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16 | © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ciuz.200400337 Chem. Unserer Zeit, 2005, 39, 16 – 25

zylinder mit hohem Anwendungspotential

Funktionalisierte Kohlenstoff- röhrenKANNAN BALASUBRAMANIAN | MARKO BURGHARD

Röhrenumfang festgelegt ist, lässt sich die Struktur einerNanoröhre anhand der chiralen Indizes (n,m) vollständigbeschreiben (Abbildung 2). Die Bezeichnungen „armchair“(n=m) und „zigzag“ (m=0) leiten sich vom geometrischenVerlauf der Kohlenstoffatome am Saum der Röhren ab.Während diese beiden Röhrenarten Spiegelsymmetrie be-sitzen, existieren „chirale“ Nanoröhren (n≠m) in Form zwei-er nicht in Deckung zu bringender Enantiomere mit rechts-bzw. linksgängigem Schraubengang.

Die mehrschaligen Nanoröhren wurden als erstes ent-deckt (1991), gefolgt von den einschaligen (1993) und dendoppelschaligen (1999) Röhren. Mittlerweile gehören Koh-lenstoff-Nanoröhren zu den am intensivsten untersuchten

nanostrukturierten Materialien. Diese Entwicklung wird durch eine ganze Reihe

außergewöhnlicher Eigenschaften der Nanoröhrenvorangetrieben, wovon insbesondere die ausge-zeichnete Leitfähigkeit für elektrischen Strom undWärme sowie die hohe mechanische und chemi-

sche Stabilität hervorzuheben sind. Darausergeben sich vielfältige Anwendungsmög-lichkeiten, von denen sich einige nahe einertechnischen Umsetzung befinden. Einen zu-sätzlichen Impuls erfahren die Forschungs-aktivitäten durch kürzlich entwickelte Me-

thoden, die eine gezielte chemischeFunktionalisierung der Röhren ge-statten. Im vorliegenden Beitrag wirdder Schwerpunkt auf die Modifizie-rung einschaliger Nanoröhren undden sich daraus eröffnenden An-wendungsperspektiven gelegt.

Das AusgangsmaterialZur Herstellung von einschaligenKohlenstoff-Nanoröhren haben sichdrei Verfahren etabliert, deren Merk-male in Tabelle 1 zusammengestelltsind.

Von diesen erreicht die kataly-tische Zersetzung von gasförmigenKohlenstoffquellen die höchste Pro-

Kohlenstoff-Nanoröhren haben im Verlauf der über 10 Jahre,die seit ihrer Entdeckung vergangen sind, die Phantasie vielerWissenschaftler beflügelt. Während einige der Anwendungs-vorschläge schillernde Visionen geblieben sind, stehen anderenahe einer technischen Realisierung. Neuartige Verfahren zur chemischen Modifikation der Röhren versprechen einen weiteren Ausbau der Anwendungsperspektiven.

Kohlenstoff-Nanoröhren sind Zylinder mit einem Durch-messer von nur wenigen Nanometern, die in Längen

von bis zu 20 cm [1] hergestellt werden können.Die Wand dieser Zylinder besteht aus einem he-xagonalen Gitter von Kohlenstoffatomen, dasauch in den einzelnen Ebenen des Graphits vor-liegt. Ihre strukturelle Verwandtschaft zu den Ful-lerenen tritt an den Enden zutage, welche vonHälften dieser Moleküle verschlossen wer-den.

Kohlenstoff-Nanoröhren können auseiner unterschiedlichen Anzahl einzelnerZylinder aufgebaut sein, die konzentrischineinander geschachtelt sind (Abbildung1). Mehrschalige Nanoröhren könneneinen Durchmesser von mehr als100 nm erreichen. Ein interessan-ter Spezialfall sind doppelschaligeNanoröhren, die aus exakt zweiZylindern aufgebaut sind. Die ein-fachste Geometrie liegt für ein-schalige Röhren vor, die mit Durch-messern zwischen 0.4 nm und 3 nmexistieren.

Die Bildung einer einschaligenNanoröhre lässt sich am bestendurch das Aufrollen einer Graphit-ebene veranschaulichen. Mit Hilfedes Aufrollvektors, der durch die

Die Zahl der Publi-kationen in diesemBereich steigt un-vermindert: Im Jahr 2003 betrug sie ca. 3000.

Abb. 1 Nano-röhre, die ausdrei konzentrischineinander geschachteltenSchalen aufgebaut ist.

Richtung der Röhrenachse rela-tiv zum Graphitgitter sowie den

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duktionsrate. Obwohl im Verlauf der letzten 3-4 Jahre we-sentliche Fortschritte in den Produktionsmethoden erzieltwurden, sind die anfallenden Kosten im Hinblick auf An-wendungen im technischen Maßstab immer noch drastischzu hoch. Der Preis für einschalige Röhren beläuft sich aufca. 50-100 Euro pro Gramm, und dies trotz einer im Ver-gleich zu typischen Labor-Reagenzien bescheidenen Rein-heit, welche zum Großteil durch die zur Synthese benötig-ten katalytischen Partikeln bedingt ist.

Verfahren zur Herstellung größerer Mengen an Nano-röhren liefern ausnahmslos Bündel, die aus bis zu mehre-ren hundert Röhren bestehen. Das anfallende Rohmaterialenthält in der Regel amorphen Kohlenstoff, Fullerene, so-wie katalytische Metallpartikel als Verunreinigungen. Voreiner reproduzierbaren chemischen Funktionalisierung derRöhren ist daher eine effektive Reinigung erforderlich. Diese umfasst mehrere Schritte (Abbildung 3): Zunächstwird der amorphe Kohlenstoff durch thermische Oxidati-on bei ca. 350 °C an Luft entfernt. Anschließend werden diedabei freigelegten Metallpartikel durch Kochen mit einernicht oxidierenden Säure (z.B. HCl) aufgelöst. Durch eineabschließende thermische Behandlung bei >1000°C im Va-kuum gelingt es, einen Großteil der Defekte auszuheilen,die während der vorangegangenen Reinigung entstandensind.

Für viele Anwendungen ist es vorteilhaft, einzelne Nano-röhren anstelle von Bündeln zur Verfügung zu haben. Hier-zu ist besonders eine Ultraschallbehandlung des gereinigtenRohmaterials in einer wässrigen Detergenzlösung geeignet.Die Auftrennung der Bündel wird dabei durch das Um-schließen der Röhren mit einer Tensidhülle unterstützt (Ab-bildung 4). Allerdings müssen die experimentellen Bedin-gungen sorgfältig kontrolliert werden, da eine zu intensive

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Durch unterschiedliches Aufrollen einer Graphitebene lassen sich drei Arten vonNanoröhren konstruieren und mit Hilfe des Aufrollvektors, der durch die Richtungder Röhrenachse relativ zum Graphitgitter sowie den Röhrenumfang festgelegt ist,anhand der Indizes (n,m) vollständig beschreiben.

Methode Prinzip Mittlerer MaximaleDurchmesser Produktions-der Röhren rate

Elektrische Durch eine elektrische Bogen- 1,3 bis 1,4 nm 120 g/TagBogenentladung entladung (>3000°C) zwischen

zwei Graphitstäben werden Kohlenstoffatome generiert. In Gegenwart geeigneter Metall-partikel (Fe, Co oder Ni), welche als Katalysatoren fungieren, kommt es zur Bildung von Nano-röhren [20].

Laser- Verdampfung von atomarem 1,4 nm 50 g/Tagverdampfung Kohlenstoff (>3000°C) mittels

Laserbestrahlung von Graphit. Als Katalysatoren notwendige Metallpartikel (Fe, Co oder Ni) sind dem Graphit beigemengt [21].

Katalytische Katalytische Zersetzung einer 1,0 nm 50 kg/TagZersetzung gasförmigen Kohlenstoffquelle gasförmiger (z.B. ein Kohlenwasserstoff oderKohlenstoff- Kohlenmonoxid) an metallischenlieferanten Nanopartikeln (Co oder Fe).

Die Partikel werden durch Pyrolyse geeigneter Vorstufen (z.B. Fe(CO)5) bei 1000-1100°C unter hohem Druck erzeugt [22].

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KO H L E N S TO F F- N A N O R Ö H R E N

Abb. 3 Die Reinigung einschaliger Kohlenstoff-Nanoröhrenumfasst mehrere Schritte. Hintergrund: Rastertunnelmikros-kopie-Aufnahme eines Bündels aus Kohlenstoff-Nanoröhren.

1 nm

thermische Oxidationan Luft (∼ 350 °C)

thermisches Ausheilen(1100 °C)

Säurebehandlung (HCI)

Filtration

Rohmaterial

gereinigte Nanoröhren

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Ultraschalleinwirkung zu einer starken Ver-kürzung der Röhren führt.

Alternativ sind einzelne und weitge-hend verunreinigungsfreie Nanoröhrenauch direkt zugänglich, allerdings nurin sehr geringer Menge. Hierfür werdenKatalysatorpartikel auf ein Substrat de-

poniert (Abbildung 5). Ein wichtiger Vor-teil dieses Verfahrens ist die Möglichkeit,

den Durchmesser der gebildeten Röhrenüber die Größe der eingesetzten Metallpartikel

zu kontrollieren [2]. Mittels Lithographie-Verfahrenkönnen die so gewachsenen isolierten Röhren direkt mitElektroden versehen werden, um ihr elektrisches Verhal-ten zu untersuchen.

Elektrische Eigenschaften einzelner Nanozylinder

Neben den mechanischen sind die elektrischen Eigen-schaften der Nanoröhren von zentraler Bedeutung für vie-le Anwendungen. Gemäß theoretischer Überlegungen, wel-che die elektronische Struktur der Nanoröhren von der desGraphits ableiten, sollte eine Nanoröhre in Abhängigkeitvon ihrem Aufrollvektor entweder metallisches oder halblei-tendes Verhalten zeigen. Dabei sollten von der Gesamtheitaller möglichen Röhren ein drittel metallisch und zwei drit-tel halbleitend sein. Die Theorie sagt ferner voraus, dassdie Energielücke zwischen dem Valenz- und Leitungsbandin den halbleitenden Röhren umgekehrt proportional zumRöhrendurchmesser ist. Beide Voraussagen sind durch eineVielzahl von Experimenten bestätigt worden [3].

Obwohl das Elektronensystem der Nanoröhren in Fol-ge der Zylindergeometrie einen ausgeprägt eindimensiona-len Charakter hat, zeigen die Röhren bei Raumtemperaturein elektrisches Verhalten, wie man es von Materialien mitdreidimensionalem Charakter gewohnt ist. So wird beimAbkühlen einer metallischen Nanoröhre in Analogie zu her-kömmlichen Metallen ein Abfall des elektrischen Wider-stands beobachtet. Dieses Phänomen geht auf eine verrin-

gerte Streuung der Elektronen an den Gitterschwingungenzurück. Entgegengesetztes Verhalten weisen die halblei-tenden Röhren auf: Beim Abkühlen kommt es zu einem An-stieg des Widerstands aufgrund einer verringerten Zahl anLadungsträger, welche in der Lage sind, die Energielücke zuüberwinden. Die elektrische Leitfähigkeit halbleitenderNanoröhren kann darüber hinaus durch ein externes elek-trisches Feld gesteuert werden, vergleichbar zur Funkti-onsweise von Transistorbauelementen (Abbildung 6). Wiein letzteren führt die elektrische Induktion durch das äuße-re Feld zu einer Anreicherung oder Verarmung der La-dungsträger und somit zu einem Anstieg oder Abfall desWiderstands der Nanoröhre. Halbleitende Nanoröhren zei-gen, solange sie keiner weiteren Behandlung unterzogen

Abb. 4EinzelneNanoröhre mitTensidhülle (Dodecylsulfat).Die Auftrennungvon Röhren-Bündeln wirddurch das Deter-genz unterstützt.

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Synthese einzelnerNanoröhren aus-gehend von einzel-nen Katalysator-partikeln depo-niert auf einemfesten Träger.

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Funktionsmechanismus eines Feldeffekttransistors mit einemp-halbleitenden Kanal (a-c). Abhängigkeit des elektrischenWiderstands halbleitender und metallischer Nanoröhren voneiner extern angelegten elektrischen Spannung (d).

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wurden, grundsätzlich das Verhalten eines Löcher-Halblei-ters. Folglich führt das Anlegen eines negativen Potentialsan die Steuer- oder Gate-Elektrode zu einem Anstieg derLöcherkonzentration, welcher sich in einer Widerstands-verringerung äußert. Metallische Röhren hingegen sprechennur sehr schwach auf das Anlegen einer Gatespannung an.Elektrische Messungen mit einem externen Feld können so-mit dazu herangezogen werden, eine Nanoröhre zuverläs-sig als halbleitend oder metallisch zu identifizieren.

Kovalente Funktionalisierung Eine ideale Kohlenstoff-Nanoröhre besitzt mit der graphit-artigen Seitenwand und den Kappen zwei Regionen un-terschiedlicher Reaktivität gegenüber einer kovalenten Mo-difikation. Die Anwesenheit von Kohlenstoff-Fünfringen inden Kappen führt zu einer relativ hohen Reaktivität, wel-che vergleichbar derjenigen von Fullerenen ist. Gegenüberden Kappen ist die kovalente Funktionalisierung derRöhrenwand deutlich schwieriger. Bei einer Additionsre-aktion an die partiellen Kohlenstoff/Kohlenstoff-Doppel-bindungen müssen sp2- in sp3-gebundene Zentren überführtwerden. Dieser Vorgang ist an einer Graphitebene aufgrundder erforderlichen Änderung von einer trigonal-planaren zueiner tetraedrischen Bindungsgeometrie energetisch un-günstig. An der äußeren Oberfläche einer Nanoröhre kanndie Rehybridisierung jedoch einfacher erfolgen, da die kon-vexe Krümmung einer Deformation in Richtung der an-gestrebten Geometrie entspricht. Entsprechend sollte dieBindungsenergie von Atomen oder Atomgruppen an derAußenseite einer Nanoröhre mit zunehmendem Durch-messer abnehmen, um sich im Grenzfall eines unendlichenDurchmessers der Bindungsenergie an der Graphitebeneanzunähern. Diese Tendenz wird von theoretischen Studi-en gestützt, welche z.B. für die Bindung von Alkylradikalenan die Nanoröhren durchgeführt wurden [4]. Demgegen-über führt die konkave Krümmung der inneren Oberflächeeiner Nanoröhre zu einer sehr geringen Bereitschaft, Addi-tionsreaktionen einzugehen. Aufgrund dieser Eigenschaftwurden Kohlenstoff-Nanoröhren als Nano-Container für reaktive Gasatome vorgeschlagen, in Analogie zu Fullere-nen mit einem eingeschlossenen Stickstoffatom (z.B.N@C60).

Reale Nanoröhren besitzen keine ideale Struktur, son-dern enthalten grundsätzlich Defekte, die bereits bei derSynthese entstehen. In der Regel sind ca. 1-3% der Kohlen-stoffatome einer Nanoröhre an einem Defekt beteiligt. Einmit hoher Wahrscheinlichkeit anzutreffender Defekttyp istder Stone-Wales-Defekt, der aus zwei Fünf- und zwei Sie-benringen besteht, und daher häufig auch als 7-5-5-7-Defektbezeichnet wird (Abbildung 7).

Ein Stone-Wales-Defekt führt zu einer lokalen Deforma-tion der Graphitwand, welche eine erhöhte Krümmung indiesem Bereich bewirkt. Die stärkste Krümmung liegt da-bei an der Schnittstelle zwischen den beiden Fünfringenvor, weshalb eine Addition an die dort befindliche C-C-Dop-pelbindung am günstigsten ist [5].

Oxidation und Carboxylgruppen-ChemieEin wichtiger Grundstein für den Aufbau einer Chemie derNanoröhren wurde mit der Entwicklung eines Verfahrenszur Oxidation von einschaligen Kohlenstoff-Nanoröhren ge-legt. Hierbei wurde ein Gemisch aus konzentrierter Salpe-tersäure und Schwefelsäure unter gleichzeitiger intensiverUltraschalleinwirkung benutzt [6]. Unter solch drastischenBedingungen kommt es zur Öffnung der Kappen sowie derBildung von Löchern in der Seitenwand, gefolgt von einemoxidativen Abbau entlang der Röhren, wobei u.a. Kohlen-dioxid als Oxidationsprodukt freigesetzt wird. Das End-produkt sind 100 bis 300 nm lange Nanoröhren, deren En-den und Seitenwände mit einer Vielzahl an sauerstoffhal-

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Ein häufiger Defekttyp: Stone-Wales- oder (7-5-5-7)-Defekt inder Seitenwand einer Nanoröhre.

Nanoröhren lassen sich überOxidation undnachfolgende Ver-esterung oderAmidierung derCarboxylgruppenchemisch modifizieren.

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tigen Gruppen (insbesondere Carboxylfunktionen) deko-riert sind. Unter milderen Oxidationsbedingungen, z.B. demKochen in Salpetersäure, lässt sich die Verkürzung derRöhren minimieren. Die Modifikation beschränkt sich danngrößtenteils auf die Öffnung der Röhrenenden, sowie dieBildung funktioneller Gruppen an Defekten innerhalb derSeitenwände. So behandelte Nanoröhren bewahren im we-sentlichen ihre ursprünglichen elektronischen und mecha-nischen Eigenschaften [7].

Die oxidativ eingeführten Carboxylgruppen sind einenützliche Ausgangsbasis zur weiterführenden Modifikation,da sie die kovalente Kopplung von Molekülen oder Nano-partikeln durch Knüpfung von Amid- oder Esterbindungengestatten (Abbildung 8). Auf diese Weise konnten Nan-oröhren mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Funk-tionalitäten, oftmals über bifunktionelle Moleküle (z.B. Dia-mine) als Verbindungsstücke, versehen werden. Nennens-werte Beispiele sind Nanoröhren, die mit Dendrimeren, Nukleinsäuren, Enzymen, Metallkomplexen, Nanopartikelnaus Halbleitern (z.B. CdSe) oder Metallen (z.B. Au) aus-gestattet sind.

Durch die Carboxylgruppen lassen sich ferner dieRöhrenenden über die Bildung eines Anhydrids miteinan-

der verknüpfen, wodurch Ringe aus Nanoröhren zugänglichwerden [8].

Die Gegenwart der (modifizierten) Carboxylgruppenführt zu einer Verringerung der van-der-Waals-Wechselwir-kungen zwischen den Nanoröhren, wodurch sich die Bün-del verhältnismäßig einfach in einzelne Röhren auftrennenlassen. Durch Anbringen geeigneter Gruppen lässt sich zu-dem eine hohe Löslichkeit der Nanoröhren in Wasser oderorganischen Lösungsmitteln erreichen, welche eine Wei-terverarbeitung der Röhren im Rahmen potentieller tech-nischer Anwendungen ermöglicht. Eine sehr gute Wasser-löslichkeit von mehreren zehntel Gramm pro ml lässt sichz.B. durch die Kopplung hydrophiler Polymere wie Poly-(ethylenglykol) (PEG) erzielen [9]. Nanoröhren mit einerguten Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln werdendurch kovalente oder ionische Bindung von langkettigenaliphatischen Aminen an die Carboxylgruppen erhalten.

Additionsreaktionen an der SeitenwandDie oxidative Einführung von Carboxylgruppen und nach-folgende Knüpfung von Amid- oder Esterbindungen gestat-tet zwar eine stabile Modifikation der Nanoröhren, jedochhaben derartige Funktionalisierungen nur einen geringen

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Einfluss auf die elektronischen und mechanischen Eigen-schaften der Röhren. Im Gegensatz dazu erlauben Additi-onsreaktionen ein direktes Anbringen von funktionellenGruppen an das Kohlenstoffgerüst. Mittlerweile ist eineganze Vielzahl von Additionsreaktionen zur kovalenten Mo-difizierung der (Außen-)wand dokumentiert, wovon diewichtigsten in Abbildung 9 zusammengestellt sind. Die Er-zeugung der erforderlichen reaktiven Spezies (Atome, Ra-dikale, Carbene oder Nitrene) erfolgt meist auf thermischemWege.

Während in den anfänglichen Untersuchungen zur Ad-dition an die Seitenwand nur ein bis drei Gruppen pro 100Kohlenstoffatomen in den Produkten gefunden wurden, er-zielen neu entwickelte Verfahren einen Funktionalisie-rungsgrad von deutlich über 10%. Der genaue Additions-mechanismus ist hierbei oftmals noch ungeklärt. Im Prin-zip kann die Addition sowohl an der intakten Seitenwandstattfinden als auch an Defektstellen, von denen die Reak-tion dann fortschreitet. Für die Mehrzahl der in Abbildung9 aufgeführten Reaktionen ist es Gegenstand aktueller Un-tersuchungen, zu welchem Anteil die beiden Möglichkeitenzur Modifikation beitragen. Im Fall der Fluorierung kanndavon ausgegangen werden, dass die direkte Addition an diedefektfreie Seitenwand dominiert, da diese Reaktion auchan Graphit exotherm verläuft. Allerdings besitzt die Fluor-addition eine nicht zu vernachlässigende Reaktionsbarriere,so dass die Reaktion erst bei erhöhter Temperatur (>150°C)erfolgt.

Analog zur Funktionalisierung der Carboxylgruppenführt auch die direkte kovalente Verankerung von Gruppenan die Seitenwände zu einer Erhöhung der Löslichkeit derRöhren. Die gute Löslichkeit von Nanoröhren, die mit or-ganischen Gruppen versehen sind, kann für eine effektiveReinigung der Röhren ausgenutzt werden [10]. In diesemVerfahren werden zunächst kleinere Partikel mittels Chro-matographie oder Filtration aus der Lösung separiert unddann die Gruppen durch eine thermische Behandlung vonden Nanoröhren entfernt. Diese Abspaltung erfordert in derRegel Temperaturen oberhalb 250°C, Bedingungen unterwelchen die strukturelle Integrität der Seitenwände weit-gehend wiederhergestellt wird.

Substitutionsreaktionen an fluorierten Nanoröhren

Die Fluoratome in fluorierten Kohlenstoff-Nanoröhren kön-nen verhältnismäßig leicht durch nukleophile Substitutionersetzt werden. Hieraus ergeben sich vielfältige Möglich-keiten zur Ausstattung der Röhrenwand mit funktionellenGruppen (Abbildung 10). Nukleophile Reagenzien, die er-folgreich für eine solche Substitution verwendet wurden,sind Alkohole, Amine, sowie Grignard- oder Alkyllithium-Verbindungen. Auf diesem Wege können bis zu 15% derKohlenstoffatome der Seitenwand mit einem organischenRest versehen werden. Der Einsatz eines bifunktionellenReagenzes (z.B. ein α,ω-Diamin mit einer ausreichend lan-

gen Kohlenstoffkette) ermöglicht zudem eine kovalente Ver-netzung der Nanoröhren miteinander.

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… durch nukleo-phile Substitu-tionsreaktionen.

(Potentielle) Anwendung Aufgabe der kovalent gebundenen Gruppen

nanostrukturierte elektronische lokale Modifikation der elektronischenBauelemente, z.B. Nanodioden Bandstruktur

(Bio-)chemische Sensoren selektive chemische Wechselwirkung mit Analytmolekülen

Trägermaterial für Katalysatoren Verankerung von Molekülen oder Metallpartikeln

mechanisch verstärkte chemische Kopplung mit einer MatrixVerbundmaterialien

chemisch sensitive Spitzen für die selektive chemische WechselwirkungRastersondenmikroskopie mit Oberflächen

Feldemission Erniedrigung der Austrittsarbeit für Elektronen an den Röhrenenden

Nanofiltration Kontrolle des Zutritts von Molekülen oder Ionen durch sterische Effekte oder Coulomb – Wechselwirkungen

künstliche Muskeln mechanische Stabilisierung von Nanoröhren-Filmen durch kovalente Vernetzung

kontrollierte Freisetzung oder Biokompatibilität, ErkennungEinschleusung von Medikamenten biologischer Muster

Pharmakologie Hemmung von Enzymen oder Blockierungvon Ionenkanälen in der Zellmembran

gerichtetes Zellwachstum auf spezifische Wechselwirkung mit Oberflächen (z.B. von Nervenzellen) Zelloberflächen

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AnwendungenDie Fortschritte in der Entwicklung von chemischen Me-thoden zur Funktionalisierung von Kohlenstoff-Nanoröhrenim Verlauf der letzten 2-3 Jahre haben viele zusätzliche An-wendungsperspektiven eröffnet. Die kovalent gebundenenGruppen übernehmen hierbei spezifische Aufgaben, dievon den unveränderten Röhren nicht oder nur in einemwesentlich geringeren Ausmaß erfüllt werden können (Ta-belle 2). Von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeitenwerden im folgenden fünf im Detail vorgestellt.

TransistorenFür viele elektronische Anwendungen ist die Verfügbarkeitvon Ensembles aus Nanoröhren mit einheitlichem elektri-schen Charakter von Bedeutung. Während z.B. für elektri-sche Abschirmungen Nanoröhren mit metallischer Leit-fähigkeit wünschenswert sind, werden für Transistorbau-elemente ausschließlich halbleitende Nanoröhren benötigt.Momentan existiert jedoch kein Syntheseverfahren, das ei-ne verlässliche Kontrolle über die elektrischen Eigenschaf-ten der erzeugten Röhren gestattet. Die anfallenden Pro-dukte sind immer eine Mischung aus metallischen undhalbleitenden Röhren. Als Ausweg wurden daher Metho-den zur Trennung der beiden Sorten entwickelt. Hierfürkann man sich die unterschiedliche Konzentration an freibeweglichen Ladungsträgern in den Röhren zunutze ma-chen: In einem angelegten elektrischen Wechselfeld werdendie metallischen Röhren aufgrund ihrer leichteren elektro-nischen Polarisierbarkeit vorzugsweise ausgerichtet und inden Bereich höchster Feldstärke gedrängt, während diehalbleitenden Röhren abgestoßen werden [11]. Ein bedeu-

tender Nachteil dieser auf Wechselfeld-Elektrophorese ba-sierenden Methode ist die Begrenzung auf sehr geringe Materialmengen.

Chemische Trennverfahren, die sich z.B. die unter-schiedliche Löslichkeit der Röhren nach Dotierung mit ei-nem Elektronenakzeptor zunutze machen, sind hier vonVorteil, da sie auf einen größeren Maßstab übertragbar sind.Mit den derzeit zur Verfügung stehenden chemischen Me-thoden lässt sich jedoch nur eine teilweise Anreicherung ei-ner Röhrensorte erreichen [12].

Eine Alternative zur Auftrennung besteht darin, gezieltdie metallischen Röhren innerhalb eines elektrisch kontak-tierten Ensembles zu zerstören. Dies gelingt z.B. durch An-legen einer zunehmenden elektrischen Spannung, bis diemetallischen Röhren aufgrund des hohen Stromflusses undder daraus resultierenden Erwärmung durchbrennen [13].Während dieses Verfahren gute Ergebnisse für einzelneNanoröhren liefert, lässt es sich nur eingeschränkt auf Pro-ben anwenden, die aus Bündeln bestehen, da in diesen me-tallische und halbleitende Röhren eng benachbart vorlie-gen. Hier bieten chemische Methoden einen eleganten Aus-weg, allerdings unter der Voraussetzung, dass eine Mög-lichkeit zur Reaktionskontrolle gefunden wird. Dieses Zielkann elektrochemisch erreicht werden, wobei man sich zu-nutze macht, dass die elektrische Leitfähigkeit der halblei-tenden Röhren durch ein externes elektrisches Feld unter-drückt werden kann. Unter diesen Bedingungen kommt eszur selektiven Modifizierung der metallischen Röhren, danur diese den erforderlichen Stromfluss tragen können (Ab-bildung 11). Hierfür werden Arylradikale durch elektro-chemische Reduktion eines Aryldiazoniumsalzes erzeugtund in einer Dichte an die Röhrenwände gekoppelt, dieausreicht, um die metallischen Nanoröhren isolierend zumachen. Somit erhält man eine rein halbleitende Probe, de-ren elektrische Leitfähigkeit über mehrere Größenord-nungen durch eine Steuerelektrode kontrolliert werdenkann [14]. Die hoch reaktiven Radikale werden bei diesemVerfahren ausschließlich dort gebildet, wo eine Reaktionerwünscht ist, d.h. an der Grenzfläche zwischen Elektro-lyt und den metallischen Röhren. Die metallischen Röhrenweisen nach der elektrochemischen Modifizierung eine Beschichtung auf, die von einer Polymerisation der Radi-kale herrührt. Die Dicke dieser Schicht kann auf ein-fache Weise über die Dauer des angelegten Potentials kon-trolliert werden, wobei Dicken von bis zu 10 nm erreich-bar sind.

Eine homogene Beschichtung mit Polymerfilmen ein-stellbarer Dicke gelingt mittels Elektropolymerisation vonaromatischen Aminen. Aufgrund der geringeren Reaktivitätder dabei gebildeten Radikalkationen kommt es jedoch zukeiner kovalenten Kopplung zur Seitenwand der Röhren.Durch Einsatz von Aminen mit unterschiedlichen Substitu-tenten gelangt man so zu ultradünnen, elektrisch leitfähigenDrähten mit einer Umhüllung, deren Oberflächeneigen-schaften gezielt einstellbar sind, beispielsweise zwischenausgeprägt hydrophil zu stark hydrophob.

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Ausgehend von einer Mischung aus metallischen und halbleitenden Nanoröhrenwerden über eine selektive elektrochemische Modifikation gezielt die metallischenRöhren modifiziert. Die nicht veränderten halbleitenden Röhren dienen zur Erzeu-gung eines Transistors.

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Chemische SensorenDie Tatsache, dass sämtliche Atome in Kohlenstoff-Nano-röhren Oberflächenatome sind, macht die Röhren opti-mal geeignet als Komponenten von chemischen Sensoren.Aus Nanoröhren sind empfindliche Gassensoren hergestelltworden, welche gegenüber handelsüblichen Sensoren ausklassischen Halbleitermaterialien den Vorteil haben, beiRaumtemperatur betrieben werden zu können [15]. Als not-wendige Voraussetzung müssen die nachzuweisenden Mo-leküle eine ausgeprägte Tendenz zur Elektronenaufnahmeoder -abgabe aufweisen, was beispielsweise von Ammoni-ak (NH3) als Donor und Stickstoffdioxid (NO2) als Akzep-tor erfüllt wird. Die Adsorption dieser Moleküle auf denNanoröhren ist mit einem (partiellen) Ladungstransfer ver-bunden, der eine Änderung der Konzentration freier La-dungsträger in den Röhren bewirkt. Die daraus resultie-rende elektrische Widerstandsänderung wird als Sensor-signal genutzt. Zur Detektion von nur schwach adsorbie-renden Molekülen (z.B. Kohlenmonoxid oder Wasserstoff)hingegen ist das Ausmaß der Ladungsverschiebung zu ge-ring, um eine nennenswerte Widerstandsänderung derRöhren herbeizuführen. Eine mögliche Abhilfe schafft dieModifizierung der Röhrenwand mit Nanopartikeln aus ei-nem geeigneten Metall. So gelangt man durch Anbringenvon Palladium-Nanopartikeln mittels Elektrodeposition oderdirektes Bedampfen der Röhren zu Sensoren, die bei Raum-temperatur ein schnelles Ansprechen und eine gute Emp-findlichkeit gegenüber Wasserstoff zeigen (Abbildung 12).Die Palladiumpartikel haben die Funktion, den Wasserstoffaufzunehmen und in Atome zu spalten, welche im Gegen-satz zu den Wasserstoffmolekülen Elektronen auf die Nano-röhre übertragen können. Die praktische Anwendung die-ser Sensoren ist jedoch durch eine geringe Kompatibilitätgegenüber Luft eingeschränkt, da es aufgrund der Oxidationder Wasserstoffatome unter Bildung von Wasser zu einerdeutlichen Signalverringerung kommt. Andererseits lässtsich durch Sauerstoffzufuhr über denselben Mechanismusder Ausgangswiderstand wiederherstellen, so dass der Sen-sor erneut eingesetzt werden kann.

In neueren Arbeiten gewinnt zunehmend das Ziel anInteresse, Nanoröhren für einen selektiven Nachweis vonin Lösung befindlichen Substanzen einzusetzen. Zu diesemZweck werden die Röhrenwände mit Nukleinsäuren, Pro-teinen, Enzymen oder anderen Molekülen mit spezifischerErkennungsfunktion ausgestattet. Ein Beispiel hierfür ist dieKopplung des Enzyms Glucoseoxidase an einzelne halblei-tende Nanoröhren zum Aufbau eines Biosensors, der dieAnwesenheit von Glucose anzeigt [16]. Obwohl derartigeSensoren halbwegs reproduzierbares Verhalten zeigen, istder Mechanismus der Widerstandsänderung noch weitge-hend ungeklärt.

Heterogene KatalyseAktivkohle, ein Kohlenstoffmaterial mit einer hohen spezi-fischen Oberfläche, findet seit längerer Zeit technische An-wendung als Träger in der heterogenen Katalyse. Gegen-

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Aufbau eines Wasserstoffsensors aus einer Nanoröhre, die mit Nanopartikeln ausPalladium dekoriert ist (links). Bei Kontakt mit Wasserstoff ändert sich der elektri-sche Widerstand (rechts).

… für katalytische Anwendungen.

über Aktivkohle bieten Kohlenstoff-Nanoröhren den Vor-teil einer besser definierten Morphologie und chemischenZusammensetzung sowie die Möglichkeit, Katalysatorendurch kovalente Bindung fest an die Oberfläche zu veran-kern. Die Eignung einschaliger Nanoröhren als Träger vonkatalytisch aktiven molekularen Funktionseinheiten wurdeanhand der kovalenten Kopplung eines organischen Vana-dylkomplexes erfolgreich demonstriert (Abbildung 13) [17].So modifizierte Röhren gestatten eine Katalyse der Cyano-silanylierung von Aldehyden.

Mechanisch verstärkte VerbundmaterialienKohlenstoff-Nanoröhren besitzen eine außerordentlich ho-he mechanische Zugfestigkeit, welche die eines Stahldrahtsentsprechender Dicke um ca. das zehnfache übertrifft. Auf-grund dieser Eigenschaft sowie ihres großen Längen/Durch-messer-Verhältnisses und ihrer geringen Dichte (ein sech-stel der Dichte von Stahl) sind Nanoröhren ein vielver-sprechendes Füllmaterial zur mechanischen Verstärkungvon Werkstoffen. Von entscheidender Bedeutung ist dabeidas Erzielen einer guten Adhäsion zwischen der Matrix undeinzelnen Röhren, welche eine effektive Übertragung dermechanischen Belastung auf die Röhren gewährleistet. Hier-für kommt insbesondere eine kovalente Kopplung zwischenMatrix und Röhren in Betracht. Eine optimale Dichte an

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funktionellen Gruppen auf den Röhren ist dann gegeben,wenn gerade eine ausreichende Zahl an Bindungsmöglich-keiten zur Matrix bereitgestellt wird, ohne dabei die me-chanische Stabilität der Röhren zu beeinträchtigen. Die Ent-wicklung von Funktionalisierungsmethoden, welche die-sem Kompromiss gerecht werden, ist Gegenstand aktuellerUntersuchungen. Ein erfolgversprechender Ansatz zur Ver-stärkung organischer Polymere besteht in der Synthese derPolymermatrix ausgehend von einem an die Röhren ge-bundenen Initiator [18]. Auf diese Weise lässt sich z.B. dieradikalische Polymerisation von Methacrylsäureestern aufden Nanoröhren verwirklichen (Abbildung 14). Das Ver-fahren einer von der Röhrenoberfläche ausgehenden Poly-merisation zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus,

da auf der Basis eines geeigneten Initiators eine breite Span-ne unterschiedlicher Polymere angebracht werden kann.

Spitzen für die RastersondenmikroskopieDie Rasterkraftmikroskopie, in welcher eine feine Spitzezur Abtastung einer Oberfläche verwendet wird, hat sich zueinem der wichtigsten Verfahren der Oberflächenanalyseentwickelt. In diesem Anwendungsbereich verspricht derEinsatz von Spitzen aus Kohlenstoff-Nanoröhren einengroßen Spielraum für Verbesserungen. Zum einen gestattetder Röhrendurchmesser von nur wenigen Nanometern ei-ne sehr gute laterale Auflösung, zum anderen ermöglichtdas große Längen/Durchmesser-Verhältnis eine optimaleUntersuchung von tiefen Oberflächenprofilen (z.B. Grä-ben). Darüber hinaus gewährleistet die elastische Verbie-gung der Röhre bei Kontakt mit der Oberfläche eine scho-nende Abbildung. Durch chemische Funktionalisierung derRöhrenenden eröffnet sich als zusätzliche Perspektive einchemischer Kontrast, der auf spezifischen chemischenWechselwirkungen mit unterschiedlichen Oberflächenbe-reichen beruht. Eine geeignete Ausgangsbasis zur Herstel-lung von Spitzen mit chemischer Sensitivität sind periphe-re Carboxylgruppen, die mit geeigneten Resten versehenwerden können (Abbildung 15). Zur chemischen Kartie-rung von Oberflächen mit Hilfe funktionalisierter Nano-röhren können sowohl Säure/Base- als auch van-der-Waals-Wechselwirkungen herangezogen werden [19].

Zusammenfassung Laborübliche Mengen an Kohlenstoff-Nanoröhren sind mitt-lerweile erschwinglich und es stehen effektive Verfahren zuihrer Reinigung zur Verfügung. Ihr Anwendungsspektrum er-fährt durch die zur Verfügung stehenden Methoden zur che-mischen Funktionalisierung eine erhebliche Bereicherung. Ob-wohl sich bereits mehrere Reaktionstypen für den Einsatz inder Nanoröhren-Forschung etabliert haben, besteht noch er-heblicher Klärungsbedarf hinsichtlich des Reaktionsmecha-nismus und der Struktur der modifizierten Röhren. Von Inter-esse ist ferner die Frage, inwieweit die chemische Reaktivitätvon der detaillierten Struktur der Röhren abhängt. Die weite-re Entwicklung dieses faszinierenden Gebiets wird u.a. davonabhängen, ob spezifische Synthesemethoden für Nanoröhrenmit gewünschter Struktur gefunden werden können.

SummaryCarbon nanotubes are nowadays commonly used in labora-tories due to their availability in affordable quantities and thepresence of effective purification methods. Their applicationspectrum can be broadened through a variety of recently de-vised chemical functionalization schemes. Although many ofthese reactions have become well-established in nanotuberesearch, the details of the reaction mechanisms and thestructure of modified nanotubes remain to be unravelled. Ofparticular interest is the dependence of the chemical reac-tivity on the detailed structure of the nanotubes. Further developments in this fascinating field will depend on whether

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Das geöffnete Ende einer Nanoröhre ist mit funktionellen Gruppen für die chemischsensitive Rasterkraftmikroskopie ausgestattet.

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… ausgehend von einem Initiator, der kovalentan eine Nanoröhre fixiert ist.

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specific synthesis methods for nanotubes of a desired struc-ture can be realised.

SchlagworteGraphit, Kohlenstoff-Nanoröhren, Sensoren, Katalyse, che-mische Funktionalisierung, Elektrochemie

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Die AutorenKannan Balasubramanian, geboren 1978, studierteInformatik am Birla Institute for Technology andScience in Indien. Von 1997 an arbeitete er für zweiJahre als Wissenschaftler am Daimler-BenzForschungszentrum in Indien. Nach Abschluss seinesMasters in Elektrotechnik an der Universität-Gesamthochschule Kassel im Jahr 2001 begann erseine Promotion am MPI für Festkörperforschung,welche sich u.a. mit der chemischen Modifizierungvon Kohlenstoff-Nanoröhren befasst.

Marko Burghard, Jahrgang 1967, studierte Chemieund Biochemie an den Universitäten Stuttgart undTübingen. Seine Promotion schloss er 1996 an derUniversität Tübingen ab. Seit 1996 forscht er amMax-Planck-Institut für Festkörperforschung inStuttgart; seine Arbeitsgebiete sind dünne organi-sche Schichten sowie die elektrischen und optischenEigenschaften unterschiedlicher Arten von Nano-drähten.

Korrespondenzaddresse:Dr. Marko Burghard,Max-Planck-Institut für Festkörperforschung,Heisenbergstrasse 1, D70569 StuttgartTel. +49-711-689 1448; Fax +49-711-689 [email protected]