Flachdecken in Stahlbauweise – Bemessung von Randträgern

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580 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 74 (2005), Heft 8 Als Flachdecken bezeichnet man im Stahlhochbau üblicherweise Decken, bei denen die Funktion des Unterzugs von einem in die Bauhöhe der Decke integrierten Stahlprofil übernommen wird. Beim Einsatz von Spannbetonhohlplatten als Deckenelemente können hierbei die Vorteile der industriellen Vorfertigung von Stahl- und Betonbau besonders gut zur Geltung kommen. Für die Randträger ergibt sich dann jedoch eine starke Torsionsbela- stung. Hierzu wurden drei großmaßstäbliche Experimente an der TU Darmstadt durchgeführt. Die Versuchskörper maßen 6 × 6,5 m und wurden in 36 Punkten belastet. Eine vorgeschaltete FEM- Analyse gab Aufschluß über das zu erwartende Last- Verformungsverhalten und diente zur qualitativen Betrachtung ei- niger konstruktiver Details. Auf Grundlage der Versuche und der FEM-Analyse wurde ein einfaches und auf der sicheren Seite lie- gendes Näherungsverfahren entwickelt. Design of edge beams in slim floors. Concrete slabs incorporat- ing steel beams are usually called slim floors. Using precast hollow core slabs (PCHS) in addition to steel beams realises the full potential of pre-fabricated, industrialized buildings. The de- sign of edge beams in slim floors using PCHS is governed by tor- sion. Three large scale tests were carried out at Darmstadt University of Technology and their results will be reported. The test specimens measured 6 m by 6.5 m and were loaded in 36 points. A finite element analysis has been made to assess the behaviour of the beams and to develop the basis for a simple design procedure. This procedure is compared to FEM and test results. 1 Einleitung 1.1 Allgemeines Als Flachdecke bezeichnet man eine Geschoßdecke, die entweder ohne Unterzüge oder mit deckengleichen Unter- zügen ausgeführt wird. Im Massivbau ist dies meist eine zweiachsig gespannte Platte, die eventuell im Stützenbe- reich eine größere Dicke als im Feldbereich hat. Im Stahl- bau hingegen ist die Decke fast immer einachsig gespannt und liegt auf einem deckengleichen Unterzug auf. Um die Vorteile der Fertigteilbauweise umfassend zu nutzen, wird dabei gerne eine Spannbetonhohlplatte auf den Untergurt des Stahlprofils gelegt (Bild 1). Ein besonderes Problem dieser Bauweise liegt in der Bemessung der Randträger. Diese Träger erhalten infolge exzentrischer Belastung eine Torsionsbeanspruchung, die mit einfachen konstruktiven Mitteln reduziert werden kann. Hierzu wurde ein einfaches Bemessungsverfahren entwik- kelt, dessen Grundlage eine FEM-Studie sowie drei Groß- versuche bilden. 1.2 Herkunft der Bauweise Der Vorteil von Flachdecken liegt in der geringen Bauhöhe und darin, daß Installationen unterhalb der Decke unge- hindert geführt werden können, da keine Unterzüge stören. Die konventionellen Flachdecken in Ortbetonbauweise wei- sen jedoch drei bedeutende Nachteile auf: – witterungsabhängige Bauweise auf Schalung und Rü- stung hoher Bewehrungsgrad im Stützenbereich, also dort, wo Öffnungen in der Decke für haustechnische Installationen am häufigsten gebraucht werden hohes Gewicht der massiven Betondecke. Um diese Nachteile zu umgehen, wurde in den 1980er Jahren in Skandinavien eine neue Flachdeckenbauweise auf Grundlage von Stahlprofilen und Spannbetonhohlplat- ten entwickelt. Zudem ist dort eine schnelle Bauweise in den kurzen Sommermonaten entscheidend für die Wirt- schaftlichkeit der gesamte Baumaßnahme. Seitdem wurden zahlreiche Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht [1] bis [10]. Flachdecken in Stahlbauweise – Bemessung von Randträgern Jörg Lange Fachthemen Bild 1. Spannbetonhohlplatte auf Stahlprofil mit breitem Untergurt Fig. 1. Precast hollow core slab on steel beam with wide bottom flange

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580 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 74 (2005), Heft 8

Als Flachdecken bezeichnet man im Stahlhochbau üblicherweiseDecken, bei denen die Funktion des Unterzugs von einem in dieBauhöhe der Decke integrierten Stahlprofil übernommen wird.Beim Einsatz von Spannbetonhohlplatten als Deckenelementekönnen hierbei die Vorteile der industriellen Vorfertigung vonStahl- und Betonbau besonders gut zur Geltung kommen. Für dieRandträger ergibt sich dann jedoch eine starke Torsionsbela-stung. Hierzu wurden drei großmaßstäbliche Experimente an derTU Darmstadt durchgeführt. Die Versuchskörper maßen 6 × 6,5 mund wurden in 36 Punkten belastet. Eine vorgeschaltete FEM-Analyse gab Aufschluß über das zu erwartende Last-Verformungsverhalten und diente zur qualitativen Betrachtung ei-niger konstruktiver Details. Auf Grundlage der Versuche und derFEM-Analyse wurde ein einfaches und auf der sicheren Seite lie-gendes Näherungsverfahren entwickelt.

Design of edge beams in slim floors. Concrete slabs incorporat-ing steel beams are usually called slim floors. Using precasthollow core slabs (PCHS) in addition to steel beams realises thefull potential of pre-fabricated, industrialized buildings. The de-sign of edge beams in slim floors using PCHS is governed by tor-sion. Three large scale tests were carried out at DarmstadtUniversity of Technology and their results will be reported. Thetest specimens measured 6 m by 6.5 m and were loaded in36 points. A finite element analysis has been made to assess thebehaviour of the beams and to develop the basis for a simpledesign procedure. This procedure is compared to FEM and testresults.

1 Einleitung1.1 Allgemeines

Als Flachdecke bezeichnet man eine Geschoßdecke, dieentweder ohne Unterzüge oder mit deckengleichen Unter-zügen ausgeführt wird. Im Massivbau ist dies meist einezweiachsig gespannte Platte, die eventuell im Stützenbe-reich eine größere Dicke als im Feldbereich hat. Im Stahl-bau hingegen ist die Decke fast immer einachsig gespanntund liegt auf einem deckengleichen Unterzug auf. Um dieVorteile der Fertigteilbauweise umfassend zu nutzen, wirddabei gerne eine Spannbetonhohlplatte auf den Untergurtdes Stahlprofils gelegt (Bild 1).

Ein besonderes Problem dieser Bauweise liegt in derBemessung der Randträger. Diese Träger erhalten infolgeexzentrischer Belastung eine Torsionsbeanspruchung, diemit einfachen konstruktiven Mitteln reduziert werden kann.

Hierzu wurde ein einfaches Bemessungsverfahren entwik-kelt, dessen Grundlage eine FEM-Studie sowie drei Groß-versuche bilden.

1.2 Herkunft der Bauweise

Der Vorteil von Flachdecken liegt in der geringen Bauhöheund darin, daß Installationen unterhalb der Decke unge-hindert geführt werden können, da keine Unterzüge stören.Die konventionellen Flachdecken in Ortbetonbauweise wei-sen jedoch drei bedeutende Nachteile auf:– witterungsabhängige Bauweise auf Schalung und Rü-stung– hoher Bewehrungsgrad im Stützenbereich, also dort, woÖffnungen in der Decke für haustechnische Installationenam häufigsten gebraucht werden– hohes Gewicht der massiven Betondecke.

Um diese Nachteile zu umgehen, wurde in den 1980erJahren in Skandinavien eine neue Flachdeckenbauweiseauf Grundlage von Stahlprofilen und Spannbetonhohlplat-ten entwickelt. Zudem ist dort eine schnelle Bauweise inden kurzen Sommermonaten entscheidend für die Wirt-schaftlichkeit der gesamte Baumaßnahme. Seitdem wurdenzahlreiche Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht [1] bis[10].

Flachdecken in Stahlbauweise – Bemessung vonRandträgern

Jörg Lange

Fachthemen

Bild 1. Spannbetonhohlplatte auf Stahlprofil mit breitemUntergurtFig. 1. Precast hollow core slab on steel beam with widebottom flange

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1.3 Stahlprofile

Die Spannbetonhohlplatten werden meistens mit speziellentwickelten Stahlprofilen kombiniert, die eine schnelleMontagebauweise erlauben. Vergleicht man die Spannbe-tonhohlplatten mit Ortbetonplatten, so zeigt sich, daß beigleicher Biegetragfähigkeit die Spannbetonhohlplatten einehöhere Biegesteifigkeit durch Vorspannung besitzen undwesentlich leichter sind.

Bei den speziellen Stahlprofilen unterscheidet man, inder Reihenfolge ihrer Entwicklung, folgende Typen (Bild 2):

THQgehört zu der Gruppe der Kastenquerschnitte mit über-breitem Untergurt und wurde ca. 1975 in Schweden ent-wickelt. Es weist eine hohe Torsionssteifigkeit auf und istdamit für Randträger oder Bereiche mit stark unterschied-lichen Deckenspannweiten gut geeignet. Dies geht jedocheinher mit relativ großem Materialverbrauch, hohem Her-stellungsaufwand und einer aufwendigen Anschlußtech-nik. Auch die Schallübertragung durch den nicht ausbeto-nierten Hohlraum ist problematisch.

IFBist ein halbiertes I-Profil aus der HE- oder IPE-Reihe mituntergeschweißter Lamelle. Die T-Profile zeichnen sichdurch einfache Herstellung aus, da das Profil nur mittelszweier Halskehlnähte an die Lamelle geschweißt werdenmuß.

SLOist ein liegendes U-Profil mit Lamelle. Der Träger erlaubtes, die Verbundwirkung mit einer Ortbetondecke auszu-nutzen, wobei die Stützbewehrung gut quer über den Trä-ger geführt werden kann. Es ist leicht zu fertigen und ver-braucht wenig Material, muß jedoch bei der Montage un-terstützt werden [9].

MCEist ein aus zwei Lamellen zusammengesetzter Querschnittohne Obergurt mit horizontalen Kopfbolzen. Hier gehtdie Querschnittsoptimierung zu Lasten der Tragfähigkeitim Bauzustand, so daß sie nur mit Ortbetondecken wirt-schaftlich eingesetzt werden können. Bei dem über 50 Ge-schosse hohen Millennium Tower in Wien wurden die Ge-schoßdecken auf Basis dieses Profils von der Firma MCEausgeführt [8].

Konstruktion ist darauf zu achten, daß Spannbetonhohl-platten keine Schub- und Querbewehrung enthalten.

2 Tragverhalten bei symmetrischer Beanspruchung2.1 Allgemeines

Bei der Bemessung der Stahlprofile sind generell drei Zu-stände zu unterscheiden: Bauzustand, Gebrauchszustandund Brandfall. Man sollte berücksichtigen, daß sich diewirtschaftlichste Ausführung ergibt, wenn die Stahlträgerzwischen 5 und 8 m lang sind und die Spannbetonhohl-platten über eine Länge von 6 bis 10 m spannen.

2.2 Bauzustand

Es handelt sich im Bauzustand um ein reines Stahlprofil,das die Lasten der Betonplatte und Montagelasten tragenmuß. Eine Montageunterstützung ist nur sinnvoll, wenndie Betonplatte in Ortbeton oder auf Teilfertigteilen (Ver-bunddecke, Filigran-Platte, o. ä.) hergestellt wird. Sie scha-det der Spannbetonhohlplatte, da die immer vorhandene,ungewollte Verbundwirkung zu einer Zusatzbelastung derPlatte in Querrichtung führt (Bild 3, siehe auch [7]). Hier-bei kommt es zu Zugspannungen in der Platte, die wegender fehlenden Quer- und Schubbewehrung die Querkraft-tragfähigkeit der Betonplatten stark reduzieren. Wird eineMontageunterstützung verwendet, so verursacht die ge-samte Eigen- und Verkehrslast diese schädlichen Span-nungen, andernfalls nur die Verkehrslasten. AusführlicheUntersuchungen hierzu wurden auch von Pajari [11], [12]durchgeführt.

Bild 2. Verschiedene Stahlprofile für FlachdeckenFig. 2. Various profiles for slim floor beams

Bild 3. Zugbeanspruchung der Hohlplatte aus unplanmäßi-ger Lastabtragung in Querrichtung nach [7]Fig. 3. Stress on the precast hollow core slabs due to un-wanted load bearing behavior acc. to [7]

Die Verbundwirkung bietet für die Grenztragfähigkeitaus zwei Gründen wenig. Der geringe innere Hebelarmbei der angestrebten dünnen Decke reduziert die Einfluß-möglichkeiten des Betons mit seiner gegenüber dem Stahlkleineren Festigkeit. Die geringe mitwirkende Breite beimEinsatz von Hohlplatten, deren Hohlräume durch den be-anspruchten Querschnitt führen, reduziert darüber hinausnoch weiter die Möglichkeiten des Betons, sich an derLastabtragung zu beteiligen.

2.3 Traglast- und Gebrauchszustand

Zu den Lasten aus der aufliegenden Decke kommen nunnoch die Verkehrslasten aus der Gebäudenutzung. DieserLastfall ist meistens für die Dimensionierung des Stahlpro-fils maßgebend. Die Bemessung erfolgt nach DIN 18800oder Eurocode 3. Besonders beachtet werden muß hier dieQuerbiegung des Untergurtes, auf dem die Betonplatte auf-

1.4 Hohlplatten

Die Hohlplatten werden in einem mehrere hundert Meterlangen Spannbett hergestellt und sind nur in Längsrich-tung mit Spannlitzen bewehrt. Die Dimensionierung er-folgt in der Regel gemäß Zulassungsdokumenten. Bei der

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liegt (Bild 4). Durch den linearen Verlauf des Querbiege-momentes (und daraus folgend der Spannung σy) über dieFlanschbreite ist der Einfluß zwar gering, muß jedoch z. B.durch die Analyse der Vergleichsspannung berücksichtigtwerden.

Interessante Ergebnisse hinsichtlich der Steifigkeit er-gab eine gemeinsame Forschungsarbeit der UniversitätenKaiserslautern und Aachen [7]. Im Gebrauchslastfall ver-hält sich der Träger wie ein Verbundträger mit der mitwir-kenden Breite nach Eurocode 4, was insbesondere für dasSchwingungsverhalten von Decken in Büro- und Wohn-gebäuden von Bedeutung ist.

2.4 Brandfall

Da der Untergurt des Stahlprofils aus der Decke heraus-schaut, muß er vor einer Beflammung geschützt werden.Dies kann mit Mineralfaserspritzputz oder Plattenverklei-dung erfolgen. Möchte man diese Zusatzmaßnahmen nichtergreifen, so kann nach dem Prinzip des Kammerbetonsdie Tragfähigkeit des Untergurtes durch in den Vergußbetoneingelegte Bewehrung substituiert werden. Dieses Konzeptist jedoch nur nach DIN 4102, Teil 2 mit einem Gutachteneiner anerkannten Prüfstelle realisierbar [2], [5].

3. Randträger3.1 Problematik

Bei der Bemessung des Randträgers tritt das Problem auf,daß die Belastung exzentrisch an das Profil angreift (Bild 5).

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Somit wirkt ein Gleichstreckentorsionsmoment auf denTräger.

Aufgrund der Mindestauflagerbreite der Spannbeton-hohlplatten von 70 mm und einer Öffnungsbreite für dieBetonverfüllung von mindestens 30 mm ergibt sich ein sehrgroßes Torsionsmoment. Das IFB-Profil weist jedoch nureine sehr geringe Torsionssteifigkeit und -festigkeit auf, sodaß es nahe liegt, diese Torsionsbeanspruchung zu vermei-den. Im Bild 5 vorgestellten Fall geschieht dies durch dasEinlegen eines Bewehrungsstabes in eine Kammer der Be-tonplatte, die hierfür bereits werksseitig nach oben geöff-net wurde. Der Bewehrungsstab wird mit dem Steg desStahlprofils verschraubt und anschließend im Rahmen desFugenvergusses kraftschlüssig mit der Betonplatte verbun-den. Hierdurch wird es möglich, daß sich das Profil durchBildung eines Kräftepaares (Druck am Obergurt, Zug imBewehrungsstab) der Beanspruchung – zumindest teil-weise – entledigt (Bild 6).

Mit Hilfe von FEM-Berechnungen sowie experimen-teller Untersuchungen sollte festgestellt werden, ob diesesModell korrekt ist, um gegebenenfalls ein geeignetes Nach-weisverfahren zu entwickeln.

3.2 FEM-Berechnungen

Mit dem Programm ANSYS wurde das Stahlprofil einesRandträgers modelliert, wobei die Symmetriebedingung inFeldmitte genutzt wurde. Die Betonplatte wurde nicht ab-gebildet. Die Lagerung erfolgte über eine halbe Stirnplatte,war also in der Lage, ein Torsionsmoment aufzunehmen,ohne eine wesentliche Biegesteifigkeit aufzuweisen. DieAuflagerkraft der Decken wurde als Gleichflächenlast aufeinen 70 mm breiten Streifen aufgebracht. An den Span-nungs- und Verformungsplots (Bild 7) kann man folgendeSachverhalte beobachten:– Spannungsspitzen im Bereich der Bewehrungsveranke-rung– große Krümmung im Steg auf Höhe der Bewehrungs-verankerung– starke Beanspruchung der Halskehlnähte durch τII (ver-tikal) infolge der Einspannung des Flansches in den Steg.

Im Rahmen einer Parameterstudie wurden die in Ta-belle 1 aufgezählten Querschnitte untersucht. Als Spann-weiten L wurden für die Profile der HE-Reihe 6,00/7,20/8,40 m und 9,60 m gewählt. Für die Profile der IPEo-

Bild 4. Normalspannungen aus Längs- und Querbiegunginfolge DeckenauflagerungFig. 4. Normal stresses due to longitudinal and transversalbending

Bild 5. LastangriffspunktFig. 5. Eccentric load

Bild 6. Modell zur Aufnahme der exzentrischen Auflager-kraft P der SpannbetonhohlplatteFig. 6. Eccentric bearing load P leading to a tension (Z) anda compression (D) force

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Reihe 6,00 m und 7,20 m. Die so gewonnen Ergebnissewurden mit den im folgenden Absatz dargestellten Nähe-rungsformeln verglichen. In Tabelle 1 werden die mit die-sen Formeln ermittelten Werte für die Zugkraft in der Be-wehrung den mit der FEM ermittelten Werten gegenüber-gestellt. Es zeigt sich eine Abweichung des Nährungsver-fahrens gegenüber der FEM-Berechnungen von ca. ±7 %.

3.3 Nachweiskonzept3.3.1 Nachweis der Längsbiegung

Die Längsbiegung (Spannweite des Trägers L) wird durchdie beiden Flansche aufgenommen. Dabei wird ein Kräfte-paar gebildet, welches ein plastisches Moment ergibt. Maß-gebend wird die kleinere Fläche des Ober- oder Unterflan-sches.

3.3.2 Nachweis der Querbiegung

Die Querbiegung wird alleine vom Steg aufgenommen.Das plastische Widerstandsmoment des Steges beträgt:

Die Beanspruchung ergibt sich aus:

Ms,d = qd · �

3.4 Nachweis zur Aufnahme der Beanspruchung ausexzentrischer Lasteinleitung

Die zum Schubmittelpunkt des Profils exzentrische Last-einleitung führt zu einer Beanspruchung der am Steg desProfils befestigten Bewehrungsstäbe und einer Betondruck-spannung zwischen Oberflansch und Füllbeton.

Die erforderliche Fläche des am stärksten beanspruch-ten Bewehrungsstabes kann dazu wie folgt ermittelt wer-den (siehe auch Bild 6):

mit

und

mit dem Montageunterstützungsbeiwert α nach Tabelle 2,den Teilsicherheitsbeiwerten γF,G = 1,35 sowie γF,Q = 1,5und δ nach Tabelle 3. go ist das Eigengewicht und g1 eineAusbaulast. Der Abstand der Bewehrungsstäbe in Träger-längsrichtung ist mit a gekennzeichnet.

P g L a

g q

F G o

F G F Q Verkehr

= ⋅ ⋅ ⋅ + ×⎡⎣⎢

× ⋅ + ⋅( )⎤⎦⎥ ⋅

γ

γ γ α

,

, ,

,1 252

1

Z Phi

= ⋅ ⋅l δ

A ZfStahlS d

=,

Mt

fpl Stegsteg

y d, ,=2

4

Mq L

M

MA

Af H

t t

S dd

R d

plOF

UFy d

f

, ,

,min

= ≤

= =⎧⎨⎩

⎫⎬⎭

⋅ ⋅ − +⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

2

8

2 2

Bild 7. FEM Simulation der Verformungen und Spannungen(Auflager bis Feldmitte)Fig. 7. FEM simulation of the deflections of a slim floorbeam (bearing to midpoint)

Tabelle 1. Untersuchung an einem Einfeldträger mit L = 6,00 m und q = 121,4 kN/mTable 1. Analysis of a single span beam with L = 6.00 mand q = 121.4 kN/m

Zugkraft in derBewehrung in kN

Walzprofil Untergurt Näherung FEM Näherung/FEM

1/2 HEA 500 400 × 20 73,51 76,39 0,962

1/2 HEA 550 400 × 20 69,75 68,18 1,023

1/2 HEA 600 400 × 20 66,85 65,42 1,022

1/2 HEA 650 400 × 20 64,55 64,80 0,996

1/2 HEB 360 400 × 15 115,08 115,71 0,995

1/2 HEB 400 400 × 20 114,83 114,83 1,000

1/2 HEB 450 400 × 20 103,11 105,30 0,979

1/2 HEB 500 400 × 20 94,79 98,97 0,958

1/2 HEB 550 400 × 20 88,33 92,35 0,956

1/2 HEB 600 400 × 20 83,35 86,49 0,964

1/2 HEB 650 400 × 25 79,39 74,34 1,068

1/2 HEM 360 408 × 25 187,03 179,29 1,043

1/2 HEM 400 407 × 25 159,14 159,70 0,996

1/2 HEM 450 407 × 25 134,57 139,46 0,965

1/2 HEM 500 406 × 25 116,26 115,44 1,007

1/2 HEM 550 406 × 25 102,02 95,44 1,069

1/2 HEM 600 405 × 30 90,64 91,07 0,995

1/2 HEM 650 405 × 25 81,73 76,28 1,071

1/2 IPEo 500 302 × 15 77,92 76,26 1,022

1/2 IPEo 550 312 × 15 75,59 75,00 1,008

1/2 IPEo 600 324 × 15 84,27 82,20 1,025

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Tabelle 3. δ-Werte zur Ermittlung der Zugkraft (Stegdicke ts in mm)Table 3. Parameter δ (ts is thickness of the web in mm)

Profil L = 600 cm L = 720 cm L = 840 cm L = 960 cm

HEA 500 bis 650 0,55 + (ts – 12) · 0,1 0,59 + (ts – 12) · 0,2 0,6 + (ts – 12) · 0,1 0,55 + (ts – 12) · 0,1

HEB 360 bis 650 0,62 + (ts – 13,5) · 0,1 0,64 + (ts – 13,5) · 0,18 0,65 + (ts – 13,5) · 0,1 0,6 + (ts – 13,5) · 0,04

HEM 360 bis 650 0,9 0,78 0,75 0,64

IPEo 500 bis 600 0,85 + (ts – 12) · 0,08 nicht zulässig nicht zulässig nicht zulässig

Bild 8. Druckstrebe von der Spannbetonhohlplatte zumUntergurtFig. 8. Compression strut from the void of the precast hollow core slab to the bottom flange

Bild 9. Querschnitt des untersuchten DeckenfeldesFig. 9. Section of the slab tested

Tabelle 2. Beiwert zur Berücksichtigung der Unterstützungim BauzustandTable 2. Scaffolding parameter

Trägerlänge L [cm] α

600 0,80

720 0,85

840 0,80*

960 0,85*

Bei den in Tabelle 2 mit (*) markierten Längen mußder Träger im Bauzustand in den Längendrittelspunktenunterstützt werden, um sehr große Verformungen zu ver-hindern. Ansonsten ist nur eine Unterstützung notwendig.Mit dem Beiwert δ wird erfaßt, daß der Querschnitt einenTeil der Torsionsbeanspruchung selber übernimmt.

Der Nachweis aus der lokalen Beanspruchung desSteges aus der Einleitung der Zugkraft sowie zusätzlicheBeanspruchungen aus Torsion sind durch das vorliegendeVerfahren abgedeckt.

4 Experimente4.1 Allgemeines

Sowohl das ingenieurtechnische Modell (Bild 6) als auchdie FEM-Untersuchungen beruhen auf der Annahme, daßdie Auflagerkraft der Decke am theoretischen Auflager-punkt der Spannbetonhohlplatte in das Stahlprofil einge-leitet wird. Es wird vernachlässigt, daß der Vergußbeton

zumindest einen Teil der Last übernimmt und nah am Stegan den Untergurt abgibt (Bild 8). Die Annahme, daß sicheine Druckstrebe ausbildet, deren Horizontalkomponentemit der Bewehrungszugkraft im Gleichgewicht steht, sollteexperimentell untersucht werden. Gleichzeitig sollte un-tersucht werden, ob das ingenieurtechnische Modell zu si-cheren Ergebnissen führt.

4.2 Versuche

Es wurden in der Versuchsanstalt des Instituts für Stahl-bau und Werkstoffmechanik der TU Darmstadt drei Ver-suche an Deckenfeldern mit 6,00 m Breite und 6,50 mLänge durchgeführt (Bilder 9 und 10). Die untersuchtenDeckenfelder waren bis auf die verwendeten Stahlprofile(1/2 HEB 400 mit Untergurt 400 × 20, 1/2 IPEo 500 mit302 × 15, 1/2 HEA 500 mit 400 × 20, alle aus S 235) iden-tisch. Als Deckenelemente wurden Spannbetonhohlplat-ten Typ VERBIN AD 320 S8-D2 verwendet.

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4.4 Vergleich der Ergebnisse

Die Versuche wurden bei der Laststufe Pges = 800 kN mitden Berechnungen verglichen. Hierfür konnten die ausden Zugversuchen gewonnenen Materialkennwerte desProfilstahls zugrunde gelegt werden. Die Ergebnisse sind in den Tabellen 4, 5 und 6 dargestellt. Es ergibt sich, daß sowohl die experimentell ermittelte Zugkraft inder Bewehrung als auch die Biegebeanspruchung desSteges wesentlich geringer sind als die unter Annahme dervollen Exzentrizität gewonnenen theoretischen Werte.

5 Zusammenfassung

Die Versuche konnten bestätigen, daß die bezüglich desHebelarmes � getroffenen Annahmen und der gewähltenAbminderungsfaktoren α und δ auf der sicheren Seite lie-gen. Die Versuche haben die Vermutung bestätigt, daß dieResultierende der Deckenauflagerkraft durch die Ausbil-dung einer Druckstrebe im Vergußbeton wesentlich dich-ter am Steg des Randprofils liegt als bisher angenommen.Durch diese Tatsache sind die Rückverankerungskräftekleiner als berechnet, und die Ausnutzung des Profil-steges auf Biegung ist wesentlich unkritischer als bishervermutet.

Bild 10. VersuchsaufbauFig. 10. Plan of the slab tested

Bild 11. Last-Verformungsverlauf in Feldmitte des Randträ-gers unter dem Steg Fig. 11. Load-deflection curves of an edge beam at midspan

Tabelle 4. VersuchsergebnisseTable 4. Test results

Beschreibung Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3

Flächenlast infolge maximaler Zylinderlast in kN/m2 20,55 25,43 28,4

Flächenlast infolge Eigengewicht in kN/m2

(gDecke + gStahlträger + gVergußbeton + gLastverteilungsträger)8,60 8,60 8,60

Flächenlast infolge Eigengewicht und maximal erreichterZylinderlast Qmax in kN/m2 29,15 34,03 37,00

Flächenlast infolge Eigengewicht und einer Zylinderlast von 800 kN Q800 in kN/m2 22,22 22,22 22,22

Steifigkeit des Randträgers Iy in cm4 15738 14669 23496

4.3 Versuchsergebnisse

Der Last-Verformungsverlauf (Bild 11) zeigt deutlich zweiunterschiedliche Bereiche. Am Anfang ergibt sich infolgeHaftung des Betons ein Verbundquerschnitt mit hoher Stei-figkeit. Nach einem kleinen Lastabfall, der auftritt, sobalddie Schubspannungen zwischen Stahl und Beton einen kri-tischen Wert überschreiten, wirkt nur der Stahlquerschnittalleine. Das Verhalten ist gutmütig. Die Versuche mußtenaufgrund der großen Verformungen abgebrochen werden.

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ARBED/ARCELOR sei hiermit herzlich für die Un-terstützung bei der Durchführung der Versuche gedankt.Weiterhin danke ich Frau Dr.-Ing. A. Suppes für die Durch-führung und Auswertung der Versuche.

Literatur

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[12] Pajari, M.: Shear Resistance of PHC Slabs Supported onBeams. II: Analysis. Journal of Structural Engineering, Vol. 124,Nr. 9, ASCE 9/1998.

Autor dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Jörg Lange, TU Darmstadt, Institut für Stahlbau und Werk-stoffmechanik, Petersenstraße 12, 64287 Darmstadt

Tabelle 5. Ausgewählte Versuchsergebnisse (Meßstellen s. Bild 10)Table 5. Selected test results (for reference points see fig. 10)

Beschreibung Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3

Normalkräfte in den Rückverankerungsstäben infolge q800 in kN

Träger 1 Träger 2 Träger 1 Träger 2 Träger 1 Träger 2

Stäbe 16/17 | 26/27 41,9 36,2 19,2 16,2 20,7 21,8

Stäbe 18/19 | 28/29 70,7 20,1 25,8 30,0 26,5 28,6

Stäbe 20/21 | 30/31 22,0 57,7 43,4 37,9 15,0 20,9

Stäbe 22/23 | 32/33 41,3 33,9 33,9 32,6 18,1 21,6

Stäbe 24/25 | 34/35 6,3 37,8 22,2 17,6 12,1 22,4

Mittelwert 36,4 37,1 28,9 26,9 18,5 23,1

Vertikalverformungen infolge q800 in mm Träger 1* Träger 2 Träger 1* Träger 2 Träger 1* Träger 2

Weg 2 | 9 32,5 31,8 47,8 37,6 22,4 22,8

Weg 3 | 10 27,4 26,6 37,6 36,9 22,2 22,3

Weg 6 | 13 26,9 25,2 35,8 34,3 21,9 22,1

Weg 7 | 14 29,6 28,1 37,6 35,6 22,4 22,8

Weg 8 | 15 34,4 33,4 42,7 42,6 23,2 23,3

Horizontalverformungen infolge q800 in mm Träger 1* Träger 2 Träger 1* Träger 2 Träger 1* Träger 2

Weg 4 | 11 0,9 2,0 1,2 1,9 0,6 1,3

Weg 5 | 12 4,3 4,3 0,1 1,0 0,3 1,5

Tabelle 6. Vergleich der Versuchsergebnisse mit den Berechnungen nach den Abschnitten 3.3 und 3.4Table 6. Comparison of test results and calculations according to paragraph 3.3 and 3.4

Test Profile MS,d � MS,d Steg δ hz α Z Zversuch Mvers,Steg Zvers/ Mvers,Steg/in kNm in mm in kNm/m in mm in kN in kN in kNm/m Z MS,d

1 1/2 HEB 400 rechts 300 215 14,33 0,62 90 0,8 72,3 37,1 3,648 0,51 0,25

1 1/2 HEB 400 links 300 215 14,33 0,62 90 0,8 72,3 36,4 3,579 0,50 0,25

2 1/2 IPEo 500 rechts 300 166 11,06 0,55 90 0,8 34,7 26,9 3,777 0,78 0,34

2 1/2 IPEo 500 links 300 166 11,06 0,55 90 0,8 34,7 28,9 4,058 0,83 0,37

3 1/2 HEA 500 rechts 300 215 14,33 0,85 90 0,8 71,5 23,1 3,147 0,32 0,22

3 1/2 HEA 500 links 300 215 14,33 0,85 90 0,8 71,5 18,5 2,520 0,26 0,18