom Balken 1 her dieselbeist. Die Gleichgewichtsbedingungen lauten jetzt, wobei ~F T

e =[~F

(1)1 , ~F

(1)2

]die Schnittkräfte im Balken 1

bei Vorhandensein der Ersatzlasten sind:

Knoten 1: ~F(2)1 + ~F

(1)1 = ~Fers,1 bzw. ~F

(2)1 = −~F (1)

1 + ~Fers,1

Knoten 2: ~F(3)2 + ~F

(4)2 + ~F

(1)2 = ~Fers,2 bzw. ~F

(3)2 + ~F

(4)2 = −~F (1)

2 + ~Fers,2 .(6.49)

Einsetzen von(6.49) in (6.48) liefert die gewünschten Schnittkräfte für das Balkenelement 1 im ursprünglichenSystem mit der Last F:

~G(1)1 = ~F

(1)1 − ~Fers,1

~G(1)2 = ~F

(1)2 − ~Fers,2 .

Zusammengefasst ergibt sich mit ~F Te =

[~F

(1)1 , ~F

(1)2

]und ~Fe = Ke · ~we die Behauptung (6.47)

~Ge = ~Fe − ~Fers = Ke · ~we − ~Fers .

N

Page 133: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

6.6 Ersatzlasten für Balken 133

Beispiel 6.4

Bild 6.31Das FE-System besteht aus einem Balken der Länge 2L mit den Knoten 1 und 2. Im Abstand L von derEinspannung greift die Kraft F an. Wir bestimmen die Ersatzlasten mit (6.45), indem wir dort L durch 2Lund a durch L ersetzen:

~F Ters =

(Fe1 , Me1 , Fe2 , Me2

)=(F

2, −

F · L4

,F

2,F · L

4

).

Wir benutzen die ES-Beziehung (5.32), wobei wir L durch 2L ersetzen. Die ES-Matrix ist identisch mitder GS-Matrix, weil nur ein Element vorhanden ist. Wir setzen in der GS-Beziehung für den Lastvektordie äußere Last ~Fers und die unbekannten Auflagerreaktionen F1 , M1 für den Verschiebungsvektor dieunbekannten Verschiebungen w2 , Φ2 und die Randbedingungen w1 = Φ1 = 0 :

F1 + F/2

M1 − F · L/4F/2

F · L/4

=E · Iy8L3

12 −12L −12 −12L

−12L 16L2 12L 8L2

−12 12L 12 12L

−12L 8L2 12L 16L2

·

0

0

w2

Φ2

. (6.50)

F1 , M1 sind die Auflagerreaktionen in Knoten 1. Da der Balken in Knoten 1 fest eingespannt ist, streichenwir die 1. und 2. Zeile bzw. Spalte. Wir erhalten das reduzierte Gleichungssystem:(

F/2

F · L/4

)=

E · Iy8L3

(12 12L

12L 16L2

)·(w2

Φ2

). (6.51)

Die Lösungen sind die Verschiebung und Verdrehung im Knoten 2:

w2 =5 · F · L3

6 · E · Iy, Φ2 = −

F · L2

2 · E · Iy.

Mit der Gleichung (6.47) berechnen wir die Schnittkräfte in Knoten 1 und 2, indem wir auch die soebenberechnete Verschiebung und Verdrehung w2 und Φ2 einsetzen:

Fz1

My1

Fz2

My2

=E · Iy8L3

12 −12L −12 −12L

−12L 16L2 12L 8L2

−12 12L 12 12L

−12L 8L2 12L 16L2

·

0

0

w2

Φ2

F/2

−F · L/4F/2

F · L/4

=

−F/2

3 · F · L/4F/2

F · L/4

F/2

−F · L/4F/2

F · L/4

=

−FF · L

0

0

.

(6.52)

Das sind die bekannten Ergebnisse aus der Statik.

Page 134: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

134

7 Variationsmethoden

In der Infinitesimalrechnung besteht eine Aufgabe darin, zu einer Funktion y = f(x) die relativen Extremazu bestimmen. Die Variationsrechnung behandelt das Problem, ein bestimmtes Integral, das im Integran-den eine unbekannte Funktion y = g(x) enthält, in Abhängigkeit von dieser Funktion zu minimieren odermaximieren. Ein solches Integral nennt man ein Funktional. Die FEM ist ein Näherungsverfahren zur Mini-mierung solcher Funktionale, nämlich z.B. das Funktional der potenziellen Energie für ein belastetes Bauteilhinsichtlich der Verschiebungsfunktion zu minimieren und so zu Lösungen z.B. für die Verschiebungen undSpannungen zu gelangen.

7.1 Variationsmethoden für Funktionen einer Veränderlichen

Wir erläutern die Aufgabe an einem Beispiel.

Beispiel 7.1 In der xy-Ebene sind zwei Punkte A und B gegeben. Wir betrachten alle Funktionen, derenKurven A mit B verbinden und stetig differenzierbar sind. Die Randbedingungen für die Funktionen lautenalso

g(a) = ya und g(b) = yb .

Gesucht sind unter allen zugelassenen Funk-tionen diejenigen, deren Kurven die kürzes-te Verbindung von A nach B aufweisen. DieAufgabe läßt sich formulieren, indem mandie Bogenlänge der Kurve zu y = g(x) vonA nach B berechnet:

I(g(x)

)=

b∫a

√1 + g′2(x) dx .

Die Frage lautet, für welche Funktion g(x)das Funktional I

(g(x)

)minimal wird.

Bild 7.1

Wir werden die Lösungsfunktion später berechnen, wenn wir das Funktional in eine äquivalente Differenzi-algleichung umwandeln können. Anschaulich ist klar, dass die kürzeste Verbindung die Gerade durch A undB ist.

Wir formulieren das Variationsproblem für Funktionen einer Veränderlichen y = g(x): Die Funktion y = g(x)sei zweimal stetig differenzierbar, weil im Funktional außer der Funktion auch Ableitungen von ihr bis zur2. Ordnung vorkommen können sollen. Die Variationsaufgabe lautet

Variationsproblem: Welche Funktion g mit y = g(x) und den Randbedingungen

ya = g(a) yb = g(b)und

y′a = g′(a) y′b = g′(b)

minimiert das Funktional

Page 135: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.1 Variationsmethoden für Funktionen einer Veränderlichen 135

I(y)

=

b∫a

F(x , g(x) , g′(x) , g′′(x)

)dx =

b∫a

F(x , y , y′ , y′′

)dx ? (7.1)

Wir entwickeln ein notwendiges Kriterium für das Vorliegen eines Minimums. Sei y = g(x) die Funktion,für die das Funktional im Variationsproblem (7.1) minimiert wird. Zur Vereinfachung des Problems lassenwir nicht alle Funktionen mit den zuvor genannten Eigenschaften zu, sondern nur diejenigen Funktioneny = g(x), die sich über eine Differenzfunktion y = d(x) durch y = g(x) ausdrücken lassen in der Form

g(x) = g(x) + ε · d(x) . (7.2)

Indem wir ε variieren, „konstruieren“ wir belie-big viele „Nachbarfunktionen“ von y = g(x) .Die zugelassene Funktionenschar ist durch dieVariation des Parameters ε erfaßt.

Bild 7.2

Definition 7.1ε · d(x) heißt die Variation der minimierenden Funktion y = g(x). Abkürzend schreibt man für dieVariation

δy = ε · d(x)

Jede Variation δy führt also aus dem minimierenden Zustand in einen „Nachbarzustand“. Da die im Varia-tionsproblem (7.1) geforderte Randbedingung für alle zugelassenen Funktionen gilt, ist

g(a) = g(a) g′(a) = g′(a)und

g(b) = g(b) g′(b) = g′(b) .

Wir folgernd(a) = d(b) = 0 und d’(a) = d’(b) = 0 .

Wir bilden das Funktional für eine beliebige zugelassene Funktion y = g(x), wobei das Funktional nun nichtmehr von y=g(x), sondern von ε abhängt:

I(ε) =b∫aF(x , y , y′ , y′′

)dx

=b∫aF(x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′

)dx .

(7.3)

Page 136: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

136 7 Variationsmethoden

Für das Vorliegen eines Minimums für I(y) = I(ε) in Abhängigkeit von ε ist daher notwendig

dI(ε)

∣∣ε=0

= 0 , (7.4)

d.h. die 1. Ableitung von I(ε) nach ε muss an der Stelle ε = 0 gleich Null sein.

Definition 7.2δI = ε ·

(dI(ε)

∣∣ε=0

)heißt die 1. Variation von I(y) .

Die notwendige Bedingung (7.4) lautet mit der Definition: δI = 0 . Für die Variationen δy und δI leitenwir 2 Eigenschaften her.

(A) Die Ableitung der VariationWir ersetzen in der Gleichung

δy = ε · d(x) = ε ·(g(x)− g(x)

)y durch y’:

δy′ = ε · d′(x) = ε ·(g′(x)− g′(x)

)=[ε ·(g(x)− g(x)

)]′=

d

dx(δy) .

Die Regel lautet

δ

(dy

dx

)=

d

dx

(δy)

(7.5)

Das Bilden der Differenziation einer Funktion ist mit ihrer Variation vertauschbar.

(B) Das Integral der Variation

δI(y) = δb∫aF (x , y , y′ , y′′) dx

= ε ·d

b∫aF (x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′) dx

∣∣∣∣ε=0

=

b∫a

ε ·dF (x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′)

∣∣∣∣ε=0

dx

=b∫aδF (x , y , y′ , y′′) dx .

(7.6)

Page 137: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.1 Variationsmethoden für Funktionen einer Veränderlichen 137

Die 1. Variation kann also unter dem Integral gebildet werden.

δI(y) = δb∫aF (x , y , y′ , y′′) dx =

b∫aδF (x , y , y′ , y′′) dx (7.7)

Wir formen die Variation δF (x , y , y′ , y′′) aus (7.7) mit der Kettenregel um. Für eine FunktionF(y(ε) , y′(ε) , y′′(ε)

)gilt

dF

dε=∂F

∂y·∂y

∂ε+∂F

∂y′·∂y′

∂ε+∂F

∂y′′·∂y′′

∂ε. (7.8)

Dann wird mit y = y + ε · d , y′ = y′ + ε · d′ und y′′ = y′′ + ε · d′′

d

(F (x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′

)

=∂(F (x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′)

∂y· d(x)

+∂(F (x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′)

∂y′· d′(x)

+∂(F (x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′)

∂y′′· d′′(x) .

(7.9)

Wir multiplizieren (7.9) mit ε und setzen dann im Funktionsausdruck ε = 0:

δF(x , y , y′ , y′′)

= ε ·d

(F (x , y + ε · d , y′ + ε · d′ , y′′ + ε · d′′)

)∣∣∣∣ε=0

=∂F

∂y· ε · d(x) +

∂F

∂y′· ε · d′(x) +

∂F

∂y′′· ε · d′′(x)

=∂F

∂y· δy +

∂F

∂y′· δy′ +

∂F

∂y′′· δy′′ .

(7.10)

Mit der Regel (7.7) wird aus (7.10)

δI = δb∫aF (x , y , y′ , y′′) dx =

b∫aδF (x , y , y′ , y′′) dx

=

b∫a

(∂F

∂y· δy +

∂F

∂y′· δy′ +

∂F

∂y′′· δy′′

)dx

(7.11)

Auf die rechte Seite von (7.11) wenden wir unter dem Integral die partielle Integration auf den 2. Summanden

Page 138: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

138 7 Variationsmethoden

einmal und auf den 3. Summanden zweimal an, wobei wir Regel 7.5 zu Hilfe nehmen:

(1)

b∫a

∂F

∂y′· δy′ dx =

∂F

∂y′· δy∣∣∣∣ba

−b∫a

d

dx

(∂F

∂y′

)· δy dx .

(2)b∫a

∂F

∂y′′· δy′′ dx =

∂F

∂y′′· δy′

∣∣∣∣ba

−b∫a

d

dx

(∂F

∂y′′

)· δy′ dx

=∂F

∂y′′· δy′

∣∣∣∣ba

−d

dx

(∂F

∂y′′

)· δy∣∣∣∣ba

+

b∫a

d2

dx2

(∂F

∂y′′

)· δy dx .

Wir setzen (1) und (2) in (7.11) ein und bekommen mit der für ein Minimum notwendigen Bedingung δI = 0:

b∫a

[∂F

∂y−

d

dx

( ∂F∂y′)

+d2

dx2

( ∂F∂y′′

)]· δy dx

+

[[ ∂F∂y′−

d

dx(∂F

∂y′′)]· δy +

∂F

∂y′′· δy′

]ba

!= 0 .

(7.12)

Der 2. Summand von (7.12) verschwindet unter der folgenden Bedingung (1) bzw. (2):(1) Erinnern wir uns an die Formulierung des Variationsproblems 7.1 auf S. 135. Die dort gegebenenRandbedingungen bedeuten d(a) = d(b) = d′(a) = d′(b) = 0 und daher mit den eingesetzten Grenzenδy(a) = δy′(a) = δy(b) = δy′(b) = 0 . Weil im 2. Summanden von (7.12) die Größen δy und δy′ als Faktorenstehen, wird der gesamte 2. Summand 0.(2) Der 2. Summand wird auch 0, wenn wir anstelle der Randbedingungen aus (7.1) die sogenannten na-türlichen Randbedingungen für x = a und x = b fordern:

∂F

∂y′−

d

dx

( ∂F∂y′′

) != 0 und

∂F

∂y′′!= 0 .

Es bleibt somit aus (7.12) die Forderung, dass der 1. Summand Null sein muss:

b∫a

(∂F

∂y−

d

dx

( ∂F∂y′)

+d2

dx2

( ∂F∂y′′

))· δy dx !

= 0 .

Man kann zeigen, dass dazu gleichwertig ist, dass im Integranden der erste Faktor Null ist. Dies ist die zumVariationsproblem (7.1) und der notwendigen Bedingung δI = 0 gehörende Euler’sche Differenzialgleichung:

Euler’sche Differenzialgleichung

∂F

∂y− d

dx

(∂F∂y′)

+d2

dx2

( ∂F∂y′′

)= 0 (7.13)

Page 139: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.1 Variationsmethoden für Funktionen einer Veränderlichen 139

Die Lösung des Variationsproblems (7.1) ist identisch mit der Lösung der Euler’schen DGL(7.1).

Allerdings ist für die Variationsaufgabe noch ein hinreichendes Kriterium für das Vorliegen eines Minimumszu prüfen. Über die folgende Definition formulieren wir ein hinreichendes Kriterium für das Vorliegeneines Minimums von I(y).

Definition 7.3

δ2IDef= ε2 ·

(d2I(ε)

dε2

∣∣∣∣ε=0

)heißt die 2. Variation des Funktionals I(y).

Ein hinreichendes Kriterium für das Vorliegen eines Minimums von I(y) ist

d2I(ε)

dε2

∣∣∣∣ε=0

> 0 .

oder mit der Definition 7.3: δ2I > 0 .

Fassen wir zusammen:

Ein notwendiges und hinreichendes Kriterium für ein Minimum von I(y) ist

δI = 0 und δ2I > 0 . (7.14)

Beispiel 7.2 Wir knüpfen an das Beispiel 7.1 auf S. 134 an und lösen jetzt das Variationsproblem, indemwir das Funktional

I(g(x)

)=

b∫a

√1 + g′2(x) dx

mit (7.1) in die zugehörige Euler’sche DGL umwandeln und beachten dabei, dass y und y” fehlen. Mit

∂F

∂y′=

y′√1 + y′2

wird (7.1)

−d

dx

( ∂F∂y′)

= −−d

dx

y′√1 + y′2

= 0 .

Es folgt soforty′√

1 + y′2= C

und durch Auflösen nach y’,

y′ =

√C2

1− C2,

Page 140: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

140 7 Variationsmethoden

erkennen wir, dass auch y’ konstant ist. Damit haben wir

y′ = C1 oder y = g(x) = C1 · x+ C2 .

Die kürzeste Verbindung zwischen 2 Punkten ist die Gerade. Die Bestimmung von C1 und C2 erfolgt überdie Randbedingungen g(a) = ya und g(b) = yb.

Wir greifen an dieser Stelle unserer eigentlichen Anwendung des Variationsproblems auf die lineare Elastizi-tätstheorie vor und wenden es auf die lineare Balkentheorie an. Dazu brauchen wir die totale potenzielleEnergie, deren Bedeutung mit den beiden folgenden Beispielen einleuchten dürfte.

Beispiel 7.3 Es wird die Differenzialgleichung der Verschiebungsfunktion u(x) des Zug-Druck-Stabes her-geleitet.

Bild 7.3(a) Mit den Gesetzen der linearen Elastizitätstheorie erhält man die DGL schnell. Es handelt sich um deneindimensionalen Spannungszustand. Aus den Beziehungen

εxx =∂u

∂x, σxx = E · εxx ,

∂σxx

∂x= 0

folgt sofort

σxx = E ·∂u

∂x=⇒

∂σxx

∂x= E ·

∂2u

∂x2= 0 ,

d.h. wir haben die DGL∂2u

∂x2= 0 .

(b) Für die Herleitung der DGL über ein Variationsproblem bilden wir die totale potenzielle Energie. Dietotale potenzielle Energie Π ist die Summe aus innerer Energie U und dem Potenzial der äußeren KräfteW:

Π = U + W .

In unserem Fall liegt nur die Normalspannung σxx vor, also

U =1

2

∫V

σxx · εxx dV =1

2

L∫0

A · E ·(∂u

∂x

)2

dx ,

W = − F1 · u(0)− F2 · u(L) = F1 · u(L)− F1 · u(0) (wegen F2 = −F1) .

Page 141: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.1 Variationsmethoden für Funktionen einer Veränderlichen 141

Das erkennen wir als Ergebnis des bestimmten Integrals

W =

L∫0

F1 ·∂u

∂xdx .

Daher wird Π:

Π =

L∫0

(1

2·A · E ·

(∂u∂x

)2+ F1 ·

∂u

∂x

)dx =

L∫0

(1

2·A · E · (u′)2 + F1 · u′

)dx . (7.15)

Wir fassen Π als Funktional der Funktion u(x) auf und fragen bei den Randbedingungen u(0) = u1 undu(L) = u2 nach derjenigen Funktion u(x), die Π(u) minimiert. Es handelt sich also um ein Variationsproblemder Form

Π(u) =

L∫0

F (x , u , u′ , u′′) dx −→Minimum .

Die notwendige Bedingung δΠ = 0 führt auf die Euler’sche DGL in (7.1), die, wenn wir beachten, dass uund u” fehlen, sich auf

d

dx

( ∂F∂u′

)= 0

reduziert. Auf den Integranden von (7.15) angewendet erhalten wir

d

dx

( ∂F∂u′

)=

d

dx

(A · E ·

∂u

∂x+ F1

)= A · E ·

∂2u

∂x2= 0

oder∂2u

∂x2= 0

wie in (a).

Beispiel 7.4 Wir entwickeln die Euler’sche DGL für den Biegebalken unter Linienlast aus dem Funktionalder totalen potentiellen Energie.

Länge LLinienlast q(x)Querschnittsfläche AElastizitätsmodul Ekonstantes Trägheitsmoment Iy

Bild 7.4

Die innere Energie oder auch Formänderungsenergie ist nach (5.6) im Beispiel 5.2 auf S. 88

Page 142: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

142 7 Variationsmethoden

U =1

2 · E · Iy

L∫0

M 2y (x) dx .

In der linearen Elastizitätstheorie wird der Zusammenhang

My(x) = E · Iy · w′′(x)

nachgewiesen, somit

U =1

2· E · Iy

L∫0

w′′ 2(x) dx .

Das Potenzial der äußeren Kräfte ist

W = −L∫

0

q(x) · w(x) dx .

Die totale potenzielle Energie wird nun

Π = U +W =

L∫0

(1

2· E · Iy · w′′ 2(x) − q(x) · w(x)

)dx =

L∫0

(F (x , w , w′′) dx .

Nach (7.1) lautet die zugehörige DGL (Beachte ddx

(∂F∂w′

)= 0)

∂F

∂w−

d

dx

( ∂F∂w′

)+

d2

dx2

( ∂F∂w′′

)= − q(x) +

d2

x2

(E · Iy · w′′(x)

)= E · Iy ·w′′′′(x)− q(x) = 0 .

(7.16)

Dies ist die bekannte DGL für die Biegelinie des Balkens.

Page 143: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.2 Variationsmethoden für Funktionen von zwei Veränderlichen 143

7.2 Variationsmethoden für Funktionen von zwei Veränderlichen

Seien u(x.y) und v(x,y) auf dem zweidimensionalen Gebiet G mit der Randkurve C in x und y stetigdifferenzierbare Funktionen. Gesucht sind die Funktionen u(x.y) und v(x.y), die das Funktional

I(u, v) =

∫G

F (x , y , u , v , ux , uy , vx , vy) dydx (7.17)

minimieren. Wir definieren 2 Differenzfunktionen a(x,y) und b(x,y), mit denen wir eine Klasse von “Nach-barfunktionen“ für u und v bei Variation von ε erhalten:

u(x, y) = u(x, y) + ε · a(x, y) = u(x, y) + δu

v(x, y) = v(x, y) + ε · b(x, y) = v(x, y) + δv .(7.18)

Es folgt ux(x, y) = ux(x, y)+δux usw. Die Randbedingungen sind dadurch gegeben, dass alle zugelassenenFunktionen auf dem Rand C von G die gleichen Werte annehmen. Aus (7.18) folgt

a(x, y) = b(x, y) = 0 bzw. δu = δv = 0 auf C . (7.19)

Wir setzen im Funktional (7.17) die Gleichungen (7.18) ein:

I(ε) =

∫G

F (x , y , u+ ε · a , v + ε · b , · · · , vy + ε · b) dydx . (7.20)

Notwendig für Minimum von (7.17) ist

δI = 0 bzw. ε ·dI(ε)

∣∣∣∣ε=0

= 0 .

Wir formen δI mit (7.7) um:

δI = δ∫G

F (x , y , u , v , ux , uy , vx , vy) dydx =∫G

δF (x , y , u , v , ux , uy , vx , vy) dydx

= ε∫G

d

dεF (x , y , u+ ε · a , v + ε · b , · · · , , vy + ε · b)

∣∣∣∣ε=0

dydx

und differenzieren unter dem Integral entsprechend (7.8), wobei wir (7.18) beachten:

du

dε= a(x, y)

dux

dε= ax(x, y) usw. .

Damit wird, wobei wir uns die Ausführungen schenken (siehe 7.8 , 7.9 , 7.10):

δI =

∫G

(∂F

∂u· δu+

∂F

∂v· δv +

∂F

∂ux· δux +

∂F

∂uy· δuy +

∂F

∂vx· δvx +

∂F

∂vy· δvy

)dydx . (7.21)

Die unterstrichenen Integralanteile formen wir um mit dem Stoke’schen Satz 4.3 (siehe Abschnitt 4.2.4).Wählen wir z.B.

R =∂F

∂ux· δu und Q = −

∂F

∂uy· δu ,

Page 144: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

144 7 Variationsmethoden

ergibt sich nach dem Satz von Stoke∫G

[∂F

∂ux· δux +

d

dx

( ∂F∂ux

)· δu +

∂F

∂uy· δuy +

d

dy

( ∂F∂uy

)· δu]dydx

(Stoke)=

∫C

[∂F

∂ux· δudy −

∂F

∂uy· δudx

]

und damit für die ersten beiden der 4 unterstrichenen Integrale∫G

[∂F

∂ux· δux +

∂F

∂uy· δuy

]dydx = −

∫G

[d

dx

( ∂F∂ux

)+

d

dy

( ∂F∂uy

)]· δu dydx

+

∫C

[∂F

∂ux· δu dy −

∂F

∂uy· δu dx

].

(7.22)

Entsprechend haben wir für die letzten beiden der unterstrichenen Integrale∫G

[∂F

∂vx· δvx +

∂F

∂vy· δvy

]dydx = −

∫G

[d

dx

( ∂F∂vx

)+

d

dy

( ∂F∂vy

)]· δv dydx

+

∫C

[∂F

∂vx· δv dy −

∂F

∂vy· δv dx

].

(7.23)

Wir setzen (7.22) und (7.23) in (7.21) ein und fassen etwas anders zusammen:

δI =

∫G

[∂F

∂u−

d

dx

( ∂F∂ux

)−

d

dy

( ∂F∂uy

)]· δu dydx

+

∫G

[∂F

∂v−

d

dx

( ∂F∂vx

)−

d

dy

( ∂F∂vy

)]· δv dydx

+

∫C

[∂F

∂ux· δu dy −

∂F

∂uy· δu dx

]+

∫C

[∂F

∂vx· δv dy −

∂F

∂vy· δv dx

].

(7.24)

Nach (7.3) bzw. Definition (7.4) ist δI = 0 notwendige Bedingung für ein Minimum des Funktionals I(u.v)(7.17).(1) Wegen der in (7.19) vorgelegten Randbedingungen δu = δv = 0 auf C verschwinden die beiden letztenLinienintegrale.(2) Aus der Forderung δI = 0 folgt nun, dass auch die Gebietsintegrale über G in (7.24) Null sein müssen.Es läßt sich zeigen, dass dann die beiden Integranden in eckigen Klammern (ohne δu und δv) 0 sein müssen.Damit haben wir die Euler’schen Differenzialgleichungen.

Die Euler’schen DGL’en zum Variationsproblem

I(u, v) =

G

F (x , y , u , v , ux , uy , vx , yy) dydx −→ Minimum

Page 145: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.3 Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen für den ebenen Spannungszustand 145

sind∂F

∂u− d

dx

( ∂F∂ux

)− d

dy

( ∂F∂uy

)= 0

∂F

∂v− d

dx

( ∂F∂vx

)− d

dy

( ∂F∂vy

)= 0

(7.25)

Wir wenden die Erkenntnisse auf den ebenen Spannungszustand an.

7.3 Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen für den ebenen Spannungszustand

Bild 7.5Der Rand C des Gebiets G des Bauteils wird in die Teilmengen Ra und Rb zerlegt. Auf Ra sind Randbe-dingungen in Form von Auflagern mit Nullverschiebungen bzw. Sollverschiebungen 6= 0 gegeben:

Auflagerkräfte ~A T =(Ax , Ay

)mit den

Randbedingungen ~dT

=(u , v

).

Auf Rb wirken die äußeren Lasten in Form von Einzellasten, Streckenlasten usw.:

Äußere Kräfte ~F T =(Fx , Fy

), die die

Verschiebungen ~d T =(u , v

)hervorrufen .

Wir untersuchen das Variationsproblem Π −→ Minimum, wobei

Π = U + W

die totale potenzielle Energie bedeutet, die sich aus der inneren Energie U und dem Potenzial deräußeren Kräfte W zusammensetzt. Wir berechnen U und W.

Page 146: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

146 7 Variationsmethoden

Innere Energie U:Mit den Gleichungen (3.38) wird

U =1

2

∫G

~σ T ··· ~ε dydx

=1

2

∫G

E

1− ν2·(εxx + ν · εyy , ν · εxx + εyy ,

1− ν2· γxy

)···

εxxεyyγxy

dydx

=E

2(1− ν2)

∫G

(ε2xx + 2 · ν · εxx · εyy + ε2yy +

1− ν2

γ2xy

)dydx

=E

2(1− ν2)

∫G

(u2x + 2 · ν · ux · uy + v2

y +1− ν

2(uy + vx)2

)dydx .

Wir fassen die Anteile im Integranden anders zusammen:

U =E

2(1− ν2)

∫G

((1− ν)(u2

x + v2y) + ν(ux + vy)2 +

1− ν2

(uy + vx)2

)dydx (7.26)

Potenzial der äußeren Kräfte W:

W = −∫Ra

~A T ··· ~d ds−∫Rb

~P T ··· ~d ds (7.27)

oder

W = −∫Ra

(Ax · u+Ay · v

)ds−

∫Rb

(Px · u+ Py · v

)ds (7.28)

Für ein Minimum von Π ist notwendig δΠ = δU + δW = 0 . Wir bilden die Variationen δU und δW .Die Variation δW:

δW = −∫Ra

[∂(Ax · u)

∂u· δu+

∂(Ay · v)

∂v· δv]ds

−∫Rb

[∂(Px · u)

∂u· δu+

∂(Py · v)

∂v· δv]ds .

(7.29)

Das erste Linienintegral über Ra verschwindet, weil wegen der obigen Randbedingungen auf Ra gilt δu =δv = 0. Für das 2. Integral führen wir unter dem Integral die partiellen Ableitungen aus, z.B. gilt, da Pxunabhängig von u ist,

∂(Px · u)

∂u= Px

und daherδW = −

∫Rb

(Px · δu+ Py · δv

)ds . (7.30)

Page 147: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.3 Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen für den ebenen Spannungszustand 147

Die Variation δU von (7.26) bilden wir mit U = I in (7.24):

δU = E

∫G

−[

1

1− ν2

(uxx +

1− ν2

uyy)

+1

2(1− ν)vxy

]· δu dydx

+ E

∫G

−[

1

1− ν2

(1− ν2

vxx + vyy)

+1

2(1− ν)uxy

]· δv dydx

+E

2(1− ν2)

∫Rb

[2(ux + ν · vy) · δu dy − (1− ν)(uy + vx) · δu dx

]

+E

2(1− ν2)

∫Rb

[(1− ν)(uy + vx) · δv dy − 2(vy + ν · ux) · δv dx

].

(7.31)

Die Linienintegrale müssen auch hier nur über Rb gebildet werden, da die Variationen δu und δv wegen derRandbedingungen auf Ra Null und die zugehörigen Integranden und damit die Integrale Null sind.Indem wir die Faktoren vor den letzten beiden Summanden (Linienintegrale) in die Integrale hineinziehen,erkennen wir, dass wir die Integranden mit (3.38) durch die Spannungen ausdrücken können:∫

Rb

[σxx · δu dy − τxyδu dx

]+

∫Rb

[τxy · δv dy − σyyδv dx

].

Dies sind Kurvenintegrale der 2. Art nach (4.7), die wir mit (4.10) auf die Bogenlänge umschreiben:∫Rb

[σxx · cos Ψ − τxy · cos Φ

]· δu ds+

∫Rb

[τxy · cos Ψ − σyy · cos Φ

]· δv ds .

Dies wiederum formen wir um, indem wir, bezogen auf Bild 4.15 auf S. 82 den Tangentenvektor durch denNormalenvektor ersetzen:∫

Rb

[σxx · cosα + τxy · cosβ

]· δu ds+

∫Rb

[τxy · cosα + σyy · cosβ

]· δv ds . (7.32)

Jetzt bilden wir mit Hilfe von (7.30) und (7.31), indem wir für (7.31) deren letzte beiden Zeilen durch (7.32)ersetzen, die Forderung δU + δW = 0:

δΠ = δU + δW

= − E

∫G

[1

1− ν2

(uxx +

1− ν2

uyy)

+1

2(1− ν)vxy

]· δu dydx

− E

∫G

[1

1− ν2

(1− ν2

vxx + vyy)

+1

2(1− ν)uxy

]· δv dydx

+∫Rb

[σxx · cosα + τxy · cosβ − Px

]· δu ds

+∫Rb

[τxy · cosα + σyy · cosβ − Py

]· δv ds

!= 0 . (Forderung!)

(7.33)

Page 148: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

148 7 Variationsmethoden

Die beiden Linienintegrale über Rb verschwinden, wenn wir die sogenannten natürlichen Randbedingungenauf dem Teil Rb von C fordern:

Px = σxx · cosα + τxy · cosβ

Py = τxy · cosα + σyy · cosβ :(7.34)

Das bedeutet, dass die äußeren Lasten auf der Oberfläche des Bauteils den Oberflächenspannungen in ihrenAngriffspunkten gleich sind. Da also die Linienintegrale verschwinden, müssen somit die beiden Gebietsinte-grale wegen der Forderung (=0) in (7.33) Null werden. Da die Integrale Null sein müssen und δu , δv beliebiggewählt werden können, folgt, dass die beiden Integranden (ohne δu , δv) dann Null sind. Das sind abergenau die Differenzialgleichungen (3.39). Wir haben den wichtigen Zusammenhang gezeigt:

Satz 7.1Die Hauptaufgabe der linearen Elastizitätstheorie, die Verschiebungen und Verdrehungen im belasteten Bau-teil zu finden, ist äquivalent mit der Lösung der partiellen DGL’en

1

1− ν2

(uxx +

1− ν2

uyy)

+1

2(1− ν)vxy = 0 ,

1

1− ν2

(1− ν2

vxx + vyy)

+1

2(1− ν)uxy = 0

(7.35)

Dies ist wiederum äquivalent zum Variationsproblem

δΠ = δU + δW = 0

Diese Erkenntnis legt die Grundlage für die Methode der Finiten Elemente. Man muss nicht mehr ver-suchen, die komplizierten partiellen DGL’en zu lösen, sondern kann stattdessen Methoden, d.h. speziellelineare Näherungsverfahren entwickeln, die das Variationsproblem über das Prinzip der virtuellen Verschie-bungen oder über die totale potenzielle Energie lösen. Im folgenden Abschnitt wird dazu die Grundlage fürdreidimensionale Baukörper gelegt.

7.4 Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie

Wir setzen ein dreidimensionales Bauteil voraus und zeigen die Gleichwertigkeit zwischen

• den Grundgleichungen der linearen Elastizitätstheorie,

• dem Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie,

• dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen,

um dann die Finite-Elemente-Methode zu formulieren.

Wir gehen von den folgenden 4 Voraussetzungen aus:

Page 149: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.4 Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie 149

(1) Virtuelle Verschiebungen aus der Gleichgewichtslage heraus:Betrachten wir einen mit äußeren Kräften und Momenten belasteten Körper in Gleichgewichtslage. Es geltenalso die Gleichgewichtsbedingungen (3.32), genauer (3.34), weil auch Volumenlasten zugelassen sind. In derGleichgewichtslage wird sich ein ganz bestimmter Verschiebungszustand

~d =

u(x , y , z)

v(x , y , z)

w(x , y , z)

für alle Punkte P(x | y | z) des Körpers einstellen. Aus der Gleichgewichtslage heraus verändern wir denVerschiebungszustand durch (gedankliche) infinitesimale Änderungen, den Variationen δu , δv , δw. Esmuss sich um geometrisch verträgliche Bewegungen handeln:

Bild 7.6Im rechten Bild handelt es sich um eine nicht-verträgliche (unstetige) Verschiebung δw. Die Variationenδu , δv , δw der Verschiebungen u, v, w nennt man virtuelle Verschiebungen. Sie sind gedanklicheVeränderungen des real eingetretenen Verschiebungszustands der Gleichgewichtslage.

(2) Verzerrungs-Verschiebungsgleichungen:Es gelten die Verzerrungs-Verschiebungsgleichungen (3.19).

(3) Randbedingungen:Auf der Oberfläche O des Körpers gelten zweierlei Randbedingungen. Die Oberfläche wird daher in die bei-den Teilmengen Ra und Rb zerlegt.(3a) Auf der Teilmenge Ra gelten die geometrischen Randbedingungen (Auflagerbedingungen): Be-zeichnen wir die vorgelegten Verschiebungen mit u , v , w , so soll gelten

u = u(x , y , z)

v = v(x , y , z)

w = w(x , y , z)

(7.36)

für alle (x , y , z) ∈ Ra . In der Regel lauten die Randbedingungen u = v = w = 0, d.h. es handelt sichum feste Auflager. Bei Vorgaben ungleich Null spricht man von Sollverschiebungen. Für die gedanklichenvirtuellen Verschiebungen (Variationen) soll auf Ra gelten

δu = δv = δw = 0 .

(3b) Auf der Teilmenge Rb wirken die äußeren Lasten ~P T =(Px , Py , Pz

), die den Oberflächenspan-

nungen in ihren Angriffspunkten gleich sind. Man nennt dies die natürlichen Randbedingungen (siehe(3.33)):

Px = σxx · cosα+ τxy · cosβ + τzx · cos γ

Py = τxy · cosα+ σyy · cosβ + τyz · cos γ

Pz = τzx · cosα+ τyz · cosβ + σzz · cos γ ,

(7.37)

wobei ~n T =(

cosα , cosβ , cos γ)

der Normalenvektor auf der Oberfläche im Angriffspunkt der Kraft ist.

Page 150: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

150 7 Variationsmethoden

(4) Linear elastischer Körper:Wir setzen einen linear elastischen Körper voraus, d.h. es gilt der Satz 3.1 auf S. 59 (Hooke’sches Gesetz).

Wir gehen von diesen 4 Voraussetzungen aus und entwickeln das Prinzip der virtuellen Verschiebungen. Aus(1) nehmen wir die Gleichgewichtsbedingungen (3.34) und aus (3b) die natürlichen Randbedingungen, wobeiwir bei den natürlichen Randbedingungen alles auf die rechte Seite schreiben, so dass beide Gleichungssyste-me „Nullgleichungen“ sind. Diese multiplizieren wir mit den virtuellen Verschiebungen δu, δv, δw und bildendann über der ersten Gruppe die Volumenintergrale, über der zweiten Gruppe die Oberflächenintegrale. DieSumme der gebildeten Integrale ist immer noch gleich 0:

−∫V

[[[(∂σxx∂x

+∂τxy

∂y+∂τzx

∂z+X

)· δu

+(∂τxy∂x

+∂σyy

∂y+∂τyz

∂z+ Y

)· δv

+(∂τzx∂x

+∂τyz

∂y+∂σzz

∂z+ Z

)· δw

]]]dV

+

∫Rb

[(σxx · cosα+ τxy · cosβ + τzx · cos γ − Px

)· δu

+(τxy · cosα+ σyy · cosβ + τyz · cos γ − Py

)· δv

+(τzx · cosα+ τyz · cosβ + σzz · cos γ − Pz

)· δw

]dO = 0 .

(7.38)

Auf das Volumenintegral wenden wir den Gauß’schen Integralsatz in der speziellen Form 4.18 auf S. 84 an,indem wir dort A(x, y, z) = σxx · δu und B(x, y, z) = C(x, y, z) = 0 wählen. Beispielsweise für den erstenSummanden unter dem Integral gilt:∫

V

∂σxx

∂x· δu dV =

∫O

σxx · cosα · δu dO −∫V

σxx ·∂

∂x

(δu)dV .

Da O = Ra⋃Rb und δu = δv = δw = 0 auf Ra gilt, folgt für das beteiligte Oberflächenintegral∫

O

σxx · cosα · δu dO =

∫Rb

σxx · cosα · δu dO .

Diese Beziehung wenden wir auf alle Summanden unter dem Volumenintegral in (7.38) an und erkennendabei auch, dass alle Integrale über dem Bereich Rb mit einem Cosinus-Anteil sich durch die Anwendungdes Gauß’schen Integralsatzes in der Gleichung (7.38) wegheben, es bleibt insgesamt von (7.38):∫

V

[σxx ·

∂x

(δu)

+ σyy ·∂

∂y

(δv)

+ σzz ·∂

∂z

(δw)

+ τxy[ ∂∂y

(δu)

+∂

∂x

(δv)]

+ τyz[ ∂∂z

(δv)

+∂

∂y

(δw)]

+ τzx[ ∂∂z

(δu)

+∂

∂x

(δw)]]

dV

−∫V

(X · δu+ Y · δv + Z · δw

)dV

−∫Rb

(Px · δu+ Py · δv + Pz · δw

)dO = 0 .

(7.39)

Page 151: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.4 Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie 151

Mit der Regel 7.5 auf S. 136 und der obigen Voraussetzung (2) (siehe auch (3.19)) gilt z.B.

∂x

(δu)

= δ(∂u∂x

)= δεxx .

Gleichung (7.39) verändert sich so zu∫V

[σxx · δεxx + σyy · δεyy + σzz · δεzz + τxy · δγxy + τyz · δγyz + τzx · δγzx

]dV

−∫V

(X · δu+ Y · δv + Z · δw

)dV −

∫Rb

(Px · δu+ Py · δv + Pz · δw

)dO = 0 .

Wir können dies übersichtlicher gestalten, indem wir die Integranden als Skalarprodukte schreiben, also mit

~σ T =(σxx , · · · , τzx

), δ~ε T =

(δεxx , · · · , δγzx

),

~F T =(X , Y , Z

), ~P T =

(Px , Py , Pz

), δ ~d =

(δu , δu , δw

),

haben wir eine Darstellungsform des Prinzips der virtuellen Verschiebungen:

Satz 7.2 [Prinzip der virtuellen Verschiebungen:]∫

V

~σ T ··· δ~ε dV =

V

~F T ··· δ~d dV +

Rb

~P T ··· δ~d dO

Dies wurde aus den Gleichgewichtsbedingungen (3.34) abgeleitet. Umgekehrt lassen sich aus Satz 7.2 wiederdie Gleichgwichtsbedingungen erzeugen.

In der Gleichung bedeuten ~F , ~P und ~σ die realen Kräfte und Spannungen, während δ~d und δ~ε virtuelleGrößen (Variationen) bedeuten. Der Satz bedeutet inhaltlich:

Werden aus der Gleichgewichtslage heraus gedanklich auf den belasteten Körper geometrischverträgliche virtuelle Verschiebungen angewendet, ist die innnere virtuelle Arbeit der Span-nungen gleich der äußeren virtuellen Arbeit der Lasten.

Wir formen die Gleichung aus Satz 7.2 weiter um, indem wir zusätzlich einen linear elastischen Körperannehmen, d.h. es gilt wegen der Annahme (4) das Hooke’sche Gesetz (3.1). Von der inneren Energie,

U =1

2

∫V

~σ T ··· ~ε dV =1

2

∫V

~ε T ·D · ~ε dV

bilden wir die 1. Variation mit (7.7) und beachten (7.10):

δU = δ

[1

2

∫V

~ε T ·D · ~ε dV]

=1

2

∫V

δ(~ε T ·D · ~ε

)dV =

1

2

∫V

∂(~ε T ·D · ~ε

)∂~ε

T

··· δ~ε dV .

Beachten wir noch Satz 1.2 auf S. 18:

δU =

∫V

(D · ~ε

) T ··· δ~ε dV =

∫V

~σ T ··· δ~ε dV . (7.40)

Page 152: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

152 7 Variationsmethoden

Ähnlich verfahren wir mit den äußeren Lasten. Wir betrachten das sogenannte Potenzial der äußeren Lasten:

W = −∫V

(X · u+ Y · v + Z · w

)dV −

∫Rb

(Px · u+ Py · v + Pz · w

)dO .

Wir bilden auch hier die 1. Variation über den Verschiebungen und beachten, dass die Kräfte konstanteGrößen sind:

δW = δ

[−∫V

~F T ··· ~d dV −∫Rb

~P T ··· ~d dO]

= −∫V

~F T ··· δ~d dV −∫Rb

~P T ··· δ~d dO .

(7.41)

Damit können wir das Prinzip der virtuellen Verschiebungen in Satz 7.2 anders formulieren, indem wir dortalles auf die linke Seite schreiben:

δ(U +W

)= δU + δW = 0 . (7.42)

Wir formulieren diesen Sachverhalt noch einmal um, indem wir den Begriff der totalen potenziellenEnergie einführen. Dieser Begriff ist zentral für die Formulierung der Finite-Element-Methode.

Definition 7.4 Unter der totalen potenziellen Energie eines belasteten Körpers versteht man

ΠDef= U + W =

1

2

∫V

~σ T ··· ~ε dV −∫V

~F T ··· ~d dV −∫Rb

~P T ··· ~d dO

Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen wurde entwickelt unter der Voraussetzung, dass der Körper sichim Gleichgewicht befindet. Wir können (7.42) umformulieren:

Wenn sich ein linear elastischer belasteter Körper im Gleichgewicht befindet, verschwindet die 1. Variationder totalen potenziellen Energie Π hinsichtlich der Verschiebungen ~d :

δΠ = 0 .

Wir können diese Aussage verschärfen und zeigen, dass außerdem δ2Π > 0 gilt. Wir behaupten:

Wenn ein linear elastischer belasteter Körper sich im Gleichgewicht befindet, gilt δΠ = 0 und δ2Π > 0 .

Beweis:Setzen wir einen linear elastischen Körper voraus, der sich im Gleichgewicht befindet. Wir haben schonδΠ = 0 gezeigt. Mit der Definition 7.3 bilden wir von

Π = U + W =1

2

∫V

~ε T ·D · ~ε dV −∫V

~F T ··· ~d dV −∫Rb

~P T ··· ~d dO

die 2. Variation. Dabei ist zu beachten, dass dabei der Anteil von W wegfällt:

δ2Π =

∫V

δ~ε T ·D · δ~ε dV .

Page 153: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

7.4 Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie 153

Dies ist die Form von U in (5.3), wenn wir dort ~ε durch δ~ε ersetzen:

δ2Π =E

2(1 + ν)(1− 2ν)

∫V

[(1− ν)((δεxx)2 + (δεyy)2 + (δεzz)2)

+1− 2ν

2

((δγxy)2 + (δγyz)2 + (δγzx)2

)+ 2ν

(δεxx · δεyy + δεyy · δεzz + δεzz · δεxx

)]dV .

Mit dem vollständigen Quadrat(δεxx + δεxx + δεxx

)2= (δεxx)2 + (δεyy)2 + (δεzz)2 + 2 ·

(δεxx · δεyy + δεyy · δεzz + δεzz · δεxx

)wird schließlich

δ2Π =E

2(1 + ν)(1− 2ν)

∫V

[(1− 2ν)

[(δεxx)2 + (δεyy)2 + (δεzz)2

]+ ν

[δεxx + δεyy + δεzz

]2+

1− 2ν

2

[(δγxy)2 + (δγyz)2 + (δγzx)2

]]dV .

Die rechte Seite kann nur mit den Ausdrücken 1 + ν und 1− 2ν positive oder negative Werte annehmen.Wählen wir aber für die Querkontraktion die technisch sinnvollen Werte 0 < ν < 0, 5 , wird der gesamteAusdruck, d.h. δ2Π > 0 . Das war zu zeigen.

Da alle vorangegangenen Ableitungen direkt umkehrbar sind, haben wir insgesamt gezeigt: Ein linear elas-tischer belasteter Körper befindet sich genau dann im Gleichgewicht, wenn die totale potenzielle Energieminimal ist, also

Satz 7.3 [Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie] ;

Von allen möglichen Verschiebungszuständen eines linear elastischen belastetenKörpers wird diejenige Lage eingenommen, die die totale potenzielle Energie Πzum Minimum macht.

Wir fassen die Ergebnisse dieses Abschnitts zusammen:

Unter der Annahme, dass• die Verzerrungs-Verschiebungsbeziehungen (3.19),• das Hooke’sche Gesetz (Satz 3.1),• die natürlichen Randbedingungen (7.37),• die geometrischen Randbedingungen (7.36)

gelten, sind die folgenden Aussagen äquivalent:

I Die statischen Gleichgewichtsbedingungen (3.34)II Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen (7.42)III Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie (Satz 7.3)

Page 154: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

154 7 Variationsmethoden

Direkte Lösungsansätze für die Spannungen und Verschiebungen wurden im Abschnitt 3.5.2 behandelt.Dort wurde versucht, die Gleichgewichtsbedingungen direkt zu erfüllen. Man gelangt zu Lösungen, wennman einfache Probleme wie die Balkenbiegung angeht und dabei vereinfachende Annahmen wie z.B. dieBernoulli-Hypothese (Bernoulli, 1654-1705) macht. Etwas weiter kommt man für spezielle ebene Problememit der Airy’schen Spannungsfunktion (Airy, 1801-1892). Für komplizierte Bauteile mit umfangreichen Last-vorgaben sind alle diese Lösungsverfahren aber nicht brauchbar.

Die Prinzipe II und III eignen sich hingegen dazu, lineare Näherungsverfahren (FEM) zur Lösung der Dif-ferenzialgleichungen für die Spannungen bzw. Verschiebungen zu entwickeln, ohne dass man diese DGL’enselbst benötigt. Es spielt keine Rolle, wie kompliziert die Geometrie des Bauteils, die Vorgabe der Lastenund die Auflagerbedingungen sind. Das wichtigste Näherungsverfahren ist die Finite Element Methode. Siekann aus dem Prinzip II oder III entwickelt werden.

Die FE-Methode nutzt den Satz 7.3 folgendermaßen:

Grundsätzliche Aufgabenstellung:Von allen mathematisch zugelassenen, d.h. stetig differenzierbaren Verschiebungsfunktionenfür das Bauteil ist diejenige gesucht, die die totale potenzielle Energie zum Minimum macht.

Praktische Lösung (Prinzip der FEM):Man zerlegt das Bauteil in eine endliche (finite) Anzahl von geometrisch einfachen ’Elemen-ten’ und läßt auf diesen Elementen als Verschiebungsfunktionen z.B. nur lineare Funktionenoder auch Polynome höheren Grades zu und sucht aus dieser Menge auf den Elementen die-jenigen Verschiebungsfunktionen heraus, die die totale potenzielle Energie des Bauteils zumMinimum machen. Dann lassen sich einfache lineare Gleichungsstrukturen für die gesuchtenVerschiebungen entwickeln. Da aber nicht alle möglichen Verschiebungsfunktionen zugelassensind, können die Lösungen allerdings nur eine Näherung darstellen.

Die mathematische Entwicklung solcher Elementstrukturen ist die Aufgabe in den folgenden Abschnitten.Wir werden das Prinzip III vom Minimum der totalen potenziellen Energie zugrunde legen.

Page 155: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

155

8 Die Formulierung der FEM: Statik

8.1 Die Konstruktion am Beispiel des ebenen Zug-Druck-Stabes

Bei der Entwicklung der Elementsteifigkeitsmatrizen (ES-Matrizen) für Stab und Balken konnten wir direktauf die Gleichungen der linearen Elastizitätstheorie zurückgreifen, um Beziehungen zwischen Kräften undVerschiebungen in den Knoten aufzustellen. Das ist die Matrixsteifigkeitsmethode.

Wir beschreiten jetzt einen anderen Weg über das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie.Bevor wir den allgemeinen Weg für beliebige Elementtypen angehen, demonstrieren wir das Verfahren amebenen Zug-Druck-Stab.

8.1.1 Minimierungsprozess am einzelnen Stabelement

Wir beziehen uns auf Bild 6.3 auf S. 102 und lassen aber den Akzent für die Kennzeichnung der lokalenKoordinaten der Übersichtlichkeit halber im Folgenden weg.

Da man in der „Ausgestaltung“ der Eigenschaften des Stabelements erst einmal frei ist, kann man unter-schiedliche Ansätze für die Verschiebungsfunktionen ~d(x, y, z) wählen. Im Fall des Stabes ist nur eineKomponente u(x) vorhanden. Wir könnten für u(x) z.B.

u(x) = a0 + a1 · x (Linearer Ansatz)u(x) = a0 + a1 · x+ a2 · x2 (Quadratischer Ansatz)usw.

wählen. Wir wählen den linearen Ansatz:

u(x) = a0 + a1 · x mit a0, a1 ∈ R (8.1)

Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie Π sagt, dass von allen möglichen Verschie-bungszuständen genau die Lage eingenommen wird, für die Π minimal ist. Das heißt übersetzt auf unserStabproblem, dass wir von allen zugelassenen linearen Verschiebungsansätzen denjenigen suchen, für den Πminimal wird. Die Frage lautet daher: Für welche Koeffizienten a0 , a1 wird Π minimal? Betrachten wirdie Randbedingungen für den Stab:

Bild 8.1Sie sind

u(0) = u1 und u(L) = u2 .

Das bringt eingesetzt in (8.1)u1 = a0 und u2 = a0 + a1 · L .

Page 156: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

156 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Wir sehen, dass sich entweder u1 , u2 durch a0 , a1 ausdrücken lassen, aber auch umgekehrt:

a0 = u1 und a1 =u2 − u1

L.

Diese eineindeutige Abhängigkeit bedeutet, dass wir das Minimum für Π anstelle in Abhängigkeit von a0 , a1

auch in Abhängigkeit von u1 , u2 aufsuchen können. Genau diesen Weg beschreiten wir.

In u(x) ersetzen wir daher a0 , a1 durch u1 , u2:

u(x) = (1−x

L) · u1 +

x

L· u2 . (8.2)

Wir führen den Vektor ~N T =[N1(x) , N2(x)

]mit den Formfunktionen

N1(x) = 1−x

Lund N2(x) =

x

L

ein und setzen in (8.2) ein und erhalten gleichwertig zu (8.1):

u(x) =[N1(x) , N2(x)

]···(u1

u2

)(8.3)

Zum Vergleich beschreiben wir jetzt den in der FEM gängigen algebraischen Ablauf, die Formfunktionen zubestimmen. Mit

~R(x) =

(1

x

)und ~α =

(a0

a1

)beschreiben wir (8.1) als Skalarprodukt

u(x) =(1 , x

)···(a0

a1

)= ~R T (x) ··· ~α . (8.4)

Bilden wir~R T (0) =

[1 , 0

]und ~R T (L) =

[1 , L

],

gewinnen wir mit (8.4) die Matrizenbeziehung(u1

u2

)=

(~R T (0)~R T (L)

)·(a0

a1

)= A · ~α ,

wobei

A =

(1 0

1 L

).

Die Matrix A ist regulär, sodass wir nach ~α auflösen können:

~α = A−1 ·(u1

u2

)=

1

L·(

L 0

−1 L

)·(u1

u2

).

Page 157: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.1 Die Konstruktion am Beispiel des ebenen Zug-Druck-Stabes 157

Wir setzen ~α in (8.4) ein:

u(x) = ~R T (x) ·A−1 ·(u1

u2

)= ~N T ·

(u1

u2

), (8.5)

wobei

~N T = ~R T (x) ·A−1 =1

L·[1 , x

]·(

L 0

−1 L

)=[1−

x

L,x

L

]. (8.6)

Wir haben den Verschiebungsansatz (8.1) wieder in Abhängigkeit von u1 , u2 anstelle durch a0 , a1

ausgedrückt. Im weiteren Verlauf arbeiten wir mit dem Ansatz (8.5) bzw. (8.3) anstelle (8.1).

Wir bringen den Verschiebungsansatz (8.5) in die totale potenzielle Energie ΠStab für den Zug-Druck-Stabein. ΠStab wurde in Beispiel 7.3 auf S. 140f entwickelt:

ΠStab = 12

∫V

σxx · εxx dV − Fx1 · u1 − Fx2 · u2

=1

2·A · E ·

L∫0

(dudx

)2dx − Fx1 · u1 − Fx2 · u2 ,

(8.7)

wobei wir σxx = E · εxx und εxx = du/dx gesetzt haben und beachten, dass, weil der Querschnittdes Stabes konstant A ist, die Integration über z und y die Fläche A ergibt. Das Volumenintegral über Vreduziert sich daher auf ein Integral über x.

Wir bilden du/dx:

du

dx=[dN1(x)

dx,dN2(x)

dx

]·(u1

u2

)=[− 1/L , 1/L

]·(u1

u2

).

Weiter ist (dudx

)2=

[− 1/L , 1/L

]·(u1

u2

)·[− 1/L , 1/L

]·(u1

u2

)

=[u1 , u2

]·(−1/L

1/L

)·[− 1/L , 1/L

]·(u1

u2

)

=[u1 , u2

]·C T ·C ·

(u1

u2

)mit C =

[− 1/L , 1/L

].

Wir bekommen für (8.7)

ΠStab =1

2·A · E ·

L∫0

[u1 , u2

]·C T ·C ·

(u1

u2

)dx − Fx1 · u1 − Fx2 · u2 . (8.8)

ΠStab ist mit dem Verschiebungsansatz (8.5) bzw. (8.3) ein Funktional von den Veränderlichen u1 , u2

und nicht mehr von den Parametern a0 , a1 des ursprünglichen Verschiebungsansatzes. Wir minimierendas Funktional hinsichtlich u1 , u2 . Mit

~we =

(u1

u2

)

Page 158: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

158 8 Die Formulierung der FEM: Statik

wird (8.8) in Vektorschreibweise

ΠStab =1

2·A · E ·

L∫0

~w Te ·

(C T ·C

)· ~we dx −

[Fx1 , Fx2

]· ~we . (8.9)

Die notwendige Bedingung für ein Minimum ist∂ΠStab

∂ ~we= 0 :

∂ΠStab

∂ ~we=

∂ ~we

[1

2·A · E ·

L∫0

~w Te ·

(C T ·C

)· ~we dx −

[Fx1 , Fx2

]· ~we

]

= 12·A · E ·

L∫0

∂ ~we

[~w Te ·

(C T ·C

)· ~we

]dx −

∂ ~we

[(Fx1 , Fx2

)· ~we

]= A · E

L∫0

(C T ·C

)· ~we dx −

(Fx1

Fx2

)!= 0 (siehe Satz 1.2) .

Da der Integrand(C T ·C

)· ~we hinsichtlich der Integrationsvariablen konstant ist, haben wir

A · E · L ·C T ·C · ~we −(Fx1

Fx2

)!= 0 .

Mit

C T ·C =1

L2

(1 −1

−1 1

)

können wir die Forderung∂ΠStab

∂ ~we= 0 erfüllen durch (und setzen jetzt wieder den Akzent für das lokale

System)

(Fx1

Fx2

)= A·E

L·(

1 −1

−1 1

)·(u1

u2

)(8.10)

Dies ist genau die in (6.4) hergeleitete ES-Beziehung.

8.1.2 Minimierungsprozess am Stabwerk

Den soeben beschriebenen Minimierungsprozess wenden wir auf ein Fachwerk aus allgemein s Stäben undn Knoten an. Wir berechnen die totale potenzielle Energie, indem wir zunächst die innere Energie Ue eineseinzelnen Stabes e , e = 1, · · · , s berechnen und danach die inneren Energien aller Stäbe addieren, umdie gesamte innere Energie des Stabwerks zu erhalten. Das Potenzial der äußeren Kräfte betrachten wirgesondert am Fachwerk.

Page 159: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.1 Die Konstruktion am Beispiel des ebenen Zug-Druck-Stabes 159

Das Stabelement e mit den Knoten i und j hatdie Länge Ledie Querschnittsfläche Ae,den Elastizitätsmodul E .

Bild 8.2

Wir geben die innere Energie Ue im lokalen Koordinatensystem an und transformieren diese dann in dasglobale System des Fachwerks. Für die Bereitstellung von Ue benutzen wir den ersten Summanden derGleichung (8.8) und haben mit der Indizierung e und den Knotenbezeichnungen i und j:

Ue =1

2

∫Ve

σxx · εxx dV =1

2·Ae · E

Le∫0

[ui , uj

]·C T

e ·Ce ·[ui

uj

]dx

=1

2·Ae · E

Le∫0

~wT

e ·C Te ·Ce · ~we dx

mitCe =

[− 1/Le , 1/Le

]und ~w

T

e =[ui , uj

].

Um in das globale Koordinatensystem transformieren zu können, erweitern wir formal auf 4 Komponenten,wie es auch mit (6.4) auf (6.6) hin gemacht wurde:

Ce zu Ce =[− 1/Le , 0 , 1/Le , 0

]und ~w

T

e zu[~di ,

~dj],

wobei[~di ,

~dj]

=[ui , vi , uj , vj

].

Der Wert von Ue ändert sich durch diese formale Erweiterung nicht, wie man sofort nachrechnet:

Ce · ~we = Ce ·

~di~dj

.

Die innere Energie schreibt sich jetzt als

Ue =1

2·Ae · E

Le∫0

[~di ,

~dj]· C T

e · Ce ·

~di~dj

dx . (8.11)

Jetzt können wir Ue in das globale Koordinatensystem transformieren. Wir greifen zurück auf (6.7), müssen

hier ~dT

=

[~di ,

~dj

]und ~d T =

[~di , ~dj

]verwenden:

~di~dj

= Te ·[~di~dj

].

Page 160: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

160 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Dies setzen wir in (8.11) ein:

Ue =1

2·Ae · E

Le∫0

[~di , ~dj

]·T T

e · C Te · Ce ·Te ·

[~di~dj

]dx . (8.12)

Die Matrixke = Ae · E ·T T

e · C Te · Ce ·Te (8.13)

ist eine (4,4)-Matrix, bezogen auf das globale System.

Das Fachwerk besteht aus n Knoten. Der Vektor aller Knotenverschiebungen,

~w T =(~d1 , ~d2 , · · · , ~dn

)hat 2n Komponenten. Wir wollen die lokale Matrix ke in die globale (2n,2n)-Gesamtmatrix und den lokalenVerschiebungsvektor

[~di , ~dj

]in den globalen (2n)-Verschiebungsvektor ~w „einbetten“. Die Begründung zu

dieser Vorgehensweise ist, dass wir die innere Energie Ue auf das gesamte Fachwerk beziehen, d.h. die innerenEnergien von allen s Stäben, e = 1, · · · , s , zusammenfassen.[~di , ~dj

]nimmt in ~w T bestimmte Positionen ein:

~w T =(~d1, · · · , ~di, · · · , ~dj , · · · , ~dn

).

Die Matrix ke erweitern wir zu der (2n,2n)-Matrix Ke, wobei die Elemente von ke durch * markiert sind:

Ke = Ae · E ·

0 · · · · · · 0 · · · · · · 0

......

...0 · · · ∗ ∗ · · · 0 · · · ∗ ∗ · · · 0

0 · · · ∗ ∗ · · · 0 · · · ∗ ∗ · · · 0

0 · · · · · · 0 · · · · · · 0

......

...0 · · · ∗ ∗ · · · 0 · · · ∗ ∗ · · · 0

0 · · · ∗ ∗ · · · 0 · · · ∗ ∗ · · · 0

0 · · · · · · 0 · · · · · · 0

......

...0 · · · · · · 0 · · · · · · 0

~di

~dj

.

~di ~dj

(8.14)

Dieser Vorgang entspricht dem Einbetten analog (6.36). Wir können die innere Energie Ue des Stabes vonKnoten i nach Knoten j jetzt mit Ke und ~w ausdrücken:

Ue =1

2·Le∫0

~w T · Ke · ~w dx . (8.15)

Page 161: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.1 Die Konstruktion am Beispiel des ebenen Zug-Druck-Stabes 161

Jetzt ist es einfach, die innere Energie für das gesamte Fachwerk aus s Stäben und n Knoten aufzustellen,die innere Energie U des Fachwerks ist die Summe aller inneren Energien der Stäbe:

U =

s∑e=1

Ue =1

2

s∑e=1

[ Le∫0

~w T · Ke · ~w dx

]. (8.16)

Kommen wir zum Potenzial der äußeren Kräfte. Wir bezeichnen die äußeren Kräfte an den n Knoten wieim Abschnitt (6.5) auf S. 121f wieder mit ~Gi , i = 1, · · · , n. Die unterschiedliche Bedeutung der Gi ist dortbeschrieben. Wir setzen ~G T =

(~G1 , · · · , ~Gn

). Das Potenzial der äußeren Kräfte ist

W = −n∑i=1

~G Ti ··· ~di = − ~G T ··· ~w . (8.17)

Die totale potenzielle Energie ist

Π = U + W =1

2

s∑e=1

[ Le∫0

~w T · Ke · ~w dx

]− ~G T ··· ~w . (8.18)

Wir minimieren Π hinsichtlich der Verschiebungen, zusammengefasst im Vektor ~w, indem wir (1.6) mit Satz1.2 auf S. 18 benutzen:

∂Π

∂ ~w=

∂ ~w

[1

2

s∑e=1

[ Le∫0

~w T · Ke · ~w dx

]− ~G T ··· ~w

]

=1

2

s∑e=1

Le∫0

∂ ~w

[~w T · Ke · ~w

]dx −

∂ ~w

[~G T ··· ~w

]

=s∑e=1

( Le∫0

Ke dx)· ~w − ~G

!= ~0 .

(8.19)

Die Summanden in (8.19) sind die ES-Matrizen der Stäbe:

Ke =

Le∫0

Ke dx , (8.20)

sodass (8.19) lautet ( s∑e=1

Ke

)· ~w = ~G . (8.21)

Mit Kges =s∑e=1

Ke ergibt sich wieder die Beziehung (6.38) auf S. 123

Kges · ~w = ~G .

Wir berechnen abschließend die ES-Matrix aus (8.13). Da ke eine konstante Matrix ist, gilt

Ke =

Le∫0

ke dx = Le · ke = Ae · Le · E ·T Te · C T

e · Ce ·Te ,

Page 162: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

162 8 Die Formulierung der FEM: Statik

mit

C Te · Ce =

1

L2e

·

1 0 −1 0

0 0 0 0

−1 0 1 0

0 0 0 0

,

also endgültig

Ke =Ae · ELe

·T Te ·

1 0 −1 0

0 0 0 0

−1 0 1 0

0 0 0 0

·Te (8.22)

für die globale ES-Matrix des Stabes. Dies ist genau die ES-Matrix aus (6.11) auf S. 104, wenn wir Te aus(6.7) auf S. 104 nehmen, d.h. den Winkel αe für den Stab e berechnen und beachten, dass dort A = Ae undL = Le zu setzen ist.

Wir stellen fest, dass die Minimierung der totalen potenziellen Energie eines Fachwerks aus Stäben mit einemlinearen Verschiebungsansatz auf genau dieselbe GS-Beziehung führt wie mit der Matrixsteifigkeitsmethodeaus Abschnitt 6.5. Das liegt daran, dass die Matrixsteifigkeitsmethode im Rahmen der linearen Elastizi-tätstheorie für den Stab die exakten Ergebnisse liefert, weil der Verschiebungsansatz derselbe ist. Für denBalken gilt dies auch.

Beispiel 8.1 Wir entwickeln für den Stab eine andere ES-Matrix, indem wir für die Verschiebungsfunktionu(x) einen quadratischen Ansatz wählen.

Bild 8.3Der Verschiebungsansatz

u(x) = a0 + a1x + a2x2

enthält 3 unbekannte Paramter a0 , a1 , a2. Wir benötigen 3 Verschiebungswerte u1 , u2 , u3 pro Element,um mit ihnen die Parameter zu ersetzen. Es wird daher ein Zwischenknoten eingeführt, sodass der Stab aus3 Knoten mit den Verschiebungen

u(0) = u1 , u(L) = u2 , u(2L) = u3

besteht. Wir schreiben

u(x) =(

1 x x2)·

a0

a1

a2

= ~R T (x) · ~α .

Es folgt u1

u2

u3

=

1 0 0

1 L L2

1 2L 4L2

·a0

a1

a2

= A · ~α .

Page 163: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.1 Die Konstruktion am Beispiel des ebenen Zug-Druck-Stabes 163

Wir berechnen zu A die Inverse nach Abschnitt 1.3.2 und erhalten

a0

a1

a2

= A−1 ·

u1

u2

u3

=1

L2

L2 0 0

−3

2L 2L −

L

2

1

2−1

1

2

·u1

u2

u3

.

Damit wird

u(x) =(

1 x x2)·A−1 ·

u1

u2

u3

=(N1(x) N2(x) N3(x)

)u1

u2

u3

mit

N1(x) =1

L2·[L2 −

3

2· L · x+

1

2· x2]

N2(x) =1

L2·[2 · L · x− x2

]N3(x) =

1

L2·[−

1

2· L · x+

1

2· x2].

Für die Berechnung der inneren Energie brauchen wirdu(x)

dx:

du

dx=

[dN1(x)

dx,dN2(x)

dx,dN3(x)

dx

u1

u2

u3

=

[−

3

2L+

x

L2,

2

L−

2

L2x , −

1

2L+

x

L2

u1

u2

u3

= C ·

u1

u2

u3

= C · ~we .

Die totale potenzielle Energie für den Stab ist

ΠStab =1

2·A · E ·

2L∫0

(dudx

)2dx − F1 · u1 − F2 · u2 − F3 · u3

=1

2·A · E ·

2L∫0

~w Te ·C T ·C · ~we dx −

[F1 , F2 , F3

]· ~we .

Die notwendige Bedingung für ein Minimum von ΠStab ist

∂ΠStab

∂ ~we= A · E ·

2L∫0

C T ·C dx · ~we −[F1 , F2 , F3

] T != ~0 .

Page 164: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

164 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Mit Ke = A · E ·2L∫0

C T ·C dx und ~Fe =[F1 , F2 , F3

]haben wir die ES-Beziehung

~Fe = Ke · ~we .

Wir berechnen die Elemente von Ke:

Ke = A · E ·2L∫0

C T ·C dx = A · E ·2L∫0

a11 a12 a13

a22 a23

symm. a33

dx

mita11 =

(−

3

2L+

x

L2

)2, a12 =

(−

3

2L+

x

L2

)· (

2

L−

2x

L2

),

a13 =(−

3

2L+

x

L2

)·(−

1

2L+

x

L2

), a22 =

( 2

L−

2

L2x)2,

a23 =( 2

L−

2

L2x)·(−

1

2L+

x

L2

), a33 =

(−

1

2L+

x

L2

)2.

Es sind 6 Matrixelemente zu berechnen, wir geben eins davon an:

k11 = A · E ·2L∫0

a11 dx = A · E ·2L∫0

(−

3

2L+

x

L2

)2

dx = A · E ·L2

3

(−

3

2L+

x

L2

)∣∣∣∣2L0

= A · E ·7

6L.

Die Integration über alle Elemente bringt

Ke =A · E6L

·

7 −8 1

−8 16 −8

1 −8 7

.

Dieses Beispiel zeigt sehr gut die Konstruktion von ES-Matrizen über die Minimierung der totalen poten-ziellen Energie, weil der Rechengang zur Berechnung der Matrixelemente noch gut per Hand durchgeführtwerden kann. Das ist für kompliziertere ES-Typen nicht mehr möglich. Die erforderlichen bestimmten Inte-grale müssen ggfls. mit Näherungsmethoden der Nummerischen Mathematik gelöst werden.

Beispiel 8.2 Der Abschnitt 5.5.1 auf S. 99 wird hier über das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellenEnergie nachvollzogen. Wir beziehen uns auf Bild 5.10. Der Polynomansatz für die 4 Verschiebungen undVerdrehungen ~w T

e =[w1 , Φ1 , w2 , Φ2

]an den beiden Knoten muss ein Polynom 3. Grades sein,

w(x) = a0 + a1x+ a2x2 + a3x

3 ,

sodass den 4 Verschiebungen und Verdrehungen genau 4 unbekannte Koeffizienten gegenüberstehen. Imübrigen ist aus der linearen Balkentheorie bekannt, dass die Biegelinie ein Polynom 3. Grades ist. Wirdrücken die Verschiebungen über die Formfunktionen aus und gehen wie schon demonstriert vor:

w(x) = ~R T (x) ··· ~α mit ~R T (x) =[1 , x , x2 , x3

]und ~α T =

[a0 , a1 , a2 , a3

].

Page 165: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.1 Die Konstruktion am Beispiel des ebenen Zug-Druck-Stabes 165

Dabei ist~R T (0) =

[1 , 0 , 0 , 0

]und ~R T (L) =

[1 , L , L2 , L3

].

Für die Verdrehungen gilt

Φ =dw

dx= a1 + 2a2x+ 3a3x

2 = ~S T ··· ~α

mit ~S T (x) =[0 , 1 , 2x , 3x2

], also

w1

Φ1

w2

Φ2

=

~R T (0)~S T (0)~R T (L)~S T (L)

· ~α =

1 0 0 0

0 1 0 0

1 L L2 L3

0 1 2L 3L2

· ~α = A · ~α .

Wir bilden die Inverse A−1, lösen nach ~α auf und setzen in den Polynomansatz w(x) ein:

w(x) = ~R T (x) ·A−1 · ~we

=[1 , x , x2 , x3

1 0 0 0

0 1 0 0

−3/L2 −2/L 3/L2 −1/L

2/L3 1/L2 −2/L3 1/L2

·w1

Φ1

w2

Φ2

=

[N1(x) , N2(x) , N3(x) , N4(x)

]· ~w T

e

mit den Formfunktionen

N1(x) = 1−3x2

L2+

2x3

L3, N2(x) = x−

2x2

L+x3

L2

N3(x) =3x2

L2−

2x3

L3, N4(x) = −

x2

L+x3

L2.

Mit den bekannten Beziehungen aus der linearen Balkentheorie

εxx =My(x)

E · Iy· z , σxx = E · εxx =

My(x)

Iy· z , w′′(x) =

My(x)

E · Iy

können wir Π in Abhängigkeit von ~we ausdrücken:

Π =1

2

∫V

σxx · εxx dV − F1 · w1 − M1 · Φ1 − F2 · w2 − M2 · Φ2

=E

2

∫V

M2y (x)

(E · Iy)2· z2 dV −

[F1 , M1 , F2 , M2

]· ~we

=E · Iy

2

L∫0

(w′′(x))2 dx−[F1 , M1 , F2 , M2

]· ~we .

Wir berechnen w”(x):

Page 166: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

166 8 Die Formulierung der FEM: Statik

w′′(x) =

[d2N1(x)

dx2,d2N2(x)

dx2,d2N3(x)

dx2,d2N4(x)

dx2

]· ~we

=

[−

6

L2+

12

L3x , −

4

L+

6

L2x ,

6

L2−

12

L3x , −

2

L+

6

L2x

]· ~we

= C · ~we .

Dies setzen wir in Π ein:

E · Iy2

L∫0

~w Te ·C T ·C · ~we dx−

[F1 , M1 , F2 , M2

]· ~we .

Das Aufsuchen von∂Π

∂ ~we= ~0 liefert die ES-Beziehung

~Fe = Ke · ~we

mit

Ke = E · IyL∫

0

C T ·C dx , ~F Te =

[F1 , M1 , F2 , M2

]und ~w T

e =[w1 , Φ1 , w2 , Φ2

].

Dabei ist

C T ·C =

a11(x) a12(x) a13(x) a14(x)

a22(x) a23(x) a24(x)

symm. a33(x) a34(x)

a44(x)

.

Z.B. ista11(x) =

36

L4−

144

L5x+

144

L6x2 .

Die Integration über x von 0 bis L und Multiplikation mit E · Iy liefert das Element k11 von Ke:

k11 = E · IyL∫

0

[36

L4−

144

L5x+

144

L6x2

]dx =

36

L4x−

72

L5x2 +

48

L6x3

∣∣∣∣L0

= E · Iy ·12

L3.

Dies ist genau das entsprechende Element aus (5.32) auf S.100. Die Integration über alle Elemente vonC T ·C liefert exakt die komplette Beziehung (5.32).Die Spannungen ergeben sich zu

σx,z =My(x)

Iyz = E · w′′(x) · z = E · z ·C · ~we .

Page 167: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.2 Das Scheibendreieck 167

8.2 Das Scheibendreieck

Das Scheibendreieck ist ein einfacher Elementtyp zur Behandlung zweidimensionaler Spannungsprobleme.Wir gehen von einem Bauteil in der Ebene aus und lassen Belastungen in der Ebene zu. Das Bauteil wirdin Dreiecke zerlegt. Ein solches Dreieck hat 3 Knotenpunkte mit je 2 Freiheitsgraden (Verschiebung in derx- und y-Richtung).

Flächeninhalt λDicke hKoordinaten

P1(x1 | y1)P2(x2 | y2)P3(x3 | y3)

Bild 8.4

Es gibt 6 Verschiebungen pro Element. Im Verschiebungsansatz sind also 6 Parameter anzusetzen. Wirwählen einen linearen Verschiebungsansatz für die Verschiebungen u in x-Richtung und v in y-Richtung:

u(x, y) = a0 + a1 · x+ a2 · yv(x, y) = b0 + b1 · x+ b2 · y .

(8.23)

Mit den Abkürzungen

~d(x, y) =

(u(x, y)

v(x.y)

), ~R T (x, y) =

(1 x y

),

~α T (x, y) =(a0 a1 a2 b0 b1 b2

)gilt

~d(x, y) =

(1 x y 0 0 0

0 0 0 1 x y

a0

a1

a2

b0

b1

b2

,

d.h.

~d(x, y) =

(~R T (x, y) ~0

~0 ~R T (x, y)

)· ~α = M · ~α . (8.24)

Wir sammeln die Verschiebungen in den 3 Knoten in ~we:

Page 168: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

168 8 Die Formulierung der FEM: Statik

~we =

u1

v1

u2

v2

u3

v3

=

~d1

~d2

~d3

=

1 x1 y1 0 0 0

0 0 0 1 x1 y1

1 x2 y2 0 0 0

0 0 0 1 x2 y2

1 x3 y3 0 0 0

0 0 0 1 x3 y3

· ~α = A · ~α . (8.25)

Wir haben die Verschiebungen in den Knoten durch die Parameter des Verschiebungsansatzes ausgedrückt.Die Inverse zu A ist

A−1 =1

2 · λ

x2y3 − x3y2 0 x3y1 − x1y3 0 x1y2 − x2y1 0

y2 − y3 0 y3 − y1 0 y1 − y2 0

x3 − x2 0 x1 − x3 0 x2 − x1 0

0 x2y3 − x3y2 0 x3y1 − x1y3 0 x1y2 − x2y1

0 y2 − y3 0 y3 − y1 0 y1 − y2

0 x3 − x2 0 x1 − x3 0 x2 − x1

,

wobeiλ =

1

2

[(x2y3 − x3y2) + (x3y1 − x1y3) + (x1y2 − x2y1)

]den Flächeninhalt des Dreiecks bedeutet. Die Gleichung ~α = A−1 · ~we setzen wir in (8.24) ein:

~d(x, y) = M ·A−1 · ~we = N · ~we . (8.26)

Die Matrix N = M ·A−1 heißt die Matrix der Formfunktionen für den obigen Verschiebungsansatz,

N =

(N1(x, y) 0 N2(x, y) 0 N3(x, y) 0

0 N1(x, y) 0 N2(x, y) 0 N3(x, y)

)(8.27)

mitN1(x, y) =

1

2 · λ·[x2y3 − x3y2 + x · (y2 − y3) + y · (x3 − x2)

]N2(x, y) =

1

2 · λ·[x3y1 − x1y3 + x · (y3 − y1) + y · (x1 − x3)

]N3(x, y) =

1

2 · λ·[x1y2 − x2y1 + x · (y1 − y2) + y · (x2 − x1)

].

(8.28)

Die Formfunktionen lassen sich geometrisch veranschaulichen. Dazu schauen wir uns die erste Vektorkom-ponente von (8.26) in Verbindung mit (8.27) an:

u = u(x, y) = N1(x, y) · u1 +N2(x, y) · u2 +N3(x, y) · u3 .

Dies kann als Funktion in einem xyu-System aufgefasst werden. Es gilt z.B. für N1(x, y):

N1(x1, y1) =1

2 · λ· 2 · λ = 1 , N2(x1, y1) = N3(x1, y1) = 0 .

Da N1(x, y) eine lineare Funktion (Ebene) in x und y ist, ergibt sich folgendes anschauliche Bild (a) füru = N1(x, y) · u1:

Page 169: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.2 Das Scheibendreieck 169

Bild 8.5Auf die gleiche Weise erhalten wir die Ebenen (b) für u = N2(x, y) · u2 und (c) für u = N3(x, y) · u3:

Bild 8.6

Die additive Überlagerung der 3 Ebenen lie-fert uns die gesuchte zusammengesetzte Ebenezu u = u(x,y) rechts im Bild. Die Bezeichnung„Formfunktion“ für N1, N2, N3 in (8.27) ist da-mit klar.

Bild 8.7

Wir greifen auf die Beziehungen (3.19) und (3.29) zurück, um die Verzerrungen und Spannungen über dieBeziehung (8.26) durch den Vektor ~we der Verschiebungen auszudrücken. Für den ebenen Spannungszustandgelten allerdings reduzierte Gleichungen:

~σ =

σxxσyy

τxy

=E

1− ν2·

1 ν 0

ν 1 0

0 01− ν

2

·εxxεyyγxy

= D∆ · ~ε (8.29)

und

Page 170: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

170 8 Die Formulierung der FEM: Statik

εxxεyyγxy

=

∂x0

0∂

∂y∂

∂y

∂x

·(u(x, y)

v(x, y)

)= B∆ · ~d(x, y) . (8.30)

(8.26) setzen wir in (8.30) ein:~ε = B∆(N) · ~we .

B∆ ist eine Differenzialoperatormatrix. Wir müssen B∆ auf N anwenden:

~ε =

∂N1

∂x0

∂N2

∂x0

∂N3

∂x0

0∂N1

∂y0

∂N2

∂y0

∂N3

∂y

∂N1

∂y

∂N1

∂x

∂N2

∂y

∂N2

∂x

∂N3

∂y

∂N3

∂x

· ~we

=1

2λ·

y2 − y3 0 y3 − y1 0 y1 − y2 0

0 x3 − x2 0 x1 − x3 0 x2 − x1

x3 − x2 y2 − y3 x1 − x3 y3 − y1 x2 − x1 y1 − y2

· ~we = C · ~we . (8.31)

Für den Spannungsvektor ~σ haben wir~σ = D∆ ·C · ~we . (8.32)

~σ und ~ε können wir jetzt für die eigentliche Aufgabe verwenden, die totale potenzielle Energie Π in Abhän-gigkeit von den Knotenverschiebungen ~we darzustellen.

Innere Energie:

U =1

2·∫V∆

~σ T · ~ε dV =1

2·∫V∆

~w Te ·C T ·D∆ ·C · ~we dV .

Man beachte, dass D∆ symmetrisch ist, d.h. D T∆ = D∆.

Potenzial der äußeren Kräfte:Die Knotenpunktkräfte ~F T

i =[Fxi , Fyi

], i = 1, 2, 3 fassen wir im Vektor

~F Te =

[~F1 , ~F2 , ~F3

]zusammen. Das Potenzial lautet

W = −3∑i=1

~F Ti ··· ~di = − ~F T

e ··· ~we .

Die totale potenzielle Energie für das Scheibendreieck ist

Π∆ = U + W =1

2·∫V∆

~w Te ·C T ·D∆ ·C · ~we dV − ~F T

e ··· ~we . (8.33)

Die Minimierungsforderung∂Π∆

∂ ~we= ~0

Page 171: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.2 Das Scheibendreieck 171

führt auf [ ∫V∆

C T ·D∆ ·C dV

]· ~we − ~Fe = ~0 .

Mit der Abkürzung

Ke =

∫V∆

C T ·D∆ ·C dV

haben wir die ES-Beziehung für das Scheibendreieck:

~Fe = Ke · ~we . (8.34)

Abschließend müssen wir Ke, d.h. das bestimmte Integral berechnen, um die Elemente der ES-Matrix zuerhalten. Da das Scheibendreieck eine konstante Dicke h besitzt, vereinfacht sich das Volumenintegral zueinem Flächenintegral,

Ke =

∫V∆

C T ·D∆ ·C dV = h ·∫A∆

C T ·D∆ ·C dA .

Da die Matrizen D∆ und C aus konstanten Elementen bestehen, können wir C T ·D∆ ·C vor das Integralziehen:

Ke = h ·C T ·D∆ ·C∫A∆

1 dA .

∫A∆

1 dA ist der Flächeninhalt |λ| des Dreiecks, somit ist

Ke = h · |λ| ·C T ·D∆ ·C .

Zunächst ist D∆ ·C =

= a ·

1 ν 0

ν 1 0

0 0 1−ν2

· y2 − y3 0 y3 − y1 0 y1 − y2 0

0 x3 − x2 0 x1 − x3 0 x2 − x1

x3 − x2 y2 − y3 x1 − x3 y3 − y1 x2 − x1 y1 − y2

= a ·

y2 − y3 ν(x3 − x2) y3 − y1 ν(x1 − x3) y1 − y2 ν(x2 − x1)

ν(y2 − y3) x3 − x2 ν(y3 − y1) x1 − x3 ν(y1 − y2) x2 − x1

b · (x3 − x2) b · (y2 − y3) b · (x1 − x3) b · (y3 − y1) b · (x2 − x1) b · (y1 − y2)

mit a =E

2λ(1− ν2)und b =

1− ν2

.

(8.35)Von links ist noch h · |λ| ·C T zu multiplizieren. Das ergibt dann endgültig

Ke =E · h

4|λ| · (1− ν2)·

a11 a12 a13 a14 a15 a16

a22 a23 a24 a25 a26

a33 a34 a35 a36

a44 a45 a46

symmetrisch a55 a56

a66

(8.36)

Page 172: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

172 8 Die Formulierung der FEM: Statik

mit den Koeffizienten

a11 = (y3 − y2)2 + b · (x3 − x2)2 a12 = (b+ ν)(y2 − y3)(x3 − x2)

a13 = (y3 − y2)(y1 − y3) + b · (x3 − x2)(x1 − x3) a14 = ν(y3 − y2)(x3 − x1) + b · (y3 − y1)(x3 − x2)

a15 = (y3 − y2)(y2 − y1) + b · (x3 − x2)(x2 − x1) a16 = ν(y2 − y3)(x2 − x1) + b · (y1 − y2)(x3 − x2)

a22 = (x3 − x2)2 + b · (y3 − y2)2 a23 = ν(y3 − y1)(x3 − x2) + b · (y3 − y2)(x3 − x1)

a24 = (x3 − x2)(x1 − x3) + b · (y3 − y2)(y1 − y3) a25 = ν(y1 − y2)(x3 − x2) + b · (y2 − y3)(x2 − x1)

a26 = (x3 − x2)(x2 − x1) + b · (y3 − y2)(y2 − y1) a33 = (y3 − y1)2 + b · (x3 − x1)2

a34 = (b+ ν)(y1 − y3)(x3 − x1) a35 = (y2 − y1)(y1 − y3) + b · (x2 − x1)(x1 − x3)

a36 = ν(y3 − y1)(x2 − x1) + b · (y1 − y2)(x1 − x3) a44 = (x3 − x1)2 + b · (y3 − y1)2

a45 = ν(y2 − y1)(x3 − x1) + b · (y3 − y1)(x2 − x1) a46 = (x2 − x1)(x1 − x3) + b · (y2 − y1)(y1 − y3)

a55 = (y2 − y1)2 + b · (x2 − x1)2 a56 = (b+ ν(y1 − y2)(x2 − x1)

a66 = (x2 − x1)2 + b · (y2 − y1)2 .

Da der Verschiebungsansatz für das Scheibendreieck in (8.23) linear ist, sind die Spannungen und Verzerrun-gen innerhalb des Dreiecks konstant. Ein Bauteil wird bei grober Zerlegung in Dreieckselemente nur grobeNäherungen liefern können. Bei einem quadratischen Ansatz für u(x,y) und v(x,y) verhält sich das Element„schmiegsamer“, man bekommmt schon bei grober Zerlegung brauchbare Ergebnisse. Dieser Vorteil wirdz.T. wieder zunichte gemacht durch die bei einem quadratischen Ansatz umfangreicheren ES-Matrizen, diedadurch zustande kommen, dass mehr unbekannte Parameter im Verschiebungsansatz mehr Freiheitsgradefür die ES-Matrix bedeuten. Dies wiederum erzeugt größere GS-Matrizen.

Beispiel 8.3

Bild 8.8

Breite B = 200 mm Elastizitätsmodul E = 210.000 N/mmm2

Länge L = 2000 mm Querkontraktion ν = 0,3Dicke h = 5 mm Last F = 1000 N .

Wir berechnen die Verschiebungen und Spannungen bei unterschiedlichen Zerlegungen. Für den 1. Rechen-gang nehmen wir die Zerlegung aus der Zeichnung an.1. Rechengang:Der Balken ist in 4 Dreiecke zerlegt, wie in Bild 8.8 dargestellt. Die Zeichnung ist nicht maßstabsgerecht, dieDreiecke sind tatsächlich sehr langgezogen. Lange spitzwinklige Dreiecke wirken sich auf die Rechenergebnis-se ungünstig aus. Dieser Rechengang soll vor allem die Durchführung des FEM-Rechengangs demonstrieren.

Page 173: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.2 Das Scheibendreieck 173

Bei der Aufstellung der ES-Matrizen ist eine Transformation vom lokalen in das globale Koordinatensystemnicht erforderlich, da die ES-Matrix (8.36) im globalen System entwickelt wurde, d.h. die Koordinaten derEckpunkte beziehen sich auf das globale System.

Knotenkoordinaten [mm]Knoten x y

1 0 02 0 2003 1000 04 1000 2005 2000 06 2000 200

Element-Knoten-ZuordnungenElement Knoten 1 Knoten 2 Knoten 3

III 1 2 4IIIIII 1 3 4IIIIIIIII 3 4 6IVIVIV 3 5 6

Auflagerbedingungen [mm]Knoten x-Versch. y-Versch.

1 0 02 0 0

Belastungen [N]Knoten x-Komp. y-Komp.

5 0 -5006 0 -500

Da die Last nicht auf der Balkenachse wirken kann, weil dort kein Knoten vorhanden ist, wird sie je zurHälfte auf die Knoten 5 und 6 gelegt. Wir berechnen den für alle 4 ES-Matrizen konstanten Faktor, da dieDreiecke denselben Flächeninhalt haben:

|λ| =B · L

4= 100.000 mm2 ,

k =E · h

4 · |λ| · (1− ν)2=

210.000 · 54 · 100.000 · (1− 0, 3)2

N

mm3= 2, 88

N

mm3.

Bei der Zuordnung der Knotennummern zu den Elementen spielt die Reihenfolge (Umlaufsinn) keine Rolle.Ein Vertauschen zweier Knotennummern bedeutet ein Vertauschen entsprechender Zeilen und Spalten in derES-Matrix. Beim Aufaddieren der ES-Matrizen auf die GS-Matrix werden ihre Untermatrizen in Abhängig-keit der beteiligten Knotennummern wieder an denselben Platz in der GS-Matrix gesetzt.Der Faktor |λ| geht betragsmäßig in die ES-Matrix ein, d.h. positiv. Beim Berechnen von A−1 (nach Glei-chung (8.25)) entsteht der Faktor λ, der sein Vorzeichen in Abhängigkeit von der Reihenfolge der Knoten-

nummern erhält. Auch in C ist der Faktor λ enthalten, sodass in Ke insgesamt der Faktor|λ|λ2

= 1/|λ|entsteht. Die ES-Matrizen durch Einsetzen der Koordinaten in (8.36) sind:

KeI = KeIII = k ·

350.000 0 −350.000 70.000 0 −70.000

1.000.000 60.000 −1.000.000 −60.000 0

390.000 −130.000 −40.000 70.000

1.014.000 60.000 −14.000

symmetrisch 40.000 0

14.000

,

Page 174: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

174 8 Die Formulierung der FEM: Statik

KeII = KeIV = k ·

40.000 0 −40.000 60.000 0 −60.000

14.000 70.000 −14.000 −70.000 0

390.000 −130.000 −350.000 60.000

1.014.000 70.000 −1.000.000

symmetrisch 350.000 0

1.000.000

.

Die ES-Matrizen werden entprechend ihrer beteiligten Knotennummern in der (12,12)-GS-Matrix platziert:

(Gx1 , Gy1 , Gx2 , Gy2 , 0 , 0 , 0 , 0 , 0 , −500 , 0 , −500

) T= Kges ·

(0 , 0 , 0 , 0 , u3 , v3 , u4 , v4 , u5 , v5 , u6 , v6

) T.

Der Faktor k · 103 wird ausgeklammert, also Kges = k · 103 · (Matrix nächste Zeile)

390 0 −350 70 40 60 0 −130 0 0 0 0

1014 60 −1000 70 −14 −130 0 0 0 0 0

390 −130 0 0 −40 70 0 0 0 0

1014 0 0 60 −14 0 0 0 0

780 −130 −700 130 −40 60 −130 −130

2028 130 −2000 70 −14 −40 0

780 −130 0 0 60 70

2028 0 0 −350 −140

symmetrisch 390 −130 0 60

Kred 1014 70 −1000

390 0

1014

Wegen der Auflagerbedingungen in den Knoten 1 und 2 streichen wir die ersten 4 Zeilen und Spalten underhalten das reduzierte Gleichungssystem mit Kred . Der Vektor der Knotenpunktverschiebungen ist dieLösung dieses Systems:

~w T =[0 0 0 0 − 0, 00695 − 0, 0461

0, 00648 − 0, 0458 − 0, 00965 − 0, 137 0, 00824 −0,137]mm .

Die in den Dreiecksflächen konstanten Spannungen berechnen wir über die Gleichung (8.32), wobei dasProdukt D∆ ·C in (8.35) steht. Für das Scheibendreieck I haben wir für D∆ ·C :

E

2 · λ(1− ν2)= −1, 154 ,

D∆ ·C = − 1, 154 ·

0 300 200 −300 −200 0

0 1000 60 −1000 −60 0

350 0 −350 70 0 −70

.

Page 175: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.2 Das Scheibendreieck 175

Am Dreieck I sind die Knoten 1, 2 und 4 beteiligt. Wir multiplizieren D∆ ·C deshalb mit dem Verschie-bungsvektor ~we =

[u1, v1 , u2 , v2 , u4 , v4

]:

~σI =

V σxx

σyy

τxy

= D∆ ·C ·

u1

v1

u2

v2

u4

v4

= D∆ ·C ·

0

0

0

0

0, 00648

−0, 0458

=

1,50

0, 45

−3, 70

N

mm2.

Für die anderen Elemente ergibt sich analog

~σII =

−1, 50

−0, 12

1, 70

N

mm2, ~σIII =

0, 51

0, 48

−1, 90

N

mm2, ~σIV =

−0,51

0, 18

−0, 10

N

mm2.

Wir vergleichen die Ergebnisse mit denen der linearen Balkentheorie. Nach Beispiel (5.4) auf S. 5.4 ist dieAbsenkung am Balkenende

w(L) =F · L3

3 · E · Iy=

4 · F · L3

E · h ·B3= 3, 81 mm .

Nach Gleichung (3.45) im Beispiel 3.6 auf S. 72 bekommen wir die Absenkung genauer, weil dort die Schubab-senkung berücksichtigt wurde:

w(L) =4 · F · L3

E · h ·B3+ 3

F · LE · h ·B

(1 + ν) = (−) 3, 84 mm .

Dasselbe Beispiel liefert uns die Normalspannung σxx über das dort gewählte Koordiantensystem:(a) in der Einspannung am oberen Rand (im og. Beispiel x = 0 , z= 100):

σxx = −12F

h ·B3z · (L− x)

∣∣∣∣x=0,z=100

= 60 N/mm2 ,

(b) im Abstand 1000 mm von der Einspannung am unteren Rand (im o.g. Beispiel x=1000 ,z=-100):

σxx = −12F

h ·B3z · (L− x)

∣∣∣∣x=1000,z=−100

= −30 N/mm2 ,

Der Vergleich mit den obigen Ergebnissen zeigt, wie schlecht die Ergebnisse der FEM-Rechnung sind. Dieobige FEM-Rechnung bringt die Werte (in der gleichen Reihenfolge)

Page 176: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

176 8 Die Formulierung der FEM: Statik

w(2000, 0) = −0.137mm , σxx(0, 200) = 1, 5N/mm2 , σxx(1000, 0) = −0, 51N/mm2 .

Das ist bei der groben Einteilung in 4 Dreiecke nicht anders zu erwarten.2. Rechengang:Wir nehmen eine verfeinerte Zerlegung des Balkens vor, sodass die Katheten der Dreiecke die gleiche Länge100 mm haben. Über die Breite B sind daher 3 Knoten und über die Länge L 21 Knoten anzulegen wie dasBild zeigt. Die Kraft kann jetzt auf der Balkenachse im Knoten 62 angreifen. Die Knoten 1, 2 und 3 werdenin x- und y-Richtung festgehalten (Einspannung).

Bild 8.9

Die Struktur besteht aus 63 Knoten und 80 Elementen. Die FEM-Rechnung wurde mit einem FEM-Programm durchgeführt. Die Ergebnisse sind

w(2000, 0) = −2, 34mm , σxx(0, 200) = 33, 83 N/mm2 , σxx(1000, 0) = −18, 14 N/mm2 .

Auch diese Ergebnisse sind noch nicht brauchbar.3. Rechengang:Wir verfeinern die Struktur nochmals, indem wir in y-Richtung 7 Knoten und in x-Richtung 61 Knotenwählen, sodass die Dreiecke jetzt Kantenlängen von 33,33 mm haben. Die Struktur besteht jetzt aus 427Knoten und 720 Elementen. Jetzt bringt die FEM-Rechnung hinreichend genaue Ergebnisse:

w(2000, 0) = −3, 58mm , σxx(0, 200) = 57, 21N/mm2 , σxx(1000, 0) = −28, 03N/mm2 .

Da Kriterien über die Geschwindigkeit der Konvergenz bei Verfeinerung in der praktischen Anwendungschwer zu handhaben sind, muss der FEM-Nutzer Erfahrungen sammeln, um entscheiden zu können, welcherFeinheitsgrad der Zerlegung bei größeren Bauteilen ihm hinreichend genaue Ergebnisse liefert. Auch dieAnordnung der Elemente spielt hinsichtlich der Genauigkeit eine Rolle.

Page 177: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.3 Die Konstruktion der ES- und GS-Matrix für den allgemeinen Fall 177

8.3 Die Konstruktion der ES- und GS-Matrix für den allgemeinen Fall

Wir haben mit dem Zug-Druck-Stab und dem Scheibendreieck 2 spezielle einfachere Elementtypen behandeltund konstruieren im Folgenden die ES-Matrix und ihre Einbettung in die GS-Matrix für den allgemeinenFall über die Minimierung der totalen potenziellen Energie.Wir zerlegen ein Bauteil in gleichartige Elemente:

Der Elementtyp habe k Knoten ,jeder Knoten habe f Freiheitsgrade ,das gesamte Bauteil bestehe aus s Elementen, e = 1, · · · , s ,und habe n Knoten.

Bild 8.10

8.3.1 Verschiebungsansätze

Wir betrachten das Element e in Bild 8.10. Die Verschiebungsfunktion setzt sich aus f Freiheitsgraden fürjeden Knoten zusammen:

~d T =[u1(x, y, z) , · · · , uf (x, y, z)

].

Im Knoten i mit den Koordinaten Pi(xi | yi | zi) lautet daher der Verschiebungsvektor

~d Ti = ~d Ti (xi, yi, zi) =[u1(xi, yi, zi) , · · · , uf (xi, yi, zi)

],

dessen Komponenten wir abkürzen:

~d Ti =[u1i , u2i , · · · , ufi

].

Der 1. Index gibt den Freiheitsgrad an, der 2. kennzeichnet die Knotennummer, z.B. ist u3i = u3(xi , yi , zi).Sämtliche Verschiebungen in allen k Knoten des Elements fassen wir in

~w Te =

[~d T1 , ~d T2 , · · · , ~d Tk

]=

[u11 , u21 , · · · , uf1︸ ︷︷ ︸ , · · · , u1k , u2k , · · · , ufk︸ ︷︷ ︸ ]

Knoten 1 Knoten k

(8.37)

Page 178: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

178 8 Die Formulierung der FEM: Statik

zusammen. An einem Element treten also f · k Verschiebungswerte auf. Für spätere Zwecke ordnen wir dieKomponenten in (8.37) nach den Freiheitsgraden:

[u11 , u12 , · · · , u1k︸ ︷︷ ︸ , · · · , uj1 , uj2 , · · · , ujk︸ ︷︷ ︸ , · · · , uf1 , uf2 , · · · , ufk︸ ︷︷ ︸ ] .1. Freiheitsgrad j. Freiheitsgrad f. Freiheitsgrad

(8.38)

Die Konstruktion der ES-Matrix beginnt mit der Wahl der f Verschiebungsfunktionen für jeden Freiheitsgrad.Wir setzen die Verschiebungsfunktionen u1(x, y, z), · · · , uf (x, y, z) als gleichartige Polynome mit nurjeweils verschiedenen Koeffizienten an.

Beispiel 8.4 Die Knoten eines Elements haben die 3 Freiheitsgrade u, v und w. Ein möglicher Verschie-bungsansatz ist

u(x, y, z) = p1(x, y, z) = a0x+ a1y + a2xz

v(x, y, z) = p2(x, y, z) = b0x+ b1y + b2xz

w(x, y, z) = p3(x, y, z) = c0x+ c1y + c2xz .

Das sind 9 unbekannte Koeffizienten a0, · · · , c2. Wir benötigen daher 9 Verschiebungswerte. Da ein Knoten3 Freiheitsgrade hat, muss das Element 3 Knoten haben, sodass wir 9 Verschiebungswerte zur Bestimmungder Koeffizienten haben. Wir setzen die Abkürzungen

~α T1 =

[a0 , a1 , a2

]~α T

2 =[b0 , b1 , b2

]~α T

3 =[c0 , c1 , c2

]und

~R T (x, y, z) =[x , y , xz

]fest.(1) Vorgehensweise wie beim Scheibendreieck:Mit den Abkürzungen giltu(x, y, z)

v(x, y, z)

w(x, y, z)

=

~R T (x, y, z) ~0 ~0~0 ~R T (x, y, z) ~0~0 ~0 ~R T (x, y, z)

·~α1

~α2

~α3

.

Wir setzen die Koordinaten des 1. Knotens ein:u(x1, y1, z1)

v(x1, y1, z1)

w(x1, y1, z1)

=

~R T (x1, y1, z1) ~0 ~0~0 ~R T (x1, y1, z1) ~0~0 ~0 ~R T (x1, y1, z1)

·~α1

~α2

~α3

.

Den 9 Parametern a0, · · · , a2 , b0, · · · , b2 , c0, · · · , c2 stehen in der obigen Gleichung nur 3 Verschiebungs-werte des 1. Knotens gegenüber. Die Parameter lassen sich nicht durch die Verschiebungswerte ausdrücken.Wir benötigen also noch 6 weitere Verschiebungswerte. Das Element muss somit aus genau 3 Knoten mit je

Page 179: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.3 Die Konstruktion der ES- und GS-Matrix für den allgemeinen Fall 179

3 Freiheitsgraden bestehen. Dann lautet die Beziehung

u(x1, y1, z1)

v(x1, y1, z1)

w(x1, y1, z1)

u(x2, y2, z2)

v(x2, y2, z2)

w(x2, y2, z2)

u(x3, y3, z3)

v(x3, y3, z3)

w(x3, y3, z3)

=

~R T (x1, y1, z1) ~0 ~0~0 ~R T (x1, y1, z1) ~0~0 ~0 ~R T (x1, y1, z1)

~R T (x2, y2, z2) ~0 ~0~0 ~R T (x2, y2, z2) ~0~0 ~0 ~R T (x2, y2, z2)

~R T (x3, y3, z3) ~0 ~0~0 ~R T (x3, y3, z3) ~0~0 ~0 ~R T (x3, y3, z3)

·

a0

a1

a2

b0

b1

b2

c0

c1

c2

,

kurz ~d1(x1, y1, z1)~d2(x2, y2, z2)~d3(x3, y3, z3)

= A ·

~α1

~α2

~α3

= A · ~α .

A ist eine quadratische (9,9)-Matrix. Die Gleichung läßt sich nach den 9 Parametern auflösen:

~α =

~α1

~α2

~α3

= A−1 ·

~d1(x1, y1, z1)~d2(x2, y2, z2)~d3(x3, y3, z3)

= A−1 · ~we .

Damit sind alle 9 Koeffizienten der 3 Verschiebungsansätze mit Hilfe der Matrix A−1 durch die 9 Verschie-bungswerte an den 3 Knoten ausgedrückt.(2) Ein etwas kürzerer Weg:In der soeben vorgetragenen Entwicklung werden alle Freiheitsgrade von allen 3 Knoten des Elements ein-bezogen, um die 9 Koeffizienten der Verschiebungsansätze durch die 9 Verschiebungswerte in allen 3 Knotenauszudrücken. Das funktioniert über die Matrix A.

Kürzer geht es, indem man für alle 3 Knoten denselben Freiheitsgrad, z.B. u betrachtet. Es gilt, zusammen-gefasst in einer Matrizenbeziehungu1

u2

u3

=

u(x1, y1, z1)

u(x2, y2, z2)

u(x3, y3, z3)

=

~R(x1, y1, z1) T

~R(x2, y2, z2) T

~R(x3, y3, z3) T

·a0

a1

a2

Def= A · ~α1 .

Genauso gilt, weil alle 3 Verschiebungsansätze den gleichen Polynomaufbau haben,v1

v2

v3

= A · ~α2 und

w1

w2

w3

= A · ~α3 .

Es ergibt sich dieselbe inverse Matrix A−1, mit der z.B. durch die nach ~α1 aufgelöste Gleichung die Koeffi-zienten a0 , a1 , a2 durch die Verschiebungswerte u1 , u2 , u3 ersetzt werden können:

~α1 = A−1 ·

u1

u2

u3

.

Page 180: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

180 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Beim Scheibendreieck wurden aus A die Formfunktionen entwickelt, im folgenden allgemeinen Fall wird diesmit A durchgeführt. NWir definieren für jede der f Verschiebungsfunktionen Polynome pj(x, y, z) , j = 1, · · · , f mit je k Koeffizi-enten (Parametern) aji , i = 1, · · · , k, wobei wie im obigen Beispiel alle Polynome denselben Aufbau,d.h. dieselben Potenzen haben, aber unterschiedliche Koeffizienten:

u1(x, y, z) = p1(x, y, z)z.B.= a11x+ a12y + a13z + · · ·+ a1kz

m

...

uj(x, y, z) = pj(x, y, z)z.B.= aj1x+ aj2y + aj3z + · · ·+ ajkz

m

...

uf (x, y, z) = pf (x, y, z)z.B.= af1x+ af2y + af3z + · · ·+ afkz

m .

(8.39)

Die Polynome stellen sich als Skalarprodukte des Vektors ~R T (x, y, z) der Potenzen von x , y und z mit demVektor ~α T

j =[aj1 , aj2 , · · · , ajk

], j = 1, · · · , f der Koeffizienten dar:

u1(x, y, z) = ~R T (x, y, z) · ~α1 = ~R T (x, y, z) ···[a11 , a12 , · · · , a1k

] T...

uj(x, y, z) = ~R T (x, y, z) · ~αj = ~R T (x, y, z) ···[aj1 , aj2 , · · · , ajk

] T...

uf (x, y, z) = ~R T (x, y, z) · ~αf = ~R T (x, y, z) ···[af1 , af2 , · · · , afk

] T.

(8.40)

Wir betrachten die j-te Verschiebungsfunktion uj(x, y, z) und setzen nacheinander die Koordinaten der kKnoten ein:

uj1 = uj(x1, y1, z1) = ~R T (x1, y1, z1) ··· ~αjuj2 = uj(x2, y2, z2) = ~R T (x2, y2, z2) ··· ~αj

...ujk = uj(xk, yk, zk) = ~R T (xk, yk, zk) ··· ~αj ,

zusammengefasst uj1

uj2...ujk

=

~R T (x1, y1, z1)~R T (x2, y2, z2)

...~R T (xk, yk, zk)

· ~αj = A · ~αj , j = 1, · · · , f . (8.41)

A ist eine quadratische reguläre (k,k)-Matrix.Hinweis:A ist nicht zu verwechseln mit der (f · k , f · k)-Matrix A, wie sie in (8.25) auf S. 168 bei der Definition desScheibendreiecks verwendet wurde. Die Vorgehensweise ist dort ähnlich mit dem Unterschied, dass bei derEntwicklung der ES-Matrix des Scheibendreiecks alle Freiheitsgrade aller Knoten des Elements zusammenbetrachtet werden, während hier nur ein Freiheitsgrad aller Knoten einbezogen wird. Beide Vorgehensweisenführen zum gleichen Ergebnis, wenn die Polynomansätze für die f Freiheitsgrade gleich sind. N

Page 181: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.3 Die Konstruktion der ES- und GS-Matrix für den allgemeinen Fall 181

Wir bilden die inverse Beziehung

~αj = A−1 ·

uj1

uj2...ujk

, j = 1, · · · , f .

Die Matrix A und damit A−1 sind unabhängig von j. ~αj setzen wir in die j-te Zeile von (8.40) ein:

uj(x, y, z) = ~R T (x, y, z) · A−1 ·

uj1

uj2...ujk

, j = 1, · · · , f .

Damit haben wir im j-ten Verschiebungsansatz uj(x, y, z) die ursprünglichen Koeffizienten aj1 , aj2 ,· · · , ajk durch die Verschiebungswerte für den Freiheitsgrad j aus jedem der k Knoten des Elements ausge-drückt. Der Zweck dieser Umgestaltung liegt darin, dass wir später die totale potenzielle Energie in Abhän-gigkeit der Verschiebungswerte und nicht mehr der Polynomkoeffizienten minimieren können, was schließlichauf die ES-Beziehung führt. Das Produkt ~R T (x, y, z) · A−1 ist ein Zeilenvektor aus k Komponenten:

~R T (x, y, z) · A−1 =[N1(x, y, z) , N2(x, y, z) , · · · , Nk(x, y, z)

].

Die Ni(x, y, z) , i = 1, · · · , k heißen die Formfunktionen des Verschiebungsansatzes. Sie sind, wie die obigeEntwicklung zeigt, für jeden Freiheitsgrad gleich. Die Gleichungen (8.40) schreiben wir als Matrizenbeziehungund ersetzen überall die ~αj :

~d(x, y, z) =

u1(x, y, z)

u2(x, y, z)

...uf (x, y, z)

=

~R T ~0 ~0 · · · ~0~0 ~R T ~0 · · · ~0

. . .~0 ~0 · · · ~R T

·~α1

~α2

...~αf

=

N1 N2 · · · Nk 0 0 · · · 0 · · · 0

0 0 · · · 0 N1 N2 · · · Nk 0 · · · 0

. . .0 · · · 0 N1 N2 · · · Nk

·

u11

...u1k

...uf1

...ufk

.

(8.42)

Wir nennen die Matrix N. Z.B. die erste Zeile von N lautet ausführlicher:

k Elemente k Nullen k Nullen︷ ︸︸ ︷N1 N2 · · · Nk

︷ ︸︸ ︷0 0 · · · 0 0 · · · 0

︷ ︸︸ ︷0 0 · · · 0 (f Gruppen mit je k Elementen).

Für die Konstruktion der Matrix A und der Formfunktionen war es sinnvoll, die Knotenpunktverschiebungen

Page 182: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

182 8 Die Formulierung der FEM: Statik

nach den Freiheitsgraden zu ordnen. Wir ordnen sie jetzt knotenweise und können deshalb von rechts mitdem Vektor

~w Te =

[~d T1 (x1, y1, z1) , ~d T2 (x2, y2, z2) , · · · , ~d Tk (xk, yk, zk)

]multiplizieren:

~d(x, y, z) =

N1 0 · · · N2 0 · · · N3 0 · · · Nk 0 · · · 0

0 N1 0 · · · N2 0 · · · N3 0 · · · Nk 0 · · · 0

. . .0 · · · 0 N1 0 · · · 0 N2 0 · · · 0 · · · 0 Nk

· ~we

= N∗ · ~we .

(8.43)

N∗ entsteht also aus N durch Umordnung. Die erste Zeile der Matrix N∗ lautet ausführlicher:

f Elemente f Elemente f Elemente︷ ︸︸ ︷N1 0 · · · 0

︷ ︸︸ ︷N2 0 · · · 0 N3 0 · · ·

︷ ︸︸ ︷Nk 0 · · · 0 (k Gruppen mit je f Elementen).

Beispiel 8.5 Verschiebungsansätze:

Stab mit 2 Knoten:Ansatz (a):

u(x) = a0 + a1x =(

1 x)·(a0

a1

)= ~R T · ~α .

Den Verschiebungen u1 , u2 (2 Freiheitsgrade) stehen 2 Polynomkoeffizienten gegenüber.

Ansatz (b):u(x) = a0 + a1x+ a2x

2 .

Dieser Ansatz ist nicht möglich, da den 3 Koeffizienten a0 , a1 , a2 nur 2 Verschiebungen (2 Freiheitsgrade)gegenüber stehen.

Ansatz (c):u(x) = a0 + a2x

2 .

Dieser Ansatz ist zwar formal möglich, läßt sich aber bei den linearen Festigkeitsverhältnissen am Zug-Druck-Stab nicht verwenden, weil εxx im Stab konstant ist, im Ansatz aber kein linearer Anteil vorhanden ist, derbei Differenziation konstant wäre:

εxx =du

dx= 2a1x .

Stab mit 3 Knoten:u(x) = a0 + a1x+ a2x

2 =(

1 x x2)·

a0

a1

a2

.

Der Ansatz muss einen dritten Koeffizienten haben, also z.B. das zusätzliche quadratische Glied, da zu 3Verschiebungen (3 Freiheitsgrade) 3 Polynomkoeffizienten vorhanden sein müssen.

Page 183: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.3 Die Konstruktion der ES- und GS-Matrix für den allgemeinen Fall 183

Ebenes Dreieck mit 4 Knoten:

Der lineare Ansatz aus (8.23) kann schmiegsamer ge-macht werden, wenn man ein gemischtes Glied derForm x · y hinzunimmt:

u(x, y) = a0 + a1x+ a2y + a3xy

v(x, y) = b0 + b1x+ b2y + b3xy .

Bild 8.11Da die 8 Koeffizienten a0 , · · · , a3 , b0 , · · · , b3 durch Verschiebungswerte in den Knoten ersetztwerden sollen, muss für das Dreieck ein weiterer Knoten definiert werden, sodass dann 8 Verschiebungswertevorhanden sind. Als 4. Knoten kann man den Schwerpunkt der Dreiecksfläche wählen. Dann ist der Ansatz

~d(x, y) =

(u(x, y)

v(x, y)

)=

(1 x y xy 0 0 0 0

0 0 0 0 1 x y xy

a0

...a3

b0...b3

=

~R T ~0

~0 ~R T

·( ~α1

~α2

).

sinnvoll. Den Vorteil der verbesserten Schmiegsamkeit des Verschiebungsansatzes haben wir allerdings durcheine größere ES-Matrix, eine (8,8)-Matrix erkauft, durch die sich natürlich auch die GS-Matrix aufbläht.

Für die weiteren Ausführungen hinsichtlich der totalen potenziellen Energie nehmen wir der übersichtlichenSchreibweise wegen an, dass die Anzahl der Freiheitsgrade f = 3 ist, d.h. jeder Knoten hat die 3 Verschie-bungen u, v und w. Aus (8.43) wird jetzt

~d(x, y, z) =

N1 0 0 N2 0 0 N3 0 · · · 0 Nk 0 0

0 N1 0 0 N2 0 0 N3 0 · · · 0 Nk 0

0 0 N1 0 0 N2 0 0 N3 · · · 0 0 Nk

·

u1

v1

w1

...ukvkwk

= N∗ · ~we . (8.44)

Die Matrix N∗ ist jetzt eine (3,3k)-Matrix. Wir bezeichnen die Matrix in Zukunft wieder mit N,wohlwissend, dass wir diese Form meinen.

Page 184: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

184 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Wir bereiten den Spannungs- und den Dehnungsvektor für die totale potenzielle Energie vor. Mit den Be-ziehungen (3.19) und (3.29) ist

~ε = B · ~d(x, y, z)

~σ = D · ~ε = D ·B · ~d(x, y, z) ,

Wir berechnen mit (8.44) ~ε :

~ε = B · ~d(x, y, z) = B ·N · ~we =

∂N1∂x

0 0 ∂N2∂x

0 0 ∂N3∂x

· · · ∂Nk∂x

0 0

0 ∂N1∂y

0 0 ∂N2∂y

0 0 ∂N3∂y

· · · ∂Nk∂y

0

0 0 ∂N1∂z

0 0 ∂N2∂z

0 · · · 0 0 ∂Nk∂z

∂N1∂y

∂N1∂x

0 ∂N2∂y

∂N2∂x

0 ∂N3∂y

· · · ∂Nk∂y

∂Nk∂x

0

0 ∂N1∂z

∂N1∂y

0 ∂N2∂z

∂N2∂y

0 · · · 0 ∂Nk∂z

∂Nk∂y

∂N1∂z

0 ∂N1∂x

∂N2∂z

0 ∂N2∂x

∂N3∂z

· · · ∂Nk∂z

0 ∂Nk∂x

·

u1

v1

w1

...ukvkwk

.

(8.45)Wir bezeichnen die Matrix in (8.45) mit C, also

~ε = C · ~we~σ = D ·C · ~we .

(8.46)

8.3.2 Die totale potenzielle Energie für das Element

(a) Die innere Energie Ue:Das Bauteil besteht aus s Elementen. Ein beliebiges Element e , e = 1, · · · , s, habe das Volumen Ve und dieOberfläche Oe. Mit (8.46) ist die innere Energie

Ue =1

2

∫Ve

~σ T ··· ~ε dV =1

2

∫Ve

~w Te ·C T ·D ·C · ~we dV . (8.47)

(b) Das Potenzial We der äußeren Kräfte:Im Element können

Volumenkräfte (z.B. Eigengewicht) ~F T =[X , Y , Z

]Oberflächenkräfte ~P T =

[Px , Py , Pz

]Einzelkräfte ~F T

e =[~F1 , ~F2 , · · · , ~Fk

]wirken. Der Kraftvektor ~Fe bedeutet also die formale Zusammenfassung der in den Knoten möglichen äußerenKräfte ~Fj für j = 1, · · · , k. Es ist mit (8.44)

We = −∫Ve

~F T ··· ~d(x, y, z) dV −∫Oe

~P T ··· ~d(x, y, z) dO − ~F Te ··· ~we

= −∫Ve

~F T ·N · ~we dV −∫Oe

~P T ·N · ~we dO − ~F Te ··· ~we .

(8.48)

(c) Die totale potenzielle Energie Πe:

Page 185: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.3 Die Konstruktion der ES- und GS-Matrix für den allgemeinen Fall 185

Mit (a) und (b) wird die totale potenzielle Energie

Πe = Ue + We

=1

2

∫Ve

~w Te ·C T ·D ·C · ~we dV

−∫Ve

~F T ·N · ~we dV −∫Oe

~P T ·N · ~we dO − ~F Te ··· ~we

=1

2~w Te ·

∫Ve

C T ·D ·C dV

· ~we

−∫Ve

~F T ·N dV

· ~we −

∫Oe

~P T ·N dO

· ~we − ~F T

e ··· ~we .

(d) Minimierung von Πe hinsichtlich ~we:

∂Πe

∂ ~we=

∫Ve

C T ·D ·C dV

· ~we −

∫Ve

~F T ·N dV −∫Oe

~P T ·N dO − ~Fe

!= ~0 .

Mit den Abkürzungen

Ke =∫Ve

C T ·D ·C dV ,

~Ge = −∫Ve

~F T ·N dV −∫Oe

~P T ·N dO − ~Fe

erhalten wir die ES-Beziehung

Ke · ~we = ~Ge (8.49)

An die Stelle des Vektors ~Fe der Knotenkräfte tritt hier der Vektor ~Ge der Ersatzknotenkräfte. Das bedeutet:Treten im Element Volumenkräfte ~F auf, können sie ersatzweise als äquivalente Knotenkräfte über−

∫Ve

~F T ·N dV berechnet werden. Eventuelle Oberflächenkräfte werden durch das Integral −

∫Oe

~P T ·N dO auf dieKnoten verteilt. Im Abschnitt 8.4 werden diese Integrale beispielhaft ausgewertet.

8.3.3 Die totale potenzielle Energie für das gesamte Bauteil

(a) Die innere Energie Uges:Wir summieren über alle Ue , e = 1, · · · , s auf:

Uges =s∑e=1

[1

2

∫Ve

~w Te ·C T ·D ·C · ~we dV

]

=1

2

s∑e=1

~w Te

[ ∫Ve

C T ·D ·C dV

]· ~we =

1

2

s∑e=1

~w Te ·Ke · ~we .

(8.50)

Page 186: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

186 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Wie schon in (8.14) auf S. 160 dargestellt, erweitern wir den Elementvektor ~we, der aus je f Verschiebungender k Knoten des Elements e besteht, formal zum Verschiebungsvektor ~w aller n Knoten des Bauteils,

~w T =[~d1 , ~d2 , · · · , ~dn

]und müssen die Elementmatrix Ke in die (f · n , f · n)-GS-Matrix einbetten (siehe auch (8.14) auf S. 160).Die Gleichung (8.50) ändert sich in

Uges =1

2

s∑e=1

~w T ·Kerwe · ~w . (8.51)

(b) Das Potenzial Wges der äußeren Kräfte:Wir summieren über alle We , e = 1, · · · , s:

Wges = −s∑e=1

[ ∫Ve

~F T ·N · ~we dV +∫Oe

~P T ·N · ~we dO + ~F Te ··· ~we

]

= −s∑e=1

[ ∫Ve

~F T ·N dV ··· ~we +∫Oe

~P T ·N dO ··· ~we + ~F Te ··· ~we

].

(8.52)

Unter der Summe stehen Skalarprodukte von Vektoren, z.B. ~F Te ··· ~we, für k Knoten. Auch diese Vektoren

betten wir in Vektoren der gesuchten GS-Beziehung ein, z.B. ~we in ~w. Wir führen die folgenden Abkürzungenein,

~f Te =

∫Ve

~F T ·N dV , (8.53)

dies ist der Lastvektor der Volumenkräfte im Element e,

~p Te =

∫Oe

~P T ·N dO , (8.54)

dies ist der Lastvektor der Oberflächenkräfte des Elements e und beachten, dass die 3. Summe,

−s∑e=1

~F Te ··· ~w

die vorgegebenen äußeren Kräfte in den Knoten sind, also die Kräfte ~Gi , i = 1, · · · , n:

−s∑e=1

~F Te ··· ~w = − ~G T ··· ~w mit ~G T =

[~G1 , ~G2 , · · · , ~Gn

].

(8.52) ist nun

Wges = −s∑e=1

[~f Te ··· ~w + ~p Te ··· ~w

]− ~G T ··· ~w .

(c) Die totale potenzielle Energie Πges :

Πges = Uges + Wges

=1

2

s∑e=1

~w T ·Kerwe · ~w −

s∑e=1

[~f Te + ~p Te

]· ~w − ~G T · ~w .

(8.55)

Page 187: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.4 Darstellung von stetig verteilten Flächen- und Volumenlasten 187

(d) Minimierung von Πges hinsichtlich ~w :

∂Πges

∂ ~w=

[s∑e=1

Kerwe

]· ~w −

s∑e=1

[~fe + ~pe

]− ~G

!= ~0 .

Mit den Abkürzungen

Kges =s∑e=1

Kerwe ,

~G∗ =s∑e=1

[~fe + ~pe

]+ ~G

ergibt sich die Gesamtsteifigkeitsbeziehung

~G∗ = Kges · ~w (8.56)

Der Lastvektor ~G∗ stellt einen Ersatzvektor für Knotenlasten dar. Dieses Thema wurde schon im Abschnitt6.6 behandelt. Im Abschnitt 8.4 werden die Ersatzkräfte in (8.53) und (8.54) für einige Fälle ausgerechnet.

Sind weder Volumen- noch Oberflächenkräfte vorhanden, wirken nur die vorgegebenen äußeren Lasten ~Gund es gilt ~G∗ = ~G . Wenn man also auf ein Bauteil nur Einzellasten auf gewisse Knoten bringt, entfallenfür die totale potenzielle Energie die Anteile ~fe und ~pe aus (8.53) und (8.54), was bedeutet, dass sich in derGS-Beziehung (8.56) der Lastvektor ~G∗ reduziert auf

~G T =[~G1 , ~G2 , · · · , ~Gn

].

Liegt z.B. am Knoten i eine äußere Last vor, wird sie als ~Gi in ~G eingetragen. Liegt keine Last vor, wird~Gi = ~0 gesetzt. Ist andererseits im Knoten i ein Auflager vorgesehen, wird ~Gi als unbekannter Vektor in ~Ggeführt.

Da die ES-MatrizenKe =∫Ve

CT ·D·C dV wegen (CT ·D·C) T = C T ·D·C symmetrisch sind, also auch dieES-Matrizen Kerw

e , und weiter das Einbetten der ES-Matrizen in die GS-Matrix ein symmetrischer Vorgangist, folgt, dass auch die GS-Matrix Kges symmetrisch ist. Die innere Energie ist eine positiv definite Form,daher auch Kges. Zur Lösung des Gleichungsystems (8.56) bietet sich daher z.B. das Cholesky-Verfahrenan.

8.4 Darstellung von stetig verteilten Flächen- und Volumenlasten

Falls Strecken-, Flächen- oder Volumenlasten vorliegen, sind diejenigen Elemente festzuhalten, auf denensolche Kräfte wirken.Betrachten wir ein solches Element e. Für dieses Element müssen wir die Integrale (8.53)und (8.54) auswerten. Dadurch ergeben sich die Knotenersatzlasten an den Elementknoten des Elements e,die im Lastvektor ~G für die Indices der am Element e beteiligten Knoten eingetragen werden. Zwei Beispielesollen dies demonstrieren.

Page 188: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

188 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Beispiel 8.6 Über die Länge L eines Zug-Druck-Stabes ist die Volumenlast F (x) = p0 gegeben. Die auf-summierte Gesamtlast beträgt bei einer Querschnittsfläche A

Pges = p0 ·A · L .

Wir betrachten das Problem der Einfachheit halber im lokalen Koordinatensystem des Stabes.

Bild 8.12

Die Matrix bzw. hier der Vektor der Formfunktionen ist für den Zug-Druck-Stab nach (8.6)

N =[1−

x

L,x

L

].

Mit (8.53) berechnen wir den Ersatzlastvektor

~f Te =∫Ve

~F T ·N dV =L∫0

∫A

p0 ·[1−

x

L,x

L

]dA dx

= p0 ·AL∫0

[1−

x

L,x

L

]dx = p0 ·A ·

[x−

x2

2L,x2

2L

]∣∣∣∣L0

=

[p0 ·A · L

2,p0 ·A · L

2

].

Die Komponenten greifen am Knoten 1 bzw. 2 des Stabes an.

Hat der Stab z.B. in einem ebenen Stabwerk eine allgemeine Lage (siehe Bild 1.5 auf S. 22), müssen wir diebeiden Ersatzknotenkräfte in ~fe mit dem Winkel α des Stabes gegen die positive globale x-Achse transfor-mieren:

~fe =p0 ·A · L

cosα

sinα

cosα

sinα

Komponenten Knoten 1

Komponenten Knoten 2 .

Beispiel 8.7 Linienlast an einer Kante des ebenen ScheibendreiecksWir legen ein lokales Koordinatensystem mit der x-Achse längs der Lastkante in die Dreiecksebene. Die Last~p(x) ist durch die Kräfte ~p1 und ~p2 festgelegt:

~p1 =

(px1

py1

), ~p2 =

(px2

py2

)

Page 189: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.4 Darstellung von stetig verteilten Flächen- und Volumenlasten 189

Bild 8.13

Daraus berechnen wir ~p(x):

~p(x) =

(px(x)

py(x)

)=

px2 − px1

L· x+ px1

py2 − py1

L· x+ py1

.

Mit den Knotenkoordinaten P1(0 | 0) , P2(L | 0) , P3(x3 | y3) ist der Flächeninhalt des Dreiecks

λ =1

2· L · y3 .

Die Matrix N der Formfunktionen für das Scheibendreieck entnehmen wir (8.28) auf S. 168 und setzen dieKoordinaten ein:

N1(x, y) =1

2λ·[(L− x) · y3 + (x3 − L) · y

]N2(x, y) =

1

2λ·[x · y3 − y · x3

]N3(x, y) =

1

2λ· L · y .

Das Integrationsgebiet zur Berechnung der Knotenersatzlasten ist die Strecke von Knoten 1 nach 2. Dort isty = 0. Wir vereinfachen daher

N1(x, 0) =1

2λ· (L− x) · y3 , N2(x, 0) =

1

2λ· y3 · x , N3(x, 0) = 0 .

Zur Berechnung der Knotenersatzlasten berechnen wir mit (8.54) zunächst

~P T ·N =[px(x) , py(x)

]·(N1 0 N2 0 N3 0

0 N1 0 N2 0 N3

)=

[px(x) ·

L− xL

, py(x) ·L− xL

, px(x) ·x

L, py(x) ·

x

L, 0 , 0

].

Die Ersatzkräfte in den Knoten 1, 2 und 3 ergeben sich nun zu

~p Te =∫Oe

~P T ·N dO = h ·L∫0

~P T ·N dx

=h · L

6·[

2px1 + px2 , 2py1 + py2︸ ︷︷ ︸ , px1 + 2px2 , py1 + 2py2︸ ︷︷ ︸ , 0 , 0︸ ︷︷ ︸ ] .Knoten 1 Knoten 2 Knoten 3

Page 190: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

190 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Das Ergebnis zeigt, dass sich erwartungsgemäß nur in den Knoten 1 und 2 Ersatzlasten ergeben. Bei all-gemeiner Lage des Dreiecks im globalen Koordinatensystem muss alles entsprechend dem vorigen Beispieltransformiert werden.Nehmen wir z.B. eine konstante senkrecht auf der Kante stehende Last an, d.h. px1 = px2 = 0 undpy1 = py2 = p0 oder

~p(x) =

(0

p0

)für 0 ≤ x ≤ L ,

lauten die Ersatzkräfte

~p Te =[

0 ,p0

2· h · L︸ ︷︷ ︸ , 0 ,

p0

2· h · L︸ ︷︷ ︸ , 0 , 0︸ ︷︷ ︸ ]

Knoten 1 Knoten 2 Knoten 3 .

8.5 Auswahlkriterien für Verschiebungsansätze

Für die Verschiebungsansätze der behandelten Elementtypen sind durchweg Polynomansätze verwendetworden. Es sind andere Funktionen möglich, auf die hier nicht eingegangen wird. Die Entwicklung der ES-Matrizen über die Polynomansätze ließ nicht erkennen, ob in der Wahl des Polynomansatzes weitere alsbisher besprochene Beschränkungen notwendig sind. Es werden einige Forderungen erläutert.

Stetigkeitsforderungen:Geometrisch verträgliche Verschiebungen sind nur möglich, wenn die Verschiebungsansätze innerhalb derElementfläche stetig sind. Auch an den Elementrändern beim Übergang von einem Element zum benachbar-ten muss Stetigkeit gewährleistet sein. Elementansätze mit dieser Eigenschaft heißen konform.

Unter mathematischen Gesichtspunkten, bezogen auf die totale potenzielle Energie Π, ergeben sich schärfereBedingungen. Sei Π ein Funktional, das von den Verschiebungskomponenten u, v und w abhängt, wobeinoch partielle Ableitungen dieser Größen bis zur Ordnung n vorkommen können,

Π =

∫V

F (u , v , w , · · · ,∂nu

∂xn, · · · ) dV .

Man muss die Differenzierbarkeit der Ansätze für u(x,y,z) usw. und die Stetigkeit bis zum Grad n fordern,um die Existenz des Integrals zu sichern. Beim Balkenelement aus Beispiel 8.2 auf S. 164 muss die zweimaligeDifferenzierbarkeit für w(x) und die Stetigkeit für w”(x) gefordert werden.

Starrkörperbewegungen:Eine Starrkörperbewegung des Bauteils bzw. Elements darf keine Verzerrungen innerhalb des Elementshervorrufen, d.h. keine Spannungen im Element erzeugen. Der Verschiebungsansatz muss also entsprechendgewählt werden.

Page 191: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.5 Auswahlkriterien für Verschiebungsansätze 191

Beispiel 8.8 Das Scheibendreieck erfüllt diese Forderung. Wir prüfen dies am Beispiel der Parallelverschie-bung eines Elements. In (8.31) auf S. 170 werden die Verzerrungen über die Formfunktionen des Verschie-bungsansatzes ausgedrückt, z.B. entnehmen wir

εxx =1

2λ·[(y2 − y3) · u1 + (y3 − y1) · u2 + (y1 − y2) · u3

].

Bei einer Parallelverschiebung sind die u-Verschiebungen der 3 Knotenpunkte gleich: u1 = u2 = u3 .Eingesetzt folgt sofort εxx = 0 . Genauso werden εyy und γxy zu Null. Auch bei einer Rotation desDreiecks um einen Knotenpunkt entstehen keine Verzerrungen. Beim Nachweis mit den Drehgleichungen fürdie Ebene ist zu beachten, dass innerhalb der linearen Elastizitätstheorie kleine Drehwinkel angenommenwerden können, sodass man mit sin Φ ≈ 0 und cos Φ ≈ 1 zum Ziel kommt.

Konstanter Verzerrungszustand:Es ist wünschenswert, mit dem Verschiebungsansatz im Element speziell auch einen konstanten Verzerrungs-zustand darstellen zu können. Bei fortschreitender Verfeinerung der FE-Struktur des Bauteils werden dieElementabmessungen so klein, dass innerhalb des Elements ein konstanter Verzerrungszustand angenommenwerden kann. Der Verschiebungsansatz sollte daher Anteile enthalten, die einen konstanten Verzerrungszu-stand beschreiben.

Geometrische Isotropie:Die Ansatzfunktionen sollen so gewählt werden, dass bei unterschiedlicher Wahl des KoordinatensystemsPotenzen des Polynomansatzes nicht verschwinden bzw. neue Potenzen sich bilden. Das würde bedeuten,dass in verschiedenen Koordinatensystemen sich unterschiedliche Näherungen für den Verschiebungszustandergeben. Diese Forderung nach koordinateninvariantem Verhalten wird geometrische Isotropie genannt.Geometrische Isotropie kann erreicht werden, indem die Polynomansätze vollständig bzw. symmetrisch ge-wählt werden. Für den zweidimensionalen Fall ergibt sich über das Pascal’sche Dreieck eine symmetrischeAnordung der Potenzen:

1

x y

x2 xy y2

x3 x2y xy2 y3

... .

Der Ansatzu(x, y) = a0 + a1x+ a2y + a3x2 + a4xy + a5y2

v(x, y) = b0 + b1x+ b2y + b3x2 + b4xy + b5y2

ist ein vollständiger Ansatz 2 Grades, hingegen ist

u(x, y) = a0 + a1x+ a2y + a3xy

v(x, y) = b0 + b1x+ b2y + b3xy

ist ein unvollständiger, aber symmetrischer Ansatz.

Die Flexibilität des Verschiebungsansatzes nimmt mit steigender Anzahl der Potenzen zu. Dies erfordert eineentsprechend höhere Anzahl von Knoten bzw. Freiheitsgraden pro Knoten.

Page 192: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

192 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Beispiel 8.9Der lineare Ansatz für das Scheibendreieck soll flexibler werden. Zu diesem Zweck wählen wir 3 zusätzlicheKnoten auf den Elementrändern.

Bei je 2 Freiheitsgraden pro Knoten, d.h. bei 6Knoten mit insgesamt 12 Freiheitsgraden benöti-gen wir 12 Koeffizienten im Verschiebungsansatz.Wir wählen z.B.

u(x, y) =

a0 + a1x+ a2y + a3x2 + a4xy + a5y2

undv(x, y) =

b0 + b1x+ b2y + b3x2 + b4xy + b5y2 .

Bild 8.14

Der Vorteil der höheren Genauigkeit des Elementtyps wird allerdings durch eine (12,12)-ES-Matrix gegenübereiner bisher kleineren (6,6)-ES-Matrix erkauft.

8.6 Transformation auf Einheitselemente

Für die Methode der Finiten Elemente ist es häufig zweckmäßig, Geometrien, wie beispielsweise Dreieckeoder Tetraeder, die in allgemeinen kartesischen Koordinaten gegeben sind, auf andere Koordinaten zu trans-formieren. Mit den transformierten Koordinaten lassen sich die im Verlauf der Berechnung auftretendenIntegrale deutlich einfacher handhaben. Häufig werden die griechischen Buchstaben ξ, η und ζ für die Trans-formation auf x , y und z eingeführt.Im Zusammenhang mit der Transformation benötigen wir die Jacobi-Matrix und der daraus zu bildendenDeterminante (Jacobi-Determinante). Die Jacobi-Matrix ist eine Erweiterung des Gradienten für skalareFunktionen f(x1, x2, · · · , xn) auf Vektorfunktionen ~f(x1, x2, · · · , xn):

Definition 8.1Sei ~y = ~f(x1, x2, · · · , xn) eine Vektorfunktion der n Variablen x1 , x2 , · · · , xn mit m Komponentenfunk-tion:

~f(x1, x2, · · · , xn)Def=

f1(x1, x2, · · · , xn)...

fm(x1, x2, · · · , xn)

Die Matrix aller partiellen Ableitungen

∂fi

∂xkmit i = 1, · · · ,m und k = 1, · · · , n wird Jacobi-Matrix

genannt. Die partiellen Ableitungen werden nach folgendem Muster in der Matrix positioniert:

J Def=

∂f1∂x1

∂f1∂x2

· · · ∂f1∂xn

∂f2∂x1

∂f2∂x2

· · · ∂f2∂xn...

∂fm∂x1

∂fm∂x2

· · · ∂fm∂xn

(8.57)

Page 193: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.6 Transformation auf Einheitselemente 193

Die Zeilen der Jacobi-Matrix sind die Gradienten der m Komponentenfunktionen. Vielfach wird auch derBegriff Funktionalmatrix verwendet.Stimmt die Anzahl der Komponentenfunktionen mit der Anzahl der Variablen überein, gilt also m = n, soist 8.57 eine quadratische Matrix. In diesem Fall können wir die Determinate von J bilden, die Jacobi-Determinate bzw. Funktionaldeterminante genannt wird:

det J Def=

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

∂f1∂x1

∂f1∂x2

· · · ∂f1∂xn

∂f2∂x1

∂f2∂x2

· · · ∂f2∂xn...

∂fm∂x1

∂fm∂x2

· · · ∂fm∂xn

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣. (8.58)

Für n ≤ 3 lässt sich die Determinante auf einfache Weise bilden.Für n=2 gilt : ∣∣∣∣∣

∂f1∂x1

∂f1∂x2

∂f2∂x1

∂f2∂x2

∣∣∣∣∣ =∂f1

∂x1

∂f2

∂x2−

∂f1

∂x2

∂f2

∂x1. (8.59)

Für n = 3 gilt mit der sogenannten Regel von Sarrus :∣∣∣∣∣∣∣∣∂f1∂x1

∂f1∂x2

∂f1∂x3

∂f2∂x1

∂f2∂x2

∂f2∂x3

∂f3∂x1

∂f3∂x2

∂f3∂x3

∣∣∣∣∣∣∣∣ =∂f1

∂x1

∂f2

∂x2

∂f3

∂x3+

∂f1

∂x2

∂f2

∂x3

∂f3

∂x1+

∂f1

∂x3

∂f2

∂x1

∂f3

∂x2

−∂f3

∂x1

∂f2

∂x2

∂f1

∂x1−

∂f3

∂x2

∂f2

∂x3

∂f1

∂x1−

∂f3

∂x3

∂f2

∂x1

∂f1

∂x2. (8.60)

Des Weiteren benötigen wir im Zusammenhang mit der Anwendung transformierter Koordinaten die Regelzum Ableiten von verkettet vorliegenden Funktionen. Wir geben die Regel für skalare Funktionen der Formf(y1, y2) mit y1 = g1 (x1, x2) und y2 = g2 (x1, x2) an:

Definition 8.2Für eine verkettet vorliegende Funktion der Form f(y1, y2), bei der die Argumente y1 und y2 selber Funk-tionen der Variablen x1 und x2 sind, gilt folgende Kettenregel:

∂f∂x1

= ∂f∂y1

∂y1∂x1

+ ∂f∂y2

∂y2∂x1

∂f∂x2

= ∂f∂y1

∂y1∂x2

+ ∂f∂y2

∂y2∂x2

.(8.61)

Betrachten wir (y1, y2)T = (g1 (x1, x2) , g2 (x1, x2))T als Vektorfunktion der Variablen x1 und x2, dannkann mit der zugehörigen Jakobimatrix folgendermaßen formuliert werden:( ∂f

∂x1∂f∂x2

)= JT ·

( ∂f∂y1∂f∂y2

). (8.62)

Gegeben sei ein Dreieck wie es in Bild 8.15 a dargestellt ist. Die eingezeichneten Koordinatenachsen seien

Page 194: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

194 8 Die Formulierung der FEM: Statik

mit ξ und η bezeichnet. Die Punkte P1 , P2 und P3 haben im ξη- Koordinatensystem die Koordinaten(0|0) , (1|0) und (0|1). Das Dreieck wird Einheitsdreieck genannt. Wir wollen im Folgenden zeigen, wieman Punkte im Einheitsdreieck des ξη- Koordinatensystems auf Punkte in einem beliebigen Dreieck im xy -Koordinatensystem, wie es in Bild 8.15 b dargestellt ist, transformiert. Hierfür muss eine Transformations-beziehung angesetzt werden. In dieser Beziehung treten Parameter auf, die zunächst näher bestimmt werdenmüssen.

Bild 8.15

Es liegt nahe, eine Beziehung anzusetzen, die von der Anzahl der zu bestimmenden Parameter mit derAnzahl der Koordinaten übereinstimmt. Wir haben das Dreieck durch drei Punkte mit je 2 Koordinatenbeschrieben. Ein Anzatz für die Transformation sieht daher wie folgt aus:

x = a0 + a1ξ + a2η

y = b0 + b1ξ + b2η .(8.63)

Um die Parameter a0 , a1 , · · · , b2 zu bestimmen, werden die Eckpunktkoordinaten im Ausgangs- undZielkoordinatensystem, also im ξη- Koordinatensystem bzw. xy-Koordinatensystem, einander zugeordnet.Mit der Beziehung 8.63 ergibt sich somit:

x1 = a0 + 0 + 0

y1 = b0 + 0 + 0

x2 = a0 + a1 + 0

y2 = b0 + b1 + 0

x3 = a0 + 0 + a2

y3 = b0 + 0 + b2 .

(8.64)

Das sind 6 Gleichungen zur Bestimmung der 6 Parameter. Wir trennen das Gleichungssystem in die x undy Anteile auf und machen Gebrauch von der Matrizendarstellung:x1

x2

x3

=

1 0 0

1 1 0

1 0 1

·a0

a1

a2

, (8.65)

y1

y2

y3

=

1 0 0

1 1 0

1 0 1

·b0b1b2

. (8.66)

Page 195: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.6 Transformation auf Einheitselemente 195

Auflösen der beiden Gleichungssystme 8.65 und 8.66 bringt für die Parameter die Werte:

a0 = x1

a1 = x2 − x1

a2 = x3 − x1

b0 = y1

b1 = y2 − y1

b2 = y3 − y1 .

Damit lässt sich der Ansatz 8.63 wie folgt schreiben:

x = x1 + (x2 − x1) ξ + (x3 − x1) η

y = y1 + (y2 − y1) ξ + (y3 − y1) η(8.67)

bzw. in vektorieller Schreibweise:(x

y

)=

(x1

y1

)+

((x2 − x1) (x3 − x1)

(y2 − y1) (y3 − y1)

)·(ξ

η

). (8.68)

Gleichung 8.68 kann als Vektorfunktion(x(ξ,η), y(ξ,η)

)T der beiden Variablen ξ und η aufgefasst werden.Bildet man dann von 8.67 bzw. 8.68 die Jacobi-Matrix, so ergibt sich:

J =

∂x(ξ,η)

∂ξ

∂x(ξ,η)

∂η∂y(ξ,η)

∂ξ

∂y(ξ,η)

∂η

=

((x2 − x1) (x3 − x1)

(y2 − y1) (y3 − y1)

). (8.69)

Damit kann Gleichung 8.68 mit ihrer eigenen Jacobi-Matrix auch wie folgt geschrieben werden:(x

y

)=

(x1

y1

)+ J ·

η

). (8.70)

Existiert die inverse Matrix J−1, so lässt sich Gleichung 8.70 nach ξ und η umstellen und mann erhält:(ξ

η

)= J−1 ·

((x− x1)

(y − y1)

). (8.71)

Aus der linearen Algebra ist bekannt, dass die Inverse einer (2, 2)-Matrix gebildet wird, indem man mit demKehrwert der Determinante der ursprünglichen Matrix diejenige Matrix multipliziert, die aus Vertauschender Elemente a11 und a22 sowie Multiplizieren der Elemente a21 und a12 mit −1 hervorgeht:

J−1 =1

det J·(

(y3 − y1) − (x3 − x1)

− (y2 − y1) (x2 − x1)

)(8.72)

Die Determinante lautet ausgeschrieben

det J = (x2 − x1) (y3 − y1) − (y2 − y1) (x3 − x1) = 2λ

mit λ als Flächeninhalt des Dreiecks in den kartesischen Koordinaten x und y. Damit lässt sich 8.71 auchfolgendermaßen schreiben:

Page 196: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

196 8 Die Formulierung der FEM: Statik

η

)=

1

2λ·(

(y3 − y1) (x1 − x3)

(y1 − y2) (x2 − x1)

)·(

(x− x1)

(y − y1)

)(8.73)

bzw. in ausmultiplizierter Form:

ξ(x,y) =1

2 · λ·[x3y1 − x1y3 + x · (y3 − y1) + y · (x1 − x3)

]η(x,y) =

1

2 · λ·[x1y2 − x2y1 + x · (y1 − y2) + y · (x2 − x1)

].

(8.74)

Somit besteht auch die Umkehrbeziehung und man kann in kartesischen Koordinaten gegebene Punkte in-nerhalb des Dreiecks auf entsprechende Punkte im Einheitsdreieck transformieren.Die eingangs beschriebene Idee von der Transformation zwischen dem xy−Koordinatensystem und ξη-Einheitskoordinatensystem lässt sich erweitern. So ist es möglich, den linearen Ansatz in 8.63 auf einenquadratischen Ansatz zu erhöhen. Ein möglicher Ansatz sieht wie folgt aus:

x = a0 + a1ξ + a2η + a3ξ2 + a4ξη + a5η2

y = b0 + b1ξ + b2η + b3ξ2 + b4ξη + b5η2 .(8.75)

Um die 12 Parameter a0, a1, · · · , b5 zu bestimmen, benötigen wir allerdings 12 Gleichungen und nicht wiebeim linearen Ansatz 6 Gleichungen. Wir führen hierfür zusätzliche Koordinatenpunkte zur Beschreibungein, die wir jeweils auf die Mitten der Dreieckskanten legen. Da wir nun keinen linearen Zusammenhangmehr zwischen dem xy− und dem ξη−Koordinatensystem haben, sondern einen qadratischen, wird sich dasEinheitsdreieck nun auf ein krummlinig begrenztes Dreieck abbilden. Jeder Punkt den wir transfor-mieren geht quadratisch in diese Abbildung ein. Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen ist in Bild 8.16a das Einheitsdreieck im ξη−Koordinatensystem und das zugehörige krummlinig begrenzte Dreieck b imxy−Koordinatensystem abgebildet.

Bild 8.16

Ausblick auf isoparametrische ElementeAls Verschiebungsansätze für das Dreieckelement sind uns der lineare Ansatz aus Gleichung 8.23

u(x, y) = a0 + a1 · x + a2 · yv(x, y) = b0 + b1 · x + b2 · y .

und der quadratische Ansatz aus Beispiel 8.9

Page 197: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.6 Transformation auf Einheitselemente 197

u(x, y) = a0 + a1x+ a2y + a3x2 + a4xy + a5y2

v(x, y) = b0 + b1x+ b2y + b3x2 + b4xy + b5y2

bekannt. Vergleichen wir den linearen Verschiebungsansatz 8.23 mit dem Ansatz 8.63 für die Transformationdes geradlinigen Dreiecks auf das Einheitsdreieck, so fällt auf, dass die Gestalt des Polynoms die Gleiche ist.Entsprechendes gilt für den quadratischen Verschiebungsansatz, wenn wir den Ansatz aus Beispiel 8.9 mitder Transformationsbeziehung 8.75 für die Abbildung vom Einheitsdreieck auf das krummlinig begrenzteDreieck vergleichen. Elemente, bei denen wir die Ansatzfunktionen für die Verschiebungen gleich denen fürdie Geometriebeschreibung wählen, nennen wir isoparametrische Elemente.Wir greifen an dieser Stelle auf die Umkehrabbildung 8.74 zurück, bei der wir vom xy-Koordinatensystemauf unser ξη-Einheitskoordinatensystem transformieren:

ξ(x,y) =1

2 · λ·[x3y1 − x1y3 + x · (y3 − y1) + y · (x1 − x3)

]η(x,y) =

1

2 · λ·[x1y2 − x2y1 + x · (y1 − y2) + y · (x2 − x1)

].

Wir ziehen die beiden Gleichungen von 1 ab und erhalten:

1− ξ(x,y) − η(x,y) =1

2 · λ·[x2y3 − x3y2 + x · (y2 − y3) + y · (x3 − x2)

]. (8.76)

Vergleichen wir 8.74 und 8.76 mit den Formfunktionen 8.28, so gilt folgendes:

N1(x, y) = 1− ξ(x,y) − η(x,y)

N2(x, y) = ξ(x,y)

N3(x, y) = η(x,y) .

(8.77)

Die Formfunktionen haben wir dadurch erhalten, dass wir im linearen Verschiebungsansatz für das Drei-eckselement die Parameter a0 , a1 , · · · , b2 durch die Eckpunktkoordinaten des Dreiecks (x1, y1) , (x2, y2),(x3, y3) und dessen Verschiebungen (u1, v1) , (u2, v2), (u3, v3) ausgedrückt haben. Die Formfunktionenselbst enthalten dabei rein die Geometriedaten des Dreiecks, also die Eckpunktkoordinaten. Für die Trans-formation zwischen dem Einheitsdreieck und dem allgemeinen Dreieck im xy-Koordinatensystem haben wirden gleichen Ansatz wie für die Verschiebungsfunktion gemacht und auch hier enthalten die Funktionen nachBestimmung der Parameter nur noch die Eckpunktkoordinaten des Dreiecks im xy-Koordinatensystem.Die Berechnung in den Einheitselementkoordinaten gestaltet sich in der Regel einfacher. Zur Veranschauli-chung der Vorgehensweise wollen wir die Berechnung der Elementsteifigkeitsmatrix

Ke =

∫V∆

C T ·D∆ ·C dV

mit den transformierten Koordinaten durchführen. Dazu müssen wir die Variablen im Integralausdrucktransformieren. Die Variablen x und y befinden sich in der Matrix C, und hier in Form der partiellen

Ableitungen der Formfunktionen∂Ni

∂xund

∂Ni

∂ymit i = 1, 2, 3:

C =

∂N1

∂x0

∂N2

∂x0

∂N3

∂x0

0∂N1

∂y0

∂N2

∂y0

∂N3

∂y

∂N1

∂y

∂N1

∂x

∂N2

∂y

∂N2

∂x

∂N3

∂y

∂N3

∂x

.

Page 198: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

198 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Da wir die Formfunktionen jetzt als Funktionen von ξ und η ausdrücken können (8.77), müssen wir diepartiellen Ableitungen nach x und y auf Ableitungen nach ξ und η transformieren. Dies geschieht mit Hilfeder Kettenregel aus 8.61. Es gilt der Zusammenhang:

∂Ni∂ξ

= ∂Ni∂x

∂x∂ξ

+ ∂Ni∂y

∂y∂ξ

∂Ni∂η

= ∂Ni∂x

∂x∂η

+ ∂Ni∂y

∂y∂η

. (8.78)

Mit der transponierten Jacobi Matrix aus 8.69 gilt:( ∂Ni∂ξ∂Ni∂η

)=

(∂x∂ξ

∂x∂η

∂y∂ξ

∂y∂η

)·( ∂Ni

∂x∂Ni∂y

)= JT ·

( ∂Ni∂x∂Ni∂y

). (8.79)

Mit der inversen Jacobi-Matrix nach 8.72 lässt sich die Gleichung umstellen:( ∂Ni∂x∂Ni∂y

)= J−1 ·

( ∂Ni∂ξ∂Ni∂η

)=

1

det J·( ∂y

∂η− ∂y∂ξ

− ∂x∂η

∂x∂ξ

)·( ∂Ni

∂ξ∂Ni∂η

). (8.80)

Hinweis:Hierbei wurde in 8.78 die inverse Beziehung der Abhängigkeit von x,y und ξ, η ausgenutzt. Es gilt natürlichauch:

∂Ni∂x

= ∂Ni∂ξ

∂ξ∂x

+ ∂Ni∂η

∂η∂x

∂Ni∂y

= ∂Ni∂ξ

∂ξ∂y

+ ∂Ni∂η

∂η∂y

.

Die Ableitungen der Referenzkoordinaten nach den allgemeinen Koordinaten sind in der Regel schwer zubestimmen, weshalb man den oben beschriebenen Weg über die Jacobi-Matrix wählt. Allerdings gilt hierfolgender Zusammenhang:( ∂Ni

∂x∂Ni∂y

)=

( ∂ξ∂x

∂η∂x

∂ξ∂y

∂η∂y

)·( ∂Ni

∂ξ∂Ni∂η

)= J∗ ·

( ∂Ni∂ξ∂Ni∂η

),

wobei J∗ = J−1 mit J−1 aus 8.80.

NMit det J = 2λ gilt beispielsweise für

∂N1

∂x:

∂N1

∂x=

1

[∂N1

∂ξ

∂y

∂η−∂N1

∂η

∂y

∂ξ

]=

1

2λ[(−1) · (y3 − y1)− (−1) (y2 − y1)] =

1

2λ(y2 − y3) .

In diesem Fall ist das Ergebnis von ξ und η unabhängig und wir erhalten die gleiche Matrix wie in 8.31. Wirkönnen also in der Integration die Matrizen vor das Integral ziehen und reduzieren mit der Elementdicke hauf ein Flächenintegral:

Ke = h ·C T ·D∆ ·C∫A∆

1 dA .

Der Kernpunkt der Koordinatentransformation steckt in dem Integralausdruck für das Dreieck. Hier müs-sen wir auch von den Koordinaten x und y auf ξ und η transformieren. Dies geschieht mit der Jacobi-Determinate nach folgender Regel: ∫ ∫

dxdy =

∫ ∫det J dξdη .

Page 199: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.6 Transformation auf Einheitselemente 199

Hierbei müssen auch die Integrationsgrenzen transformiert werden. In unserem Fall integrieren wir über dasin 8.15 a dargestellte Einheitsdreieck und es gilt:

∫A∆

1 dA =

1∫0

1−η∫0

det J dξdη = det J1∫

0

ξ∣∣1−η0

dη = det J[η −

1

2η2

]1

0

= det · J1

2.

Mit det J = 2λ ergibt sich:Ke = h · |λ| ·C T ·D∆ ·C .

Dies ist natürlich das gleiche Ergebnis, welches wir auch ohne Koordinatentransformation erhalten haben.Die Berechnung war in diesem Fall auch nicht nennenswert einfacher. Das ist jedoch nicht immer der Fall,sodass bei höheren Ansätzen für das Element die Berechnung in transformiereten Koordinaten vorteilhaftist.Bei isoparametrischen Elementen mit quadratischem Ansatz ist der Ausdruck C T ·D∆ ·C und die JacobiDeterminante schon nicht mehr unabhängig von ξ und η. In diesem Fall wird die Integration numerischdurchgeführt. Hierbei werden die Gauß’schen Quadraturformeln verwendet und man arbeitet mit densogenannten Gauß-Punkten.

Die Transformation in der Ebene kann auf eine im Raum erweitert werden. Hierfür schauen wir uns exem-plarisch das Tetraeder an. In Bild 8.17 b ist das Tetraeder im xyz-Koordinatensystem dargestellt, in Bild8.17 a ist das Einheitstetraeder im ξηζ−Koordinatensystem dargestellt:

Bild 8.17

Die Transformation kann folgendermaßen angesetzt werden:

x = a0 + a1ξ + a2η + a3ζ

y = b0 + b1ξ + b2η + b3ζ

z = c0 + c1ξ + c2η + c3ζ

(8.81)

Analog zum Einheitsdreieck ordnen wir die Eckpunktkoordinaten in beiden Koordinatensystemen einander

Page 200: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

200 8 Die Formulierung der FEM: Statik

zu:x1 = a0 + 0 + 0 + 0

y1 = b0 + 0 + 0 + 0

z1 = c0 + 0 + 0 + 0

x2 = a0 + a1 + 0 + 0

y2 = b0 + b1 + 0 + 0

z2 = c0 + c1 + 0 + 0

x3 = a0 + 0 + a2 + 0

y3 = b0 + 0 + b2 + 0

z3 = c0 + 0 + c2 + 0

x4 = a0 + 0 + 0 + a3

y4 = b0 + 0 + 0 + b3

z4 = c0 + 0 + 0 + c3

(8.82)

Wir fassen die x, y und z Koordinaten zusammen und können in Matrizenform schreiben:x1

x2

x3

x4

=

1 0 0 0

1 1 0 0

1 0 1 0

1 0 0 1

·a0

a1

a2

a3

(8.83)

y1

y2

y3

y4

=

1 0 0 0

1 1 0 0

1 0 1 0

1 0 0 1

·b0

b1

b2

b3

(8.84)

z1

z2

z3

z4

=

1 0 0 0

1 1 0 0

1 0 1 0

1 0 0 1

·c0

c1

c2

c3

(8.85)

Nach Bestimmung der 12 Parameter kann 8.81 mit den Eckpunktkoordinaten des Tetraeders wie folgt ge-schrieben werden:

x = x1 + (x2 − x1) ξ + (x3 − x1) η + (x4 − x1) ζ

y = y1 + (y2 − y1) ξ + (y3 − y1) η + (y4 − y1) ζ

y = z1 + (z2 − z1) ξ + (z3 − z1) η + (z4 − z1) ζ

(8.86)

oder in Matrizenschreibweise ausgedrückt: x

y

z

=

x1

y1

z1

+

(x2 − x1) (x3 − x1) (x4 − x1)

(y2 − y1) (y3 − y1) (y4 − y1)

(z2 − z1) (z3 − z1) (z4 − z1)

· ξ

η

ζ

(8.87)

Analog zum Vorgehen beim Dreieck können wir diese Beziehung mit der inversen Jacobi-Matrix umstellen.Die Jacobi-Matrix ist auch in diesem Fall wieder die Matrix

J =

(x2 − x1) (x3 − x1) (x4 − x1)

(y2 − y1) (y3 − y1) (y4 − y1)

(z2 − z1) (z3 − z1) (z4 − z1)

Page 201: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.7 Das Tetraederelement 201

und wir können schreiben: ξ

η

ζ

= J−1 ·

(x− x1)

(y − y1)

(z − z1)

. (8.88)

Die Matrix J−1 ist etwas aufwändiger zu bestimmen als im zweidimensionalen Fall.Für den allgemeinen Fall einer (3, 3)−Matrix A git:

1. Bilden der (3,3)-Matrix U der Unterdeterminanten von A mit entsprechenden Vorzeichen2. Transponieren der Matrix UDie Matrix aus Schritt 1 und 2 zusammen nennt man auch Adjunkte-Matrix.

3. Multiplizieren der Adjunkten Matrix mit dem Kehrwert der Determinante von Matrix A.

In unserem Fall ergibt sich somit:

J−1 =1

det J·

+j11 −j12 +j13

−j21 +j22 −j23

+j31 −j32 +j33

. (8.89)

Dabei bilden sich die Element jik , i, k = 123 wie folgt:

j11 = (y3 − y1)(z4 − z1)− (z3 − z1)(y4 − y1)

j12 = (y2 − y1)(z4 − z1)− (z2 − z1)(y4 − y1)

j13 = (y2 − y1)(z3 − z1)− (z2 − z1)(y3 − y1)

j21 = (x3 − x1)(z4 − z1)− (z3 − z1)(x4 − x1)

j22 = (x2 − x1)(z4 − z1)− (z2 − z1)(x4 − x1)

j23 = (x2 − x1)(z3 − z1)− (z2 − z1)(x3 − x1)

j31 = (x3 − x1)(y4 − y1)− (y3 − y1)(x4 − x1)

j32 = (x2 − x1)(y4 − y1)− (y2 − y1)(x4 − x1)

j33 = (x2 − x1)(y3 − y1)− (y2 − y1)(x3 − x1)

.

Die Determinante von J kann nach der Regel 8.60 gebildet werden und beträgt in unserem Fall das 6-facheVolumen des Tetraeders in den xyz-Koordinaten:

det J = 6VTetraeder .

8.7 Das Tetraederelement

Bei der Auflistung einiger Elementtypen in Kapitel 6.5 haben wir bereits mit dem Hexaederelement (Bild6.13) ein Volumenelement kennengelernt. Ein weiterer Typ Volumenelement ist das Tetraederelement. Eineinfaches Tetraederelement mit 4 Eckknoten, wie es in Bild 8.18 dargestellt ist, hat je Knoten die dreiFreiheitsgrade u in x-Richtung, v in y-Richtung und w in z-Richtung. In Bild 6.13 sind die Verschiebungenam Knoten 3 eingezeichnet. Ein linearer Verschiebungsansatz für das Tetraederelement sieht wie folgt aus:

u(x, y, z) = a0 + a1 · x+ a2 · y + a3 · zv(x, y, z) = b0 + b1 · x+ b2 · y + b3 · zw(x, y, z) = c0 + c1 · x+ c2 · y + c3 · z .

(8.90)

Wir können für die Herleitung der Elementsteifigkeitsbeziehungen auf die Erkenntnisse aus Kapitel 8.3, zurKonstruktion der FEM im allgemeinen Fall und auf das vorausgegangene Kapitel 8.6 über Einheitselemente

Page 202: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

202 8 Die Formulierung der FEM: Statik

zurückgreifen.

Bild 8.18

In der Gleichung 8.44 aus Kapitel 8.3 wurden bereits der Zusammenhang zwischen der Verschiebungsfunkti-on, den Formfunktionen und den Knotenverschiebungen für ein Element mit 3 Freiheitsgraden und k Knotenentwickelt. In unserem Fall hat das Element 4 Knoten, also können wir in der Gleichung k = 4 setzen underhalten:

~d(x, y, z) =

N1 0 0 N2 0 0 N3 0 0 N4 0 0

0 N1 0 0 N2 0 0 N3 0 0 N4 0

0 0 N1 0 0 N2 0 0 N3 0 0 N4

·

u1

v1

w1

u2

v2

w2

u3

v3

w3

u4

v4

w4

= N · ~we . (8.91)

Für die Berechnung der Verzerrungen wird die Differenzialoperatormatrix B auf N angewendet und wirerhalten die Matrix C. Nach der Minimierung der totalen potenziellen Energie für das Element hinsichtlichder Knotenverschiebungen ergibt sich die bekannte Element-Steifigkeits-Beziehung:

Ke =

∫Ve

C T ·D ·C dV . (8.92)

Hierin ist Ve das Elementvolumen über das integriert werden muss, also in unserem Fall VTetraeder. DieMatrix C bildet sich folgendermaßen:

C =

∂N1∂x

0 0 ∂N2∂x

0 0 ∂N3∂x

0 0 ∂N4∂x

0 0

0 ∂N1∂y

0 0 ∂N2∂y

0 0 ∂N3∂y

0 0 ∂N4∂y

0

0 0 ∂N1∂z

0 0 ∂N2∂z

0 0 ∂N3∂z

0 0 ∂N4∂z

∂N1∂y

∂N1∂x

0 ∂N2∂y

∂N2∂x

0 ∂N3∂y

∂N3∂x

0 ∂N4∂y

∂N4∂x

0

0 ∂N1∂z

∂N1∂y

0 ∂N2∂z

∂N2∂y

0 ∂N3∂z

∂N3∂y

0 ∂N4∂z

∂N4∂y

∂N1∂z

0 ∂N1∂x

∂N2∂z

0 ∂N2∂x

∂N3∂z

0 ∂N3∂x

∂N4∂z

0 ∂N4∂x

(8.93)

Page 203: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.7 Das Tetraederelement 203

Wir setzen ein isoparametrisches Tetraederelement an und haben folglich für die Transformation vom Ein-heitsteraeder im ξηζ−Koordinatensystem auf das Tetraeder im xyz−Koordinatensystem den gleichen Poly-nomansatz wie für die Knotenverschiebeungen. Man vergleiche hierfür den Ansatz 8.90 für die Knotenver-schiebungen mit dem Ansatz 8.81 für die Transformation auf das Einheitstetraeder. Analog zum Vorgehenfür das isoparametrische lineare Dreieckselement im Kapitel 8.6 können wir auch für die Formfunktionen desisoparametrischen linearen Tetraederelements schreiben:

N1 = 1− ξ − η − ζ

N2 = ξ

N3 = η

N4 = ζ .

(8.94)

Wir berechnen die ES-Beziehung 8.92 in den ξηζ-Koordinaten des Einheitstetraeders und müssen hierfür diepartiellen Ableitungen in 8.93 und das Integral transformieren. Wie bei der Berechnung des isoparametrischenDreiecks können wir mit einer Erweiterung der Kettenregel 8.62 auf den dreidimensionalen Fall schreiben:

∂Ni∂x∂Ni∂y∂Ni∂z

= J−1 ·

∂Ni∂ξ∂Ni∂η∂Ni∂ζ

mit J−1 aus 8.89. (8.95)

Für ∂N1∂x

ergibt sich beispielsweise:

∂N1

∂x=

1

6VTetraeder[(+j11)(−1) + (−j12)(−1) + (+j13)(−1)] =

1

6VTetraeder(j12 − j11 − j13) .

Das Ergebnis ist unabhängig von ξ , η und ζ und kann somit vor das Integral in 8.92 gezogen werden. DasVolumenintegral muss noch transformiert und ausgewertet werden. Hierbei können wir auf das Beispiel 4.4aus dem Kapitel über Mehrfachintegrale zurückgreifen und schreiben:

∫Ve

C T ·D ·C dV = C T ·D ·C1∫0

1−ζ∫0

1−η−ζ∫0

det J dξdηdζ

= C T ·D ·C · det J1∫0

1−ζ∫0

ξ∣∣1−η−ζ0

dηdζ

= C T ·D ·C · det J1∫0

1−ζ∫0

(1− η − ζ) dηdζ

= C T ·D ·C · det J1∫0

η(1− ζ)− 12η2∣∣1−ζ0

= C T ·D ·C · det J1∫0

12

(1− ζ)2 dζ

= C T ·D ·C · det J [ 12ζ − 1

2ζ2 + 1

6ζ3∣∣10

= C T ·D ·C · det J 16.

Mit det J = 6VTetraeder kann die ES-Beziehung folgendermaßen geschrieben werden:

Ke = VTetraeder ·C T ·D ·C . (8.96)

Page 204: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

204 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Quadratische Ansätze für die Knotenverschiebungen führen zu Tetraederelementen mit 9 Knoten. Hier wirdjeweils auf den Tetraederkanten ein Mittelknoten vorgesehen. Diese Elemente erfordern mehr Rechnerkapa-zität bei gleicher Elementanzahl wie die linearen Tetraeder, sind hierbei aber genauer. Auch hier kann analogzum Dreieck ein isoparametrisches Elementkonzept zugrunde gelegt werden. Bild 8.19 zeigt ein solches qua-dratisches isoparametrisches Tetraederelement mit 9 Knoten.

Bild 8.19

Beispiel 8.10Eine Halterung aus dem schweren Maschinenbau soll einer Spannungsanalyse unterzogen werden. Aufgrundder Verhältnisse von Bauraum und anliegenden Lasten sowie der hohen Stückzahl hat man sich für eineSchmiedekonstruktion (Massivumformung) entschieden. In Bild 8.20 ist die Konstruktion dargestellt.

Bild 8.20

Page 205: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.7 Das Tetraederelement 205

Die Grundplatte wird über drei M27 Schrauben an die angrenzende Unterkonstruktion angeschlossen. DerLastangriff erfolgt über die mit Fräs- und Bohrarbeiten angepasste Augenlasche. Der Bolzen in der Laschehat einen Durchmesser von 60 mm. Die anliegende Kraft fluchtet mit der Richtung der Augenlasche undbeträgt 80 kN . Der verwendete Stahl hat eine Zugfestigkeit von 420 N/mm2 und eine Streckgrenze von351, 6 N/mm2.Der erste Schritt der Analyse ist es, die Randbedingungen im sogenannten Präprozessing aufzubringen. Dawir keine plastischen sowie große Verformungen erwarten, reicht eine lineare Analyse aus (zweifach linear).Die Kraft wird auf die Innenfläche der Bohrung in der Augenlasche angesetzt. Die Innenflächen der Bohrun-gen für die Schrauben werden fixiert. Die Auflageflächen der Schraubenköpfe und die Schraubenvorspannungbleiben unberücksichtigt. Die Kraft wird ferner auf die gesamte Innenfläche der Bohrung angesetzt. DieseVereinfachungen reichen für die Analyse der Kragarmstruktur aus. Als Materialparameter werden für dieBerechnung der Elastizitätsmodul mit E = 200000 N/mm2 und die Querkontraktionszahl mit ν = 0, 29eingetragen. Nach dem Aufbringen der genannten physikalischen Randbedingungen müssen die Einstellungenfür die Netzgenerierung festgelegt werden. Für unsere Anwendung wählen wir als Elementtyp parabolischeTetraederelemente. Für die Netzgenerierung können bei üblichen Berechnungsprogrammen unter anderemEinstellungen für Netzverfeinerungen in bestimmten Bereichen, maximale und minimale Winkel und Kan-tenlängen innerhalb eines Elementes oder die Mindestanzahl von Elementen über Radien eingestellt werden.Im 1 .Rechengang vernetzen wir das Bauteil grob, um zu sehen, wie sich die Struktur überhaupt verhält. Im2. und 3. Rechengang vernetzen wir die Struktur feiner, um uns den realen Verhältnissen anzunähern. Diegenerierten Netze der drei Rechengänge sind in Bild 8.21 und 8.22 dargestellt.

Bild 8.21

Page 206: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

206 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Bild 8.22

Nach der erfolgreichen Vernetzung erfolgt die Berechnung mit dem gewählten Gleichungslöser (Solver).In Kapitel 1.3 über lineare Gleichungssysteme haben wir als Gleichungslöser bereits den Gauß’schen Algo-rithmus, den LR-Algorithmus und das Cholesky-Verfahren kennengelernt, wobei das letztgenannte häufigVerwendung findet. Nach der erfolgreichen Berechnung erfolgt die Aufbereitung der Ergebnisse im sogenann-ten Postprozessing.Als maßgebender Vergleichswert liegt uns für unseren Werkstoff die Streckgrenze von 351, 6 N/mm2 vor,da wir den elastischen Bereich nicht überschreiten wollen. Dieser Wert wird aus einachsigen Versuchen mitProbestücken, den sogenannten Zugversuchen ermittelt. In Kapitel 2.1.1 werden für den räumlichen Span-nungszustand 6 Spannungswerte, σxx , σyy , σzz , τxy , τxz und τyz hergeleitet. Um den maßgebenden Wertaus dem Zugversuch mit den 6 Werten des räumlichen Spannungszustandes zu vergleichen, bedient mansich sogenannter Spannungshypothesen, die die 6 Werte mit einer Rechenvorschrift auf einen Vergleichswertabbilden. Ein gängiger Vergleichswert ist der nach von Mises:

σv =√σ2xx + σ2

yy + σ2zz − (σxxσyy + σyyσzz + σzzσxx) + 3(τ2

xy + τ2yz + τ2

xz)2 . (8.97)

In Bild 8.23 sind sogenannte farbliche Spannungsplots mit den Spannungen σv nach von Mises für die 3 Re-chengänge aufgezeigt. Die Skala ist in N/mm2 angegeben, um den direkten Vergleich mit der Streckgrenze zuhaben. Wie erwartet hat sich der Übergangsbereich vom Kragarm auf die Grundplatte als kritisch erwiesen.Der Skala ist zu entnehmen, dass die Spannungen im Übergangsbereich vom Kragarm auf die Grundplatteam größten sind. Die Spannungen im 3. Rechengang sind gegenüber den Spannungen im 2. Rechengangnicht nennenswert gestiegen. Wir können daher davon ausgehen, dass das Ergebnis im 3 Rechengang sehrgut an die realen Verhältnisse herankommt. Der kritische Bereich aus dem 3. Rechengang ist in Bild 8.24zur Verdeutlichung vergrößert dargestellt. Die maximalen Spannungen liegen hier bei ca. 240 N/mm2 undsomit ausreichend unter der Streckgrenze von 351, 6 N/mm2.

Page 207: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.7 Das Tetraederelement 207

Bild 8.23

Page 208: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

208 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Bild 8.24

Das Beispiel zeigt anschaulich, wie man massige Strukturen mit beliebigen Konturen mittels Tetraeder-elementen einer numerischen Berechnung zugänglich macht. Allerdings sollte man die Grenzen und denAufwand immer im Auge behalten. So stellt sich bei unserem Bauteil die Frage nach den Belastungen aufdie Schraubverbindungen und beispielsweise die Lochleibung in der Augenlasche. Natürlich ist es möglich,hierfür die FE-Berechnung und somit das Modell zu erweitern. Allerdings lässt sich hier auch noch eine über-schaubare analytische Berechnung durchführen. Dies zeigt gut das Zusammenspiel von Modellvereinfachungin sinnvollem Maße und zusätzlichen überschaubaren Handrechnungen.

8.8 Allgemeine Koordinatentransformation

Im Kapitel 8.6 haben wir das in der FEM übliche Vorgehen der Transformation auf Einheitselemente ken-nengelernt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Art der Koordinatentransformation. Im Folgenden wollenwir die dabei verwendeten mathematischen Mittel verdeutlichen.Eine allgemeine Koordinatenstransformation im R3 wird beschrieben durch eine stetig differenzierbare in-jektive (eineindeutige) Vektorfunktion ~Φ : R3 →R3 mit

~x = ~Φ(~u) =

x(u, v, w)

y(u, v, w)

z(u, v, w)

. (8.98)

Das bedeutet, dass jede der Koordinaten x, y, z Funktion der Koordinaten u, v, w ist. Wir schauen uns jetzteinen Punkt (u0, v0, w0) im uvw−Koordinatensystem und als Bild im xyz−Koordinatensystem an. Dabei

Page 209: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.8 Allgemeine Koordinatentransformation 209

bildet sich der Punkt mittels 8.98 von den einen Koordinatensytem in das andere ab:

x0 = x(u0, v0, w0)

y0 = y(u0, v0, w0)

z0 = z(u0, v0, w0) .

(8.99)

Bild 8.25

Im nächsten Schritt schauen wir uns an, wie der Verlauf im xyz−Koordinatensystem ist, wenn wir imuvw−Koordinatensystem vom Punkt (u0, v0, w0) aus weiter linear in die v−Richtung gehen, also die v−Koordinate „variieren“. Es entsteht eine parallele Gerade zur v−Achse. Durch den funktionalen Zusammen-hang wird sich die Gerade im Allgemeinen als gekrümmte Kurve im xyz−Koordinatensystem ergeben.

Bild 8.26

Wir nennen die so entstandene „Kurve“ eine v−Koordinatenlinie. Entsprechend verfahren wir mit der u undw Koordinate, lassen diese variieren, während wir die übrigen beiden Koordinaten jeweils in dem Punktfesthalten. Die so entstandenen Kurven im xyz−Koordinatensystem nennen wir dann entsprechend u− bzw.w−Koordinatenlinie durch den Punkt (u0, v0, w0). In Kapitel 8.6 haben wir die Jacobi-Matrix einer Vek-

Page 210: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

210 8 Die Formulierung der FEM: Statik

torfunktion kennengelernt. Wir greifen hierauf zurück und können die Jacobi-Matrix von 8.98 bilden. Dafürbeziehen wir uns auf die Definition 8.57 aus Kapitel 8.6:

J(~Φ(~u)

)=

∂ x

∂ u

∂x

∂ v

∂x

∂ w∂ y

∂ u

∂y

∂ v

∂y

∂ w∂ z

∂ u

∂z

∂ v

∂z

∂ w

=

(∂ ~x

∂ u,∂ ~x

∂ v,∂ ~x

∂ w

)=(~xu, ~xv , ~xw

). (8.100)

Dabei haben wir die Spalten der Jacobi-Matrix zusammengefasst (Mitte). Die Notation der partiellen Ab-leitung des Vektors nach den Variablen kann auch mit den tiefgestellten Variablen u, v, w erfolgen (rechts).In der Literatur sind verschiedene Notationen gängig. Uns interessiert jetzt, wie die Spalten der Jacobi-Matrix geometrisch zu interpretieren sind. Dafür gehen wir wieder zu unseren uvw-Koordinatenlinien imxyz−Koordinatensystem. Diese können als Kurven der Parameter uvw aufgefasst werden. Die Ableitungendes Vektors ~x nach diesen Variablen bilden dann die Tangentenvektoren entlang der jeweiligen Koordina-tenlinie. Wir verdeutlichen diesen Sachverhalt im Bild:

Bild 8.27

Als Nächstes schauen wir uns an, wie sich ein im uvw−Koordinatensystem achsenparalleler Quader mit denKantenlängen ∆u, ∆v und ∆w, also mit dem Volumen ∆u·∆v ·∆w in das xyz−Koordinatensystem abbildet.Der Quader wird sich im xyz−Koordinatensystem entlang der uvw−Koordinatenlinien in einen „krummli-nigen“ Quader abbilden. Das Volumen kann angenähert werden durch den von den Differenzvektoren

~x(u0 + ∆u, v0, w0)− ~x(u0, v0, w0)

~x(u0, v0 + ∆v, w0)− ~x(u0, v0, w0)

~x(u0, v0, w0 + ∆w)− ~x(u0, v0, w0)

(8.101)

Page 211: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.8 Allgemeine Koordinatentransformation 211

aufgespannten Spat (auch Parallelepiped genannt). Wir schreiben diese Gleichungen mit ∆u, ∆v und ∆wäquivalent um und lassen ∆u, ∆v und ∆w gegen Null gehen.

lim∆u→0

~x(u0 + ∆u, v0, w0)− ~x(u0, v0, w0)

∆u∆u = ~xu du

lim∆v→0

~x(u0, v0 + ∆v, w0)− ~x(u0, v0, w0)

∆v∆v = ~xv dv

lim∆w→0

~x(u0, v0, w0 + ∆w)− ~x(u0, v0, w0)

∆w∆w = ~xw dw .

(8.102)

Bei der Grenzwertbildung gehen die Differenzenquotienten in die Tangentenvektoren über, multipliziert mitden entsprechenden Differenzialen.

Bild 8.28

Im nächsten Schritt ermitteln wir das Volumen des Spats aus diesen Tangentenvektoren. In der Vektoralgebraist dies das Spatprodukt. Das Spatprodukt selbst wird aus drei linear unabhängigen Vektoren z.B. ~a, ~b und~c folgendermaßen gebildet:

~a ··· (~b× ~c ) = det(~a,~b,~c

). (8.103)

Wenden wir diese Rechenvorschrift auf die Vektoren ~xudu, ~xvdv und ~xwdw an, lässt sich das Volumen desinfinitesimalen Spats mit der Gleichung (8.103) notieren:

det (~xu du , ~xv dv , ~xw dw) =

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

∂x

∂u

∂x

∂v

∂x

∂w

∂y

∂u

∂y

∂v

∂y

∂w

∂z

∂u

∂z

∂v

∂z

∂w

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣dudvdw . (8.104)

Page 212: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

212 8 Die Formulierung der FEM: Statik

Auf der rechten Seite von 8.104 steht die Jacobi-Determinante von 8.100 multipliziert mit den infinite-simalen Kantenlängen du, dv und dw aus dem uvw−Koordinatensystem. Dies kann nun so interpretiertwerden, dass das infinitesimale Quadervolumen im uvw−Koordinatensystem bei der Transformation in dasxyz−Koordinatensystem mit einem Faktor versehen werden muss. Im uvw−Koordinatensystem gehen wirvon einem infinitesimalen Quader mit dem Volumen dudvdw aus, der in jedem Punkt das gleiche Volumenhat. Das Abbild dieser Quader ist im xyz−Koordinatensystem als Bildquader überall verschieden, mussnämlich mit dem Faktor der Jacobi-Determinante sozusagen gestaucht, gestreckt, also verzerrt werden. DieJacobi-Determinante ist hierbei in der Regel nicht konstant, sondern hängt vom Ort ab.Die Verwendung von krummlinigen Koordinaten, lineare sind als Sonderfall enthalten, erleichtert vielfachdie Berechnung. Man schaut sich eine Geometrie oder Gebiet im xyz−Koordinatensystem an und wähltdann die passende Koordinatentransformation. Die Geometrie bzw. das Gebiet wird dann immer noch imxyz−Koordinatensystem betrachtet, jedoch steuert man die Punkte nicht mehr mit x, y, z direkt sondernmit u, v, w in der Form x(u, v, w), y(u, v, w), z(u, v, w) an. Man arbeitet also vom uvw− Koordinatensys-tem aus im xyz− Koordinatensystem. Bei einer Integration werden dann die Integrationsgrenzen im uvw−Koordinatensystem festgelegt, die Variablen im Integranden werden entsprechend der Koordinatenstransfor-mation in den uvw−Koordinaten ausgedrückt und das infinitesimale Volumenelement wird ebenfalls in denentsprechenden uvw−Koordinaten ausgedrückt und mit der Jacobi-Determinante multipliziert. Das ist derTransformationssatz der Analysis. Er lautet mit den Bezeichnungen aus (8.98) und (8.104)

∫~Φ(M)

~f(~x) d ~x =

∫M

~f(~Φ(~u)

)·∣∣detJ(~u)∣∣ d ~u , (8.105)

wobei M das Integrationsgebiet im uvw-System und das Bild ~Φ(M) das Integrationsgebiet im xyz-Systemist.

Beispiel 8.11Zwischen dreidimensionalen kartesischen Koordinaten und Kugelkoordinaten besteht die stetig differenzier-bare injektive Zuordnungxy

z

= ~Φ(r, θ, φ) =

r · cos θ · cosφ

r · cos θ · sinφr · sin θ

mit r ≥ 0 , −π/2 ≤ θ ≤ π/2 , 0 ≤ φ < 2π .

Die Jacobi-Matrix lautet

J(~Φ(r, θ, φ)

)=

cos θ · cosφ −r · sin θ · cosφ −r · cos θ · sinφcos θ · sinφ −r · sin θ · sinφ r · cos θ · cosφ

sin θ r · cos θ 0

,

die Determinante ist

det(J(~Φ(r, θ, φ)

)= r2 · cos θ ,

∣∣(J (~Φ(r, θ, φ))∣∣ = r2 · cos θ .

Mit der Transformation der Menge

M = (r, θ, φ)∣∣ a1 ≤ r ≤ a2 , θ1 ≤ θ ≤ θ2 , φ1 ≤ φ ≤ φ2

Page 213: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

8.8 Allgemeine Koordinatentransformation 213

nach ~Φ(M) ⊂ R3 = (x, y, z)∣∣x, y, z ∈ R bekommt das Integral 8.105 die Gestalt

x2∫x1

y2∫y1

z2∫z1

f(x, y, z) dzdydx =

φ2∫φ1

θ2∫θ1

a2∫a1

f(~Φ(r, θ, φ)

)· r2 · cos θ dr dθ dφ . (8.106)

Für das Kugelvolumen wählen wir die Menge

M = (r, θ, φ)∣∣ 0 ≤ r ≤ a , −π

2≤ θ ≤

π

2, 0 ≤ φ ≤ 2π

Wir haben für die Volumenberechnung f(x, y, z) = f(~Φ(r, θ, φ) = 1 zu setzen:

VKu =

a∫−a

√a2−x2∫

−√a2−x2

√a2−x2−y2∫

−√a2−x2−y2

1 dzdydx =

2π∫0

π/2∫−π/2

a∫0

r2 cos θ dr dθ dφ

=

2π∫0

π/2∫−π/2

a3

3cos θ dθ dφ =

2π∫0

a3

3sin θ

∣∣∣∣π/2−π/2

d φ =

2π∫0

2a3

3dφ =

4

3πa3 .

Die Berechnung des Volumens mit dem linken Integral ist mühselig.

Die Überlegungen gelten analog für eine zweidimensionale Koordinatentransformation, wobei die Transfor-mation ~Φ : R2 →R2 lautet:

~Φ(~u) =

(x (u, v)

y (u, v)

). (8.107)

Sie entspricht anschaulich der Transformation auf das Einheitsdreieck im Kapitel 8.6. Die Koordinatentrans-formation hat hier die Randbedingung, dass der funktionale Zusammenhang zwischen den Koordinaten-systemen gerade durch die Eckpunkte bzw. auch Zwischenpunkte des Dreiecks im xyz−Koordinatensystemgebildet wird. Zudem erschöpft sich der Wertevorrat von ξ und η auf den Bereich von 0 bis 1. Man machtsich bei einem geradlinig begrenzten Dreieck daher auch schnell klar, dass die Jacobi-Determinate geradezwei Mal der Flächeninhalt des Dreiecks im xyz−Koordinatensystem ist. Denn bei der Integration über dasEinheitsdreieck kommt gerade 1/2 heraus, sodass mit der Multiplikation der Jacobi-Determinante wiederder Flächeninhalt herauskommt.

Page 214: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

214

9 Eigenwerte

9.1 Das Eigenwertproblem

Definition 9.1 Das (spezielle) Eigenwertproblem:Vorgelegt sei eine quadratische Matrix A. Gesucht sind alle Vektoren ~x, die durch die Transformation A ·~xabgesehen von ihrer Länge auf sich abgebildet werden, d.h.

A · ~x = λ · ~x

mit einem λ ∈ R bzw. λ ∈ C erfüllen.

Gesucht sind also alle Vektoren, die bei der Transformation mit A ihre Richtung beibehalten, also parallelzu sich bleiben.

Formulieren wir die Problemstellung um. Wegen

A · ~x = λ · I · ~x

folgtA · ~x− λ · I · ~x = ~0

bzw. (A− λ · I

)· ~x = ~0 .

Dies ist ein lineares homogenes Gleichungssystem A∗ · ~x = ~0 mit A∗ = A− λ · I . Die Koeffizientenmatrixlautet ausgeschrieben

A∗ = A− λ · I =

a11 − λ a12 · · · a1n

a21 a22 − λ · · · a2n

...an1 an2 · · · ann − λ

.

Wie wir aus dem Abschnitt 1.3 über lineare Gleichungssysteme wissen, hat ein homogenes Gleichungssystem(a) nur den Nullvektor ~0 als triviale Lösung, wenn die Matrix A∗ regulär ist, d.h. den vollen Rang n hatoder(b) unendlich viele Lösungen, wenn die Matrix A∗ singulär ist, d.h. einen Rang kleiner n hat.

(b) tritt ein, wenn die Determinante der Matrix A∗ Null ist. Um Lösungen zu bekommen, versuchen wir λso zu wählen, dass

det(A− λ · I

)= 0 (9.1)

wird. Berechnen wir die Determinante. Da λ in jeder Matrixzeile je einmal linear auftritt, muss die ausge-rechnete Determinante ein Polynom n-ten Grades sein, also die Form

det(A− λ · I

)= (−1)n · λn + pn−1 · λn−1 + · · · p1 · λ+ p0

Page 215: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.1 Das Eigenwertproblem 215

haben. Dieses Polynom heißt das charakteristische Polynom der Matrix A. Nach dem Gauß’schen Fun-damentalsatz der Algebra hat eine algebraische Gleichung

(−1)n · λn + pn−1 · λn−1 + · · · p1 · λ+ p0 = 0

genau n Löungen in R bzw. in C (komplexe Zahlen). Die Lösungen können mit einer Vielfachheit auftreten.Die Lösungen

λ1 , λ2 , · · · , λn

heißen die Eigenwerte der MatrixA. Setzen wir eine Lösung, z.B. den Eigenwert λ1 in das Gleichungssystem(9.1) ein, (

A− λ1 · I)· ~x = ~0 ,

können wir also wegen det(A− λ1 · I) = 0 sicher sein, dass es Lösungsvektoren

~x1 6= ~0

gibt. Diese Lösungsvektoren heißen Eigenvektoren. Nach dem bisher Gesagten gilt somit

A · ~x1 = λ1 · ~x1 .

Ist der Vektor ~x1 Eigenvektor zur Eigenlösung λ1, so ist natürlich auch ein Vielfaches α von ~x1 Eigenvektor:

A · (α · ~x1) = α ·A · ~x1 = α · λ1 · ~x1 = λ1 · (α · ~x1) .

Fassen wir zusammen:

Satz 9.1 Das EigenwertproblemA · ~x = λ · ~x

hat genau dann Lösungen, wenn die Determinante

det(A− λ · I) = 0

ist. Die Lösungen λ1 , λ2 , · · · , λn der charakteristischen Gleichung

det(A− λ · I) = (−1)n · λn + pn−1 · λn−1 + · · · p1 · λ+ p0 = 0

heißen Eigenwerte. Die Lösungsvektoren ~xi der Gleichungssysteme

(A− λi · I) · ~x = ~0 , i = 1, · · · , n

heißen die Eigenvektoren von A.

Damit ist das Eigenwertproblem grundsätzlich gelöst. Es sind also eine algebraische Gleichung und mehrerelineare Gleichungssysteme zu lösen.

Allerdings wollen wir praktikablere Lösungswege entwickeln und außerdem weitere Eigenschaften der Eigen-werte und Eigenvektoren herleiten. Zunächst betrachten wir zwei Beispiele.

Page 216: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

216 9 Eigenwerte

Beispiel 9.1Die Eigenwerte und Eigenvektoren zu der Matrix

A =

(5 1

4 2

)sind zu berechnen. Wir berechnen das charakteristische Polynom

det(A− λ · I) = det

(5− λ 1

4 2− λ

)= (5− λ) · (2− λ)− 4 = λ2 − 7λ+ 6 .

Die Lösungen der charakteristische Gleichung λ2 − 7λ+ 6 = 0 sind

λ1 = 1 und λ2 = 6 .

(1) Zum Eigenwert λ1 = 1 ergibt sich das Gleichungssystem(4 1

4 1

)·(x

y

)=

(0

0

).

Die Lösungen bekommen wir mit dem Gauß´schen Algorithmus

4 1 0

4 1 0

4 1 0

0 0 0 .

Mit der Wahl y = σ ∈ R wird x = − 14· σ, also

~x1 = σ

(−1/4

1

)= σ∗

(−1

4

), σ∗ ∈ R .

(2) Zum Eigenwert λ2 = 6 haben wir das Gleichungssystem(−1 1

4 −4

)·(x

y

)=

(0

0

).

Die Lösungen berechnen sich aus−1 1 0

4 −4 0

−1 1 0

0 0 0

.

Mit y = µ ∈ R wird x = µ, also ~x2 = µ

(1

1

), µ ∈ R.

Die Eigenvektoren von A sind also ~x1 = σ

(−1

4

)und ~x2 = µ

(1

1

).

Page 217: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.1 Das Eigenwertproblem 217

Beispiel 9.2Welche Eigenwerte und Eigenvektoren hat die Matrix

A =

2 1 1

1 2 1

1 1 2

?

Die charakteristische Gleichung lautet

det(A− λ · I) = det

2− λ 1 1

1 2− λ 1

1 1 2− λ

= (2− λ) ·

[(2− λ)2 − 1

]− 1 ·

[2− λ− 1

]+ 1 ·

[1− (2− λ

)]

= −λ3 + 6λ2 − 9λ+ 4!= 0 .

Die Lösungen und damit Eigenwerte sind λ1 = λ2 = 1 und λ3 = 4 . Zu λ1 = λ2 = 1 lautet dasGleichungssystem für die Eigenvektoren1 1 1

1 1 1

1 1 1

·xyz

=

0

0

0

.

Man erkennt sofort, dass der Rang 1 für A vorliegt. Die Lösungen sind daher mit dem Ansatz y = σ ∈ Rund z = µ ∈ R und daher x = −σ − µ

~x =

−σ − µσ

µ

= σ

−1

1

0

+ µ

−1

0

1

.

Daraus lesen wir die beiden Eigenvektoren

~x1 = σ

−1

1

0

und ~x2 = µ

−1

0

1

, σ, µ ∈ R

ab. Zum Eigenwert λ3 = 4 gehört das Gleichungssytem−2 1 1

1 −2 1

1 1 −2

·xyy

=

0

0

0

.

Page 218: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

218 9 Eigenwerte

Wir lösen mit dem Gauß´schen Algorithmus:

−2 1 1 0

1 −2 1 0

1 1 −2 0

−2 1 1 0

0 −3/2 3/2 0

0 3/2 −3/2 0

−2 1 1 0

0 −3/2 3/2 0

0 0 0 0 .

Der Rang ist 2. Mit z = τ ∈ R ergeben sich y = τ und x = τ , also ist der 3. Eigenvektor

~x3 = τ ·

1

1

1

, τ ∈ R .

9.2 Eigenschaften der Eigenwerte

Ist λi ein Eigenwert der (n,n)-Matrix A, hat das Gleichungssystem

(A− λi I) · ~x = ~0

einen oder mehrere Eigenvektoren als Lösungen. Sei ni der Rang der Matrix A − λi I. Dann entsprichtdie Anzahl der zu λi gehörenden Eigenvektoren dem Rangabfall ri = n − ni der Matrix A − λi I. DenRangabfall ri kann man nicht exakt in Abhängigkeit von λi angeben. Man kann ihn aber abschätzen überdie Vielfachheit ki, mit der die Lösung λi in der charakteristischen Lösung auftritt. Die Lösungen dercharakteristischen Gleichung gestatten die Schreibweise als Produkt von Linearfaktoren

det(A− λ · I) = (−1)n · λn + pn−1 · λn−1 + · · · p1 · λ+ p0

= (λ− λ1)k1 · (λ− λ2)k2 · · · (λ− λs)ks

mit n = k1 + k2 + · · · + ks (Fundamentalsatz der Algebra). Der folgende Satz gibt eine Abschätzung derAnzahl der Eigenvektoren zu einem Eigenwert an, den wir ohne Beweis angeben.

Satz 9.2 Anzahl der Eigenvektoren zu einem Eigenwert:Sei λi Lösung der charakteristischen Gleichung

det(A− λ · I) = 0

mit der Vielfachheit ki, d.h. λi ist k-facher Eigenwert der Matrix A. Weiter sei ni der Rang der MatrixA− λI , also ri = n− ni die Anzahl der zu λi gehörenden linear unabhängigen Eigenvektoren. Dann gilt

1 ≤ ri ≤ ki .

Page 219: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.2 Eigenschaften der Eigenwerte 219

Speziell bedeutet dies für den Fall einer einfachen Lösung λi, also mit ki = 1, dass hierzu genau ein Eigen-vektor gehört.

Der folgende Satz gibt weiteren Aufschluss über die Eigenvektoren einer Matrix.

Satz 9.3 Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind linear unabhängig.

Beweis:Nehmen wir an, dass die Matrix A die verschiedenen Eigenwerte

λ1 , λ2 , · · · , λs

hat. Betrachten wir zu jedem Eigenwert λi je einen beliebigen zugehörigen Eigenvektor ~xi:

~x1 , ~x2 , · · · , ~xs .

Zu zeigen ist, dass die Eigenvektoren linear unabhängig sind, d.h. dass aus der Gleichung

α1~x1 + α2~x2 + · · ·+ αs~xs = ~0 , α1, α2, · · · , αs ∈ R (9.2)

folgt α1 = α2 = · · · = αs = 0.Im weiteren Verlauf benötigen wir die Multiplikation der Matrizen

A− λk · I , k = 1, · · · , s (∗)mit den Eigenvektoren ~xj , j = 1, · · · , s:

(A− λkI) · ~xj = A~xj − λkI~xj = λj~xj − λk~xj = (λj − λk)~xj . (∗∗)Wir manipulieren jetzt Gleichung (9.2) in mehreren Schritten. Dazu nehmen wir die Matrizen aus (*) undmultiplizieren sie nacheinander mit (9.2) , außer für k = j:

(1) Multiplikation mit A− λ1 · I, indem wir (**) beachten:

α1(λ1 − λ1)~x1 + α2(λ1 − λ2)~x2 + · · ·+ αs(λ1 − λs)~xs = ~0 .

Der erste Summand α1(λ1 − λ1)~x1 verschwindet wegen λ1 − λ1 = 0.

(2) Multiplikation von (*) mit A− λ2 · I bringt

α2(λ2 − λ2)(λ1 − λ2)~x2 + · · ·+ αj(λ2 − λj)(λ1 − λj)~xj + · · · = ~0 .

Der erste Summand α2(λ2 − λ2)(λ1 − λ2)~x2 verschwindet wieder. Nach Anwendung mit allen MatrizenA− λkI außer für k = j bleibt übrig:

αj[(λ1 − λj)(λ2 − λj) · · · (λj−1 − λj)(λj+1 − λj) · · · (λs − λj)

]~xj = ~0 .

Wegen der Verschiedenheit der Eigenwerte folgt direkt αj = 0. Diese Prozedur führen wir für alle j = 1, · · · , sdurch und erhalten insgesamt α1 = α2 = · · ·αs = 0. Das bedeutet aber die lineare Unabhängigkeit derEigenvektoren ~x1, ~x2, · · · , ~xs.

Page 220: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

220 9 Eigenwerte

Da die verschiedenen Eigenvektoren zu einem Eigenwert als Lösungen des zugehörigen Gleichungssystemslinear unabhängig sind, können wir die Sätze 9.3 und 9.2 zusammenfassen.

Satz 9.4 Zu den verschiedenen Eigenwerten λ1, λ2, · · · , λs einer (n,n)-Matrix A mit den Vielfachheitenk1, k2, · · · , ks gehören die Eigenvektoren

~x11 , ~x12 , · · · , ~x1r1 ,

~x21 , ~x22 , · · · , ~x2r2 ,

...~xs1 , ~xs2 , · · · , ~xsrs .

Sie sind alle linear unabhängig, wobei gilt

r1 + r2 + · · ·+ rs ≤ k1 + k2 + · · ·+ ks = n .

9.3 Ähnliche Matrizen

In diesem Abschnitt wird der für die FEM wichtige Begriff der Modalmatrix eingeführt. Gehen wir von zweiquadratischen (n,n)-Matrizen A und B aus.

Definition 9.2 Die quadratischen (n,n)-Matrizen A und B heißen ähnlich, wenn eine reguläre Matrix T(Transformationsmatrix) existiert mit der Eigenschaft

B = T−1 ·A ·T .

Ähnliche Matrizen haben dieselben Eigenwerte. Dazu zeigen wir, dass die charakteristischen Polynome iden-tisch sind:

det(B− λ · I) = det(T−1 ·A ·T− λ · I) = det(T−1 ·A ·T− λ ·T−1 · I ·T)

= det(T−1[A− λ · I

]T) = det(T−1) · det(T) · det(A− λ · I)

= det(A− λ · I) .

Satz 9.5 Ähnliche Matrizen haben dieselben Eigenwerte.

Wie verhalten sich aber die Eigenvektoren ähnlicher Matrizen ?

Gehen wir vonA · ~x = λ~x

Page 221: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.3 Ähnliche Matrizen 221

aus, ~x ist also Eigenvektor von A. Sei B eine zu A ähnliche Matrix, es gilt daher

T−1 ·A ·T = B

oderA = T ·B ·T−1 .

Es folgtA · ~x = T ·B ·T−1 · ~x = λ~x .

Die rechte Gleichung multiplizieren wir von links mit T−1:

B ·[T−1 · ~x

]= λ ·

[T−1 · ~x

].

Der Vektor T−1 · ~x ist daher Eigenvektor von B.

Satz 9.6 Die Eigenvektoren ähnlicher Matrizen transformieren sich über ihre Transformationsmatrix.

Wir fassen den Begriff der ähnlichen Matrizen enger. Zu diesem Zweck betrachten wir in Zukunft nur nochMatrizen, die genau n verschiedene Eigenvektoren haben.

Definition 9.3 Eine (n,n)-Matrix heißt diagonalähnlich, wenn sie genau n verschiedene Eigenvektorenbesitzt.

Wir begründen, warum solche Matrizen so bezeichnet werden. Wenn eine Matrix genau n (und damit ver-schiedene) Eigenvektoren hat, muss nach Satz 9.4 die Vielfachheit ki der Lösung λi der charakteristischenGleichung auch genau ri = ki Eigenvektoren liefern. Die Matrix A habe also die linear unabhängigen Ei-genvektoren

~x1 , ~x2 , · · · , ~xn ,

die wir in Spaltenvektoren zu ihrer Modalmatrix X der Eigenvektoren zusammenfassen:

X =

(~x1 ~x2 · · · ~xn

).

Die n GleichungenA · ~xi = λi · ~xi , i = 1, · · · , n

fassen wir als Matrizenbeziehung zusammen in

A ·X = A ·(~x1 ~x2 · · · ~xn

)=

(λ1~x1 λ2~x2 · · · λn~xn

)

= X ·

λ1 0 · · · 0

0 λ2 · · · 0

.... . .

0 · · · 0 λn

= X ·∆ .

(9.3)

∆ ist eine Diagonalmatrix, die die Eigenwerte von A als Diagonalwerte enthält. Wir lösen nach ∆ auf:

∆ = X−1 ·A ·X .

Damit haben wir gezeigt:

Page 222: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

222 9 Eigenwerte

Satz 9.7 Jede diagonalähnliche (n.n)-Matrix A mit den Eigenvektoren ~x1, · · · , ~xn ist über ihre Modal-matrix X der Eigenvektoren ähnlich zu der Diagonalmatrix ∆ ihrer Eigenwerte:

∆ = X−1 ·A ·X .

Die bis hierher gewonnenen Erkenntnisse formulieren wir zusammenfassend:

Satz 9.8 Eine Matrix A ist genau dann zu der Diagonalmatrix ∆ ihrer Eigenwerte ähnlich, wenn sie nlinear unabhängige Eigenvektoren besitzt.

Beispiel 9.3 Die Eigenwerte und Eigenvektoren der Matrix

A =

−9 2 6

5 0 −3

−16 4 11

sind zu berechnen. Das charakteristische Polynom ist

det(A− λ · I) =

∣∣∣∣∣∣∣−9− λ 2 6

5 −λ −3

−16 4 11− λ

∣∣∣∣∣∣∣ = − λ3 + 2λ2 + λ− 2 .

Die Lösungen der zugehörigen algebraischen Gleichung −λ3 + 2λ2 + λ− 2 = 0 sind

λ1 = 1 , λ2 = −1 , λ3 = 2 .

Die hierzu gehörenden homogenen Gleichungssyteme liefern die Eigenvektoren:−10 2 6

5 −1 −3

−16 4 10

· ~x1 = ~0 hat den Rang 2 und die Lösung ~x1 = α ·

1

−1

2

,

−8 2 6

5 1 −3

−16 4 12

· ~x2 = ~0 hat den Rang 2 und die Lösung ~x2 = β ·

2

−1

3

,

−11 2 6

5 −2 3

−16 4 9

· ~x3 = ~0 hat den Rang 2 und die Lösung ~x3 = γ ·

2

−1

4

.

Die Modalmatrix der Eigenvektoren lautet also

X =

1 2 2

−1 −1 −1

2 3 4

.

Page 223: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.3 Ähnliche Matrizen 223

Berechnen wir mit der zu X inversen Matrix X−1 das Produkt

X−1 ·A ·X =

−1 −2 0

2 0 −1

−1 1 1

· −9 2 6

5 0 −3

−16 4 11

· 1 2 2

−1 −1 −1

2 3 4

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 2

= ∆ .

∆ enthält auf der Diagonalen genau die Eigenwerte von A.

Beispiel 9.4 Die Eigenwerte und Eigenvektoren von

B =

−1 0 0

−1 0 1

−1 1 0

sind zu berechnen. Das charakteristische Polynom ist

det(B− λ · I) =

∣∣∣∣∣∣∣−1− λ 0 0

−1 −λ 1

−1 1 −λ

∣∣∣∣∣∣∣ = − (λ+ 1)2(λ− 1) .

Es ergeben sich die Eigenwerte

λ1 = −1 (Vielfachheit k1 = 2) und λ2 = 1 .

(1)

0 0 0

−1 1 1

−1 1 1

· ~x = ~0

0 0 0

−1 1 1

−1 1 1

0 0 0

0 0 0

−1 1 1

Der Rang ist 1, die Lösungen sind ~x1 =

1

1

0

, ~x2 =

1

0

1

.

(2)

−2 0 0

−1 −1 1

−1 1 −1

· ~x = ~0 .

Page 224: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

224 9 Eigenwerte

−1 1 −1

−1 −1 1

−2 0 0

−1 1 −1

0 −2 2

0 0 0

Der Rang ist 2, die Lösung ist ~x3 =

0

1

1

. Die Modalmatrix ist also

X =

1 1 0

1 0 1

0 1 1

.

Die zu B ähnliche Matrix lautet

∆ =

−1 0 0

0 −1 0

0 0 1

mit ∆ = X−1 ·B ·X .

Wir spezialisieren wir auf Matrizen, die standardmäßig in der Finite Elemente Methode vorkommen. Dassind die positiv definiten Matrizen. Sei λi Eigenwert von A und ~xi ein zugehöriger Eigenvektor. Wirmultiplizieren

A · ~xi = λi · ~xivon links mit ~x Ti :

~x Ti A · ~xi = λi ·(~x Ti ··· ~xi

).

Nach λi aufgelöst wird

λi =~x Ti ·A · ~xi~x Ti ··· ~xi

= R[~xi].

Der Ausdruck R[~xi]heißt Rayleigh-Koeffizient (Rayleigh, 1842-1919). Auf Seite 16 wurden positiv

definite Matrizen definiert. Für positiv definite Matrizen gilt nach Definition, dass die quadratische Form~x T ·A ·~x > 0 für alle ~x 6= ~0 ist. Der Zähler des Rayleigh-Koeffizienten ist für positiv definite Matrizen alsopositiv. Da der Nenner ~x T ··· ~x = ~x 2 > 0 für ~x 6= ~0 ist, ist der Rayleigh-Koeffizient und damit der sichergebende Eigenwert positiv.

Satz 9.9 Die Eigenwerte positiv definiter Matrizen sind positiv.

Abschließend geben wir noch ohne Beweis für die FEM in der Dynamik wichtige Eigenschaften an, die ineinem Satz zusammengefasst werden.

Satz 9.10 Eine reelle symmetrische (n,n)-Matrix A hat n linear unabhängige Eigenvektoren, die senkrechtzueinander stehen (Die Modalmatrix X der Eigenvektoren heißt dann orthogonal). Normiert man dieEigenvektoren auf die Länge 1, wird die orthogonale Modalmatrix X eine orthonormale Matrix, d.h. esgilt

X T ·X = I oder X T = X −1 .Mit der Diagonalmatrix ∆ der reellen Eigenwerte gilt:

∆ = X−1 ·A ·X = X T ·A ·X .

Page 225: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.4 Das Verfahren von Jacobi 225

9.4 Das Verfahren von Jacobi

Das Eigenwertproblem ist grundsätzlich gelöst. Es wurden zusätzlich Eigenschaften für symmetrische undpositiv definite Matrizen vorgetragen, die wichtig für die FEM in der Dynamik sind.

Die Eigenwerte werden aus der charakteristischen Gleichung berechnet, die Eigenvektoren aus den zugehören-den linearen Gleichungssystemen. Für große Matrizen (z.B. 10.000 Zeilen und Spalten) sind diese Verfahrenunbrauchbar, da sie z.B. sehr zeitaufwendig sind. Es gibt mehrere effektive iterative Verfahren, Eigenwerteund Eigenvektoren zu berechnen. Wir tragen das iterative Verfahren von Jacobi (1804-1851) vor, das einsder ältesten ist. Es wird auch in FEM-Programmen eingesetzt, ist für kleine FE-Strukturen gut geeignet undliefert gleichzeitig die Eigenwerte und Eigenvektoren.

Wir setzen eine reelle symmetrische Matrix A voraus. A hat n linear unabhängige Eigenvektoren, die manspaltenweise zur Modalmatrix X zusammenfassen kann. A ist diagonalisierbar, d.h. es gilt

∆ = X T ·A ·X .

Das Jacobi-Verfahren ist ein Iterationsverfahren, das alle Eigenwerte und Eigenvektoren liefert, genauer, esliefert iterativ sowohl die Modalmatrix X als auch die Diagonalmatrix ∆.

Ablauf des Algorithmus:Der im Folgenden beschriebene Algorithmus diagonalisiert die Matrix A über eine Folge von Matrizen Ak,die gegen ∆ konvergieren.

1. Schritt:Wir wählen eine orthogonale Matrix X1 und berechnen die Matrix

A1 = X T1 ·A ·X1 .

Die Wahl der Matrix X1 wird später erläutert.2. Schritt:

Mit einer noch zu bestimmenden Matrix X2 erhalten wir die Matrix A2:

A2 = X T2 ·A1 ·X2

= X T2 ·X T

1 ·A ·X1 ·X2

= (X1 ·X2) T ·A · (X1 ·X2) .

k. Schritt:Mit der zu konstruierenden Matrix Xk ergibt sich

Ak = X Tk ·Ak−1 ·Xk

= (X1 ·X2 · · · · ·Xk) T ·A · (X1 ·X2 · · · · ·Xk) .(9.4)

Die Matrizen Xk sind so konstruiert, dass

limk→∞

Ak = ∆ und

limk→∞

(X1X2 · · ·Xk) = X .(9.5)

Kommen wir zur Konstruktion der Matrizen Xk:

Für jeden Index ist die Konstruktion gleichartig. Zum Aufbau von Xk gehen wir von Ak−1 aus und entwickelnden k-ten Schritt. Gegeben sei die Matrix Ak−1. In Ak−1 suchen wir das betragsgrößte Element außerhalb

Page 226: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

226 9 Eigenwerte

der Diagonalen auf. Es sei a(k−1)pq in der p-ten Zeile und q-ten Spalte (Der Akzent (k-1) bedeutet, dass es

um Elemente aus Ak−1 handelt):∣∣a(k−1)pq

∣∣ ≥ a(k−1)ij , i, j = 1, · · · , n , i 6= j .

Die Matrix Xk wird so konstruiert, dass nach der Transformation

Ak = X Tk ·Ak−1 ·Xk

die Elemente a(k)pq und a(k)

qp von Ak zu 0 werden. Die Matrix Xk hat den Aufbau

Xk =

1 0 · · · 0

0 1

. . .cosφ(k) − sinφ(k)

.... . .

...sinφ(k) cosφ(k)

. . .1 0

0 · · · 0 1

← p-te Zeile

← q-te Zeile .(9.6)

↑ ↑p-te Spalte q-te Spalte

Xk ist die Einheitsmatrix bis auf die Positionen xpp , xpq , xqq , xqp mit

xpp = cosφ(k) , xpq = − sinφ(k)

xqp = sinφ(k) , xpq = cosφ(k) .

Xk ist eine orthogonale Matrix, denn X Tk = X−1

k ist offensichtlich. Den Winkel φ(k) finden wir über diefolgende Betrachtung. Multiplizieren wir

Ak = X Tk ·Ak−1 ·Xk

aus, ändern sich von Ak−1 zu Ak nur die p-te und q-te Zeile bzw. Spalte von Ak−1, die 4 speziellen Elementesind

a(k)pp = a

(k−1)pp cos2 φ(k) − a

(k−1)pq sin 2φ(k) + a

(k−1)qq sin2 φ(k)

a(k)qq = a

(k−1)pp sin2 φ(k) + a

(k−1)pq sin 2φ(k) + a

(k−1)qq cos2 φ(k)

a(k)pq = a

(k)qp = a

(k−1)pq cos 2φ(k) − 1

2

[a

(k−1)pp − a(k−1)

qq

]sin 2φ(k) .

Wie oben bemerkt, soll die Transformation (9.4) mit Xk bewirken, dass die Positionen a(k)pq und a(k)

qp dabeizu 0 werden. Die Bedingung für φ(k) lautet daher

a(k−1)pq cos 2φ(k) −

1

2

[a

(k−1)pp − a(k−1)

qq

]sin 2φ(k) !

= 0

Page 227: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.4 Das Verfahren von Jacobi 227

bzw.

tan 2φ(k) =2 · a(k−1)

pq

a(k−1)pp − a(k−1)

qq

.

Wir setzen

φ(k) =

1

2arctan

2 · a(k−1)pq

a(k−1)pp − a(k−1)

qq

, falls a(k−1)pp 6= a

(k−1)qq

[sgn a(k−1)

pq

]·π

4, falls a

(k−1)pp = a

(k−1)qq .

(9.7)

Die Matrix Xk bewirkt übrigens eine Drehung in der pq-Ebene um den Nullpunkt mit dem Winkel φ(k).

Nach dem k-ten Schritt, d.h. nach der Berechnung von Ak wird im folgenden (k+1)-ten Schritt in Ak dasbetragsmäßig größte Element aufgesucht und dann auf die gleiche Weise mit der Matrix Xk+1 die MatrixAk+1 berechnet. Im (k+1)-ten Schritt können zwar die im k-ten Schritt erreichten Nullen wieder andersbesetzt werden, insgesamt aber konvergiert die Iterationsfolge der Ak gegen die Diagonalmatrix ∆ derEigenwerte. Das bedeutet, dass die Matrixelemente der Matrizenfolge

A , A1 , A2 , · · · , Ak , · · ·

gegen 0 konvergieren, wenn sie außerhalb der Diagonalen liegen, auf der Diagonalen aber gegen die Eigen-werte.

Ein Abbruchkriterium kann das außerhalb der Diagonalen betragsmäßig größte Matrixelement sein. DasVerfahren wird beendet, wenn ∣∣apq∣∣ ≤ ε ,

wobei ε die Genauigkeitsvorgabe ist.

Beispiel 9.5 Gegeben ist die symmetrische Matrix

A =

41 26 10

26 38 16

10 16 20

.

Es sind die Eigenwerte und Eigenvektoren mit dem Jacobi-Verfahren auf 3 Dezimalen hinter dem Kommazu berechnen.1. Schritt: Betragsgößtes Element apq = a21 = 26 , φ1 = −0, 757 (Bogenmaß)

A1 =

65, 543 0, 000 18, 255

0, 000 13, 457 4, 771

18, 255 4, 771 20, 000

,

2. Schritt: Betragsgößtes Element apq = a31 = 18, 255 , φ2 = −0, 338

A2 =

71, 957 1, 581 0, 000

1, 581 13, 457 4, 501

0, 000 4, 501 13, 586

,

Page 228: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

228 9 Eigenwerte

3. Schritt: Betragsgößtes Element apq = a32 = 4, 501 , φ3 = 0, 778

A3 =

71, 957 1, 126 1, 110

1, 126 9, 020 0, 000

1, 110 0, 000 18, 023

,

4. Schritt: Betragsgößtes Element apq = a21 = 1, 126 , φ4 = −0, 018

A4 =

71, 977 0, 000 1, 110

0, 000 9, 000 −0, 020

1, 110 −0, 020 18, 023

,

5. Schritt: Betragsgößtes Element apq = a31 = 1, 110 , φ5 = −0, 021

A5 =

72, 000 0, 000 0, 000

0, 000 9, 000 0, 000

0, 000 0, 000 18, 000

≈∆ .

Die Modalmatrix der Eigenvektoren ist

X1 ·X2 ·X3 ·X4 ·X5 =

0, 667 −0, 333 −0, 667

0, 667 0, 667 0, 333

0, 333 −0, 667 0, 667

≈ X .

Z.B. zu λ1 = 72 gehört der Eigenvektor ~x1 =

0, 667

0, 667

0, 333

.

Das C-Programm dazu:

#include <stdio.h>#include <math.h>#include <conio.h>#include <alloc.h>//----------Deklaration Funktion jacobi-------------void jacobi (int , float** , float** , float) ;//--------------------------------------------------// n - Dimension der Matrizen// a[n][n] - Matrix, von der Eigenwerte berechnet werden// ev[n][n] - Matrix enthält später die Eigenvektoren//----------Hauptprogramm---------------------------void main(void) int i , j , n ;

float **a , **ev ; // Zeiger für Matrizen a und ev:

n = 3 ; // Dimension 3 der Matrix des Beispielsa = (float**) malloc (n*sizeof(float*)) ; // Speicher für a und ev

Page 229: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

9.4 Das Verfahren von Jacobi 229

ev = (float**) malloc (n*sizeof(float*)) ; // dynamisch anfordernfor (i=0 ; i<n ; i++) a[i] = (float*) malloc (n*sizeof(float)) ;

ev[i] = (float*) malloc (n*sizeof(float)) ;

a[0][0] = 41 ; // Elemente der Matrix a aus dem Beispiela[1][0] = a[0][1] = 26 ; // zuweisen. Hier könnte alternativ einea[1][1] = 38 ; // Eingabe über Tastatur programmiert werdena[2][0] = a[0][2] = 10 ; // !! Dann müsste auch n eingelesen werdena[2][2] = 20 ; //a[2][1] = a[1][2] = 16 ; //

for (i=0 ; i<n ; i++) // Matrix ev für Eigenvektorenfor (j=0 ; j<n ; j++) // ist anfänglich Einheitsmatrix:

if (i==j)ev [i][j] = 1. ;

elseev [i][j] = 0. ;

jacobi (n , a , ev , 0.005) ; // Aufruf der Funktion jacobi, es werden// die Zeiger auf die Matrizen übergeben

printf ("\n\nEigenwerte:\n\n") ;for (i=0 ; i<n ; i++) for(j=0 ; j<n ; j++)

printf ("%8.3f " , a[i][j]) ;printf ("\n\n") ;

printf ("\n\nEigenvektoren:\n\n") ;for (i=0 ; i<n ; i++) for (j=0 ; j<n ; j++)

printf ("%8.3f " , ev[i][j]) ;printf ("\n\n") ;

printf ("Programm beenden: Taste druecken") ;getch() ; // Taste drücken, um Programm zu beenden

// Ende main//----------Definition Funktion jacobi-----------------void jacobi (int n , float **a , float **ev , float eps) int i , j , p , q , anz = 0 ;

float *zp , *zq , phi , sinphi , cosphi ;zp = (float *) malloc(n*sizeof(float)) ; // Speicher für internzq = (float *) malloc(n*sizeof(float)) ; // benutzte Vektoren zp , zqfor(;;) // Iterationsschleife

p = 1 ; // Betragsgrößtes Element suchen:q = 0 ; // a[p][q], Start mit p = 1 , q = 0for(i=0 ; i<n ; i++)for(j=0 ; j<i ; j++)

if (fabs(a[i][j]) >= fabs (a[p][q])) p = i ;

q = j ;

Page 230: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

230 9 Eigenwerte

if (fabs(a[p][q]) < eps) // Genauigkeit erreicht ? printf ("Ende nach %d Schritten" , anz) ;

break ; // Iterationsschleife verlassen

if (a[p][p] != a[q][q]) // Winkel phi berechnenphi = 0.5 * atan (2.*a[p][q]/(a[p][p] - a[q][q])) ;

else phi = 0.785400 ; // PI/4

if (a[p][p] < 0.) phi = -phi ;

sinphi = sin (phi) ; // sin und cos von phi berechnencosphi = cos (phi) ;

// Neue Werte für Matrix A berechnen:for (i=0 ; i<n ; i++) zp[i] = a[i][q] * cosphi - a[i][p] * sinphi ;

zq[i] = a[i][q] * sinphi + a[i][p] * cosphi ;

zp[q] = a[q][q] * cosphi * cosphi- a[p][q] * 2. * sinphi * cosphi+ a[p][p] * sinphi * sinphi ;

zq[p] = a[q][q] * sinphi * sinphi+ a[p][q] * 2. * sinphi * cosphi+ a[p][p] * cosphi * cosphi ;

zp[p] = zq[q] = 0. ;

for (i=0 ; i<n ; i++) // Fertige neue Matrix a[i][p] = a[p][i] = zq[i] ; // A aus zp und zq

a[i][q] = a[q][i] = zp[i] ; //

printf ("A%d = \n" , anz+1) ; // Ausgabe der iteriertenfor (i=0 ; i<n ; i++) // Matrizen A1, A2 , usw. printf (" ") ; //

for(j=0 ; j<n ; j++) //printf ("%8.3f " , a[i][j]) ; //

printf ("\n") ; //printf ("\n\n") ; //

for (i=0 ; i<n ; ++i) // Iterierte Eigenwerte nach ev zp[i] = ev[i][q] * cosphi - ev[i][p] * sinphi ;

zq[i] = ev[i][q] * sinphi + ev[i][p] * cosphi ;ev[i][q] = zp[i] ;ev[i][p] = zq[i] ;

// Spätestens nach 1000 Schritten abbrechen:if (anz++ > 1000) printf ("\n Abbruch nach "%d" Iterationen" , anz) ;

break ; // Ende Iterationsschleife

// Ende jacobi

Page 231: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

231

10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

10.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad

Wir betrachten eingehend lineare Schwinger mit einem Freiheitsgrad. Gehen wir von einer punktförmigenMasse m aus, die über eine elastische Feder der Steifigkeit k mit einem Auflager A verbunden ist. Auf dieMasse wirkt die eingeprägte Kraft (Störkraft) F (t). Wir setzen zusätzlich eine (viskose) Dämpfungskraft Fcvoraus, die proportional zur Geschwindigkeit ist,

Fc = − c · v(t) = − c · x(t)

und der Bewegung des Massenpunktes entgegengesetzt gerichtet ist:

Bild 10.1Für die Federkraft gilt

Fk = − k · x(t) .

Hinzu kommt die Trägheitskraft

FT = −m · a(t) = −m · x(t) ,

die der Richtung der Beschleunigung entgegen wirkt. Wir geben noch eine beliebige von außen wirkendeBelastung F (t) vor.

Die Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte im Massenpunkt ist für jeden Zeitpunkt t

F (t) + Fk + Fc + FT = 0 bzw. F (t) = − FT − Fc − Fk ,

d.h.m · x(t) + c · x(t) + k · x(t) = F (t) . (10.1)

Dies ist die Differenzialgleichung eines Punktmassenschwingers. Es ist eine erzwungene Schwingung mitDämpfung. Wir normieren die DGL zu

x(t) +c

m· x(t) +

k

m· x(t) = F (t)/m .

Die physikalischen Größen c , m , k sind positiv und damit auch die Abkürzungen δ =c

2 ·mund ω2 =

k

m:

x(t) + 2δ · x(t) + ω2 · x(t) =F (t)

m

mit δ =c

2 ·mund ω2 =

k

m

(10.2)

Page 232: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

232 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Es handelt sich um eine inhomogene lineare DGL 2. Ordnung. Wir betrachten verschiedene Fälle, die uns inder Strukturdynamik begegnen werden.

10.1.1 Ungedämpfter freier (ungezwungener) Schwinger

In (10.2) ist δ = 0 und F = 0 zu wählen.Dieser Fall kommt naturgemäß in der Realität nicht vor. In vielen Fällen versucht man, die Dämpfung soklein wie möglich zu halten, sodass man sie manchmal vernachlässigen kann und somit mathematisch mitdieser DGL arbeitet:

x(t) + ω2 · x(t) = 0 (10.3)

Wir machen für die Lösung den Ansatz

x(t) = K · cosλt+ L · sinλt , K,L, λ ∈ R

und setzen ein:

−λ2[K · cosλt+ L · sinλt

]+ ω2

[K · cosλt+ L · sinλt

]=

[− λ2 + ω2

]·[K · cosλt+ L · sinλt

]= 0 .

Daraus folgt λ2 = ω2 , λ1,2 = ± ω . Es ist wegen cos(−ωt) = cosωt und sin(−ωt) = − sinωt undbeliebigen K , L egal, mit welchem λ wir rechnen. Mit der positiven Lösung λ1 = ω ist

x(t) = K · cosωt+ L · sinωt

die allgemeine Lösungsfunktion von (10.3). Sie ist eine ungedämpfte harmonische Schwingung. Die allge-meine Lösung stellt wegen zunächst beliebigem K und L eine Gesamtheit von unendlich vielen Lösungsfunk-tionen dar. Eine spezielle Lösung, die dem vorgelegten realen Problem entspricht, bekommen wir, indemwir die dem Problem zugehörigen 2 Anfangsbedingungen stellen und damit K und L festlegen, z.B. für dieAuslenkung x(t) und die Geschwindigkeit v(t) = x(t) zum Zeitpunkt t = 0:

x(0) = x0 und v(0) = x(0) = v0 .

In x(t) und x(t) = −K ·ω · sinωt+L ·ω · cosωt mit t = 0 eingesetzt ergeben sich die Bestimmungsgleichugen

x0 = K und v0 = L · ω .

Dazu gehört die spezielle Lösung

xs(t) = x0 · cosωt +v0

ω· sinωt

Wir können die allgemeine Lösung in einer Sinusschwingung zusammenfassen,

x(t) = A · cos(ωt− φ)

Page 233: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad 233

Anstelle der freien Parameter K und L treten nun A und φ. Mit dem Ansatz

A · cos(ωt− φ) = K · cosωt+ L · sinωt ,

und wegen cos(ωt− φ) = cosωt · cosφ+ sinωt · sinφ erhalten wir

A · cosωt · cosφ+A · sinωt · sinφ = K · cosωt+ L · sinωt

und durch einen Koeffizientenvergleich in cosωt und sinωt:

A · cosφ = K und A · sinφ = K

und damit endgültig

A =√K2 + L2 und φ = arctan

L

K.

Die obige spezielle Lösung können wir mit unseren Anfangsbedingungen schreiben als

xs(t) =

√x2

0 +v20

ω2· cos

[ωt− arctan

v0

ω · x0

]

x

φt

A

ω

φ =φ + π/2

ω

b b b b

b

Bild 10.2 xs(t) = A · cos(ωt− φ)

Zur Beurteilung einer harmonischen Schwingung sind die Größen

ω Kreisfrequenz der Schwingung

T =2π

ωSchwingungsdauer

A =

√x2

0 +v20

ω2Amplitude

φ = arctanv0

ω · x0Phasenverschiebung

(10.4)

wichtig.

Page 234: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

234 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

10.1.2 Ungedämpfter erzwungener Schwinger

In (10.2) ist δ = 0 und F 6= 0 zu wählen:

x(t) + ω2 · x(t) =F (t)

m(10.5)

Wir notieren zunächst die Lösung der zugehörigen homogenen DGL x(t) + ω2 ·x(t) = 0 , die im vorigenAbschnitt 10.1.1 gelöst wurde:

xh(t) = K · cosωt+ L · sinωt .

Für den erweiterten Fall einer erzwungenen Schwingung mit einer von außen wirkenden Belastung F(t)wählen wir beispielhaft eine harmonische Erregung

F (t) = F0 · sin Ωt .

Sei Ω 6= ω (keine Resonanz). Für die partikuläre Lösung machen wir den Ansatz

xp(t) = E · sin Ωt + F · cos Ωt , E, F ∈ R .

Einsetzen in (10.5) ergibt

− E · Ω2 sin Ωt − F · Ω2 cos Ωt

+ ω2[E · sin Ωt+ F · cos Ωt

]= (F0/m) · sin Ωt .

(10.6)

Der Koeffizientenvergleich in cos Ωt und sin Ωt bringt die Gleichungen

−E · Ω2 + E · ω2 =F0

m

−F · Ω2 + F · ω2 = 0 .

Das ergibt die Lösungen

E =F0/m

ω2 − Ω2und F = 0 (wegen ω 6= Ω) .

Ersetzen wir noch m mit Hilfe von ω2 = k/m , haben wir

xp(t) =F0

ω2

ω2 − Ω2· sin Ωt .

Die Gesamtlösung der DGL (10.5) ist die additive Überlagerung von xh(t) und xp(t):

xg(t) = xh(t) + xp(t)

= K · cosωt+ L · sinωt

+F0

ω2

ω2 − Ω2· sin Ωt

(10.7)

Page 235: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad 235

xh(t) spiegelt das Eigenverhalten des Schwingers wieder, xp(t) ist die Systemantwort auf die Störung F (t) =F0 ·sin Ωt. Mit 2 Anfangsbedingungen, z.B. xg(t0) = xt0 und xg(t0) = vt0 für den Zeitpunkt t = t0 , werdenK und L festgelegt, womit man zu der speziellen Lösung mit diesen Anfangsbedingungen kommt.

xg(t) = xh(t) + xp(t)

xh(t)

xp(t)t

x

Bild 10.3 xg(t) = xh(t) + xp(t)

10.1.3 Gedämpfter freier Schwinger

In (10.2) ist δ 6= 0 und F = 0 zu wählen:

x(t) + 2δ · x(t) + ω2 · x(t) = 0 (10.8)

Wir machen den Ansatzx(t) = c · eλt , c ∈ R , λ ∈ C

und setzen ein:

λ2 · c · eλt + 2δ · c · λ · eλt + ω2 · c · eλt = c · eλt ·[λ2 + 2δ · λ+ ω2

]= 0 ,

d.h.λ2 + 2δ · λ + ω2 = 0 .

Der obige Ansatz ist eine Lösung, wenn die quadratische Gleichung in λ erfüllt ist. Die Lösungen in λ sind

λ1,2 = − δ ±√δ2 − ω2 = ω

[−δ

ω±

√(δ

ω

)2

− 1

].

Mit dem dimensionslosen Dämpfungsmaß

DDef=

δ

ω=

c

2√k ·m

haben wirλ1,2 = ω

(−D ±

√D2 − 1

). (10.9)

Dabei sind 3 Fälle zu unterscheiden:

0 < D < 1 , D = 1 , D > 1 .

0 < D < 1 - Periodischer Fall - Schwache Dämpfung:Dies ist der typische Fall bei Metallkonstruktionen. Der Radikand D2 − 1 in (10.9) ist wegen 0 < D < 1negativ, es ergeben sich mit der imaginären Einheit i =

√−1

λ1,2 = ω ·(−D ± i ·

√1−D2

)= − ω ·D ± i · ω ·

√1−D2 .

Page 236: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

236 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Die Lösungen sind konjugiert komplex zueinander. Die Lösung der DGL ist mit der Abkürzung

νDef= ω ·

√1−D2 (gedämpfte Ersatzfrequenz)

x(t) = C1 · eλ1t + C2 · eλ2t = e−Dωt ·(C1 · eiνt + C2 · e−iνt

)oder mit der Euler’schen Beziehung eiνt = cos νt+ i · sin νt

x(t) = e−Dωt ·[C1 · (cos νt+ i · sin νt) + C2 · (cos νt− i · sin νt)

]= e−Dωt ·

(K1 · cos νt+K2 · sin νt

), K1 , K2 ∈ C .

Für unser reelles Schwingungsproblem brauchen wir aber nur K1 , K2 ∈ R und haben damit die allgemeineLösung

x(t) = e−Dωt ·(K1 · cos νt + K2 · sin νt

), K1,K2 ∈ R (10.10)

Das ist eine exponenziell gedämpfte periodische Schwingung (freier Schwinger), da D und ω positiv sind.Mit den Anfangsbedingungen x0 = x(0) und v0 = x(0) ergibt sich die spezielle Lösung xs(t). Ein kleinerRechengang bringt

K1 = x0 und K2 =v0 +D · x0

ν,

also

xs(t) = e−Dωt ·(x0 · cos νt +

v0 +D · x0

ν· sin νt

)(10.11)

oder zusammengefasst

xs(t) = C · e−Dωt · cos(νt− φ)

mit

C =

√x2

0 +

[v0 +D · x0

ν

]2

und φ = arctanv0 +D · x0

ν · x0.

xs(t)

t

x

Bild 10.4 Gedämpfte Schwingung

D > 1 - Aperiodischer Fall - Überkritische starke Dämpfung:

Page 237: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad 237

Die Lösungen der charakteristischen Gleichung sind jetzt reell,

λ1,2 = − ω ·D ± ω ·√D2 − 1

).

Mit γ = ω ·√D2 − 1 lautet die allgemeine Lösung

x(t) = C1 · eλ1t + C2 · eλ2t = e−Dωt ·(C1 · eγt + C2 · e−γt

).

Mit den Formeln sinh γt =eγt − e−γt

2und cosh γt =

eγt + e−γt

2, d.h. aufgelöst nach eγt und e−γt,

eγt = cosh γt+ sinh γt und e−γt = cosh γt− sinh γt , schreiben wir die Lösung auch als

x(t) = e−Dωt ·[C1 · cosh γt+ C1 · sinh γt+ C2 · cosh γt− C2 sinh γt

]= e−Dωt ·

[(C1 + C2) · cosh γt+ (C1 − C2) · sinh γt

].

Die allgemeine Lösung als gedämpfte Hyperbelfunktion lautet somit

x(t) = e−Dωt ·[K1 · cosh γt+K2 · sinh γt

], K1,K2 ∈ R (10.12)

Wir setzen die Anfangsbedingungen x0 = x(0) und v0 = x(0) in x(t) und

x(t) = e−Dωt ·[(K1 · γ −K2 ·D · ω) · sinh γt+ (K2 · γ −K1 ·D · ω) · cosh γt

]ein,

x0 = x(0) = K1 und v0 = K2 · γ −K1 ·D · ω

und erhalten mitK1 = x0 und K2 =

v0 + x0 ·D · ωγ

die zugehörige spezielle Lösung

xs(t) = e−Dωt ·[x0 · cosh γt+

v0 + x0 ·D · ωγ

· sinh γt]

(10.13)

Im folgenden Bild sind typische Zeitverläufe zu sehen. Die Bewegung verläuft aperiodisch und klingt asym-ptotisch gegen 0 ab.

xs(t)(1)

(2)

(3)

t

x

Bild 10.5 Gedämpfte aperiodische Schwingung

Page 238: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

238 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

D = 1 - Aperiodischer Grenzfall - Kritische starke Dämpfung:Mit D = 1 verschwindet die Wurzel und wir bekommen die Doppellösung

λ1,2 = − ω ·D ± ω ·√D2 − 1 = − ω .

Hierzu gehört die allgemeine Lösung

x(t) =[C1 + C2 · t

]· e−ωt , C1, C2 ∈ R , (10.14)

wie man durch Einsetzen in 10.8 nachprüft. Bei vorgelegten Anfangsbedingungen, z.B.x(0) = x0 und x(0) = v0 erhalten wir mit

x(t) = C2 · e−ωt − ω ·[C1 + C2 · t] · e−ωt

die Bestimmungsgleichungen

x0 = C1 und v0 = C2 − ω · C1 ,

alsoC1 = x0 und C2 = v0 + ω · x0 .

Die spezielle Lösung ist somit

xs(t) =[x0 + (v0 + ω · x0) · t

]· e−ωt (10.15)

Es ist der Grenzfall zwischen periodisch (D < 1) und aperiodisch (D > 1) abklingender Schwingung. Auchhier handelt es sich um eine kriechende aperiodisch abklingende Schwingung.

xs(t)

t

x

Bild 10.6 Gedämpfte aperiodische Schwingung

10.1.4 Gedämpfter erzwungener Schwinger

In (10.2) ist δ 6= 0 und F 6= 0 zu wählen:

x(t) + 2δ · x(t) + ω2 · x(t) =F (t)

m.

Page 239: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad 239

Mit den Abkürzungen (siehe über der Gleichung 10.9)

D =δ

ωund m =

k

ω2

lautet die DGL

x(t) + 2Dω · x(t) + ω2 · x(t) =ω2 · F (t)

k

Für den erweiterten Fall einer erzwungenen Schwingung mit einer von außen wirkenden Belastung (Stö-rung) F (t) wählen wir für die weitere Untersuchung als Störungstyp die harmonische Erregung

F (t) = F0 · sin Ωt .

Sei Ω 6= λ1,2 (keine Resonanz). Der homogene Lösungsanteil ist z.B. für den Fall (0 < D < 1 siehe (10.10))

xh(t) = e−D · ωt ·(K1 · cos νt + K2 · sin νt

).

Unabhängig vom Dämpfungstyp (0 < D < 1 , D = 1 , D > 1) machen wir für die partikuläre Lösung denAnsatz

xp(t) = E · sin Ωt + F · cos Ωt , E, F ∈ R .

Einsetzen in obige DGL ergibt

− E · Ω2 sin Ωt − F · Ω2 cos Ωt + 2Dω[E · Ω cos Ωt − F · Ω sin Ωt

]+ ω2

[E · sin Ωt+ F · cos Ωt

]= (ω2F0/k) · sin Ωt .

(10.16)

Die Unbekannten E und F werden durch einen Koeffizientenvergleich in sin Ωt und cos Ωt ermittelt:

−E · Ω2 − 2F ·DωΩ + E · ω2 = ω2 · F0/k und

−F · Ω2 + 2E ·DωΩ + F · ω2 = 0

bzw.E(ω2 − Ω2)− 2F ·DωΩ = ω2F0/k und

2E ·DωΩ + F (ω2 − Ω2) = 0 .

Hieraus bekommen wir

E =ω2F0

ω2 − Ω2

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2

F =ω2F0

−2DωΩ

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2

und somit die partikuläre Lösung

xp(t) =F0

ω2

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2

[(ω2 − Ω2) · sin Ωt− 2DωΩ · cos Ωt

].

Diese Lösungsfunktion ist unabhängig von der Wahl für D, sodass sie für alle Dämpfungsfälle gilt.

Page 240: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

240 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Die Gesamtlösung setzt sich additiv aus der Lösung der homogenen DGL und der partikulären Lösungzusammen. Speziell für den Fall 0 < D < 1 ergibt sich

xg(t) = xh(t) + xp(t) (0 < D < 1)

= e−D · ωt ·(K1 · cos νt + K2 · sin νt

)+

F0

ω2

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2·[(ω2 − Ω2) · sin Ωt− 2DωΩ · cos Ωt

], K1 , K2 ∈ R

(10.17)

Aus der allgemeinen Gesamtlösung xg(t) erhält man eine spezielle Lösung, wenn man aus 2 Anfangsbedin-gungen x0 = x(0) und v0 = x(0) die unbekannten Koeffizienten K1 und K2 festlegt.

(1) Da für den Fall 0 < D < 1 die homogene Lösung xh(t) für t −→ ∞ verschwindet, nennt man sie auchden verschwindenden Lösungsanteil:

xh(t) = e−D · ωt ·(K1 · cos νt + K2 · sin νt

)= C · e−Dωt · cos(ν · ωt− φ)

(Freie Parameter K1 , K2 durch C , φ substituiert)

ist die gedämpfte Eigenschwingung des Systems mit der Kreisfrequenz

ν = ω ·√

1−D2 (gedämpfte Ersatzfrequenz) .

(2) Die partikuläre Lösung (Bei beliebiger Wahl D > 0)

xp(t) =F0

ω2

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2·[(ω2 − Ω2) · sin Ωt− 2DωΩ · cos Ωt

]ist die Systemantwort auf die Störung F0 · sin Ωt und heißt der stationäre Lösungsanteil (oder auchDauerschwingung).

xp(t)

xg(t) t

x

Bild 10.7 Einschwingvorgang (0 < D < 1)

Page 241: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad 241

10.1.5 Diskussion der Systemantwort (allgemein für D > 0)

Wir betrachten die Systemantwort

xp(t) =F0

ω2

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2·[(ω2 − Ω2) · sin Ωt− 2DωΩ · cos Ωt

]auf die Störung

F (t) = F0 · sin Ωt

genauer und formen sie um in die geschlossene Darstellung

xp(t) = K · sin(Ωt− φ) .

Die Anwendung des Additionstheorems auf die zweite Gleichung und der Koeffizientenvergleich der beidenDarstellungen in sin und cos bringt uns die Bestimmungsgleichungen für K und φ:

K · sin(Ωt− φ) = K · sin Ωt · cosφ−K · cos Ωt · sinφ ,

also

K · sinφ =F0

ω2

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2· (2DωΩ)

K · cosφ =F0

ω2

(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2· (ω2 − Ω2) .

Durch Quadrieren und Addieren der beiden Gleichungen bekommen wir K2 bzw. dann K:

K =F0

ω2√(ω2 − Ω2)2 + (2DωΩ)2

.

Dividieren der beiden Gleichungen liefert φ:

tanφ =2DωΩ

ω2 − Ω2oder φ = arctan

2DωΩ

ω2 − Ω2.

Die Systemantwort lautet somit

xp(t) =F0

ω2√(ω2 − Ω2)2 + (2DΩω)2

· sin[Ωt− arctan

2DΩω

ω2 − Ω2

](10.18)

Wir definieren

Definition 10.1

V (Ω)Def=

ω2√(ω2 − Ω2)2 + (2DΩω)2

heißt der Amplituden-Frequenzgang (oder auch Vergrößerungsfunktion),

φ(Ω)Def= arctan

2DΩω

ω2 − Ω2

heißt der Phasen-Frequenzgang der Systemantwort.

Page 242: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

242 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Bemerkung: Üblich ist auch eine andere Darstellungsform für V und φ, die wir notieren. Wir kürzen Zählerund Nenner in V und φ mit ω2 und erhalten mit der Substitution ε = Ω/ω

V (ε) =1√

(1− ε2)2 + (2Dε)2und φ(ε) = arctan

2Dε

1− ε2mit ε ∈ R+ .

Diese ’Normierung’ hinsichtlich ω bedeutet z.B., dass der Resonanzwert für ε = 1 entsprechend Ω = ωangenommen wird. N

Bringt man die Kraft F0 langsam (statisch) auf das Feder-Masse-System in (10.1) auf, so ist die größteAuslenkung x(0) = F0/k wegen der Federkraft F0 = x(0) · k. Wegen der Amplitude der Systemantwort,

K =F0

ω2√(ω2 − Ω2)2 + (2DΩω)2

, d.h. wegen K = x(0) · V (Ω) wird die Bezeichnung Vergröße-

rungsfunktion deutlich. V (Ω) beschreibt die Veränderung der Amplitude der Systemantwort gegen dieStörung bei veränderlichem Ω . φ(Ω) ist die Phasenverschiebung gegenüber der Störung.Wir diskutieren V (Ω) und φ(Ω) als Funktionen der Störfrequenz Ω , wobei aus physikalischen GründenΩ nur positive Werte annehmen kann. Der Sonderfall Ω = 0 bedeutet, dass keine Störfunktion vorliegt,es sich also um einen gedämpften freien Schwinger handelt.

Amplituden-Frequenzgang

(1) Für Ω ≈ 0 ist V (0) ≈ 1 und φ ≈ 0 .Für sehr kleine Frequenzen Ω ist die Systemantwort praktisch ohne Phasenverschiebung und ohne echteVerstärkung (V = 1) gleich der eingehenden Störung.

(2) Für Ω −→∞ gehen V (Ω) −→ 0 und φ −→ π .Hat die Störung eine hohe Frequenz Ω, kann das System ’nicht folgen’, die Systemantwort ist natürlich einegleichfrequente Schwingung, aber mit sehr kleiner Amplitude, das System reagiert also praktisch nicht.

(3) Für Ω = ω ist V (ω) = 1/(2D) und φ = π/2 .Dies ist der Resonanzfall. Die Systemantwort ist um π/2 phasenverschoben. Die Störfunktion bringt mit derEigenfrequenz Ω = ω Energie in das System. Ist die Dämpfung D groß, also die Verstärkung V = 1/(2D)klein, wird die eingebrachte Energie durch die Dämpfung zum Teil ’aufgefressen’. Ist hingegen die Dämpfungklein, wird die Verstärkung V groß, das System schwingt mit großer Amplitude.

Für den Fall 0 < D < 1 und Resonanz (Ω = ω) lautet die allgemeine Lösung

xg(t) = xh(t) + xp(t) (0 < D < 1)

= e−D · ωt ·(K1 · cos νt + K2 · sin νt

)+

F0

1

2D· sin

[Ωt− π/2

].

(4) Ein Sonderfall innerhalb des Resonanzfalls liegt vor, wenn die Dämpfung D = 0 ist. Die Störfunktionwirkt auf ein ungedämpftes System. Die DGL des Systems hat die spezielle Form

x(t) + Ω2 · x(t) =F0

m· sin Ωt .

Der homogene Lösungsanteil ist aus dem Abschnitt 10.1.1 auf S. 232 bekannt:

xh(t) = K · cos Ωt+ L · sin Ωt .

Für die spezielle Lösung müssen wir wegen der Resonanz den Ansatz

xp(t) = K1 · t · sin Ωt + K2 · t · cos Ωt mit

xp(t) = K1

[2Ω cos Ωt− Ω2 · t · sin Ωt

]+ K2

[− 2Ω sin Ωt− Ω2 · t · cos Ωt

]

Page 243: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.1 Schwinger mit einem Freiheitsgrad 243

machen und setzen in die DGL ein:

K1

[2Ω cos Ωt− Ω2 · t · sin Ωt

]+ K2

[− 2Ω sin Ωt− Ω2 · t · cos Ωt

]+ K1 · Ω2 · t · sin Ωt + K2 · Ω2 · t · cos Ωt =

F0

m· sin Ωt .

Der Koeffizientenvergleich in sin Ωt und cos Ωt bringt

K1 = 0 und K2 = −F0

2 ·m · Ω,

weshalb die Gesamtlösung lautet

xg(t) = K · cos Ωt+ L · sin Ωt −F0

2 ·m · Ω· t · cos Ωt ,

bzw. wegen Ω2 = c/m, d.h. m = c/Ω2

xg(t) = K · cos Ωt+ L · sin Ωt −F0 · Ωk · 2

· t · cos Ωt .

Die Vergrößerungsfunktion kann hier vergleichsweise mit V = Ω · t/2 angegeben werden. Das Systemschaukelt sich wegen des linearen Faktors t in V linear auf und wird daher durch die Störkraft F0 · sin Ωtschließlich zerstört.

xp(t) = −F0·Ωk·2 · t · cos Ωt

t

x

Bild 10.8 xp(t) im Resonanzfall

(5) Wir berechnen die Extremwerte des Amplituden-Frequenzgangs, bilden dehalb die 1. Ableitung nach Ωund setzen gleich 0:

V′(Ω) = −

1

2· ω2 ·

−4Ω ·[Ω2 − ω2 + (2Dω)2

]√(ω2 − Ω2)2 + (2DΩω)2)3/2

!= 0 .

Daraus folgt Ω1 = 0 und ΩR = ω ·√

1− 2D2 . Wir schenken uns den Nachweis über die 2. Ableitung,dass in ΩR ein Maxiumum mit dem Amplitudenwert

VR =1

2D√

1−D2

vorliegt. Im linken Bild sind einige Amplitudenfrequenzgänge für verschiedene Dämpfungen 0 < D < ∞eingetragen.

Page 244: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

244 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

D → 0 (Resonanzfall)

D → ∞ Ω

V

π

π2

b

b

b

D → 0 (Resonanzfall)

D → ∞Ω

φ

ω

Bild 10.9 Amplitudenfrequenzgänge Bild 10.10 Phasenfrequenzgänge

Das rechte Bild zeigt einige Phasenverläufe für den Phasen-Frequenzgang für 0 < D <∞.

10.2 Schwinger mit zwei Freiheitsgraden

Wir untersuchen einen Punktmassenschwinger mit 2 Freiheitsgraden. Dazu wählen wir 2 Massenm1 undm2,die über 3 Federn mit den Federkonstanten k1 , k2 , k3 horizontal linear elastisch zwischen 2 Festpunktengelagert sind. Störfunktionen von außen und Dämpfungsanteile seien nicht vorhanden.

Bild 10.11Die Bewegung der beiden Massenpunkte wird über die Koordinaten x1(t) und x2(t) beschrieben, deren Null-lage durch die Ruhelage der Massen festgelegt ist. Betrachten wir die Massen in einer beliebigen momentanenLage zum Zeitpunkt t. Die Federn üben folgende Kräfte auf die Massen aus:

Feder 1 auf Masse m1: -k1 · x1(t)

Feder 2 auf Masse m1: k2 ·[x2(t)− x1(t)

]Feder 2 auf Masse m2: -k2 ·

[x2(t)− x1(t)

]Feder 3 auf Masse m2: -k3 · x2(t) .

An der Masse m1 sind mit der Trägheitskraft −m1 · x1(t) folgende Kräfte im Gleichgewicht:

−m1 · x1 − k1 · x1 + k2

[x2 − x1

]= 0 ,

hingegen an der Masse m2

−m2 · x2 − k2 ·[x2 − x1

]− k3 · x2 = 0 ,

anders angeordnet

m1 · x1 +[k1 + k2

]· x1 − k2 · x2 = 0 ,

m2 · x2 − k2 · x1 +[k2 + k3

]· x2 = 0 .

Page 245: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.2 Schwinger mit zwei Freiheitsgraden 245

Die Gleichungen schreiben wir zusammengefasst in Matrizenform:

(m1 0

0 m2

)·(x1

x2

)+

(k1 + k2 −k2

−k2 k2 + k3

)·(x1

x2

)=

(0

0

)(10.19)

kurzM · ~x + K · ~x = ~0 . (10.20)

Dies ist ein lineares ungedämpftes DGL-System 2. Ordnung. M heißt die Massenmatrix, K die Stei-figkeitsmatrix des Systems. Die beiden Matrizen sind symmetrisch. Wir machen für dieses homogeneDGL-System den Lösungsansatz

~x(t) =

(x1(t)

x2(t)

)=

(C1

C2

)·[α · cosωt+ β · sinωt

](10.21)

und setzen in das DGL-System ein:

−M · ω2 ·(C1

C2

)·[α · cosωt+ β · sinωt

]+ K ·

(C1

C2

)·[α · cosωt+ β · sinωt

]= ~0 ,

zu lösen ist [−M · ω2 + K

]· ~c = ~0 mit ~c T = (C1 , C2) .

Wir setzen ω2 = λ und multiplizieren mit der inversen Matrix M−1:[M−1 ·K− λ · I

]· ~c = ~0

bzw. mit der Abkürzung A = M−1 ·K [A− λ · I

]· ~c = ~0 .

Dies ist ein typisches Eigenwertproblem für 2 Eigenwerte in λ und den Eigenvektoren ~c1 und ~c2. Wir rechnenA aus und erhalten ausführlich

k1 + k2

m1− λ

−k2

m1

−k2

m2

k2 + k3

m2− λ

·(C1

C2

)=

(0

0

). (10.22)

Man beachte, dass durch die Transformation die Matrix A = M−1 ·K unsymmetrisch geworden ist. DasSystem (10.22) hat Lösungen, wenn die Determinante der Koeffzientenmatrix Null ist:

det(A− λ · I

)=

[k1 + k2

m1− λ]·[k2 + k3

m2− λ]−

k22

m1 ·m2

= λ2 −[k1 + k2

m1+k2 + k3

m2

]· λ +

k1k2 + k1k3 + k2k3

m1m2

= λ2 − aλ+ b = 0 .

Page 246: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

246 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Die Lösungen für λ sind

λ1,2 =a

2±√

(a/2)2 − b .

Setzen wir wieder λ = ω2, ergeben sich somit aus den beiden Eigenwerten die Kreisfrequenzen für dieSchwingungen der beiden Massenpunkte als positive Wurzeln:

ω1 =

√a

2+√

(a/2)2 − b , ω2 =

√a

2−√

(a/2)2 − b .

Mit λ1 und λ2 gehen wir in das Gleichungssystem (10.22) und berechnen daraus zwei Eigenvektoren zu

~c1 =

[1 ,

k1 + k2 −m1 · λ1

k2

] T, ~c2 =

[1 ,

k2 + k3 −m2 · λ2

k2

] T.

Dies sind die sogenannten Amplitudenvektoren aus dem Lösungsansatz (10.21). Der Lösungsansatz istzur Lösung für die Bewegung ~x T (t) = [x1(t) , x2(t)] der beiden Massenpunkte geworden:

~x(t) = ~c1 ·[α1 · cosω1t+ β1 · sinω1t

]+ ~c2 ·

[α2 · cosω2t+ β2 · sinω2t

](10.23)

mit den Kreisfrequenzen ω1 , ω2 und mit α1 , β1 , α2 , , β2 ∈ R.Die beiden Summanden α1 · cosω1t + β1 · sinω1t und α2 · cosω2t + β2 · sinω2t heißen die Eigenschwin-gungsformen des Systems. Damit ist das Schwingungsproblem gelöst. Es hat sich als Eigenwertproblemdargestellt.

Herleitung von (10.19) über die mechanische Gesamtenergie:Das DGL-System (10.19) des 2-Punkt-Massen-Schwingers läßt sich auch die mechanische Gesamtenergie Eder beiden Punktmassen herleiten, womit wir uns dem FE-Prinzip für dynamische Systeme nähern. Diemechanische Gesamtenergie ist

E = U + T = konstant

zu jeden Zeitpunkt. Dabei ist U die potenzielle Energie und T die kinetische Energie. Dies gilt für denFall, dass einwirkende Kräfte auf das System nur aus Potenzialkräften bestehen. Es gilt

T = 12·m1 · x2

1 + 12·m2 · x2

2 = 12·(x1 , x2

)·(m1 0

0 m1

)·(x1

x2

)= 1

2· ~x T ·M · ~x .

undU = 1

2· k1 · x2

1 + 12· k2 ·

[x2 − x1

]2+ 1

2· k3 · x2

2

= 12·[k1 + k2

]· x2

1 − k2 · x1 · x2 + 12·[k2 + k3

]· x2

2

= 12·(x1 x2

)·(k1 + k2 −k2

−k2 k2 + k3

)·(x1

x2

)= 1

2· ~x T ·K · ~x .

Die Gesamtenergie E ist daher

E =1

2· ~x T ·M · ~x +

1

2· ~x T ·K · ~x = konstant .

Page 247: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.3 Schwinger mit n Freiheitsgraden 247

Wir differenzieren nach der Zeit t und beachten, dass die Matrizen M und K symmetrisch und konstantsind:

12·[~x T ·M · ~x + ~x T ·M · ~x + ~x T ·K · ~x + ~x T ·K · ~x

]= 1

2·[2 · ~x T ·M · ~x + 2 · ~x T ·K · ~x

]= 0

bzw.

~x T ·[M · ~x + K · ~x

]= 0

bzw.M · ~x + K · ~x = ~0 .

Dies ist wieder das DGL-System (10.20) bzw. (10.19) auf S. 245.

10.3 Schwinger mit n Freiheitsgraden

Bei Schwingungsproblemen von Punktmassenschwingern mit n Punktmassen ergibt sich die Gleichung(10.20) formal in gleicher Gestalt,

M · ~x + K · ~x = ~0 . (10.24)

Die Gestalt der (n,n)-Matrizen M und K wird in den folgenden Abschnitten für verschiedene Elementtypenentwickelt. Die Matrizen M und K sind symmetrisch und positiv definit (siehe Def. 1.7). Wir machen denLösungsansatz

~x(t) = ~c ·[α · cosωt + β · sinωt

]mit

~x(t) =

x1(t)

x2(t)

...xn(t)

, ~c =

c1

c2...cn

mit den Unbekannten c1 , c2 , · · · , cn , α , β ∈ R und der unbekannten Kreisfrequenz ω. Wir setzen in(10.24) ein:

−M · ω2 · ~c ·[α · cosωt + β · sinωt

]+ K · ~c ·

[α · cosωt + β · sinωt

]= ~0 .

bzw. [K − λ ·M

]· ~c = ~0 mit λ = ω2 . (10.25)

Dies ist die allgemeine Eigenwertaufgabe. Im Kapitel 9 wurde die spezielle Eigenwertaufgabe[A − λ · I

]· ~x = ~0

behandelt.

Wir wandeln (10.25) um, indem wir die Gleichung mit M −1 multiplizieren:[M −1 ·K − λ · I

]· ~c = ~0 .

Page 248: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

248 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Damit haben wir mit A = M −1 ·K in die spezielle Eigenwertaufgabe umgewandelt. Allerdings ist M −1 ·Knicht mehr symmetrisch. Im Abschnitt 10.8 wird eine andere Umwandlung von [K − λ ·M] ·~c = ~0 in diespezielle Eigenwertaufgabe [A − λ ·I] ·~x = ~0 vorgetragen, wobei die umgewandelte Matrix A symmetrischund positiv definit ist.

Auf Grund der Sätze 9.9 und 9.10 auf S. 224 wissen wir, dass A n linear unabhängige Eigenvektoren mitpositiven Eigenwerten hat. Z.B. das Jacobi-Verfahren (Abschnitt 9.4) liefert alle Eigenwerte und Eigenvek-toren, sodass das Schwingungsproblem gelöst ist:

Die Lösungen seien die

Eigenwerte λ1 , · · · , λn und Eigenvektoren ~c1 , · · · , ~cn .

Die Gesamtlösung des Eigenschwingungsproblems lautet daher

~x(t) =

n∑i=1

~ci ·[αi · cosωit + βi · sinωit

](10.26)

mit ωi =√λi. Die Summanden

αi · cosωit + βi · sinωit

heißen Eigenschwingungsformen, die ~ci heißen Amplitudenvektoren. Das DGL-System steht für einungedämpftes frei schwingendes System von n Einzelmassen, das von außen nicht erregt wird. Die Anfangs-bedingungen (z.B. Auslenkung zum Zeitpunkt t = 0) legen die Koeffizienten αi und βi fest. Dadurch ergibtsich eine spezielle Lösung. Zur Beurteilung des grundsätzlichen Schwingungsverhaltens geben die Amplitu-denvektoren ~ci und die Kreisfrequenzen ωi Auskunft.

Beispiel 10.1

Bild 10.12Wir nehmen an, dass die Steifigkeiten k1 , k2 , k3 in den 3 Stäben so groß sind, dass nur kleine Verschie-bungen stattfinden. Die Winkeländerungen der Federn gegen ihre ursprüngliche Lage sind demzufolge auchklein. Betrachten wir zunächst allgemein eine Feder.

Page 249: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.3 Schwinger mit n Freiheitsgraden 249

Bild 10.13

Der Knoten I werde um den Vektor ~w T1 =

[u1 , v1

]verschoben. Wir berechnen den Anteil der Verschiebung

~d1 von ~w1 in Richtung der Federachse. Die Feder hat den Winkel α1 gegen die positive globale x-Achse. DerVektor von Knoten I nach Knoten II ist

~s1 = L1 ·(

cosα1

sinα1

).

Aus der Vektoralgebra ist bekannt, dass die Projektion ~ab des Vektors ~a auf den Vektor ~b gegeben ist durch

~ab =~a ··· ~b|~b|2

·~b .

Die Projektion von ~w1 auf ~s1 ist also

~d1 = L1 ·~w1 ··· ~s1|~s1|2

·(

cosα1

sinα1

)=[u1 · cosα1 + v1 · sinα1

]·(

cosα1

sinα1

)

=

(u1 · cos2 α1 + v1 · sinα1 · cosα1

u1 · sinα1 · cosα1 + v1 · sin2 α1

).

Wir betrachten nun den Knoten 2 der Konstruktion und stellen in ihm die Gleichgewichtsbedingungen auf.Die Federn 1, 2 und 3 haben die Winkel 45 , 90 , 135 gegen die positive x-Achse. Für die Verschiebungenin die Richtungen der 3 Federn, die durch den Verschiebungsvektor ~w2 im Knoten 2 entstehen, bekommenwir durch Einsetzen der Winkel in obige Beziehung

~d1 =

(u2/2 + v2/2

u2/2 + v2/2

)=

(1/2 1/2

1/2 1/2

)·(u2

v2

),

~d2 =

(0 + 0

0 + v2

)=

(0 0

0 1

)·(u2

v2

),

~d3 =

(u2/2− v2/2

−u2/2 + v2/2

)=

(1/2 −1/2

−1/2 1/2

)·(u2

v2

).

Für das Kräftegleichgewicht im Knoten 2 gilt(m2 · u2

m2 · v2

)+ k1 · ~d1 + k2 · ~d2 + k3 · ~d3 = ~0 ,

Page 250: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

250 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

ausführlich (m2 0

0 m2

)·(u2

v2

)+

(k1/2 + k3/2 k1/2− k3/2

k1/2− k3/2 k1/2 + k2 + k3/2

)·(u2

v2

)=

(0

0

),

kurzM · ~w + K · ~w = ~0 .

Dies ist wieder das bekannte DGL-System. In den Abschnitten 10.5 und 10.8 wird die Problematik dynami-scher Probleme allgemein behandelt.

10.4 Prinzipe der Mechanik

Die FE-Methode läßt sich aus den Prinzipen der Mechanik entwickeln, die wesentlich von Newton (1643-1727), Euler (1707-1783), d’Alembert (1717-1783), Lagrange (1736-1813) und Hamilton (1805-1865) in einemZeitraum von etwa 150 Jahren entdeckt wurden. Ein wirkliches Verständnis der FE-Methode gelingt, wennman versteht, wie die in der FEM zu lösenden Gleichungssysteme bzw. DGL’en sich aus diesen Prinzipenableiten. Es wird daher ein Überblick über diese Prinzipe gegeben. Zum leichteren Verständnis werden diePrinzipe zunächst nur für einen Massenpunkt entwickelt.

In der Kinetik des Massenpunktes mit der Masse m ist das Gesetz von Newton,

~K = m · ~r(t)

grundlegend. m · ~r(t) ist die Trägheitskraft. ~K ist die auf die Masse m einwirkende Kraft, ~r(t) der von derZeit t abhängende Ortsvektor des Massenpunktes z.B. in einem kartesischen xyz-Koordinatensytem:

~K =

K1

K2

K3

, ~r(t) =

x(t)

y(t)

z(t)

.

Gesucht ist die Bewegungsgleichung ~r(t). Wenn die Masse m sich ohne weitere Einschränkungen im Systembewegt, wirken somit keine weiteren Kräfte auf m ein. Zur Lösung des Problems steht dann obige Newton’scheGleichgewichtsbedingung zur Verfügung.

Im Folgenden werden wir aber die Bewegung eines Massenpunktes behandeln, der z.B. auf einer Raumkurveoder einer Fläche geführt wird. Dadurch wirken auf die Masse außer der einwirkenden Kraft ~K weitere Kräfte~F , Zwangskräfte oder Führungskräfte genannt, die die Masse auf der Fläche halten. Die Auflagerkräfte einesbelasteten Körpers sind z.B. Zwangskräfte. Bewegt sich ein Massenpunkt m z.B. auf einer Ebene, so hältihn die Schwerkraft m · g auf der Ebene.

10.4.1 d´Alembert´sches Prinzip

Wir behandeln den Fall, dass der Massenpunkt nicht durch eine Raumkurve, sondern durch eine im allge-meinen gekrümmte Fläche im R3 in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt ist. Eine Fläche kann durch diekartesischen Koordinaten x , y , z beschrieben werden mit

F (x, y, z) = 0

Page 251: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.4 Prinzipe der Mechanik 251

oder durch eine Parameterdarstellungxyz

=

x(u, v, t)

y(u, v, t)

z(u, v, t)

, kurz ~r = ~r(u, v, t) ,

wobei u und v die lokalen Flächenkoordinaten innerhalb der Fläche sind und t die Zeit. Durch u = c1 undv = c2 mit konstanten c1 , c2 ergibt sich für c1 , c2 ∈ R ein Netz von Koordinatenlinien auf der Fläche.Durch einen beliebigen Punkt P (u | v) auf der Fläche verläuft somit eine v-Koordinatenlinie (u = c1) undu-Koordinatenlinie (v = c2).Hinweis:In der Mathematik werden Parameter z.B. mit u , v bezeichnet. In der Mechanik, speziell in der Herleitungder Prinzipe werden die Parameter (Flächenkoordinaten) üblicherweise mit q1 , q2 · · · bezeichnet. Da eineFläche im R3 die Dimension 2 hat, ergeben sich für uns die Flächenkoordinaten

q1 , q2

anstelle u , v. Die Parameterdarstellung lautet nun ~r = ~r(q1 , q2 , t) . Diese Koordinaten werden auchverallgemeinerte oder generalisierte Koordinaten genannt. NDie in P in Richtung der beiden Koordinatenlinien liegenden Tangentenvektoren ~a1 und ~a2 spannen dieTangentialebene in P an die Führungsfläche auf, sie lauten

~a1T =

∂~r

∂q1=( ∂x∂q1

,∂y

∂q1,∂z

∂q1

)und ~a2

T =∂~r

∂q2=( ∂x∂q2

,∂y

∂q2,∂z

∂q2

).

Die Bindung des Massenpunktes an die Fläche wird durch die Führungskraft ~F ausgedrückt, sodass dieNewton’sche Gleichgewichtsbedingung für den Massenpunkt erweitert wird zu

−m · ~r(t) + ~K + ~F = ~0 .

~F steht senkrecht auf der Fläche, d.h. hat die Richtung des Normalenvektors ~n auf die Fläche.

Bild 10.14

Wir führen nun aus der Gleichgewichtslage heraus eine gedankliche kleine (infinitesimale) Bewegung δ~r aus.

Page 252: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

252 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Die Bewegung muss natürlich mit der Bahnführung des Massenpunktes in Einklang stehen, d.h. verträglichsein. Diese virtuelle Verschiebung kann daher nur in der Tangentialebene des Massenpunktes an dieFührungsfläche wirken, die von den beiden Tangentenvektoren ~a1 , ~a2 aufgespannt wird. Also läßt sich δ~rim q1q2-Koordinatensystem darstellen als

δ~r = δq1 ·∂~r

∂q1+ δq2 ·

∂~r

∂q2= δq1 · ~a1 + δq2 · ~a2 =

(δq1

δq2

).

Wir bilden das Skalarprodukt von δ~r mit der obigen Gleichgewichtsbedingung:(−m · ~r(t) + ~K

)··· δ~r + ~F ··· δ~r = 0 . (10.27)

Es gilt ~F ··· δ~r = 0 , weil die Vektoren ~F und δ~r senkrecht aufeinander stehen: δ~r liegt in der Tangentialebene,~F steht senkrecht auf der Tangentialebene. Wir notieren

10.4.1 [d’Alembert’sches Prinzip]

Die Führungskraft ~F verrichtet unter der virtuellen Verschiebung δ~r keine Arbeit:

~F ··· δ~r = 0 .

Es bleibt die Gleichung

(−m · ~r(t) + ~K

)··· δ~r = 0 .

Sie drückt das d’Alembert’sche Prinzip in der Lagrange’schen Form aus:

10.4.2 [d’Alembert’sches Prinzip - Langrange’sche Form]Die Summe der virtuellen Arbeiten −m · ~r(t) ··· δ~r (Arbeit der Trägheitskraft) und ~K ··· δ~r (Arbeit dereinwirkenden Kraft), hervorgerufen durch eine virtuelle Verschiebung δ~r , ist 0 .

Für die weitere Behandlung der Bestimmungsgleichung (10.27) für ~r(t) müssen wir uns nicht mehr mitder unbekannten Führungskraft ~F ’herumschlagen’. Das d’Alembert’sche Prinzip besagt nämlich, dass dieFührungskraft ~F keine Arbeit verrichtet. Die Gleichung (10.27) lautet nun bereinigt und ausführlich(

−m · ~r(t) + ~K)···(δq1 · ~a1 + δq2 · ~a2

)= 0

bzw. [−m · ~r(t) + ~K

]··· ~a1 · δq1 +

[−m · ~r(t) + ~K

]··· ~a2 · δq2 = 0 (10.28)

Da δ~r beliebig gewählt werden kann und damit auch δq1 und δq2, können wir z.B. δq2 = 0 und δq1 6= 0wählen. Daraus folgt direkt −m · ~r(t) ··· ~a1 + ~K ··· ~a1 = 0. Entsprechendes folgt für δq2 6= 0 und δq1 = 0.

Page 253: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.4 Prinzipe der Mechanik 253

Damit haben wir zwei Bestimmungsgleichungen für die Bewegung des Massenpunktes, die sich direkt ausdem d’Alembert’schen Prinzip ergeben: (

m · ~r(t) − ~K)··· ~a1 = 0(

m · ~r(t) − ~K)··· ~a2 = 0 .

Hier ist allerdings der Beschleunigungsvektor ~r(t) noch in kartesischen Koordinaten ausgedrückt. Wirschreiben die Gleichungen in generalisierte Koordinaten um. Das Skalarproduktm·~r(t) ··· ~a1 ist der Anteil derTrägheitskraft in Richtung des Tangentenvektors ~a1, also in Richtung der q1-Koordinate. Das Skalarprodukt~K ··· ~a1 ist die Komponente der einwirkenden Kraft in Richtung der q1-Koordinate. Die Skalarprodukte ~K ··· ~a1

und ~K ··· ~a2 heißen generalisierte Kräfte. Schreiben wir die Skalarprodukte auch optisch als skalare Größen,z.B. für das Skalarprodukt mit ~a1:

m · ~r(t) ··· ~a1 = m · b1 und ~K ··· ~a1 = K1 ,

haben wir zwei skalare Gleichungen zur Bestimmung der Bewegung des Massenpunktes:

m · b1 −K1 = 0

m · b2 −K2 = 0 .(10.29)

b1(q1 , q2 , q1 , q2 , q1 , q2) und b2(q1 , q2 , q1 , q2 , q1 , q2) sind die skalaren Beschleunigungsanteilein Richtung der Flächentangenten der Führungsfläche. Die in b1 und b2 enthaltenen generalisierten Bewe-gungen q1 und q2 gilt es zu bestimmen . Damit ist das Problem in 2 DGL’en 2. Ordnung umgewandelt.Die generalisierten Lösungen q1(t) und q2(t) beschreiben die Bahn des Massenpunktes innerhalb der Füh-rungsfläche, d.h. mit den Flächenkoordinaten q1 und q2. Die DGL’en müssen natürlich nicht linear sein. DieLinearität ist gegeben, wenn die Führungsfläche linear, d.h. eine Ebene ist.

10.4.2 Lagrange´sche Gleichungen zweiter Art

Wir gehen von den oben entwickelten d’Alembert’schen Gleichungen (10.28)[−m · ~r(t) + ~K

]··· ~a1 δq1 +

[−m · ~r(t) + ~K

]··· ~a2 δq2 =

−m · ~r(t) ···[ ∂~r∂q1

δq1 +∂~r

∂q2δq2]

+ ~K ···[ ∂~r∂q1

δq1 +∂~r

∂q2δq2]

= 0(10.30)

aus und formen sie in die Lagrange’schen Gleichungen zweiter Art mit generalisierten Koordinaten um.I Arbeit der TrägheitskräfteWir formen zunächst die Arbeit der Trägheitskräfte,

−m · ~r ···[ ∂~r∂q1

δq1 +∂~r

∂q2δq2]

=2∑i=1

−m ·d~v

dt···∂~r

∂qiδqi , i = 1, 2 (10.31)

um, wobei ~v der Geschwindigkeitsvektor mit ~r = d~r/dt = d~v/dt ist. Der Geschwindigkeitsvektor zu~r = ~r(q1 , q2 , t) ist (Kettenregel)

~v =∂~r

∂t+

∂~r

∂q1q1 +

∂~r

∂q2q2 .

Es folgt∂~v

∂qi=

∂~r

∂qiund

d

dt

(∂~r

∂qi

)=

∂~v

∂qi, i = 1, 2 , (10.32)

Page 254: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

254 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

was wir gleich weiter unten nutzen. Wir wollen m ·d~v

dt···∂~r

∂qiin (10.31) (dort unterstrichen) ersetzen und

wenden die Produktregel hinsichtlich t an:

d

dt

(m · ~v ···

∂~r

∂qi

)= m ·

d~v

dt···∂~r

∂qi+ m · ~v ···

d

dt

(∂~r

∂qi

),

bzw.

m ·d~v

dt···∂~r

∂qi=

d

dt

(m ·~v ···

∂~r

∂qi

)− m · ~v ···

d

dt

(∂~r

∂qi

), i = 1, 2 .

Dies setzen wir in (10.31) ein:

2∑i=1

−m ·d~v

dt···∂~r

∂qiδqi = −

2∑i=1

[d

dt

(m · ~v ···

∂~r

∂qi

)− m · ~v ···

d

dt

(∂~r

∂qi

)]δqi .

Wir nutzen nun die Beziehungen (10.32):

2∑i=1

−m ·d~v

dt···∂~r

∂qiδqi = −

2∑i=1

[d

dt

(m · ~v ···

∂~v

∂qi

)− m · ~v ···

∂~v

∂qi

]δqi .

Dies können wir mit der kinetischen Energie

T =1

2·m · ~v 2 und Ableitung von T nach qi bzw. qi mit der Kettenregel

∂T

∂qi= m · ~v ···

∂~v

∂qiund

∂T

∂qi= m · ~v ···

∂~v

∂qi

umschreiben zu2∑i=1

−m ·d~v

dt···∂~r

∂qiδqi = −

2∑i=1

[d

dt

∂T

∂qi−

∂T

∂qi

]δqi . (10.33)

II Arbeit der einwirkenden KräfteDer Arbeitsanteil der einwirkenden Kraft ist

~K ···[ ∂~r∂q1

δq1 +∂~r

∂q2δq2]

=2∑i=1

~K ···∂~r

∂qiδqi .

Wir setzen für die Skalarprodukte

Qi = ~K ···∂~r

∂qi, i = 1, 2

und haben für den Arbeitsanteil der einwirkenden Kraft

~K ···[ ∂~r∂q1

δq1 +∂~r

∂q2δq2]

=2∑i=1

Qi δqi . (10.34)

Damit wird aus den d’Alembert’schen Gleichungen (10.30)

2∑i=1

[−m · ~r(t) + ~K

]···∂~r

∂qiδqi]

=

−2∑i=1

[d

dt

∂T

∂qi−

∂T

∂qi− Qi

]δqi = 0 .

Page 255: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.4 Prinzipe der Mechanik 255

Die virtuellen Verschiebungen δqi sind frei wählbar, also folgt, wie schon nach der Gleichung 10.28 begründetwurde,

d

dt

∂T

∂qi−

∂T

∂qi− Qi = 0 , i = 1, 2 . (10.35)

Qi sind die einwirkenden Kräfte in Richtung der beiden Tangenten ~ai = ∂~r/∂qi . Diese einwirkenden Kräftesind unterschiedlicher Natur. Es kann z.B. die Schwerkraft im Erdfeld sein oder auch eine Reibungskraft.Im Schwerefeld ist die verrichtete Arbeit auf allen Wegen von Punkt A nach B dieselbe. Dies gilt nicht fürdie Reibungskraft. Wenn man eine Masse auf einem Tisch von A nach B auf einem ’kurzen’ oder ’langen’Weg zieht, wird unterschiedlich viel Arbeit aufgewendet. Im Fall der Schwerkraft spricht man von einerkonservativen Kraft, im Fall der Reibungskraft von einer nicht-konservativen Kraft.

Wir setzen voraus, dass die einwirkenden Kraftanteile Qi konservative Kräfte sind. Dann gibt es eine Po-tenzialfunktion U(q1 , q2 , t) mit der Eigenschaft

Qi = −∂U(q1 , q2 , t)

∂qi, i = 1, 2 .

Da die Potenzialfunktion U(q1 , q2 , t) nicht von den Geschwindigkeiten abhängt, gilt∂U(q1 , q2 , t)

∂qi= 0, dann auch

d

dt

∂U(q1 , q2 , t)

∂qi= 0, also können wir schreiben

Qi =d

dt

∂U

∂qi−∂U

∂qi.

Dies setzen wir in (10.35) ein:

d

dt

∂T

∂qi−

∂T

∂qi−

d

dt

∂U

∂qi+

∂U

∂qi

=d

dt

∂(T − U)

∂qi−

∂(T − U)

∂qi= 0 , i = 1, 2 .

(10.36)

Wir definieren die Lagrangefunktion

L(q1 , q2 , q1 , q2 , t)Def= T (q1 , q2 , q1 , q2 , t) − U(q1 , q2 , q1 , q2 , t) .

und erhalten die endgültige Form der

Lagrange’schen Gleichungen zweiter Art

d

dt

∂L

∂qi− ∂L

∂qi= 0 , i = 1, 2 (10.37)

Das sind die Euler’schen Differenzialgleichungen für die Bewegung des Massenpunktes in den generalisiertenKoordinaten q1, q2.

10.4.3 Prinzip von Hamilton

Im Abschnitt 7.2 wird auf Seite 145 die Minimierungsaufgabe

I(u, v) =

∫G

F (x , y , u , v , ux , uy , vx , vy) dydx −→ Minimum

Page 256: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

256 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

ersetzt durch die Aufgabe, die DGL’en

∂F

∂u−

d

dx

( ∂F∂ux

)−

d

dy

( ∂F∂uy

)= 0

∂F

∂v−

d

dx

( ∂F∂vx

)−

d

dy

( ∂F∂vy

)= 0

zu lösen. Wir ersetzen das Doppelintegral über G durch ein eindimensionales über [t1, t2] , da anstelleder unabhängigen Variablen x, y nun die Zeit t tritt. Weiter setzen wir F = L (Lagrange’sche Funktion),u = q1 , v = q2 , x = t und nehmen einen dritten Freiheitsgrad q3 in Hinblick auf den folgenden Abschnitt10.5 hinzu, wo wir die Freiheitsgrade u , v , w zugrunde legen. Damit haben wir sofort das gewünschteErgebnis:

Zu der Minimierungsaufgabe

I(q1 , q2 , q3 , t) =

t2∫t1

L(t , q1 , q2 , q3 , q1 , q2 , q3) dt −→ Minimum

sind äquivalent die DGL’en∂L

∂q1−

d

dt

(∂L

∂q1

)= 0

∂L

∂q2−

d

dt

(∂L

∂q2

)= 0

∂L

∂q3−

d

dt

(∂L

∂q3

)= 0

zu lösen.

Diese Variationsaufgabe ist dasHamilton’sches Prinzip. Wir formulieren es im Hamilton’schen Sinne. ZurBewegung eines Massenpunktes auf einer Führungsfläche wird mit der Lagrangefunktion L das ’Wirkungs’-Integral

S(q1 , q2 , q3)Def=

t2∫t1

L(t , q1 , q2 , q3 , q1 , q2 , q3) dt

=t2∫t1

[T (t , q1 , q2 , q3 , q1 , q2 , q3)− U(t , q1 , q2 , q3 , q1 , q2 , q3)

]dt

definiert. Hier ist die Wirkung ’Energie (L) x Zeit (t)’ gemeint. Für alle mathematisch zugelassenen Bewe-gungsfunktionen q1(t) , q2(t) , q3(t) wird nach denjenigen gefragt, die S(q1, q2, q3) minimieren. Hamiltonhat das folgende Prinzip postuliert:

10.4.3 (Prinzip von Hamilton)Die Bewegung eines Massenpunktes auf einer Führungsfläche verläuft so, dass das Wirkungsintegral

S(q1 , q2 , q3)Def=

t2∫t1

[T (t , q1 , q2 , q3 , q1 , q2 , q3)− U(t , q1 , q2 , q3 , q1 , q2 , q3)

]dt

minimiert wird.

Page 257: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.4 Prinzipe der Mechanik 257

Das ist aber äquivalent zur Lösung der Euler-Lagrange-DGL’en

d

dt

(∂L

∂qi

)−

∂L

∂qi= 0 , i = 1, 3 .

Nicht-konservative Kräfte

Gehen wir auf die Lagrange’schen Gleichungen in der Form (10.35)

d

dt

∂T

∂qi−

∂T

∂qi− Qi = 0 , i = 1, 2

zurück und nehmen an, dass sowohl konservative Kräfte Qi als auch nicht-konservative Kräfte Q ∗i vorliegen.Dann lauten die Lagrange’sche Gleichungen

d

dt

∂T

∂qi−

∂T

∂qi− Qi − Q ∗i = 0 , i = 1, 2 .

Mit (10.36) und (10.4.2) haben wir

d

dt

∂(T − U)

∂qi−

∂(T − U)

∂qi− Q ∗i

=d

dt

∂L

∂qi−

∂L

∂qi− Q ∗i = 0 .

(10.38)

Nicht-konservative Kräfte werden also den Euler-Lagrange-DGL’en einfach additiv hinzugefügt.

Massenpunktsystem

Liegt ein Massenpunktsystem aus n Massenpunkten mit den Massen mj und den einwirkenden Kräften~Kj vor, gehen die d’Alembert’schen Gleichungen in der Form (10.30) auf S. 253,

−m · ~r(t) ···[ ∂~r∂q1

δq1 +∂~r

∂q2δq2]

+ ~K ···[ ∂~r∂q1

δq1 +∂~r

∂q2δq2]

= 0

über in

−mj · ~r j(t) ···[∂~rj∂q1

δq1 +∂~rj

∂q2δq2]

+ ~Kj ···[∂~rj∂q1

δq1 +∂~rj

∂q2δq2]

= 0 , j = 1, · · · , n

bzw.n∑j=1

(−mj · ~rj(t) ···

[∂~rj

∂q1δq1 +

∂~rj

∂q2δq2

]+ ~Kj ···

[∂~rj

∂q1δq1 +

∂~rj

∂q2δq2

])= 0 .

Hat die Führungsebene nicht 2, sondern allgemein f Freiheitsgrade q1, · · · , qf , ergibt sich

n∑j=1

f∑i=1

(−mj · ~rj(t) + ~Kj

)···∂~rj

∂qiδqi = 0 .

Es ergeben sich nun entsprechend wie in Abschnitt 10.4.2 mit jetzt

T =1

2·n∑j=1

mj · ~v 2j

Page 258: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

258 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

und (Summenzeichen oben vertauscht)

f∑i=1

( n∑j=1

~Kj ···∂~rj

∂qi

)δqi =

f∑i=1

Qi δqi

die Lagrange’schen Gleichungen

d

dt

∂T

∂qi−

∂T

∂qi− Qi = 0 , i = 1, · · · , f . (10.39)

Kontinuum

Ist das System ein Kontinuum, zerlegt man den Körper gedanklich in kleine Volumenelemente, die man alsMassenpunkte auffasst. Durch einen Grenzübergang (Anzahl der Volumenelemente −→∞) ergibt sich überein Volumenintegral auch

L = T − U ,

wobei T die gesamte kinetische Energie des Körpers zum Zeitpunkt t bedeutet und U das Potenzial dereinwirkenden Kräfte, die nun auch stetig verteilt vorhanden sein können.

Statische und dynamische Prozesse lassen sich im Hamilton’schen Prinzip verschmelzen, indem man dasPotenzial der einwirkenden Kräfte erweitert um das Potenzial der inneren Kräfte (Spannungen), also (sieheDefinition 7.4) auf S. 152

L = T −Π = T − U −W .

Das ist Thema des folgenden Abschnitts.

10.5 Ungedämpfte Systeme

Wir gehen aus von der totalen potenziellen Energie für linear elastische statische Kontinua in derDefinition 7.4,

ΠDef= U + W =

1

2

∫V

~σ T ··· ~ε dV −∫V

~F TV ··· ~d dV −

∫Rb

~P TO ··· ~d dO .

~FV sind die Volumenkräfte, z.B. das Eigengewicht, ~PO stetig verteilte Oberflächenlasten.

Im Folgenden interessiert nicht mehr das statische Verhalten des Körpers, sondern sein dynamisches Verhal-ten. Für die Verschiebungsfunktion, die nun von der Zeit t abhängt,

~d T (x(t) , y(t) , z(t)) =(u(x, y, z) , v(x, y, z) , w(x, y, z)

)werden f=3 Freiheitsgrade mit den Verschiebungen u, v, w angenommen. Wir erweitern die totale poten-zielle Energie, indem wir die kinetische Energie T hinzunehmen, zur Lagrange’schen Funktion

L = T − U −W = T −Π . (10.40)

Die kinetische Energie T eines Massenpunktes mit der Masse m und der Geschwindigkeit v ist

T =1

2·m · v2 .

Page 259: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.5 Ungedämpfte Systeme 259

Setzen wir einen dreidimensionalen Körper voraus, der in Bewegung ist, hat jeder Punkt des Körpers eineGeschwindigkeit, d.h. es existiert über das Volumen V ein Geschwindigkeitsfeld ~v(x(t) , y(t) , z(t)). Istρ(x , y , z) die Dichteverteilung über dem Volumen, hat ein Volumenelement ∆V die kinetische Energie

∆T =1

2·∆m · ~v 2(x, y, z)

=1

2· ρ(x, y, z) ·∆V · ~v 2(x, y, z)

=1

2· ρ(x, y, z) · ~v 2(x, y, z) ·∆V .

Wir integrieren über das gesamte Volumen, schreiben ~v 2 ausgeschrieben als Skalarprodukt ~v T ··· ~v underhalten so die kinetische Gesamtenergie des Körpers:

T =1

2·∫V

ρ(x, y, z) · ~v T (x, y, z) ··· ~v(x, y, z) dV . (10.41)

Dabei ist zu beachten, dass ρ(x , y , z) natürlich zeitunabhängig, aber ~v(x(t) , y(t) , z(t)) eine zeitabhängigeGröße ist.

Die Lagrange´sche Funktion lautet nun

L = T − Π = T − U − W

=1

2·∫V

ρ(x, y, z) · ~v T (x, y, z) ··· ~v(x, y, z) dV

−1

2

∫V

~σ T (x, y, z) ··· ~ε (x, y, z) dV +

∫V

~F TV ··· ~d dV +

∫Rb

~P TO ··· ~d dO .

(10.42)

Mit den Beziehungen (3.19) auf S. 56 und (3.29) auf S. 60,

~ε(x, y, z) = B · ~d(x, y, z) , ~σ(x, y, z) = D ·B · ~d(x, y, z)

und wenn wir weiter beachten, dass

~v(x(t) , y(t) , z(t)) = ~d(x(t) , y(t) , z(t))

gilt, bekommen wir schließlich für L:

L =1

2·∫V

ρ · ~d T ··· ~d dV

−1

2

∫V

~d T ·[B T ·D ·B

]· ~d dV

+

∫V

~F TV ··· ~d dV +

∫Rb

~P TO ··· ~d dO

(10.43)

Page 260: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

260 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

L läßt sich also ausdrücken als Funktion des Verschiebungsfeldes

~d T (x(t) , y(t) , z(t)) =(u(t) , v(t) , w(t)

)und des Geschwindigkeitsfeldes

~d T (x(t) , y(t) , z(t)) =(u(t) , v(t) , w(t)

).

Zur Behandlung dieses dynamischen Problems kann nun man das Hamilton´sche Prinzip 10.4.3 hinzu-ziehen. Wir betrachten die Bewegung des Körpers zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t2 und fragen, welcheVerschiebungen mit welchen Geschwindigkeiten der Körper ausführt. Zur Verfügung stehen rein mathema-tisch unendlich viele stetig differenzierbare Verschiebungsfunktionen ~d(x , y , z). Das Hamilton´sche Prinzipbesagt, dass die Bewegung zwischen den Zeitpunkten t1 und t2 so verläuft, dass das Zeitintegral

t2∫t1

L(t , ~d , ~d) dt =

t2∫t1

L(t , u , v , w , u , v , w) dt

einen stationären Wert (Minimum) annimmt. Man muss also von allen möglichen diejenige Verschiebungs-

funktion ~d(x, y, z) suchen, so dasst2∫t1

L dt −→ stationär. Das ist ein Variationsproblem, zu dem die Eu-

ler´schen (Lagrange´schen) DGL´en

d

dt

δL

δ ~d

δL

δ ~d= ~0 , (10.44)

ausführlich bei f=3 Freiheitsgraden für den Verschiebungsvektor ~d T =[u , v , w

],

d

dt

δL

δ u

δL

δ u= 0

d

dt

δL

δ v

δL

δ v= 0

d

dt

δL

δ w

δL

δ w= 0

gehören. Die Bewegung des Kontinuums wird durch dieses DGL-System beschrieben. Eine geschlosseneLösung ist in der Praxis für die meisten realen Probleme nicht möglich. Die Finite Elemente Methode bietethier wie in der Statik ein lineares Näherungsverfahren an.

10.5.1 Konstruktion des FE-Verfahrens

Wie im Abschnitt 8.3 erläutert, zerlegt man das Bauteil in s Elemente Ee , e = 1, · · · , s, wobei jedes Elementk Knoten hat. Durch die Zerlegung des Bauteils seien insgesamt n Knoten Ki , i = 1, · · · , n entstanden.Wir lassen einwirkende Kräfte ~Fi in den Knoten zu.

Das einzelne ElementWir betrachten ein Element Ee. Die k Knoten nummerieren wir o.B.d.A. von 1 bis k. Dort liegen dieVerschiebungsvektoren ~dj , j = 1, · · · , k vor, die wir zum Elementverschiebungsvektor ~w T

e =[~d1 , · · · , ~dk

]zusammenfassen. Ein Knoten habe f Freiheitsgrade, ein Element also f · k Freiheitsgrade. Z.B. kannein Knoten 3 Verschiebungen u , v , w und 3 Verdehungen φ1 , φ2 , φ3, d.h. 6 Freiheitsgrade haben. Der

Page 261: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.5 Ungedämpfte Systeme 261

Lastvektor auf den Knoten sei ~F Te =

(~F1, · · · , ~Fk

). Wegen (8.44) können wir die unbekannten Koeffizienten

der Verschiebungsfunktion ~d(x, y, z) durch die unbekannten k Verschiebungen ~d1 , · · · , ~dk über die MatrixN der Formfunktionen ersetzen:

~d = N · ~we .Die Verschiebungsfunktionen ~d setzen wir entsprechend Abschnitt 8.3.1 auf S. 177 als Polynome an underhalten so ~d über N in Abhängigkeit von ~we. Die totale potenzielle Energie des Elements ist mit (8.47)

Πe =1

2

∫Ve

~σ T · ~ε dV − ~F Te ··· ~we =

1

2

∫Ve

~w Te ·C T ·D ·C · ~we dV − ~F T

e ··· ~we .

Für die kinetische Energie des Elements ergibt sich wegen~d(x(t), y(t), z(t)) = N · ~we(t) =⇒ ~ve(x(t), y(t), z(t)) = ~d(x(t), y(t), z(t)) = N · ~we(t)

Te =1

2·∫V

ρ(x, y, z) · ~v Te (x, y, z) ··· ~ve(x, y, z) dV =1

2· ρ ·

∫Ve

~w Te ·N T ·N · ~we dV .

(ρ kann vor das Integral gezogen werden, da wir die Dichte im Volumen als konstant annehmen)

Damit haben wir für die Lagrange´sche Funktion des Elements

Le = Te −Πe =1

2· ~w T

e · ρ ·∫Ve

N T ·N dV · ~we −1

2· ~w T

e ·∫Ve

C T ·D ·C dV · ~we + ~F Te ··· ~we .

MitMe = ρ ·

∫Ve

N T ·N dV und Ke =

∫Ve

C T ·D ·C dV

bekommen wir kürzer

Le =1

2· ~w T

e ·Me · ~we −1

2· ~w T

e ·Ke · ~we + ~F Te ··· ~we .

Die Matrizen Me (Elementmassenmatrix) und Ke (Elementsteifigkeitsmatrix) sind konstante Grö-ßen.

Das gesamte BauteilDie Summation über alle s Elemente mit insgesamt n Knoten bringt mit ~w T =

[~d1 , · · · , ~dn

]mit

f · n Freiheitsgraden die Lagrange´sche Funktion Lg , wobei wir wie bei der FEM in der Statik daraufachten müssen, dass die Elementmatrizen entsprechend ihrer jeweiligen Knoten in die Gesamtmatrizen Mg

und Kg (s.u.) an den richtigen Stellen eingebettet werden. Die Störfunktion ~Fg besteht aus den Vektorender Lasten ~Fi , i = 1, · · · , n in den einzelnen Knoten, also ~F T

g =(~F1 , · · · , ~Fn

). Ist in einem Knoten i

kein Lastvektor vorhanden, setzt man ~Fi = ~0. Damit wird Lg

Lg =s∑e=1

1

2· ~w T ·Me · ~w −

1

2· ~w T ·Ke · ~w

+ ~F T

g ··· ~w

bzw. mit

Mg =

s∑e=1

Me , Kg =

s∑e=1

Ke

Page 262: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

262 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Lg =1

2· ~w T ·Mg · ~w −

1

2· ~w T ·Kg · ~w + ~F T

g ··· ~w .

Die Anwendung auf die Euler´schen DGL´en ddt

δL

δ ~w

− δLδ ~w

= ~o bringt mit

d

dt

δLg

δ ~w

=

d

dt

Mg · ~w

= Mg · ~w ,

−δLg

δ ~w= Kg · ~w − ~Fg

das lineare DGL-System

Mg · ~w + Kg · ~w = ~Fg

mit der Gesamtmassenmatrix Mg und der Gesamtsteifigkeitsmatrix Kg . Die Behandlung dieser li-nearen DGL-Systeme 2. Ordnung ist nun einfacher als die direkte Lösung der Euler´schen DGL´en. DieLinearität haben wir dadurch erreicht, dass wir durch die Zerlegung des Bauteils in n Elemente ein Er-satzsystem geschaffen haben, das uns natürlich nur Näherungslösungen bringt. Im Folgenden wird diesesVerfahren für Stabwerke und Balkensysteme vorgetragen.

10.6 FE-Methode für Stabwerke

10.6.1 Der einzelne Stab

Gehen wir von einem belasteten Bauteil aus, das aus s Stäben besteht. Die Zerlegung wird auf natürlicheWeise durch die Stäbe mit ihren Knoten erzeugt. Dabei kann man sich beispielhaft die Konstruktion in Bild6.2 auf S. 102 vorstellen. Betrachten wir ein lokales Stabelement e in Bild 6.3 und berechnen die Lagrange‘scheFunktion

Le = Te − Πe .

Wir verzichten auf den -Akzent zur Kennzeichnung eines lokalen uv-Systems. Πe ist in Abhängigkeit derKnotenverschiebungen ~w T

e =[u1 , u2

]in den Knoten 1 und 2 (siehe (8.9) auf Seite 158), wobei wir den

dortigen Index Stab durch e ersetzen,

Πe = 12·A · E ·

L∫0

~w Te ·

(C T ·C

)· ~we dx −

[Fx1 , Fx2

]··· ~we

= 12· ~w T

e · Ke · ~we dx −[Fx1 , Fx2

]··· ~we .

(10.45)

mit der Knotenlast ~F Te =

[Fx1 , Fx2

]Wir entwickeln die kinetische Energie Te. Die Knotenverschiebungen

sind nun Funktionen von der Zeit,~w Te = (u1(t) , u2(t)) .

Wir beziehen uns auf den Ansatz der Verschiebungsfunktion über die Formfunktionen in (8.5) auf Seite 157,

u(x(t)) = ~R T (x) ·A−1 ·(u1(t)

u2(t)

)= ~N T ·

(u1(t)

u2(t)

). (10.46)

Die Formfunktionen sind rein geometrische Größen und nicht von der Zeit abhängig. Wir bilden die Ableitungu(x(t)) nach der Zeit t,

u(x(t)) =[N1(x) , N2(x)

]·(u1(t)

u2(t)

)=[N1(x) , N2(x)

]· ~we .

Page 263: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.6 FE-Methode für Stabwerke 263

Dies setzen wir in Te ein, wobei wir ρ als konstant annehmen:

Te =1

2·∫Ve

ρ · u(x(t))2 dV

=1

2· ρ ·

∫Ve

~w Te ·

[N1(t)

N2(t)

]·[N1(x) , N2(x)

]˙·~we dV

=1

2· ρ · ~w T

e ·∫Ve

[N1(t)

N2(t)

]·[N1(x) , N2(x)

]dV · ~we

=1

2· ρ · ~w T

e · Me · ~we

(10.47)

mit

Me = ρ ·∫Ve

[N1(x)

N2(x)

]·[N1(x) , N2(x)

]dV . (10.48)

Me berechnen wir weiter unten. Die Lagrange‘sche Funktion lautet jetzt vollständig

Le = Te − Πe

=1

2· ~w T

e · Me · ~we −1

2· ~w T

e · Ke · ~we dx +[Fx1 , Fx2

]··· ~we .

(10.49)

Die Euler´schen DGL´en zum Hamilton´schen Prinzip sind für Le

d

dt

[δLe

δ ~we

]−

δLe

δ ~we= ~0 .

Angewendet auf (10.49) ergibt sich

d

dt

[δLe

δ ~we

]=

d

dt

[Me · ~we

]= Me · ~we und

−δLe

δ ~we= Ke · ~we −

[Fx1

Fx2

],

also insgesamt das DGL-System 2. Ordnung für ein Stabelement im lokalen Koordinatensystem:

Me · ~we + Ke · ~we = ~Fe (10.50)

mit ~F Te =

[Fx1 , Fx2

].

Me heißt die lokale Massenmatrix, Ke ist die lokale Elementsteifigkeitsmatrix. Berechnen wir jetzt

Page 264: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

264 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Me aus (10.48):

Me = ρ ·∫Ve

[N1(x)

N2(x)

]·[N1(x) , N2(x)

]dV

= ρ ·∫Ve

(1−

x

L)2 (1−

x

L) ·

x

L

(1−x

L) ·

x

L(x

L)2

dV

= ρ ·A ·L∫0

(1−

x

L)2 (1−

x

L) ·

x

L

(1−x

L) ·

x

L(x

L)2

dx

= ρ ·A · L ·[

1/3 1/6

1/6 1/3

].

Dies ist die lokale Massenmatrix des ebenen Stabelements:

Me =1

6·A · L ·

[2 1

1 2

](10.51)

Bleiben wir im lokalen xy-Koordinatensystem und nehmen formal die zweite Koordinate y mit hinein, alsodie Verschiebungen v1 , v2 an den beiden Knoten. Wir entwickeln die Formfunktionen wie schon bei derEntwicklung der Formfunktionen für die Elementsteifigkeitsmatrix, d.h. wir machen für u(x(t)) und v(x(t))den Ansatz [

u(x)

v(x)

]=

[1 x 0 0

0 0 1 x

α1

α2

α3

α4

.

Die Verschiebungen in den Knoten ergeben sich hieraus zu

u1 = u(0) = α1 , u2 = u(L) = α1 + α2 · Lv1 = v(0) = α3 , v2 = v(L) = α3 + α4 · L

,

also u1

v1

u2

v2

=

1 0 0 0

0 0 1 0

1 L 0 0

0 0 1 L

·α1

α2

α3

α4

.

Die inverse Beziehung läßt sich leicht berechnen:α1

α2

α3

α4

= 1/L ·

L 0 0 0

−1 0 1 0

0 L 0 0

0 −1 0 1

·u1

v1

u2

v2

,

Page 265: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.6 FE-Methode für Stabwerke 265

diese setzen wir in den obigen Ansatz für u(x) und v(x) ein:

[u(x)

v(x)

]= 1/L ·

[1 x 0 0

0 0 1 x

L 0 0 0

−1 0 1 0

0 L 0 0

0 −1 0 1

·u1(t)

v1(t)

u2(t)

v2(t)

=

1−x

L0

x

L0

0 1−x

L0

x

L

·u1(t)

v1(t)

u2(t)

v2(t)

=

[N1(x) 0 N2(x) 0

0 N1(x) 0 N2(x)

u1(t)

v1(t)

u2(t)

v2(t)

=

[N1(x) 0 N2(x) 0

0 N1(x) 0 N2(x)

]·[~w1(t)

~w2(t)

].

Wir differenzieren nach t:[u(x(t))

v(x(t))

]=

[N1(x) 0 N2(x) 0

0 N1(x) 0 N2(x)

]·[~w1(t)

~w2(t)

]= C ·

[~w1(t)

~w2(t)

].

Dies setzen wir für die kinetische Energie Te ein (zu unterscheiden von der fett notierten Transformations-matrix Te):

Te =1

2· ρ ·

∫Ve

[~w1(t) , ~w2(t)

]·C T ·C ·

[~w1(t)

~w2(t)

]dV

=1

2· ρ ·

[~w1(t) , ~w2(t)

]·∫Ve

C T ·C dV ·[~w1(t)

~w2(t)

]

=1

2· ρ[~w1(t) , ~w2(t)

]·Me ·

[~w1(t)

~w2(t)

].

Wir berechnen

Me = ρ ·∫Ve

C T ·C dV = ρ ·A ·L∫0

N2

1 0 N1N2 0

0 N21 0 N1N2

N1N2 0 N22 0

0 N1N2 0 N22

dx

=ρ ·A · L

2 0 1 0

0 2 0 1

1 0 2 0

0 1 0 2

.

Page 266: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

266 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Um die globale Massenmatrix Me zu bekommen, müssen wir Me mit der Transformationsmatrix Te aus(6.7) multiplizieren:

Me = T Te ·Me ·Te .

Die Ausrechnung bringt die bisherige Matrix. Die globale Massenmatrix des ebenen Stabes ist alsogleich der lokalen Massenmatrix:

Me =ρ ·A · L

2 0 1 0

0 2 0 1

1 0 2 0

0 1 0 2

(10.52)

10.6.2 Das gesamte Fachwerk

Betrachten wir jetzt das gesamte Fachwerk als die Summe aller s Elemente mit n Knoten, wobei jeder Knotenf = 2 Freiheitsgrade habe und berechnen die Lagrange´sche Funktion durch Aufsummieren der Anteile allerStabelemente. Dabei ist

~w T =[~d1 , ~d2 , · · · , ~dn

].

Wie bei den Elementsteifigkeitsmatrizen Ke (siehe S. 160ff und S. 123) werden auch die Elementmassenma-trizen Me in das Gesamtsystem eingebettet, sodass die Gesamtmatrizen Mg und Kg entstehen, wobei dasEinbetten durch Aufsummieren der jeweils beiden Elementmatrizen in die zunächst leeren (2n,2n)-MatrizenMg und Kg geschieht. Die Störfunktion ~Fg besteht aus den Vektoren der Belastungen ~Fi , i = 1, · · · , n inden einzelnen Knoten, also ~F T

g =(~F1, · · · , ~Fn

). Ist in einem Knoten i kein Kraftvektor vorhanden, setzt

man ~Fi = ~0:

Lg =1

2·s∑e=1

[~w T ·Me · ~w − ~w T ·Ke · ~w

]− ~F T

g ··· ~w

=1

2· ~w T ·

[ s∑e=1

Me

]· ~w −

1

2· ~w T ·

[ s∑e=1

Ke

]· ~w − ~F T

g ··· ~w

=1

2· ~w T ·Mg · ~w −

1

2· ~w T ·Kg · ~w − ~F T

g ··· ~w

mit Mg =s∑e=1

Me und Kg =s∑e=1

Ke .

Wir wenden hierauf das Hamilton´sche Prinzip an und erhalten das Euler´sche DGL-System:

Mg · ~w + Kg · ~w = ~Fg (10.53)

Dies ist ein lineares DGL-System 2. Ordnung. Es ist ungedämpft mit einer Störfunktion ~Fg . Der Verschie-bungsvektor ~w und die Störfunktion ~Fg sind Funktionen von der Zeit: ~F (t) und ~w(t).

Die Lösungen ~w(t) für ein System ohne Störung,

Mg · ~w + Kg · ~w = ~0 (10.54)

Page 267: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.6 FE-Methode für Stabwerke 267

sind die Eigenschwingungen des Stabwerks. Der Lösungsweg und die Lösungen gestalten sich über dasEigenwertproblem und sind im Abschnitt 10.3 beschrieben.

Beispiel 10.2

Bild 10.15Folgende Werte sind vorgegeben:E = 2 · 1011 N/m2 ρ = 9000 kg/m3 Querschnittsfläche der Stäbe allgemein AStablänge L1 = 10m Stablänge L2 =

√2 · 10 m keine Lastvorgaben (Störfunktion)

Knotenkoordinaten [m] ElementknotenzuordnungenKnoten x y Element Knoten 1 Knoten 2

1 0 0 1 1 22 0 -10 2 2 33 10 0

ElementsteifigkeitsmatrizenDie Winkel der Stäbe ergeben sich gegen die positive x-Achse in mathematisch positivem Sinn, mit (6.11)auf S. 104 ergeben sich

Ke1 = 2 · 1010 ·A ·

0 0 0 0

0 1 0 −1

0 0 0 0

0 −1 0 1

α = 270

cosα = 0

sinα = −1 ,

Ke2 =√

2 · 1010 ·A ·

1/2 1/2 −1/2 −1/2

1/2 1/2 −1/2 −1/2

−1/2 −1/2 1/2 1/2

−1/2 −1/2 1/2 1/2

α = 45

cosα =√

2/2

sinα =√

2/2 .

Die Elementmassenmatrizen bilden wir nach (10.52):

Me1 = 15000 ·A ·

2 0 1 0

0 2 0 1

1 0 2 0

0 1 0 2

, Me2 = 15000 ·√

2 ·A ·

2 0 1 0

0 2 0 1

1 0 2 0

0 1 0 2

.

Page 268: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

268 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Wir bilden das DGL-System nach (10.54). Beteiligt sind 3 Knoten, also die Verschiebungen

u1(t) , v1(t) , u2(t) , v2(t) , u3(t) , v3(t) .

Wir addieren die beiden Elementsteifigkeitsmatrizen Ke1 und Ke2 entsprechend ihrer beteiligten Knoten-nummern auf die (6,6)-GS-Matrix Kg :

u1 v1 u2 v2 u3 v3

Kg = A ·√

2 · 1010·

0 0 0 0 0 0

0√

2 0 −√

2 0 0

0 0 1/2 1/2 −1/2 −1/2

0 −√

2 1/2√

2 + 1/2 −1/2 −1/2

0 0 −1/2 −1/2 1/2 1/2

0 0 −1/2 −1/2 1/2 1/2

.

Auf dieselbe Weise bekommen wir die Gesamtmassenmatrix Mg :u1 v1 u2 v2 u3 v3

Mg = 15000 ·A·

2 0 1 0 0 0

0 2 0 1 0 0

1 0 2 +√

2 0√

2 0

0 1 0 2 +√

2 0√

2

0 0√

2 0 2√

2 0

0 0 0√

2 0 2√

2

.

Das DGL-System hat nun das Aussehen

Mg ·

u1(t)

v1(t)

u2(t)

v2(t)

u3(t)

v3(t)

+ Kg ·

u1(t)

v1(t)

u2(t)

v2(t)

u3(t)

v3(t)

=

0

0

0

0

0

0

.

Die Knoten 1 und 3 sind in ihren beiden Freiheitsgraden fest gelagert. Wir streichen daher die 1. , 2. , 5. ,6. Zeile und Spalte. Es verbleibt das Restsystem (A herausgekürzt)

15000

(2 +√

2 0

0 2 +√

2

)·(u2

v2

)+√

2 · 1010

(1/2 1/2

1/2 1/2 +√

2

)·(u2

v2

)=

(0

0

).

Mit dem Schwingungsansatz

~w(t) =

(u2(t)

v2(t)

)= ~c ·

[α · cosωt+ β · sinωt

]und damit

~w(t) =

(u2(t)

v2(t)

)= ~c ·

[− α · ω2 · cosωt− β · ω2 · sinωt

]

Page 269: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.6 FE-Methode für Stabwerke 269

gehen wir mit λ = ω2 in das System:

−λ · 15000

(2 +√

2 0

0 2 +√

2

)· ~c +

√2 · 1010

(1/2 1/2

1/2 1/2 +√

2

)· ~c =

(0

0

).

Wir multiplizieren die Gleichung von links mit der inversen Matrix der links stehenden Matrix und kürzenvorher durch 15000:

− λ ·(

1 0

0 1

)+

√2 · 1010

1500·(

2 +√

2 0

0 2 +√

2

)−1

·(

1/2 1/2

1/2 1/2 +√

2

)· ~c =

(0

0

),

ausgerechnet √

2

4 +√

106

1, 5− λ

√2

4 +√

106

1, 5

√2

4 +√

106

1, 5

4 +√

2

4 + 2√

106

1, 5− λ

· ~c =

(0

0

). (10.55)

Das ist ein Eigenwertproblem. Wir berechnen die Determinante

det

2

4 +√

106

1, 5− λ

√2

4 +√

106

1, 5

√2

4 +√

106

1, 5

4 +√

2

4 + 2√

106

1, 5− λ

=[0, 1741 · 106 − λ

]·[0, 7934 · 106 − λ

]− 0, 0303 · 1012 !

= 0

bzw.λ2 − 0, 9675 · 106 · λ+ 0, 1078 · 1012 = 0

mit den Lösungenλ1 = 0, 8390 · 106 , λ2 = 0, 1285 · 106 ,

also wegen λ = ω2

ω1 = 916, 0 , ω2 = 358, 5 .

Wir setzen λ1,2 nacheinander in das Gleichungssystem (10.55) ein und erhalten zu den Kreisfrequenzen dieAmplitudenvektoren

~c1 =[0, 26 , 1

] T, ~c1 =

[− 3, 82 , 1

] T.

Die Eigenschwingungen sind[u2(t)

v2(t)

]=

[0, 26

1

]·[α · cos 916, 0 t+ β · sin 916, 0 t

]

+

[−3, 82

1

]·[γ · cos 358, 5 t+ δ · sin 358, 5 t

], α, β, γ, δ ∈ R .

Mit 4 Anfangsbedingungen, z.B. u2(0) = u0 , v2(0) = v0 , u2(0) = u0 , v2(0) = v0 werden α , β , γ , δfestgelegt, und wir bekommen eine spezielle Lösung.

Page 270: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

270 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

10.7 FE-Methode für Balken (reine Biegung)

Abschließend entwickeln wir die Elementmassenmatrix für den ebenen Balken und legen die Verhältnisse imBild 5.10 auf S. 99 zugrunde. Wir lassen also an den Knoten Kräfte in z-Richtung und Momente um diey-Achse zu. In (5.32) finden wir die lokale Elementsteifigkeitsmatrix für diesen Balkentyp:

F1

M1

F2

M2

= E · Iy ·

12/L3 −6/L2 −12/L3 −6/L2

−6/L2 4/L 6/L2 2/L

−12/L3 6/L2 12/L3 6/L2

−6/L2 2/L 6/L2 4/L

·w1

Φ1

w2

Φ2

. (10.56)

Für die Entwicklung der Elementmassenmatrix entwickeln wir zunächst die kinetische Energie

Te =1

2· ρ ·

∫Ve

w · w dV .

Der Balken führt Schwingungen in z-Richtung in Abhängigkeit von der Zeit t aus. Wir wissen unter Zugrun-delegung der linearen Elastizitätstheorie, dass die Biegelinie w(x) über der x-Achse ein Polynom 3. Gradesist, also wählen wir den Verschiebungsansatz

w(x) = α0 + α1 · x+ α2 · x2 + α3 · x3

=[1 , x , x2 , x3

]· ~α , α0 , α1 , α2 , α3 ∈ R

und damit w′(x) = Φ(x) = α1 + 2 · α2 · x+ 3 · α3 · x2 .

Die Verschiebungen und Verdrehungen in den Knoten 1 und 2, w1 = w(0) , w2 = w(L) und φ1 =w′(0) , φ2 = w′(L), können wir durch die αi ausdrücken, z.B.

w1 = w(0) = α0 + α1 · 0 + α2 · 0 + α3 · 0φ2 = w′(L) = α1 + 2 · α2 · L+ 3α3 · L2 .

Der lokale Verschiebungsvektor ~we läßt sich also über die αi ausdrücken:

~we =

w1

φ1

w2

φ2

=

1 0 0 0

0 1 0 0

1 L L2 L3

0 1 2L 3L2

·α0

α1

α2

α3

.

Wir lösen die Beziehung nach ~α auf und setzen dies in w(x) ein:

w(x) =[

1 x x2 x3]·

1 0 0 0

0 1 0 0

−3/L2 −2/L −3/L2 −1/L

2/L2 1/L2 −2/L2 1/L2

·w1

φ1

w2

φ2

=[N1(x) N2(x) N3(x) N4(x)

w1

φ1

w2

φ2

= G ·[~d1(t)~d2(t)

]= G · ~de(t)

(10.57)

Page 271: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.7 FE-Methode für Balken (reine Biegung) 271

mit den Formfunktionen

N1(x) = 1 −3x2

L2+

2x3

L3, N2(x) = x −

2x2

L+

x3

L2

N3(x) =3x2

L2−

2x3

L3, N4(x) = −

x2

L+

x3

L2.

Für die kinetische Energie Te benötigen wir die Ableitung w(t) nach der Zeit. Da ~d1(t) und ~d2(t) Funktionenvon t sind und G zeitunabhängig ist, weil die Formfunktionen rein geometrische Größen sind, die nur von xabhängen, wird

w(t) = G · ~de(t)

und damit

Te =1

2· ρ ·

∫Ve

w · w dV =1

2· ρ ·

∫Ve

~d Te ·G T ·G · ~de dV

=1

2· ρ · ~d T

e ·∫Ve

G T ·G dV

· ~de =

1

2· ~d Te · Me · ~de mit Me = ρ ·

∫Ve

G T ·G dV .

Da die Querschnittsfläche A des Balkens konstant ist und die Formfunktionen nur von x abhängen, ist derAnteil des Volumenintegrals über y und z genau A, also

Me = ρ ·A ·L∫

0

N1(x)

N2(x)

N3(x)

N4(x)

· [N1(x) N2(x) N3(x) N4(x)]dx .

Der Integrand ist eine (4,4)-Matrix, z.B. ist das Element e22 = N22 (x). Wir berechnen beispielhaft das

Integral für dieses Element, also m22 der gefragten Massenmatrix:

m22 = ρ ·A ·L∫

0

N22 (x) dx = ρ ·A ·

L∫0

[x−

2x2

L+x3

L2

]2

dx = ρ ·A ·L3

105.

Nach Ausrechnung aller 16 Integrale ergibt sich die lokale Massenmatrix für den ebenen Balken zu

Me =ρ ·A · L

420·

156 −22L 54 13L

−22L 4L2 −13L −3L2

54 −13L 156 22L

13L −3L2 22L 4L2

. (10.58)

Es sei noch einmal bemerkt, dass dies die Massenmatrix für Balken mit Kräften in z-Richtung und Momenteum die y-Achse ist (siehe Bild 5.10) auf S. 99).

Abschließend transformieren wir die lokale Matrix Me in das globale Koordinatensystem. Zu diesem Zweckerweitern wir die Matrix formal um die x-Koordinate, d.h. um die Verschiebung u, die im lokalen System 0ist:

Page 272: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

272 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

u1 w1 φ1 u2 w2 φ2

Me =ρ ·A · L

420·

(0) 0 0 (0) 0 0

0 156 −22L 0 54 13L

0 −22L 4L2 0 −13L −3L2

(0) 0 0 (0) 0 0

0 54 −13L 0 156 22L

0 13L −3L2 0 22L 4L2

. (10.59)

Soll die Verschiebung durch die Längskräfte auch berücksichtigt werden, müssten die Matrixelemente m11 ,m14 , m41 , m44, durch (0) gekennzeichnet, mit den Elementen aus (10.51) besetzt werden, bei Berücksich-tigung des Faktors ρ·A·L

420also mit 140 , 70 , 70 , 140. Die lokalen Koordinaten u und w transformieren sich

mit der Matrix (c s

−s c

)s = sinφ und c = cosφ ,

wobei φ den Winkel des Balkenelements gegen die positive globale x-Achse bedeutet. Da das Drehmoment,d.h. die Drehungen um die y-Achse transformationsinvariant sind, ergibt sich für die komplette Transforma-tionsmatrix

Te =

c s 0 0 0 0

−s c 0 0 0 0

0 0 1 0 0 0

0 0 0 c s 0

0 0 0 −s c 0

0 0 0 0 0 1

und damit wird die globale Massenmatrix des ebenen Balkenelements (reine Biegung)

Me = T Te ·Me ·Te

=ρ ·A · L

420·

156c2 −156cs 22Ls 54s2 −54cs −13Ls

−156c2 −22Lc −54cs 54c2 13Lc

4L2 13Ls −13Lc −3L2

156s2 156cs −22Ls

symmetrisch 156c2 22Lc

4L2

(10.60)

Beispiel 10.3Wir betrachten einen einseitig eingespannten Balken mit den allgemein vorgegebenen Größen L , A , ρ , E, Iy , den wir als freien Schwinger betrachten und die Biegeschwingungen berechnen. Das bedeutet, dass wirkeine Lasten vorgeben, d.h. aus der allgemeinen harmonischen Lösung durch Anfangsbedingungen eine spe-zielle Lösung erhalten, die das Eigenschwingungsverhalten des Balkens wiederspiegelt. Anfangsbedingungenwählen bedeutet physikalisch, dass man das Balkenende z.B. ein wenig in Querrichtung drückt und dann los-läßt. Oder man gibt dem freien Balkenende einen Impuls, d.h. eine Anfangsgeschwindigkeit. Insofern braucht

Page 273: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.7 FE-Methode für Balken (reine Biegung) 273

man mathematisch für das ’Eigenverhalten’ des Balkens keine Lasten am Balkenende.

Bild 10.16

Zur Berechnung der Biegeschwingungen benötigen wir nur die lokale Elementsteifigkeitsmatrix (5.32) auf S.100 und die lokale Elementmassenmatrix (10.58) auf S. 271, da das lokale mit dem globalen Koordinaten-system zusammenfällt. Das gesamte DGL-System (ohne Störfunktion),

Mg · ~w + Kg · ~w = ~0

enthält nur die Elementmatrizen des einen Balkens:

ρ ·A · L420

·

156 −22L 54 −13L

−22L 4L2 −13L −3L2

54 −13L 156 22L

13L −3L2 22L 4L2

·w1

φ1

w2

φ2

+ E · Iy ·

12/L3 −6/L2 −12/L3 −6/L2

−6/L2 4/L 6/L2 2/L

−12/L3 6/L2 12/L3 6/L2

−6/L2 2/L 6/L2 4/L

·w1

φ1

w2

φ2

=

0

0

0

0

.

Da der Knoten 1 eingespannt ist, streichen wir aus dem Gleichungssystem die beiden ersten Zeilen undSpalten, das Restsystem lautet

ρ ·A · L420

·(

156 −22L

22L 4L2

)·(w2

φ2

)+ E · Iy ·

(12/L3 6/L2

6/L2 4/L

)·(w2

φ2

)=

(0

0

).

Wir gehen mit dem Ansatz

~w = ~c ·[α · cosωt+ β · sinωt

]~w = − ~c ·

[α · ω2 · cosωt+ β · ω2 · sinωt

]in das reduzierte Gleichungssystem (α · cosωt+ β · sinωt kürzt sich heraus) und setzen λ = ω2,

E · Iy

(12/L3 6/L2

6/L2 4/L

)− λ ·

ρ ·A · L420

(156 −22L

22L 4L2

)· ~c =

(0

0

)

bzw. 420 · E · Iyρ ·A · L

(156 −22L

22L 4L2

)−1(12/L3 6/L2

6/L2 4/L

)− λ

(1 0

0 1

)· ~c =

(0

0

)bzw.

420 · E · Iyρ ·A · L

(1/35 −11/(70L)

−11/(70L) 39/(35L2)

)(12/L3 6/L2

6/L2 4/L

)− λ

(1 0

0 1

)· ~c =

(0

0

)

Page 274: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

274 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

bzw. 12 · E · Iyρ ·A · L5

(−21L −16L2

168 123L

)− λ

(1 0

0 1

)· ~c =

(0

0

).

Mit S =12 · E · Iyρ ·A · L5

zeigt sich schließlich die Eigenwertaufgabe

(−21 · S · L − λ −16 · S · L2

168 · S 123 · S · L − λ

)· ~c =

(0

0

). (10.61)

Aus

det

(−21 · S · L − λ −16 · S · L2

168 · S 123 · S · L − λ

)= λ2 − 102 · S · L · λ+ 105 · S2 · L2 = 0

bekommen wir die Eigenwerte

λ1 = 1211, 52 ·E · Iy

ρ ·A · L4, λ2 = 12, 48 ·

E · Iyρ ·A · L4

und damit

ω1 =34, 8

L2·

√E · Iyρ ·A

, ω2 =3, 53

L2·

√E · Iyρ ·A

.

Die Eigenwerte λ1,2 in (10.61) eingesetzt bringen die Amplitudenvektoren

~c1 =[− 0, 13 · L , 1

] T, ~c2 =

[− 0, 73 · L , 1

] T.

Wir haben die Eigenschwingungen (Biegeschwingungen) des Balkens als allgemeine Lösung:

~w(t) =

[−0, 13 · L

1

]·[α cosω1t+ β sinω1t

]

+

[−0, 73 · L

1

]·[γ cosω2t+ δ sinω2t

]mit α , β , γ , δ ∈ R. Setzen wir Anfangsbedingungen, wird hieraus mit speziellen α , β , γ , δ einespezielle Lösung.

Page 275: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.8 Entkopplung bei ungedämpften Systemen 275

10.8 Entkopplung bei ungedämpften Systemen

Betrachten wir die ungedämpfte Schwingungsaufgabe

M · ~w + K · ~w = ~0

mit den symmetrischen (n,n)-MatrizenM undK. Weiter setzen wirM als positiv definit voraus. Wir machenden Lösungsansatz

~w(t) = ~c ·[α · cosωt + β · sinωt

]mit

~w(t) =

w1(t)

w2(t)

...wn(t)

, ~c =

c1

c2...cn

mit den Unbekannten c1 , c2 , · · · , cn , α , β ∈ R und der unbekannten Kreisfrequenz ω. Wir setzen obenein:

−M · ω2 · ~c ·[α · cosωt + β · sinωt

]+ K · ~c ·

[α · cosωt + β · sinωt

]= ~0

bzw. [K− λ ·M

]· ~c = ~0 mit λ = ω2 . (10.62)

Gesucht sind alle Vektoren ~c, die das Gleichungssystem erfüllen. Dies ist die allgemeine Eigenwertaufgabein Erweiterung der speziellen

[K− λ · I

]· ~c = ~0.

10.8.1 Die spezielle Eigenwertaufgabe

Wir betrachten zunächst die spezielle Eigenwertaufgabe[A− λ · I

]· ~c = ~0

genauer. Wegen Satz 9.10 auf 224 existieren zu einer symmetrischen Matrix (n,n)-Matrix A n linear unab-hängige Eigenvektoren ~c1 , · · · , ~cn, die senkrecht aufeinander stehen und die wir noch auf die Länge 1normieren können, d.h.

~c Ti ··· ~cj =

1 ,wenn i = j

0 ,wenn i 6= j .(10.63)

Die Vektoren heißen orthogonal und zu 1 normiert orthonormal. Fassen wir die Eigenvektoren als Spal-tenvektoren in einer Matrix X zusammen:

X =[~c1 , ~c2 , · · ·~cn

].

Diese Matrix der Eigenvektoren heißt die Modalmatrix des Systems. Anstelle von (10.63) können wir mitX auch schreiben

X T ·X = I d.h. X−1 = X T .

Mit dieser Kenntnis verändern wir die Eigenwertgleichung, indem wir sie von links mit X T und rechts ~cdurch ~c = X · ~d nach ~d transformieren:[

X T ·A− λ ·X T]·X · ~d = ~0 ,[

X T ·A ·X− λ ·X T ·X]· ~d = ~0 ,[

X T ·A ·X− λ · I]· ~d = ~0 .

Page 276: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

276 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

oder mit ∆ = X T ·A ·X [∆− λ · I

]· ~d = ~0 . (10.64)

Die Eigenvektoren ~ci gehen wegen[A− λi · I

]· ~ci =

[∆− λi · I

]· ~di = ~0

durch die Transformation ~c = X · ~d in die Eigenvektoren ~di über. Wir erinnern daran, dass ∆ die Matrix derEigenwerte ist:

λ1 0 · · · 0

0 λ2 0

.... . .

...0 0 · · · λn

= X T ·A ·X = ∆ .

Die Beziehung (10.64) gehört mit der Transformation ~w = X · ~s nach ~s zum entkoppelten System:

~s + ∆ · ~s = ~0 .

Gegenüberstellung:

Ursprüngliches System Entkoppeltes System

DGL ~w + A · ~w = ~0 ~s+ ∆ · ~s = ~0

Eigenwertaufgabe (A− λ · I) · ~c = ~0 (∆− λ · I) · ~d = ~0

(10.65)

mit den Transformationen ~c = X · ~d und ~w = X · ~s .

Hinsichtlich des entkoppelten Systems können wir die Lösungen der DGL direkt ablesen:

s1 + λ1 · s1 = 0 −→ s1(t) = α1 · cosω1t+ β1 sinω1t

s2 + λ2 · s2 = 0 −→ s2(t) = α2 · cosω2t+ β2 sinω2t

...sn + λn · sn = 0 −→ sn(t) = αn · cosωnt+ βn sinωnt .

(10.66)

Mit der Transformation ~w = X · ~s folgt die Lösung des ursprünglichen Systems zu

~w(t) = X · ~s =(~c1 , ~c2 , · · · , ~cn

)·(s1(t) , s2(t) , · · · , sn(t)

) T= s1(t) · ~c1 + s2(t) · ~c2 + · · ·+ sn(t) · ~cn

mit den Eigenvektoren aus X.

10.8.2 Rückführung der allgemeinen auf die spezielle Eigenwertaufgabe

Lösungsweg 1Wir muliplizieren (10.62) mit M −1: [

M −1 ·K− λ · I]· ~c = ~0 .

Damit haben wir mit A = M −1 ·K auf die spezielle Eigenwertaufgabe zurückgeführt. Allerdings ist M −1 ·K nicht mehr symmetrisch. Wir können nicht mehr auf die wichtigen Eigenschaften von symmetrischen

Page 277: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.8 Entkopplung bei ungedämpften Systemen 277

Matrizen zurückgreifen und verfolgen einen anderen Lösungsweg.Lösungsweg 2Wir wandeln (10.62) auf anderem Wege um. Da M positiv definit ist, können wir sie wie beim Cholesky-Verfahren als Produkt einer Rechtsdreiecksmatrix R mit ihrer Transponierten zerlegen:

M = R T ·R

und erhalten [K− λ ·R T ·R

]· ~c = ~0

bzw. von links mit (R−1)T multipliziert

(R−1)T ·[K− λ ·R T ·R

]· ~c =

[(R−1)T ·K− λ · (R−1)T ·R T ·R

]· ~c = ~0

bzw. (R rechts ausgeklammert) [(R−1)T ·K ·R−1 − λ · I

]·R · ~c = ~0

bzw. [A− λ · I

]· ~d = ~0

mit A = (R −1) T ·K ·R−1 und ~d = R · ~c .(10.67)

A ist aber ebenso wie K symmetrisch und positiv definit, denn es gilt wegen Satz 1.1 auf S. 14

A T =[(R −1) T ·K ·R−1

] T= (R −1) T ·K T · ((R −1) T ) T = (R −1) T ·K ·R −1 = A

und~x T ·A · ~x = ~x T · (R −1) T ·K ·R−1 · ~x = ~y T ·K · ~y > 0 .

für alle ~y, wobei ~y = R−1 · ~x (siehe Def. 1.7 auf S. 16 für positiv definite Matrizen).

Wir benutzen also das System (10.67), um die Eigenwerte λi und die Eigenvektoren ~di zu berechnen, ent-weder über das Determinantenpolynom oder besser mit einem Iterationsverfahren wie z.B. dem Jacobi-Verfahren. Wegen ~d = R · ~c bekommen wir die zum ursprünglichen Problem gehörenden Eigenvektorenüber ~ci = R −1 · ~di.

10.8.3 Entkopplung der allgemeinen Eigenwertaufgabe

Gehen wir an den Anfang dieses Abschnitts und beginnen wieder mit der allgemeinen Eigenwertaufgabe zuM · ~w + K · ~w = ~0 , d.h.

[K−λ ·M

]·~c = ~0 , wobei M und K symmetrisch und positiv definit seien. Wie

in Abschnitt 10.8.2 gezeigt, läßt sich die allgemeine Eigenwertaufgabe in eine einfache äquivalente mit einersymmetrischen positiv definiten Matrix umformen. Also existieren n positive Eigenwerte λi , i = 1, · · · , nund dazu n linear unabhängige Eigenvektoren ~ci. Wir können daher die ~ci orthonormalisieren, so dass mitX =

[~c1 , · · · , ~cn

]gilt X T ·X = I . Man kann aber auch hinsichtlich der Matrix M orthonormalisieren,

d.h. dass giltX T ·M ·X = I . (10.68)

AusK · ~ci − λi ·M · ~ci = ~0 für i = 1, · · · , n folgt

K · ~ci = M · ~ci · λi bzw. zusammengefasst zu X mit den~ci , i = 1, · · · , n

K ·X = M ·X ·∆ bzw. nach Multiplikation von links mit X T

X T ·K ·X =[X T ·M ·X

]·∆ ,

Page 278: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

278 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

wobei ∆ die Diagonalmatrix der Eigenwerte bedeutet. Unter Berücksichtigung von (10.68) haben wir daher

X T ·K ·X = ∆ .

Mit diesen Ergebnissen gehen wir in die ursprüngliche DGL M · ~w + K · ~w = ~0 mit der Transformation~w = X · ~s :

M ·X · ~s+ K ·X · ~s = ~0

und erhalten nach linksseitiger Multiplikation mit X T

X T ·M ·X · ~s+ X T ·K ·X · ~s = ~0

bzw. mit den obigen Beziehungen~s + ∆ · ~s = ~0 .

Das ist wieder das zur DGL zugehörige entkoppelte System. Für ungedämpfte Systeme wie hier vorgeführt,bringt die Entkopplung der DGL gegenüber der direkten Lösung der ursprünglichen DGL rechnerisch keineVorteile. Allerdings werden wir bei den gedämpften DGL-Systemen auf die Entkopplung zurückkommen unddort unter speziellen Voraussetzungen für die Dämpfung die gewünschten Lösungen mit Hilfe der Entkopp-lung einfacher erhalten.Der Umgang mit entkoppelten DGL’en ist nicht zuletzt deshalb bequem, weil alle Eigenwerte positiv sind undihre Berechnung einfacher ist als wenn auch komplexe Eigenwerte beteiligt sein können wie bei gedämpftenSystemen.

Beispiel 10.4Vorgegeben ist ein Schwingungsproblem

M · ~w + K · ~w = ~0

mit den Matrizen

M =

(1 1

1 2

)und K =

(1 1

1 3

).

Die allgemeine Eigenwertaufgabe dazu lautet[K− λ ·M

]· ~c = ~0 mit λ = ω2

bzw. [(1 1

1 3

)− λ ·

(1 1

1 2

)]· ~c =

(0

0

).

Die charakteristische Gleichung in λ ist

det

[(1 1

1 3

)− λ ·

(1 1

1 2

)]= (1− λ) · (2− λ) = 0 .

Die Eigenwerte sind somit λ1 = 1 , λ2 = 2 . Die Eigenvektoren sind zu berechnen aus[(1 1

1 3

)− 1 ·

(1 1

1 2

)]· ~c1 =

(0

0

)und

[(1 1

1 3

)− 2 ·

(1 1

1 2

)]· ~c2 =

(0

0

).

Die Eigenvektoren sind

Page 279: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.8 Entkopplung bei ungedämpften Systemen 279

~c1 =

0

)und ~c2 =

−β

), α, β ∈ R .

und somit

X =

(α β

0 −β

).

Die Orthonormierung von ~c1 und ~c2 gelingt über die Forderung

X T ·M ·X =

(α 0

β −β

)(1 1

1 2

)·(α β

0 −β

)= I ,

d.h. (α2 0

0 β2

)=

(1 0

0 1

), α = β = 1 .

Wir überprüfen

X T ·M ·X =

(1 0

1 −1

)·(

1 1

1 2

)·(

1 1

0 −1

)= I =

(1 0

0 1

)

und

X T ·K ·X =

(1 0

1 −1

)·(

1 1

1 3

)·(

1 1

0 −1

)= ∆ =

(1 0

0 2

).

Damit geht die Schwingungsaufgabe über in das entkoppelte System

~s + ∆ · ~s = ~0

bzw. ausführlich (s1

s2

)+

(1 0

0 2

)·(s1

s2

)=

(0

0

).

Hieraus kann man direkt die entkoppelten DGL’en ablesen:

s1(t) + s1(t) = 0 und s2(t) + 2 · s2(t) = 0 .

Hierzu gehört wegen λ = ω2 und den Eigenvektoren ~c T1 = (1 , 0) und ~c T2 = (1 , −1) die allgemeine Lösung

~s(t) =

[1

0

]·[α cos t+ β sin t

]+

[1

−1

]·[γ cos

√2t+ δ sin

√2t]

mit α , β , γ , δ ∈ R.Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass wir zur Aufstellung der allgemeinen Lösung nicht die Entkopp-lung des Systems benötigen. Für die allgemeine Lösung brauchen wir nur die Eigenwerte und Eigenvektoren.Allerdings hat das Vorgehen der Entkopplung grundsätzlichen Charakter wie wir bei gedämpften Systemensehen werden.

Page 280: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

280 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

10.9 Gedämpfte Systeme

Systeme ohne DämpfungWie wir im vorangehenden Abschnitt gesehen haben, lassen sich die Langrange´schen Gleichungen zwei-ter Art für konservative Kräfte in einer eleganten geschlossenen Form darstellen. Aus den Lagrange´schenGleichungen (Euler´sche DGL´en) haben wir bei ungedämpften freien Systemen das DGL-System

M · ~w + K · ~w = ~0

erhalten. Der allgemeine Lösungsansatz

~x(t) = ~c ·[α · cosωt + β · sinωt

]führte auf das allgemeine Eigenwertproblem

[ω2 ·M + K

]· ~c = ~0 ,

das eine entkoppelte Darstellung der Lösungen zuläßt.

Systeme mit DämpfungBei gedämpften Schwingungssystemen sind Dämpfungskräfte zu berücksichtigen, die keine konservativenKräfte sind, sich also nicht in die Langrange´schen Gleichungen einbauen lassen, sondern direkt dem DGL-System hinzugefügt werden, wie in den Gleichungen (10.38) erläutert wird. Betrachten wir einen einfachenlinearen gedämpften Schwinger (siehe Gl.(10.1),

m · x(t) + c · x(t) + k · x(t) = F (t) ,

dort wurde die Dämpfungskraft proportional zur Geschwindigkeit x(t) angesetzt. Dieser Dämpfungstyp wirdals viskose Dämpfung bezeichnet. Gehen wir von der viskosen Dämpfung aus, ergibt sich für den Fall einesPunktmassensystems, wie es sich in der FEM durch die Zerlegung des Bauteils in Elemente darstellt, eineDämpfungsmatrix C, sodass das DGL-System das Aussehen

M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~F (t) (10.69)

hat. Die Dämpfungsmatrix C ist reell symmetrisch und im Fall echter Dämpfung sogar positiv definit.Machen wir für die Lösung den Exponenzialansatz

~w = ~c · eωt mit ~c T = (c1 , c2 , · · · , cn) ,

bekommen wir wegen~w = ω · ~c · eωt , ~w = ω2 · ~c · eωt

ein lineares Gleichungssystem:

[ω2 ·M + ω ·C + K

]· ~c = ~F (t) . (10.70)

Page 281: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.9 Gedämpfte Systeme 281

10.9.1 Gedämpftes System ohne Störung

Betrachten wir zunächst freie gedämpfte Schwingungssysteme, also ~F (t) = ~0, haben wir das sogenannteverallgemeinerte Eigenwertproblem (als Erweiterung des allgemeinen Eigenwertproblems in Abschnitt10.8) [

ω2 ·M + ω ·C + K]· ~c = ~0 , (10.71)

das also den Summanden ω ·C zusätzlich enthält. Als erstes ist die charakteristische Gleichung

det[ω2 ·M + ω ·C + K

]= 0 (10.72)

zu lösen. Bei ungedämpften Systemen hatten wir den Lösungsansatz

~x(t) = ~c ·[α · cosωt + β · sinωt

]gemacht und bekamen mit der Abkürzung λ = ω2 eine charakteristische Gleichung n-ten Grades in λ. Hiermachen wir den Ansatz ~w = ~c · eωt und haben eine charakteristische Gleichung 2n-ten Grades in ω,

a2n · ω2n + · · ·+ ai · ωi + · · ·+ a0 = 0 , (10.73)

wobei das Aufsuchen der Eigenwerte wesentlich aufwendiger ist als im ungedämpften Fall, da der lineareDämpfungsanteil ω ·C vorhanden ist und wir nicht λ = ω2 substituieren können. Es stehen eine Reihe voniterativen Näherungsverfahren zur Verfügung. Wir werden später einen Sonderfall (Modale Dämpfung)behandeln, wobei die DämpfungsmatrixC so gewählt wird, dass eine Entkopplung des DGL-Systems möglichwird und sich damit die Berechnung der Eigenwerte auf das allgemeine Eigenwertproblem aus dem Abschnitt10.8 vereinfacht.Bezeichnen wir die Eigenwerte ωi des Systems im Folgenden mit λi. Zu den 2n Eigenwerten λi , i = 1, · · · , 2ngehören 2n linear unabhängige Eigenvektoren ~ci. Die Eigenwerte sind nach dem Fundamentalsatz der Algebravon Gauß entweder reelle Zahlen oder konjugiert komplexe Lösungspaare. Wir untersuchen die Lösungengenauer.

Ein konjugiert komplexes LösungspaarWir betrachten ein konjugiert komplexes Eigenwertpaar und indizieren o.B.d.A. mit dem Indexpaar 1,2, alsoλ1 , λ2 = λ1 . Der Lösungsanteil des DGL-Systems hierzu ist

~x1(t) = k1 · ~c1 · eλ1t + k2 · ~c2 · eλ1t , k1, k2 ∈ C

mitλ1 = α+ i · β , λ1 = α− i · β .

Die Eigenvektoren ~c1 , ~c2 zum komplexen Lösungspaar λ1 , λ2 sind auch konjugiert komplex, d.h. sie habendie Form

~c1 = ~a1 + i ·~b1 und ~c2 = ~c1 = ~a1 − i ·~b1mit reellwertigen Vektoren ~a1 , ~b1. Den Lösungsanteil formen wir um:

k1 · ~c1 · eλ1t + k2 · ~c2 · eλ1t = k1 · ~c1 · e(α+i·β)t + k2 · ~c2 · e(α−i·β)t

= eαt ·[k1 · (~a1 + i ·~b1) · ei·βt + k2 · (~a1 − i ·~b1) · e−i·βt

].

Man prüft leicht folgende Identität nach:

k1 · (~a1 + i ·~b1) · ei·βt + k2 · (~a1 − i ·~b1) · e−i·βt

= ~a1 ·[(k1 + k2) ·

ei·βt + e−i·βt

2+ (k1 − k2) ·

ei·βt − e−i·βt

2

]+ i ·~b1 ·

[(k1 − k2) ·

ei·βt + e−i·βt

2+ (k1 + k2) ·

ei·βt − e−i·βt

2

].

Page 282: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

282 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

Mit den Euler´schen Beziehungen

eiβt + e−iβt

2= cosβt und

eiβt − e−iβt

2= i · sinβt

bekommen wir somit für den Lösungsanteil

eαt ·~a1 ·

[(k1 + k2) · cosβt + i · (k1 − k2) · sinβt

]+ i ·~b1 ·

[(k1 − k2) · cosβt + i · (k1 + k2) · sinβt

]= eαt ·

[(k1 + k2) · ~a1 + i · (k1 − k2) ·~b1

]· cosβt

+[i · (k1 − k2) · ~a1 − (k1 + k2) ·~b1

]· sinβt

.

Die Koeffizienten vor den Vektoren bezeichnen wir

k ∗1 = k1 + k2 und k ∗2 = i · [k1 − k2] .

Damit lautet zu dem komplexen Eigenwertlösungspaar

λ1 = α+ i · β , λ2 = λ1 = α− i · β

der zugehörige allgemeine Lösungsanteil

eαt ·[(k ∗1 · ~a1 + k ∗2 ·~b1) · cosβt + (k ∗2 · ~a1 − k ∗1 ·~b1) · sinβt

], (10.74)

wobei ~c1,2 = ~a1 ± i ·~b1 die zugehörigen Eigenvektoren sind. Für die Koeffizienten lassen wir zunächst nochk ∗1 , k ∗2 ∈ C zu.

Nun müssen wir noch die Werte α und β der komplexen Lösungen λ1,2 = α ± i · β hinsichtlich ihrerphysikalischen Eigenschaften untersuchen, um den Charakter der Lösung (10.74) beschreiben zu können.

Physikalischer Charakter des komplexen LösungspaarsWir gehen vom obigen komplexen Eigenwert λ1 aus, zu dem der komplexe Eigenvektor ~c1 gehört. Da λ1

Lösung der Gleichung (10.71) ist, gilt

λ21 ·M · ~c1 + λ1 ·C · ~c1 + K · ~c1 = ~0 .

Wir führen die in der Mathematik übliche Bezeichnung für den zu ~c1 konjugiert komplexen Eigenvektor intransponierter Form mit ~c ∗1 = ~c1

Tein und multiplizieren diesen von links an die obige Gleichung:

λ21 ·[~c ∗1 ·M · ~c1

]+ λ1 ·

[~c ∗1 ·C · ~c1

]+ ~c ∗1 ·K · ~c1 = 0 . (10.75)

Da die Matrizen M , C , K symmetrisch sind, folgt aus der Eigenwerttheorie symmetrischer (hermitescher)Matrizen, dass die skalaren Größen

m1 = ~c ∗1 ·M · ~c1 ,

c1 = ~c ∗1 · C · ~c1 ,

k1 = ~c ∗1 ·K · ~c1

Page 283: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.9 Gedämpfte Systeme 283

reell sind (Nachweis über den Rayleigh-Koeffizienten). Des weiteren sind M , C , K sogar positiv definit.Die Größen m1 , c1 , k1 sind daher positiv. Für (10.75) können wir schreiben:

λ21 · m1 + λ1 · c1 + k1 = 0 bzw.

λ21 + λ1 ·

c1

m1+

k1

m1= 0 .

Mit den Abkürzungenc1

m1= 2 ·D1 · ω1 > 0 und

k1

m1= ω2

1 > 0

haben wirλ2

1 + 2 ·D1 · ω1 · λ1 + ω21 = 0

mit 2 Lösungen für λ zu (siehe auch (10.9) auf S. 235) zu

λ1,2 = − ω1 ·(D1 ±

√D2

1 − 1).

Da wir oben komplexe Lösungen vorausgesetzt haben, haben wir den Fall 0 < D1 < 1 und bekommen

λ1,2 = − ω1 ·(D1 ± i ·

√1−D2

1

)Der Vergleich mit dem obigen Ansatz für λ1,2 zeigt

α = − ω1 ·D1 und β = ω1 ·√

1−D21 .

Damit ist jetzt klar, dass zu einem konjugiert komplexen Lösungspaar der Lösungsanteil in (10.74) einegedämpfte Sinusschwingung ist:

e−ω1·D1t ·[(k ∗1 ~a1 + k ∗2

~b1) · cosω1 ·√

1−D21t + (k ∗2 ~a1 − k ∗1 ~b1) · sinω1 ·

√1−D2

1t]

bzw. mit der gedämpften Ersatzfrequenz ν1 = ω1 ·√

1−D21

e−ω1·D1t ·[(k ∗1 · ~a1 + k ∗2 ·~b1) · cos ν1t + (k ∗2 · ~a1 − k ∗1 ·~b1) · sin ν1t

]k ∗1 , k

∗2 ∈ R .

Mit den Abkürzungen ~a ∗1 = k ∗1 · ~a1 + k ∗2 ·~b1 und ~b ∗1 = k ∗2 · ~a1 − k ∗1 ·~b1 ergibt sich

~x1(t) = e−ω1 ·D1t ·[~a ∗1 · cos ν1t + ~b ∗1 · sin ν1t

], k ∗1 , k

∗2 ∈ R (10.76)

Da unser Problem ein reelles, weil physikalisches ist, können wir k ∗1 , k∗

2 auf reelle Zahlen beschränken.

Eine reelle LösungSetzen wir eine reelle Lösung λ1 der charakteristischen Gleichung voraus und setzen diese auch in (10.75)ein, haben wir es aber mit einem reellen Eigenvektor ~c1 zu tun, deshalb jetzt ~c T1 anstelle ~c∗1:

λ21 ·[~c T1 ·M · ~c1

]+ λ1 ·

[~c T1 ·C · ~c1

]+ ~c T1 ·K · ~c1 = 0 ,

Page 284: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

284 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

welche formal natürlich wieder die gleiche Lösung hat:

λ1,2 = − ω1 ·(D1 ± ·

√D2

1 − 1).

Da λ1 reell sein soll, müssen wir D1 > 1 (Überkritische starke Dämpfung) bzw. D1 = 1 (Kritische starke

Dämpfung) berücksichtigen. Dann ist in jedem Fall D1 ± ·√D2

1 − 1 > 0 und damit λ1,2 negativ, diezugehörige Lösung ist aperiodisch abklingend bzw. der aperiodische Grenzfall.

Das charakteristische Polynom (10.73) hat den Grad 2n, also 2n Lösungen. Nehmen wir an, dass es kkomplexe Lösungspaare gibt. Dann bleiben 2n - 2k reelle Lösungen, für die wir überkritische starke Dämpfungannehmen. Der homogene Lösungsanteil hat dann folgendes Aussehen:

~wh(t) =k∑i=1

e−ωi ·Di t ·[~a ∗i · cos νit + ~b ∗i · sin νit

]+

2n−2k∑j=1

αj · ~cj · eλjt . (10.77)

Für eine spezielle Lösung sind die freien Parameter αj , j = 1, · · · , 2n− 2k und die in den reellen Vektoren~a ∗i = k ∗1,i ·~ai+k ∗2,i ·~bi und ~b ∗i = k ∗2,i ·~ai−k ∗1,i ·~bi versteckten 2k freien Parameter k ∗1,i , k

∗2,i , i = 1, · · · , k

festzulegen. Das sind zusammen 2n Anfangsbedingungen.

10.9.2 Gedämpftes System mit Störung

Wir gehen von einer Störung

~F Ts (t) =

[F1 · cos Ωt+G1 · sin Ωt , · · · , Fn · cos Ωt+Gn · sin Ωt

]= ~F · cos Ωt + ~G · sin Ωt

im System M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~F (t) aus. Für die partikuläre Lösung machen wir den Ansatz

~w Tp (t) =

[A1 · cos Ωt+B1 · sin Ωt , · · · , An · cos Ωt+Bn · sin Ωt

]= ~A · cos Ωt + ~B · sin Ωt

(10.78)

mit~w Tp (t) = Ω ·

[−A1 · sin Ωt+B1 · cos Ωt , · · · , −An · sin Ωt+Bn · cos Ωt

]= Ω ·

[− ~A · sin Ωt + ~B · cos Ωt

]und

~w Tp (t) = −Ω2 ·

[A1 · cos Ωt+B1 · sin Ωt , · · · , +An · cos Ωt+Bn · sin Ωt

]= −Ω2 ·

[~A · cos Ωt + ~B · sin Ωt

].

Wir setzen in das DGL-System ein,

− Ω2 ·M ·[~A · cos Ωt + ~B · sin Ωt

]+ Ω ·C ·

[− ~A · sin Ωt + ~B · cos Ωt

]+ K ·

[~A · cos Ωt + ~B · sin Ωt

]= ~F · cos Ωt + ~G · sin Ωt

Page 285: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.9 Gedämpfte Systeme 285

und erhalten durch einen Koeffizientenvergleich in sin Ωt und cos Ωt:[K− ω2 ·M

]· ~A + Ω ·C · ~B = ~F

− Ω ·C · ~A +[K− ω2 ·M

]· ~B = ~G

bzw. K− ω2 ·M Ω ·C

−Ω ·C K− ω2 ·M

·( ~A~B

)=

(~F~G

)(10.79)

und mit der Bezeichnung V für die Koeffizientenmatrix

V ·(~A~B

)=

(~F~G

), also

(~A~B

)= V −1 ·

(~F~G

)(10.80)

Die Gesamtlösung für ein gedämpftes System setzt sich aus der homogenen Lösung ~wh in (10.77) undder partikulären Lösung ~wp in (10.78) mit den Lösungen aus (10.80) zusammen:

~wp(t) + ~wh(t) =[A1 · cos Ωt+B1 · sin Ωt , · · · , An · cos Ωt+Bn · sin Ωt

] T+

k∑i=1

e−ω i ·D i t ·[~a ∗i · cos νit + ~b ∗i · sin νit

]+

2n−2k∑j=1

αj · ~cj · eλjt

(10.81)

10.9.3 Sonderfall: Systemantwort für das ungedämpftes System

Für diesen Fall ist die Dämpfungsmatrix C = 0 die Nullmatrix. Die Gleichung (10.79) vereinfacht sich zuK− ω2 ·M 0

0 K− ω2 ·M

·( ~A~B

)=

(~F~G

),

d.h.

[K− ω2 ·M

]· ~A = ~F[

K− ω2 ·M]· ~B = ~G

, schließlich~A =

[K− ω2 ·M

]−1 · ~F~B =

[K− ω2 ·M

]−1 · ~G

Sind insbesondere in der Störung

~F Ts (t) =

[F1 · cos Ωt+G1 · sin Ωt , · · · , Fn · cos Ωt+Gn · sin Ωt

]=

[H1 · cos(Ωt− φ1) , · · · , Hn · cos(Ωt− φn)

]mit Hi =

√F 2i +G2

i , tanφi =Gi

Fi

Page 286: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

286 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

alle Phasen gleich, d.h. tanφ1 = · · · = tanφn = tan Φ, folgt dies auch für die Phasen ψi der Systemantwortwegen

tanψi =Bi

Ai=

n∑j=1

αi,j ·Gi

n∑i=j

αi,j · Fi=

[n∑j=1

αi,j · Fi]· tan Φ

n∑i=j

αi,j · Fi= tan Φ .

Die Matrixelemente αi,j stammen aus (K − ω2 ·M)−1. Es findet also bei gleicher Phase aller skalarenEinzelstörungen nur eine Amplitudenverstärkung statt.

10.10 Modale Dämpfung

In den Abschnitten 10.9.1 und 10.9.2 haben wir gesehen, dass es einfach ist, sich einen prinzipiellen Überblicküber die Lösungen von gezwungenen gedämpften Systemen zu verschaffen. Aufwendig ist es allerdings, dieEigenwerte und Eigenvektoren zu berechnen. Die Berechnung der Eigenwerte ist besonders (zeit-)aufwendig,wenn die Lösungen komplex sind. In der FEM zur Dynamik ist dies aber der Normalfall.

Ein weiteres großes Problem ist es, die Dämpfungsmatrix aufzustellen. Man ist auf Testversuche angewiesen.Selbst wenn man eine Dämpfungsmatrix aufgestellt hat, besteht noch der Wunsch, das DGL-System

M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~0

zu entkoppeln, wie es bei ungedämpften DGL’en möglich ist. Entkoppelte Systeme haben positive Eigen-werte, die sich aus der charakteristischen Gleichung leichter als zusätzlich komplexe berechnen lassen.

Zum Verständnis schauen wir uns die Matzizengleichungen der DGL-Systeme ausführlich an. Ein unge-dämpftes freies System,

M · ~w + K · ~w = ~0

lautet ausgeschriebenm11 m12 · · · m1n

m21 m12 · · · m2n

...mn1 mn2 · · · mnn

·w1(t)

w2(t)

...wn(t)

+

k11 k12 · · · k1n

k21 k12 · · · k2n

...kn1 kn2 · · · knn

·w1(t)

w2(t)

...wn(t)

=

0

0

...0

.

Wir multiplizieren die Gleichung von links mit der Matrix X T der Eigenvektoren und gehen mit der Trans-formation ~w = X · ~s in die Gleichung

X T ·M ·X · ~s + X T ·K ·X · ~s = ~0 .

Wir beziehen uns auf die Gleichung (10.68) X T ·M ·X = I auf S. 277 und die Beziehung X T ·K ·X = ∆mit der Matrix ∆ der Eigenwerte. Das System hat daher nach dem Diagonalisieren (Entkoppeln) die Form

·s1

s2...sn

·

+

λ1 0 · · · 0

0 λ2 · · · 0

......

...0 0 · · · λn

·s1

s2...sn

=

0

0

...0

.

Page 287: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.10 Modale Dämpfung 287

Das DGL-System zerfällt damit in n einzelne voneinander unabhängige skalare DGL’en 2. Ordnung:

s1 + λ1 · s1 = 0 −→ s1(t) = α1 · cosω1t+ β1 sinω1t

s2 + λ2 · s2 = 0 −→ s2(t) = α2 · cosω2t+ β2 sinω2t

...sn + λn · sn = 0 −→ sn(t) = αn · cosωnt+ βn sinωnt mit λi = ω2

i .

Entsprechend möchte man verfahren bei Vorliegen eines gedämpften Systems. Wir setzen die obige Trans-formation des ungedämpften Systems auf das gedämpfte DGL-System

M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~0

an. Das geht dann nach Multiplikation mit X T von links und Transformation ~w = X · ~s über in

X T ·M ·X · ~s + X T ·C ·X · ~s + X T ·K ·X · ~s = ~0

bzw.~s + C · ~s + ∆ · ~s = ~0

mit C = X T ·C ·X , ausführlichs1

s2...sn

+

c11 · · · c1n

c21 · · · c2n...

cn1 · · · cnn

·s1

s2...sn

+

λ1 0 · · · 0

0 λ2 · · · 0

......

...0 0 · · · λn

·s1

s2...sn

=

0

0

...0

.

Leider können wir hier nicht in n skalare DGL’en zerlegen, weil die Matrix C = X T ·C ·X auch außerhalbder Diagonalen besetzt ist, d.h. das DGL-System nicht entkoppelt ist.

Das Festlegen der Dämpfungselemente ist ein aufwendiger Prozess und geschieht u.a. durch technische Ver-suche. Man hat sich daher auch andere Wege überlegt, C festzulegen und mathematische Überlegungeneinfließen lassen, um eine Entkopplung zu erreichen. Die folgenden Ansätze für C sind so gewählt, dass dasDGL-System entkoppelt ist.

I Proportionale oder Rayleigh-DämpfungWir wählen für C

C = α ·M + β ·K , α, β ∈ R ,

im originären System (~w) oder im transformierten System (~s)

cii = α+ β · λi , i = 1, · · · , n

cij = 0 , i 6= j .

Die so entkoppelten skalaren DGL’en sind

si + (α+ β · λi) · si + λi · si = 0 , i = 1, · · · , n .

Page 288: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

288 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

II BequemlichkeitshypotheseWenn C bzw. C bekannt ist, kann man in C für das transformierte System alle Elemente außerhalb derDiagonalen auf 0 setzen und die Diagonalelemente belassen:

cii = cii , i = 1, · · · , n

cij = 0 , i 6= j .

Die entkoppelten skalaren DGL’en sind

si + cii · si + λi · si = 0 , i = 1, · · · , n .

III Direkte WahlWir wählen die Diagonalelemente in C für das transformierte Systren frei,

cii = αi , αi ∈ R

cij = 0 , i 6= j , i, j = 1, · · · , n .

10.11 Übersicht Systemschwingungen

Wir geben eine Übersicht über die Lösungen zu den verschiedenen Aufgaben.I Ungedämpftes freies Schwingungssystem M · ~w + K · ~w = ~0

Gesamtlösung (harmonische Eigenschwingungen)

~wg(t) =n∑i=1

~ci ·[αi · cosωit + βi · sinωit

]=

n∑i=1

~ci · γi · sin[ωit− φi

]— n Eigenvektoren (Amplitudenvektoren) ~ci ,— n Eigenfrequenzen (Kreisfrequenzen) ωi ,— 2n freie Parameter αi , βi bzw. γi , φi .

II Gedämpftes freies Schwingungssystem M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~0

Gesamtlösung (harmonisch abklingende + aperiodisch abklingende Eigenschwingungen)

~wg(t) =k∑i=1

e−ωi ·Di t ·[~a ∗i · cos νit + ~b ∗i · sin νit

]+

2n−2k∑j=1

αj · ~cj · eλjt

— 2k Eigenvektoren (Amplitudenvektoren) ~ai , ~bi in ~a ∗i = k ∗1,i · ~ai + k ∗2,i ·~bibzw. ~b ∗i = k ∗2,i · ~ai − k ∗1,i ·~bi und 2n-2k Eigenvektoren ~cj ,

— 2k Eigenwerte (k komplexe Eigenwertpaare), d.h. k Eigenfrequenzen(gedämpfte Ersatzkreisfrequenzen) νi und 2n-2k Eigenwerte λj ,

— 2k freie Parameter k ∗1,i , k∗

2,i und 2n-2k freie Parameter αj .

Page 289: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.11 Übersicht Systemschwingungen 289

III Ungedämpftes erzwungenes Schwingungssystem M · ~w + K · ~w = ~F (t)

Mit der harmonischen Störung (Beispiel)

~F (t) T =[F1 · cos Ωt+G1 · sin Ωt , · · · , Fn · cos Ωt+Gn · sin Ωt

]=

[H1 · cos

(Ωt− φ1

), · · · , Hn · cos

(Ωt− φn

)]ist die Gesamtlösung (harmonische Eigenschwingungen + harmonische Systemantworten)

~wg(t) = ~wh(t) + ~wp(t) =n∑i=1

~ci ·[αi · cosωit + βi · sinωit

]+

[A1 · cos Ωt+B1 · sin Ωt , · · · , An · cos Ωt+Bn · sin Ωt

] T=

n∑i=1

~ci · γi · sin[ωit− δi

]=

[C1 · cos

(Ωt− ψ1

), · · · , Cn · cos

(Ωt− ψn

)] T— n Eigenvektoren (Amplitudenvektoren) ~ci ,

— n Eigenfrequenzen (Kreisfrequenzen) ωi ,

— 2n freie Parameter αi , βi bzw. γi , δi .

IV Gedämpftes erzwungenes Schwingungssystem M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~F (t)

Mit der harmonischen Störung (Beispiel)

~F T (t) =[F1 · cos Ωt+G1 · sin Ωt , · · · , Fn · cos Ωt+Gn · sin Ωt

]lautet die Gesamtlösung (harmonisch abklingende + aperiodisch abklingende Eigenschwingungen + harmo-nische Systemantworten)

~wg(t) = ~wp(t) + ~wh(t) =[A1 · cos Ωt+B1 · sin Ωt , · · · , An · cos Ωt+Bn · sin Ωt

] T+

k∑i=1

e−ωi ·Di t ·[~a ∗i · cos νit + ~b ∗i · sin νit

]+

2n−2k∑j=1

αj · ~cj · eλjt

— 2k Eigenvektoren (Amplitudenvektoren) ~ai , ~bi in ~a ∗i = k ∗1,i · ~ai + k ∗2,i ·~bibzw. ~b ∗i = k ∗2,i · ~ai − k ∗1,i ·~bi und 2n-2k Eigenvektoren ~cj ,

— 2k Eigenwerte (k komplexe Eigenwertpaare), dh. k Eigenfrequenzen(gedämpfte Ersatzkreisfrequenzen) νi und 2n-2k Eigenwerte λj ,

— 2k freie Parameter k ∗1,i , k∗

2,i und 2n-2k freie Parameter αj .

Page 290: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

290 10 Die Formulierung der FEM: Dynamik

10.12 Lösungsverfahren für das DGL-System

Das DGL-System M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~0 läßt sich unterschiedlich angehen.

(1) Man löst das zugehörige ungedämpfte System M · ~w + K · ~w = ~0 , wenn z.B. die Dämpfung sehrschwach istoder(2) man löst ein zugehöriges modales System mit den oben gezeigten Möglichkleiten, das mathematisch aufein gedämpftes entkoppeltes System hinausläuftoder(3) man löst das ’originäre’ FEM-System.Es zeigt sich, dass die Lösungen (1) und (2) sich mehr oder weniger stark von den ’exakten’ Lösungen zu (3)unterscheiden, die allerdings schon aufgrund der FE-Methode Näherungswerte liefern. Das heißt im Klartext,dass oft nur der viel aufwendigere Lösungsweg über das originäre DGL-System realistische Lösungen zeigt.Mathematische Lösungsverfahren für Eigenwerte und EigenvektorenI Direkte Methode

Zu den DGL-Systemen

Ungedämpft Gedämpft

M · ~w + K · ~w = ~0 bzw. M · ~w + C · ~w + K · ~w = ~0

gehört die Eigenwertaufgabe[K − λ ·M

]· ~c = ~0 bzw.

[λ2 ·M + λ ·C + K

]· ~c = ~0

mit der charakteristischen Gleichung

det[K − λ ·M

]bzw. det

[λ2 ·M + λ ·C + K

]= an · λn + · · · a1λ+ a0 = 0 = a2n · λ2n + · · · a1λ+ a0 = 0 .

(a) Die Lösungen λi (Eigenwerte) der charakteristischen Gleichung werden mit einem Näherungsverfahrenberechnet, z.B. mit den Verfahren von Muller, Bauhuber oder Jenkins/Traub.(b) Die zugehörigen Eigenvektoren ~ci werden aus den linearen Gleichungssystemen

[K − λ ·M

]· ~ci = ~0 oder

[λ2 ·M + λ ·C + K

]· ~ci = ~0

i = 1, · · · , n i = 1, · · · , 2n

z.B. mit dem Gauß’schen Algorithmus oder bei positiv definiter Matrix mit dem Cholesky-Verfahren berech-net.Diese Lösungsmethoden haben bei kleinen Dimensionen durchaus ihre Berechtigung. Auch spielen didak-tische Gründe eine Rolle dabei, weil der grundsätzliche Charakter der Problemstellung verdeutlicht wird.Allerdings sind bei umfangreicheren Punktmassensystemen die Iterationsverfahren vorzuziehen, besondersdann, wenn nicht alle Eigenwerte (Frequenzen) gefragt sind.

II IterationsverfahrenBeispielhaft wird das Verfahren von v. Mises (1883-1953) dargestellt. Es liefert den größten Eigenwert undzugehörigen Eigenvektor. Sei das Eigenwertproblem A · ~x = λ · ~x mit einer reellen symmetrischen MatrixA vorgelegt.

Page 291: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

10.12 Lösungsverfahren für das DGL-System 291

Wir starten die Iteration mit einem beliebigen Vektor ~x0 . Die Iterationsvorschrift ist gegeben durch

~xν = A · ~xν−1 , ν = 1, 2, 3, · · · , (10.82)

d.h.~x1 = A · ~x0 , ~x2 = A · ~x1 , usw.

Nach dem Satz 9.10 auf S. 224 läßt sich ~x0 eindeutig als Linearkombination der n unabhängigen Eigenvek-toren ~ci darstellen,

~x0 = α1 · ~c1 + · · ·+ αi · ~ci + · · ·+ αn · ~cn .Mit A · ~ci = λi · ~ci folgt

~xν = A · ~xν−1 = A2 · ~xν−2 = · · · = Aν · ~x0

= Aν ·[α1 · ~c1 + · · ·+ αi · ~ci + · · ·+ αn · ~cn

]= α1 · λν1 · ~c1 + · · ·+ αi · λνi · ~ci + · · ·+ αn · λνn · ~cn

= λν1 ·[α1 · ~c1 + α2 ·

(λ2

λ1

)ν· ~c2 + · · ·+ αn ·

(λn

λ1

)ν· ~cn].

(10.83)

Wir ordnen die Eigenwerte der Größe nach absteigend und können o.B.d.A. annehmen, dass diese Ordnungdurch

|λ1| > |λ2| ≥ |λ3| ≥ · · · ≥ |λn|vorgegeben ist. Die Komponenten des Eigenvektors ~ci seien ~c Ti =

[ci,1 , ci,2 , · · · , ci,n

]. Für ~xν und

~xν−1 nehmen wir aus (10.83) die jeweils j-te Komponente und bilden aus beiden den Quotienten

q ν , j = λ1 ·α1 · c1,j + α2 ·

(λ2

λ1

)ν· c2,j + · · ·+ αn ·

(λn

λ1

)ν· cn,j

α1 · c1,j + α2 ·(λ2

λ1

)ν−1

· c2,j + · · ·+ αn ·(λn

λ1

)ν−1

· cn,j.

Bis auf den ersten Summanden jeweils im Zähler und Nenner konvergieren alle anderen Summanden wegen|λi|/|λ1| < 1 für ν →∞ gegen 0.Setzen wir also α1 6= 0 und c1,j 6= 0 für mindestens ein j voraus, gilt

limν→∞

q ν , j = λ1 .

für mindestens eine Komponente j, d.h. für mindestens einen Quotienten q ν , j .

Der mit dem Skalar 1/(α1 · λν1) multiplizierte Vektor (siehe letzte Zeile in (10.83))

1

α1 · λν1· ~xν = ~c1 +

α2

α1·(λ2

λ1

)ν· ~c2 + · · ·+

αn

α1·(λn

λ1

)ν· ~cn

konvergiert für ν → ∞ gegen den Eigenvektor ~c1 . Die Iterationsfolge bringt also den größten Eigenwertund den zugehörigen Eigenvektor. In der praktischen Anwendung sollte man nach jedem Schritt ν denVektor ~xν mit 1/(α1 · λν1) ’normieren’, um die erreichte Näherung für ~c1 hinsichtlich seines Betragesnicht zu groß werden zu lassen.Mit dem Verfahren von v. Mises lassen sich auch weitere Eigenwerte berechnen. Im übrigen funktioniert dasVerfahren auch bei gedämpften Systemen.

Erwähnt werden soll auch das Verfahren von Jacobi, das alle Eigenwerte und Eigenvektoren liefert. Es wirdim Abschnitt 9.4 behandelt.

Page 292: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

292

Literaturverzeichnis

[1] Bathe, K.-J.Finite Elemente MethodeSpringer Verlag

[2] Braess,D.Finite ElementeSpringer Verlag

[3] Fröhlich, P.FEM AnwendungspraxisVieweg Verlag

[4] Klein, B.FEM. Studium TechnikVieweg Verlag

[5] Link, M.Finite Elemente in der Statik und DynamikTeubner Verlag Stuttgart

[6] Meißner,U./Menzel, A.Die Methode der finiten ElementeSpringer Verlag

[7] Müller, G./Groth, C.FEM für Praktiker Band 1: Grundlagenexpert verlag

[8] Steinke, P.Finite-Elemente-MethodeRechnergestützte EinführungSpringer Verlag

[9] Stelzmann, U./Groth, C./Müller, G.FEM für Praktiker Band 2: Strukturdynamikexpert verlag

[10] Washizu, K.Variational Methods in Elasticity and PlasticityPergamon Press

[11] Zienkiewicz, O.C.Methode der finiten ElementeCarl Hanser Verlag

Page 293: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

Index

Airy´sche Spannungsfunktion, 70Amplituden-Frequenzgang, 242Amplitudenvektoren, 246, 248Auflagerreaktionen, 126

Balken, Steifigkeitsbeziehung, 100, 270Bequemlichkeitshypothese, 288Bernoulli-Hypothese, 67Biegelinie Balken, 68Bilinearform, 15Bogenlänge, 73

Castigliano1. Satz von, 962. Satz von, 98

Charakteristisches Polynom, 215Cholesky-Verfahren, 36

d’Alembert’sches Prinzip, 252Dämpfung, 280

Modale, 286Proportionale, 287

Dämpfung, viskose, 280Deformation, 52Diagonalmatrix, 8Differenzialoperatormatrix, 55Doppelintegrale, 78Dreiecksmatrix, 26Dreifachintegrale, 78Dynamisches System

Mit Störung, 284Ohne Störung, 280

Eigenschwingungsformen, 246, 248Eigenvektoren, 215

Lösungsverfahren, 290Eigenwerte, 215

Anzahl, 219, 220Lösungsverfahren, 290Lineare Unabhängigkeit, 219Positiv definite Matrizen, 224Symmetrische Matrizen, 224

EigenwertproblemAllgemeines, 247, 275Spezielles, 214, 275

Einheitsdreieck, 194Einheitslastmethode, 92Einheitsmatrix, 8Elastizitätsmodul, 57Elementarumformungen, 27Elementmassenmatrix, 261Elementsteifigkeit

allgemein, 177Balken, 100Scheibendreieck, 171

ElementsteifigkeitBalken, 270

Elementsteifigkeitsmatrix, 261Energiesatz, 85, 90Entkopplung, 275–277Ersatzlasten, 129, 187Euler’sche Differenzialgleichung, 138, 144, 145

FE-Strukturelementorientiert, 122knotenorientiert, 122

FEMFormulierung, dynamisch, 258Formulierung, statisch, 155Variationsproblem, 7

Flächenlasten, 187Formfunktion, 156, 165, 168, 181Funktionaldeterminante, 193Funktionalmatrix, 193

Gauß‘scher Algorithmus, 25Gauß‘scher Integralsatz, 80, 82, 84Gesamtmassenmatrix, 262Gesamtsteifigkeit

allgemein, 177Gesamtsteifigkeitsbeziehung, 187Gesamtsteifigkeitsmatrix, 122, 262Gleichgewichtsbedingungen, 63Gleichungssystem

reduziert, 107, 126Gleitmodul, 58Gradient, 16

Hamilton, Prinzip von, 256, 260Hauptnormalspannungen, 46

Page 294: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

294

Hooke’sches Gesetzeinfaches, 57verallgemeinertes, 59

Innere Energie, 85, 87inverse Matrix, 13

Berechnung, 31isoparametrische Elemente, 197Iterationsverfahren

Jacobi, 225von Mises, 290

Jacobi, Verfahren von, 225Jacobi-Determinate, 192Jacobi-Matrix, 192

Kehrmatrix, 13kinematische Gleichungen, 64Kinetische Energie, 259Knotenzahldifferenz, 124Konservative Kraft, 255konvexe Menge, 78Koordinatentransformationen, 19krummliniges Dreieck, 196Kurvenintegral 1. Art, 74Kurvenintegral 2. Art, 75Kurvenintegrale, 73

Lagrange’sche Gleichungen, 255Lagrangefunktion, 255, 258lineares Gleichungssystem, 7, 25

homogenes, 25inhomogenes, 25

Linearisierung, 51LR-Algorithmus, 34

Massenmatrix, 245Balken, global, 272Balken, lokal, 271Stab, global, 266Stab, lokal, 263

Matrix, 7Differenz, 10Einheitsmatrix, 8inverse, 13positiv definite, 16Produkt, 11quadratische, 8reguläre, 13singuläre, 13Summe, 10

symmetrische, 9transponierte, 9

Matrixsteifigkeitsmethode, 101allgemein, 118

Maxwell, Satz von, 95Mehrfachintegrale, 78Minimierungsprozess

Stabwerk, 158Mises, von

Verfahren von, 290Modale Dämpfung, 286Modalmatrix, 221, 222, 275

Nicht-Konservative Kraft, 255, 257Normalspannung, 41

Oberflächenintegrale, 79

Phasen-Frequenzgang, 242positiv definite Form, 16Potenzialfunktion, 255Prinzip der virtuellen Verschiebungen, 151, 152Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen

Energie, 153Prinzip von Hamilton, 256, 260Produktmatrix, 11Proportionale Dämpfung, 287

quadratische Form, 16Querkontraktionszahl, 57

Rayleigh-Koeffizient, 224Regel von Sarrus, 193Resonanzfall, 242

Scheibendreieck, 167Schubspannung, 41

zugeordnete, 43Schwinger

Ein Freiheitsgrad, 231Gedämpfter erzwungener, 238, 289Gedämpfter freier, 235, 288Stationärer Lösungsanteil, 240Ungedämpfter erwzungener, 233Ungedämpfter erzwungener, 289Ungedämpfter freier, 232, 288Verschwindender Lösungsanteil, 240Zwei Freiheitsgrade, 244

Schwingungen, Übersicht, 288Skalarprodukt, 11Spannungen, 39

Page 295: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

295

Spannungsmatrix, 44Steifigkeitsmatrix, 98, 245

Stab global, 104Stab lokal, 103Stab räumlich, 109, 110

Stoke‘scher Satz, 81

Taylorentwicklung, 50Tetraederelement, 201totale potenzielle Energie, 140, 142, 145, 152

der Gesamtstruktur, 185, 186des Elements, 184

totales Differenzial, 51Transformationsmatrix, 21

Typ D2, 23Typ D3, 24Typ T3, 25

Variation, 135

Differenziation der, 136erste, 136Integral der, 136zweite, 139

Variationsmethoden, 134Variationsproblem

lineare Elastizitätstheorie, 148verketteter Algorithmus, 34Verschiebungsansätze, 190Verschiebungsmethode

Balken eben, 111Balken räumlich, 116Stabwerk eben, 101

Verträglichkeitsbedingung, 69Verzerrungen, 52Virtuelle Größen (Variationen), 151Volumenelement, 201Volumenkräfte, 65Volumenlasten, 187von Mises, 206

Page 296: FINITE ELEMENTE METHODE · Die Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten zu einem der wichtigs-ten Näherungsverfahren einer Reihe von Feldproblemen

Steffen Funk Wilfried Gawehn

FINITE ELEMENTE METHODEFEM-Grundlagen zur Statik und Dynamik

Dieses Buch behandelt:• Die erforderliche Matrizenrechnung• Grundbegriffe der linearen Elastostatik• Energiemethoden• Die direkte FE-Methode• Aufbau und Lösung der Gesamtsteifigkeitsbeziehung• Das Prinzip vom Minimum der totalen potenziellen Energie• Konstruktion von Elementsteifigkeitsmatrizen• Ersatzlasten• Variationsmethoden• Schwingungssysteme• Die Prinzipe von d’Alembert, Lagrange und Hamilton• Konstruktion von Elementmassenmatrizen• Ungedämpfte und gedämpfte Systeme• Modale Dämpfung

Das Buch ist für den Anfänger, Student oder Ingenieur, konzipiert.Es eignet sich auch für den mathematisch Interessierten. Der Leserkommt ohne zusätzliche Literatur aus. Der Praktiker kann diemathematischen Kapitel bei Bedarf zu Hilfe nehmen. Dieses Buchist die Neufassung und Erweiterung (+ Dynamik) eines 1985erstellten Buches.

Wilfried Gawehn war als Mathematiker in der Flugzeugindustrietätig und ist Professor für Ingenieurmathematik und Informatik.

Steffen Funk hat an der FH Flensburg Maschinenbau und System-technik studiert und ist als Ingenieur im Bereich Stahlwasserbautätig.