Frühgeborenen-Follow-Up · Abteilung V Pädiatrische Neurologie und Sozialpädiatrisches Zentrum...

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Frühgeborenen-Follow-Up an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg Uta Ungermann & Gitta Reuner Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg Abteilung V Pädiatrische Neurologie und Sozialpädiatrisches Zentrum Symposium Entwicklungsdiagnostik mit den Bayley Scales of Infant Development Internationale Erfahrungen und Einsatz in der Frühgeborenen-Nachsorge 23. März 2006

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Frühgeborenen-Follow-Upan der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedi zin

Heidelberg

Uta Ungermann & Gitta ReunerUniversitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg

Abteilung V Pädiatrische Neurologie und Sozialpädiatrisches Zentrum

Symposium Entwicklungsdiagnostik mit den Bayley Scales of Infant DevelopmentInternationale Erfahrungen und Einsatz in der Frühgeborenen-Nachsorge

23. März 2006

Frühgeborenen Follow-upmit 24 Monaten

... und was ist mit denen, die nicht kommen?

Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen

20.9.2005Deutsches Ärzteblatt, 102, Heft 41, 2005

• Ziele:

– Sicherung der Qualität der Versorgung aller Früh- und Neugeborener

– Flächendeckende Versorgung Früh- und Neugeborener

– Optimale Betreuung und Zuweisung nach Risikoprofil

• Forderungen zum Follow-Up:

– Peri- und neonatale Erhebung mit > 90% Vollständigkeit

– Entwicklungsneurologische Nachuntersuchung (Bayley II) mit mind. 80% Vollständigkeit

Follow-Up von Risiko-KindernZ. B. Frühgeborene

� Ethische Verantwortung und hohe Kosten der neonatalenIntensivmedizin

� CP und kognitive Entwicklungsstörungen als häufigste Langzeitfolgen

� Zahlreiche Risikofaktoren interagieren

1% 11%

88%

unter 1 0001 000 – 2 500>2500g

Geburtsgewicht der lebendgeborenen Kinder 2003 in Baden WürttembergQuelle: Statistisches Landesamt

Anforderungen an die Nachsorge ehemaliger Frühgeborener

Individuelle Betreuung

� Adaption an häusliche Situation

� Entwicklungsförderung� Unterstützung der Eltern� Hilfsmittelversorgung

Systematisches Follow-up

� Bedeutung der Risikofaktoren� Hochrisiko- vs.

Niedrigrisikogruppen� Kritische

Untersuchungszeitpunkte� Untersuchungsmethoden

+

Follow-Up ehemaliger Frühgeborener

Geburt: Klinischer, neurologischer Status, Sozialdaten, Sonographie, Hörscreenning, Augenarzt

2 Jahre: Auxiologie, neurologischer StatusBayley II Mental Scale

5 ½ - 6 Jahre: Auxiologie, neurologischer Status, K-ABC (Kurzform)CBCL 4-18

Vorschlag der Arbeitsgruppe „Entwicklungsneurologie“ der Gesellschaft für Neuropädiatrie

Also alles bestens in Heidelberg?

- leider Nein!

Die spontane Inanspruchnahme des Frühgeborenen-Follow-up

liegt bei

54%

In der „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen “ fordert der Bundesausschuss der Ärzte

eine:

„Entwicklungsneurologische Nachunter-suchung (Bayley II); mit einer Vollständig-keit bei der 2-Jahres-Untersuchung von mindestens 80%“

Wie lässt sich die Lage verbessern?

Fragen, denen wir in Heidelberg nachgegangen sind

• Wie weit kann die Compliance durch intensivere Bemühungen seitens der Institutionen gesteigert werden?

• Welche anderen Möglichkeiten gibt es, hochwertige Informationen über die Kinder zu bekommen, die nichtzur Nachuntersuchung kommen?

• Ermöglichen alternative Methoden eine der Untersuchung gleichwertige Beurteilung des Kindes?

Vorhaben

• einen kompletten Jahrgang Frühgeborener <1500g mit korrigiert 24 Monaten zu untersuchen, u.a. mit den Bayley Scales of Infant Development II

• alle Kinder zusätzlich mit den Vineland Scales of Adaptive Behavior zu untersuchen, um einen Vergleich der Methoden zu ermöglichen

Die Vineland Adaptive BehaviorScales (VABS)

• Strukturiertes Interview zur Entwicklung von Kindern von 0 Monaten bis 18 Jahren

• Ursprünglich zur Beurteilung der tatsächlichen und adaptiven Fähigkeiten entwicklungsverzögerter und/oder behinderter Kinder und Jugendlicher in vier Bereichen: – Sprache (communication)– Selbständigkeit (living skills) – Sozialentwicklung (socialization)– Motorik (motor)

• Keine Aussage zur Intelligenz

Sparrow, Balla & Cichetti, 1984

Durchführung

• Offenes Frageformat, d.h. Eltern erzählen frei zubestimmten Themenbereichen. Bei Fragen, die hierdurch noch nicht beantwortet sind, wirdnachgehakt.

• Einstiegs- und Ausstiegsregel für den abgefragtenNormbereich ermöglichen differenzierte Beurteilung.

Vorteile

• Standardisiertes, normiertes Instrument

• Geringer Zeitaufwand (ca. 20-30 Min.)

• Unabhängig von der Kooperation des Kindes

• Durchführung als Telefoninterview vorstellbar

Methoden der Entwicklungsdiagnostik

Beobachten

Befragen

Standardisiert/ Test Qualitativ/ informell

Entwicklungstestz. B. BSID II

Standardisiertes Interviewz. B. VABS

Freie SpielbeobachtungMotoskopie

Anamnese

Teilnehmer

Alle Frühgeborenen <1500g, die zwischen 9-04 und 8-05 ein korrigiertes Alter von 24 Monaten erreichen sollten =

88 Kinder- 4 verstorben- 6 ins Ausland oder weit weg

verzogen

78 Kinder , die theoretisch zur Untersuchung hättenkommen können.

Vorgehen• Information aller Eltern bei Entlassung

• Anschreiben mit korr. 18 Monaten

• Untersuchung angemeldeter Kinder (neurologisch, Bayley II Mental Scale, VABS)

Nicht angemeldete Kinder:

• Anschreiben mit Hinweis auf Telefoninterview

• Terminvereinbarung ca. eine Woche später

• Telefoninterview, anschließend Angebot eines Untersuchungsterminsmit Bitte um Teilnahme

• ggf. Untersuchung (Bayley II Mental Scale)

Verteilung der Kinder78 Kinder

schriftliche Aufforderung zur Untersuchung6 Monate vor dem Zeitpunkt

42 Kinder zur2-Jahres-Untersuchung

(11Bayley nicht beendet)

38 ElternVABS-Interview

3 Eltern kein Deutsch1 danach unauffindbar

36 Kinderschriftliche Ankündigung

des Telefoninterviews

27 ElternVABS-Interview

5 Kinder unauffindbar2 Eltern verweigerten2 Eltern kein Deutsch

16 KinderBayley Untersuchung

nach Aufforderung

11 Elternkeine weitere

Mitarbeit

Compliance• 54 % kamen spontan zur Untersuchung

• 20,5% kamen nach intensiven Bemühungen zur

Untersuchung (Telefonkontakt, ausdrückliche

Bitte, an Untersuchung teilzunehmen)

• 14,1% der Eltern nahmen am Telefoninterview teil,

lehnten eine Untersuchung aber ab

• 11,4% nahmen gar nicht teil: unauffindbar (5), die

Eltern konnten nicht genügend Deutsch (2)

oder verweigerten die Teilnahme (2)

Vergleich der MethodenVABS – Bayley II MDI

• 42 Frühgeborene <1500g• 44 termingeborene Kontrollkinder

• Kein Gruppenunterschied in den Korrelationen, daherwurde für den Methodenvergleich eine gemeinsameGruppe gebildet, 86 Kinder

Korrelationen VABS – Bayley II MDI

0.57***<.0001

0.21 (n.s.)

0.05780.46***<.0001

0.31**0.0037

0.72***<.0001

BayleyIIMDI

VABSgesamt

VABSmotor

VABSSocialization

VABSLiving skills

VABSCommunication

Ergebnisse

• Es besteht eine hohe Korrelation zwischen Bayley II MDI und VABS Gesamtskala (.57)

• Es besteht eine sehr hohe Korrelation zwischen Bayley II MDI und VABS Communication (.72)

• Es bestehen moderate Korrelationen zwischen Bayley II MDI und den übrigen VABS Unterskalen

Und das bedeutet...

• dass die Compliance durch intensive Bemühungen von 54% auf 74,5%, und durch den Einsatz des Fragebogens weiter auf 88,6% gesteigert werdenkonnte.

• Nur bei 11,4% der Kinder lagen keine Informationenüber den Entwicklungs-stand vor.

Schlussfolgerungen• Der VABS ist ein relevantes Instrument, dessen

Informationsgehalt über die mit dem Bayley II MDI erfassten Fähigkeiten hinausgeht

• Der Gesamtscore und der Communication Score des VABS bieten eine gute Grundlage für die ungefähreSchätzung der im Bayley II MDI gemessenenFähigkeiten, wenn dieser nicht durchgeführt werdenkann.

• Die bestmögliche Einschätzung des Kindes ergibt sichdurch die Kombination beider Methoden.

Wenn die Vollständigkeit der Erhebung

vordringlich ist, befürworten wir daher den Einsatz strukturierter Interviews für alle jeneRisikokinder, die mit einer Untersuchungnicht erreicht werden können oder wollen.

Die VABS haben sich als geeignet erwiesen.