Franz Höllinger Anja Eder Eva-Maria Griesbacher · Projektteam: a.o. Univ.-Prof. Dr. Franz...

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Franz Höllinger Anja Eder Eva-Maria Griesbacher Symposium: Perspektiven für bäuerliche Familienbetriebe in Österreich, Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, Wien 20. März 2018

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Franz HöllingerAnja EderEva-Maria Griesbacher

Symposium: Perspektiven für bäuerlicheFamilienbetriebe in Österreich,Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, Wien20. März 2018

Projektteam:a.o. Univ.-Prof. Dr. Franz Höllinger (Leitung)Assoz.-Prof. Mag. Dr. Sabine HaringAnja Eder, MAEva-Maria Griesbacher MA (Maria Maierhofer, MA)(Mag. Bernd Promitzer) (MMag. Katharina Thünauer)

Gefördert vom Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF)Laufzeit: 1. Oktober 2013 – 30. September 2016

Das Forschungsprojekt: Perspektiven für bäuerliche Familien in Österreich

Zentrale übergeordnete Fragestellungen

Ökonomische Situation und

Zukunftsperspektiven

Soziale Beziehungen am Bauernhof

Förderungen/ Kooperationen

Ökonom. Entwick-lung des Betriebs

(Innovationen)

Intergenerationenbeziehung

ElternschaftEltern-Kind Beziehung

PartnerschaftBetriebliche

Arbeitsteilung

Hofübergabe

- Wie nehmen Bauern und Bäuerinnen ihre betriebliche und familiäre Situation wahr? Wie zufrieden sind Sie damit?

- Welche Ideen und Strategien entwickeln sie, um sowohl in wirtschaftlicher als auch in privater Hinsicht eine gute Lebensqualität zu erreichen?

Forschungsmethoden

Bauern und Bäuerinnen

• Fragebogenerhebung unter aktiven Bauern und Bäuerinnen in Österreich

• N=269

Gesamtbevölkerung

• Repräsentativbefragung ISSP 2012: „Family and Gender Roles“

• N=959

� 29 qualitative Interviews

� Mehrgenerationen-

Interviews (3 Fallstudien)

Inhalt des Buchs

Teil I: Die Entwicklung der Landwirtschaft in Öster reich Kapitel 1: Strukturwandel und neue Wege in der Landwirtschaft Kapitel 2: Wirtschaftliche Entwicklung der bäuerlichen Familienbetriebe

Teil II: Analysen zur Lebenssituation bäuerlicher F amilien Kapitel 3: Arbeit und Erholung Kapitel 4: Berufliches Selbstbild und Berufszufriedenheit Kapitel 5: Familienleben und Generationenbeziehungen Kapitel 6: Hofnachfolge und Zukunftsperspektiven Kapitel 7: Reflexionen über das Beratungsprojekt

Exemplarische Ergebnisse zu:

Arbeitsteilung /Geschlechterrollen am Bauernhof

Berufliche Identität und Berufszufriedenheit

Familie und Generationenbeziehungen

Tabelle 1: Hofbesitz und Betriebsleitung (in %)

Österreich 20121

N=125.134

Bauernbefragung 2014 N=236

Wer leitet den Betrieb?

Wer ist Besitzer

des Hofs?

Wer ist am Betriebskontozeichnungs-berechtigt?

Wer trifft wichtige

Entschei-dungen?

% % % % %

Bauer 52 49 51 28 21

Bäuerin 30 26 11 8 6

beide 18 25 37 64 73

100 100 100 100 100

1: laut Grüner Bericht 2013 Starke Tendenz zu partner-schaftlicher Betriebsführung!

Arbeit und Erholung

• Wie organisieren Bauern und Bäuerinnen ihre Arbeit?

• Wieviel Zeit verbringen Bauern und Bäuerinnen mit ihrer Arbeit?

• Wieviel Urlaub und Erholungszeiten gönnen sie sich?

• Sind jene Bäuerinnen und Bauern gesünder, die mehr Entspannungszeiten haben?

Arbeit und Erholung - Arbeitszeit

Arbeitszeiten von Bauern und Bäuerinnen im Vergleich zur nichtbäuerlichen Bevölkerung (in h)

(Bauern und Bäuerinnen: N= 236; Selbstständige: N= 46; Unselbstständige: 472)

Urlaub, Arbeitspausen und Gesundheit

Durchschnittliche Urlaubstage außer Haus (in %)

N keine 1–5 Tage 6–10 Tage ü. 10 Tage

Bauern und Bäuerinnen * 280 27 34 21 18

unter 40 Jahre 86 16 34 27 23

40 bis 49 Jahre 80 26 43 20 11

ab 50 Jahre 114 33 29 19 19

Gesamtbevölkerung (ISSP) 1147 24 13 19 44

Urlaub, Arbeitspausen und Gesundheit

Durchschnittliche Urlaubstage außer Haus (in %)

N keine 1–5 Tage 6–10 Tage ü. 10 Tage

Bauern und Bäuerinnen * 280 27 34 21 18

unter 40 Jahre 86 16 34 27 23

40 bis 49 Jahre 80 26 43 20 11

ab 50 Jahre 114 33 29 19 19

Gesamtbevölkerung (ISSP) 1147 24 13 19 44

Gesundheitszustand (%)

n gut mittel schlecht

Auszeiten im Arbeitsalltag:1

Immer 37 32,4 56,8 10,8

Nur nicht zu Arbeitsspitzen 142 22,5 66,9 10,6

Quasi nie oder nur im Winter 80 12,5 56,3 31,3

Urlaubstage außer Haus:2

Keine 77 11,7 54,5 33,8

1–5 Tage 102 21,6 61,8 16,7

Mehr als 5 Tage 114 25,4 58,8 15,8

Zentrale berufliche Orientierungen • bäuerliches Arbeitsethos („es gibt immer was zu tun“)

Das Wort „Arbeit, arbeiten“ kommt in den Interviews durchschnittlich ca. 80x vor.

• betriebswirtschaftliche Orientierung (v.a. bei Jüngeren)Ja, früher haben sie in der Landwirtschaft gearbeitet, weil die Arbeit dagewesen ist. Nur die heutige Jugend macht sich darüber Gedanken, was man arbeitet, damit man etwas verdient dabei und nicht nur, dass die Arbeit gemacht wird“ (Bauernsohn 24 J).

• ganzheitliche Orientierung (Qualitätsprodukte) „Landwirtschaft ist eine Lebenseinstellung, …, die reicht in alle Lebensbereiche hinein. …ich könnte nie so ein (Supermarkt-) Hendl kaufen. Nein, ich bin so froh, dass ich kein Fleisch kaufen muss“ (Biobäuerin, 38 J)

Vor- und Nachteile des Bauernberufs?A) Was schätzen Sie besonders an Ihrem Beruf?

(max. 3 Nennungen)

B) Was finden Sie am Beruf des Bauern belastend?

(max. 3 Nennungen)

Kapitel 5Familienleben und Generation en-beziehungen

Familie im Wandel

offene Familie�

eingeschränkt patriarchalische Familie

geschlossene häusliche Kernfamilie(Modell nach Stone)

• Familien mit Produktionsfunktion : bestanden häufig nur aus Familienmitgliedern . Dazu kamen bisweilen noch familienfremde Personen , wie Gesinde oder Gesellen �„große Haushaltsfamilien mit Produktionsfunktion“ oder „Typus des ganzen Hauses“ (Otto Brunner).

• Der Betrieb bildete den familialen Mittelpunkt und ist meist patriarchalischstrukturiert.

Traditionelle Generationenbeziehungen im Wandel � Interessen der Familienmitglieder wirtschaftlichen Interessen des Hofes untergeordnet (Fliege 1998)� hierarchische und patriarchale Struktur� geschlechtsspezifische Arbeitsteilung basiert auf körperlicher Stärke und auf dem Alter� Partnerwahl: landwirtschaftliche Expertise im Vordergrund, romantische Liebe untergeordnet (Rosenbaum 1982)� viele Kinder, diese arbeiten in frühen

Jahren am Hof mit� Kindheit ist keine eigene Lebensphase� keine abgeschlossenen Wohnbereiche� Privat- und Berufsleben nicht getrennt� Jahreszeiten bestimmten den Arbeitsrhythmus

Inhalt Kapitel 5 1. Bäuerliche Familien im Wandel – ein kurzer histori scher Rückblick2. Liebe, Partnerschaft und Ehe

Bauer sucht Bäuerin, Bäuerin sucht Bauer?Und ich weiß noch, ich war SO verliebt in den Andi.“„Ich bin die Ehefrau! Gleichberechtigt und nicht die Untergebene!“„Und man braucht immer einen guten Partner, um das zu schaffen.“

3. Kind-Sein am Bauernhof„Das war bei uns nie ein Thema mit drei Kindern.“„Einmal hat sie der Andi gehalten, dann die Oma, dann wieder ich.“„Ich tu mit dir spielen.“„Es haben alle gearbeitet und du hast mitgearbeitet.“„Lernen ist wichtig, sie sollen lieber lernen.“Partizipative Erziehung der Kinder

4. Generationenbeziehungen am Bauernhof„Großfamilie ist immer noch angebracht“ – Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit der intergenerationalen Unterstützung im bäuerlichen Milieu„Es soll einmal ein anderer versuchen, 24 Stunden mit seinem Chef Arbeit und Freizeit gemeinsam zu verbringen.“ – Über den Wandel vom patriarchalen Gehorsam zur egalitären Familienkommunikation im bäuerlichen Milieu

Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit intergenerationaler Unterstützung

Geschätzt wird…1. die Unterstützung der Altbauern bei der Kinderbetreuung.2. die Mithilfe der Altbauern bei den Hofarbeiten.3. ,dass die jüngere Generation Sorge für die Organisation

der Pflege der Altbauern trägt.„Es kann eine Großfamilie irrsinnig schön sein. Und ich sage einmal, wenn ich meine Schwiegermama nicht gehabt hätte, hät te ich keine vier Kinder. Weil du kannst in der heutigen Zeit vier Kinder fast nicht alleine aufziehen. Das geht fast nicht. Also sie war eine gewaltige Unterstützung und alles. Aber, wie gesagt, es braucht jeder seinen Freiraum und seine Privatsphäre . Ist auch ganz, ganz wichtig. Und dass auch die Achtung gegenüber dem anderen erhalten bleibt. Weil sonst vergisst du ‚Danke‘ zu sagen oder ‚Mei, darf ich bitte‘ oder ‚Könntest du mir bitte.‘ Das wird dann selbstverständlich und irgendwann wird es unter den Tisch gekehrt. “ (Katharina St., 38)

Voraussetzung getrennter HaushalteFamilienfriede hängt ab von…1. Privatsphäre durch räumliche Trennung (Heterogenität von

Wohnarrangements)2. 44% zufrieden mit Zusammenleben Generationen in

getrennten Haushalten (versus 35%)

„Ja. Und da hat es dadurch sicher ein bisschen Reibereien gegeben, muss man sagen. Auch dadurch, dass man in der Küche ständig zusammenlebt und ja. Der Rückzugspunkt ist halt nachher auch relativ klein geworden. Dann sind die Kinder gekommen. Dann hast du ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer und ein Kind noch dazu. Und das ist einfach, wenn du irgendetwas ausreden willst und du kannst das nur im Schlafzimmer machen, das trägt es mit der Zeit nicht. Du brauchst einfach deinen Freiraum. […] Und ich denke mir, eine gute Familie oder eine gute Zusammenarbeit in der Familie kann nur funktionieren, […] wenn man sich nicht einfach ständig auf den Wecker geht.“ (Tobias St., 39)

Voraussetzung des Wandels vom patriarchalen Gehorsam zur egalitären Familienkommunikation

Der Familienfriede und die Zukunft des Hofes sind beeinflusst von/m:1. Abflachen der Hierarchien zwischen den Generationen. 2. der Emotionalisierung der intergenerationalen Beziehungen.3. der Möglichkeit, auf Augenhöhe zu kommunizieren.4. gegenseitigem Respekt.5. der Möglichkeit, Ausverhandlungsprozesse führen und

Konflikte bewältigen zu können.6. der Akzeptanz der Leitungsfunktion der Nachfolgegeneration.

„Es war früher, war das halt, gut, der Junge muss still sein und der Alte hat das Recht. Und inzwischen ist das halt anders, nicht. Und für mich hat ja Respekt damit zu tun, dass das schon in beide Richtungen geht.“ (Stefan J., 36)

Hofnachfolge als langfristiger Sozialisations- und Entscheidungsprozess (Kapitel 6)

Die Hofnachfolge wird erleichtert durch:– ein friedliches Zusammenleben der Generationen.– wirtschaftlichen Erfolg.– ausreichend Privatsphäre (getrennte Wohnräume).– ein freudvolles Hineinwachsen in die Hofarbeit.– frühe Einbindung und Förderung der Eigenständigkeit der

potenziellen HofnachfolgerInnen.– positive Vorbildwirkung und optimistische Grundhaltung der

Elterngeneration.

„Also ich kenne das von meinen Schulkollegen […] die jammern die ganze Zeit einfach nur: ‚Es bleibt eh fast nichts [übrig] und es rentiert s ich nicht mehr, Bauer zu sein.‘ […] Und da bin ich eigentlich meinen Eltern dankbar, weil sie immer eigentlich mit voller Freude dabei [gewesen sind]. Und es hat sich immer entwickelt. […] Wir sind größer geworden.“ (Susanne P., 23)

Bäuerliche Familie 2017 – eine entschleunigte Insel der Seligen oder Ort der verschärften Konflikte?

• Stabilität familiärer Werte sowie Fortschreibung stereotyper Geschlechterrollen bringt durchaus positive Aspekte mit sich.– Letztlich sind über 60% mit ihrem Familienleben sehr

zufrieden (und 29% eher zufrieden) sowie 40% mit dem Zusammenleben der Generationen (und 34% eher zufrieden).

• Gleichzeitig fand ein Wandel statt, der zu einer Verbesserung der Generationenbeziehungen führte (v.a. Individualisierungs- und Enthierarchisierungsprozesse).– „Die Inhalte des „informellen Generationenvertrags“ mögen

zwar über Generationen hinweg ähnlich geblieben sein, verändert haben sich jedoch die Bedingungen des Vertrags, vor allem der Umgang der Familienmitglieder miteinander. (S. 166-167)“