Fischer Weltgeschichte, Bd.3, Die Altorientalischen Reiche II; Das Ende des 2. Jahrtausends

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    Fischer Weltgeschichte

    Band 3

    Die Altorientalischen Reiche IIDas Ende des 2. Jahrtausends

    Herausgegeben vonElena CassinJean BottroJean Vercoutter

    Dieser Band ist der zweite von drei Bnden ber die altorientalischen Reiche im Rahmender Fischer Weltgeschichte. Er behandelt in chronologischer Folge die ltestenKulturen der Menschheit im Vorderen Orient und im Nilland in der zweiten Hlfte des2. Jahrtausends v. Chr. Neben den politischen Ereignissen werden die geistigen undreligisen Strmungen sowie die sozialen und wirtschaftlichen Verhltnisse dargestelltund als wirksame Krfte geschichtlichen Lebens beschrieben. Unter derwissenschaftlichen Leitung von Prof. Jean Bollack verfaten namhafte Gelehrte des In-und Auslandes die einzelnen Kapitel ber die Geschichte Mesopotamiens, Kleinasiens,

    des syrisch-palstinensischen Raumes, des Pharaonenreiches und der gischen Welt.Elena Cassin (Centre National de la Recherche Scientifique, Paris) schrieb deneinleitenden Abschnitt ber Babylonien und Assyrien. Prof. Heinrich Otten (UniversittMarburg/Lahn) ist der Autor des Kapitels ber die Hethiter, Hurriter und Mitanni. Prof.Abraham Malamat (The Hebrew University, Jerusalem) Zeichnet fr die GeschichteSyrien- Palstinas. M.I. Finley (Universitt Cambridge) ist fr den Beitrag ber dieAnfnge der griechischen Geschichte verantwortlich. Die Schilderung des Neuen Reichesin gypten stammt aus der Feder der Professoren Jaroslav erny (Universitt Oxford)und Jean Yoyotte (cole Pratique des Hautes tudes, Paris). Der Band ist in sichabgeschlossen und mit Abbildungen, Kartenskizzen und einem Literaturverzeichnis

    ausgestattet. Ein Personen- und Sachregister erleichtert dem Leser die rascheOrientierung. Die Geschichte des Alten Orients findet in Band 4 der FischerWeltgeschichte ihre chronologische Fortsetzung.Die Herausgeber dieses Bandes

    Elena Cassin,

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    geb. 1909 in Italien, studierte an der Universitt Rom Religionsgeschichte underwarb dort 1933 den Doktortitel. In Paris beschftigt sie sich heute mit demRecht und mit der Wirtschaft des alten Babylonien, vor allem in Nuzi(LAdoption Nuzi, Paris 1939; Symboles de cession immobilire dans lanciendroit msopotamien, Paris 1954). Madame Cassin ist Mitarbeiterin der Revue

    dAssyriologie und der Annales. Gegenwrtig arbeitet sie als Matre derecherche am Centre National de la Recherche Scientifique.

    Jean Bottro,

    geb. 1914, war von 19471958 Charge de recherches am Centre National de laRecherche Scientifique in Paris; seit 1958 Professor fr altorientalische Geschichtean der cole Pratique des Hautes tudes in Paris; Prof. Bottro beschftigt sichseit 1949, zusammen mit franzsischen und belgischen Gelehrten, mit der

    Entzifferung der kniglichen Archivalien von Mari. Seine bekanntestePublikation erschien 1952 unter dem Titel La Religion Babylonienne.

    Jean Vercoutter,

    geb. 1911, war von 19391950 Mitglied des Institut Franais dArchologieOrientale in Kairo; 1953 Promotion zum Docteur-s Lettres; 1956 Lgypte et leMonde Egen Prhellenique; 1958 Ernennung zum ordentlichen Mitglied desDeutschen Archologischen Instituts in Berlin; 19551960 Directeur de Service

    des Antiquits de la Rpublique du Soudan in Khartum und Herausgeber desKush Journal of the Sudan Antiquities Service; ab 1960 Professor an derPhilosophischen Fakultt der Universitt Lille; Leiter der franzsischenAusgrabungen in Mirgissa (Sudan). Professor Vercoutters Hauptwerk LgypteAncienne erschien 1947. Es wurde inzwischen auch in Italien, Spanien undJapan verffentlicht.

    Mitarbeiter dieses Bandes

    Dr. Elena Cassin (Centre National de la Recherche Scientifique, Paris) Kapitel 1

    Prof. Dr. Jaroslav erny (Universitt Oxford) Kapitel 4 II

    Dr. M. I. Finley (19121986) (Universitt Cambridge) Kapitel 5

    Prof. Dr. Abraham Malamat (The Hebrew University of Jerusalem) Kapitel 3

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    Prof. Dr. Heinrich Otten (Universitt Marburg/Lahn) Kapitel 2

    Prof. Jean Yoyotte (cole Pratique des Hautes tudes, Paris) Kapitel 41

    Margalith Amir (Jerusalem) und der Verfasser bersetzten Kapitel 3 aus demHebrischen.

    D. Rudolf Pfisterer(Schwbisch Hall) bersetzte Kapitel 1 aus dem Franzsischen.

    Christoph Schneider(Kln) bersetzte Kapitel 5 aus dem Englischen.

    Dr. Renate Voretzsch-v. Schaewen (Tbingen) bersetzte Kapitel 4 I aus demEnglischen.

    Dieter Wildung (Mnchen) bersetzte Kapitel 41 aus dem Franzsischen.

    1. Babylonien unter den Kassiten und das mittlere assyrische Reich

    I. Babylonien

    Einleitung

    Im Jahr 1594 bemchtigen sich die hethitischen Truppen Babylons und bereitenso der schon schwankenden I. babylonischen Dynastie ein Ende. Dies ist zwar anund fr sich kein Vorgang von besonderer Bedeutung Babylon mute schonseit langer Zeit Angriffe von verschiedenen Seiten hinnehmen und konnte sienur mit immer grerer Mhe zurckweisen , doch wird durch dieses Ereignistrotzdem das Ende einer Epoche bezeichnet. Denn die politischen Zustnde, dieim Bereich des Fruchtbaren Halbmonds herrschten, hatten sich gendert. Dieneuen Vlker, die urriter, Hethiter und Kassiten, waren schon seitJahrhunderten gegen die Grenzen dieses Gebietes vorgestoen. Mit mehr oderweniger Erfolg waren sie hier und dort eingedrungen, hatten gebietsweise kleineFrstentmer gebildet und verschiedenen Zonen ein neues Geprge gegeben.Von jetzt ab aber gelang es ihnen, sich zu politischen Einheiten zu verschmelzenund Staaten zu bilden, die entscheidend in die Geschichte eingriffen. Eine der

    wichtigsten Konsequenzen davon war, da Babylonien nicht mehr den zentralenFaktor der Politik im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds darstellte. Seinepolitische Rolle blieb sicher betrchtlich, stand aber zu seinem kulturellenEinflu in keinem Verhltnis mehr. Die orientalische Welt hatte ihrenMittelpunkt zwar nicht mehr in Babylon, aber sie bediente sich desBabylonischen, das die Sprache der Verwaltung und der Kanzleien war. Hierdrngt sich ein Vergleich mit dem Lateinischen im Mittelalter auf, wobei auch

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    eine hnlichkeit zwischen der Rolle der verschiedenen Schreiberschulen und derSkriptorien der Klster offenkundig wird. Doch blieb die babylonische Sprachenicht auf diesen Bereich beschrnkt; sie war auch eine technische Sprache, eineArt lingua franca, die der Sachkultur einen groen Teil ihres Wortschatzeslieferte.

    Abb. 1: Babylonien und Assyrien in der zweiten Hlfte des 2. Jahrtausends v. Chr.

    In dem so hergestellten neuen Gleichgewicht der Krfte traten einige Staaten wie etwa Assyrien zeitweilig in den Hintergrund. (Assyrien war von demKnigreich umschlossen, das die urriter in dem Raum zwischen demZagrosgebirge und dem Mittelmeer gebildet hatten.) Deshalb kann man davonsprechen, da Mesopotamien in der zweiten Hlfte des 2. Jahrtausends zweivorherrschenden Einflssen unterworfen war; der eine, kassitische erstrecktesich auf das Kerngebiet des alten Knigreiches ammurabis und die daranangrenzenden Lnder, der andere, urritische reichte vom Mittellauf desEuphrat nach Norden, schlo Assyrien und die Gebiete des Zagros ein unddrang schlielich bis nach Elam vor, wo die urritische Schicht, durch dieEigennamen deutlich erkennbar, sich ber die noch lteren Substrate und daskassitische Element schob.Erster TeilDie Ereignisse

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    a) Die Festigung der Kassiten-Dynastie

    Die Kassiten, auf akkadisch Ka, deren Einflu im Sden des Zweistromtalesnach dem Fall der I. babylonischen Dynastie dominierend wurde, waren in

    Mesopotamien zweifellos sehr lange vor diesem Zeitpunkt in Erscheinunggetreten. Wahrscheinlich hatten die Kassiten schon in den ersten Jahrhundertendes 2. Jahrtausends damit begonnen, von den im Osten gelegenen Gebirgen indie Ebenen herunterzusteigen, wobei der Reichtum des Landes und die ihnenhier gebotenen Arbeitsmglichkeiten eine starke Anziehungskraft auf sieausbten. Aber das Fehlen kassitischer Eigennamen in den Dokumenten aus derZeit vor der I. babylonischen Dynastie legt die Vermutung nahe, da es sichdabei mehr um ein langsam fortschreitendes Einsickern verstreuter Elemente alsum den Einfall organisierter Gruppen gehandelt haben mu.

    Die erste Erwhnung einer kassitischen Streitmacht findet sich in der

    Benennung des neunten Regierungsjahres des Knigs Samsuiluna von Babylon(17491712); es wurde als Jahr des Kassitenheeres bezeichnet. In einer rechtknappen Weise sollte dadurch zweifellos betont werden, da das denkwrdigeEreignis des vorausgegangenen1 oder des laufenden Jahres die siegreicheZurckweisung eines Angriffs kassitischer Eindringlinge war. Man weiandererseits, da auch eines der ersten Regierungsjahre des Knigs Abi-eu(17111684), des Nachfolgers Samsuilunas, nach einer Niederlage deskassitischen Heeres datiert wurde, hnlich wie dies schon bei seinem Vater derFall gewesen war.

    Derselbe Samsuiluna erbaute auch eine Festung mit Namen Dr-Samsuiluna,

    die in der Nhe des heutigen af am Zusammenflu der Dijla und des Tigrislag. Es ist nun mglich, da die Kassiten gerade entlang dem Flulauf der Dijlaauf deren linkem Ufer nach Babylon gelangt sind. Diese Hypothese wird durchdie Tatsache glaubwrdig, da einer der ersten kassitischen Knige Babylons,Agum II. (um 1580), auf einer Inschrift unter anderem auch den Titel einesKnigs von Alman und von Padan trgt. Alman mu mit dem heutigen Gebietvon olwn im Iran, einer Landschaft in der Nhe der Dijla-Quellen,gleichgesetzt werden. So wren also die Kassiten entlang einer von olwn bernaqun und Samarra fhrenden Strae auf ihrem Weg vom Gebirge herabnach Babylon gelangt. Es knnte auch sein, da der Name zistn, mit demheute diese ganze im Iran gelegene Gegend, sdstlich dieser Linie, bezeichnetwird, eine Erinnerung an den Namen des kassitischen Volkes bewahrt hat, dasdort im 2. Jahrtausend wohnte. Wir wollen brigens darauf aufmerksammachen, da die Kissioi nach Strabo die Bewohner der Susiana waren. Eserscheint im brigen unbestreitbar, da ein Gebiet mit der Bezeichnung Landder Kassiten whrend und nach der Beherrschung Babyloniens durch dieKassiten weiterbestand (siehe S. 74).

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    Nachdem die Kassiten durch Samsuiluna zurckgeschlagen worden waren,mssen sie versucht haben, sich ihren Weg anderswo zu bahnen; wir wissen abernicht, wo das geschah. Einen einzigen, auffallenden Hinweis scheint einWirtschaftsdokument aus Terqa, dem Mittelpunkt des Knigreiches ana, zubieten, aus dem wir erfahren, da der Knig dieses Landes, Katiliau, seinem

    Namen nach sicher ein Kassite gewesen ist. Auf jeden Fall hatten die Kassiten zuder Zeit, als sich Murili um 1594 Babylons (siehe S. 120) bemchtigte, sicher eineso einheitliche und starke Macht gebildet, da sie nach einer Zwischenperiodedie Hethiter ablsen konnten, nmlich dann, als Murili mit seinen Truppenwieder in sein Land zurckgekehrt war.

    Es ist schlielich nicht ausgeschlossen, da kassitische Gruppen sich schon zurZeit Samsuditanas (16251594) in verschiedenen Stellungen (als Militrbeamte,als auf die Pferdezucht spezialisiertes Personal?) in Babylonien niedergelassenhaben. Als die Hethiter vorrckten, haben sie wohl fr diese Eindringlinge Parteiergriffen und sie bei ihren von Erfolg gekrnten Angriffen auf die Hauptstadt

    tatkrftig untersttzt. In Nippur kann man in Vertrgen aus dem 16. Jahr diesesKnigs unter den Erwerbern von Tempelpfrnden Personen feststellen, dieunleugbar kassitische Namen wie Enlil-galzu und Damu-galzu trugen. Zudemhaben sich gegen Ende der I. Dynastie Nachrichten aus Babylon selbst erhalten,die in die gleiche Richtung zu weisen scheinen. Hier beherbergte ein gewisserAgum in seinen Husern die Botschafter, die der Knig von Aleppo an denKnig von Babylon gesandt hatte. Da dieser Agum eine bedeutendePersnlichkeit war, wird durch den von ihm gefhrten Titel Graf (bukum)bezeugt. Seine Beziehungen zum Knig von Aleppo, der Hauptstadt eines unterstarkem hethitischen Einflu stehenden Gebietes, knnten genau genommen

    einen weiteren Beweis fr die Verbindung zwischen in Babylonien wohnendenkassitischen Gruppen und den Hethitern bilden.Will man sich nicht auf Hypothesen verlassen, so wird es schwierig, die

    Herkunft der Kassiten-Dynastie historisch einzuordnen: einer Dynastie, die sichmit Knig Agum II. (der auf kassitisch Agum kakrime heit) endgltig zu Beginndes 16. Jahrhunderts in Babylon festsetzte und sich dort mehr als vierJahrhunderte hielt. Nach den babylonischen Knigslisten sollen mehrere KnigeAgum II. vorausgegangen sein. Wenn man die Dauer der Regierungszeiten, diediese Knigslisten den Vorgngern Agums zuschreiben, addiert, dann erscheintGanda, der erste der kassitischen Knige, als Zeitgenosse Samsuilunas. In einemaus der neubabylonischen Epoche stammenden und in schlechtem Akkadischgeschriebenen Dokument bezeichnet sich dieser Ganda als Knig der vierWeltgegenden, als Knig von Sumer und Akkad und schlielich als Knigvon Babylon. Man kann dieses Dokument sicher als Flschung ansehen; mankann auch der Meinung sein, da es sich auf einen anderen Knig als Gandabezieht. Jedoch halten einige Gelehrte (H. Lewy, S. Smith) dieses Dokument frecht; sie stellten die Hypothese auf, da die Kassiten in der Zeit Samsuilunasmehrere Streifzge gegen Babylon unternommen htten, von denen zumindest

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    einer erfolgreich gewesen sei. Dieser Sieg habe Ganda dazu berechtigt, sich mitden gleichen Titeln wie der von ihm geschlagene Knig von Babylon zuschmcken. Eine vierte Lsung bestnde darin, in diesem Schriftstck einDokument zu sehen, das von einem spteren kassitischen Knig zu Ehren desMannes verfat worden ist, den er als den Ahnherrn seiner Dynastie betrachtete;

    diese Deutung wrde zwar die hochtrabenden, nur als Ehrentitel zuverstehenden Bezeichnungen wie Knig der vier Weltgegenden und Knigvon Sumer und Akkad erklren, aber die sprachlichen Fehler des Textes nichtbercksichtigen.

    Von den Nachfolgern des Ganda, nmlich von Agum I. (handelt es sich hierum jenen Agum, der den Titel bukum trug?), von Katilia I. (ist es der gleiche,der auch Knig von ana war?), von Katilia II. Abiratta, UR-ziguruma,arbaiu und Tiptakzi wissen wir auer ihren Namen fast nichts. BessereInformationen erhalten wir erst ber Agum II. und vor allem ber seineNachfolger; sie beziehen sich zwar nicht auf die Umwlzungen, die der

    Festsetzung einer auslndischen Dynastie in Babylonien vorausgegangen sind,sie geben aber zumindest ber die Herkunft der Eindringlinge Auskunft. AgumII. erklrte in der Tat, er sei aus dem reinen Samen uqamunas entsprossen(dieser war einer der bedeutendsten kassitischen Gtter); weiterhin fhrte er aus,da er durch die groen Gtter Anum und Enlil, Ea und Marduk, Sn und amaberufen worden sei. Diese uerung ist in gewisser Hinsicht einGlaubensbekenntnis, denn die Bezeichnung von den Gttern berufen tauchthier als ganz neues Merkmal auf. Der Knig gesteht vllig seine fremdeHerkunft auf babylonischem Boden ein, stellt sich jedoch als Herrscher vor, dervon den groen Gttern des Landes, von denen er seine Beglaubigung und seine

    Legitimierung erhalten habe, ernannt sei. Er erfllte seine Pflicht gegenber denbabylonischen Gttern, indem er aus dem fernen Land ana die StandbilderMarduks und arpanitus, des gttlichen Schutzpaares von Babylon, zurckholenlie und dieselben erneut in ihrem renovierten Heiligtum, dem Esagil, aufstellte.

    Diese Anspielung auf die Rckfhrung der gttlichen Standbilder ist einProblem, das eng mit den Ereignissen verknpft ist, die dem Fall der I.babylonischen Dynastie vorausgegangen sind. Es ist offensichtlich, da der Raubund die Deportation der Standbilder Marduks und arpanitus ohne eine, wennauch nur vorbergehende, Eroberung Babylons nicht erfolgt sein knnen. Werwar unter diesen Voraussetzungen der fremde Eroberer, der dieGtterstandbilder nach ana entfhrt hatte? War es Murili I. selbst, der Siegerber Babylon? Wenn dies der Fall sein sollte, warum wird dann ana erwhnt?Oder ist der Eroberer Babylons vielmehr ein kassitischer Knig gewesen, der inder Zeit Samsuilunas der Beherrscher anas war, wie dies H. Lewy vermutet?Diese Hypothese, die die Erwhnung anas in der Inschrift Agums II. als derSttte, von wo aus die gttlichen Standbilder wieder zurckgefhrt wurden,bercksichtigen wrde, ntigt uns, auch eine Anzahl anderer Hypothesen als

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    gltig anzuerkennen. Wie dem auch sei, die Bezeichnung fern, die ana imVergleich zu Babylon beigefgt wurde, bleibt in beiden Fllen rtselhaft.

    Die Titel, mit denen sich Agum II. schmckte, sind erwhnenswert. Erbezeichnete sich als Knig der Kassiten und der Akkader und auch als Knigvon Babylon. Nachdem er sich damit gerhmt hatte, dem Land Enunna eine

    dichte Bevlkerung gegeben zu haben, bezeichnete er sich als Knig von Alman dieses Gebiet war vielleicht, wie wir gesehen haben, das richtige undeigentliche Kassiten-Land und als Knig von Padan, einer an derNordostgrenze Babyloniens (s. weiter unten S. 33) gelegenen Stadt, auf die dieElamiter fortgesetzt Ansprche erhoben. Auerdem bezeichnete er sich als Knigdes Landes Gutium, womit zu dieser Zeit jenes Gebiet gemeint ist, das im groenund ganzen dem heutigen Kurdistan entsprach.2 Sein Herrschaftsbereich httesich also nach Osten und nicht nur entlang der Dijla erstreckt; er htte aber auchber das eigentliche Kassiten-Land hinaus ein Gebiet umfat, das nach Nordenbis zum Urmia-See reichte. Natrlich kann man dieser Aufzhlung nur unter

    dem Vorbehalt nherer Prfung zustimmen. Man mu auch noch hervorheben,da sich diese Inschrift ber den Sden Mesopotamiens ausschweigt; dieserLandesteil mute sich in jener Epoche ganz in den Hnden Gulkiars, des Knigsdes Meerlandes, oder eines seiner unmittelbaren Nachfolger befunden haben. Esist sehr wahrscheinlich, da der letztgenannte aus dem siegreichen Vormarschder Hethiter auf Babylon und aus dem Fall der Stadt Nutzen gezogen hat, umsich des weiter im Norden gelegenen Gebietes zu bemchtigen. So erklrt sichdie Tatsache, da Gulkiar in einem so nrdlich gelegenen Gebiet wie Der (demheutigen Bedre) eine Landschenkung gewhren konnte.

    Immer noch in der gleichen Inschrift erklrt Agum II., er habe den Thron

    seines Vaters gestrkt. Es hat ganz den Anschein, als habe dieser UR-zigurumageheien. Agum ist ihm dann wohl nicht unmittelbar nachgefolgt, sondern haterst nach arbaiu und Tiptakzi, die vielleicht seine Onkel waren, den Thronbestiegen. Wir wollen hier brigens noch einmal wiederholen, da ein Ausdruckwie Knig (arru) mit einer gewissen Skepsis aufgenommen werden mu, wennder damit bezeichnete ein Kassite gewesen ist. Es handelt sich dabei mehr umeinen Fhrer, der ber eine in einem bestimmten Gebiet wohnende Gruppe vonKriegern die Befehlsgewalt ausbte, als um einen wirklichen Monarchen; ineinem derartigen Bereich hatte ein solcher Fhrer zeitweise dieRegierungsgewalt inne. Man versteht, da Agum II., der sich in Babylon alsNachfolger ammurabis festgesetzt hatte, glauben mute, die von seinem Vaterererbte Befehlsgewalt und Machtstellung seien dadurch in einzigartiger Weiseverstrkt und erweitert worden.

    Die genannte Inschrift ist in mehr als einer Hinsicht bezeichnend undlehrreich. Wir erfahren aus ihr in der Tat, da die Kassiten seit ihrer Festsetzungin Babylon als treue Eiferer fr die babylonische Religion auftraten. DieRckfhrung Marduks und arpanitus wurde mit all dem blichen Zeremoniellumgeben und erfolgte im babylonischen Stil. Man kennt die religise Bedeutung,

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    die die Babylonier dem Raub ihres Schutzgottes zuschrieben. Obwohl dieser Gottvom Feind entfhrt worden war, war man doch davon berzeugt, er habe dieStadt freiwillig verlassen, um die Bewohner fr mangelnde Verehrung oderwegen einer an ihm begangenen Snde zu bestrafen. Die Rckfhrung desMarduk aus einem vierundzwanzigjhrigen Exil bei den Hethitern3 konnte also

    nur mit allen Zeichen der Ehrerbietung erfolgen, die dieser Gott von seinenGlubigen forderte. Die Verschnerung und Erneuerung des Tempels wurdenvon Agum II. peinlich genau beschrieben. Jedoch ruft die Erwhnunguqamunas den Gedanken wach, da fr die Kassiten, die keine in ihrer Spracheverfate religise Literatur zurckgelassen haben, eine religise Organisationcharakteristisch war, auf die sie in keiner Weise zugunsten der babylonischenGtter verzichtet hatten.

    Vom Nachfolger Agums II., Burnaburia I., ist auer seinem Namen nur wenigoder nichts bekannt.

    Nach der synchronistischen Geschichte4 sollen Puzur-Aur, der Knig von

    Assyrien, und Burnaburia, der Knig von Babylonien, einen Bndnisschwurgeleistet und ihre Grenze und ihr Gebiet durch starke Befestigungen verstrkthaben. ber die Identitt des assyrischen Partners kann es keine Zweifel geben.Es kann sich hier nur um Puzur-Aur III. (vgl. weiter unten S. 71) handeln, dernach der assyrischen Knigsliste der fnfzehnte aus der Dynastie Adasi ist undum 1540 regiert haben soll.5 Dieser Synchronismus ist fr uns sehr wertvoll, undzwar in doppelter Hinsicht: einmal erlaubt er uns, die RegierungszeitBurnaburia I. mit etwas grerer Genauigkeit zu bestimmen, zum anderenliefert er uns fr den Beginn der kassitischen Herrschaft in Babylon einenzeitlichen Hinweis, der ungefhr mit uns durch andere Quellen (Marduks Exil

    bei den Hethitern dauerte 24 Jahre) bekannten Tatsachen bereinstimmt.Einer von Burnaburia Shnen, Katilia III., folgte ihm auf dem Thron; einanderer Sohn, Ulamburia, konnte den Zeitpunkt ausntzen, in dem der Knigdes Meerlandes, Ea-gamil, mit einem bewaffneten Einfall in Elam beschftigtwar, um das sdliche Babylonien zu unterwerfen. Eine babylonische Chronikberichtet diese Ereignisse folgendermaen: Ea-gamil der Knig des Meerlandes,zog nach Elam; gegen seine Truppen hob Ulamburia, der Bruder des Katilia,seine Truppen aus. Nachdem er das Meerland unterworfen hatte, legte er diesemGebiet seine Herrschaft auf. Ulamburia schmckte sich mit dem Titel einesKnigs des Meerlandes (ar mt tamtim) und wurde nach Katilia Knig vonBabylonien. Babylonien fand so eine Zeitlang wieder zu seiner alten Einheitzurck. Diese Einheit war jedoch stndig bedroht. Schon der Neffe desUlamburia, Agum III., der seinem Onkel nachgefolgt war, mute einen soheftigen Aufruhr des Meerlandes niederwerfen, da er nicht zgerte dieseInformation stammt gleichfalls aus der babylonischen Chronik , Egarauruna,den Tempel des Ea, zu zerstren. Es handelte sich hier um ein uerst radikalesVorgehen. Man wollte wahrscheinlich dadurch, da man den Tempel der

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    Schutzgottheit des Landes dem Erdboden gleichmachte, den Widerstand desrebellischen Volkes brechen.b) Die ffnung zur Umwelt: Assyrien und gypten

    Der bewaffnete Einfall der hethitischen Truppen in Babylon, die Machtentfaltung

    der urriter auf Kosten des Niedergangs Assyriens und das Interesse, dasgypten fr Nordsyrien zeigte, waren die ausschlaggebenden Faktoren, die dastraditionelle Gleichgewicht der Krfte in Mesopotamien verndert hatten. Abereher noch als von einem Zusammenbruch des Gleichgewichtes sollte manvielleicht von einem Ausbrechen aus der traditionellen Situation sprechen. Manerlebt in der Tat den bergang von einer Politik, die sich in einem engumgrenzten Raum, hchstens unter Einschlu benachbarter Gebiete, abspielte,zu einer allgemeinen imperialistischen Expansionspolitik, die sich nicht mehr mitder Einverleibung von angrenzenden Stdten und Gebieten begngte, sondernauf die Besitzergreifung entfernter Territorien abzielte. Denn es handelte sich

    nicht mehr nur um in die Ferne fhrende und in die Augen stechende, aber dochzeitlich begrenzte Unternehmungen nach Art der Expeditionen eines Sargon vonAkkade, die mehr ein wirtschaftliches als ein strategisches Ziel verfolgten; esging hier vielmehr um eine dauernde Okkupation fremder Gebiete. Diezentripetale Tendenz der Politik hrte auf und machte nun einer zentrifugalenAusrichtung Platz. gypten schlug unter Thutmosis III. siebzehn Kampagnen inAsien und stie bis zum Euphrat vor; es prgte den eroberten Territorien, zudenen schon Thutmosis I. vorgedrungen war, den Stempel der Stabilitt auf. AmEuphrat begegnete Thutmosis III. dem Knig von Babylon; in dieser Begegnungbezeichnete der Austausch von Geschenken die Aufnahme diplomatischer

    Beziehungen zwischen beiden Lndern. Aber auch die politischen Bestrebungender Hethiter und der Mitanni richteten sich auf Nordsyrien. Deshalb kann mansagen, da in der zweiten Hlfte des 2. Jahrtausends nicht mehr Mesopotamiendie Begehrlichkeit anreizte, sondern da das Mittelmeer, die KstenstdteSyriens und die Handelsstdte im Inneren des Landes, vor allem Aleppo,Zielpunkt ehrgeiziger Plne wurden.

    Welche Rolle spielte Babylonien in dieser Periode der Expansionspolitik? Es istwahrscheinlich, da unter Agum II. und seinen unmittelbaren Nachfolgern dieNotwendigkeit, ihre Macht zu festigen, die Knige dazu gezwungen hat, sich vorallem mit der Neuordnung der Verwaltung des Landes zu befassen, in dem siesich festgesetzt hatten. Wie jede neue und obendrein noch fremde Dynastiemute auch die Agums II. sich auf einen Teil der einheimischen Bevlkerungsttzen. Die Schaffung einer Neuordnung des Gebietes ermglichte es ihnen wir werden darauf weiter unten noch zurckkommen (S. 45 f.) , dieeinflureichen Familien, deren Treue sie sich durch Landschenkungen gesicherthatten, fest in der Hand zu behalten. So sehr die Notwendigkeiten derInnenpolitik einen Vorrang beanspruchen muten, so tauchten doch auchunverzglich die Expansionsabsichten auf. Wie wir schon gesehen haben,

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    organisierte Ulamburia einen Feldzug gegen das Meerland; zudem war nochnicht die Rede von den Grenzstreitigkeiten, in denen sich Babylonier undAssyrer seit der Regierung des Burnaburia gegenberstanden. Diese Konfliktemachten den Bau von Befestigungsanlagen entlang der ganzen Grenze zwischenBabylonien und Assyrien notwendig. Die Feindseligkeiten lebten schlielich

    wieder auf, wie der Chronist der synchronistischen Geschichte berichtet, undfhrten unter den Regierungen von Karainda und Aur-bl- niu zu neuenGrenzberichtigungen. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, da der Knig vonBabylon, den Thutmosis III. aus Anla seiner siebzehnten Kampagne inNordsyrien nach dem Bericht seiner Annalen an den Ufern des Euphrat traf undvon dem er Geschenke erhielt, Karainda war. Diese Begegnung es war dieerste zwischen einem Pharao gyptens und einem babylonischen Monarchen war bedeutsam, weil sie den Willen Babylons zum Ausdruck brachte, als Faktorin der groen internationalen Politik in dem Augenblick in Erscheinung zutreten, in dem Mitanni durch den Verlust Aleppos einen harten Schlag hatte

    hinnehmen mssen. Es hat den Anschein, als knne man auf Grund gyptischerQuellen diese Zusammenkunft auf die Zeit um das Jahr 1457 ansetzen. Sieerffnete, wie es scheint, eine Zeit freundschaftlicher Beziehungen zwischendiesen beiden Hfen. Der Austausch von Botschaften vermehrte sich; die Briefevon Amarna, die von den Nachfolgern des Karainda auf dem Thron Babylonsstammen, scheinen von den Jahren seiner Regierung als von einer Zeit zusprechen, in der die Freundschaft dieser beiden Herrscher ungeschwcht blieb.Die Dokumente, die auf uns gekommen sind und Karainda direkt betreffen,nehmen vor allem auf seine Ttigkeit als Erbauer von Tempeln und alsSchutzherr von Uruk Bezug. Im Eanna in Uruk lie der Knig, der sich als

    Geliebter Hirte der Itar bezeichnete, einen der Inanna (sum. Itar) geweihtenTempel erbauen, der sicher zu den originellsten Bauten der kassitischenArchitektur gehrt. Die lngliche Form der Cella weist eine sonderbarehnlichkeit mit dem frhgeschichtlichen Tempel in Tepe Gaura auf (s. FischerWeltgeschichte, Bd. 2, S. 54). Bezeichnenderweise trgt schon ein Sohn desKarainda einen ganz und gar semitischen und babylonischen Namen: Izkar-Marduk.

    Aus Dokumenten der Regierungszeit des Karainda erfhrt man zumerstenmal, da Babylonien als Land Kardunia bezeichnet wurde. In einerInschrift ber den Bau des Tempels der Inanna bezeichnete sich Karainda alsKnig der Stadt Babylon, Knig von Sumer und Akkad, Knig der Kassiten undKnig von Kardunia.

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    Abb. 2: Fassade des Inanna-Tempels in Uruk

    Mit diesem sicher kassitischen Namen6, mit dem Babylonien wahrscheinlichschon lange vor der Zeit des Karainda benannt wurde, wurde in ZukunftBabylonien in einigen Inschriften der Knige der kassitischen Dynastiebezeichnet; dies geschah aber vor allem im Ausland, wie gyptische, hethitischeund syrische Quellen bezeugen. Was die Assyrer anlangt, so meinten sie mitKardunia den sdlich ihrer Grenzen gelegenen Teil Mesopotamiens, der sichunter kassito-babylonischer Herrschaft befand.

    c) Die Entfaltung Babyloniens unter Kadaman-arbe und Kurigalzu

    Der auf Karainda folgende Sohn, Kadaman-arbe7, kmpfte gegen die Suter(Sut); dies geht aus einer babylonischen Chronik hervor, in der jedochKadaman-arbe als Enkel des Knigs Aur-uballi von Assyrien bezeichnet

    wird, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren war. Es ist mglich, da essich hier um die Suter aus der syrischen Wste handelte, wie H. Lewy meint;Kadaman-arbe ordnete ihre Ausrottung von Sonnenaufgang bisSonnenuntergang an. Gleichzeitig baute er auf dem Berg I-I eine Festung,lie einen Brunnen graben und siedelte an dieser Sttte einen Militrposten an,um dieses Gebiet gegen die Einflle der Nomaden zu schtzen. H. Lewy glaubt,da der Feldzug gegen die Suter im Rahmen der freundschaftlichen

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    Beziehungen zwischen gypten und Babylon gesehen werden mu undvielleicht unternommen wurde, um dem Nachfolger Thutmosis III., AmenophisII., bei der Befriedung Syriens zu helfen.

    Der Nachfolger Kadaman-arbes, Kurigalzu I., setzte diese Politik fort. Mitihm gelangte Babylon wieder zum Rang einer Gromacht. Sein Name bleibt mit

    der Erbauung von Dr-Kurigalzu verbunden; diese Stadt lag etwa 17 kmnordwestlich von Bagdad, wo sich heute Aqarqf befindet. Im Norden waren dieBerge des ebel amrn ihre natrliche Befestigung. Die Errichtung einesPalastes und zahlreicher Tempel lt darauf schlieen, da Kurigalzu mit derErbauung dieser Stadt sich nicht darauf beschrnkte, das Beispiel vonSamsuiluna zu befolgen, der beabsichtigt hatte, mit der Erbauung von Dr-Samsuiluna vor allem die Nordwestgrenze gegen die Streifzge der Bergruberzu verstrken. Es ist mglich, da Kurigalzu mit der Verlegung seiner Residenzan einen durch die Natur geschtzten Ort nicht einzig und allein einstrategisches Ziel im Auge hatte, sondern vielleicht auch plante, sich von

    Babylon und der Priesterschaft von Esagil freizumachen. Er zeigte groen Eiferin der Verehrung des Enlil zwei seiner Shne trugen theophore Namen, die mitEnlil zusammengesetzt waren , er legte sich Titel wie Knig der gleichen unterseinen Vorgngern und Knig der Gesamtheit zu. Daraus gehtunmiverstndlich hervor, welche Absichten dieser Knig hatte; er wollte sichauf eine von einem kassitischen Knig noch nie erreichte Hhe schwingen undsich als einen Herrscher anerkannt wissen, der mit der Macht ber die Erdeausgestattet sei, die Enlil im Kreis der Gtter innehabe. Andere Faktoren strkennoch diese Hypothese. Vor allem machte sich Kurigalzu dasGottesdeterminativ8, das seit der III. Dynastie von Ur kein Knig mehr seinem

    Namen vorangestellt hatte, aufs neue zu eigen. Zudem zeigt der Umstand, daer sich auf einer Inschrift9 von den Gttern mit den nur ihnen zustehendenEigenschaften geschmckt erwhnt, ohne jeden Zweifel seinen Willen, seineKnigsherrschaft mit den alten Vorbildern und vor allem mit den Knigen derDynastie von Akkade zu verbinden (siehe Fischer Weltgeschichte, Bd. 2, S. 109).

    In Babylon, der Residenz der kassitischen Knige, der ewigen Stadt, habendie groen Gtter im Tempel der umaliya und des uqamuna das Amt desKurigalzu erhht; sie haben ihn mit dem Schmuck des gttlichen Glanzesgeziert (melamm) und haben ihn mit den Abzeichen der Knigsherrschaftgeschmckt. Diese Zeilen einer Inschrift, deren Original uns berliefert ist10,spielen ganz offenkundig auf die Weihe des Knigs an. Es ist bezeichnend, dadie persnlichen Gtter der kassitischen Dynastie, die Gttin umaliya und derGott uqamuna, in der vordersten Reihe in Erscheinung traten; dagegen scheintim Augenblick der Thronbesteigung weder vom Esagil, dem Tempel Marduks inBabylon, noch vom Gott selbst die Rede zu sein. Whrend der Gott ama, dasheit die Sonne, die sich anscheinend einer immer grer werdenden Verehrungin der kassitischen Epoche erfreute, und die Dreiheit der groen Gtter, nmlichAnu, Enlil und Ea, sofort danach erwhnt werden, wird erst viel spter im Text

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    auf die Gunst angespielt, die Marduk Kurigalzu bezeugte. Es ist brigensmglich, da die Grndung einer Stadt wie Dr-Kurigalzu mittelbar den Prozebeschleunigt hat, in dessen Verlauf Babylon zu einer mit Vorrechtenausgestatteten Stadt wurde, deren Einwohner sich bestimmter Privilegien, vorallem der Befreiung von der Steuer erfreuten. Kurigalzu war derjenige, der die

    Befreiung der Einwohner Babylons durchgefhrt hat, der sein Volk von denLasten um dessentwillen befreit hat, der seine (des Knigs) Regierung liebt, umdes Gottes Marduk willen ... der die Einwohner von Babylon auf einer grnenWiese ruhen lt.d) Die Beziehungen zwischen Babylonien und gypten in der Amarnazeit.Der Goldhandel

    In der Auenpolitik scheint man die seit drei Generationen eingeschlagene Linienicht verlassen zu haben. Es sieht so aus, als ob das Bndnis mit gypten durchdie Entsendung einer kassitischen Prinzessin (einer Tochter Kurigalzus?) zum

    Pharao Amenophis II. (14381412) noch fester geknpft wurde.Diese von Kurigalzu verfolgte Politik wird auch in der Weigerung deutlich,die er dem Angebot einiger Kleinknige Syriens, gypten in diesem Gebietabzulsen, entgegengestellt haben soll. Dies ist einerseits sicher das Zeicheneiner gewissen Kontinuitt, aber auch ein Zeugnis dafr, da Babylonien zudiesem Zeitpunkt, wie dies H. Lewy sehr scharf beobachtet hat, seine Stellung imInneren gefestigt und, international gesehen, sich eine feste Position erworbenhat, die es einen gypten und dem hethitischen Knigreich ebenbrtigen Rangeinnehmen lie. Diesen Erfolg verdankte es zum groen Teil dem prekrenCharakter der gyptischen Herrschaft ber Syrien und den inneren

    Schwierigkeiten Mitannis, aber auch der Persnlichkeit Kurigalzus. Was seinenSohn Kadaman- Enlil anlangt, so ist uns sein Charakter viel besser bekannt alsseine politische Ttigkeit. Die wenigen Briefe, die die Korrespondenz zwischenKadaman- Enlil und Amenophis III. (14921364) bilden und die durch dieArchive von Amarna uns aufbewahrt wurden, sind voller Vorwrfe familirerNatur. Es ging hier vor allem um das Schicksal der Schwester Kadaman-Enlils,die die Gemahlin Amenophis geworden war, die aber niemand aus dem Kreisder Gesandten des babylonischen Knigs mehr bei Hof gesehen hatte, sowie umeine gyptische Prinzessin, die Kadaman-Enlil zur Frau haben wollte. DieAntwort Amenophis ist es wert, da wir sie zitieren: Frher wurde einegyptische Knigstochter nie irgend jemand zur Ehe gegeben. Darauf erwiderteKadaman- Enlil: Bist du nicht Knig? Handle doch darum, wie es dir gutdnkt. Wenn du (deine Tochter) zur Ehe gibst, wer kann dir widersprechen?Aber Amenophis antwortete nicht. Dagegen scheint er sehr darauf bedachtgewesen zu sein, seinen Harem noch um eine weitere kassitische Prinzessin zubereichern, die ihm Kadaman-Enlil schlielich auch sandte. Die auslndischenFrauen kniglichen Geblts, die an den Hof gyptens strmten kassitischePrinzessinnen aus Babylon und urritische Prinzessinnen aus Mitanni

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    erscheinen demnach als ein entscheidender Faktor des kniglichen Handels, derin dieser Zeit der einzige Handel berhaupt ist. Denn es ging hier um einHandelsgeschft im eigentlichen Sinn, ohne da sich mit diesem Ausdruck einpejorativer Sinn verbindet. Die asiatischen Knige schickten ihre Tchter an dengyptischen Hof, wo sie dem Pharao Kinder schenkten. So wurde ein Gewebe,

    dessen einzelne Fden durch die Blutsbande gebildet wurden, zwischen demHof gyptens und den Hfen von Babylon, Mitanni und denen anderer Lndergeknpft. Der gyptische Hof war zwar darauf bedacht, in den Besitzauslndischer Prinzessinnen zu gelangen; dagegen stellte er selbst imallgemeinen keine Ehegattinnen fr auslndische Herrscher. Als Gegenleistungfr diese jungen Frauen bot aber gypten eine ebenso wertvolle Substanz wiedas Blut, nmlich Gold, an, dessen die kassitischen Knige in stndigzunehmendem Ma bedurften, um ihr Verlangen, Palste und Tempel zu bauen,befriedigen zu knnen. Diese Bauten weihten sie vor allem einheimischenGttern. Alle Briefe Kadaman-Enlils hallen von der Klage wider: Wenn du kein

    Gold schickst, dann kann ich die Arbeiten, die ich angefangen habe, nichtweiterfhren. Das Gold ist noch nicht angekommen; wie soll ich den von mirbegonnenen Bau fortsetzen? Das Gold ist endlich angelangt; aber es war vonschlechter Qualitt. Nachdem man es in den Schmelzofen gelegt hatte, erhieltman nur eine recht geringe Menge. Dies ging so weit, da wir in denuerungen, die Burnaburia II. (1375 bis um 1347), der Sohn Kadaman-Enlils,in einem Brief Amenophis IV. (13641347) entgegenhielt, auf Aussagen vonsprichwrtlichem Charakter stoen: Zwischen den Knigen bestehenBrderlichkeit, Freundschaft, Bndnis und gutes Einvernehmen (nur) solange,als gewichtige Gaben von wertvollen Steinen, Silber und Gold gespendet

    werden.Das Gold, das seinen Charakter als schlechthin wertvolle undsonnenstrahlende Materie unverndert beibehlt und dadurch ein Symbolstolzen Reichtums der Knige bleibt, ein Gut, das Gttern und Knigenvorbehalten ist, wurde in dieser Zeit auch zu einem in der Wirtschaft gltigenWert. Wir finden das Gold die dahinfhrende Entwicklung bleibt in Dunkelgehllt , von einem bestimmten Zeitpunkt an (Burnaburia II.) in Babylonienund noch frher in Nuzi als Zahlungsmittel bezeugt, als Geld neben Silber undanderen weniger wertvollen Metallarten wie Zink und Bronze. In Nuzi war einGold-Schekel der Preis, der fr 19 Homer Gerste (etwa 160 kg) bezahlt wurde,die nach der Ernte angeliefert wurden. Seltsam, da das Verhltnis 1: 9 von Goldund Silber unverndert blieb.e) Burnaburia und die Besttigung der Unabhngigkeit Assyriens

    Der Nachfolger Kadaman-Enlils, Burnaburia II., regierte sehr lange. SeinBriefwechsel mit den Pharaonen erstreckte sich in der Tat ber einen Zeitraum,der mit den letzten Jahren der Regierungszeit Amenophis III., mit derRegierungszeit Amenophis IV. und mit dem ersten oder zweiten Jahr derjenigen

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    Tutanchamuns (1348 bis 1338) zusammenfiel. Wie sein Grovater und sein Vaterso fhrte auch er den Titel Knig der Gesamtheit (ar kiati); dieseBezeichnung erscheint uns vor allem gegen Ende seiner Regierungszeit einwenig abgewertet. Seine Briefe zeigen ihn als guten Politiker und seinem Vateran Klugheit unendlich berlegen.

    Gerade durch die Unbestndigkeit der internationalen Lage wurde deutlich,da sich in diesem Teil der Welt ein neues Gleichgewicht der Krfte zu bildenbegann. Mitanni war nach dem Tod uttarnas und der Ermordung seinesNachfolgers schweren inneren Spaltungen ausgesetzt; es hatte an seiner Spitzeeinen Knig namens Turatta, der noch ein Kind war. Die Assyrer zogen aus denUnruhen, in denen sich die Mitanni befanden, ihren Nutzen und begannen sichzu rhren. Es herrscht aber in allen unseren Kenntnissen ber Assyrien whrendder ersten Hlfte des 14. Jahrhunderts groe Verwirrung. Es ist wahrscheinlich,da die Herrschaft Mitannis ber Assyrien nicht auf einen Schlag von Aur-uballi beseitigt werden konnte. Man mu vielmehr die Ansicht gelten lassen,

    da Zeiten nationaler Unabhngigkeit die lange Fremdherrschaft unterbrochenhaben. Mu man zudem an der Meinung festhalten, da Mitanni in der erstenHlfte des 14. Jahrhunderts die einzige Macht war, die zu ihrem Vorteil die Handauf die assyrische Unabhngigkeit gelegt haben konnte? Oder mu man sichvorstellen, wie man dies schon getan hat, da Babylonien schon in der ZeitKurigalzus I. Mitanni in Assyrien abgelst hat: H. Lewy, die sich auf einigeTatsachen sttzte, glaubte, dies beweisen zu knnen. Es stimmt, da BurnaburiaII. in einem an den Pharao gerichteten Brief die Assyrer als seine Untertanenbezeichnete und sich darber entrstete, da eine assyrische Gesandtschaft esgewagt htte, sich am Hof von gypten so vorzustellen, als ob sie vom Knig

    von Babylonien gesandt worden wre. Die ganze Stelle knnte den Gedankenwachrufen, Babylonien habe zu diesem Zeitpunkt seine Hand auf den NordenMesopotamiens gelegt; von dieser Okkupation versuchten sich die Assyrer abergerade dadurch zu befreien, da sie Beziehungen mit gypten anknpften. Wiekann man aber eine babylonische Herrschaft ber den Norden Assyriens mit dervon Turatta befohlenen Entsendung des allerheiligsten Standbildes der Itarvon Ninive an den Hof von gypten, durch die man dem kranken PharaoLinderung verschaffen wollte, vereinbaren? Um in dieser Weise ber dasStandbild der Gttin verfgen und auch darin den Spuren seines Vatersuttarna, der schon einmal die Gttin nach gypten entsandt hatte, folgen zuknnen, mute Turatta allem Anschein nach noch zu dieser Zeit dieentscheidende Gewalt ber diesen Teil Assyriens ausben.

    Man knnte auch noch ber die Bedeutung streiten, die in diesemZusammenhang einige Ereignisse gewinnen, wie zum Beispiel die von Aur-uballi veranlate Entsendung einer seiner Tchter an den Hof von Babylon,damit sie dort einen Sohn des Burnaburia oder Burnaburia selbst heirate. Es istmglich, da man darin einen Beweis fr die Unterlegenheit der Stellung desKnigs von Assyrien verglichen mit der des Knigs von Babylon sehen mu.

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    Dies wrde dem Sachverhalt entsprechen, den wir weiter oben in bezug auf diePrinzessinnen Asiens, die an den Hof von gypten strmten, aufzeigten. Oderfdelte Aur-uballi so ein politisches Spiel mit weitgesteckten Zielen ein,rechnete er schon damit, eines Tages durch die Vermittlung seiner Tochter eineKontrolle ber Babylon ausben zu knnen?

    Es ist schwierig, hier die richtige Antwort zu geben. Der Sohn der assyrischenPrinzessin Muballiat-erua und unmittelbare Nachfolger Burnaburia auf demThron hie Karaarda. Seine Regierung war aber nur von kurzer Dauer. DieGeschichte dieser Zeit berichtet uns, da sich die kassitischen Adligen gegen ihnemprten und ihn tteten. Diese kurze Erwhnung eines blutigen Ereignissesstand zu einem bedeutenden, uns interessierenden geschichtlichen Hintergrundin Beziehung. Es handelte sich nicht nur um eine chauvinistisch geprgteFeindseligkeit einiger kassitischer Elemente gegen den Sohn einer Assyrerin, zuder sich die Unzufriedenheit der Untertanen des jungen Knigs entwickelt hatte,sondern auch Folgendes ist noch zu bedenken: zwischen der Heirat Muballiat-

    eruas und der Thronbesteigung Karaarda stand eine Reihe von Ereignissen,in deren Folge sich die Lage Assyriens vollkommen nderte.Hier mu vor allem das erneute Vorrcken uppiluliumas im Norden

    Mesopotamiens bis nach Waukanni (siehe S. 143) erwhnt werden, durch dasin unheilvoller Weise der staatliche Zusammenhang Mitannis zerstrt wurde;dieses Ereignis bot gleichzeitig Aur-uballi die schon seit langem erhoffteGelegenheit, unabhngig zu werden. Wie wir schon gesehen haben, konnteBurnaburia ein in vollem Aufstieg begriffenes Assyrien nur als eine stndigeund unmittelbare Bedrohung Babyloniens empfinden. Sein politischer Scharfsinnmute es ihm wnschenswert erscheinen lassen, das aus den Trmmern

    erstandene Mitanni-Knigreich mchte noch stark genug sein, ein Gegengewichtgegen Assyrien bilden zu knnen. Deshalb vielleicht verfolgte er einen konkretenPlan, der darauf abzielte, die Regierung des Usurpators Artatamas, desNachfolgers Turattas auf dem Thron Mitannis, nicht zu schwchen, wenn erMattiwaza, dem rechtmigen Sohn Turattas, das Asylrecht verweigerte. Dieserhatte sich mit 200 von einem Offizier namens Aki-Teup befehligtenKampfwagen aus seinem Land geflchtet und versuchte, sich Hilfstruppen zuverschaffen, um seinen Thron wiederzuerobern.

    Wir haben auch gesehen, da die Absicht Burnaburia, Assyrien in einer Artpolitischer Vormundschaft zu halten, zum Scheitern verurteilt war. DieUnabhngigkeit Assyriens wurde vom Pharao verbrgt. Der Umstand, daAur-uballi sich in einem Brief (siehe S. 78) auf die gleiche Ebene wie derPharao stellte, zeigt dies gut. Als Burnaburia starb, hatte Aur- uballi dieMglichkeit, die babylonische Politik mit Hilfe seines Enkels zu kontrollieren.Diese Situation wollten die Frsten Babylons auf alle Flle ndern; darumbrachten sie Karaarda um und setzten an seiner Stelle einen echten Kassiten,nmlich Nazibuga, ein.

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    Die folgenden Ereignisse haben gezeigt, da die Befrchtungen der Aufrhrernicht unbegrndet waren. Aur-uballi reagierte sofort auf die Ermordungseines Enkels. Unter dem Vorwand einer Rache fr Karaarda drang er inBabylonien ein, ttete Nazibuga, den Sohn eines niemand ihn hatten ja dieBabylonier auf den Thron erhoben und weihte Knig Kurigalzu II. (13451324),

    einen Sohn Burnaburia. Die Regierung von Nazibuga kann also kaum lngerals einige Monate gedauert haben.f) Kurigalzu II.: Die Eroberung Elams

    Der Knig, den Aur-uballi in gewisser Weise den Babyloniern aufgedrngthatte, ging als Kurigalzuiru, der Junge, als zweiter Trger dieses Namens, indie Geschichte ein; dieser Umstand dies sei angedeutet scheint vonvornherein jedes Recht auf die Annahme eines hypothetischen Knigs Kurigalzu,der im 16. Jahrhundert regiert haben und den beiden anderen Knigen diesesNamens vorausgegangen sein soll, zu zerstren. In diesem Fall htte Kurigalzu,

    der Sohn des Burnaburia, der letzte dieser drei Knige, sich nicht als denzweiten dieses Namens bezeichnet. An einer bersetzung von iru durchklein, jung, die besagen wrde, da Kurigalzu noch ein Kind war, als er durchden energischen Aur-uballi auf den Thron erhoben wurde, wird man kaumfesthalten drfen.

    Man kennt keine Zeugnisse ber die Assyrienpolitik Kurigalzus whrend derletzten Lebensjahre Aur-uballis. Sobald der Nachfolger dieses Knigs, Enlil-narri, den Thron Assyriens bestiegen hatte, soll sich nach der synchronistischenGeschichte Kurigalzu erhoben und die Assyrer angegriffen haben. Enlil-narri,der Knig von Assyrien, kmpfte in der Nhe von Sugagi, das am Idiglat-Flu

    (Tigris) liegt. Er brachte ihm (nmlich Kurigalzu) eine Niederlage bei. Er tteteseine Soldaten. Er fhrte sein ganzes Lager fort. Nach dieser Niederlage nahmman eine neue Grenzberichtigung zwischen diesen beiden Lndern vor, indemman das Gebiet, das an der von Subaru nach Babylonien fhrenden Strae lag, inzwei Hlften teilte. Da sich diese kriegerische Operation fr Assyrien durch dieAngliederung einiger neuer Gebiete auszahlte, wurde durch Adad-narri I.(13071275) besttigt, als er seinen Grovater Enlil-narri folgendermaenbezeichnete: Er ist derjenige Frst, der die kassitische Armee vernichtete unddessen Hand alle seine Feinde niederschlug; derjenige, der die Grenzen und dieGebiete erweitert hat.

    Durch diese Niederlage wurden jedoch fr eine geraume Zeit die VerhltnisseAssyrien gegenber in Ordnung gebracht. Kurigalzu wandte seineAufmerksamkeit dem anderen traditionellen Feind Babyloniens, Elam, zu, frdas sich die kassitischen Knige seit mehreren Generationen nicht mehrinteressiert zu haben scheinen. Man mu betonen, da dieses Mal die Initiativewahrscheinlich nicht von Kurigalzu, sondern vom Knig Elams mit dem starkurritischen Namen urpatila ausgegangen ist. Nachdem er seine Truppen beiDr-ulgi jenseits des Meerlandes versammelt hatte, forderte er seinen Gegner

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    zum Angriff heraus. Als er in der von ihm selbst provozierten Schlacht besiegtworden war, wurde er bis nach Elam, wohin er sich zurckgezogen hatte,verfolgt. Kurigalzu rckte bis nach Susa vor. Er besetzte diese Stadt undverwstete beim Durchmarsch Barae und Elam. Durch die Ausgrabungen inSusa wurden viele Denkmler freigelegt, die an den Sieg Kurigalzus ber

    urpatila erinnern sollten; unter anderem handelt es sich um ein Bruchstckeines Standbildes aus Kalkstein, das auf der Akropolis gefunden wurde und dasKurigalzu darstellen soll. Es trgt an der linken Schulter folgende Inschrift:Kurigalzu, der Knig der Gesamtheit, der Susa und Elam geschlagen undMarai11 vernichtet hat. Der Knig versumte nicht, seine Verehrung fr dieOrtsgtter dadurch zu zeigen, da er dem Gott Saaran einen Skarabus ausAchat und dem Gott Enlil einen Szepterknauf weihte. Unter den Beutestcken,die er aus der eroberten Stadt mitfhrte, befand sich auch ein Tfelchen ausAchat, das einst der Inanna fr das Leben von ulgi geweiht worden war (vgl.Fischer Weltgeschichte, Bd. 2, S. 1378.). Kurigalzu widmete dieses Stck Enlil in

    dem groen Tempel dieses Gottes in Nippur und fgte noch eine Inschrift vonmehreren Zeilen hinzu, in denen er die Einnahme des Palastes von Susaberichtete. So total der Sieg Kurigalzus auch gewesen sein mag, er konnte jedochkeine dauerhafte babylonische Herrschaft ber Elam herbeifhren. Unter einerlokalen Dynastie konnte dieses Land recht schnell wieder zu seiner Einheitfinden. Die Dynastie wurde durch Ike-alki, der vielleicht aus Malamir, demheutigen Izah, 180 km sdlich von Susa, stammte, begrndet.g) Die Beziehungen zwischen Babylonien und dem hethitischen Groreichzur Zeit Kadaman-Turgus und Kadaman-Enlils II.

    Der Nachfolger Kurigalzus, sein Sohn Nazimarutta (1323 bis 1298), scheint auchauf militrische Erfolge in stlicher Richtung bedacht gewesen zu sein, aber inGebieten, die nrdlicher als Elam lagen. Wahrscheinlich rckte er dem Flulaufder Dijla entlang in Richtung auf das Gebiet von Namri vor, das bei dieserGelegenheit zum erstenmal genannt wird. Es knnte so aussehen, als sei diebabylonische Armee mindestens anfangs nicht auf ernsthaften Widerstand dereinheimischen Bevlkerung gestoen, und es hat den Anschein, als seien etwazehn in ihre Hand gefallene Marktflecken zum Gebiet von Nippur geschlagenworden. Aber diese Erfolge riefen bei den Assyrern nur das Gefhl wach, dieBabylonier knnten ihnen jetzt in den Gebieten, auf die sie es selbst abgesehenhatten, den Rang ablaufen. Die Reaktion der Assyrer erfolgte darumauerordentlich rasch und das babylonische Heer mute eine empfindlicheNiederlage hinnehmen. Wir wissen, da auch dieser Konflikt noch einmal durcheine Grenzberichtigung und durch einen Vertrag zwischen Nazimarutta undAdad-narri seinen Abschlu finden konnte; vielleicht besitzen wir einBruchstck dieses Vertrages. Ein anderes, noch nicht publiziertes Fragment ausAur scheint auch die herzlichen Beziehungen zwischen dem NachfolgerNazimarutta, Kadaman-Turgu (12971280), und Adad-narri hervorzuheben.

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    Aber die im Norden von Adad-narri errungenen Siege und vor allem dieEinnahme anigalbats muten zu einer Verstrkung der diplomatischenBeziehungen zwischen Babylon und dem Hethiterreich fhren.

    Dieses sah mit wachsender Unruhe die nach den Schlgen, die die assyrischenHeere Mitanni seit Aur-uballi beigebracht hatten, immer strker bedrohte

    Existenz dieses Pufferstaates. Schon die Ehe uppiluliumas mit einerbabylonischen Prinzessin, von der wir nur ihren hethitischen kniglichen Titel,nmlich Tawananna, kennen, war in dieser Absicht geschlossen worden. Diefreundschaftlichen Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten wurden in derRegierungszeit Nazimarutta und Muwatallis noch enger. Aber erst unter derRegierung attuilis wandelten sich diese freundschaftlichen Verbindungen zueinem richtigen gegenseitigen Bndnis- und Beistandspakt; dadurch wurdenzwischen diesen beiden Lndern Beziehungen geschaffen, bei denen humaneGesichtspunkte anscheinend nicht gefehlt haben. Eine der Vertragsklauseln sahin der Tat vor, da im Fall des Todes eines der beiden Vertragspartner der

    berlebende den Kindern des Abgeschiedenen zur Seite stehen und ihnen beider Erhaltung ihrer Macht behilflich sein sollte. Obwohl attuili vielleichtderjenige der beiden Knige war, der auf Grund seiner Stellung alsThronusurpator ein Bndnis mit Babylon am ntigsten brauchte, so hat dochwahrscheinlich Kadaman-Turgu letzten Endes den greren Nutzen aus diesemBndnis gezogen. Als dieser Knig nach einer Regierungszeit von 15 Jahrenstarb, hinterlie er einen noch sehr jungen Sohn, fr den ein allmchtigerMinister mit einem gut babylonischen Namen, der r arri Itti-Marduk-balu,die Regierung fhrte. attuili kam seinem Versprechen nach, indem er an dieVornehmen Babylons schrieb und sie bat, den Thron des jungen Knigs

    Kadaman-Enlil II. (12791265) zu schtzen. Aber Itti-Marduk-balu hatte seineeigenen persnlichen Ansichten in dieser Frage. Es gelang ihm, attuili zuhintergehen und auf den jungen Knig Einflu zu gewinnen. Darauf folgte einePeriode der Abkhlung in den Beziehungen zwischen beiden Hfen.attuili fhrte Klage darber, da Babylon keine Gesandten mehr nach

    attua schicke unter dem Vorwand, sie liefen dabei Gefahr, in die Hnde derAlam-Ruber zu fallen. Darauf antwortet attuili: Im Lande meines Brudersgibt es mehr Pferde als Stroh. Soll ich vielleicht auch noch tausend Kampfwagenzur Verfgung stellen, damit die Botschafter bis nach Tuttul gelangen knnen?Bei dieser Gelegenheit hrt man von den Scharen der Alam, d.h. von jenenNomaden, die spter nach der Bezeichnung einer ihrer Sippen, nmlich derAram, den Namen Aramer fhren sollten. Obwohl die Worte von attuilisicher ironisch gemeint waren, bestand doch eine wirkliche Gefahr. Die entlangdem Euphrat von Babylon nach attua fhrende Strae wurde vom Mittellaufdieses Flusses an sehr unsicher. Denn in dieser Zeit tauchten die Alam auf, diebald als bewaffnete Sldnerhaufen im Dienst einer Macht zum Beispiel derHethiter auftraten, bald aber ihre Streifzge auf eigene Faust durchfhrten. Sokann man unter den Soldaten, die die Tore in Nippur bewachen, auch eine

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    Gruppe der Alam feststellen. Es sieht aber brigens so aus, als htten dieAlam auch eine ganz und gar friedliche Ttigkeit ausgebt und sich inGruppen oder einzeln als Arbeiter in den landwirtschaftlichen Betriebenverdingt.

    Ihre groe Kenntnis der Wste machte auf der anderen Seite die

    Nomadenstmme der Alam, der Sut und auch andere bei der Durchquerungder weiten Wstenstrecken zu wertvollen Fhrern. Diese Fhrer waren gewiwertvoll, aber nicht immer zuverlssig, wenn man der bitteren ErfahrungGlauben schenken darf, die ein Emissr des Knigs von Assyrien, als er sich nachgypten begab, mit einem Sut- Fhrer machte. Man hat oft auf diese Nomadenfr den Warentransport zurckgegriffen. Zweimal, so erfhrt man, geleitetenAlam mit Gold beladene Karawanen. Man erwartete sie stndlich in Nippur,wo sie eintreffen sollten. Einmal scheinen sie einen ungewohnten, weiter sdlichin Richtung auf das Meer verlaufenden Weg eingeschlagen zu haben.Andererseits werden in mehreren aus Tilmun (dem heutigen Bahrain)

    stammenden und von einem babylonischen Beamten an den Gouverneur vonNippur gerichteten Briefen groe Mengen von Datteln erwhnt, die die Alamgeraubt haben. Es hat den Anschein, da es sich auch in diesem Fall um Alamgehandelt habe, die als Fhrer eines Geleits angestellt waren, obwohl derselbeBeamte in einem anderen Brief ber die Alam Klage fhrte, weil sie ihmgegenber unaufhrlich die Sprache von Feinden und Rubern redeten.

    Die Regierungszeit Kadaman-Enlils II. dauerte fnfzehn Jahre. Letztlichknnen ihm nur sehr wenige Denkmler mit Sicherheit zugeschrieben werden.So ist es wahrscheinlich, da eine Stele, durch die man eine durch den groenKurigalzu, den Knig ohngleichen, den Sohn des Kadaman-arbe, an einen

    Priester Enlils erfolgte Schenkung erneuerte, eher Kadaman-Enlil I.zugeschrieben werden mu.12Seine Persnlichkeit zeichnet sich fr uns, wie aus einem Spiegel

    zurckgestrahlt, in den Worten ab, die sein Beschtzer attuili III. in seinenBriefen an ihn richtet. Dieser spielte auf das Mannesalter an, in das Kadaman-Enlil gekommen sei; er gbe sich jetzt dem edlen Sport der Jagd hin. Da sofortnachher der Krieg erwhnt wird, zeigt, welch enge Verbindung fr die damaligeZeit zwischen diesen beiden Ttigkeiten bestand. Die Worte attuilis warennicht aus der Luft gegriffen; sie werden im allgemeinen in dem Sinn gedeutet,da sie seinem Schtzling den Weg zur Eroberung Assyriens nahelegensollten. Wir wissen nicht, ob der kassitische Knig dem Rat folgte, sich mit einemFeind zu messen, den er nach den Angaben attuilis zwei- bis vierfach anZahl bertraf. Wenn der dem Gott Marduk fr das Aktu-Fest dargebrachteParadekampfwagen dies geschah nach einem Sieg, den ein Knig dieserEpoche errungen hatte; von seinem Namen ist nur noch die zweite Hlfte,nmlich Enlil, erhalten von Kadaman-Enlil II. geopfert worden wre, dannknnte man daraus vielleicht schlieen, da er den Rat des hethitischen Knigsbefolgte und da seine Unternehmung von Erfolg gekrnt war. Aber auch hier

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    ist durch nichts erwiesen, da es sich nicht um den ersten Knig dieses Namenshandelte.h) Politischer Verfall und Wirtschaftskrise

    Von der Auenpolitik der beiden Nachfolger Kadaman-Enlils II., Kudur-Enlils

    I., der neun (12641255), und seines Sohnes agarakti-uria, der dreizehn Jahre(12551242) regierte, wissen wir so gut wie nichts. Dagegen wurden zahlreicheTexte, die aus der Zeit ihrer Regierung stammen, teils in Nippur, teils in Dr-Kurigalzu ausgegraben. Die Archive einer Bankiersfamilie sind teilweiseerhalten; diese Familie scheint in jener Zeit ihre grte Blte erreicht zu haben.Die groe Zahl von Anleihen, die uns durch diese Archive bezeugt werden,zeigt, da der Aufschwung dieser Familie vielleicht in Zusammenhang mit einerschwierigen Wirtschaftslage dieses Landes stand. Die zahlreichen Flle vonInhaftierungen, auf Grund von Schulden, die man in dieser Epoche beobachtet,scheinen in die gleiche Richtung zu weisen. Von wirtschaftlichen

    Schwierigkeiten zeugt auch die groe Zahl von Personen, die wegen ihrerSchulden oder einfach von der Notwendigkeit des Weiterlebens getrieben ingewisse Formen der Selbstverknechtung einwilligten, die einer Versklavungnahekamen. Zahlreiche Dokumente dieser Epoche bezeugen, da ganze Familienvon einem Ort zum anderen, je nach den Erfordernissen der Arbeit, verschicktwurden. Diese Umsiedlung erfolgte unter der Brgschaft eines Staatsbeamten,der fr die Flucht, ja sogar fr die Arbeitsunfhigkeit eines dieserZwangsarbeiter verantwortlich gemacht wurde und dafr durch den Verlustseiner eigenen Freiheit einzustehen hatte. Es ist mglich, da einFreistellungsdekret von Abgaben (zaktu), das den Einwohnern von Nippur

    durch agarakti-uria gewhrt wurde es wird in einem nochunverffentlichten Text erwhnt , in einem unmittelbaren Zusammenhang miteiner wirtschaftlichen Situation stand, deren drckende Last derartigegrozgige Manahmen erforderte. Die Flucht ganzer Familien in Gebiete, diewirtschaftlich besser gestellt waren und auerhalb der Grenzen Babylonienslagen, war allerdings eine Erscheinung, die sich whrend dieser ganzen Zeit oftzeigte und auch schon frher hufig eingetreten war. Wir stoen auf die abiru,eine aus Akkad, das heit Babylonien, stammende Volksgruppe, die sich gegendie Mitte des 15. Jahrhunderts in Nuzi befanden und dort als freiwillige Sklavenlebten.

    Zeugnisse ber die Bauttigkeit des Knigs agarakti-uria fehlen nicht.Nabonid (555539) schreibt ihm die Errichtung des Eulma-Tempels in Sipparzu. Seine Ttigkeit erstreckte sich auch auf die Tempel von Dr-Kurigalzu. Erzeigte seine Verehrung gegenber den Gttern von Nippur, indem er ihnenagalmata aus wertvollem Material weihte; es handelt sich hier um einen Block ausLapislazuli fr Nusku und um einen Phallus aus Meerschaum fr Enlil. Wirwollen noch auf einen Gegenstand hinweisen, der diesem Knig gehrte; es isteine Perle aus Karneol, auf der man seinen Namen lesen kann. Diese Perle wurde

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    in Kalu (dem heutigen Nimrd) in Assyrien gefunden, wohin sie vielleicht voneinem der babylonischen Untertanen, die Knig Tukulti-Ninurta von Assyrieneinige Jahre spter nach Kalu deportierte, gebracht wurde.i) Der Fall Babylons: die assyrische Gefangenschaft des Marduk

    Der eherne Ring um Babylonien wurde immer enger. Als Katilia IV. (12421235) die Nachfolge seines Vaters antrat, sah die Lage folgendermaen aus: ImSdwesten, in Elam, regierte Unta-GAL, der mchtigste und tatkrftigsteNachkomme aus der Dynastie, die von Ike-alki begrndet worden war. Trotzseiner unermdlichen Ttigkeit als Erbauer von Tempeln sein Name bleibtunter anderem mit der Errichtung der Ziqqurat Tchoga-Zanbil, 42 km sdstlichvon Susa, verbunden verlor er die schwierige politische Situation, in der sichBabylonien befand, nicht aus den Augen. Im Norden und im Nordwestenwartete Tukulti-Ninurta auf seine Stunde.

    Wir wissen nicht, wann Unta-GAL seinen Vormarsch gegen Babylonien

    begann. Ein wichtiges Dokument fr diese Frage ist sicher eine in Susagefundene Stele. Auf ihr wies Katilia dem Agaptaa, einem Flchtling ausanigalbat, ein in der Umgebung der Stadt Padan liegendes Gebiet zu; dieseStadt befindet sich an der Nordostgrenze in der gleichen Gegend wie Lupti undZaban.13 Den Anspruch auf dieses Gebiet hatte schon zu Beginn der Kassiten-Dynastie Agum II. begrndet, indem er sich als Knig von Alman und Padanbezeichnete. Dadurch wird auf jeden Fall bewiesen, da sich zur Zeit desKatilia diese Gebiete noch innerhalb der Nordostgrenzen Babyloniensbefanden. Eine andere Quelle, auf Grund derer man die Datierung Unta-GALsvornehmen kann, ist die verstmmelte Statue eines Gottes, die ebenfalls in Susa

    gefunden wurde. Nach der hier eingravierten akkadischen Inschrift soll dieseStatue, die als Beute von Unta-GAL heimgebracht wurde, die Gottheit Immeriadarstellen, die man sonst nicht kennt. Nur eines steht fest: der Angriff Unta-GALs lag zeitlich vor dem Angriff der Assyrer.

    Man darf auerdem auch nicht auer acht lassen, da die Regierungszeit desKatilia nicht lnger als acht Jahre gedauert hat. Nun wissen wir aber, da sichwhrend der ersten fnf Jahre im Palast von Dr-Kurigalzu eine normaleTtigkeit entfaltet hat; davon zeugen die Mengen von Gold und Halbedelsteinen,die den Handwerkern zur Herstellung wertvoller Gegenstnde ausgehndigtworden sind. Es ist also mglich, da der Angriff der Elamiter in den letztenJahren der Regierungszeit des Katilia kurz vor dem Beginn derFeindseligkeiten mit den Assyrern erfolgte.

    Der Einfall Tukulti-Ninurtas (12441208) in Babylonien fand nach derEroberung des Gebietes von Gutium, das zwischen den Bezirken von Sukus undLallar lag, statt. Hren wir, in welchen Wendungen der Sieger diese Ereignisseberichtete: Mit der Hilfe von Aur, Enlil und ama, den groen Gttern,meinen Herren, und mit Untersttzung von Itar, der Herrin des Himmels undder Erde, die vor meinen Heeren gingen, traf ich auf Katilia, den Knig von

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    Kardunia, um den Kampf zu beginnen. Ich erzwang die Niederlage seinerTruppen und lie seine Krieger ins Gras beien. Mitten im Handgemenge konnteich mit meiner eigenen Hand Katilia, den Knig der Kassiten, fassen. Aufseinen adligen Nacken trat ich mit meinen Fen wie auf einen Schemel. AlsGefangenen zog ich ihn in Ketten vor Aur, meinen Herrn. Ich bemchtigte

    mich des ganzen Landes von Sumer und Akkad bis zu seinen Grenzen; an demUnteren Meer (Persischer Golf), da wo die Sonne sich erhebt, setzte ich dieGrenze meines Staates fest. Hier wird kurz, in einem knappen Stil und ohnerhetorische Umschweife das Ereignis berichtet. Katilia, der zu Beginn noch alsKnig von Kardunia bezeichnet wird, ist sechs Zeilen weiter nur noch derKnig der Kassiten.

    Man kann das Echo, das diese Eroberung in Assyrien hervorrief, daranabschtzen, da sie den Stoff fr ein Heldengedicht lieferte, in dessenMittelpunkt Tukulti-Ninurta und Katilia stehen. Man ist im Besitzverschiedener Berichte ber die Niederlage, die die Assyrer Katilia

    beibrachten. Was auf dieses Ereignis folgte, ist leider weniger klar. Einer Chronikzufolge soll Tukulti-Ninurta aufs neue gegen Babylon marschiert sein und diesesMal die Mauern der Stadt dem Erdboden gleichgemacht haben, nachdem erzuvor den Knig zum Gefangenen gemacht und nach Assyrien zurckgebrachthatte. Der Knig brachte dadurch zum Ausdruck, da die Stadt ihreUnabhngigkeit verloren habe. Eine groe Anzahl der Einwohner wurdehingerichtet, andere wurden nach Assyrien deportiert. Tukulti-Ninurtaplnderte die Schtze des Haupttempels, des Esagil, und die Palste. Er liedann den groen Gott Marduk von seinem Thron aufstehen und lie ihn denWeg nach Assyrien einschlagen. Fr ganz Babylonien wurde ein Vizeknig

    ernannt. Sieben Jahre lang regierte Tukulti-Ninurta auf diese Weise Kardunia.Danach erhoben sich die Groen des Landes und setzten Adad-ma-uur aufden Thron seines Vaters. Dieser Text steht im Widerspruch zur babylonischenKnigsliste, die als unmittelbare Nachfolger des Katilia vor Adad-ma- uurEnlil-ndin-mi und Kadaman-arbe II., von denen jeder anderthalb Jahreregiert haben soll, und Adad-ma-iddina, der die Regierungsgewalt sechs Jahreausgebt haben soll, erwhnt. Wer waren diese drei Knige?

    Handelte es sich um von Tukulti-Ninurta ernannte Vizeknige? Man hatdarauf aufmerksam gemacht, da die Frage schwierig zu sein scheint, wenn einebabylonische Knigsliste die Gouverneure der Besatzungsmacht als rechtmigeKnige angesehen htte. Dies gilt vor allem, wenn man dem unbedeutendenWiderspruch zwischen den sieben Jahren, whrend derer Babylonienvollkommen dem Reich Tukulti-Ninurtas einverleibt war, wovon die Chronikberichtet, und zwischen den neun Jahren, die die babylonische Knigsliste denunmittelbar anschlieenden drei Nachfolgern zuschreibt, kein zu groes Gewichtbeimit. Dieses Problem ist im Augenblick unlsbar. Nur eine einzige neueTatsache ist in der letzten Zeit in Erscheinung getreten. Es handelt sich hier umeine Inschrift auf einem Schwert, die krzlich verffentlicht wurde.14 Sie

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    beweist, da Adad-ma-uur wirklich der Sohn des Katilia war. Andererseitswird uns durch eine Stele ein bedeutungsvolles Detail vermittelt. Auf dieser Steleerklren die Knige Adad- ma-uur (1218 bis 1189) und Meliiu (11881174),die Nachfolger Adad-ma-iddinas, eine von dem letztgenannten bewilligteLandschenkung fr gltig. Dies wre ein seltsamer Vorgang, wenn Adad-ma-

    iddina nur ein Vizeknig gewesen wre, den die Assyrer an diese Stelle gesetzthtten.

    Ob nun die genannten Mnner rechtmige Knige oder Stellvertreter desKnigs von Assyrien gewesen sind, Babylonien scheint auf jeden Fall unter ihrerRegierung eine Periode der Schwche und der politischen Unsicherheitdurchgemacht zu haben. Die Elamiter versumten nicht, aus dieser Situationihren Vorteil zu ziehen. Sie hatten in ihrer Ohnmacht schon eine ganze Zeit mitansehen mssen, wie Tukulti-Ninurta sich Stdte einverleibte, die sie denBabyloniern seit langem wieder abzunehmen gehofft hatten. In Sdbabylonienmu die Schwche der Zentralgewalt noch offenkundiger gewesen sein als im

    Norden des Landes in der Nhe der assyrischen Grenze. Der elamitische KnigKiten-utran rechnete mit dieser Schwche und begann zum erstenmal einenAngriff auf Niedermesopotamien. Nachdem er den Tigris berschritten hatte,bemchtigte er sich der Stadt Isin und setzte seinen Marsch ins Zentrum desLandes fort, wobei er Nippur unterwarf. Nachdem er aufs neue den Tigrisberschritten hatte, verwstete er Dr; dabei verschonte er nicht einmal denTempel Edimgalkalamma und fhrte auerdem zahlreiche Gefangene weg. DerFall von Enlil-ndin-mi (1225) folgte. Einige Jahre spter lehnten sich dieGroen Babylons gegen die assyrische Staatsgewalt auf; dies ntzten dieElamiter aus und ergriffen die gnstige Gelegenheit zu einer zweiten

    Intervention. Nachdem sie wiederum den Tigris berschritten und sich Isinsbemchtigt hatten, gelangten sie nach Marad, wo sie auf die babylonischenTruppen stieen. Trotz eines militrischen Erfolgs muten sie aber offenbarwieder umkehren.j) Das Erwachen Adad-sma-uurs und der babylonische Einfall in Assyrien

    In Babylonien nderten sich die Verhltnisse rasch. Die Macht Assyriens, die mitTukulti-Ninurta einen Hhepunkt erreicht hatte, brach noch einmal zusammen.Tukulti-Ninurta wurde wahnsinnig oder fr wahnsinnig erklrt und mute vonder politischen Bhne verschwinden; er wurde von einem seiner Shne, der sichan die Spitze eines von den assyrischen Adligen geschrten Aufstands gestellthatte, gettet. Auf dem Thron dieses Herrn des Krieges folgten einander dreiseiner Shne (1207 bis 1193); einer wie der andere scheint recht unbedeutendgewesen zu sein. Der letzte dieser Knige, Enlil-kudur- uur, mute noch denEinfall babylonischer Truppen in Assyrien unter dem Befehl Adad-ma-uurs,des Sohnes des Katilia, erleben. Die sicher romanhaft gestaltete Chronikberichtet: nachdem die beiden Knige die Schlacht begonnen htten, sei derPrinz Ninurta-apil-Ekur, ein Nachkomme Erba-Adads I. (siehe S. 77), der in

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    Babylonien in der Verbannung lebte, nach Assyrien zurckgekehrt; dort sei esihm gelungen, das Vertrauen des assyrischen Heeres zu gewinnen und an seinerSpitze auf Aur zu marschieren, das er eroberte. Dagegen habe der babylonischeKnig sein Lager abgebrochen und sei in sein Land heimgekehrt. Die historischeWahrheit, die in diesem ausgeschmckten Bericht enthalten ist, ist wohl zu

    rekonstruieren. Auch Adad-ma-uur hegte den Wunsch, auf den ThronAssyriens mchte ein Mann gesetzt werden, dem er mehr Vertrauenentgegenbringen knnte als dem Sohn des ehemaligen Eroberers von Babylon.Sein Schtzling Ninurta-apil-Ekur, der wirklich von einem legitimen assyrischenKnig abstammte, war der Mann, den er brauchte. Deshalb hatte das Eindringender babylonischen Armeen nach Assyrien den Zweck, den Erfolg eines solchenpolitischen Vorgehens sicherzustellen.

    Adad-ma-uur seine Titel zeigen dies nahm die traditionelle Haltung derkassitischen Knige gegenber dem Gott Enlil, dessen Geliebter Hirte (oderPfleger) er war, und gegenber der heiligen Stadt Nippur, deren Kurator er

    war, wieder ein. Es ist jedoch berraschend, da dieser Befreiungsknig seineberlegene Stellung gegenber den assyrischen Knigen, seinen Zeitgenossen von dieser berlegenheit zeugen unter anderem die Formulierungen in seinemBrief an Aur-narri III. (12031198) und an Iluadd nicht ausgenutzt hat, umdie Rckfhrung des Marduk-Standbildes zu erreichen. So seltsam dies aucherscheinen mag, die Marduk-Statue wurde ihrer Stadt und ihrem Volk auchnicht whrend der Regierungszeit Ninurta-apil-Ekurs zurckgegeben, obwohldieser seine Thronbesteigung zum groen Teil der Hilfe der Babylonier zuverdanken hatte. Diese Rckfhrung erfolgte erst in der Zeit seines EnkelsNinurta-tukulti-Aur.

    Bei Meliiu, dem Nachfolger Adad-ma-uurs in Babylonien, taucht eineFrage auf. Handelte es sich um jenen Meliiu, der sich auf einer Inschrift alsSohn des Kurigalzu bezeichnete? Diese Inschrift ist auf einem Keulenknaufeingraviert, der in Babylon in einem Gebude aus der Partherzeit gefundenwurde.15 Das Fehlen jedes kniglichen Titels hindert uns nicht, diese Inschriftauf einen Knig zu beziehen. Man knnte vielleicht den Gedanken erwgen, ober der Nachfolger Adad-ma-uurs war. Dann htte der Ausdruck mru hiernicht die richtige und eigentliche Bedeutung Sohn, sondern Nachkomme.Die Regierungszeit Meliius, und auch die seines Sohnes Marduk-apla-iddins(Merodach-Baladan; 11731161) er war der erste Knig aus derKassitendynastie, der einen mit Marduk zusammengesetzten Namen trug mu eine Periode der Ruhe gewesen sein; dies bezeugen zahlreicheLandschenkungen. Eine dieser Schenkungen kam einer Tochter des Meliiuzugute, die den anmutigen und sprechenden Namen unnubat-Nan trug, d.h.Die Gttin Nan ist von ppiger Blte. Der kudurru, auf dem die kniglicheSchenkung eingetragen wurde, spricht von Trockenlegungsarbeiten, um ein amUfer des Knigskanals gelegenes Gebiet anbaufhig zu machen. Lndereien undOrte wurden von jeder Steuer befreit. Weder der leitende Beamte des Distrikts

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    noch der Gouverneur durften eindringen oder den Bewohnern Fronarbeitauferlegen.

    Marduk-apla-iddin war ein Zeitgenosse Aurdans von Assyrien. Erst unterZababa-ma-iddina (1160) verschlechterte sich die Lage Babyloniens und wurdeschlielich sehr kritisch. Aurdan berschritt den Unterlauf des Zab und

    bemchtigte sich verschiedener Stdte, wie Zaban und Irria, und der Ebene vonallu. allu, ein Grenzgebiet, war Gegenstand fortgesetzter Streitigkeitengewesen (siehe S. 43). Irria wird ebenfalls mehrfach in denLandschenkungsurkunden erwhnt. Diese recht bedeutende Stadt war derHauptort einer Provinz. Da Marduk-apla-iddin die drohende Gefahr nahenfhlte, setzte er dort einen Mann seines Vertrauens ein. Zaban, dessen Name anden Zab-Flu erinnert, befand sich wohl in derselben Gegend, nicht weit vonLupti, das vielleicht dem heutigen Taza- Khurmatu im Sden von Nuzientspricht. Letztlich war die militrische Operation Aurdans nur ein Streifzug;Assyrien war noch nicht stark genug, um einen lngeren Krieg gegen Babylonien

    wagen zu knnen.k) Der elamitische Blitzkrieg

    Unvergleichlich folgenschwerer war dagegen der lange Zeit vorher geplanteAngriff der Elamiter. Die Erinnerung daran setzte sich wie ein Alpdruck imBewutsein der knftigen Generationen fest. Der siegreiche Knig von Elam,utruk-Naunte, lie den Bericht ber seinen Sieg auf mehreren Steleneinmeieln. Nachdem die feindliche Armee den Ula (den heutigen Karun)berschritten hatte, ergo sie sich von Sden her ber Babylonien; sie eroberteStdte und Marktflecken und legte den Einwohnern schwere Tributzahlungen in

    Silber, manchmal sogar in Gold auf. Enunna, Dr-Kurigalzu, Sippar und Opiwurden erobert. Dieser Feldzug fhrte auerdem zu einem ungeheuren Raubvon Kunstwerken, die der Knig nach Susa brachte; dort haben die Archologenunserer Tage sie ausgegraben. Indem der elamitische Knig alle diese Zeugnisseeiner glanzvollen Vergangenheit aus den Tempeln ri, versuchte er in gewisserWeise, zusammen mit dem Land, auch die Grundlagen seiner Kultur zu erobern,welcher er und sein Volk seit Jahrhunderten verpflichtet waren. Alles, was an dieeinstige Macht Babylons erinnerte, befand sich von jetzt ab in Susa: in Enunnawar es ein Standbild des Manitusu, in Sippar die Stele des Narmsn, die anseinen Sieg ber Lullubi erinnerte, und gleichfalls vielleicht die aus Dioritgefertigte Stele, auf der die Gesetze ammurabis eingraviert sind; in einemanderen Distrikt (Ki?) war es der Obelisk des Manitusu, und in Akkad warenes zwei andere Standbilder dieses Knigs. Aber auch die jngste Vergangenheitwurde nicht vernachlssigt; dies bezeugt die Statue des Meliiu, deren sichutruk-Naunte in Karinta (dem heutigen Karend an der nach Kermnhfhrenden Karawanenstrae) bemchtigte. Indem er von dort das Standbild deskassitischen Knigs wegfhrte, wollte er ohne Zweifel jede Spur einerbabylonischen Prsenz in diesem Gebiet, das er als ihm gehrig betrachtete,

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    auslschen. Wenn man den Weg der elamitischen Heere der Reihenfolge dereroberten Stdte nach untersucht, kann man sehen, da der Knig nach derberwltigung der am Unterlauf der Dijla gelegenen Stdte in westlicherRichtung auf den Euphrat zu vorstie und Sippar eroberte. Nachdem er dadurchBabylonien in zwei Hlften gespalten hatte, rckte er unmittelbar gegen den

    Sden, gegen Ki, vor. So mute Babylon, vom brigen Lande abgeschnitten, fastohne Widerstand in seine Hand fallen. utruk- Naunte verjagte Zababa-ma-iddina und lie seine Regierung abtreten, berichtet eine etwas spterverfate Chronik. Dann bergab er die Staatsgewalt seinem ltesten SohnKudur-Naunte, dessen Verbrechen noch grer war als das seiner Vter unddessen schwerwiegende Snde noch verhngnisvoller war als die seiner Vter.In der Tat organisierte der neue Knig eine Art permanenter OkkupationBabyloniens; dies rief die Bildung von Widerstandszentren um einen Fhrernamens Enlil-ndin-ai (1159 bis 1157) hervor. Dieser Knig behandelte Elamals ein feindliches Land. Das Volk, das sich ohne allzu groe Anstrengungen

    hatte unterwerfen lassen, setzte von jetzt ab diesem Knig einen Widerstandentgegen, der den Zorn Kudur-Nauntes hervorrief. Er fegte die ganzeBevlkerung Akkads wie eine Sintflut weg. Er verwandelte Babylon und dieberhmten Kultsttten in einen Trmmerhaufen. Enlil-ndin-ai, der letzteKnig der Kassiten-Dynastie, wurde als Gefangener nach Elam gefhrt, und derGott Marduk mute einmal mehr den Weg ins Exil antreten. Ein Gouverneur,der nicht-babylonischer Herkunft war, wurde in dem Land eingesetzt.

    Auf einer sehr stark beschdigten Stele wird von einer von Enlil-nadin-aigewhrten Landschenkung berichtet; dabei bezeichnet sich dieser als Knig vonSumer und Akkad. Das scheint zu beweisen, da dieser Mann wirklich Knig

    war und seine Knigsgewalt trotz der auerordentlichen Umstnde ausbte.l) Ablsung durch Isin

    Die Ausdrcke, deren sich der Chronist bediente, um den Umfang diesesUnheils mit Worten wie Sintflut und Trmmerhaufen zu beschreiben,scheinen darauf hinzuweisen, da die von Kudur-Naunte durchgefhrteStrafaktion fr die Babylonier das Ende einer Epoche bedeutete, ein endgltiges,unerbittliches und alles zunichte machendes Unheil. Dennoch scheinen mit demTod des letzten Kassiten-Knigs in der Deportation und mit der vollendetenEroberung Babyloniens fr Elam noch nicht alle Fragen geregelt zu sein.

    Schon ilak-in-uinak, der als Nachfolger seines Bruders Kudur-Nauntekurz nach der Eroberung Babyloniens an die Macht gekommen war, mutegegen Ende seiner Regierung eine Reihe von Feldzgen in den nordstlichenGrenzgebieten Babyloniens fhren. Dort hatten sich in der Tat fr die SicherheitElams bedrohliche Widerstandsherde gebildet. Einige auf der Stele, auf der unsder erste dieser Feldzge berichtet wird, erhaltene Ortsnamen sind uns auchanderswoher bekannt. Es handelt sich um Bt-napph (Haus der Schmiede) undum einen a-barbar (Ort der Wlfe) genannten Ort. Diese Orte mssen sich

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    an der Grenze zwischen dem Gebiet von Nuzi und Assyrien befunden haben.Der erstgenannte Ort mu mit alu napp (Bezirk der Schmiede) und derzweite mit der Stadt Barbara identisch gewesen sein; beide werden mehrfach inden Dokumenten von Nuzi erwhnt. Die Kriegshandlungen haben sich also inRichtung auf das Gebiet am Unterlauf des Zab abgespielt.

    Weiter ist dann die Rede von einem Gebiet namens Ukar-silla-Epe, das heitvon ugar allu (Ebene von allu), in das Aurdan kaum einige Jahre zuvoreingefallen war; auch auf den Berg Ebe (den heutigen ebel amrn) kommtdie Sprache. Die Namen der uns teilweise bekannten Orte wie Matqa (vermutlichim ebel Kumar gelegen), Kibrat (wahrscheinlich Kibri im Nuzi-Text)ermglichen uns die Feststellung, da diese Feldzge sich an der Grenzezwischen Babylonien und Assyrien abspielten; mit unterschiedlichem Glck,mssen wir hinzufgen, weil die gleichen Stdtenamen mehrfach wiederkehren.Das bedeutet, da derselbe Ort mehr als einmal erobert und wieder aufgegebenwerden mute. Ein anderer Einfall in das Gebiet von Nuzi wird uns schlielich

    in einem anderen Abschnitt berichtet.Die Stdte Nuzi, Arrapa (das heutige Kirkk), Anzugalli, wahrscheinlichganz in der Nhe von Nuzi, anbati (anderswo abati) und anie (im Nuzi-Text: anna?) werden hier erwhnt. Der elamitische Knig nahm ein Gebiet, dassich im Norden der Dijla befand, zum Ausgangspunkt seiner Operationen undrckte dann in das Gebiet zwischen Tigris und Zagrosgebirge bis auf einigeMeilen vor Erbil vor. Er hoffte, sich mit seinem Angriff auf die Grenzgebiete dieKontrolle ber die natrlichen, von Osten nach Westen verlaufenden Straen, dievom Oberlauf der Dijla in Richtung auf die babylonische Ebene herabfhren, zusichern. Aber schon whrend dieser Zeit hatte sich in Babylonien eine neue

    Macht gebildet. Einem lokalen Fhrer mit Namen Marduk-kabit- au gelanges fast sogleich nach der Eroberung des Landes durch die Elamiter, in Isin alleKrfte um sich zu scharen, die die Abhngigkeit von Elam ablehnten. Der in Isinzum Ausdruck gekommene Wille zur Unabhngigkeit wurde offensichtlichdurch die geographische Lage dieser Stadt, die jetzt im Verhltnis zu denlebenswichtigen Zentren Babyloniens ganz am Rande des Landes lag, begnstigt.Von Isin griff diese Aufstandsbewegung auf andere, mehr im Norden gelegeneZentren ber. Beim Tod des Knigs Aurdan von Assyrien hatten sich Marduk-kabit-au (11561139) und dann auch sein Sohn Itti-Marduk- balu (11391131) eine so starke Stellung gesichert, da sie in die inneren AngelegenheitenAssyriens in der Weise eingreifen konnten, da sie einen der beidenThronbewerber, nmlich Ninurta-tukulti-Aur, gegen seinen Bruder Mutakkil-Nusku untersttzten. Wahrscheinlich ist durch die kurze Regierungszeit (etwaein Jahr?) des Ninurta-tukulti-Aur der babylonische Einflu auf Assyrien nochverstrkt worden. So konnte Marduk endlich nach einem langen, mehr als einJahrhundert dauernden Exil wieder in seinen Tempel nach Babylonzurckkehren. Babylon verdankte es der Dynastie von Isin, die sich aus der von

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    Feuer und Asche geprgten Katastrophe erhoben hatte, da es dreiig Jahredanach von neuem Herr seines Geschickes war.m) Nab-kudurri-uur I.

    Die Gefahr von Seiten Elams war in der Tat fr den Augenblick beseitigt. ilak-

    in-uinak hatte wohl versucht, noch einmal gegen Babylon zu marschieren, abersein Versuch scheiterte nach einem ersten Anfangserfolg; er mute schleunigstwieder umkehren. Diese Handlungsfreiheit ermglichte es vielleicht denNachfolgern Itti-Marduk-balus, auch auf anderen Gebieten einewiedergewonnene Aktivitt zu zeigen. Man kann beobachten, da Ninurta-ndin-mi (11301125) die Nordgrenze berschritt und in die Nhe von Erbilgelangte. Nab-kudurri-uur (Nebukadnezar I.; 11241103) versuchte seinerseits,an anderen Stellen in Assyrien einzudringen. Die Anspielung auf die StadtZanqu (oder Zaqqu) scheint auf einen Vormarsch der Babylonier gegen die imNordosten gelegenen Gebirge hinzuweisen, whrend der Angriff auf die Stadt Id

    wenn die Identifizierung mit it stimmt den Versuch, in die Gebiete desmittleren Euphrat vorzudringen, bezeugen wrde. Obwohl die assyrischenQuellen diese Angriffe als harmlos hinstellen und von einer Zurckweisungdieser Angriffe sprechen, wrde die Titulatur Nab-kudurri- uurs, der sich alsSieger ber Lullubi und Amurru (d.h. im Osten und Westen gelegene Gebiete)bezeichnete, beweisen, da die Babylonier ber diese Ereignisse eine ganzeandere Meinung vertraten. Ob die Babylonier nun zurckgeschlagen wurdenoder Sieger blieben, in jedem Fall bleibt die Tatsache bestehen, da zu diesemZeitpunkt die Initiative auf ihrer Seite lag.

    Diese zunehmende Aktivitt stellte Nab-kudurri- uur unverzglich erneut

    unter Beweis, als er einen schweren Angriff gegen Elam durchfhrte; er wolltedadurch den Vorteil ausntzen, der ihm durch die Schwche und dieUnentschlossenheit des neuen Knigs utelutu-in-uinak in die Hand gespieltwurde. Es fanden hier anscheinend zwei Feldzge statt. Der erste Feldzug wurdezumindest im Prinzip mit der Absicht begrndet, zwei Flchtlingen einerelamitischen Stadt mit Namen Dn-arri zu Hilfe zu eilen; diese hatten um denSchutz Nab-kudurri-uurs gebeten und denselben auch erhalten. Die aus demEnde der kassitischen Zeit stammenden Dokumente bezeugen mehrfach dieAnkunft von Flchtlingen aus Elam oder aus anderen Gebieten; aber imallgemeinen ging es hier um Leute, die ihr Land aus wirtschaftlichen oderstrafrechtlichen Grnden verlassen hatten. Es ist aber viel wahrscheinlicher, daes sich im Fall von amuas und seines Sohnes amaia um politische Flchtlingehandelte. Vater und Sohn, die dem Priesterstand angehrten amaia warPriester des Gottes Ria flchteten vor dem Knig von Elam. Der von Nab-kudurri-uur unternommene Feldzug wurde von einem Erfolg gekrnt, der dasursprngliche Ziel bertraf; das Standbild Bels (Marduk) wurde befreit und nachBabylon zurckgebracht. Dem Gott Ria wurde in der Gegend von Opi eine groeDomne verliehen. Diese Domne wurde den elamitischen Schtzlingen des

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    babylonischen Knigs anvertraut. Ein anderer Feldzug, ber den wir einengenaueren Bericht besitzen, wurde von jenem Frsten unternommen, den derKnig der Gtter, Marduk, die Waffen zur Rache fr Akkad erheben lie. Erfand mitten im Sommer im Monat Tammuz statt. Die babylonischenKampfwagen folgten der Karawanenstrae, die noch jetzt von Dr in einem

    Bogen ber Put-i-kuh bis zum heutigen Dizful am Ula fhrt; dort stieen dieBabylonier mit den Truppen utelutu-in-uinaks zusammen. Auf Befehl vonItar und Adad, den Herren ber den Kampf wandte sich das Waffenglck denBabyloniern zu. Der Knig von Elam machte kehrt und verschwand; dagegenhielt sich der Knig Nab- kudurri-uur aufrecht in seinem Siege. Er besetztedas Land Elam und plnderte seine Reichtmer. Nach seiner Rckkehr nachBabylon belohnte der Knig den Befehlshaber der Kampfwagen des RechtenFlgels, Laktiiu, dem anscheinend ein nicht unwichtiger Anteil an diesem Siegzukam. Die Berichte ber diese beiden elamitischen Feldzge sind uns auf zweiStelen erhalten. Es ist aber immerhin mglich, da die militrischen Operationen,

    die einmal die Schenkung an den Gott Ria und dann die Freigebigkeit gegenberLaktiiu, dem Kommandanten der Kampfwagen, rechtfertigten, sich tatschlichnur auf einen einzigen siegreichen Feldzug Nab-kudurri-uurs beziehen.n) Der Druck der Nomaden und das Ende der II. Dynastie von Isin. Die II.Meerland-Dynastie

    Es ist mglich, da dieser Sieg auch eine lange Verdunkelung der elamitischenMacht hervorrief. Drei Jahrhunderte lang war von Elam keine Rede mehr. Auchverfgen wir ber keine elamitischen Quellen mehr. Die mesopotamischenDokumente erwhnten ebenfalls Elam bis zum Jahr 821 nicht mehr. Zu diesem

    Zeitpunkt wurden die Elamiter als Verbndete der Aramer von den Assyrerngeschlagen.Nach einer kurzen Regierungszeit Enlil-ndin-aplis (1102 bis 1099), des Sohnes

    Nab-kudurri-uurs das einzige Dokument, das ihm mit Sicherheitzugeschrieben werden kann, ist ein Urteil ber den Besitz einer Lnderei folgteMarduk-ndin-a (10981081). Mit Tiglat-Pileser I. (11151077) hatte Assyrienaufs neue einen der Hhepunkte seiner berschumenden kriegerischenLebenskraft erreicht. Aber auch die seit Jahrhunderten bestndige, nicht aufbestimmte Punkte festzulegende Bedrohung Mesopotamiens von Seiten derNomaden wurde pltzlich akut. Diese durch den Einfall der Seevlker vonWesten nach Osten getriebenen Wsten-Nomaden schlossen sich, umweiterleben zu knnen, zu einer fest umrissenen politischen Einheit zu der derAramer zusammen. Das gleiche Phnomen der Vereinigung, das man schonbei den Kassiten und bei den ur