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Frédéric Gros

UnterwegsEine kleine Philosophie des Gehens

Aus dem Französischen von Ursel schäfer und Michael Bayer

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Umwelthinweis:das für dieses Buch aus 100 % recyclingfasern hergestellte

und mit dem blauen Engel ausgezeichnete Papier Top Recycling Purevon Lenzing Papier, Austria, liefert carl Berberich.

die Einschrumpffolie (zum schutz vor Verschmutzung)ist aus umweltfreundlicher und recyclingfähiger PE-Folie.

1. Auflagedeutsche Erstausgabe

© 2010 der deutschsprachigen Ausgabe riemann Verlag, Münchenin der Verlagsgruppe random House GmbH

© 2009 der originalausgabe carnets Nord, Parisredaktion: ralf Lay, Mönchengladbach

satz: Barbara rabusdruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyisBN 978-3-570-50120-7

www.riemann-verlag.de

die französische originalausgabe erschien 2009unter dem Titel »Marcher, une philosophie« bei carnets Nord, Paris.

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Inhalt

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Gehen ist kein sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Freiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Warum ich so gut zu Fuß bin (Nietzsche) . . . . . . . . 17

draußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Langsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Nur weg von hier (rimbaud) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Einsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

stille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

die Tagträumereien des spaziergängers (rousseau) . . . 72

Ewigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

die suche nach der Wildnis (Thoreau) . . . . . . . . . . . 96

Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Pilgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

regeneration und Präsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

der kynische Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

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die Zustände des Wohlbefindens . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Melancholische streifzüge (Nerval) . . . . . . . . . . . . . . 162

der tägliche Ausgang (Kant) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

spaziergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Öffentliche Gärten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

der Flaneur der Großstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

die schwerkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

das Elementare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Mystik und Politik (Gandhi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Wiederholungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Über den Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

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Gehen ist kein Sport

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Gehen ist kein sport.Beim sport zählen Technik und regeln, Ergebnisse und

Wettbewerb, und das verlangt eine regelrechte Ausbildung: Man muss die Positionen kennen, die richtigen Bewegungen verinnerlichen. Und erst lange danach kommen improvisati-on und Talent.

sport besteht aus Ergebnissen: Wievielter bist du gewor-den? Mit welcher Zeit? Welchem Ergebnis? immer gibt es den sieger und die Verlierer, wie im Krieg – zwischen Krieg und sport besteht eine Verwandtschaft, die den Krieg ehrt und den sport entehrt: vom respekt vor dem Gegner zum Hass auf den Feind.

sport ist natürlich auch Hartnäckigkeit, Lust an der An-strengung, disziplin. Es ist ein Ethos, Arbeit.

Aber zum sport gehören auch das Material, Zeitschriften, Veranstaltungen, ein Markt. die Ereignisse. sport ist Anlass für große Medienevents, bei denen die Konsumenten von Marken und Bildern zusammenströmen. immer mehr Geld fließt in den sport und entseelt ihn, und die Medizin spielt ei-ne immer größere rolle bei der schaffung künstlicher Körper.

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Gehen ist kein sport. Einen Fuß vor den anderen zu set-zen ist ein Kinderspiel. Wenn sich spaziergänger begegnen, sind Zahlen und Ergebnisse nicht wichtig: Man erzählt sich, welchen Weg man genommen hat, welcher Pfad durch eine besonders schöne Landschaft führt, welchen Ausblick man von diesem oder jenem Felsvorsprung hat.

dennoch hat sich die industrie bemüht, einen eigenen Markt für Wanderausrüstung zu schaffen: revolutionäre schuhe, Hightech-socken, praktische rucksäcke, Funkti-onskleidung … der Geist des sports soll übertragen werden: Man wandert nicht mehr, sondern »unternimmt eine Trek-kingtour«. der spaziergänger kauft sich Teleskopstöcke, mit denen er aussieht wie ein verhinderter skiläufer. Aber das führt nicht weit. das kann nicht weit führen.

spazieren gehen: Es gibt keine bessere Art der langsamen Fortbewegung. Zum Gehen braucht man vor allem zwei Beine. Alles andere ist überflüssig. schneller vorwärtskom-men? dann gehen sie nicht, sondern machen sie etwas anderes: Fahren, gleiten, fliegen sie. Beim Gehen zählt nur eines: die intensität des Himmels, das Leuchten der Land-schaft. Gehen ist kein sport.

Wenn der Mensch erst einmal steht, bleibt er nicht lange auf der stelle stehen.

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Freiheiten

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da ist zuerst die loslösende Freiheit, die das Gehen bietet, schon ein kleiner spaziergang: die Last der sorgen ab-

legen, eine Weile die Aufgaben vergessen. Wir nehmen den schreibtisch nicht mit – wir gehen hinaus, schlendern, den-ken an etwas anderes. Bei einer längeren, mehrtägigen Wan-derung ist die Ablösung noch deutlicher: Wir lassen die Zwänge der Arbeit hinter uns, befreien uns aus der Zwangs-jacke der Gewohnheiten. Aber warum sollte beim Gehen die Freiheit deutlicher spürbar sein als bei einer großen reise? Weil beim Gehen andere Belastungen gleichfalls schmerzlich spürbar werden: das Gewicht des rucksacks, die Länge der Etappen, die Unsicherheit des Wetters (drohender regen, Gewitter, unerträgliche Hitze), spartanische Unterkünfte, der eine oder andere schmerz … Aber nur das Gehen kann uns von illusionen befreien, dass dinge unverzichtbar wä-ren. Beim Gehen regieren mächtige Notwendigkeiten. Um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, müssen wir so und so viele stunden gehen, das sind so und so viele schritte. spontane Entscheidungen sind nur begrenzt möglich, denn wir wan-dern nicht auf Gartenwegen und dürfen nicht die falsche

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Weggabelung nehmen, sonst kommt uns das teuer zu ste-hen. Wenn der Nebel über die Berge hereinzieht oder es in strömen zu regnen beginnt, müssen wir weitergehen, im-mer weiter. der Bedarf an Wasser und Verpflegung will ge-nau berechnet werden, je nach strecke und Versorgungs-möglichkeiten. Und von der Unbequemlichkeit spreche ich erst gar nicht. das Wunder besteht darin, dass wir nicht trotzdem, sondern gerade deswegen glücklich sind. damit will ich sagen, dass die Tatsache, keine unendliche Auswahl beim Essen und Trinken zu haben, den Wechselfällen des Wetters ausgeliefert zu sein, sich nur auf den rhythmus der eigenen schritte verlassen zu können, auf einmal die Über-fülle des Angebots (an Waren, an Verkehrsmitteln, an Ver-netzung), die unendliche Auswahl an Möglichkeiten (zu kommunizieren, einzukaufen, sich zu bewegen) als eine Fül-le von Abhängigkeiten erkennbar werden lässt. All diese »Mikro-Befreiungen« sind stets nur Beschleunigungen in ei-nem system, das mich immer stärker einsperrt. Alles, was mich von Zeit und raum befreit, entfremdet mich der Ge­schwindigkeit.

Für jemanden, der die Erfahrung nie selbst gemacht hat, klingt die schlichte Beschreibung des Zustands, in dem der Wanderer sich befindet, schnell wie eine Absurdität, eine Verirrung, eine freiwillige Knechtschaft. denn rasch inter-pretiert der stadtmensch das, was sich dem Wanderer als ei-ne Befreiung darstellt, als Entbehrung: nicht mehr vernetzt zu sein, nicht mehr ein Knoten in einem Netz zu sein, das informationen, Bilder, Waren verteilt, sich bewusst zu wer-den, dass all dies nur die realität und Bedeutung hat, die wir

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ihm zumessen. Nicht genug damit, dass meine Welt keines-wegs untergeht, wenn ich nicht mehr eingebunden bin, son-dern die Verbindungen erscheinen mir auf einmal als schwe-re Fesseln, die mich einschnüren, ersticken.

die Freiheit ist ein stück Brot, ein schluck frisches Was-ser, eine weite Landschaft.

Zum Genuss der Freiheit der Loslösung gehört aber, dass ich nicht nur gern aufbreche, sondern auch gern heimkehre. Es ist ein eingeschobenes Glück, die Freiheit als kleine Flucht, die einen oder mehrere Tage dauert. Nichts hat sich wirklich verändert, wenn ich zurückkomme. das alte Leben geht weiter: mit Geschwindigkeit, mangelnder rücksicht auf mich und auf andere, mit Aufregung und Erschöpfung. das einfache Leben hat eine Wanderung lang gewirkt: »die frische Luft hat dir gutgetan.« Nach der punktuellen Befrei-ung falle ich zurück ins Gewohnte.

die zweite Freiheit ist aggressiver, rebellischer. die Loslö-sung ist angesichts der Art, wie wir leben, nur ein vorüberge-hendes »Ausklinken«: ich entziehe mich dem Netz für ein paar Tage, auf einsamen Wegen erlebe ich, wie es sich an-fühlt, außerhalb des systems zu sein. Aber man kann auch entscheiden, auszusteigen. in dem Zusammenhang denkt man gleich an die Aufrufe zur Grenzüberschreitung und zum ungebundenen Leben in den schriften von Kerouac oder snyder: schluss mit den dummen Konventionen, mit der einschläfernden sicherheit der Mauern, mit der Lange-weile des immergleichen, dem Überdruss der Wiederho-lung, der Ängstlichkeit der Wohlhabenden und dem Hass auf alle Veränderung. Man muss Aufbrüche provozieren,

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Überschreitungen, endlich dem Wahnsinn und dem Traum Nahrung geben. die Entscheidung, loszulaufen (in die Fer-ne aufzubrechen, irgendwohin, etwas anderes zu versuchen), bedeutet in dem Fall, dem ruf der Wildnis (The Wild) zu folgen. Beim Gehen entdecken wir die enorme Kraft ster-nenbeschienener Nächte, elementare Energien, und unsere Wünsche passen sich an: sie sind gewaltig, unsere Körper sind erfüllt. Wenn wir erst die Tür zur Welt zugeschlagen ha-ben, hält uns nichts mehr. der Gehsteig klebt nicht mehr an den Füßen (der hunderttausendmal wiederholte Weg zurück an den heimischen Herd). Wegkreuzungen zittern wie zau-dernde sterne, wir entdecken, welchen Kitzel es bedeutet, wählen zu können, spüren die Freiheit wie einen schwindel.

das hat nichts damit zu tun, dass wir uns von etwas Künstlichem befreien, um einfache Freuden zu kosten, son-dern wir erfahren Freiheit als eigene Grenze und Grenze der menschlichen Natur, als Überborden einer rebellischen Na-tur, die größer ist, als ich es bin. das Gehen kann Übermaß provozieren: übermäßige Müdigkeit, die den Geist verwirrt, übermäßige schönheit, die die seele aufwühlt, Trunkenheit auf den Gipfeln der Berge (der Körper explodiert förmlich). Und schließlich weckt das Gehen die rebellische, archaische seite in uns: Unsere Wünsche werden grob und kompro-misslos, unsere Begeisterung regt sich. denn das Gehen bringt uns die Vertikale des Lebens. Wir werden davongetra-gen von dem Wildbach, der direkt unter uns entspringt.

damit möchte ich sagen, dass wir beim Gehen nicht uns selbst begegnen, als handele es sich darum, sich wiederzufin-den, sich von alten Entfremdungen zu befreien, um ein au-

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thentisches ich zurückzuerobern, eine verlorene identität. Beim Gehen entfliehen wir vielmehr schon der idee der identität, der Versuchung, jemand zu sein, einen Namen zu haben und eine Geschichte. Jemand zu sein ist gut bei gro-ßen Abendgesellschaften, wo alle von sich erzählen, und es ist gut in der Praxis des Psychologen. Aber ist jemand zu sein nicht auch eine soziale Verpflichtung, die uns Ketten anlegt (wir zwingen uns, einem Bild zu entsprechen), eine dumme Fiktion, die auf unseren schultern lastet? die Freiheit beim Gehen besteht darin, niemand zu sein, weil der Körper, der geht, keine Geschichte hat, nur dem unvordenklichen Le-bensstrom angehört. so sind wir ein Tier auf zwei Beinen, das geht, einfach eine reine Kraft inmitten hoher Bäume, ein schrei. Und oft schreien wir beim Gehen unsere wiederent-deckte animalische Präsenz hinaus. in der großen Freiheit, die die zerrissene Generation eines Allen Ginsberg oder Wil-liam s. Burroughs so gefeiert hat, in diesem Überschuss an Energie, die unsere Existenzen zerreißen und die Zeichen der Unterwerfung zerplatzen lassen sollte, war das Wandern in den Bergen ein Mittel neben anderen (drogen, Alkohol, Trinkgelage, orgien), mit dem man versuchte, die Unschuld wiederzuerlangen.

Aber beim Wandern scheint ein Traum durch: Wandern als Ausdruck der Ablehnung einer verdorbenen, verrotteten, entfremdenden, jämmerlichen Kultur.

ich habe Whitman gelesen, wisst ihr, was er sagt: Freut euch, Sklaven, und schreckt die fremden Tyrannen, er meint, das ist die Haltung für den Barden, den irren

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Zen-Barden der alten Wüstenpfade. seht mal, das Gan-ze ist nämlich eine Welt voll von rucksackwanderern, dharma-Gammler, die sich weigern, zu unterschreiben, was die Konsumgesellschaft fordert: dass man Produ-ziertes verbrauchen soll und daher arbeiten muss, um überhaupt konsumieren zu dürfen, das ganze Zeug, das sie eigentlich gar nicht haben wollten, wie Kühlschrän-ke, Fernsehapparate, Wagen … und lauter solcher Kram, den man … eine Woche später auf dem Mist wiederfindet … ich habe eine Vision von einer großen rucksackrevolution, Tausende oder sogar Millionen junger Amerikaner, die mit rucksäcken rumwandern.1

die letzte Freiheit des Wanderers ist seltener. Es ist eine drit-te stufe nach der rückkehr zu den einfachen Freuden und der rückeroberung des archaischen Tiers. Es ist die Freiheit des Verzichts. der große indienforscher Heinrich Zimmer berichtet, dass die hinduistische Philosophie vier Etappen auf dem Weg des Lebens unterscheidet. die erste ist die des schülers, des Lehrlings, des Lernenden. Am Morgen seines Lebens muss er vor allem den Anweisungen des Meisters ge-horchen, seine Lektionen anhören, Kritik annehmen und sich Grundsätzen fügen. Er muss empfangen. in der zweiten Etappe wird der mittlerweile erwachsene Mann in der Mitte seines Lebens zum Hausherrn, Ehemann, Versorger der Fa-milie: Er kümmert sich nach Kräften um seinen Besitz, trägt zum Unterhalt der Priester bei, übt einen Beruf aus, unter-wirft sich selbst sozialen Zwängen und erlegt sie anderen auf. Er akzeptiert, soziale Masken zu tragen, die seine rolle in

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der Gesellschaft und der Familie festschreiben. später, wenn die Kinder so weit sind, dass sie die Nachfolge antreten kön-nen, am Nachmittag seines Lebens, kann der Mann dann seine gesellschaftlichen Pflichten, familiären Lasten, wirt-schaftlichen sorgen abwerfen, und er wird Eremit. das ist die Etappe des »Aufbruchs in den Wald«, wo er durch Kon-zentration und Meditation lernen muss, sich mit dem ver-traut zu machen, was schon immer unveränderlich in uns vorhanden war und darauf wartet, von uns erweckt zu wer-den: das ewige selbst, das hinter allen Masken, Funktionen, identitäten, Geschichten steht. Und zuletzt folgt der Pilger auf den Eremiten, am unendlichen, leuchtenden Abend un-serer Existenz: Von nun an besteht das Leben aus Wegstre-cken (es ist die Etappe des umherziehenden Bettlers), wo die unendliche Wanderung hierhin und dahin das Zusammen-fallen des namenlosen selbst und des überall gegenwärtigen Herzens der Welt illustriert. Also hat der Weise auf alles ver-zichtet. das ist die höchste Freiheit: die vollkommene Loslö-sung. ich bin nicht mehr beteiligt, weder an mir selbst noch an der Welt. Gleichgültig gegenüber der Vergangenheit und gegenüber der Zukunft, bin ich nur noch die ewige Gegen-wart der Koinzidenz. Und wie wir in den Aufzeichnungen von swami ramdas über seine Suche nach Gott lesen, wird uns in dem Augenblick, in dem wir auf alles verzichten, alles geschenkt, wird uns in dem Augenblick, in dem wir nichts mehr fordern, alles in Fülle gegeben. Alles, das heißt die in-tensität der reinen Präsenz.

Bei langen Wanderungen erhaschen wir einen Blick auf diese vollkommene Freiheit des Verzichts. Wenn wir lange

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gehen, kommt der Augenblick, an dem wir nicht mehr wis-sen, wie viele stunden bereits vorüber sind, und nicht, wie viele es noch dauern wird, bis wir am Ziel sind. Auf den schultern spüren wir das Gewicht des Allernötigsten und sa-gen, dass es genug ist – falls in unserem Leben sonst tatsäch-lich mehr gebraucht wird –, und wir fühlen, dass wir noch Tage so weitermachen könnten, Jahrhunderte. Wir wissen kaum noch, wohin wir gehen und warum, das zählt genauso wenig wie die Vergangenheit oder die Frage, wie spät es ist. Und wir fühlen uns frei, denn sobald wir uns an die alten Zeichen unserer Zeit in der Hölle erinnern sollen – Name, Alter, Beruf, Karriere –, erscheint alles, wirklich alles, lächer-lich, unwichtig, unwirklich.

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Warum ich so gut zu Fuß bin(Nietzsche)

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Man solle so wenig als möglich sitzen, keinem Gedan-ken Glauben schenken, der nicht im Freien und bei

freier Bewegung geboren sei. Alle Vorurteile kämen aus den Eingeweiden. das sitzfleisch sei die eigentliche sünde wider den Heiligen Geist.

Brüche, schrieb Nietzsche, seien schwierig, weil es schmerzlich sei, wenn das Band sich löse. Aber anstelle des Bands haben wir bald einen Flügel. Nietzsches Leben be-stand aus Ablösungen, Brüchen, Trennungen: von der Welt, von der Gesellschaft, von Weggefährten und Kollegen, von Frauen, Freunden, Eltern. Aber je tiefer seine Einsamkeit wurde, desto größer wurde seine Freiheit: niemandem re-chenschaft ablegen, keine Kompromisse schließen müssen, ein klarer, freier Blick.

Nietzsche war ein bemerkenswerter Wanderer, sehr aus-dauernd. Er spricht oft davon. Gehen in frischer Luft war wie das Element seines Werks, die unverzichtbare Begleitung seines schreibens.

sein Leben besteht aus vier großen Akten.

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Zuerst die Lehrjahre: von seiner Geburt (1844) bis zur Berufung an die Universität Basel als Professor für klassische Philologie. Nietzsches Vater war Pfarrer, ein aufrechter, gut-mütiger Mann, der früh starb. Nietzsche stellt sich gern vor, er wäre der letzte Abkömmling eines polnischen Adelsge-schlechts (der Nietzskis). Nach dem Tod des Vaters (er selbst ist vier Jahre alt) wird er zum Lebensmittelpunkt für seine Mutter, seine Großmutter und seine schwester, zu ihrem Augapfel. Er ist sehr intelligent und besucht nach der Kna-benschule das renommierte, strenge internat schulpforta, wo er Unterricht in den klassisch-humanistischen Fächern erhält. dort ist er einer eisernen disziplin unterworfen, de-ren Wert er später anerkennt getreu dem griechischen Mot-to: Man muss gehorchen können, um befehlen zu können. Nietzsches Mutter glaubt fest an ihn und überschüttet ihn mit ihrer Bewunderung; sie hofft, er werde seine funkelnde intelligenz in den dienst Gottes stellen, und träumt davon, dass er Theologe wird. Als junger Mann strotzt Nietzsche vor Gesundheit – bis auf eine starke Kurzsichtigkeit, die damals sicher nur sehr schlecht korrigiert wurde. Er studiert Philo-logie in Bonn und Leipzig und tut sich mit brillanten Leis-tungen hervor. im ungewöhnlich frühen Alter von vierund-zwanzig Jahren wird er auf Empfehlung des Gelehrten Fried-rich ritschl Professor in Basel. damit beginnt der zweite Akt in seinem Leben.

Zehn Jahre lehrt Nietzsche griechische Philologie, zehn schwierige Jahre voller Misserfolge. die Arbeitsbelastung ist enorm: Neben den Kollegien an der Universität hat er auch

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am städtischen Gymnasium zu unterrichten (dem Pädagogi-um). Aber will er nur Philologe sein? Lange Zeit hat er sich zur Musik hingezogen gefühlt und dann zur Philosophie. die philologische Wissenschaft streckt die Arme nach ihm aus, und er ergreift sie, ein wenig beklommen, denn es ist nicht seine wirkliche Berufung. Zumindest kann er so die griechischen Autoren lesen: die tragischen (Aischylos, so-phokles), die dichter (Homer, Hesiod), die Gelehrten (He-raklit, Anaximander) und die Historiker (für diogenes Laer-tios begeistert er sich besonders, weil, wie er sagt, man bei ihm Menschen findet und nicht nur Systeme). das erste Jahr in Basel verläuft wunderbar: Er arbeitet mit Feuereifer an sei-nen Vorlesungen, kommt bei den studenten gut an, lernt neue Kollegen kennen, und einer wird sogar ein geschätzter, treuer Freund: der Theologieprofessor Franz overbeck. Er ist der Freund für alle Fälle, der, den man zu Hilfe ruft, er holt Nietzsche in Turin ab, nach der Katastrophe. 1869 unter-nimmt Nietzsche noch eine reise nach Luzern und von dort weiter nach Tribschen, wo er sehr bewegt den »Meister« (Wagner) in seinem weitläufigen, gewaltigen domizil auf-sucht. dort lässt er sich von cosima betören; später, schon umnachtet, nennt er sie in seinen Briefen »Prinzessin Ariad-ne, meine Geliebte. Es ist ein Vorurteil, dass ich ein Mensch bin. Aber ich habe schon oft unter den Menschen gelebt« (Januar 1889).

die Begeisterung, der Eifer bei der akademischen Arbeit und die robuste Gesundheit sind jedoch nur von kurzer dauer. Anfälle und Krisen häufen sich. der Körper rächt sich für eine reihe schwerer Missverständnisse.

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Ein berufliches Missverständnis: Es wird virulent mit der Veröffentlichung von Die Geburt der Tragödie 1871. die Phi-lologenkollegen sind entweder sprachlos oder wütend. Wie kann man auf die idee kommen, ein solches Buch zu schrei-ben? Ein Buch, das nicht ernsthafte Forschungen darlegt, sondern vage, metaphysische intuitionen ausbreitet: der ewi-ge Konflikt zwischen chaos und Form. dazu Missverständ-nisse in Freundschaften: Nietzsche reist regelmäßig nach Bayreuth zur jährlichen Weihefeier für den Meister, kehrt nach Tribschen zurück, begleitet Wagner auf reisen in Euro-pa, aber er erkennt immer deutlicher, dass Wagner mit sei-nem dogmatischen Fanatismus und seiner Arroganz genau das verkörpert, was er verabscheut, und dass vor allem Wag-ners Musik seinem Magen nicht bekommt: sie macht ihn krank. in Wagners Musik, schreibt Nietzsche, geht man un-ter, sie ist ein sumpf, man muss ununterbrochen »schwim-men«, sie zieht einen hinunter wie eine bedrohliche, chaoti-sche Welle. Man verliert den Boden unter den Füßen beim Zuhören. rossini hingegen macht Lust, zu tanzen, ganz zu schweigen von Bizets »carmen«. Ein romantisches Missver-ständnis: seine Heiratsanträge, die er ganz plötzlich vor-bringt, werden abgelehnt. Und schließlich ein gesellschaftli-ches Missverständnis: Er schafft es nicht, im mondänen Ge-wirr von Bayreuth einen Platz zu finden, ebenso wenig in den Kreisen der Professoren und Gelehrten.

All das ist schwer zu ertragen. Mit jedem semester wird es härter, unmöglicher. immer öfter quälen ihn entsetzliche Kopfschmerzen und zwingen ihn, im Bett zu bleiben, im ab-gedunkelten Zimmer, laut stöhnend vor schmerzen. die Au-

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gen tun ihm weh, er kann kaum lesen, kaum schreiben. Für eine Viertelstunde lesen oder schreiben muss er mit stunden-langer Migräne bitter büßen. Er bittet, dass man ihm vor-liest, denn die Zeilen verschwimmen ihm vor den Augen.

Nietzsche versucht es mit einem Kompromiss. Er ersucht, von seinen Verpflichtungen an der Universität entbunden zu werden, bald auch von der Lehre an der schule, und be-kommt ein Jahr Urlaub zum durchatmen, zur Erholung, regeneration seiner Kräfte.

doch es nutzt nichts.Zugleich trägt die Kur, die er sich verordnet, das Zeichen

seines künftigen schicksals: lange Märsche und tiefe Ein-samkeit. diese beiden Heilmittel setzt er gegen die immer drohenden schrecklichen schmerzen. sich vor den Aufre-gungen, Zumutungen, Anforderungen der Welt schützen, denn stets muss er mit stundenlangem Leiden dafür bezah-len. Und spazieren, lange Wanderungen unternehmen, um die Messerstiche in den schläfen zu übertönen, zu zerstreu-en, zu vergessen.

da haben ihn noch nicht die harten Formationen des Hochgebirges ergriffen oder die dufterfüllte Trockenheit der steinigen Pfade im süden. Er wandert hauptsächlich an see-ufern entlang (mit Gersdorff zusammen am Genfer see, sechs stunden täglich) und taucht in dunkle Wälder ein (steinabad im südschwarzwald: »ich bin viel unterwegs in den Wäldern und unterhalte mich dabei ausgezeichnet«, Juli 1875).

im August 1877 ist er in rosenlauibad in der schweiz und lebt wie ein Eremit: »Hätte ich doch irgendwo ein Häus-

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chen; da ginge ich wie hier täglich 6–8 stunden spazieren und dächte mir dabei aus, was ich nachher im Fluge und vollkommener sicherheit aufs Papier hinwerfe.«

Aber nichts gelingt ihm. die schmerzen sind zu schlimm. die Migräne zwingt ihn oft tagelang ins Bett, ganze Nächte lang muss er sich unter schmerzen erbrechen. die Augen quälen ihn weiter, er kann immer schlechter sehen. 1879 reicht er bei der Universität sein rücktrittsgesuch ein.

Und damit bricht die dritte große Epoche in seinem Leben an. sie dauert zehn Jahre, vom sommer 1879 bis Anfang 1889. Er lebt von drei kleinen Pensionen, die ihm erlauben, eine bescheidene Existenz zu führen, sich in kleinen Herber-gen einzuquartieren, die Billets für die Zugfahrten zu bezah-len, die ihn von den Bergen ans Meer bringen und vom Meer in die Berge und manchmal nach Venedig zu Peter Gast. in der Zeit wird er zu dem einzigartigen, legendären Wanderer. Nietzsche wandert, wie andere arbeiten. Er arbei-tet beim Wandern.

Gleich im ersten sommer entdeckt er sein Gebirge, das oberengadin, und im Jahr darauf findet er sein dorf, sils-Maria. dort ist die Luft durchscheinend klar, der Wind leb-haft, das Licht intensiv. Weil er drückende Hitze verab-scheut, verbringt er bis zu seinem Zusammenbruch jeden sommer dort (nur ausgenommen das Jahr mit Lou). An sei-ne Freunde (overbeck, Köselitz) schreibt er, er habe seine Natur entdeckt, sein Element, und an die Mutter, dort finde er »die besten spazierwege, wie sie für mich Fast-Blinden hergerichtet sein müssen, und die erquicklichste Luft« (Juli

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1879). Es ist seine Landschaft, er fühlt sich blutsverwandt, »ja noch mehr«.2

Vom ersten sommer an wandert er, allein, bis zu acht stunden am Tag, und schreibt Der Wanderer und sein Schat­ten.

Alles ist, wenige Zeilen ausgenommen, unterwegs er-dacht und in 6 kleine Hefte mit Bleistift skizziert wor-den.3

die Winter verbringt er in südlichen städten, vor allem Ge-nua, in der Bucht von rapallo, später in Nizza (»ich gehe vormittags eine stunde, nachmittags drei stunden durch-schnittlich spazieren, in scharfem schritte – Tag für Tag den gleichen Weg: er ist schön genug dazu«, März 1888), ein ein-ziges Mal in Menton (»schon habe ich 8 spaziergänge ent-deckt«, November 1884). die Berge sind sein schreibpult, und das Meer umschließt ihn (»Meerluft und viel reiner Himmel – das sehe ich nun ein, ist mir unentbehrlich!«, Ja-nuar 1881).

Beim Gehen lässt er die Welt und die Menschen hinter sich, dichtet unter freiem Himmel, fantasiert er, entdeckt, begeistert und erschreckt er sich über das, was er findet, be-wegt und ergriffen von dem, was ihn bei seinen Wanderun-gen zufällt.

die intensitäten meines Gefühls machen mich schau-dern und lachen – schon ein paar Mal konnte ich das Zimmer nicht verlassen, aus dem lächerlichen Grunde,

Page 24: Frédéric Gros Unterwegs - bücher.de · Frédéric Gros Unterwegs Eine kleine Philosophie des Gehens Aus dem Französischen von Ursel schäfer und Michael Bayer. Umwelthinweis:

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Frédéric Gros

UnterwegsEine kleine Philosophie des Gehens

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch, Halbleinen, 256 Seiten, 12,5 x 20,0 cmISBN: 978-3-570-50120-7

Riemann

Erscheinungstermin: April 2010

Ein erfrischend neuer Einblick in die Welt der großen Denker und das Wechselspiel zwischenKörper und Geist Frédéric Gros ist tief in die Literatur, Geschichte und Philosophie eingedrungen und fündiggeworden. Auf seinen Streifzügen ist er den unterschiedlichsten Erfahrungen des Gehensbegegnet: vom Vagabundieren über das Pilgern, vom Herumirren zum Lehrpfad, von der Naturzur Zivilisation (oder zurück); er berichtet über Rimbaud, der in den Straßen von Paris unterwegsist, immer auf der Flucht vor sich selbst; über Gandhi und sein Gehen als Taktik des politischenWiderstands, und natürlich über Kant und seine täglichen Spaziergänge durch Königsberg:Man denkt nur mit den Füßen gut …! Was wollte Nietzsche einst zum Ausdruck bringen, alser schrieb „die Zehen regen sich, um besser zu hören“? Das wird man im Laufe dieser Lektüreverstehen. Dieses Buch ist zugleich philosophische Abhandlung und Definition einer Kunst desGehens und erfreut besonders diejenigen, die bisher nicht ahnten, dass sie mit den Fußsohlendenken …