Friedel Schreyögg Frauenarmut in Deutschland Das weibliche Gesicht der Armut 10. Landeskonferenz...
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Friedel Schreyögg
Frauenarmut in Deutschland
„Das weibliche Gesicht der Armut“10. Landeskonferenz der
Arbeitnehmerinnen29. September 2010 Budapest
Friedel Schreyögg
Gesellschaftspolitischer Hintergrund
Das bürgerliches Konzept aus dem 19. Jahrhundert zur Verteilung der Aufgaben zwischen Frauen und Männern prägt bis heute die Geschlechterverhältnisse:
• Frauen verantwortlich für die Aufgaben im Haus: Kindererziehung, Haushalt, Pflege von Angehörigen, soziale Aufgaben
• Männer zuständig für die Wirtschaft und das öffentliche Leben, Familienernährer
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Folgen
• Völlig unzureichende Infrastruktur für die Betreuung von Kindern im Westen
• Vollzeitbeschäftigung von Müttern mit kleinen Kindern gesellschaftlich nicht akzeptiert
• Berufsrückkehr meist nur in Teilzeit möglich und erwünscht
• Frauen häufiger als Männer in prekären Arbeitsverhältnissen (zeitliche Befristung, Leiharbeit, geringfügige Beschäftigung)
• Statistische Diskriminierung – Frauen werden weniger gefördert wegen Kinderrisiko Frauen machen Abstriche bei der Karriereplanung
• Geschlechtsspezifisch segregierter Arbeitsmarkt
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Erwerbstätigkeit von Müttern nach Alter der Kinder 2005
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus
Alter des jüngsten Kindes
Vollzeit in % Teilzeit in % Nicht erwerbstätig in %
Zusammen
Mit Kindern unter 3 Jahren
12 21 62 100
Mit Kindern ab 6 Jahren
17 48 34 100
Mit Kindern unter 15 Jahren
22 48 28 100
Folgen• Das deutsche Steuersystem und die Struktur der
Sozialversicherungen fördert die Ehe und nicht die Kinder– Ehegattensplitting– Mitversicherung bei der gesetzlichen Krankenkasse– Abgeleitete Altersversicherung
• Alleinerziehende haben höhere finanzielle Belastungen als Ehepaare, trotz hohem Armutsrisiko
(40% beziehen Grundsicherung) • Trennung und Scheidung häufig Weg in Frauenarmut
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Folgen
• Spitzenpositionen überwiegend in Männerhand– In der Wirtschaft keine Öffnung für Frauen– in der Politik langsame Veränderung– in der öffentlichen Verwaltung und den Gewerkschaften
steigender Frauenanteil durch Frauenförderpläne
• Arbeitsorganisation orientiert am verfügbaren Vollzeit beschäftigten Mann – Kinder kommen nicht vor
• Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – orientiert an den Anforderungen der Betriebe – keine Änderung der Betriebsabläufe
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Unterschiede Ost - West• Nach 1945 in West Förderung der traditionellen
Familie mit männlichen Alleinernährer und Hausfrau – in Ost Integration von Frauen in die Arbeitswelt in Vollzeit – Berufsorientierung von Frauen in Ost höher, geringere Teilzeitquote, kürzere Berufsunterbrechungen
• Ost – begleitend Ausbau der Kinderbetreuung, West der Ausbau der Kinderbetreuung beginnt erst in den Anfang der 90er Jahre – bis heute Versorgungslage in Ost deutlich besser
• Ost – stärkere Förderung der Ausbildung von Frauen in technischen Berufen, die in den 80er Jahren einsetzende Förderung in West trägt langsam Früchte
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Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern
• Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer– West 24%– Ost 6%
• Der Lohnabstand steigt mit dem Alter– Abstand wächst mit der Phase Familiengründung– Bei Frauen über 50 schlägt noch die frühere
Diskriminierung von Frauen in Bildung und Ausbildung durch
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Verdienstabstand von Frauen und Männern nach dem Alter (2008)
60 Jahre und älter 55–59 Jahre 50–54 Jahre 45–49 Jahre 40–44 Jahre 35–39 Jahre 30–34 Jahre 25–29 Jahre 24 Jahre und jünger
29,5 %
29,1 %
27,1 %
26,4 %
25,6 %
21,2 %
14,2 %
8,5 %
2,5 %
Friedel Schreyögg
Durchschnittlicher BruttostundenverdienstBeschäftigte in Betrieben mit zehn und mehr Beschäftigten im Alter von 15-64 Jahre 2006
Vollzeit Teilzeit Befristet Geringfügig Zeitarbeit
Frauen 15,40 14,80 12,40 9,10 8,85
Männer 19,60 16,80 13,70 8,80 10,00
West 18,80 15,20 13,60 9,20 9,90
Ost 13,50 13,30 11,20 7,15 8,70
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Welche Frauen sind armutsgefährdet?
• In Frauenberufen• Geringqualifizierte• In atypischen Beschäftigungsverhältnissen• Niedriglohnbeschäftigte• Arbeitslose • Rentnerinnen• Alleinerziehende• Alleinstehende Frauen in Trennung oder
Scheidung
Frauenberufe - unterbewertet
• Soziale-, Bildungs- und Gesundheitsberufe • Assistenzberufe
– Bürotätigkeiten– Technischer Bereich
• Haushaltsnahe Dienstleistungen• Einzelhandel• Forderungen:
– Aufwertung von Frauenberufen auch in Tarifverträgen– Mehr Mädchen in Männerberufe
• Chancen: in Bereichen mit Rekrutierungsproblemen bei zunehmender Nachfrage
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Geringqualifizierte Frauen und Männer
• Problem Verlagerung Industriearbeitsplätze mit Anlerntätigkeiten in Billiglohnländer
• Steigende Qualifikationsanforderungen in Ausbildung und Lehre• Geringqualifizierte Arbeitslose schwer vermittelbar (hoher Anteil
mit Migrationshintergrund)
• Forderungen:– Prävention, bessere Förderung aller Kinder, beginnend im
Vorschulalter
– Nachqualifikation
• Chancen: – Kritik an der sozialen Ausgrenzung im deutschen Schulwesen führt
zu Veränderungen
– Angst vor sozialen Unruhen
– Demographischer Wandel
Atypische BeschäftigungsverhältnisseGeringfügige Beschäftigung
• Geringfügige Beschäftigung– Bis zu einem Einkommen von € 400.- Pauschal versteuert – Pauschale geringe Rentenversicherung
• Problem: Umwandlung von Vollzeitstellen in mehrere Geringfügige Beschäftigung für Firmen attraktiv
• Forderung Gewerkschaften: Abschaffung und Versicherungspflicht ab der ersten Stunde Beschäftigung
• Chancen gering, da starke Wirtschaftslobby und unkritische Unterstützung durch Frauen
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Teilzeitbeschäftigung
• Gesellschaftliche Verhaltenserwartung an Frauen mit betreuungspflichtigen Kindern
• Probleme:– Eingeschränkte Berufsmöglichkeiten
– Einschränkung oder Blockade beruflicher Entwicklung
– Halbe Rentenversicherung
• Forderungen DGB– Berufliche Gleichstellung Vollzeit-Teilzeit
– Mehr Qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze
– Mehr Vollzeitnahe Teilzeitangebote für Eltern
• Chancen: demographischer Wandel
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Befristete Beschäftigung• Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse bei
einfach, mittel und hoch Qualifizierten– Häufiger bei jüngeren Beschäftigten erste Berufsjahre
– Höherer Frauenanteil – Vermeidung Kosten Schwangerschaft und Erziehungszeiten
• Gesetzliche Regelungen werden von den Betrieben großzügig ausgelegt
• Forderung DGB: strenge Handhabe gesetzlicher Vorgaben, Befristung tatsächlich als Ausnahme
• Chancen gering – lockere Handhabung auch von öffentlichen Betrieben
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Zeit- oder Leiharbeit• Erhebliche Zunahme seit Deregulierung 2008 – Ziel: Förderung
Übergang in regulären Arbeitsmarkt nicht erreicht
• Stattdessen Druck auf das Lohnniveau
– Schlechtere Bezahlung als Stammbelegschaft
– Gründung Konzerninterner Firmen mit Ziel Bezahlung unter Tarif
• ¾ der weiblichen Beschäftigten in Zeitarbeit erhalten Niedriglöhne
• Forderungen DGB
– Verbindlicher Mindestlohn in der Zeitarbeit
– Gleicher Lohn wie Stammbelegschaft
– Quote für Zeitarbeit pro Betrieb
– Keine betriebsinternen Firmen
• Chancen: Mindestlohn und Verbot betriebsinterner Firmen
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Niedriglohnsektor
• Untertarifliche Bezahlung hat in den letzten Jahren stark zugenommen– 12,8% Beschäftigte Ost Stundenlohn unter € 6.- (2008)
– 5,4 % Beschäftigte West unter € 6.-
• Hintergrund hohe Arbeitslosigkeit in einigen Regionen Deutschlands insbesondere im Osten, MigrantInnen und in einigen Berufen
• Frauen häufiger betroffen als Männer
• Forderung DGB: gesetzlicher verbindlicher Mindestlohn für alle von € 8,50,
• Chancen gering
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Arbeitslosigkeit
• Arbeitslosigkeit ist für Frauen wie Männer ein großes Armutsrisiko
• Frauen von Arbeitslosigkeit in der aktuellen Krise weniger betroffen als Männer, weil Arbeitsplatzverluste in „Männerberufen“ in der Industrie höher als in Dienstleistungsberufen
• Frauen mit betreuungspflichtigen Kindern schlechtere Vermittlungschancen als Frauen ohne Kinder und Männer
• schlechte Vermittlungschancen älterer ArbeitnehmerInnen (über 45 Jahre), trifft Berufsrückkehrerinnen nach Familienphase
• Forderung: differenzierte FörderungFriedel Schreyögg
Altersarmut• Differenziertes Bild
– Durchschnittsrente von Frauen (€ 676) und Männern (€1044) in Ost höher als in West (w €473, m € 970) wegen längerer ununterbrochener Berufstätigkeit
– Keine Daten Höhe Betriebsrenten von Frauen und Männern– Altersvorsorge durch Ersparnisse gering bei Menschen mit
kleinen Einkommen, insbesondere bei Eltern– Defizite bei Frauen in der aktiven Altersvorsorge
• Grundsicherung im Alter ab 65 Jahre erhalten derzeit– 17% Frauen und 10% Männer mit Migrationshintergrund – 2,2 % Frauen und 1,4 % Männer insgesamt
• Prognose Entwicklung Altersarmut für Frauen eher negativ
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Zentrales Armutsrisiko für Frauen Kinder
Frauenpolitik ist mehr als Familienpolitik – aber eine ohne eine Veränderung der traditionell geprägten Familienpolitik und der kinderfeindlichen Arbeitsorganisation in der Wirtschaft sind Kinder in Deutschland für Frauen ein erhebliches Armutsrisiko und das ist ein Skandal
Friedel Schreyögg
Frauen brauchen für eine andere Familienpolitik mehr Einfluss in Politik und
Gesellschaft - wie stehen die Chancen?• Ihr erheblich gestiegenes Bildungsniveau haben Frauen bisher
zu wenig in gesellschaftlichen Einfluss umgesetzt, Interesse für Politik und gewerkschaftliche Arbeit ist bei Frauen immer noch geringer als bei Männern
• Chance Quotierung:– (Parität) der Parteiämter und der Wahllisten (SPD, Die Grünen, Die
Linke), bei CDU 30% Quote bei der CSU wird darüber noch gestritten,
– Führungsgremien der DGB-Gewerkschaften entsprechend dem Anteil von Frauen an der Mitgliedschaft
– Quotierung von Aufsichtsräten nach dem norwegischen Modell Forderung aller Parteien, Bundesregierung noch zögerlich
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Zukunftsperspektiven?Gemischt• Qualifizierte Frauen erhalten mehr
Aufmerksamkeit und Förderung als Frauen in einfachen und mittleren Berufen
• Das Familienbild modernisiert sich langsam, der Ausbau von Kindertagesstätten hat politische Priorität, aber die finanzielle Förderung der traditionellen Ehe wird sich noch lange halten, weil zu viele einflussreiche Männer davon profitieren
Danke