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Das FiT Programm Frauen in Handwerk und Technik 10 FRAUEN ERZÄHLEN VON IHREN ERFAHRUNGEN

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Das FiT Programm

Frauen in Handwerk und

Technik

10 FRAUEN

ERZÄHLEN

VON IHREN

ERFAHRUNGEN

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IMPRESSUM

MedieninhaberIn und HerausgeberIn: Arbeitsmarktservice Österreich

Treustraße 35 – 43

1200 Wien

Interviews und Text:Dr.in Susanne Feigl

Fotos:Dr.in Susanne Feigl

Kompetenzzentrum Holz GmbH (S. 22 und 23)

Grafische Gestaltung:Lisi Breuss

Druck:Ferdinand Berger & Söhne, 3580 Horn

Dezember 2011

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Das FiT Programm

Frauen in Handwerk und

Technik

10 FRAUEN

ERZÄHLEN

VON IHREN

ERFAHRUNGEN

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Liebe Leserinnen!

Mit dieser Broschüre wollen wir 10 erfolgreiche Beispiele aus dem AMS Programm FiT – Frauen in Hand-

werk und Technik – vorstellen.

Seit 6 Jahren wird das Programm in ganz Österreich durchgeführt und mehr als 3300 Frauen haben

inzwischen eine handwerklich-technische Ausbildung erhalten: Die Frauen machten eine Lehre, besuchten

eine berufsbildende Schule oder auch eine Fachhochschule.

Das AMS unterstützt diese Ausbildungen, weil sich noch immer zu wenige Frauen eine handwerklich-

technische Ausbildung zutrauen und damit auch Chancen vergeben. Arbeitsstellen in diesem Bereich

zeichnen sich nämlich durch höhere Löhne und bessere Aufstiegsmöglichkeiten aus und können somit

dazu beitragen, dass sich die Situation der Frauen am Arbeitsmarkt verbessert.

Die vorgestellten Frauen haben den Schritt in technisch-handwerkliche Tätigkeitsbereiche bereits gemacht

und berichten über ihre Arbeit und ihren Erfahrungen. Ergänzt werden diese Ausführungen von kurzen

Gesprächen mit Personen, welche die Frauen während ihrer Ausbildung beispielsweise als Ausbildungs-

leiter oder Firmenchef begleitet haben.

Wir möchten mit dieser Broschüre noch mehr Frauen dazu ermuntern, den Schritt in ein neues Berufsfeld

zu wagen. Das AMS wird sie bestmöglichst dabei unterstützen.

Eva Egger & Margot Puck

AMS Österreich, Abteilung Arbeitsmarktpolitik für Frauen

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Inhalt

Das FiT-Programm des AMS 4

Silvia Breiml, Lehrausbildung Karosseriebautechnik:

„Muskelkater haben die männlichen Lehrlinge anfangs auch“ 6

Barbara Tresky, Uhrmachermeisterin:

„Uhren sind inzwischen meine Leidenschaft“ 10

Georgina Bezuh, Zerspanungstechnikerin:

„Wenn ich was schaffen will, schaffe ich es auch“ 14

Tanja Scheil, Bautechnische Zeichnerin:

„Mein Leben hat sich von Grund auf geändert“ 18

Romana Welser, Chemielabortechnikerin:

„Im Moment bin ich sehr zufrieden“ 22

Eveline Prochaska, Studentin der Informationstechnologien und Telekommunikation:

„Für einen Neustart braucht es sehr viel Eigeninitiative“ 25

Sandra Schmid, Mechatronikerin:

„Mir gefällt es, wenn ich körperlich arbeiten kann. Ich mag das“ 30

Anita Wechselberger, Kraftfahrzeugtechnikerin:

Als erste Frau in der Werkstatt 34

Nuray Isik, Speditionskauffrau:

„Ich bin froh, dass mir diese Chance geboten wurde“ 38

Nina Klaus, Maschinenfertigungstechnikerin:

„Es geht auch mit Kindern“ 42

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Das FiT-Programm des AMS

2006 startete das Arbeitsmarktservice (AMS) das Programm „Frauen in Handwerk und

Technik“ (FiT). In den Jahren 2006 bis 2010 schlossen bereits mehr als 3.300 Frauen im

Rahmen des FiT-Programms eine handwerkliche oder technische Ausbildung ab.

Das Ziel des Programms

Ziel dieses Programms ist es, Frauen zu ermutigen, handwerkliche oder technische Berufe zu ergreifen und

sie dabei zu unterstützen. Denn handwerkliche und technische Berufe bieten gute Verdienstmöglichkeiten

und auch in Zukunft die Chance auf einen sicheren Arbeitsplatz (Stichwort: Fachkräftemangel).

Die Benachteiligung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt hat zwei Gründe:

Die Berufswahl. Allzu viele Frauen entscheiden sich, einen der traditionellen Frauenberufe zu

ergreifen (z.B. Friseurin, Bürokauffrau, Tätigkeiten im Handel und im Gastgewerbe). Tradi-

tionelle Frauenberufe aber sind häufig schlecht bezahlt und bieten selten Aufstiegschancen.

Die Tatsache, dass zumeist die Mütter für die Betreuung von Kindern zuständig sind, und es mitunter

schwierig ist, dies mit einer Vollzeitarbeit zu vereinbaren.

Die Folge davon sind gravierende Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern.

Wer kommt für eine Teilnahme in Frage?

Zielgruppe des FiT-Programms sind alle beim AMS als arbeitsuchend vorgemerkten Frauen, die Interesse

an einer handwerklichen oder technischen Ausbildung haben.

Das FiT-Programm im Detail

BerufsorientierungDer Besuch eines Berufsorientierungskurses vermittelt einen umfassenden Überblick über die Vielzahl an

handwerklichen und technischen Berufen und erweitert damit die beruflichen Perspektiven der Teilnehme-

rinnen. Die Berufsorientierungskurse werden im Auftrag des AMS von verschiedenen Bildungseinrichtungen

durchgeführt (z.B. abz*austria, bfi, WIFI)

Technische VorqualifizierungBei Interesse für einen handwerklichen oder technischen Beruf erhalten die Teilnehmerinnen eine Basis-

qualifizierung in jenen Bereichen, die sie später in der Ausbildung und im Beruf benötigen (z.B. Mathematik,

EDV, technisches Englisch). Schnuppertage oder aber ein zwei bis vier Wochen dauerndes Praktikum in

einem einschlägigen handwerklichen oder technischen Betrieb sollen die endgültige Entscheidungsfindung

erleichtern. Die technische Vorqualifizierung wird so wie die Berufsorientierung im Auftrag des AMS von

verschiedenen Bildungseinrichtungen durchgeführt und durch die Möglichkeit eines Praktikums auf

betrieblicher Ebene ergänzt.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Berufsausbildung

Das FiT-Programm ermöglicht eine Ausbildung im handwerklichen oder technischen Bereich, die mit einem

Lehrabschluss oder einem vergleichbaren schulischen Abschluss endet. Gefördert wird die Ausbildung

von Frauen in handwerklichen und technischen Berufen, in denen der Frauenanteil an den Lehrlingen oder

an den Studierenden unter 40 Prozent liegt. Unter Umständen ist auch eine Ausbildung an einer naturwis-

senschaftlich-technischen Fachhochschule, an einer Höheren technischen Lehranstalt (HTL) oder einem

technischen Kolleg möglich. Die Lehrausbildungen können direkt in einem Betrieb stattfinden oder in Aus-

bildungseinrichtungen. Facharbeiterinnen-Intensiv-Ausbildungen finden meist in Ausbildungszentren statt.

Und die Kosten?

Die gesamten Kosten für Berufsorientierung, Berufsvorbereitung und Berufsausbildung übernimmt das

AMS. Für die Dauer der Teilnahme am FiT-Programm beziehen Frauen ihr Arbeitslosengeld weiter oder

eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts.

Was tun im Falle von Problemen?

Beginnend von der Berufsorientierungsphase bis zum Abschluss der Berufsausbildung steht den Teilneh-

merinnen am FiT-Programm eine kompetente Beraterin zur Seite. Mit ihr können mögliche familiäre Belas-

tungen, Probleme in Zusammenhang mit der Organisation und Finanzierung der Kinderbetreuung, Lern-

schwierigkeiten und Konflikte mit KollegInnen besprochen werden.

Nähere Informationen Persönliche Beratung erhalten Sie in der für Ihren Wohnort zuständigen

Regionalen Geschäftsstelle des AMS

Allgemeine Informationen erhalten Sie unter folgenden Internetadressen:

www.ams.at/frauen

www.ams.at/fit

www.fit-gehaltsrechner.at

www.berufskompass.at

www.ams.at/qualibarometer

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

„Ich brauche den Kontakt mit Leuten. Allein in einem

Büro zu sitzen, wäre nichts für mich.“ Silvia Breiml,

eine vor Vitalität sprühende fröhliche junge Frau,

wohnhaft in Klagenfurt, weiß, was sie will, und sie hat

dieses Bedürfnis in ihrem Berufsleben auch immer

berücksichtigt. Ursprünglich machte sie im elter-

lichen Betrieb die Lehrausbildung zur Kellnerin. „Mit

Lehrabschluss und allem Drum und Dran.“ Danach

arbeitete sie jahrelang im Gastgewerbe, zwischen-

durch auch im Handel. Von ihrer letzten Arbeitsstelle

im Gastgewerbe wurde sie gekündigt. Der Grund?

„Am Neuen Platz in Klagenfurt war eine Zeitlang eine

Großbaustelle, und der Umsatz in dem Lokal, in dem

ich gearbeitet habe, ging rapide zurück.“ Etwa zur

gleichen Zeit waren ihre Probleme mit der Schulter

immer ärger geworden. „Ich habe mitunter nicht

einmal einen Glasteller aufheben können, solche

Schmerzen hab ich gehabt.“ Silvia Breiml ging zum

Arzt und ließ sich untersuchen. Der Arzt sagte ihr, es

sei an der Zeit, mit der Arbeit im Gastgewerbe aufzu-

Silvia Breiml (Jahrgang 1976) Lehrausbildung zur Karosseriebautechnikerin

hören, sonst würde es immer schlimmer, und schrieb

ihr auch ein entsprechendes Attest. Daraufhin konnte

sie über das Berufliche Bildungs- und Rehabilita-

tionszentrum (BBRZ) einen Kurs zur Umschulung

machen. Sie konnte sich zwischen kaufmännischen

und technischen Berufen entscheiden, entschied sich

für die technischen und machte im Rahmen dieser

Umschulung ein Praktikum in einer großen Firma,

und zwar im Metallbereich. Dort lernte sie die Tätig-

keit des Drehers bzw. der Dreherin ein wenig kennen.

Gleichzeitig aber war klar, dass die Firma im Moment

niemanden aufnimmt, weil sie genug Personal hat.

„Dann war der Kurs aus und ich hatte noch immer

keinen Job.“

In dieser Situation entdeckte sie die

AMS-Broschüre „Frauen mit Zukunft“

und fragte ihre AMS-Beraterin, ob

das FiT-Programm nicht auch für

sie was wäre. Das bedurfte erst der Klärung. „Aber

nachdem ich eher hartnäckig bin, konnte ich dann

bei dem Auswahlverfahren mitmachen. Das fand in

Villach statt. Von den 50 Bewerberinnen wurden 15

bis 20 ins Programm aufgenommen.“ Silvia Breiml

war eine davon.

Anschließend besuchte sie den Berufsorientierungs-

kurs in Villach, wobei für sie schon klar war, welche

Ausbildung sie machen wollte – Karosseriebau-

technik. „Ich habe mich immer schon für Autos inter-

essiert. Und wenn es möglich war, habe ich Kleinig-

keiten bei meinen Autos selbst repariert.“ Um einen

Praktikumsplatz müssen sich die Teilnehmerinnen des

Berufsorientierungskurses selber kümmern.

Silvia Breiml fand zwei Betriebe, absolvierte die

Praktika, wurde aber von jedem Betrieb „hinaus-

getröstet“, wie sie sagt. Immer hieß es: „Im Moment

brauchen wir niemanden, aber vielleicht in einem

An Autos war Silvia Breiml immer schon interessiert.

„Muskelkater haben die männlichen Lehrlinge anfangs auch“

FiT-Programm

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

halben Jahr.“ Das heißt, Lehrstelle in dem von ihr

angestrebten Beruf hatte sie keine. „Das war nicht

sehr aufbauend. Ich habe mich damals noch einmal

mit meiner AMS-Beraterin, einer Vertreterin der

Kärntner Arbeitsstiftungen und meiner Kursleiterin

beraten. Und dann habe ich mir aus dem Internet

eine Liste mit allen Karosseriebetrieben in Klagenfurt

und in Klagenfurt Umgebung ausgedruckt und habe

die Betriebe einfach aufgesucht. Ich bin in sämtliche

Betriebe, auch jene, von denen ich schon telefonisch

Absagen gekriegt habe, persönlich hingefahren und

habe nach einer Lehrstelle gefragt. Da habe ich

gemerkt, wie wichtig der persönliche Kontakt ist.“

Auf diese Weise kam sie auch zur Firma Waldemeier,

von der sie zuvor bereits eine telefonische Absage

erhalten hatte. „Ich bin ins Büro gegangen, hab

gefragt, ob der Chef oder die Chefin da ist. Der Chef,

Wolfgang Waldemeier, war da. Ich hab ihn gefragt

wegen eines Praktikums in Hinblick auf eine Lehr-

stelle. Er war damit einverstanden. Ich habe mir

gedacht, ich mache zuerst eine Woche Praktikum.

Das ist auch für den Betrieb eine gewisse Sicher-

heit. Damit sieht der Chef, wie ich mich anstelle, und

ich sehe, wie ich mit den Leuten zurechtkomme. Wir

haben also vereinbart, dass ich eine Woche Prakti-

kum mache und wir uns am letzten Tag der Woche

nochmals zusammensetzen. Am Mittwoch kommt der

Chef vorbei, ich frage ihn, ob er am Freitag da sein

wird. Er bejaht und fragt, wie es mir gefällt. Ich sage:

Mir gefällt es super. Mit den Leuten komme ich auch

spitze aus. Sagt er: Passt. Ich sage: Reden wir am

Freitag weiter. Darauf antwortet er nicht, macht zwei

Schritte weg von mir, dreht sich dann um und teilt mir

mit, dass er mich ab Montag als Lehrling beschäftigen

wird. Ich hab gar nicht gewusst, was ich sagen soll.

Ich hab nur ein ‚Okay’ herausgebracht.“ Silvia Breiml

war total überrascht, positiv versteht sich. Denn

insgeheim hatte sie befürchtet, es würde ihr in der

Firma Waldemeier so ergehen wie in den anderen

Firmen.

Seit dieser „Schnupperwoche“ ist sie durchgehend

in der Firma Waldemeier beschäftigt. Zum Zeitpunkt

des Interviews hat sie das zweite Lehrjahr nahezu

beendet.

Silvia Breiml ist die einzige Frau in der Werkstatt. Mit

den Kollegen hat sie überhaupt keine Probleme. „Es

gibt keine blöden Sprüche, gar nichts, im Gegenteil.

Wahrscheinlich ist es ein Vorteil, wenn man selber

nicht mehr blutjung ist und ein gewisses Durchset-

zungsvermögen hat.“ Die Zusammenarbeit mit den

Kollegen funktioniert bestens. Wenn sie Unterstüt-

zung braucht, kriegt sie diese. „Die Firma ist wie eine

große Familie. Da geht alles Hand in Hand. So wie es

eigentlich sein sollte.“ Silvia Breiml strahlt, wenn sie

von ihrer Arbeit erzählt.

Auch in der Berufsschule gibt es keine Probleme.

„Die Mitschüler fragen mich eher, ob ich ihnen helfen

kann.“ Manche KundInnen, so Silvia Breimls Erfah-

rung, schauen zwar erst einmal, wenn sie eine Frau

in der Werkstatt sehen, aber es gibt keine negativen

Reaktionen. Auch die Reaktionen der Familie und des

Freundeskreises auf ihre Berufsentscheidung waren

positiv. „Eigentlich haben mir alle dazu gratuliert. Sie

sagten: Wenn du das machen willst, mach es, bitte.“

„Es ist ein Vorteil, wenn man nicht mehr

blutjung ist“

Das Arbeitsgebiet der KarosseriebautechnikerInnenDas Arbeitsgebiet der KarosseriebautechnikerInnen ist vor

allem die Wartung und Reparatur der Karosserien von Kraft-

fahrzeugen (der Motor hingegen gehört zu den Arbeitsge-

bieten von Kfz-TechnikerInnen). Dazu gehört das Montieren

und Demontieren von Fahrzeugteilen, das Ausrichten defor-

mierter Blechteile, der Oberflächenschutz durch Hohlraum-

versiegelung sowie das Kitten, Lackieren und Schleifen. In

diesem Zusammenhang sind verschiedenste Materialien –

nicht nur Metall, sondern auch Kunststoff oder Glas – mit

den entsprechenden Verfahren zu bearbeiten.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Der Betrieb, in dem Silvia Breiml arbeitet, ist spezi-

alisiert auf die Instandsetzung von Autokarosserien

nach Unfällen (Versicherungsschäden) bis hin zum

Beheben von Kratzern, Dellen und Lackschäden, die

nicht Folgen von Unfallschäden sind.

„Im Moment“, so erzählt Silvia Breiml, „arbeite ich

hauptsächlich in der Spenglerei. Wenn wir aber

beispielsweise in der Spenglerei wenig zu tun haben,

in der Lackiererei aber viel, dann geh ich in die

Lackiererei.“

Die wesentlichen Voraussetzungen für den Beruf der

Karosseriebautechnikerin sind in ihren Augen:

- Technisches Interesse („Schon in der Schule

war mir Werken lieber als Handarbeiten“) und

- speziell ein Gespür für Autos: „Wenn man ein

Auto zerlegt, muss man es auch wieder

zusammenbauen können. Das heißt, man

muss sich merken, wo hab ich welche

Schrauben rausgedreht.“

Eine gewisse Körperkraft ist für den Beruf ohne

Zweifel ebenfalls erforderlich. Im ersten Lehrjahr

hatte Silvia Breiml des öfteren Muskelkater. „Aber den

haben die männlichen Lehrlinge auch.“ Inzwischen

hat sie keinen Muskelkater mehr und ist auch ihre

Schulterbeschwerden los. „Die kamen vom Servieren,

von der dauernden einseitigen Belastung.“ Was ihr

auffällt: „Bei den typischen Frauenberufen ist über-

haupt nie die Rede davon, wie körperlich belastend

die sein können. Davon wird immer nur geredet, wenn

Frauen in sogenannte Männerberufe vordringen.

(KarosseriebautechnikerIn ist ein Beruf, bei dem der

Männeranteil an den Lehrlingen österreichweit mehr

als 97 Prozent beträgt.) Sie selbst weiß, dass die

Arbeit im Gastgewerbe körperlich außerordentlich

anstrengend sein kann. Und nicht nur die im Gastge-

„In den typischen Frauenberufen ist von

körperlicher Belastung nie die Rede“

Ihr gefällt, dass man in dem Beruf nie auslernt.

Silvia Breiml (Jahrgang 1976) Lehrausbildung zur Karosseriebautechnikerin

Früher gab es, so erklärt Silvia Breiml, Autospengler

und Lackierer. Da war auch Autospengler allein

ein Lehrberuf. Heute umfasst die Lehrausbildung

KarosseriebautechnikerIn die Spenglerei und das

Lackieren. Für Lackierer gibt es allerdings noch eine

Einfachlehre. Zum Berufsbild der Karosseriebautech-

nikerInnen gehört auch der Umbau von Karosserien

(z.B. Einbau von Schiebedächern) oder die Produk-

tion von Karosserien für Spezialfahrzeuge (serienge-

fertigte Fahrzeuge werden hingegen vollautomatisch

am Fließband produziert).

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

werbe. „Ich habe eine Zeitlang in einem Supermarkt

gearbeitet. In der Fleischabteilung. Da gibt es Kisten,

wenn die voll mit Wurstzeug sind, sind sie nur mit

allergrößter Anstrengung hochzuheben.“

Dass sich Frauen unter Umständen davon abhalten

lassen, den Beruf der Karosseriebautechnikerin zu

ergreifen, weil sie sich dabei auch schmutzig

machen, ist für Silvia Breiml nicht nachvollziehbar: „Es

gibt ja Wasser. Und zwar ausreichend. Und duschen

muss man sich – egal welchen Beruf man hat.“

Was ihr an ihrem Beruf besonders gefällt: „Es ist ein

Beruf, in dem man nie auslernt. Weil sich ständig was

ändert. In den neueren Autos ist beispielsweise viel

mehr Elektronik, darauf muss man auch Rücksicht

nehmen.“

Silvia Breimls Erklärung dafür, warum es in ihrem

Beruf für Frauen eher schwierig ist, eine Lehrstelle

zu finden: „Der überwiegende Teil der einschlä-

gigen Betriebe ist diesbezüglich sehr konservativ und

scheut sich vor jeglicher Veränderung. Die meisten

reden sich darauf aus, dass es dann getrennte sani-

täre Einrichtungen geben müsse. Aber das stimmt

nicht. Wenn nicht mehr als fünf Frauen beschäftigt

sind, reicht ein WC, das zum Absperren ist.“

Für die Frage nach Zukunftsperspektiven ist es im

zweiten Lehrjahr im Grunde genommen noch zu früh.

Nicht so für Silvia Breiml. Sie denkt sehr wohl an die

Zukunft. Vor allem hofft sie, nach der Lehrabschluss-

prüfung in der Firma Waldemeier bleiben zu können.

Und sie kann sich vorstellen, nach einiger Zeit der

Praxis die Meisterprüfung zu machen. Und danach

eventuell noch die Ausbildung zur Kfz-Sachverstän-

digen ... „Man wird ja schließlich nicht jünger. Und ich

möchte in meinem erlernten Beruf bleiben.“

Die Sicht des Werkstättenleiters

Entscheidend ist: Wie greift wer was an

Die Firma Waldemeier, Autospenglerei und Autolackiererei in Klagenfurt, besteht seit nahezu 50 Jahren. Derzeit hat

die zweite Generation die Geschäftsführung inne, und die dritte Generation arbeitet bereits mit. Im Betrieb gibt es

18 Beschäftigte. In der Werkstatt ist Silvia Breiml die einzige Frau. Vor etwa 15 Jahren hat schon einmal eine Frau in

der Werkstatt gearbeitet, ihre Lehre aber abgebrochen.

Christian Käfer ist seit Anfang 2010 Werkstättenleiter in der Firma. Seiner Meinung nach ist für die Ausübung

des Berufs nicht das Geschlecht ausschlaggebend, es kommt vielmehr darauf an, wie eine Person sich anstellt.

„Entscheidend ist: Wie greift wer was an. In unserem Beruf ist sehr viel handwerkliches Geschick erforderlich

und speziell bei der Lackierung von Autos auch Feinfühligkeit. Da merkt man schon, dass Frauen sehr gut sind.

Speziell wenn es um die Abschlussarbeiten beim Lackieren geht. Das ist eine genaue Arbeit.“

Bei körperlich anstrengenden Arbeiten helfen die Kollegen im Normalfall zusammen. In einem Pkw-Betrieb sieht

Christian Käfer für Frauen diesbezüglich keine Probleme. In einem Lkw-Betrieb wäre seiner Meinung nach die

Arbeit für eine Frau zu schwer.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

zehn. Ich bin nicht multitasking-bereit. Fähig mögli-

cherweise schon, aber ich will es nicht. Man redet

den Frauen ja ständig ein, dass sie multitasking-fähig

seien und alle möglichen Aufgaben gleichzeitig erle-

digen können. Das ist wie ein Zwang. Und manche

Frauen sind dann auch noch stolz darauf.“

Barbara Tresky wandte sich ans AMS und konnte

einen Berufsorientierungskurs speziell für Frauen

besuchen. „Die Kursleiterin hat uns Frauen total unter-

stützt. Sie hat sich bemüht, dass die Teilnehmerinnen

im Anschluss wirklich die Ausbildung machen können,

die sie machen wollen.“ Aber so einfach ging es dann

doch nicht. Barbara Tresky wusste zwar sehr schnell,

welchen Beruf sie erlernen wollte – Uhrmacherin. In

den Unterlagen des AMS war sie auf ein Inserat der

Uhrmacherlehrwerkstätte der Stadt Wien gestoßen.

Dort rief sie umgehend an, bekam einen Termin bei

Harald Rinder, dem Leiter der Lehrwerkstätte, und

der sagte ihr nach dem Gespräch zu, dass er sie auf-

nimmt. Bis sie die Uhrmacherlehre im Rahmen des

FiT-Programms tatsächlich beginnen konnte, verging

allerdings ein Dreivierteljahr.

Da die Uhrmacherlehrwerkstätte keine Lehrlingsent-

schädigung zahlte, konnte Barbara Tresky mit der

Ausbildung nicht beginnen. „Ich hätte keine Lehr-

lingsentschädigung bekommen, kein Arbeitslosen-

geld, keine Sozialhilfe. Von nichts aber kann ich nicht

leben.“

Barbara Tresky war klar, dass sie eine Ausbildung

machen und auch abschließen musste. Sie versuchte,

eine Lehrstelle in einer Bibliothek zu finden, in einer

Bücherei, auch in der Metallbranche, die sie damals

schon interessierte, aber überall hieß es, sie sei mit

ihren 23 Jahren zu alt. „Das war schon frustrierend.

Barbara Tresky (Jahrgang 1982) Uhrmachermeisterin

Ursprünglich wollte Barbara Tresky nach der Matura

„etwas Künstlerisches“ machen. Das hat nicht funk-

tioniert. Also begann sie an der Universität Wien

Kunstgeschichte und Soziologie zu studieren, brach

das Studium aber ab, weil es ihr zu theoretisch war.

Sie ging zum AMS, erhielt eine Büroausbildung,

erwarb EDV-Kenntnisse und arbeitete in der Folge die

meiste Zeit in Büros, bis ihr klar wurde, dass sie bei

dieser Tätigkeit nicht bleiben, sondern was anderes

machen will.

Was ihr an der Büroarbeit nicht gefiel? „Dass die

Arbeit nie erledigt ist. Büroarbeit ist wie Hausarbeit.

Kaum meint man, die Arbeit beendet zu haben, fängt

das Ganze von vorn an. Ich konzentriere mich bei

meiner Arbeit gern auf eine Tätigkeit und nicht auf

Barbara Tresky arbeitet mit Klein- und mit Großuhren.

„Uhren sind inzwischen meine Leidenschaft“

„Büroarbeit ist wie Hausarbeit. Kaum

hat man die Arbeit beendet, fängt das

Ganze von vorne an“

Barbara Tresky (Jahrgang 1982) Uhrmachermeisterin

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Später, als ich dann in der Berufsschule war, zeigte

sich, dass die Älteren deutlich motivierter und ambiti-

onierter sind.“

Zwischendurch besuchte Barbara Tresky noch einen

Kurs des Berufsförderungsinstituts (bfi). „Da ging es

zwar um die Förderung von Frauen in technischen

Berufen. Aber eine Uhrmacherlehre stand nicht zur

Wahl. „Ich aber wollte wenn irgend möglich die Uhr-

macherlehre in der Lehrwerkstätte machen.“ Bei

einem Gesprächstermin im abz*austria1 fand die

Beraterin heraus, dass der Beruf UhrmacherIn einen

Frauenanteil von weniger als 40

Prozent hat und eine Förderung der

Ausbildung daher im Rahmen des

FiT-Programms möglich sein müsse.

Sie motivierte Barbara Tresky erst einmal, eine Mappe

auszuarbeiten zum Berufsbild UhrmacherIn mit

umfassenden Informationen einschließlich Interviews

und Inseraten etc. „Das habe ich gemacht, und dann

hat sie sich total für mich eingesetzt.“

Mit vereinten Kräften – sprich dank dem Einsatz der

abz-Mitarbeiterin, des Leiters der Uhrmacherlehrwerk-

stätte und der Beraterin des AMS, mit der Barbara

Tresky inzwischen Kontakt hatte – konnte sie letzt-

lich die Uhrmacherlehre an der Lehrwerkstätte der

Stadt Wien im Rahmen des FiT-Programms absol-

vieren. Damit war das finanzielle Problem gelöst, denn

während einer Lehrausbildung im Rahmen des FiT-

Programms wird Arbeitslosengeld oder ein Beitrag zur

Deckung des Lebensunterhalts bezahlt.

Dreieinhalb Jahre dauerte die Ausbildung in der Lehr-

werkstätte in der Mollardgasse, die quasi den Ausbil-

dungsbetrieb ersetzt. Die Berufsschule besuchen

Uhrmacherlehrlinge in Wien in der Hütteldorferstraße.

Unmittelbar nach Ablegung der Lehrabschlussprü-

fung im März 2011 begann Barbara Tresky als Gesel-

lin in der Firma Reich in der Schönbrunnerstraße zu

arbeiten, einer Firma, die ihr bereits vertraut war. Sie

hatte dort zwei Sommer lang als Ferialpraktikantin

gearbeitet und sie arbeitete dort während ihrer Ausbil-

dung in der Lehrwerkstätte regelmäßig an ihren freien

Samstagen. Friedrich Reich, der Firmenchef, ist nicht

nur Uhrmacher, sondern auch Uhrenrestaurator. Uhren-

restaurator ist kein eigener Lehrberuf, und es ist eine

Tätigkeit, die nur von sehr wenigen UhrmacherInnen

ausgeübt wird. Das dafür erforderliche Wissen muss

man sich in Eigenregie aneignen. Friedrich Reich,

der den Betrieb von seinen Eltern übernommen hat,

hat sich in jüngeren Jahren ganz gezielt Kenntnisse

der Holz- und der Metallrestaurierung angeeignet

und noch zusätzlich eine Goldschmiedeausbildung

gemacht, um die Voraussetzung für die Restaurie-

rung alter und auch wertvoller Großuhren (z.B. Wand-,

Pendel-, Stand- und Tischuhren) zu haben und auch

selbst Ersatzteile herstellen zu können.

„Mit Herrn Reich habe ich ein Riesenglück. Er hat

seinerzeit sofort zugestimmt, als ich bei ihm ein Prak-

tikum machen wollte. Und er hat mir während meiner

Ausbildung immer geholfen, egal womit ich zu ihm

„In meiner Klasse hat sich gezeigt,

dass die Älteren motivierter und

ambitionierter sind“

FiT-Programm

1 Non-Profit-Verein für die Förderung von Frauen in den Bereichen Bildung und Arbeit.

Das Arbeitsgebiet der UhrmacherInnen

Der wesentliche Bereich der Tätigkeit von UhrmacherInnen ist

die Wartung und Reparatur von Uhren. Aufgrund der Verwen-

dung kleinster Werkzeuge handelt es sich bei der Tätigkeit

der UhrmacherInnen um Feinmechanikerarbeit. Bei der

Reparatur einer (mechanischen) Uhr öffnen UhrmacherInnen

das Gehäuse mit einem speziellen Werkzeug, stellen fest,

was offensichtlich kaputt ist, nehmen das Uhrwerk heraus,

kontrollieren die Abnützung der Lager und der Wellen und die

Verzahnung der Räder. Schauen, ob noch alles gut vernietet

ist. Eventuell muss nachgenietet werden. Wenn ein Zahnrad

beschädigt ist, wird entweder ein einzelner Zahn neu einge-

setzt oder es wird ein ganzes Rad neu gefräst. Geprüft wird

auch die Ganggenauigkeit.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

der Geschichte zum Funktionieren gebracht worden

sind, wie sich das weiterentwickelt hat. Das ist ja eine

unglaubliche Entwicklung bis hin zu den heutigen

Kleinuhren.“ Das macht ihre Tätigkeit auch so

abwechslungsreich. „Keine Uhr gleicht der anderen.“

Welche Voraussetzungen braucht man für den Beruf

der Uhrmacherin? Dazu Barbara Tresky:

„Technisches Interesse braucht man schon. Aber viel-

leicht schreckt die Formulierung „technisches Inter-

esse“ Frauen eher ab. Ich denke, Frauen sollten sich

einfach mal anschauen, wie eine Uhr funktioniert, mit

welchen Maschinen und Werkzeugen Uhrmache-

rInnen arbeiten. Das ist alles nichts Übernatürliches.

Man braucht auch keine Scheu zu haben vor Maschi-

nen. Ich selber verbinde Maschinen zwar auch eher

mit Männerarbeit, aber sobald man sich drauf einlässt

und anfängt, mit Bohrmaschinen oder Drehbänken zu

arbeiten, entwickelt man auch ein Gefühl dafür und

das finde ich sehr positiv. In gewisser Weise baut man

auch zu Maschinen eine Beziehung auf. Ich habe

beispielsweise Lieblingsmaschinen und Maschinen,

die ich gern und solche, die ich weniger gern putze.“

Barbara Tresky hat einiges an Umwegen zurückge-

legt und einiges Durchsetzungsvermögen gebraucht,

um Uhrmacherin zu werden. Sie schließt zwar nicht

aus, dass mancher Umweg auch einen Sinn haben

kann. Hilfreich für die Schul- und Berufswahl aber

wäre es ihrer Meinung nach, wenn junge Leute mehr

Informationen hätten und sich selbst ein realistisches

Bild von verschiedenen Tätigkeiten machen könnten.

„Bei uns an der Schule waren zwar zwei Vertreter der

Österreichischen Hochschülerschaft und haben uns

verschiedene Studienrichtungen vorgestellt. Aber

wirklich vorstellen kann man sich dadurch nicht, wie

es an einer Universität zugeht. Andere Schulen gehen

mit den SchülerInnen an die Universität und schauen

sich das live an. Das ist sicher sinnvoller. Ich selbst

habe beispielsweise zuerst nicht gewusst, dass ich

nach der Matura noch eine Lehre beginnen kann.

Ich habe gedacht, das geht nicht. Und ganz wichtig

ist es auch, selbst etwas ausprobieren zu können.“

gekommen bin. Auch wenn er selbst oft seine Arbeit

unterbrechen musste und unter ziemlichem Zeitdruck

stand, weil so viel zu tun war im Betrieb.“ Barbara

Tresky hat von ihrem Chef viel gelernt und wusste

das immer zu schätzen. „Überdies kommen wir sehr

gut miteinander aus.“ Lediglich was den Bereich

Ordnung betrifft, haben die beiden, so erklären sie

schmunzelnd, unterschiedliche Vorstellungen. „Aber

inzwischen akzeptiert er meine Ordnung, und ich

akzeptiere sein Chaos. Jeden Samstag wird die

Werkstatt ohnehin komplett aufgeräumt und geputzt.“

Was Barbara Tresky besonders gefällt an ihrem Beruf:

„Es geht nicht nur um die Bearbeitung von Materia-

lien, sondern um das Funktionieren eines Gerätes.

Das Faszinierende ist die Technik hinter dem Ganzen,

dass man etwas wieder zum Laufen bringt, dass es

wieder so funktioniert, wie es funktionieren soll. Die

Beschäftigung mit alten Uhren macht auch sichtbar,

auf welch unterschiedliche Art Uhrwerke im Laufe

„Es ist ein Erfolgserlebnis, etwas

wieder zum Laufen zu bringen“

Ihre Erfahrung: Auch zu Maschinen baut man eine Beziehung auf.

Barbara Tresky (Jahrgang 1982) Uhrmachermeisterin

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Barbara Tresky hat sich immer vorgestellt, dass sie

gern mit Holz arbeiten würde. Nach einem einzigen

Tag in einer Tischlerwerkstatt im Zuge des Berufsori-

entierungskurses wusste sie es besser. Sie hatte das

Gefühl, an dem Holzstaub zu ersticken. „Man sollte

die Chance nützen, etwas an Ort und Stelle auszu-

probieren.“

Zukunftsperspektiven? Barbara Tresky möchte weiter reparieren; sie möchte

keinesfalls in den Verkauf. „Zuerst möchte ich das

Handwerk der Uhrmacherei richtig beherrschen und

dann hoffe ich, dass Herr Reich noch Zeit findet,

mir das Sanieren der Gehäuse beizubringen. Einst-

weilen repariere ich nur die Uhrwerke. Die Gehäuse

saniert alle er.“ Die Großuhren sind Barbara Tresky

jedenfalls zunehmend ans Herz gewachsen. „Wenn

ich mich schnell genug entwickle, und ich hoffe, das

werde ich, würde ich gern versuchen, selbständig zu

sein, wobei ich ehrlich sagen muss, ich habe großen

Respekt davor. Denn die Selbständigkeit birgt auch

ein hohes Risiko, nicht zuletzt ein finanzielles. Und

ich habe keinerlei Rücklagen. Deshalb muss ich mir

das gut überlegen. Ich habe aber auch kein Problem

damit, angestellt zu sein. In jedem Fall möchte ich die

Meisterprüfung machen.“

Im August 2011 – wenige Wochen nach dem Inter-

viewtermin – hat Barbara Tresky wie geplant die

Meisterprüfung abgelegt.

Die Sicht des Ausbildungsleiters

„Eine solche Schülerin würde ich mir wieder wünschen!“

Der Anteil der Frauen an den Uhrmacherlehrlingen beträgt nur knapp 30 Prozent. Das ist schade. Denn: „Frauen

stellen sich in dem Beruf zum Teil viel geschickter an und sind viel einfühlsamer.“ Harald Rinder weiß dies aufgrund

langjähriger Erfahrung. Seit 1991 ist er Lehrer und seit 2003 Leiter der Uhrmacherlehrwerkstätte der Stadt Wien.

Diese überbetriebliche Ausbildungsstätte, ausgestattet mit den modernsten Maschinen und Geräten, wurde bereits

1903, also vor mehr als hundert Jahren gegründet, und ist untergebracht im Berufsschulgebäude in der Mollard-

gasse. Die Hälfte der AbsolventInnen bleibt in der Branche. Das ist – verglichen mit anderen Lehrausbildungen –

ein hoher Prozentsatz.

Pro Jahr werden – nach Ablegung einer Aufnahmsprüfung – zwölf Lehrlinge aufgenommen. Anders als noch vor

wenigen Jahren, als Barbara Tresky mit der Ausbildung begann, werden seit 2010 nur noch InteressentInnen aus

Wien aufgenommen, die nicht älter als achtzehn Jahre alt sind. Die Vermittlung erfolgt über das AMS für Jugend-

liche. Die Lehrlinge erhalten nun eine Ausbildungsbeihilfe, sind kranken- und unfallversichert und müssen pro Jahr

zwölf Wochen Praktikum in einem Fachbetrieb absolvieren. Innerhalb der ersten eineinhalb Jahre der dreieinhalb-

jährigen Ausbildung fertigt jeder Lehrling selber eine sogenannte Lehruhr an, das heißt, die Lehrlinge lernen auch

die für die Herstellung von Uhren erforderliche Bearbeitung von Rohmaterialien und nicht nur das Reparieren von

Uhren. Das ist speziell für UhrenrestauratorInnen wichtig, die oft vor dem Problem stehen, dass es für eine Uhr

keine Ersatzteile mehr gibt.

Für Harald Rinder ist der Beruf der UhrmacherIn und ZeitmesstechnikerIn ein Beruf mit Zukunft. „Der Trend geht

zurück zur mechanischen Uhr, die man reparieren und servicieren kann. Es ist fast eine Renaissance!“ Barbara

Tresky hat er in sehr guter Erinnerung. „Ihr Wunsch, Uhrmacherin zu werden, war sehr ausgeprägt. Sie war sehr

motiviert, sehr wissbegierig. Sie hat die Holschuld geholt und die Bringschuld eingefordert. Sie hat alles hinterfragt.

Und ich habe es als meine Aufgabe gesehen, sie zu unterstützen. Eine solche Schülerin würde ich mir wieder

wünschen!

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Im Alter von vierzehn Jahren kam Georgina Bezuh mit

ihren Eltern von Kroatien nach Österreich, und zwar

ins Südburgenland. Hier besuchte sie die Polytech-

nische Schule. Im Anschluss daran absolvierte sie

eine Lehre als Restaurantfachfrau. Georgina Bezuh

hatte bereits während ihrer Schulzeit in Kroatien

einige Jahre Deutschunterricht gehabt; sie musste

mit dem Deutschlernen daher in Österreich nicht an

einem Nullpunkt beginnen. Das erleichterte ohne

Zweifel den schulischen Einstieg. Die allermeisten

Fachbegriffe des Gastgewerbes waren ihr dennoch

vollkommen fremd. „Die konnte ich nur auswendig

lernen.“ Nichtsdestotrotz bestand sie die Lehrab-

schlussprüfung zur Restaurantfachfrau in Bad

Gleichenberg mit Auszeichnung. Ganz offensichtlich

ist Georgina Bezuh sehr sprachbegabt. Heute spricht

sie ohne Akzent, auch Dialekt. Vor allem aber:

Georgina Bezuh lässt sich nicht unterkriegen.

Georgina Bezuh (Jahrgang 1977) Zerspanungstechnikerin

Von sich selbst sagt sie: „Wenn ich was schaffen will,

schaffe ich es auch.“

Knappe zehn Jahre lang war sie im Gastgewerbe

tätig, dann bekam sie Probleme mit der Lungen-

funktion. Offenbar vom Rauch in den Lokalen. Aus

gesundheitlichen Gründen sah sie sich gezwungen,

den Beruf zu wechseln, sich umschulen zu lassen.

Sie wandte sich ans AMS und wurde – inzwischen

wohnte sie in Bad Blumau in der Steiermark – an die

„Alternative“ in Gleisdorf verwiesen, ein Zentrum für

Ausbildungsmanagement, das – im Auftrag des AMS

und des Landes Steiermark – die Qualifizierung von

(arbeitslosen) Frauen fördert, um deren Chancen

auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Um sich beruflich

neu orientieren zu können, erhalten die Frauen die

Möglichkeit, in Bildungseinrichtungen oder Betrieben

verschiedene Tätigkeiten auszuprobieren und ihre

Eignung dafür in der Praxis zu testen.

Das Angebot der „Alternative“ umfasst nicht zuletzt

Ausbildungen im Metallbereich. Die Metallbranche

hätte Georgina Bezuh immer schon interessiert. Aber

in der Polytechnischen Schule, die sie besucht hat,

gab es damals für Mädchen nur die Möglichkeit, in

Friseurbetrieben oder im Gastgewerbe „zu schnup-

pern“. Sie selbst wollte daher zuerst Friseurin werden,

fand aber keine Lehrstelle, und entschied sich dann

fürs Gastgewerbe, denn irgendeine Ausbildung wollte

sie in jedem Fall machen. Ihrer Erfahrung nach wäre

es ganz wichtig, dass Mädchen im Rahmen der

Berufsorientierung in der Hauptschule und in der

Polytechnischen Schule die Möglichkeit haben, in

unterschiedliche Betriebe – auch in handwerklich-

technische – zu kommen, damit sie sehen, dass es

auch was anderes gibt als den Beruf der Friseurin,

Georgina Bezuh wechselte vom Gastgewerbe in die Metallbranche.

„Wenn ich was schaffen will, schaffe ich es auch“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

der Verkäuferin und der Kellnerin. Nur so könnten sie

feststellen, was ihnen tatsächlich liegt und was nicht.

„Und dann sollte man den Mädchen sagen: Macht

das, was Euch interessiert!“

Ein halbes Jahr lang konnte Georgina Bezuh an der

Höheren Technischen Lehranstalt in Weiz, die mit

dem Ausbildungszentrum in Gleisdorf zusammenar-

beitet, die Grundlagen der CNC -Technik1 erlernen.

Letztlich war ihr das aber zu wenig, sie begnügte sich

nicht damit, sondern entschloss sich, die Lehrausbil-

dung zur Zerspanungstechnikerin2 zu machen. Die

Ausbildung, die in Form von Modulen erfolgt, absol-

vierte sie – nach Ablegung einer Aufnahmsprüfung

– im Schulungszentrum Fohnsdorf-Oststeiermark in

Fürstenfeld. Der Anteil der Frauen an den Lehrlingen

beträgt im Lehrberuf ZerspanungstechnikerIn öster-

reichweit nicht einmal sechs Prozent.

Im Rahmen der Ausbildung lernte Georgina Bezuh

sowohl die Bearbeitung von Werkstücken mit konven-

tionellen als auch mit CNC-Maschinen und Fertigungs-

anlagen. Parallel dazu erfolgte der Unterricht in Fach-

kunde, Fachzeichnen, Fachrechnen etc.

Im Mai 2010, ein Jahr und neun Monate nach Beginn

ihrer Ausbildung, bestand sie die Lehrabschluss-

prüfung mit Auszeichnung. „Ich wollte auch die

Zerspanungstechnik mit Auszeichnung machen.

Und das habe ich gemacht.“

Unmittelbar danach verschickte sie erst einmal 56

Bewerbungsschreiben. Seit Juli 2010 arbeitet sie –

als Leiharbeitskraft – in der Austria Druckguss GmbH

und Co KG in Gleisdorf. Austria Druckguss ist in

erster Linie ein Zulieferbetrieb für die Autoindustrie.

Die Zahl der Beschäftigten beträgt 236, dazu

kommen etwa 25 Leiharbeitskräfte. Insgesamt beträgt

der Frauenanteil in der Fertigung rund 14 Prozent.

Wie in den meisten Betrieben der Metallbranche ist

der Anteil der angelernten Arbeiterinnen deutlich

höher als jener der Facharbeiterinnen: Von den 28

Frauen, die bei Austria Druckguss angestellt und in

der Fertigung tätig sind, sind nur drei Facharbeite-

rinnen, 25 sind angelernt. Allerdings bildet Austria

Druckguss inzwischen auch weibliche Lehrlinge in

technischen Berufen aus – zur Zeit eine Werkzeug-

bautechnikerin und eine Mechatronikerin.

Georgina Bezuh bearbeitet bei Austria Druckguss

Werkteile, konkret: Leiterrahmen V6 für Automotoren

(Audi). Sie arbeitet Vollzeit. Die Fertigung erfolgt im

Schichtbetrieb, das heißt, es wird immer wieder auch

in der Nacht und an Wochenenden gearbeitet. „In der

Metallbranche ist es eben so. Das war mir von Anfang

an klar. Im Gastgewerbe habe ich auch oft in der

Nacht und an Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Mit

dem Unterschied, dass hier die Arbeitszeit geregelt

ist und auch entsprechend bezahlt wird.

Dazu kommt, dass Metallberufe grundsätzlich besser

bezahlt sind als die traditionellen Frauenberufe.“

„Hier ist die Nachtarbeit geregelt

und wird auch entsprechend bezahlt“

Das Arbeitsgebiet der ZerspanungstechnikerInnen

1 CNC ist die Abkürzung von Computerized Numerical Control, zu deutsch: computerisierte numerische Steuerung. Heute sind nahezu alle neu

entwickelten Werkzeugmaschinen mit einer CNC-Steuerung ausgestattet, da diese sowohl die Serienfertigung als auch die Einzelfertigung von

Metall- und Kunststoffwerkstücken bei hoher Bearbeitungsgenauigkeit beschleunigt und daher rationalisiert.2 Mit 1. Juni 2011 wurde der Lehrberuf „ZerspanungstechnikerIn“ in der gegenwärtigen Form aufgelassen und durch den neuen Lehrberuf

„MetalltechnikerIn - Zerspanungstechnik“ ersetzt.

ZerspanungstechnikerInnen sind zuständig für die Formung

und Bearbeitung von Metall- und Kunststoff-Bauteilen mittels

spanabhebender Werkstoffbearbeitung. Beispielsweise werden

zu diesem Zweck mittels Drehen oder Fräsen Späne von der

Oberfläche der Werkstücke abgehoben. Die Bearbeitung

erfolgte in der Vergangenheit mit konventionellen, inzwischen

fast ausschließlich mit rechnergestützten CNC-Maschinen.

Während der Bearbeitung steuern und über-wachen Zerspa-

nungstechnikerInnen die Maschinen und

kontrollieren die Ergebnisse (Qualitätssicherung).

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Welche Voraussetzungen jemand für den Beruf

braucht? Dazu Georgina Bezuh:

- Technisches Interesse

- Interesse mit Metall zu arbeiten

- Räumliches Vorstellungsvermögen (z.B. um

sich aufgrund von Zeichnungen das Werk-

stück vorstellen zu können)

- Keine Abneigung gegenüber Rechnen

(Formeln und Gleichungen)

Durchhaltevermögen ist, so ergänzt sie, während

der Ausbildung ebenfalls erforderlich. „Denn ständig

wird man mit Neuem konfrontiert und kennt sich

erst einmal nicht aus. Man muss sich immer wieder

bemühen, es zu verstehen. Wenn man es dann kann

und verstanden hat, fällt es einem leicht.“

Sie selbst ist froh, die Ausbildung zur Zerspanungs-

technikerin gemacht zu haben. Ihre Familie hat die

neuerliche Berufswahl sehr positiv aufgenommen.

Ebenso ihr Freund, obwohl sie während der Ausbil-

dung sehr beschäftigt war und wenig Freizeit hatte.

„Bis zwei Uhr war ich jeden Tag im Schulungszentrum

und danach habe ich gelernt.“

Bei manchen Freundinnen ist die Berufsentscheidung

hingegen erst einmal auf wenig Verständnis gestoßen.

„D a s interessiert dich?“, wurde sie mitunter erstaunt

gefragt. „Ja, das interessiert mich“, antwortete sie

selbstbewusst. „Gärtnerin zu werden, würde mich

hingegen überhaupt nicht interessieren. Aber es ist

gut, dass nicht alle das Gleiche interessiert.“ Lieber

allerdings wäre es ihr gewesen, hätte sie die Möglich-

keit gehabt, die Ausbildung zur Zerspanungstechni-

kerin schon im Alter von 15 Jahren zu beginnen.

„Alles was man kann und verstanden

hat, fällt einem leicht“

Ihr Arbeitsgebiet: Die Bearbeitung von Leiterrahmen für Automotoren.

Mit den Kollegen im Betrieb kommt sie – als eine

der wenigen Facharbeiterinnen – gut aus. „Wenn

die sehen, dass man was kann, respektieren sie das

auch.“ In der Fertigungshalle ist es auffallend laut.

Georgina Bezuh aber findet den Lärm nicht schlimm.

„Man gewöhnt sich dran. Außerdem tragen alle

Beschäftigten Gehörschutz.“

Georgina Bezuh (Jahrgang 1977) Zerspanungstechnikerin

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

„Ohne den Umweg übers Gastgewerbe hätte ich jetzt

schon viele Jahre praktische Erfahrung in meinem

Beruf.“

Trotz ihrer relativ kurzen Berufserfahrung in der

Metallbranche werden ihre Fähigkeiten schon jetzt

auch außerbetrieblich geschätzt. Inzwischen wurde

sie bereits mehrmals als Trainerin für Metalltechnik ins

Schulungszentrum in Fürstenfeld geholt.

Die Sicht des Ausbildungsleiters

„Eine Paradeteilnehmerin...“Das Schulungszentrum Fohnsdorf mit dem Außenstandort Fürstenfeld, wo Georgina Bezuh ihre Ausbildung

absolviert hat, ist eine Erwachsenenbildungseinrichtung, die vom AMS finanziert wird. Das Zentrum bietet die

Möglichkeit, in verkürzter Form – andere Ausbildungen und berufliche Erfahrungen werden angerechnet – in

einem Modulsystem eine Lehrausbildung nachzuholen oder sich aufbauend auf eine vorhandene Ausbildung

höher qualifizieren zu lassen. In enger Zusammenarbeit mit den Betrieben der Region werden auch „maßge-

schneiderte“ Trainings- und Ausbildungseinheiten angeboten.

Im Jahr 2010 machten am Standort Fürstenfeld insgesamt 179 Personen eine Metall- und Elektroausbildung, der

Frauenanteil betrug 22 Prozent. Zwölf Frauen und 18 Männer beendeten 2010 ihre Ausbildung mit einer Lehrab-

schlussprüfung.

Vor dem Einstieg in die Ausbildung bedarf es allerdings zumeist, so Franz Hartinger, Leiter des Schulungszentrums

in Fürstenfeld, einer intensiven organisatorischen Vorbereitung, vor allem was die Mobilität und die Vereinbarkeit

mit familiären Aufgaben betrifft, denn die Ausbildung findet täglich zwischen 6 Uhr früh und 14 Uhr am Nachmittag

statt. Ist die Entscheidung zur Teilnahme an der Ausbildung aber gefallen, steigt kaum eine Frau vorzeitig aus.

Wesentliche Motive für die Ausbildung sind technisches Interesse, geregelte Arbeitszeiten in der Industrie und gute

Verdienstmöglichkeiten. Hinsichtlich Vermittelbarkeit gibt es laut Franz Hartinger keine oder kaum Unterschiede

zwischen Frauen und Männern, vorausgesetzt die Frauen sind ebenso flexibel. Die Beschäftigung erfolgt zumeist

ausbildungsadäquat im Industriebereich, zu Beginn allerdings häufig über Leiharbeitsfirmen.

Georgina Bezuh war, so Franz Hartinger, geradezu eine „Paradeteilnehmerin“. Beeindruckt hat sie sowohl in fach-

licher als auch in menschlicher Hinsicht. Ihr Interesse, ihre Fähigkeiten, ihre Einsatzfreude und ihre kommunikative

Art sind der Grund, dass sie inzwischen fallweise als Trainerin im Schulungszentrum herangezogen wird.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Tanja Scheil wuchs in Obertrum nördlich der Stadt

Salzburg auf. Nach der Pflichtschule besuchte sie

zwei Jahre lang eine Höhere Lehranstalt für wirtschaft-

liche Berufe, hörte dann mit dem Schulbesuch auf

und absolvierte eine dreijährige Lehre zur Hotel- und

Gastgewerbeassistentin im Hotel Schloss Fuschl.

1993 legte sie die Lehrabschlussprüfung ab. Sie

hätte zwar ursprünglich gern einen technischen

Beruf erlernt, hatte als Mädchen damals aber keine

Chance, eine Lehrstelle zu finden. Einem beruflichen

Eignungstest zufolge galt sie als geeignet für den

Beruf der technischen Zeichnerin und für den Dienst-

leistungsbereich.

Nach etlichen Jahren im Gastgewerbe wechselte sie

1996 in den Großhandel, zur Firma Metro in Salzburg.

„Ich brauche immer wieder neue Herausforderungen.“

2003 übersiedelte sie mit ihrem späteren Ehemann,

Tanja Scheil (Jahrgang 1974) Bautechnische Zeichnerin

einem Wiener, den sie in Salzburg kennengelernt

hatte, in den Osten Österreichs. Die beiden ließen

sich erst im Süden von Wien nieder und zogen später

nach Bad Pirawarth ins Weinviertel. Tanja Scheil

arbeitete in Wien vier weitere Jahre bei Metro in ver-

schiedenen Abteilungen. Ihre nächste Arbeitsstelle

war ein österreichisches Großhandelsunternehmen

in Wien, das gerade im Aufbau war. „Ich habe mich

dort sehr wohl gefühlt, die Kollegen waren total nett,

aber nach einiger Zeit hat einer angefangen mich

zu mobben. Das ging so weit, dass ich einen nervli-

chen Zusammenbruch hatte. Ich konnte mit keinem

Kunden mehr reden, ohne dass mir die Tränen

gekommen sind.“ Sie ersuchte ihren Chef um eine

einvernehmliche Auflösung ihres Dienstvertrages.

„Ich wusste, ich muss raus aus dem Job und einmal

abschalten.“

Durch eine Bekannte erfuhr sie, dass das AMS die

Ausbildung in technischen Berufen fördert. Nähere

Informationen über das Programm „Frauen in Hand-

werk und Technik“ holte sie sich aus dem Internet.

Mit diesem Wissen ging sie zum AMS Gänserndorf

und fragte, ob es möglich sei, an dem FiT-Programm

teilzunehmen. „Schließlich habe ich seit meinem

sechzehnten Lebensjahr gearbeitet und noch nie

eine Schulung, Aus- oder Weiterbildung finanziert

bekommen.“ Im FiT-Zentrum in der Brünner Straße in

Wien konnte sie im September 2009 an einem Berufs-

orientierungskurs teilnehmen. Allerdings wusste sie

zu dem Zeitpunkt bereits bzw. meinte

zu wissen, dass sie einen Metall-

beruf ergreifen wollte. Anschließend

besuchte sie die im FiT-Programm

Tanja Scheil absolvierte eine FacharbeiterInnen-Intensivausbildung.

„Mein Leben hat sich von Grund auf geändert“

FiT-Programm

„Schnuppertage sind ganz wichtig“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

vorgesehene Basisqualifikation, in deren Rahmen

Englisch-, Mathematik- und EDV-Kenntnisse vermittelt

bzw. aufgefrischt werden und die Teilnehmerinnen

auch sozialpädagogische Unterstützung erhalten.

Letzteres wusste Tanja Scheil sehr zu schätzen. „Für

mich war das nach meiner Mobbingerfahrung wie

eine psychologische Betreuung. Von da an ging es

bergauf. Ich fühlte mich psychisch gestärkt.“

Da sie in der Metallbranche arbeiten wollte, konnte

Tanja Scheil während der Basisqualifikation einen

Schnuppertag in der Firma Philips machen. „Das war

entscheidend. Ich hab einen Tag dort verbracht und

wusste: Nein, das will ich nicht.“ Schnuppertage hält

Tanja Scheil aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung für

ganz, ganz wichtig.

Im ersten Moment war der Schnuppertag für Tanja

Scheil allerdings eine ziemliche Frustration. Sie

wusste plötzlich nicht mehr, was sie beruflich machen

sollte. In dieser Situation war die sozialpädagogische

Unterstützung für sie sehr hilfreich. Im Laufe der

Gespräche mit der Sozialpädagogin erinnerte sich

Tanja Scheil daran, dass es einer ihrer frühen Berufs-

wünsche gewesen war, Bautechnische Zeichnerin zu

werden. Das hatte sie völlig vergessen. Statt dessen

war sie fixiert gewesen auf die Metallbranche, in der

ihr Vater, zu dem sie eine eher ambivalente Beziehung

hatte, tätig gewesen war.

„Als mir das bewusst wurde, war es, als hätte ich

einen neuen Anfang gemacht, einen Schritt in ein

neues Leben. Ich bin dann zu einem Info-Tag in das

Ausbildungszentrum Bauakademie Wien Lehrbauhof

Ost in Guntramsdorf gefahren und war in meinem

Element. Ich habe mir gesagt: Genau das ist es!

Das will ich machen. Zurück im FiT-Zentrum habe

ich meine Bewerbung neu geschrieben. Es gab 25

Bewerbungen für die Ausbildung und nur 12 Frauen

wurden aufgenommen. Eine Woche später wusste

ich, dass ich mit der Ausbildung beginnen kann.

Gleichzeitig habe ich auch panische Angst gehabt.

Als Bautechnische Zeichnerin braucht man viel

Mathematik. Und ich war in Mathematik nie beson-

ders gut. Aber die Sozialpädagogin sagte mir: Du

schaffst das.“

An und für sich dauert die Lehre in dem Beruf drei

Jahre. „Was ich gemacht habe, ist eine Facharbeite-

rInnen-Intensivausbildung. Man lernt in einem Jahr,

was andere in drei Jahren lernen. Aber es ist sehr viel

Stoff. Man muss wirklich vom ersten Tag an mitlernen

und man muss sich auch viel selbst erarbeiten. Unter-

richt war jeden Tag von 8.30 Uhr bis 14 Uhr, an einem

Tag bis 17 Uhr. Ich bin jeden Tag von Guntramsdorf

nach Hause gefahren, nach Bad Pirawarth, bin eine

Runde mit meinem Hund gegangen und habe danach

bis 21 Uhr gelernt. Und ich habe mir auch viele Infor-

mationen aus dem Internet geholt.“ Für Tanja Scheil

ist es, wie sie sagt, wichtig, Dinge anschauen und

angreifen zu können, um sie zu begreifen.

Bereits zu Anfang der Ausbildung wurden die Teil-

nehmerinnen dazu ermuntert, in die Werkstätten des

Bauhofs zu gehen und sich ein Bild von dem zu

machen, was sie im Unterricht hören. „Ich bin mindes-

tens zweimal pro Woche in den Werkstätten gewesen

und habe mir angeschaut, wie man Beton mischt oder

wie man Künetten gräbt und Rohre verlegt.

Ich habe dann auch einen Gipskurs gemacht. Und

alles, wo ich mir nicht sicher war, ob ich es richtig

verstanden habe, habe ich mir in den Werkstätten

nochmals erklären lassen oder angeschaut. Ich bin ja

als total Branchenfremde dahin gekommen.“

„Ich habe mich im FiT-Programm gut

aufgehoben gefühlt“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

eine Stunde hingesetzt und es mir erklärt. Und wenn

ich es noch immer nicht verstanden habe, haben sie

es mir anders zu erklären versucht, und eine Variante

habe ich immer verstanden. Sie haben sich die Zeit

dafür genommen. Aber man musste selber sagen:

Helft mir.“

Nachdem Tanja Scheil im November 2010 die Lehr-

abschlussprüfung abgelegt hatte, begann sie Bewer-

bungsschreiben zu verschicken. Seit Februar 2011

arbeitet sie in der Abteilung „Bauplanung und Bau-

technik“ im Raiffeisen- Lagerhaus Weinviertel Nordost

in Poysdorf.

Sie ist begeistert vom Arbeitsklima. „Ich habe mich

hier vom ersten Moment an wohlgefühlt, habe Zeit,

mich einzuarbeiten und kriege viel Unterstützung.“

Tanja Scheils unmittelbarer Chef im Lagerhaus ist

Baumeister. Ihre konkrete Tätigkeit besteht vor allem

darin, nach den Handskizzen beispielsweise für einen

Zubau zu einem Einfamilienhaus, die der Baumeister

vor Ort anfertigt und mit Maßen versieht, mit Hilfe

eines Computerprogramms einen Entwurf zu machen,

mit Grundriss und Aufriss, sodass sich der Kunde

oder die Kundin darunter was vorstellen kann.

Der Entwurf wird nochmals kontrolliert, allenfalls

abgeändert und umgezeichnet.

Bautechnische ZeichnerInnen entwerfen, zeichnen und

ändern Baupläne und übernehmen unter Umständen auch

organisatorische und kaufmännische Aufgaben bei der

Bauausführung. Sie erstellen Reinzeichnungen wie Lage-

pläne von Gebäuden und Grundstücken, Entwurfszeich-

nungen, Einreichpläne zur Vorlage bei Bauämtern. Die

Pläne fertigen sie meist aufgrund genauer Anweisungen

der ProjektleiterInnen über Funktion, Form, Lage und Größe

eines Bauobjektes an. Baupläne werden sowohl im Grund-

riss wie im Aufriss gezeichnet und sind mit Maßangaben

versehen. Das händische Zeichnen von Bauplänen wurde

inzwischen weitgehend durch das CAD-System1 abgelöst.

Baupläne werden heute mit Hilfe von Computerprogrammen gezeichnet.

Mit den Ängsten bezüglich Mathematik hat Tanja

Scheil umgehen gelernt. „Seit ich in das FiT-Programm

gekommen bin, hat sich mein Leben von Grund auf

verändert. Mir kann man seither nicht so leicht was

anhaben. Ich hatte zwar immer ein sicheres Auftreten,

war aber in Wirklichkeit sehr schnell zu verunsichern,

und habe mir oft nichts sagen getraut, aus Angst, ich

könnte einen Blödsinn sagen. Unsere Trainer in der

Schule haben von Anfang an gesagt: Wenn Ihr was

nicht versteht, sagt es uns, dann erklären wir es noch

einmal. Ich war die einzige, die sich zu sagen getraut

hat, dass ich was nicht verstehe. Die Trainer haben

sich dann nach dem Unterricht, in ihrer Freizeit, noch

Tanja Scheil (Jahrgang 1974) Bautechnische Zeichnerin

Das Arbeitsgebiet der Bautechnischen ZeichnerInnen

1 CAD ist die Abkürzung von Computer Aided Design, zu deutsch: Computergestütztes Design

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Bautechnische ZeichnerInnen entwerfen, zeichnen und

ändern Baupläne und übernehmen unter Umständen auch

organisatorische und kaufmännische Aufgaben bei der

Bauausführung. Sie erstellen Reinzeichnungen wie Lage-

pläne von Gebäuden und Grundstücken, Entwurfszeich-

nungen, Einreichpläne zur Vorlage bei Bauämtern. Die

Pläne fertigen sie meist aufgrund genauer Anweisungen

der ProjektleiterInnen über Funktion, Form, Lage und Größe

eines Bauobjektes an. Baupläne werden sowohl im Grund-

riss wie im Aufriss gezeichnet und sind mit Maßangaben

versehen. Das händische Zeichnen von Bauplänen wurde

inzwischen weitgehend durch das CAD-System1 abgelöst.

Danach erstellt Tanja Scheil den Einreichplan, in vier-

facher Ausführung und gebunden, den reicht der

Kunde bzw. die Kundin bei der Gemeinde ein. Unter

Umständen hat der Baumeister auch die Bauauf-

sicht. Danach ergeht die Fertigstellungsanzeige an

die Gemeinde. Ein solches Gesamtpaket bietet das

Lagerhaus seinen KundInnen jedenfalls an.

Daneben zeichnet Tanja Scheil auch Deckenpläne

und rechnet entsprechend der Spannweite aus,

welche Träger und welches Material verwendet

werden muss. Inzwischen zeichnet sie auch Pläne

für den Neubau von Einfamilienhäusern sowie von

Lagerhallen.

Ob es ihr leid tut, erst auf Umwegen zu ihrem jetzigen

Beruf gekommen zu sein? „Nein. Alles im Leben hat

seinen Sinn, und Erfahrungen bringen einen weiter.

Hätte ich nicht im Gastgewerbe gearbeitet und im

Handel, hätte ich nicht erst in Salzburg und dann in

Wien gearbeitet, hätte ich nicht das Wissen, das ich

jetzt habe.“

Zukunftsperspektiven? „Ursprünglich wollte ich

gleich nach der Ausbildung die Werkmeisterschule

machen, dann hätte ich in der Berufsschule unter-

richten können. Das hätte mich gereizt. Ich habe

während meiner Ausbildung zwei Wochen lang ein

Praktikum als Trainerin gemacht, da habe ich eine

Gruppe unterrichtet. Wissen weiterzugeben, würde

mir gefallen. Aber damals hat es geheißen, das könne

nicht gefördert werden, ich müsse zuerst einmal in

meinem erlernten Beruf arbeiten. Das sehe ich ein.

Ich nütze jetzt einmal die Chance, hier möglichst

viel zu lernen. Und wer weiß, vielleicht mache ich in

einigen Jahren die Werkmeisterprüfung.“

Wiedereinsteigerinnen bevorzugt

„Frauen mit Kindern wissen einen Arbeitsplatz vor der Tür zu schätzen“, so die Erfahrung von Ing. Josef

Thalhammer. Er ist seit 1994 Direktor des Raiffeisen-Lagerhauses Weinviertel Nordost in Poysdorf. Das Lager-

haus mit 22 Einzelstandorten hat rund 200 Beschäftigte. 20 Prozent davon sind Frauen. Frauen finden sich kaum

im Arbeiterbereich, sondern vor allem im Angestelltenbereich des Lagerhauses, und zwar nicht nur in untergeord-

neten Positionen.

Seit vielen Jahren werden der Baumarkt und die Sparte Baustoffe von einer Frau geleitet. Lange Jahre war die

Chefsekretärin auch Betriebsratsobfrau im Lagerhaus. Die momentane Stellvertreterin des Betriebsratsobmanns ist

auch Kammerrätin der Landarbeiterkammer und leitet im Lagerhaus das Kreditmanagement. Inzwischen gibt es

auch eine Frau im Controlling. Tanja Scheil ist die erste bautechnische Zeichnerin im Lagerhaus. „Und sie ist auch

eine, die auf die Baustelle geht.“ Junge Mädchen nach der Schule nimmt Ing. Thalhammer üblicherweise nicht auf.

„Junge Leute können auch pendeln. Für Wiedereinsteigerinnen, für Frauen mit Familie, mit Kindern ist ein Arbeits-

platz in der Nähe hingegen ein Gewinn an Lebensqualität. Und als Genossenschaft haben wir auch eine gewisse

soziale Verantwortung.“

„Wissen weiterzugeben, würde mir

gefallen“

Die Sicht des Direktors

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Romana Welser arbeitet im Kompetenzzentrum Holz

in Linz als Chemielabortechnikerin. Sie ist Russin.

Geboren wurde sie im Süden Russlands. Aufge-

wachsen ist sie ganz im Norden. In Murmansk. Dort

ging sie zur Schule und studierte einige Jahre an der

Universität.

2005 machte die Studentin Urlaub in Österreich. Bei

dieser Gelegenheit lernte sie ihren späteren Ehemann

kennen. 2006 kam sie wieder nach Österreich, heira-

tete und blieb hier. Durch die Übersiedlung nach

Österreich hat Romana Welser ihr Studium nicht

abgeschlossen, sondern nur ungefähr bis zur Hälfte

absolviert.

Als Romana Welser nach Österreich kam, sprach sie

kein Deutsch. Sie belegte daher sofort nach ihrer

Heirat einen Deutschkurs am Berufsförderungsinstitut

(bfi). „Nachdem ich den Grundkurs absolviert hatte,

der für ein Visum nötig ist, habe ich weitergemacht,

Romana Welser (Jahrgang 1980) Chemielabortechnikerin

denn je besser man Deutsch kann, desto leichter

tut man sich. Insgesamt habe ich fünf Monate lang

Deutschkurse besucht. Das war ziemlich intensiv.“

Das Spezialvokabular, vor allem technische

Ausdrücke lernte sie später im Zuge ihrer Ausbildung

und ihrer Berufstätigkeit. Abgesehen von einem Hauch

von Akzent ist inzwischen nicht mehr merkbar, dass

Deutsch nicht Romana Welsers Muttersprache ist.

In Murmansk hatte Romana Welser zuerst begonnen,

Technologie zur Verarbeitung von Fischprodukten zu

studieren. „Das hat mir gar nicht gefallen. Die Techno-

logie ist zwar sehr interessant, aber nicht mit Fisch.“

Danach sattelte sie um auf Chemie. „Chemie hat

mich schon in der Schule interessiert.“ In Russland

waren, jedenfalls zu ihrer Schulzeit, so erinnert sich

Romana Welser, technische Unterrichtsgegenstände

in der Schule stark vertreten. „Das heißt, am Ende der

Schulzeit weiß man, was einem liegt. Das erleichtert

die Entscheidung für die Berufs- oder Studienwahl.“

Grundsätzlich arbeiten, so ihr Eindruck, in Russland

mehr Frauen in technischen Bereichen, umgekehrt

gibt es viele Männer, die Sprachen studieren. „Die

Arbeitswelt ist in Russland ziemlich durchmischt.“

Nach Abschluss der Deutschkurse am bfi, wandte

sich Romana Welser erst einmal ans AMS. „Ich habe

ursprünglich schon überlegt, in Österreich weiter-

zustudieren. Aber ich war nicht sicher, ob meine

Sprachkenntnisse dafür ausreichen.“ Da sie Interesse

an einer technischen Ausbildung bzw. einem techni-

schen Beruf hatte, verwies ihre AMS-Beraterin sie an

die FEM Implacement-Stiftung. „Diese Stiftung unter-

stützt Frauen, die eine technische Ausbildung absol-

vieren wollen.“

Romana Welser kam von Murmansk nach Linz.

„Im Moment bin ich sehr zufrieden“

„Chemie hat mich schon in der Schule

interessiert“

Chemielabortechnikerinnen führen chemische, physikalisch-

chemische, biochemische und biotechnologische Untersuch-

ungen und Versuche an verschiedenen Stoffen (Materialien,

Zwischen- und Fertigprodukten, Abfällen) durch. Sie beschäf-

tigen sich mit der Beschaffenheit, der Bildung und Zerlegung

sowie der Verwendbarkeit von Stoffen. Sie arbeiten in Gewerbe-

und Industriebetrieben, in Forschungseinrichtungen oder

öffentlichen Prüfstellen.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Während des Berufsorientierungskurses entschied

sich Romana Welser für die Ausbildung zur Chemiela-

bortechnikerin. Um einen Platz für ein mehrwöchiges

Praktikum in dem angestrebten Beruf mussten sich

die Teilnehmerinnen selbst bewerben. Romana

Welser erhielt einen Praktikumsplatz im Kompetenz-

zentrum Holz. Dort konnte sie, was sie sehr freute, im

Anschluss ans Praktikum auch ihre Lehrausbildung

machen. Und dort ist sie, nachdem sie im Februar

2011 ihre Lehrabschlussprüfung abgelegt hat, nun

als Chemielabortechnikerin angestellt. Sie arbeitet

40 Stunden die Woche und verdient mehr als sie in

einem der typischen Frauenberufe verdienen würde.

„Und das Einkommen wird steigen.“

Die Ausbildung zur Chemielabortechnikerin ist ihr

nicht schwer gefallen. „Was wir in der Berufsschule

im theoretischen Teil gelernt haben – Organische

Chemie und Elementkunde – das habe ich schon in

den letzten beiden Schulklassen in Russland gelernt.

Was den praktischen Teil der Ausbildung betrifft, war

für mich aber alles neu.“

Die Scheu mancher Frauen vor der Technik hält

sie für übertrieben: „In Wirklichkeit sind technische

Ausbildungen nicht so schwierig wie man meint.

Frauen sollten keine Angst haben und es wenigstens

probieren. Aufhören können sie immer noch.“

Romana Welsers Arbeitsgebiet ist die Produktion und

die Prüfung von Prüfkörpern:

„Ich produziere Prüfkörper und prüfe sie auf unter-

schiedliche Art und Weise. Prüfkörper werden aus

Gemischen unterschiedlicher Stoffe in unterschied-

licher Zusammensetzung gebildet. Die Prüfungen

machen sichtbar, wie belastbar die neuen Materialien

sind, welche Eigenschaften sie haben, wie sie sich

beispielsweise bei unterschiedlichen Temperaturen

verhalten. Bei den von mir hergestellten Prüfkörpern

handelt es sich um Holz-Kunststoffverbindungen für

Bauteile.“

Im Beruf ständig mit anderen Leuten zusammen zu

sein und reden zu müssen, wäre nichts für Romana

Welser. „Ich stehe im Labor und mache was mit

meinen Händen. Das passt für mich.“ An ihrer Tätig-

keit gefällt ihr vor allem, dass das Ergebnis ihrer

Arbeit weiterverwendet werden kann bzw. aufgrund

der Ergebnisse neue Materialien mit neuen Eigen-

schaften entwickelt werden.

„In Wirklichkeit sind technische Aus-

bildungen nicht so schwierig wie man

meint“

Chemielabortechnikerinnen führen chemische, physikalisch-

chemische, biochemische und biotechnologische Untersuch-

ungen und Versuche an verschiedenen Stoffen (Materialien,

Zwischen- und Fertigprodukten, Abfällen) durch. Sie beschäf-

tigen sich mit der Beschaffenheit, der Bildung und Zerlegung

sowie der Verwendbarkeit von Stoffen. Sie arbeiten in Gewerbe-

und Industriebetrieben, in Forschungseinrichtungen oder

öffentlichen Prüfstellen.

Das Arbeitsgebiet der Chemielabortechnikerinnen

Das Tragen einer Schutzbrille ist im Labor Pflicht.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Romana Welser (Jahrgang 1980), Chemielabortechnikerin

Die Sicht des Geschäftsführers

2009: Staatspreis für Chancengleichheit

Das Kompetenzzentrum Holz wurde im Jahr 2000 gegründet. Es ist innerhalb Österreichs die größte Forschungs-

einrichtung im Bereich Holz, Holzverbundstoffe und Holzchemie. Das Zentrum hat vier Standorte (Linz, Lenzing,

St. Veit an der Glan und Wien) und ist in Form einer GmbH organisiert, die ausschließlich öffentliche Eigentümer

hat. Der größte ist über seine Tochtergesellschaften das Land Oberösterreich mit 48 Prozent.

Insgesamt sind im Kompetenzzentrum rund 80 Personen beschäftigt. Dazu kommt eine enge Zusammenarbeit mit

einschlägigen Unternehmen und WissenschaftlerInnen aus dem universitären Bereich, speziell mit Professoren der

Johannes Keppler Universität in Linz und der Universität für Bodenkultur in Wien. Unter den im Kompetenzzentrum

beschäftigten Personen beträgt der AkademikerInnenanteil 75 Prozent. 40 Prozent davon sind Frauen.

Ziel des Forschungsprogramms ist es, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzubringen. Ausgehend von den

Bedürfnissen von Unternehmen werden Forschungsziele definiert und längerfristige Projekte entwickelt. Die reichen

von der chemischen Holzzerlegung bis zur Möbelproduktion. Oft werden Projekte auch in Form einer Dissertation

ausgearbeitet, was, wie DI Boris Hultsch, Geschäftsführer des Zentrums, erklärt, Vorteile für alle Beteiligten hat.

„Die Dissertanten sind bei uns angestellt, werden aber von der Universität betreut und arbeiten an einem Thema,

das für ein oder mehrere Unternehmen von Interesse ist. Für die jungen Leute ist das insofern interessant, weil sie

angefangen von den ersten Versuchen im Labor die Projektentwicklung bis hin zur Produktion im Industrieunter-

nehmen mitverfolgen können. So stehen sie mit einem Bein im Wirtschaftsleben und durch die Projektpräsenta-

tionen entstehen enge Kontakte zu den Unternehmen, von denen sie zum Teil später übernommen werden.“ Die

Universitäten wiederum werden auf diese Weise mit den für Unternehmen aktuellen Themen konfrontiert und

bleiben somit technologisch am neuesten Stand.

2009 hat das Kompetenzzentrum den Staatspreis für Chancengleichheit bekommen. „Chancengleichheit ist uns

ein Anliegen“, so Boris Hultsch. „Wir haben gezielt dafür gesorgt, dass der Frauenanteil an den Beschäftigten

hoch ist. Und wir sind äußerst flexibel was Arbeitszeitmodelle betrifft. Wir haben uns gesagt: Wenn wir das nicht

schaffen, wer sonst? Zwar ist bei uns die inhaltliche Arbeit nicht genau planbar. Aber wir sind kein Produktions-

betrieb, wo man Tag für Tag unter Termindruck steht, sondern wir haben langfristige Forschungsprojekte, das heißt

man kann sich die Arbeit zeitlich gut einteilen. Es ist für uns auch kein Problem, wenn jemand halbtags arbeitet. Wir

bemühen uns jedenfalls, Bedingungen herzustellen, dass die Arbeitszeit auch mit den Bedürfnissen von Mitarbei-

terInnen, die Kinder haben, kompatibel ist.“ Gibt es Männer in Karenz? „Das ist in den letzten zwei Jahren in Mode

gekommen, aber sie bleiben meist nicht sehr lang.“

Zukunftsperspektiven? „Ich bin im Moment sehr

zufrieden mit der Situation wie sie ist. Ich habe drei

Jahre Ausbildung hinter mir, ich habe einen Betrieb

gefunden, in dem es angenehm zu arbeiten ist. Mit

netten KollegInnen. Jetzt schalte ich erst einmal

ein bisschen zurück, denn die letzten beiden Jahre

waren sehr anstrengend. Ich habe an beiden Beinen

eine Operation gehabt. Aber längerfristig schließe ich

nicht aus, dass ich noch an die Universität gehe und

Chemie (fertig) studiere.“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Die Sicht des Geschäftsführers

Eveline Prochaska lebt schon seit Jahren in Wien,

kommt ursprünglich aber aus Niederösterreich, aus

dem Pielachtal. Nach der Hauptschule wechselte

sie in die Handelsakademie, brach die Ausbildung

aber ab. „Ich bin das dritte von sechs Kindern. Meine

Eltern haben sich einfach nicht leisten können, dass

wir höhere Schulen besuchen. Bis auf eine meiner

Schwestern hat in unserer Familie niemand die Matura

gemacht.“

Eveline Prochaska erlernte in einer Firma für Haus-

technik in St. Pölten den Beruf der Bürokauffrau,

schloss die Lehre mit der Lehrabschlussprüfung ab,

begann dann aber, weil ihr im Büro langweilig war,

im selben Betrieb im technischen Büro zu arbeiten.

„Ich denke, ich habe was gesucht, wo ich selber

was machen kann, wo ich selber bestimmen kann.

Als Bürokauffrau musste ich ja immer ausführen, was

mir wer anderer anschafft. Als technische Zeichnerin

hingegen konnte ich mir bei einem Projekt selber

überlegen, wie ich es anlege.“ Was ihr damals schon

unangenehm auffiel: „Im Büro mussten wir um Punkt

acht Uhr da sein, die Techniker konnten auch später

kommen, die hatten ja auch außer Haus zu tun,

konnten sich daher manches einteilen. Sie waren ein

bisschen freier und hatten mehr Ansehen. Erstens als

Frau und zweitens im Büro war man auf einer niedri-

geren Stufe der Hierarchie verglichen mit Technikern

oder Installateuren. Das hat mich gestört.“

1996 legte sie ihre zweite Lehrabschlussprüfung ab,

die zur technischen Zeichnerin. Daran, dass sie Frau

war, änderte allerdings auch das technischen Büro

nichts. „Ich habe zwar zumindest gleich viel gear-

beitet wie meine Kollegen, aber weit weniger verdient

und blieb immer die Kleine. Auf Dauer habe ich mich

nicht wohlgefühlt in dieser Situation. Ich musste raus

dem Betrieb.“

Eveline Prochaska suchte sich eine neue Aufgabe

und wurde Lehrlingsausbildnerin in Wien bei Jugend

am Werk. Die Mobile Berufsausbildung war eine

Ausbildungsoffensive, die unter Bundeskanzler

Vranitzky gestartet wurde. Ihr Ziel: Alle Jugendlichen

sollte einen Lehrplatz haben. Eveline Prochaska war

im Rahmen dieses Projektes zuständig für Bürokauf-

leute, technische ZeichnerInnen, Einzelhandel etc.

Bald schon war sie auch in einer leitenden Funk-

tion. „Wir bildeten die Jugendlichen aus und mussten

Lehrbetriebe finden, in denen die Jugendlichen

ein Praktikum machen oder eine Lehre absolvieren

konnten. Wir waren ziemlich erfolgreich und hatten

eine hohe Vermittlungsquote. Es war eine sehr inter-

essante Tätigkeit, eine Herausforderung, denn es war

ja ein völlig neues Projekt, das wir zum Teil erst entwi-

ckeln mussten. Es war aber auch anstrengend. Viele

der Jugendlichen kamen aus schwierigen Familien-

verhältnissen, waren Schulabbrecher, und ich selbst

Der Besuch eines Gymnasiums war Eveline Prochaska nicht möglich.

„Für einen Neustart braucht es sehr viel Eigeninitiative“

Eveline Prochaska (Jahrgang 1975) Studentin der Informationstechnologien und Telekommunikation

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

die meisten Kollegen hatten große Probleme, einen

neuen Arbeitsplatz zu finden.“

Ursprünglich hatte ich ja nach einem Jahr wieder

arbeiten gehen wollen, aber letztlich blieb ich fünf

Jahre zu Hause. Das hat einfach gepasst. Meine

größere Tochter ist ein sehr anhängliches Kind, für

sie wäre es problematisch gewesen, von jemandem

Fremden betreut zu werden. 2007 kam meine zweite

Tochter zur Welt. Die Kleinere ist ganz anders, sie

ist lockerer und macht es mir leichter. Ich war gern

bei den Kindern zu Hause. Aber irgendwann war

es genug. Ich wollte unbedingt wieder was anderes

machen.“

Im Herbst 2009 wurde Eveline Prochaska initiativ. „Ich

habe im Internet recherchiert und bin auf den Termin

einer Informationsveranstaltung für Wiedereinsteige-

rinnen des waff1 gestoßen. Ich ging hin. Daneben

fand eine Informationsveranstaltung „Frauen in die

Technik“ statt, die interessierte mich mehr. Ich hab

mich reingesetzt, und als auf einen Workshop an der

Fachhochschule (FH) Campus Wien hingewiesen

wurde, habe ich mich dafür angemeldet und bin

auch hingegangen. Das war ein Elektronik-Workshop.

Zu Beginn des Workshops stellte sich allerdings

heraus, dass ich die erforderlichen Kriterien dafür

nicht erfülle. Ich war beim AMS nicht vorgemerkt und

an der Fachhochschule überdies fehl am Platz, weil

ich keine Matura hatte. Ich war ziemlich verzweifelt

darüber, so schnell an Grenzen zu stoßen. Glück-

licherweise habe ich bei dem Workshop den Studien-

gangsleiter, Professor Walzer, kennengelernt, und der

hat mich dann unterstützt, sodass ich, obwohl ich

nicht ganz ins Schema gepasst habe, mich noch vor

war noch sehr jung, ich war auch sehr engagiert.

Irgendwann war es mir aber zu viel. Trotz Supervision

und Coaching fiel es mir schwer, mich abzugrenzen.“

2001 wechselte Eveline Prochaska in eine Druckerei,

also ins grafische Gewerbe, in den Verkaufsinnen-

dienst. „Ich habe KundInnen beraten bezüglich

Druckaufträgen, das waren Banken, Museen,nKünstler.

Damals habe ich das erste Mal richtig gut verdient.“

Die Druckerei wurde allerdings bald von einer

anderen Druckerei gekauft, in der Eveline Prochaska

anfangs weiterarbeitete. „Dann kam mein erstes

Kind. Offenbar genau im richtigen Moment, denn

bald darauf ging diese Druckerei in Konkurs und

„Ich war gern bei den Kindern zu

Hause, aber irgendwann war es

genug“

Fernziel: Die Verbindung von Informationstechnologie und Medizin.

Eveline Prochaska (Jahrgang 1975) Studentin der Informationstechnologien und Telekommunikation

1 Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Studienbeginn auf die Studienberechtigungsprüfung

vorbereiten und diese auch ablegen konnte.

Mehr oder weniger parallel dazu absolvierte Eveline

Prohaska den Vorqualifikationskurs, der jedes

Jahr speziell für die Frauen, die im

Rahmen des FiT-Programms ein Fach-

hochschulstudium aufnehmen wollen,

abgehalten wird. Dieser Kurs dauert

drei Monate und ist eine Art Vorbereitung aufs

Studium, er konfrontiert die Frauen mit inhaltlichen

Bereichen, mit denen sie sich im Studium, vor allem

im ersten Semester auseinandersetzen müssen.

Darauf folgte der – für alle InteressentInnen verbind-

liche – Aufnahmetest sowie ein Aufnahmegespräch.

Weder im Vorqualifikationskurs noch beim Aufnahme-

test stieg im Jahrgang von Eveline Prochaska eine

der der FiT-Frauen aus. Im Verlaufe des ersten

Studienjahres allerdings reduzierte sich ihre Zahl

deutlich. Das mag damit zu tun haben, dass die

TeilnehmerInnen des FiT-Programms älter und dem

Lernen eher entwöhnt sind. Es kann aber auch

daran liegen, dass – wie Eveline Prochaska – meint,

sehr viel Eigeninitiative und enorm viel Disziplin und

Energie erforderlich sind, um durchzuhalten, vor

allem für Frauen mit Kindern. Eveline Prochaska ist

verheiratet, aber ihr Mann ist nur begrenzt familiär

einsetzbar. Er ist selbständig und viel außerhalb von

Wien unterwegs. Sie aber kann eine Babysitterin, eine

Studentin, bezahlen, die bei der Kinderbetreuung

einspringt. „Das ist schon ein großer Vorteil gegen-

über vielen meiner Kolleginnen, die teilweise Allein-

erzieherinnen sind und weniger Arbeitslosengeld

haben.“

Der Organisationsaufwand für eine Frau mit Kindern

ist jedenfalls groß. „Ich darf nicht weiter als vier Tage

voraus denken. Sonst wird es zu stressig. Aber man

wächst mit der Aufgabe. Vor zwei Jahren hätte ich mir

nicht vorstellen können, dass sich das alles zeitlich

ausgehen kann.“ Das Lernen für eine Prüfung kann

sich Eveline Prochaska beispielsweise nicht bis zum

Schluss aufheben. „Denn wenn ein Kind drei Tage

vorher krank wird, komme ich nicht mehr dazu. Ich

muss wesentlich früher anfangen zu lernen.“

Ihre kleinere Tochter geht heuer in einen Kinder-

garten, der schon um sieben Uhr aufmacht und bis

17 Uhr offen hat. „Im Vorjahr war sie in einem Kinder-

garten, der nur bis 16 Uhr offen hat. Das war ein

Horror. Das sind so Kleinigkeiten, aber die sind ganz

entscheidend. Wenn die Rahmenbedingungen nicht

stimmen, ist es nicht zu schaffen, drei oder vier Tage

bzw. mindestens 25 Wochenstunden an der Fach-

hochschule zu sein. Wir haben ja Anwesenheits-

pflicht! Wir müssen im ersten Jahr meist um acht Uhr

dort sein, und ich habe fast eine Stunde Fahrzeit zum

Campus.“

Die Anwesenheitspflicht gilt nur für Frauen, die im

Rahmen des FiT-Programms studieren. „Man kann

sich ja fragen, warum ich mir drei Jahre lang diktieren

lasse, wann ich wo zu sein habe. Andererseits: Ich

könnte mir das Studium nicht leisten, wenn das AMS

mich nicht unterstützt.“

Obwohl Eveline Prochaska quer durch Wien fahren

muss und daher viel Zeit verfährt, ist sie froh, sich für

ein Studium an der Fachhochschule Campus Wien im

10. Bezirk entschieden zu haben. „Es gibt dort eine

eigene Abteilung Gender & Diversity Management,

und wir erhalten sehr viel Unterstützung. In meinem

Jahrgang sind wir immerhin noch eine Gruppe von 12

Frauen, die im Rahmen des FiT-Programms studieren.

„Vor zwei Jahren hätte ich mir nicht

vorstellen können, dass sich das zeit-

lich ausgehen kann“

FiT-Programm

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Aufgrund ihrer eigenen Biographie weiß Eveline

Prochaska, wie wichtig es ist, bereits Kindern und vor

allem Mädchen zu zeigen, was es alles an Möglich-

keiten gibt. „Ich versuche, meinen Kindern beispiels-

weise auch zu vermitteln, dass es selbstverständlich

ist, an die Pflichtschule eine weitere Ausbildung anzu-

schließen. Für mich war das nicht selbstverständlich.

Ich möchte, dass das in ihrem Denken verankert ist.

Und das ist es auch. Die Ältere weiß schon heute,

was eine Universität ist und was man dort macht.

Mir war das fremd. Und genauso möchte ich auch,

dass Mädchen wissen, wie ein Schalter funktioniert

und dass sie sich später dran erinnern, so was schon

einmal ausprobiert zu haben.“ Ihre ältere Tochter ist

von den technischen Fähigkeiten ihrer Mutter jeden-

falls angetan. „Sie gibt immer damit an, dass ihre

Mama die Autobatterie selber gewechselt hat.“

Zukunftsperspektiven? Eveline Prochaska kann

sich nach Ende des ersten Studienjahres durchaus

vorstellen, an das Bachelor-Studium (Dauer: 6

Semester), das sie im Rahmen des FiT-Programms

absolviert, noch ein Master-Studium anzuschließen.

Inhaltlich tendiert sie zu einer Verbindung von Infor-

mationstechnologie und Medizin. Bereiche, die sie

interessieren, sind:

- Telemedizin, mit deren Hilfe beispielsweise

ältere Leute länger zu Hause bleiben oder

seltener zur Kontrolle ins Spital transportiert

werden müssen, weil MedzinerIn und PatientIn

mittels Computer in Verbindung sind und

relevante Informationen übertragen können

- Security, sprich: die Netzsicherheit in Bezug

auf Patientendaten (E-Cards und elektronische

Gesundheitsakte)

- Mikroelektronik zur Steuerung von Prothesen

Darüber hinaus wäre es ihr wichtig, nach dem Studi-

um projektbezogen arbeiten zu können, was im

Bereich der Informationstechnologie üblich ist.

Das heißt, wenn es Probleme gibt, werden wir auch

gehört. Außerdem ist die Fachhochschule neu und

wunderbar ausgestattet. Wir arbeiten an lauter neuen

Geräten.“

Ob es ihr leid tut, dass sie erst auf Umwegen zu ihrem

Studium gekommen ist? „Nein. Ich war zwar traurig,

dass ich kein Gymnasium besuchen konnte. Aber

ohne den Weg, den ich zurückgelegt habe, wäre ich

jetzt nicht da, wo ich bin.“ In ihrem ersten Studien-

jahr hat Eveline Prochaska mitgekriegt, dass viele

ihrer Studienkolleginnen Mathematik für ihr Haupt-

problem halten. Offenbar wird vielen Frauen von klein

auf die Botschaft vermittelt, dass das Scheitern an

der Mathematik weiblich sei. Die Frauen setzen sich

selber dadurch so sehr unter Druck und konzent-

rieren sich oft nur noch auf Mathematik, was dazu

führen kann, dass sie nicht in Mathematik, sondern

in einem anderen Fach scheitern. Manche Frauen

haben, so die Beobachtung von Eveline Prochaska,

auch Schwierigkeiten aufgrund mangelnder Englisch-

kenntnisse. „Es gibt ZuwandererInnen, die in der

Schule kaum Englisch gelernt haben. Das Englisch,

das in diesem Studiengang vorausgesetzt wird, ist

aber nicht in ein, zwei Semestern zu erlernen. Der

Großteil der Fachliteratur ist in Englisch.“

Um auch Mädchen von klein auf spielerisch mit

Technik vertraut zu machen, geht Eveline Prochaska

am EMU-Tag2 in die Volksschule ihrer Tochter und

zeigt den Kindern beispielsweise, wie man Lichter

zum Leuchten bringt, wie der elektrischer Strom funk-

tioniert, in welche Richtung er fließt, wofür man Wider-

stände braucht. Ich bringe ihnen ein Schaltbrett mit

und versuche, ihnen Elektronik nahezubringen. „Ich

möchte, dass Mädchen sehen, dass es ihnen im

Bereich Technik nicht anders geht als Buben.“

„Den Kindern zeigen, wie man Lichter

zum Leuchten bringt!“

Eveline Prochaska (Jahrgang 1975) Studentin der Informationstechnologien und Telekommunikation

2 EMU = Eltern machen Unterricht

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Die Sicht des Studiengangsleiters

„Tüchtig, engagiert und gut organisiert“

FH-Professor DI Johann Walzer leitet seit 2003 den Studiengang Informationstechnologien und Telekommunikation

(ITTK) an der Fachhochschule Campus Wien: „Der Frauenanteil an den Studierenden war in dieser Studienrichtung

trotz aller Kampagnen ‚Mehr Frauen in die Technik’ in der Vergangenheit sehr gering. Es gab Jahrgänge ganz ohne

Frauen oder nur mit ein oder zwei Frauen.“ Seit im Rahmen des FiT-Programms auch das Studium der Informations-

technologien und Telekommunikation vom AMS gefördert wird, hat sich die Situation deutlich verändert. Der Frauen-

anteil an den Studierenden stieg auf 30 Prozent. „Verändert hat sich dadurch die Altersstruktur, die Gruppe der

Studierenden ist vielfältiger geworden und bringt unterschiedliche Perspektiven ein.“

Zumindestens einige der im Folgenden genannten Voraussetzungen für ein ITTK-Studium sollten laut Professor

Walter vorhanden sein:

- Freude an der Beschäftigung mit Computern oder anderen technischen Geräten

- Interesse an technischen Zusammenhängen

- Grundverständnis für Mathematik

- Neugierig sein und ergründen wollen, wie etwas funktioniert

- Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen

- Eventuell auch praktische Erfahrungen im Programmieren, Basteln, Reparieren, Einrichten von

Netzwerken....

Die Frauen, die im Rahmen des FiT-Programms ein ITTK-Studium beginnen, erhalten im Frühjahr vor Studien-

beginn eine drei Monate dauernde Vorqualifizierung im Ausmaß von 630 Stunden, in der sie auf den Aufnahme-

test und das Studium vorbereitet werden. „Grundsätzlich sollten alle, die zum Vorqualifizierungskurs kommen, eine

Matura oder Studienberechtigungsprüfung haben. In der Realität ist dies, wie sich gezeigt hat, nicht immer der

Fall. „Eveline Prochaska hatte keine Matura, sie hat am Vorqualifizierungskurs teilgenommen und an der Fachhoch-

schule im September vor Studienbeginn die Studienberechtigungsprüfung abgelegt. Und es schaut nicht so aus,

als ob dies zu einem Problem führen würde. Eveline Prochaska weiß, was sie will, sie ist sehr tüchtig, sehr enga-

giert und sehr gut organisiert. Immerhin schafft sie das mit zwei kleinen Kindern.“

Die gesamte Ausbildung (drei Monate Vorqualifizierung und drei Jahre Bachelor-Studium) der Frauen, die im

Rahmen des FiT-Programms ein technisches Fachhochschul-Studium (Frauenanteil unter 40%) absolvieren, wird

vom AMS gefördert.

Projektbezogene Arbeit heißt, Zielvorgaben zu haben,

die in einem gewissen Zeitraum erreicht werden

müssen, sich aber selber einteilen können, wann an

dem Projekt gearbeitet wird. „Ich möchte schon auch

Zeit haben für meine Kinder. Sonst sind die, noch ehe

ich mich beruflich verwirklicht habe, aus dem Haus.“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

2003 kam Sandra Schmid aus Deutschland nach

Österreich. Davor hatte sie eine vierjährige Fach-

schule für Formenentwurf und Formenbau abge-

schlossen. „Das war eine künstlerische und zugleich

handwerkliche Ausbildung. Wir haben von der Pieke

auf gelernt, wie man Porzellansachen macht, wie man

Rohlinge herstellt. Wir haben auch mit dem Werkstoff

Clay gearbeitet, einem Aluminiumsilikat, das auch in

der Autoindustrie verwendet wird. 1:1-Modelle von

Autos werden erst einmal in Clay erstellt.“ Danach

begann sie in einem Designunternehmen im Bundes-

land Salzburg zu arbeiten. Letztlich aber stieß sie

in dem Betrieb an Grenzen. Sie wollte einen CNC-

Kurs1 machen und lernen, mit computergesteuerten

Maschinen Formen zu erstellen. Der Kursbesuch

wurde von der Firma jedoch nicht bewilligt. „Das

hat mich schon geärgert, und es war auch diskrimi-

nierend, dass sie mich als Frau da nicht ranlassen,

Sandra Schmid (Jahrgang 1978) Mechatronikerin

männliche Kollegen aber schon. Als ein junger

Mann, der zwei Jahre später dieselbe Schule abge-

schlossen hatte wie Sandra Schmid, in dem Unter-

nehmen, in dem sie arbeitete, sogleich Modellbau-

chef wurde, reichte es ihr. „Ich habe da keine Zukunft

für mich gesehen.“ Sie wollte Kenntnisse in Mecha-

tronik erwerben. Mechatronik ist eine Kombination

der ehemals getrennten Berufsbereiche Mechanik

und Elektronik, ergänzt durch Steuerungstechnik und

Informationstechnik. Zuerst versuchte sie auf eigene

Faust eine Lehrstelle zu finden. „Das war aber in

meinem Alter, wie sich zeigte, recht schwierig.“ Ihre

AMS-Beraterin machte sie auf die Implacement-Stif-

tung aufmerksam, deren Ziel nicht nur die Integration

arbeitsloser ArbeitnehmerInnen ist, sondern zugleich

„die Schaffung eines Fachkräftepotentials durch eine

nachfrageorientierte und arbeitsplatzgenaue Ausbil-

dung“. Sandra Schmid meldete sich bei der Implace-

ment-Stiftung an und besuchte dann

einen Kurs des AMS-Programms

„Frauen in Handwerk und Technik“.

Vierzehn Tage danach teilte ihr die

Stiftung mit, die Firma EMCO-TEST in Kuchl – sie stellt

Härteprüfmaschinen her – würde sich für sie interes-

sieren, sie solle sich mit dem Leiter der Fertigung in

Verbindung setzen.

Das Motiv für die Lehrausbildung in Mechatronik

war Sandra Schmids Wunsch, die CNC-Technologie

kennenzulernen. „Mir gefällt das einfach. Ich habe

schon als Kind mit Lego Technic-Produkten gespielt.

Und ich habe immer schon gern gebastelt. Der

Meister hört das zwar nicht gern, wenn ich von

Basteln rede, im Endeffekt aber ist die Arbeit für

Schon als Kind war Sandra Schmid technisch interessiert.

„Mir gefällt es, wenn ich körperlich arbeiten kann.

Ich mag das“

„Das Genialste war der Kabelmüll“

1 CNC ist die Abkürzung von Computerized Numerical Control, zu deutsch: computerisierte numerische Steuerung.

Siehe auch Anmerkung 1 auf Seite 15.

FiT-Programm

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

mich nichts anderes als ein – wenn auch genaueres

– Basteln. Ich habe zwar als Kind auch eine Barbie-

Puppe gehabt und mit den Freundinnen Puppen

gespielt. Aber genauso gern mit meinem Vater mit

Autos. Und dann ist das Pneumatik-Spielzeug raus-

gekommen. Ein Wahnsinn!“ Auch ihr Vater, so erin-

nert sie sich, sei extrem vielseitig gewesen. „Er hat

geschnitzt und gemalt und war handwerklich und

elektronisch sehr versiert.“

Beruflich war ihr Vater bei der Post. „Auf dem

Betriebsgelände gab es jedes Jahr ein Firmenfest.

Da haben wir Kinder immer mit den Kabeltrommeln

gespielt. Da gab es Kabeln mit ganz dünnen Quer-

schnitten und dann wieder Rollen mit dicken Kabeln

drauf. Und das Genialste war der Kabelmüll. Das hört

sich blöd an, aber es war uns das Liebste, aus den

bunten Kabeln was Tolles zu basteln.“

2007 begann Sandra Schmid ihre Lehrausbildung zur

Mechatronikerin bei EMCO-TEST. Sie war und ist nicht

nur die einzige Frau in der Werkstatt, sondern auch

die erste Frau. Sandra Schmid stört dies nicht. Im

Gegenteil. Sie hat jetzt sogar einen eigenen Umklei-

deraum. „In der Werkstatt wurde ich gleich einem

ganz lieben Kollegen zur Seite gestellt, der mir viel

beigebracht hat. Das war einsame Spitze.“

Aber auch die anderen waren nett. „Sicher braucht

man Selbstvertrauen unter lauter Männern. Und

Durchsetzungsvermögen. Denn am Anfang testen

die Kollegen erst einmal aus, wie man reagiert. Aber

es ist sicher ein Vorteil des höheren Alters, dass man

ernsthafter an alles herangeht.“

Der Nachteil: In der Berufsschule fühlte sie sich

manchmal wie im Kindergarten.

Für Mechatronik hatte sich Sandra Schmid schon in

Deutschland interessiert, zu jener Zeit, als der Beruf

gerade aufkam, das war Ende der 1990-er Jahre.

„Aber damals war es geradezu suspekt, wenn eine

Frau für einen sogenannten Männerberuf Interesse

zeigte. Bei einem Bewerbungsgespräch wurde mir

dann auch klipp und klar gesagt, sie wollen keine

Frau als Lehrling, denn die wird dann schwanger und

bleibt drei Jahre zu Hause...“

Derzeit sind österreichweit 8,2 Prozent der

Mechatronik-Lehrlinge Frauen.

Die Arbeit macht Sandra Schmid Freude. „Mir gefällt

es, wenn ich körperlich arbeiten kann. Ich mag das,

wenn ich einmal im Sitzen arbeite, dann wieder stehe

oder rumlaufe. Ich könnte nicht die ganze Zeit nur

vorm Computer sitzen. Nur stehen wäre auch nichts.

Mir ist die Abwechslung wichtig. Auch dass manch-

mal feinere Arbeiten zu erledigen sind, dann wieder

handfestere, grobe. Und ganz wichtig ist auch, dass

die Arbeit ein Ergebnis hat – ein funktionierendes

Gerät!“

Sandra Schmid arbeitet Vollzeit. Im Betrieb gibt es

eine Gleitzeitregelung mit einer Kernarbeitszeit von

9 bis 15 Uhr. Freitag ist um 12.30 Uhr Arbeitsschluss.

„Abwechslung ist mir wichtig“

Das Arbeitsgebiet der MechatronikerInnenMechatronikerInnen sind für die Herstellung, Montage, Über-

prüfung und Instandhaltung mechatronischer Systeme zustän-

dig. Mechatronische Systeme spielen im Maschinen-, Anlagen-

und Gerätebau eine große Rolle. MechatronikerInnen stellen

mechatronische Teile her, bearbeiten sie, bauen mechatroni-

sche Baugruppen zusammen und gleichen sie ab. Mechatro-

nikerInnen bauen elektrische, pneumatische und hydraulische

Steuerungen nach Schaltplänen auf. Ihre Tätigkeiten reichen

weit in den EDV-Bereich hinein. Sie stellen beispielsweise

System-Komponenten zusammen, passen Software an und

installieren sie. Sie programmieren mechatronische Systeme.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

wieder! Was sich die Kassiererinnen alles anhören

müssen! Und Friseuse? Wenn ich denke, wie

ungern ich zum Friseur gehe. Diese zwanghaften

Gespräche...“

Im April 2010 legte Sandra Schmid die Lehrab-

schlussprüfung ab und blieb in der Ausbildungs-

firma. Sie ist in der Entwicklung, vor allem aber

im Zusammenbau von Härteprüfmaschinen tätig.

Dazu gehört die Vormontage von Baugruppen, der

Aufbau der kompletten Maschine, das Installieren

von Softwarekomponenten und die Inbetriebnahme

einschließlich der Funktionsprüfung.

Genaugenommen hätte Sandra Schmid parallel zur

Lehre gern auch die Berufsreifeprüfung gemacht.

Diese Möglichkeit wird vom Bund gefördert und ist

daher für Lehrlinge kostenfrei.

Da jedoch bereits ihre Lehrausbildung im Rahmen

des FiT-Programms gefördert wurde, war dies nicht

möglich. „Doppelförderungen sind nicht vorgesehen.“

Früher hatte es Sandra Schmid für sinnlos gehalten,

die Matura zu machen. „Ich wollte ja nicht studieren.“

Inzwischen interessiert sie sich allerdings dafür, da

sie gemerkt hat, dass viele Firmen Wert auf eine

Matura legen. Auch in Hinblick auf ein Lehramt wäre

eine Reifeprüfung erforderlich. „Jetzt habe ich mich

einmal schlau gemacht, was das kostet.“ Die Kosten

sind nicht gering. Das gilt auch für die Meisterprü-

fung. „Die würde das Einkommen erhöhen.“ Fest

steht, Sandra Schmid würde ihr Wissen längerfristig

noch gern erweitern. „Ich bin nicht so, dass ich etwas

lerne und mich dann auf ewig damit zufrieden gebe.

Dafür bin ich viel zu neugierig.“

„Früher habe ich die Matura für sinnlos

gehalten...“

Wichtig ist, dass die Arbeit ein Ergebnis hat – ein funktionierendes Gerät!

Die Bezahlung ist deutlich besser als in typischen

Frauenberufen. Das Geld allein wäre für Sandra

Schmid aber nicht ausschlaggebend. Entscheidend

ist auch die Art der Arbeit. Und da wären die traditi-

onellen Frauenberufe für sie nie in Frage gekommen.

„Den ganzen Tag lächeln müssen? Nein, das möchte

ich nicht. Ich habe einmal in einem Kaufhaus an der

Kasse gearbeitet, das war für mich ein Trauma. Nie

Sandra Schmid (Jahrgang 1978) Mechatronikerin

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Die Sicht des Fertigungsleiters

„Sie macht ihre Sache sehr gut“

Standort der Firma EMCO-TEST Prüfmaschinen GmbH ist seit 2001 Kuchl im Bundesland Salzburg. Das Unter-

nehmen stellt Härteprüfmaschinen her, welche die Härte von metallischen Werkstoffen überprüfen. Verwendung

finden die Prüfmaschinen vor allem in der Automobilindustrie und in der Stahlerzeugung. 95 Prozent der Produkte

gehen in den Export, ein großer Teil nach Deutschland. EMCO-TEST entwickelt und fertigt die Prüfmaschinen, das

heißt, die Maschinen werden in Kuchl zusammengebaut, die Herstellung der einzelnen Bauteile erfolgt im Wesent-

lichen in österreichischen Partnerfirmen. Derzeit hat EMCO-TEST 38 MitarbeiterInnen. In der Fertigung ist Sandra

Schmid die einzige Frau. Im Angestelltenbereich (Assistenz der Geschäftsführung, Einkauf, Angebotswesen etc.)

gibt es acht Frauen.

Als sich Ing. Bernd Schrattenecker, Leiter der Fertigung, vor einigen Jahren an die Implacement-Stiftung in Salz-

burg wandte, weil er auf der Suche nach einem Mechatroniker-Lehrling war, wurde ihm Sandra Schmid empfohlen.

Sie kenne sich im Formenbau aus, hieß es. Nach Rücksprache mit der Geschäftsführung entschlossen sie sich,

es erstmals mit einer Frau zu versuchen. Der Versuch ist gelungen. Ing. Schrattenecker ist voll der Anerkennung.

„Sandra Schmid hat die Ausbildung super gemacht. Sie war sehr motiviert, und sie ist auch sehr geschickt und

sehr geduldig. Sie gibt nicht auf, bevor sie es geschafft hat. Sie macht ihre Sache wirklich sehr gut.“

Nach Abschluss der Lehrausbildung, die Sandra Schmid im Rahmen des FiT-Programms absolviert hat, wurde sie

im Unternehmen angestellt. „Sie ist sehr gut integriert. Sie wurde aber auch von den Kollegen gut aufgenommen

und ihre Fähigkeiten werden anerkannt. Auch von der Entwicklungsabteilung wird sie aufgrund ihrer Qualifikation

und Feinmotorik immer wieder herangezogen, beispielsweise wenn es sich um die Herstellung von sehr filigranen

Prototypenbauteilen handelt. Sie weiß, worauf es ankommt.“

Seinerzeit als der Firmensitz gebaut worden war, hatte niemand daran gedacht, in der Fertigung getrennte Toiletten-

anlagen und Umkleidekabinen vorzusehen. „Im Zuge der Büro- und Produktionserweiterung haben wir das nun

berücksichtigt. Und gleich mehrere Spinde in die Garderoben eingebaut. Wir sind offen für mehr Frauen.“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Schon im Alter von 16 Jahren, nach Abschluss der

Polytechnischen Schule, wäre Anita Wechselberger

gern Kraftfahrzeugtechnikerin1 geworden. Doch ihre

Suche nach einer Lehrstelle verlief erfolglos. Von allen

drei Werkstätten im Raum Vöcklabruck, in denen

sie sich vorstellte, erhielt sie Absagen. Statt dessen

machte sie schließlich in einem Hotel in Seewalchen

am Attersee die Lehrausbildung zur Köchin. Das ent-

sprach eher dem Geschmack ihrer Mutter als ihren

eigenen Wünschen. Nebenbei reparierte sie immer

wieder Mopeds, das eigene und die von Freundinnen.

Nach Abschluss der Lehre ging sie mit ihrer Cousine

auf Saison nach Kärnten und Salzburg, später auch

nach Tirol, ins Zillertal, wo sie ihren (inzwischen: Ex-)

Mann kennenlernte, heiratete, zwei Kinder bekam,

eine Tochter und einen Sohn, und wo sie heute noch

lebt.

Anita Wechselberger (Jahrgang 1968) Kraftfahrzeugtechnikerin

Anita Wechselberger unterbrach ihre Berufstätigkeit

bis der Sohn, das jüngere der Kinder, in den Kinder-

garten kam und begann dann zuerst halbtags und

nach der Scheidung ganztags zu jobben – zu putzen,

zu waschen, zu kochen, zu kellnern. „Im Zillertal

sind die Arbeitsmöglichkeiten gering.“ Irgendwann

hatte sie genug vom Gastgewerbe, arbeitete andert-

halb Jahre im Lager einer Apothekerzulieferfirma und

anschließend doch wieder im Gastgewerbe, in einem

Café an einer Tankstelle. Unmittelbar gegenüber gab

es ein Zweiradgeschäft plus Werkstatt, in dem sie

bald schon in ihrer Freizeit ein wenig mitzuarbeiten

bzw. auszuhelfen begann. Ihr Interesse an Kraftfahr-

zeugen hatte sie nicht verloren.

Als sie mit ihrem Motorroller unverschuldet einen

Unfall hatte und sechs Wochen krankgeschrieben

wurde, war dies ihrem Chef offenbar zu viel. Kaum

war sie zurück im Café, erhielt sie die Kündigung.

Anita Wechselberger ging zum AMS. „Das war an

einem Mittwoch. Ich erinnere mich noch gut. Ich habe

die Beraterin gefragt, ob es nicht möglich wäre, was

anderes zu machen, und habe ihr gesagt, dass ich

bereit wäre zu einer Umschulung. Zuerst fragte sie

mich, ob ich an einem Sozialberuf interessiert sei.“

Anita Wechselberger verneinte. „Das ist nichts für

mich.“ Daraufhin wurde sie gefragt, ob sie tech-

nisches Interesse hätte. „Sag ich. Ja, sicher.“ Da

sagte ihr die Beraterin, dass es an diesem Tag einen

Vortrag über „Frauen in Handwerk und Technik“ im

AMS Schwaz gebe. „Ich ging sofort hin. Der Vortrag

hatte schon begonnen. Im Anschluss

fand ein Eignungstest statt, den habe

ich erfolgreich bestanden und damit

war ich in das FiT-Programm aufge-

nommen. An diesem Tag hat sich wirklich eins ins

andere gefügt.“

Nach 25 Jahren ging Anita Wechselbergers Berufswunsch in Erfüllung.

Als erste Frau in der Werkstatt

FiT-Programm

1 Der Lehrberuf hieß damals noch Kraftfahrzeugmechaniker.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Danach besuchte Anita Wechselberger in Wörgl

den Berufsorientierungskurs im Rahmen des FiT-

Programms, den die Bildungseinrichtung ibis acam

im Auftrag des AMS durchführte. Dieser Kurs sollte

Frauen die Möglichkeit geben, draufzukommen,

welche Tätigkeit sie wirklich interessiert, welchen

Beruf sie tatsächlich erlernen wollen. Für diesen

Beruf war auch eine Basisqualifizierung in Form eines

Praktikums vorgesehen. Anita Wechselberger war

eine der wenigen Teilnehmerinnen, der vom ersten

Tag an klar war, was sie will. Sie wollte – wie schon

25 Jahre davor – Kraftfahrzeugtechnikerin werden.

Kraftfahrzeugtechnik ist nach wie vor eine „traditi-

onelle Männerdomäne“. Der Anteil der Frauen an

den Lehrlingen beträgt derzeit österreichweit noch

immer weniger als drei Prozent. Anita Wechselberger

schaffte es auch, eine dreiwöchige Praxisstelle zu

finden, und zwar im Autohaus Schick in Schwaz, einer

Peugeot-Vertretung, wo sie schon zuvor manchmal

Teilstücke für das Zweiradgeschäft im Zillertal besorgt

hatte. „Das war ganz unkompliziert.“

Nach dem Praktikum fragte sie den Chef, ob sie ihre

Lehrausbildung in seinem Betrieb machen könne. Der

Chef, Günther Schick, willigte ein, nachdem er sich

in der ArbeitsmarktförderungsGmbH (AMG) – sie ist

für die Teilnehmerinnen am FiT-Programm während

ihrer Berufsausbildung zuständig – nach den näheren

Konditionen erkundigt hatte. Für den Betrieb war dies

ein absolutes Novum. Nie zuvor hatte in der Werkstatt

des Autohauses eine Frau gearbeitet. Anfang 2009

begann Anita Wechselberger mit der Lehrausbildung;

nahezu zeitgleich nahm ihr Sohn die Ausbildung zum

Tischler auf. Manche Kunden des Autohauses waren

anfangs ein wenig irritiert. So mancher Kunde wollte

ihr – ganz Kavalier alter Schule – erst einmal helfen

beim Öffnen der Motorhaube oder beim Wechseln

der Reifen. Möglicherweise misstraute er aber auch

nur ihren Fähigkeiten. Einer meinte, dass er Frauen

normalerweise nicht mit seinem Auto fahren ließe,

dass dies also ein besonderes Entgegenkommen

sei.... „Beim nächsten Mal aber war’s für ihn schon

selbstverständlich.“ Größtenteils waren die Reakti-

onen der Kunden positiv, zumal wenn ihnen im Büro

gesagt worden war, dass die Mitarbeiterin den Beruf

im zweiten Bildungsweg erlernt. Kundinnen, so die

Erfahrung Anita Wechselbergers, wissen es in jedem

Fall zu schätzen, wenn ihnen jemand in einer auch

für sie verständlichen Sprache erklärt, was warum zu

reparieren ist. In der Werkstätte unter den Kollegen

wurde zwischendurch auch geblödelt, grenzwer-

tige Sprüche gab es, aber eher selten. Anita Wech-

selbergers Kommentar: „Auch im Gastgewerbe

braucht man eine dicke Haut.“ Dass sie nicht mehr

ganz jung ist, sieht sie in diesem Zusammenhang als

Vorteil. „Dann ist es leichter, sich gegenüber männ-

lichen Kollegen zu behaupten.“ Gleichzeitig wusste

sie immer, dass sie mit der Hilfe und Unterstützung

all ihrer Kollegen rechnen konnte. Besonders hilfreich

war der Werkstättenleiter. „Er hatte eine Engelsgeduld

mit mir und immer versucht, mir zu erklären, warum

etwas so ist wie es ist, auch wenn ich dreimal gefragt

habe.“

Eine andere ihrer Erfahrungen: „Grundsätzlich ist man

als Lehrling in der Rangordnung ganz unten. Das

muss einem klar sein. Fürs Aufräumen sind die Lehr-

linge zuständig. Egal wie alt sie sind.“

„Fürs Aufräumen sind die Lehrlinge

zuständig. Egal wie alt sie sind“

Das Arbeitsgebiet der KraftfahrzeugtechnikerInnenKraftfahrzeugtechnikerInnen kontrollieren die Verkehrs- und

Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen (Lkws, Pkws sowie

Motorräder und Mopeds), überprüfen Kraftfahrzeuge in

Hinblick auf allfällige Schäden und führen die Wartung und

Reparatur der Fahrzeuge durch. Die Elektronik hat in diesem

Bereich in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung

gewonnen.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Schon bald wurde Anita Wechselberger angeleitet,

einfache Reparaturen zu machen, Servicearbeiten

durchzuführen, Bremsscheiben und Zündkerzen

auszutauschen, Bremsflüssigkeit, Bremsklötze und

Reifen zu wechseln, kleine Lackschäden auszubes-

sern etc. Auch für die Auslieferung von Neuwagen

wurde sie herangezogen, bei denen mit Hilfe des

Computers noch einmal überprüft wird, ob auch alles

in Ordnung ist.

Die Reaktionen ihrer Umgebung auf ihren Berufs-

wunsch? „Ein Bekannter formulierte es drastisch.

Er sagte mir, wenn ich die Lehrabschlussprüfung

schaffe, frisst er einen Besen.“ Trotzdem verfolgte

er ihre Ausbildung mit Interesse und gratulierte ihr

schließlich herzlich zur bestandenen Lehrabschluss-

prüfung. „Den Besen habe ich ihm dann erlassen.“

Unterstützung erhielt Anita Wechselberger von ihren

Kindern, vor allem von der Tochter, die damals bereits

von zu Hause ausgezogen und berufstätig war. Die

Reaktionen ihrer Freundinnen reichten von Skepsis

bis Bewunderung. Allerdings stellt Anita Wechsel-

berger inzwischen fest, dass die Kontakte mit Frauen

immer geringer werden, seitdem sie mit immer mehr

Männern zusammenarbeitet. „Die wenigsten Frauen

interessieren sich für Autos. Und ich bin am Thema

Heiraten und Kinderkriegen nicht mehr wirklich

interessiert.“

Schwer ist ihr die Ausbildung nicht gefallen. „Der

Stoff war schon sehr umfangreich, aber wenn einen

was interessiert, fällt einem das Lernen auch leichter.

Überdies hatte ich Lehrer, die mich sehr unterstützt

haben. Durchhaltevermögen habe ich während der

Ausbildung nur in finanzieller Hinsicht gebraucht. Das

Arbeitslosengeld war knapp.

„Wenn ich die Lehrabschlussprüfung

schaffe, frisst er einen Besen“

Die Ausbildung von Anita Wechselberger umfasste

noch Nutzfahrzeuge, Personenkraftwägen und Motor-

räder, wobei der Schwerpunkt auf Pkws lag. „Inzwi-

schen hat sich das geändert. Jetzt wird im zweiten

Lehrjahr die Ausbildung gesplittet. Die Lehrlinge

können sich entscheiden zwischen Lkw, Pkw und

Motorrad.“

Anita Wechselberger (Jahrgang 1968) Kraftfahrzeugtechnikerin

Jetzt möchte Sie in ihrem Beruf viel praktische Erfahrung sammeln.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Da war die Ausbildungszeit für mich als Alleinerzie-

herin schon eine Durststrecke. Als außerordentliche

Berufsschülerin durfte ich in Innsbruck auch nicht

im Lehrlingsheim wohnen, sondern musste mir ein

Privatquartier suchen. Die letzten beiden Berufsschul-

termine bin ich dann, um zu sparen, zwischen dem

Zillertal und Innsbruck gependelt.“

Im Jänner 2011 legte Anita Wechselberger die Lehr-

abschlussprüfung ab und blieb anschließend noch

ein halbes Jahr im Autohaus Schick. Inzwischen

wechselte sie in das Zweiradgeschäft, in dem sie

schon früher ausgeholfen hat. Dieser Betrieb liegt

ihrem Wohnort viel näher. Nach Schwaz musste sie

täglich 40 Minuten fahren. „Ich bin jetzt wieder beim

Lernen. Ich mache zwar im Grunde die gleichen

Tätigkeiten wie im Autohaus, Pickerlüberprüfung,

Reifen wechseln etc., aber mit einspurigen Fahr-

zeugen zu arbeiten, ist doch was anderes. Außerdem

ist es ein kleiner Betrieb, wo du alles selber machen

musst, von der Annahme bis zur Besorgung der

Ersatzteile.“

Anita Wechselberger ist sehr froh, die Ausbildung

gemacht zu haben und endlich in dem Beruf arbeiten

zu können, den sie sich immer gewünscht hat. Das

Wichtigste ist ihr im Moment, möglichst viel prakti-

sche Erfahrung zu sammeln. „Ich denke mir schon

oft, was ich heute in meinem Alter an Wissen haben

könnte, was ich an Entwicklungen mitgekriegt hätte,

wenn ich die Ausbildung in meiner Jugend hätte

machen können. Speziell in der Autobranche gibt es

ja ständig Veränderungen. Was im letzten Jahr neu

war, ist heuer schon wieder alt.“

Die Sicht des Firmenchefs

„Sie hätte auch im Betrieb bleiben können“Das Autohaus Schick in Schwaz, eine Peugeot-Vertretung, hat insgesamt – in Büro, Lager, Neuwagen- und

Gebrauchtwagenverkauf sowie Werkstatt – zwölf Beschäftigte. Der Geschäftsleiter, Günther Schick, hat mit Frauen

im Büro gute Erfahrungen. Inzwischen auch mit einer Frau in der Werkstatt, wo Frauen bekanntlich Seltenheitswert

haben.

Seine Erklärung, warum sich für den Beruf der Kraftfahrzeugtechnikerin so wenig Frauen finden: „Ich denke, es

schreckt schon viele Frauen ab, dass es sich um eine Arbeit handelt, bei der man sich auch schmutzig macht. Und

dass es sich zum Teil um körperlich schwere Arbeit handelt. Eher als Städterinnen eignen sich dafür wohl Frauen

aus ländlichen Gegenden, die an körperliche Arbeit gewöhnt sind und denen der Umgang mit Landmaschinen

nicht fremd ist.“

Seine Erfahrungen mit Anita Wechselberger bezeichnet er als sehr positiv. Sie hätte bei ihm auch weiterarbeiten

können. Er schließt nicht aus, wieder eine Frau in der Werkstatt zu beschäftigen, allerdings eher eine Frau, welche

die Ausbildung im Zweiten Bildungsweg macht so wie Anita Wechselberger als eine ganz junge.

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Nuray Isik wurde in Schwarzach im Pongau geboren.

Als drittes Kind ihrer Eltern. Diese waren in den

1970-er Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach

Österreich gekommen. Im Alter von fünf Jahren kam

Nuray mit ihrer Schwester und ihrem Bruder zu den

Großeltern in die Türkei, und zwar nach Izmit, eine

Stadt in der Nähe von Istanbul, denn die Betreuung

der Kinder war mit der Berufstätigkeit der Eltern nicht

vereinbar. Drei Jahre lang besuchte Nuray in der

Türkei die Grundschule. Im Alter von acht Jahren kam

sie zurück nach Österreich, die Familie wohnte inzwi-

schen in der Stadt Salzburg, und Nuray stieg – ohne

ein Wort Deutsch zu können – in die zweite Klasse

Volksschule ein. „Diese Zeit war sehr schlimm“,

erinnert sie sich. „Meine einzige Freundin in den

folgenden Jahren war meine Klassenlehrerin. Meine

Mitschüler und Mitschülerinnen sprachen nicht

mit mir, weil ich Ausländerin war.“ Ich habe Haus-

Nuray Isik (Jahrgang 1981) Speditionskauffrau

aufgaben oft nicht machen können, weil ich die

Aufgaben nicht verstanden habe. Ich habe statt-

dessen aber immer andere Übungen gemacht und

habe meiner Lehrerin auch erklärt warum. Sie hat

meine Bemühungen anerkannt und mich unterstützt.“

Nuray Isik kam von der Volksschule ins Gymnasium.

Da allerdings zeigte sich, dass ihre Sprachkenntnisse

nicht ausreichten, um dem Unterricht zu folgen. Nach

der ersten Klasse wechselte sie in die 2. Klasse

Hauptschule. Dort war die Situation zwar anders, aber

ebenso schwierig wie in der Volksschule. Von den

20 Kindern der Klasse hatten 16 eine andere Mutter-

sprache als Deutsch. „Es war die Zeit des Krieges in

Ex-Jugoslawien, als viele Familien nach Österreich

flüchteten.“

„Meine Eltern konnten mit uns Kindern zwar nicht

lernen, aber sie haben uns auf andere Weise zu

unterstützen versucht, denn sie wollten, dass wir eine

gute Ausbildung haben. Drei, vier Jahre lang haben

sie mir und meiner Schwester Nachhilfeunterricht

bezahlt. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“

Die Hauptschule schloss Nuray Isik mit gutem Erfolg

ab. Anschließend besuchte sie eine Handelsakade-

mie. Die Sprachschwierigkeiten aber waren nicht

wirklich überwunden. „Ich hatte damals auch kein

Selbstvertrauen, ich war sehr schüchtern oder eher

eingeschüchtert. Ich habe mir immer gesagt: Ich

rede nicht, denn wenn ich rede, mache ich Fehler.

Und dann werde ich ausgelacht. Am schlimmsten

Nuray Isik hatte lange Zeit Probleme mit der deutschen Sprache.

„Ich bin froh, dass mir diese Chance geboten wurde“

„Früher habe ich mir immer gesagt:

Ich rede nicht, denn wenn ich rede,

mache ich Fehler. Und dann werde ich

ausgelacht“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

waren für mich Präsentationen oder Referate. Da

habe ich gezittert, weil ich reden musste. Ich war so

nervös. Sobald ich gemerkt habe, dass irgendwer

lacht, habe ich aufgehört.“ Die dritte Klasse HAK

musste Nuray Isik wiederholen. Und dann wollte bzw.

konnte sie irgendwann nicht mehr. Sie verließ die

Schule, besuchte auf Wunsch der Eltern, die wollten,

dass sie ihre Ausbildung abschließt, noch eine Zeit-

lang die Abendschule, gab dann aber endgültig auf.

„Ich habe mit Deutsch immer wieder Schwierigkeiten

gehabt und immer wieder einen Fünfer auf einen

Aufsatz bekommen. Irgendwann ist mir dann die Lust

am Lernen total vergangen.“

Heute ist Nuray Isik eine eloquente junge Frau, hell-

wach und temperamentvoll. Keine Spur von Sprach-

schwierigkeiten und Schüchternheit.

„Erst seit drei, vier Jahren kann ich gut Deutsch. Jetzt

habe ich auch mehr Kontakt zu ÖsterreicherInnen.

Und während meiner Ausbildung zur Speditionskauf-

frau habe ich auch zum ersten Mal begonnen, Dialekt

zu sprechen. Jetzt sage ich mir: Deutsch ist nicht

meine Muttersprache. Es ist normal, dass ich Fehler

mache. Es gibt auch Menschen, deren Muttersprache

Deutsch ist, und die trotzdem Fehler machen.“

Erwerbstätig war Nuray Isik bereits parallel zu ihrem

Schulbesuch. „Meine Mutter war voll dagegen, dass

ich neben der Schule arbeite, aber ich wollte mein

eigenes Geld verdienen.“ Nuray Isik arbeitete bei

McDonald’s an der Kasse. Zuerst im Rahmen eines

Ferialjobs, dann parallel zur Schule als geringfügig

Beschäftigte und später Teilzeit. Nachdem sie die

Schule verlassen hatte, stieg sie auf Vollzeit um und

wurde bei McDonald’s Assistentin (= Schichtführerin).

„Da habe ich viel gelernt – betreffend Personal,

Sicherheit und Sauberkeit.“ Nach einem Jahr hörte

sie auf und arbeitete in der Folge in verschiedensten

Bereichen, unter anderem als Kellnerin, nebenbei

auch als Reinigungsfrau. „Ich habe mir immer gesagt,

man muss alles mal kennenlernen.“ Letztlich verein-

barte sie telefonisch Liefertermine für eine Firma, die

Matratzen erzeugt. Nach einem Monat fand sie das

nur noch langweilig.

In dieser Situation machte ihre ehemalige Nachhilfe-

lehrerin – sie ist inzwischen Abgeordnete zum Salz-

burger Landtag und im Integrationsbüro der Stadt

Salzburg tätig – Nuray aufmerksam auf das AMS-

Programm „Frauen in Handwerk und Technik“. „Sie

sagte mir, ‚Nuray, ich versteh nicht, warum du dir

solche Jobs antust. Du bist doch gescheit! Aber viel-

leicht bist du faul...‘“

Das ließ sich Nuray Isik nicht zweimal

sagen. Ziemlich umgehend nahm sie

teil an einem drei Monate dauernden

Berufsorientierungskurs. Zuerst über-

legte sie noch, ob sie im Rahmen von FiT eine Aus-

bildung im Bereich Recycling machen soll, entschied

sich dann aber für eine Ausbildung zur Speditions-

kauffrau, da in diesem Beruf – wie ihr gesagt wurde

– ihre Zweisprachigkeit von Vorteil sein könnte. Im

Herbst 2008 begann sie mit der Ausbildung zur

Speditionskauffrau am Berufsförderungsinstitut (bfi)

in Salzburg, absolvierte ein 45 Wochen dauerndes

Berufspraktikum in der Spedition Gebrüder Weiss

und legte Anfang Oktober 2010 ihre Lehrabschluss-

prüfung ab. Tags darauf begann sie an ihrem jetzigen

Arbeitsplatz in der Spedition Roland in Wals Siezen-

heim, in unmittelbarer Nähe der Stadt Salzburg, zu

arbeiten.

Die Ausbildung hat sie in bester Erinnerung. „Ich

habe mir überhaupt nicht schwer getan. Ich war 27

Jahre alt, als ich begonnen habe, und habe gewusst,

was ich will. Und vor allem: Es hat mich interessiert.

FiT-Programm

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

war sehr aktiv im Unterricht. Ich habe mich immer in

die erste Reihe gesetzt und wenn ich die Erklärung

nicht verstanden habe, habe ich ein zweites Mal

nachgefragt.

Gelernt hat sie in der Ausbildung sehr viel. „Geogra-

phie, Buchhaltung, kaufmännisches Rechnen, Zoll-

bestimmungen und vor allem die Kalkulation, Organi-

sation und Abwicklung von Gütertransporten mittels

Schiff, Bahn oder Lkw einschließlich der Erstellung

von Frachtbriefen. Ich habe den EDV-Führerschein

gemacht und den Staplerschein. Auch während des

Praktikums in der Firma Gebrüder Weiss habe ich

sehr viel gelernt, ich wurde nicht mit Kaffee kochen

oder Akten schlichten etc. beschäftigt, sondern schon

sehr früh angeleitet, Aufträge zu bearbeiten.“

Nuray Isik hätte auch in der Spedition Gebrüder

Weiss weiterarbeiten können, aber sie entschied

sich für den Umstieg in eine kleinere Spedition. In

der kriege sie, so meint sie, mehr mit. In der Spedi-

tion Roland ist sie für Import und Export zuständig. In

größeren Speditionen seien das hingegen, so erklärt

sie, getrennte Bereiche. An ihrem jetzigen Arbeits-

platz besteht ihre Arbeit im wesentlichen darin,

Container zu disponieren, von einem Seehafen zum

Kunden und vom Kunden zum Seehafen. Diese

Containertransporte erfolgen üblicherweise per Bahn

von einem Seehafen in Deutschland nach Wien, Salz-

burg, Linz, Graz, Enns bzw. nach Slowenien und

Italien, jedenfalls an Orte, wo es Terminals gibt. Von

dort geht die Fracht unter Umständen per Lkw weiter

an den endgültigen Bestimmungsort.

Nuray Isik ist zufrieden mit ihrer Arbeitssituation, hat,

wie sie sagt, einen netten Chef und ebensolche Kolle-

„Ich liebe meine Arbeit. Man lernt in

dem Beruf jeden Tag etwas dazu.

Jeden Tag“

In der Spedition ist sie für Import und Export zuständig.

Ich habe diesen Beruf nicht mit Zwang und nicht mit

Druck, sondern mit Freude erlernt. Die Referenten am

bfi haben uns sehr unterstützt. Sie haben uns alles

erklärt, bis wir es verstanden haben. Früher hätte

ich mich nicht zu fragen getraut, wenn ich was nicht

verstanden habe. Bei dieser Ausbildung schon. Ich

Nuray Isik (Jahrgang 1981) Speditionskauffrau

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

gInnen, und freut sich darüber, immer wieder was

Neues zu lernen. „Ich arbeite sehr gern. Ich liebe

meine Arbeit. Man lernt in dem Beruf jeden Tag etwas

dazu. Jeden Tag.“

Und es gibt auch Anerkennung: Als sie kürzlich erst-

mals auf Urlaub war, haben ihre Kunden sie vermisst.

Sie ist sehr froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, im

zweiten Bildungsweg einen Beruf zu erlernen, und

würde Frauen gern dazu ermuntern, die Chance, die

das FiT-Programm bietet, zu nützen, anstatt zu Hause

zu bleiben oder als Hilfsarbeiterin zu arbeiten. „So

eine Möglichkeit hat man nicht überall. Man bekommt

während der Ausbildung das Arbeitslosengeld

bezahlt und noch einen Zuschuss für die Ausbildung.

Und kann nebenbei auch noch geringfügig arbeiten.“

Die Erfahrung, imstande zu sein, eine Ausbildung ab-

zuschließen, hat ihr Selbstvertrauen enorm gestärkt.

„Jetzt hab ich vor gar nichts Angst.“

Befragt nach beruflichen Zukunftsperspektiven sagt

sie, sie könne sich jetzt auch vorstellen, die Matura

nachzumachen. „Ich denke, das würde ich schaffen.“

Durchaus möglich wäre es auch, mit ihrer Ausbildung

eine Zeitlang in der Türkei zu arbeiten. „Aber lieber

wäre es mir, hier beschäftigt zu sein und mit der Türkei

zu kooperieren.“ Und nicht zuletzt hat sie auch noch

vor, Mutter zu werden. „Ein bisschen Stress habe ich

ganz gern.“

Die Sicht des Ausbildners

„Sie war Teil des Teams“Gebrüder Weiss ist Österreichs größtes Transport- und Logistikunternehmen. Es agiert global und transportiert

auch Seefracht und Luftfracht. Der Konzern beschäftigt insgesamt rund 4.500 Mitarbeiterinnen, allein in Österreich

sind es 2.500.

Am Salzburger Standort des Unternehmens hat Nuray Isik ein knappes Jahr lang ihr Praktikum absolviert. Manfred

Gillhofer, Nuray Isiks Ausbildner bei Gebrüder Weiss, erinnert sich genau. „Der Leiter der Ausbildung für Speditions-

kaufleute innerhalb des bfi hat mich einmal daraufhin angesprochen, ob das Unternehmen nicht bereit wäre, Prak-

tikantinnen aufzunehmen. So kam auch Nuray Isik zu uns. Inzwischen beschäftigt Gebrüder Weiss laufend Prak-

tikantinnen. Ich sehe das absolut positiv. Ich bin ein Befürworter dieser Praktika. Diese Frauen sind nicht mehr

16, sie wissen was sie wollen. Sie haben ein Ziel vor Augen. Für mich war von Anfang an klar, dass die Praktikan-

tinnen nicht nur untergeordnete Arbeiten verrichten sollen wie beispielsweise die Ablage betreuen oder kopieren.

Ich habe das auch mit dem bfi abgeklärt, dass die Praktikantinnen in den Betrieb integriert werden und auch Leis-

tungen erbringen müssen. Tatsächlich sind sie schon bald vollwertige Mitarbeiterinnen. Wir geben aber auch sehr

viel an Know-how weiter. Auch Nuray Isik war Teil des Teams. Am Tag nach der Lehrabschlussprüfung hatte sie

schon einen Job. Aber auch wir hätten sie weiterbeschäftigt.“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Nina Klaus ist als Facharbeiterin in der Stanzerei der

Firma Domoferm in Gänserndorf (NÖ) beschäftigt.

Sie arbeitet Vollzeit, von sieben bis fünfzehn Uhr. In

die Arbeit fährt sie von ihrem Wohnort – der ist 15 km

entfernt – mit dem Auto. Ihre beiden Söhne, geboren

2005 und 2006, besuchen derzeit noch den Kinder-

garten in ihrem Wohnort, der ältere steht vor dem

Schuleintritt. Der Kindergarten öffnet erst um sieben

Uhr. Daher holt eine Tagesmutter die Kinder in der

Früh ab und bringt sie dann in den Kindergarten.

Diese Regelung kostet zwar Geld, aber sie hat sich

bewährt. Nina Klaus ist froh, dass sie ihren Arbeits-

beginn in der Firma der Kinder wegen ganz ohne

Probleme von sechs auf sieben Uhr hatte verlegen

können. Und sie weiß auch zu schätzen, das es in

der Stanzerei nur eine Schicht gibt, nämlich die Früh-

schicht, denn so bleibt am Nachmittag noch Zeit für

die Kinder. „Das ist super.“

Nina Klaus (Jahrgang 1983) Maschinenfertigungstechnikerin

Nicht immer aber war alles super. Nina Klaus hatte

eine Reihe von Hürden zu überwinden und sie hat

keine Mühen gescheut, um das Beste aus ihrer

Situation zu machen.

Aufgewachsen ist Nina Klaus in Wien, wo sie die

Volksschule besuchte, dann zwei Jahre das Gymna-

sium und anschließend die Hauptschule. Danach

wäre sie zwar gern weiter zur Schule gegangen. Aber

es hieß: Du musst was lernen und Geld verdienen.

Sie lernte Köchin. „Mein Vater, der damals zwar nicht

mehr bei uns gewohnt hat, war im Gastgewerbe tätig.

Und ich habe echt nicht gewusst, was ich sonst

machen soll.“ Zwei Jahre lernte sie in einem Restau-

rant, das dritte Jahr in der Zentralküche des Allgemei-

nen Krankenhauses. Als die Lehrzeit zu Ende war,

legte sie die Lehrabschlussprüfung nicht ab. Der

Grund? „Jugendlicher Leichtsinn.“ Sie hatte auch das

Interesse an der Tätigkeit verloren. Eine Zeitlang blieb

sie zu Hause, dann nahm sie an einer Umschulung

zu Büroberufen teil. „Obwohl es für mich genauge-

nommen unvorstellbar ist, ständig am Schreibtisch zu

sitzen und mich nicht zu bewegen.“

Im Zuge der Umschulung machte sie drei Prak-

tika in verschiedenen Firmen, fand anschließend

aber keine Arbeitsstelle und war wieder arbeitslos.

„Ein paar Jahre lang habe ich dann als Kellnerin in

verschiedenen Lokalen gearbeitet.“ Dann bekam sie

ihre beiden Kinder und übersiedelte nach Nieder-

österreich, ins Weinviertel. Zuerst nach Dürnkrut.

„In der Karenz habe ich mir dann Gedanken zu

machen begonnen: Wie soll das weitergehen? In

meinem letzten Job hatte ich € 800,- verdient. Und 40

Stunden die Woche gearbeitet. Mir war klar, so geht

das nicht mehr. Und als Köchin hätte ich nur wenig

Einen Lehrabschluss nachzuholen, war Nina Klaus wichtig.

„Es geht auch mit Kindern“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

mehr verdient und die Arbeitszeiten wären mit der

Kinderbetreuung nicht vereinbar gewesen. Im letzten

Karenzjahr hat mich der Vater der Kinder verlassen,

ich war also allein für mich und die beiden Kinder

verantwortlich. Mir war klar, so kann das nicht weiter-

gehen. Ich muss einen Beruf erlernen, wo ich ausrei-

chend verdiene. Nur Herumtümpeln ist nicht meine

Art.“ Nina Klaus hatte zu diesem Zeitpunkt keinen

Führerschein, geschweige denn ein Auto und der

kleinere Sohn war noch keine drei Jahre alt, hatte also

noch nicht das für den Kindergarten in Dürnkrut erfor-

derliche Alter. „Ich war wirklich verzweifelt.“ In dieser

Situation begann sie alle Informationen zu sammeln,

die sie bekommen konnte. Sie recherchierte in der

Geschäftsstelle des AMS im Internet. Dort entdeckte

sie eine AMS-Broschüre über technische Berufsaus-

bildungen für Frauen, die vom AMS gefördert werden.

„Das war für mich eine Art Wegweiser. Ich habe mir

gedacht, dass hört sich nicht schlecht an. Ich bin

nicht ungeschickt und ich habe Power.“

Auf keinen Fall wollte sie irgendwas mit Kunden-

kontakt zu tun haben. „In der Karenz habe ich eine

Zeitlang in einem Supermarkt als Kassiererin gear-

beitet. Das war ein Horror. Das möchte ich nie wieder

machen. Mir tun diese Frauen so leid. Ich bin immer

überfreundlich, wenn ich einkaufen gehe, denn die

meisten Leute sind extrem unfreundlich zu den

Kassiererinnen.“

Es gelang Nina Klaus, ins FiT-

Programm aufgenommen zu werden.

Der Berufsorientierungskurs aller-

dings fand in Wien statt, das bedeu-

tete, dass sie in aller Früh von zu Hause weg musste

und erst spät am Abend heimkam und das kleinere

Kind von einem Tag zum anderen zehn Stunden

täglich bei einer Tagesmutter untergebracht werden

musste. „Einerseits hat es mir urleid getan, dass ich

den Kleinen kaum noch sehe. Andererseits habe

ich in dieser Zeit schon das erhöhte Arbeitslosen-

geld gekriegt und die Kosten für die Kinderbetreuung

wurden zum Teil vom AMS übernommen. So gesehen

war ich zufrieden.“

Schon zu Beginn des Kurses war Nina Klaus klar,

dass sie in einem Metallberuf arbeiten will. „Metall

finde ich gut. Manche Frauen wollen nicht mit Metall

arbeiten. Mir gefällt es. Überdies sind Tätigkeiten in

der Holzbranche schlechter bezahlt. Das Einkommen

war für meine Entscheidung schon auch ausschlag-

gebend.“

Das Kurzpraktikum im angestrebten Beruf organi-

sierte sie sich bei der Firma Instantina in Dürnkrut.

Dort „schnupperte“ sie in der Schlosserei. „Dorthin

musste ich nur zwei Minuten zu Fuß gehen! Das war

ideal.“

Die Ausbildung zur Maschinenfertigungstechnikerin

sollte und wollte sie im Ausbildungszentrum des AMS

NÖ in Zistersdorf machen, einem Nachbarort von

Dürnkrut, elf Kilometer entfernt. Vorher aber musste

sie sich einem Aufnahmetest unterziehen. Ohne Auto,

mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte sie von Dürnkrut

nach Zistersdorf zwei Stunden gebraucht. „Ich habe

mit dem Ausbildner gesprochen und habe ihm ge-

sagt, ich will das unbedingt machen, aber ich weiß

nicht, wie ich hinkomme. Und ich hab ihn gefragt, ob

es im Zentrum nicht jemanden gibt, der in Dürnkrut

vorbeifährt, der mich mitnehmen kann. Er hat das

dann organisiert. Und das hat ursuper geklappt.“

Den Test bestand Nina Klaus, aber gleichzeitig

machte sie sich Sorgen, was mit der Ausbildung

werden soll, denn vierzehn Tage bevor die

„Ohne Auto bist du am Land verloren“

FiT-Programm

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Obwohl sie den Anfang versäumt hatte, gefiel Nina

Klaus die Ausbildung, in der sowohl Praxis als auch

Theorie vermittelt wird, sehr gut. „Wir haben auch

sehr viel gelernt. Im März 2009 habe ich angefangen.

Im Oktober des gleichen Jahres machte ich ein

Praktikum. Den Praktikumsplatz habe ich mir in

einer kleinen Schlosserei, mit drei, vier Mitarbei-

tern und einem jungen Chef in einem Nachbarort

gesucht. In diesem Betrieb habe ich dann auch

neben der Ausbildung jeden Freitag gearbeitet. Ich

hab mir gedacht, es ist gut, einen Betrieb kennenzu-

lernen. Ich hab in der Werkstatt gearbeitet, bin auf

Montage gefahren, war in Fertighäusern, wo man nur

noch Feinarbeiten erledigt, beispielsweise Geländer

montiert. Da habe ich in kurzer Zeit sehr viel Erfah-

rungen gesammelt. Vorher habe ich noch den Führer-

schein gemacht, denn sonst wäre ich gar nicht in die

Schlosserei gekommen. Die war zwar nur sieben Kilo-

meter entfernt, aber öffentlich praktisch nicht zu errei-

chen. Weder das Ausbildungszentrum Zistersdorf

noch das Praktikum wäre erreichbar gewesen.“

Während ihrer Ausbildung machte Nina Klaus vier

Wochen lang eine Zusatzausbildung für ein Schweiß-

Zertifikat für WIG-Schweißen1. „Das können relativ

wenige Leute, weil man dafür ruhige Hände haben

muss und beide Hände dafür braucht. Die meisten

Menschen sind nicht imstande, mit jeder Hand was

anderes zu machen. Bei mir hat das von Anfang an

geklappt.“

Nina Klaus in der Stanzerei: Ihr gefällt es, mit Metall zu arbeiten.

Ausbildung begann, wurde eines ihrer Kinder krank,

musste am Kopf operiert werden. Sie wollte zwei

Wochen im Krankenhaus beim Kind bleiben, dadurch

aber würde sie die erste Woche der Ausbildung

versäumen.

„Der Ausbildner hatte Verständnis. Er sagte: Auch

wenn Sie drei Wochen beim Kind bleiben müssen,

bleiben Sie. Er hat selber zwei kleine Kinder und war

total nett.“

Nina Klaus (Jahrgang 1983) Maschinenfertigungstechnikerin

Das Arbeitsgebiet der MaschinenfertigungstechnikerInnen

MaschinenfertigungstechnikerInnen stellen Maschinen, Geräte

und Apparate her, halten sie instand und reparieren sie. Sie

bearbeiten mechanische Bauteile und Automatisierungs-

vorrichtungen, bauen sie zusammen und montieren sie in

Maschinen und Geräte. Anschließend prüfen und justieren sie

diese und sorgen für die Instandhaltung und Instandsetzung

von Automatisierungsvorrichtungen, Maschinen und Geräten.

1 Wolfram-Inertgasschweißen

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Im Mai 2010 bestand Nina Klaus die Lehrabschluss-

prüfung mit gutem Erfolg. „Alle Frauen, die gleich-

zeitig mit mir die Ausbildung gemacht haben, haben

sie mit gutem Erfolg abgeschlossen. Bis auf eine,

die war älter, 52 oder 53 Jahre, die hat die Lehrab-

schlussprüfung sogar mit ausgezeichnetem Erfolg

bestanden! Von dieser Frau erzähle ich allen, die mir

sagen, sie seien schon zu alt, um sich weiterzubilden.

Ich denke, dass sich viel zu viele Menschen zu früh

damit abfinden, HilfsarbeiterInnen zu sein. Einen

Lehrabschluss nachholen, bedeutet mehr Wissen und

auch mehr Geld.“

Nach der Lehrabschlussprüfung arbeitete Nina Klaus

weiter in der kleinen Schlosserei, in der sie schon

neben ihrer Ausbildung tätig gewesen war. Allerdings

ging dies nicht auf Dauer gut. Der Grund? Innerhalb

kürzester Zeit wurde ihr kleinerer Sohn dreimal krank.

Nina Klaus hatte zwar vereinbart, dass ihr Über-

stunden nicht ausbezahlt werden, sondern im Falle

einer Krankheit eines ihrer Kinder dafür Zeitaus-

gleich gewährt wird, aber als es dann soweit war, war

davon keine Rede mehr. „Obwohl ich was die Arbeits-

stunden betrifft nicht im Minus war.“

Fazit: Nina Klaus fuhr nach Wien und setzte sich

mit ihrer ehemaligen Betreuerin im FiT-Programm

zusammen. Die beiden studierten Inserate, suchten

einschlägige Firmen heraus, die von Nina Klaus, die

inzwischen mit Kindern und neuem Partner in der

Nähe von Gänserndorf wohnt, nicht allzu weit entfernt

sind, und verfassten und verschickten jede Menge

Bewerbungsschreiben.

Eine der Firmen, die sie angeschrieben hatte, war

Domoferm. Nina Klaus arbeitet dort seit November

2010 in der Stanzerei. Sie ist eine der sechs Frauen

unter den 220 MitarbeiterInnen der Fertigung. Der

technische Leiter der Domoferm-Zentrale, ist aller-

dings sehr aufgeschlossen für Veränderungen,

Umstrukturierungen und Verbesserungen aller Art,

einerseits was den Betrieb, vor allem die Sauberkeit

und die ergonomische Arbeitsgestaltung betrifft, aber

auch in Hinblick auf die Beschäftigung von Frauen.

Eine stärkere Durchmischung des Betriebes ist ihm

ein Anliegen.

Von Nina Klaus erwartet er sich unter anderem, wie

er bei der Anstellung sagte, dass sie frischen Wind

in den Betrieb bringt. Beim Einstellungsgespräch

machte er ihr gegenüber auch kein Hehl daraus,

dass sie in eine Abteilung kommt, die sich eher

gegen Veränderungen sträubt und in der eine Frau

nicht unbedingt erwünscht ist. Erfreuliche Tatsache

ist, dass Nina Klaus inzwischen zusammen mit einem

Kollegen die Partieführung übernommen hat.

In der Stanzerei ist Nina Klaus derzeit für drei

verschiedene Aufgabenbereiche zuständig:

- Sie erledigt die Büroarbeit, weil sie sich mit

dem Computer am besten auskennt, bucht

Stunden und Materialien, schreibt Bestel-

lungen und Infos per E-Mail.

- Sie produziert in der Stanzerei, rüstet Stanzen

um und betreibt automatische Stanzen

- Sie ist zuständig für Logistik und Belieferung

von zwei Hallen mit den für sie erforderlichen

Stanzteilen (insgesamt gibt es davon 450),

sodass die einzelnen Mitarbeiter an ihrem

Arbeitsplatz in kleinen Kisten griffbereit haben,

was sie brauchen und effizienter und zugleich

bequemer arbeiten können.

Nina Klaus findet es erfreulich, drei Arbeitsbereiche

zu haben. Sie empfindet das als eine ausgewogene

Situation. „Und durch die Belieferung lerne ich die

ganze Halle kennen, ansonst würde ich mich immer

nur in der Stanzerei aufhalten.“

„Je mehr ich mich am Tag bewege,

desto besser schlafe ich“

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Maschinenfertigungstechnik ist ein Lehrberuf, in dem

nicht einmal sechs Prozent der Lehrlinge österreich-

weit Frauen sind. Und es ist ein zum Teil auch körper-

lich anstrengender Beruf. Nina Klaus ist zwar sehr

sportlich und betont, dass sie sich gern körperlich

betätigt, dass sie dies für ihr körperliches und psychi-

sches Wohlbefinden geradezu braucht.

„Je mehr ich mich am Tag bewege, desto besser

schlafe ich.“ Zu Beginn ihrer Berufstätigkeit hat sie

ihrer Osteopathin gegenüber trotzdem gewisse

Zweifel angemeldet: Ewig werde ich diese körper-

liche Beanspruchung wohl nicht aushalten? „Sie hat

mir entgegnet, ‚Wieso nicht? Wenn Sie jeden Tag

diese Arbeit machen und sich nicht überanstrengen,

sondern ein paar Tipps befolgen, bauen Sie Muskeln

auf und werden kräftiger.‘ Das stimmt. Ich kann inzwi-

schen Hebel bedienen, die ich anfangs nicht hätte

runterdrücken können.“

Zukunftsperspektiven?„Ich möchte auf keinen Fall einfache Arbeiterin

bleiben. Im März hat mich die Firma auch bereits auf

eine Weiterbildung geschickt, in diesem Seminar ging

es um innerbetriebliche Verbesserungen. Das war

sehr interessant. Ich habe auch kein Problem damit,

Verantwortung zu übernehmen. Daheim habe ich die

auch. Organisieren habe ich auch gelernt. Und ich

weiß, wie belastbar ich bin.“

Das Einzige was Nina Klaus abgeht, sind mehr

Frauen im Betrieb. „Manchmal mache ich einen

Abstecher und besuche eine der anderen Frauen,

die in der Nähe arbeitet. „Mit einer Frau zu reden, das

fehlt mir schon.“ Männer, so ihre Erfahrung, sind eher

einsilbig und wortkarg.

Nina Klaus (Jahrgang 1983) Maschinenfertigungstechnikerin

„Diese gängigen Vorurteile habe ich nicht“Die Firma Domoferm stellt Stahltüren, Stahltore und Stahlzargen her. Sie umfasst vier Produktionsbetriebe, zwei in

Deutschland, einen in Tschechien und die Zentrale des Unternehmens in Gänserndorf (NÖ). Der Standort

Gänserndorf hat 350 Beschäftigte. 220 davon arbeiten in der Produktion. 214 davon sind Männer, etwa die Hälfte

davon sind angelernt, die anderen sind Facharbeiter.

Den technischen Bereich am Standort Gänserndorf leitet seit 2010 Robert Weninghofer. Wichtig ist ihm vor allem,

das Fördern und Fordern der MitarbeiterInnen, Sensibilität für wertschätzende Kommunikation sowie Abbau

demotivierender Faktoren. „Unser erklärtes Ziel ist es, dass alle MitarbeiterInnen wissen, wie sie zum Unter-

nehmenserfolg beitragen und ihre Stärken besser einsetzen können.“

Ein Anliegen von Robert Weninghofer ist auch die Erhöhung des Facharbeiterinnenanteils. „Wir achten darauf,

dass Frauen, die sich bewerben, in jedem Fall mitbewertet werden. Bei den Lehrstellensuchenden in technischen

„Ich habe kein Problem damit,

Verantwortung zu übernehmen“

Die Sicht des technischen Leiters

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Frauen in Handwerk und Technik – das FiT-Programm des AMS

Bereichen überwiegen allerdings bei weitem die männlichen Interessenten. Wir bilden derzeit neun Lehrlinge im

Fertigungstechnischen Bereich aus – darunter ist nur ein weiblicher Lehrling.“

Seiner Erfahrung nach sind die – wenigen – Frauen im Betrieb extrem offen für Veränderungen, bereit, Verbesse-

rungen zu unterstützen und diesbezüglich auch erfreulicherweise sehr beharrlich.

Die Ansicht, dass Frauen technische Berufe körperlich zu anstrengend seien, teilt er nicht. „Das stimmt heute nicht

mehr. Wir leben in einer Zeit, in der es Hilfs- und Hebemittel gibt, die sollte man nützen.“

Und der Einwand, bei jungen Frauen wisse man nie, ob sie Kinder kriegen und wie lange sie dann zu Hause

bleiben...? Diese gängigen Vorurteile, so Robert Weninghofer, habe er nicht. „Aufgrund der Väter- bzw. Eltern-

karenz ist das sicher kein Einstellungskriterium.“

Dass Nina Klaus im Betrieb angestellt wurde, führt er auf ihre Motivation für die Art der Tätigkeit zurück. „Es ist im

Gespräch sehr klar herausgekommen, dass sie weiß, was sie will und was sie kann, und dass sie bereit ist, sich

weiterzuentwickeln. In der Einarbeitungsphase hat sie sich bestens bewährt und schnell ins Team integriert.“

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IMPRESSUM

MedieninhaberIn und HerausgeberIn: Arbeitsmarktservice Österreich

Treustraße 35 – 43

1200 Wien

Interviews und Text:Dr.in Susanne Feigl

Fotos:Dr.in Susanne Feigl

Kompetenzzentrum Holz GmbH (S. 22 und 23)

Grafische Gestaltung:Lisi Breuss

Druck:Ferdinand Berger & Söhne, 3580 Horn

Dezember 2011

www.ams.at/frauen

www.ams.at/fit

www.fit-gehaltsrechner.at

www.berufskompass.at

www.ams.at/qualibarometer

Allgemeine Informationen erhalten Sie unter folgenden Internetadressen:

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