FSME: Eine aktuelle Übersicht

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Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main FSME: Eine aktuelle Übersicht Matt hi as Bundschuh, Al exander Gerber M. Bundschuh, A. Gerber: FSME: Eine aktuelle Übersicht. Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 230–231 Schlüsselwörter: FSME Zusammenfassung: Der folgende Artikel gibt eine aktuelle Übersicht über die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Er geht auf den klinischen Verlauf, das Vorkommen und die Präventionsmöglichkeiten insbesondere durch das Vorliegen einer Impfung ein. Die Erkrankung ist aufgrund zahlreicher Expositionsmöglichkeiten auch von großer Bedeutung für die Arbeitsmedizin. FSME: A current overview M. Bundschuh, A. Gerber: FSME: A current overview. Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 230–231 Key words: FSME Summary: The following article gives an overview on the tick-borne encephalitis (TBE) and looks at the symptoms, the occurrence and prevention options in particular by the presence of a vaccination. The disease is also of great importance in the occupational medicine due to numerous medical exposure opportunities. Kontakt: B[email protected] Einleitung Die Frühsommer-Meningoenzephali- tis (FSME) ist die am häufigsten durch Zecken übertragene virale Infektions- erkrankung des zentralen Nervensys- tems beim Menschen in Ost-, Zentral und Nordeuropa sowie Zentral- und Ost- asien. Jährlich erkranken ca. 10.000– 12.000 Menschen an FSME, wobei diese Zahl signifikant niedriger als die tatsächlich auftretenden Erkrankungen sein dürfte [1]. Das FSME-Virus gehört zum Genus Flavivirus aus der Familie der Flaviviridae. Die Flaviviren werden über infizierte Zecken oder Mosquitos übertragen [2]. Zu dieser Virusfamilie zählen etwa 70 verschiedene Virus- typen, weitere humanpathogene Viren wie beispielsweise das Gelbfieber-, das Dengue-, das West-Nil- oder das Japani- sche Enzephalitis Virus. Es werden drei genetisch und antigenetisch eng ver- wandte Subtypen unterschieden. In Deutschland vorherrschend ist der zen- traleuropäische Subtyp, er wird haupt- sächlich durch die Zecke Ixodes ricinus übertragen. Weitere Subtypen sind ein fernöstlicher und ein sibirischer Subtyp, die im asiatischen Raum endemisch sind und dort von der Zecke I. persulcatus übertragen werden [3]. Larven oder aus- gereifte Zecken nehmen im Rahmen einer Blutmahlzeit das Virus von infi- zierten Tieren, hauptsächlich von Nage- tieren auf und geben es dann während der nächsten Blutmahlzeit an Wirbeltie- re und auch den Menschen weiter . Nach einem Biss durch eine infizierte Zecke vermehrt sich das Virus zunächst in lo- kalen dermalen Zellen, dann in den re- gionalen L ymphknoten und dem retiku- loendothelialen System. Nach der Infek- tion des Kapillarendothels passiert es die Blut-Hirn-Schranke und kann neuro- logische Erkrankungen wie z.B. die Polioenzephalomyelitis auslösen. Das Virus ist ein Einzelstrang RNA-Virus, dessen Genom von einer Core Membran und einem Hüllprotein (E) umschlossen wird. Das E-Protein beinhaltet die anti- genen Determinanten, die für die Hä- magglutination und Neutralisation ver- antwortlich sind [1]. Klinik Die Erkrankung zeigt häufig einen biphasischen Verlauf. Nach einer Inku- bationszeit von etwa 7–14 Tagen treten grippeähnliche Symptome mit vermehr- ter Müdigkeit, Fieber 38°C, Cephal- gien und allgemeinem Krankheitsgefühl auf. Bei ca. 10% der Infizierten folgt nach einem fieberfreien Intervall von etwa einer Woche (bis zu 20 Tagen) eine Meningoenzephalitis mit hohem Fieber, Erbrechen und meningealen Reiz- erscheinungen. In 40% der Fälle mit enzephalitischem Verlauf kommt es zu ei ner bl eibenden neurol o gi schen Beschwer - desymptomatik mit dem Auftreten von Paresen, Epilepsie oder lange andauern- den Cephalgien. Auch nach schweren V erläufen wird in vielen Fällen eine völ- lige Ausheilung beobachtet. Bei etwa 1% der Erkrankten mit ZNS-Beteiligung verläuft die Erkrankung letal [1] [3]. 230 Übersicht: FSME

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Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main

FSME: Eine aktuelle Übersicht Matthias Bundschuh, Alexander Gerber

M. Bundschuh, A. Gerber: FSME: Eine aktuelle Übersicht. Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 230–231Schlüsselwörter: FSME Zusammenfassung:Der folgende Artikel gibt eine aktuelle Übersicht über die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Er geht auf den

klinischen Verlauf, das Vorkommen und die Präventionsmöglichkeiten insbesondere durch das Vorliegen einer Impfung ein. Die Erkrankung ist aufgrund zahlreicher Expositionsmöglichkeiten auch von großer Bedeutung für die Arbeitsmedizin.

FSME: A current overview

M. Bundschuh, A. Gerber: FSME: A current overview. Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 230–231Key words: FSME Summary:The following article gives an overview on the tick-borne encephalitis (TBE) and looks at the symptoms, the occurrence and

prevention options in particular by the presence of a vaccination. The disease is also of great importance in the occupational medicine due to numerous medical exposure opportunities.

Kontakt:

[email protected]

EinleitungDie Frühsommer-Meningoenzephali-

tis (FSME) ist die am häufigsten durchZecken übertragene virale Infektions-erkrankung des zentralen Nervensys-tems beim Menschen in Ost-, Zentralund Nordeuropa sowie Zentral- und Ost-asien. Jährlich erkranken ca. 10.000– 12.000 Menschen an FSME, wobei diese Zahl signifikant niedriger als die tatsächlich auftretenden Erkrankungen sein dürfte [1]. Das FSME-Virus gehört zum Genus Flavivirus aus der Familieder Flaviviridae. Die Flaviviren werden über infizierte Zecken oder Mosquitosübertragen [2]. Zu dieser Virusfamilie zählen etwa 70 verschiedene Virus-typen, weitere humanpathogene Virenwie beispielsweise das Gelbfieber-, dasDengue-, das West-Nil- oder das Japani-sche Enzephalitis Virus. Es werden dreigenetisch und antigenetisch eng ver-wandte Subtypen unterschieden. InDeutschland vorherrschend ist der zen-traleuropäische Subtyp, er wird haupt-sächlich durch die Zecke Ixodes ricinus

übertragen. Weitere Subtypen sind ein fernöstlicher und ein sibirischer Subtyp, die im asiatischen Raum endemisch sind und dort von der Zecke I. persulcatus übertragen werden [3]. Larven oder aus-gereifte Zecken nehmen im Rahmen einer Blutmahlzeit das Virus von infi-zierten Tieren, hauptsächlich von Nage-tieren auf und geben es dann während der nächsten Blutmahlzeit an Wirbeltie-re und auch den Menschen weiter. Nach einem Biss durch eine infizierte Zecke vermehrt sich das Virus zunächst in lo-kalen dermalen Zellen, dann in den re-gionalen Lymphknoten und dem retiku-loendothelialen System. Nach der Infek-tion des Kapillarendothels passiert esdie Blut-Hirn-Schranke und kann neuro-logische Erkrankungen wie z.B. die Polioenzephalomyelitis auslösen. Das Virus ist ein Einzelstrang RNA-Virus, dessen Genom von einer Core Membranund einem Hüllprotein (E) umschlossen wird. Das E-Protein beinhaltet die anti-genen Determinanten, die für die Hä-

magglutination und Neutralisation ver-antwortlich sind [1].

Klinik Die Erkrankung zeigt häufig einen

biphasischen Verlauf. Nach einer Inku-bationszeit von etwa 7–14 Tagen treten grippeähnliche Symptome mit vermehr-ter Müdigkeit, Fieber � 38°C, Cephal-gien und allgemeinem Krankheitsgefühl auf. Bei ca. 10% der Infizierten folgt nach einem fieberfreien Intervall von etwa einer Woche (bis zu 20 Tagen) eine Meningoenzephalitis mit hohem Fieber, Erbrechen und meningealen Reiz-erscheinungen. In � 40% der Fälle mit enzephalitischem Verlauf kommt es zu einer bleibenden neurologischen Beschwer-desymptomatik mit dem Auftreten von Paresen, Epilepsie oder lange andauern-den Cephalgien. Auch nach schwerenVerläufen wird in vielen Fällen eine völ-lige Ausheilung beobachtet. Bei etwa 1%der Erkrankten mit ZNS-Beteiligung verläuft die Erkrankung letal [1] [3].

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Impfung Da bisher eine spezifische antivirale

Therapie nicht verfügbar ist, erfolgt dieBehandlung symptomatisch. Den effek-tivsten Schutz gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis bietet die Imp-fung. Derzeit existieren weltweit vier verschiedene Impfstoffe. In Australien und Deutschland FSME-Immun und Encepur, die auf den europäischen Erre-gerstämmen basieren sowie FSME-Moskau und Ence-Vir, die in Russland hergestellt werden und auf den fernöst-lichen Virusstämmen aufbauen. Diesevier Impfstoffe gelten als sicher und effektiv. In Deutschland werden die beiden Impfstoffe FSME-Immun Baxter und Encepur Novartis angeboten [4].Die Ständige Impfkommission (STIKO)empfiehlt die Impfung für Personen, diein FSME-Risikogebieten Zecken expo-niert sind oder für Personen, die durch FSME beruflich gefährdet sind. Dies betrifft hauptsächlich exponiertes Labor-personal sowie in Risikogebieten z.B. Forstarbeiter und Exponierte in der Landwirtschaft. Grundsätzlich sollten nur diejenigen Personen geimpft wer-den, bei denen ein konkretes Expositi-ons- und Infektionsrisiko während der Zeckensaison besteht. Empfohlen wird die Impfung vor allem Reisenden in endemische Länder sowie Personen mit vorwiegend im Freien stattfindenden Aktivitäten. Für einen vollständigen Impfschutz sind i.d.R. drei Impfungen erforderlich. Die zweite Impfung sollte etwa ein bis drei Monate nach der erstenImpfung stattfinden. Die dritte Impfungist dann fünf bis zwölf bzw. neun bis zwölf Monate (je nach Herstelleranga-ben) nach der zweiten Impfung zu ver-abreichen. Eine erste Auffrischimpfungsollte mit einem für Erwachsene bzw.Kinder zugelassenen Impfstoff nach An-gaben des Herstellers erfolgen, i.d.R.nach 3 bzw. 5 Jahren. Nach drei erhalte-nen Dosen kann bei 99% der Geimpften von einem vollständigen Schutz vor FSME ausgegangen werden. Nach zwei Impfungen besteht bei ca. 98% eine Im-munität, die jedoch nur etwa ein Jahr an-hält. Bei kurzfristig anstehender Reisein ein Risikogebiet werden von den Her-stellern sog. Schnellschemata angebo-ten [1, 5]. Weitere allgemeine Maßnah-

men umfassen das Tragen von heller, ge-schlossener Kleidung, die Anwendungvon Repellents, das Vermeiden von un-wegsamen Gelände und Unterholz so-wie das zeitnahe Absuchen des Körpersnach Zecken.

Bedeutung für die Arbeitsmedizin Im Rahmen der arbeitsmedizinischen

Tätigkeit ist die Frühsommer-Meningo-enzephalitis von zentraler Bedeutung für beruflich FSME-exponierte Perso -nen. Dies betrifft vor allem Menschen, die in der Land-, Forst- und Holzwirt-schaft, im Gartenbau, Tierhandel, der Jagd oder in Forschungseinrichtungen/Laboratorien tätig sind und in diesen Bereichen möglicherweise Kontakt zu infizierten Proben oder erregerhaltigenund kontaminierten Gegenständen ha-ben. Sie sollten im Rahmen der arbeits-medizinischen Vorsorgeuntersuchung über die Erkrankung und präventive Maßnah-men aufgeklärt werden und je nach be-stehendem Risiko eine Impfung erhal-ten. Dies ist auch in der Arbeitsmedizi-nischen Vorsorgeverordnung geregelt (ArbMedVV, Teil 2 (1)) [6]. Für ins Aus-land reisende Mitarbeiter sollte im Rah-men einer ausführlichen reisemedizi-nischen Beratung das FSME-Risiko inendemischen Gebieten evaluiert werden. Auch für Erzieherinnen mit häufigen Ausflügen in Waldgebiete besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Literatur 1. Word Health Organization. Vaccines against tick-borne encephalitis: WHO position paper.Wkly Epidemiol Rec. 2011; 86; 241–56 2011.2. Gould EA, Solomon T: Pathogenic flaviviruses. The Lancet, 371:500–509. 3. RKI: Frühsommer-Meningoenzephalitis(FSME). In: http://www.rki.de/DE/Content/ Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_FSME.html. 2011.4. WHO: Tick-borne encephalitis. In: http:// www.who.int/immunization/topics/tick_encephalitis/en/. 2011.5. STIKO: Epidemiologisches Bulletin. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut / Stand: Juli2012. 2012.6. Bundesministerium für Arbeit und Soziales.Arbeitsmedizinische Vorsorge-Verordnung (ArbMedVV). In: http://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze/ArbMedVV.html.