Friedrich-Schiller-Universität Jena · Institut für Technische Chemie und Umweltchemie...

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Institut für Technische Chemie und Umweltchemie Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät Ionische Flüssigkeiten - alternative, grüne” Reaktionsmedien für chemische Synthesen und Prozesse ? J. Hoffmann , J. Ranke , M. Nüchter , B. Ondruschka , B. Jastorff a b a a b a) Institut für Technische Chemie und Umweltchemie (ITUC), Friedrich-Schiller-Universität Jena b) Zentrum für Umweltforschung und Umwelttechnologie (UFT), Universität Bremen Ionische Flüssigkeiten (engl.: Ionic Liquids) sind unter 100 °C schmelzende Salze, welche durch ihren nichtmolekularen, ionischen Charakter eine neuartige Klasse von Lösungsmitteln darstellen (Abb. 1). Pro Jahr steigt die Zahl der Veröffentlichungen zu Anwendungsbeispielen von Ionischen Flüssigkeiten als alternative Reaktionsmedien . Dabei werden Ionische Flüssigkeiten häufig als aussichtsreiche Lösungsmittel für saubere Prozesse” und Grüne Chemie” diskutiert . Die oft zitierten positiven allgemeinen Eigenschaften dieser Substanzgruppe wie geringer Schmelzpunkt, großer Flüssigkeitsbereich (teilweise über 300 K), geringer (nicht messbarer) Dampfdruck, thermische Stabilität und einstellbare Eigenschaften durch Variation der Kationen und Anionen (u.a. Löslichkeit , Viskosität, Dichte, Acidität, Koordinationsfähigkeit), belegen das Potential Ionischer Flüssigkeiten als alternative Lösungsmittel in chemischen Synthesen und Prozessen. 1 2 Allerdings fehlen für viele bereits verwendete und neu entwickelte Ionische Flüssigkeiten physikochemische sowie (öko)toxikologische Daten, welche die Bezeichnung als „grüne“ Reaktionsmedien auch aus dieser Sicht rechtfertigen lassen. Einen Teil dazu soll die interdisziplinäre Kooperation des UFT der Universität Bremen und des ITUC der Universität Jena beitragen. Dazu wurden am ITUC 33 Substanzen (vorwiegend unter 100 °C schmelzende Salze des Imidazol-Typs) z. T. unter Verwendung moderner Synthesetechniken (Mikrowellenapparaturen) dargestellt, um physikochemische Daten (u.a. TGA, DTA, DSC) zu erheben. Am UFT wurden Strukturanalogien zu bekannten Substanzen ermittelt und erste (öko)toxikologische Tests durchgeführt. Im Rahmen eines studentischen Projekts des Fachbereichs Biologie/Chemie der Universität Bremen generierte man erste Ergebnisse zur Ökotoxizität. Als Anionen fungieren anorganische (u.a. Cl , BF ,PF ) und organische (u.a. Acetat, Triflat, Bis- (trifluormethansulfon)imidat) Ionen. - - - 4 6 Abb. 1 Bestandteile Ionischer Flüssigkeiten Die Kationen Ionischer Flüssigkeiten sind vorwiegend quarternäre N-, P- und S-Verbindungen. N N R N R N R R R P R R R + + + + N N + C H 3 R X Für Untersuchungen dargestellte Salze des 1-R-3-methylimidazol-Typs ([RMIM][X]) R: ropyl, utyl, myl, exyl, e tyl, ctyl, onyl, ecyl, Benzyl, Phenethyl, p-Methylbenzyl X: Cl , BF , Pf P B A H Hp O N D - - - 4 6 N N C H 3 + RCl N N + C H 3 R Cl N N + C H 3 R N N + C H 3 R Cl + NH 4 BF 4 BF 4 + NH 4 Cl - N N + C H 3 R N N + C H 3 R Cl + HPF 6 PF 6 +H - Cl Institut für Technische Chemie und Umweltchemie Zentrum für Umweltforschung und Umwelttechnologie Darstellung der Imidazoliumverbindungen 2. Darstellung der Tetrafluoroborate Reaktionsbedingungen: Mikrowelle, 400 W ½ - 3 Stunden, 120 °C Apparaturen: Mikrowellensystem Ethos 1600, MLS GmbH Leutkirch/ Allgäu ® Autoklav: „μClave“ Parallelsynthese: 8-fach Rotor HPR 1000/8 Reaktionsbedingungen: In Acetonitril a) Raumtemperatur 24 Stunden; b) Ultraschall (indirekt) 3 Stunden Reaktionsbedingungen: Wässrige Lösung; Kühlung bei Zugabe von HPF , danach Raumtemperatur 2 Stunden 6 Untersuchung von Struktur-Wirkungs/Eigenschafts-Beziehungen Die folgenden Punkte zeigen erste Untersuchungen mit deren Hilfe zu einem späteren Zeitpunkt nach Abschluss aller erforderlichen Untersuchungen Aussagen zur (Öko)toxizität der gewählten Substanzklasse getroffen werden können. 1. Strukturanalogien Ionischer Flüssigkeiten mit Wirkstoffen 3. Aquatische Toxizität 3 4. Akute Phytotoxizitätstests 3 Akut-Test mit [BMIM][ BF ] und [DMIM][ BF ] an (Weizen) 4 4 T. aestivum 2. Säuger-Cytotoxizität N + N C H 3 Cl N + N C H 3 CH 3 Br Ionische Flüssigkeit Pflanzenwachstumsregulator - - vereinfachte Darstellung der Dosis-Wirkung- Abhängigkeiten der Hexafluorophosphate Hemmung der WST-Reduktion an C6-Zellen (Glioma-Zellen aus dem ZNS der Ratte) Literatur und Acknowledgments: 1 2 Seddon, , , , G25 P. Wasserscheid, W. Keim, , , , 3926-3945; M. Freemantle, , , , 37-50; J. S. Wilkes, , , , 73-80 In Verbindung mit dem studentischen Projekt Umweltrisiken” geht ein herzlicher Dank für die Unterstützung und Infrastruktur an die Arbeitsgruppenleiter Prof. L. Grimme und Prof. J. Filser, die Betreuer W. Meyer, T. Backhaus und F. Stock sowie an die Studenten T. Daake, A. Schmidt, P. Wecker und H. Wolters. Green Chem. 4 Angew. Chem. 112 Chem. Eng. News 78 Green Chem. 4 2002 2000 2000 2002 K. R. Vorversuche aus dem studentischen Projekt Umweltrisiken”; Für die Durchführung der thermogravimetrischen Untersuchungen geht ein herzlicher Dank an Dr. P. Scholz und B. Fähndrich. 3 3 3. Darstellung der Hexafluorophosphate Hemmung der O2-Produktion Grünalge (Scenedesmus vacuolatus) cMAX [mmol/L] % [BMIM][BF4] 8,5 * 0 [DMIM][BF4] 2,7 50 Lumineszenz-Hemmtest Bakterium V. fischeri EC50 [μmol/L] NOEC [BMIM][BF4] 8 900,000 0,900 [DMIM][BF4] 0,830 0,005 + + + + + + [BMIM][BF ] [DMIM][BF ] Im Rahmen des (Http://www.uni-jena.de/chemie/spnc) fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt dieses Projekt. Schwerpunktprogramms “Nachhaltigkeit in der Chemie” Ansprechpartner: Jens Hoffmann E-mail : [email protected] Tel. : +49-(0)-3641-48455 1. Darstellung der Chloride Erste Untersuchungen 1. Thermogravimetrische Untersuchungen 4 TGA [%] DTA [μV] Mittels TGA und DTA sollen Aussagen über die Stabilität sowie möglichen Umwandlungs- bzw. Zersetzungsmechanismen der Ionischen Flüssigkeiten gewonnen werden. Das Beispiel rechts zeigt die TGA- und DTA-Kurve von [PMIM][Cl]. Offensichtlich beginnt ab 100 °C eine allmähliche Zersetzung der Substanz. Ab 280°Cschreitet diese mit größerer Geschwindigkeit fort. Ab 360° sind alle Zersetzungsprodukte in die Gasphase übergegangen Die entstandenen Zersetzungsprodukte sollen mittels TGA- MS-Kopplung untersucht werden Ionische Flüssigkeit Herbizid (Paraquat) nicht mehr zugelassen N + CH 3 C H 3 Cl Cl N + C H 3 N + CH 3 Cl Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Institut für Technische Chemie und Umweltchemie

Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät

Ionische Flüssigkeiten - alternative, grüne”Reaktionsmedien für chemische Synthesen und Prozesse ?

J. Hoffmann , J. Ranke , M. Nüchter , B. Ondruschka , B. Jastorffa b a a b

a) Institut für Technische Chemie und Umweltchemie (ITUC), Friedrich-Schiller-Universität Jenab) Zentrum für Umweltforschung und Umwelttechnologie (UFT), Universität Bremen

Ionische Flüssigkeiten (engl.: Ionic Liquids) sind unter 100 °C schmelzende Salze, welche durch ihren nichtmolekularen, ionischen Charakter eineneuartige Klasse von Lösungsmitteln darstellen (Abb. 1).Pro Jahr steigt die Zahl der Veröffentlichungen zu Anwendungsbeispielen von Ionischen Flüssigkeiten als alternative Reaktionsmedien . Dabeiwerden Ionische Flüssigkeiten häufig als aussichtsreiche Lösungsmittel für saubere Prozesse” und Grüne Chemie” diskutiert .Die oft zitierten positiven allgemeinen Eigenschaften dieser Substanzgruppewie geringer Schmelzpunkt, großer Flüssigkeitsbereich (teilweise über 300 K),geringer (nicht messbarer) Dampfdruck, thermische Stabilität undeinstellbare Eigenschaften durch Variation der Kationen und Anionen (u.a.Löslichkeit , Viskosität, Dichte, Acidität, Koordinationsfähigkeit), belegendas Potential Ionischer Flüssigkeiten als alternative Lösungsmittel inchemischen Synthesen und Prozessen.

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Allerdings fehlen für viele bereits verwendete und neu entwickelte IonischeFlüssigkeiten physikochemische sowie (öko)toxikologische Daten, welche dieBezeichnung als „grüne“ Reaktionsmedien auch aus dieser Sichtrechtfertigen lassen.Einen Teil dazu soll die interdisziplinäre Kooperation des UFT der Universität Bremen und des ITUC der Universität Jena beitragen.Dazu wurden am ITUC 33 Substanzen (vorwiegend unter 100 °C schmelzende Salze des Imidazol-Typs) z. T. unter Verwendung modernerSynthesetechniken (Mikrowellenapparaturen) dargestellt, um physikochemische Daten (u.a. TGA, DTA, DSC) zu erheben.Am UFT wurden Strukturanalogien zu bekannten Substanzen ermittelt und erste (öko)toxikologische Tests durchgeführt. Im Rahmen einesstudentischen Projekts des Fachbereichs Biologie/Chemie der Universität Bremen generierte man erste Ergebnisse zur Ökotoxizität.

Als Anionen fungieren anorganische (u.a. Cl , BF ,PF ) und organische (u.a. Acetat, Triflat, Bis-(trifluormethansulfon)imidat) Ionen.

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Abb.1BestandteileIonischerFlüssigkeitenDie Kationen Ionischer Flüssigkeiten sind vorwiegend quarternäre N-, P- und S-Verbindungen.

N N

R R´N

R

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RRR P

RRR

+ ++ +

N N+

CH3

R

X

Für Untersuchungen dargestellte Salze des 1-R-3-methylimidazol-Typs ([RMIM][X])

R: ropyl, utyl, myl, exyl, e tyl, ctyl, onyl, ecyl, Benzyl,Phenethyl, p-MethylbenzylX: Cl , BF , Pf

P B A H H p O N D

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N N

CH3

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Cl + NH4BF

4 BF4

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CH3

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N N+

CH3

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Cl + HPF6 PF

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-Cl

Institut fürTechnische Chemie und Umweltchemie

Zentrum fürUmweltforschung und Umwelttechnologie

Darstellung der Imidazoliumverbindungen

2. Darstellung der Tetrafluoroborate

Reaktionsbedingungen:Mikrowelle, 400 W½ - 3 Stunden, 120 °C

Apparaturen:Mikrowellensystem Ethos 1600, MLS GmbH Leutkirch/ Allgäu®

Autoklav:„µClave“

Parallelsynthese:8-fach Rotor HPR 1000/8

Reaktionsbedingungen:In Acetonitrila) Raumtemperatur 24 Stunden; b) Ultraschall (indirekt) 3 Stunden

Reaktionsbedingungen:Wässrige Lösung; Kühlung bei Zugabe von HPF , danach Raumtemperatur 2 Stunden6

Untersuchung vonStruktur-Wirkungs/Eigenschafts-Beziehungen

Die folgenden Punkte zeigen erste Untersuchungen mit deren Hilfe zu einem späteren Zeitpunkt nachAbschluss aller erforderlichen Untersuchungen Aussagen zur (Öko)toxizität der gewählten Substanzklassegetroffen werden können.

1. Strukturanalogien Ionischer Flüssigkeiten mit Wirkstoffen

3. Aquatische Toxizität3

4. Akute Phytotoxizitätstests3

Akut-Test mit [BMIM][ BF ] und [DMIM][ BF ] an (Weizen)4 4 T. aestivum

2. Säuger-Cytotoxizität

N+

N

CH3

Cl

N+

NCH3

CH3

Br

Ionische Flüssigkeit Pflanzenwachstumsregulator

vereinfachte Darstellung der Dosis-Wirkung-Abhängigkeiten der HexafluorophosphateHemmung der WST-Reduktion an C6-Zellen(Glioma-Zellen aus dem ZNS der Ratte)

Literatur und Acknowledgments:1

2

Seddon, , , , G25P. Wasserscheid, W. Keim, , , , 3926-3945;M. Freemantle, , , , 37-50; J. S. Wilkes, , , , 73-80

In Verbindung mit dem studentischen Projekt Umweltrisiken” geht ein herzlicher Dank für die Unterstützung undInfrastruktur an die Arbeitsgruppenleiter Prof. L. Grimme und Prof. J. Filser, die Betreuer W. Meyer, T. Backhaus und F.Stock sowie an die Studenten T. Daake, A. Schmidt, P. Wecker und H. Wolters.

Green Chem. 4

Angew. Chem. 112Chem. Eng. News 78 Green Chem. 4

20022000

2000 2002

K. R.

Vorversuche aus dem studentischen Projekt Umweltrisiken”;

Für die Durchführung der thermogravimetrischen Untersuchungen geht ein herzlicher Dank an Dr. P. Scholz und B. Fähndrich.

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3. Darstellung der Hexafluorophosphate

Hemmung der O2-ProduktionGrünalge (Scenedesmus vacuolatus)

cMAX [mmol/L] %[BMIM][BF4] 8,5* 0[DMIM][BF4] 2,7 50�

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Im Rahmen des(Http://www.uni-jena.de/chemie/spnc) fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt dieses Projekt.

Schwerpunktprogramms “Nachhaltigkeit in der Chemie”

Ansprechpartner: Jens HoffmannE-mail : [email protected]. : +49-(0)-3641-48455

1. Darstellung der Chloride

Erste Untersuchungen1. Thermogravimetrische Untersuchungen4

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Mittels TGA und DTA sollen Aussagen über dieStabilität sowie möglichen Umwandlungs- bzw.Zersetzungsmechanismen der IonischenFlüssigkeiten gewonnen werden.

Das Beispiel rechts zeigt die TGA- und DTA-Kurve von[PMIM][Cl].Offensichtlich beginnt ab 100 °C eine allmählicheZersetzung der Substanz. Ab 280°Cschreitet diese mitgrößerer Geschwindigkeit fort. Ab 360° sind alleZersetzungsprodukte in die Gasphase übergegangenDie entstandenen Zersetzungsprodukte sollen mittels TGA-MS-Kopplung untersucht werden

Ionische Flüssigkeit Herbizid (Paraquat)nicht mehr zugelassen

N+

CH3

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CH3

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