Funktion_Wetterradar

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Wetterradar Der von einem engagierten Grazer Bürgerkomitee im Jahr 1888 errichtete Aussichtsturm "Hilmwarte" im Grazer Leechwald beherbergt seit 1986 ein hochwertiges Forschungsinstrument samt dem darum agierenden Team (Arbeitsgruppe für Radartechnik und Mikrowellenausbreitung des Instituts für Angewandte Systemtechnik) und konnte dermaßen nutzbringend revitalisiert und vor dem schon drohenden Abbruch bewahrt werden. Beim Forschungsinstrument handelt es sich um ein speziell ausgestattetes Wetterradar für die Messung der Art, Intensität und Feinstruktur von Niederschlägen in der Troposphäre, also der untersten Atmosphärenschicht bis etwa 15 km Meereshöhe. Das Funktionsprinzip dieses Wetterradars ist denkbar einfach, es werden wie bei jedem Radar speziell geformte Hochfrequenzimpulse mit einer Parabolantenne gerichtet ausgesandt und die an den Niederschlagspartikeln entstehenden Echos wieder aufgefangen und verarbeitet. Die Schwierigkeiten liegen eher in der technischen Umsetzung des Prinzips, sind doch z. B. die Echostärken um den Faktor 10 18 kleiner als die ausgesandten Signale, oder müssen ohne Unterbrechung jede Sekunde 2 Millionen Bytes an Messdaten erfasst, verarbeitet, gespeichert und präsentiert werden. Besondere Merkmale des Hilmwarte-Radars sind die Fähigkeit, Signale verschiedener Polarisationen zu senden und zu empfangen (wichtig für die Messung der Feinstruktur, z. B. Orientierung der Niederschlagspartikel im Raum), sowie die kontrollierte Frequenzänderung von einem zum anderen gesendeten Impuls, wodurch das Radar ohne Genauigkeitsverlust rund neunmal so schnell messen kann wie herkömmliche Wetterradars. Dieses "doppelt polarisierte, frequenzagile C-Band-Wetterradar" wurde durch die Arbeitsgruppe im Auftrag der ESA zwischen 1980 und 1986 entwickelt und realisiert, und zwar mit dem Ziel, das Kernarbeitsgebiet der Gruppe Einflüsse des Wetters auf die Funkwellenausbreitung mit neuen Messmöglichkeiten, nämlich der objektiven In- situ-Messung der die Störungen verursachenden Niederschlagsstrukturen, zu bereichern. Ab 1987 konnte mit Hilfe dieses Radars eine Reihe bedeutender Projekte durchgeführt werden, in welchen das gesamte Spektrum der Wettereinflüsse auf Funkwellen, sei es für die Satellitenkommunikation oder -navigation oder für die Verbesserung der Niederschlagsmessung mittels Radar, bearbeitet wurde. Die mit diesem Radar gewonnenen bzw. weiter gewinnbaren Erkenntnisse haben zunehmend auch Bedeutung für das aktuelle Feld der Naturgefahrenforschung, werden doch mehr als 95% der Gefahrenereignisse (z. B. Hochwasser, Sturzfluten, Muren, Hangrutschungen, Felsstürze, Hagel, Lawinen) von Niederschlägen ausgelöst bzw. stehen in unmittelbarem Zusammenhang damit. Der große Vorteil der Niederschlagsmessung mittels Wetterradar ist die Flächendeckung von einem zentralen Punkt aus (ein übliches Wetterradar misst innerhalb von fünf Minuten den gesamten Umkreis bis zu 150 km Entfernung, mit einer räumlichen Detaillierung von einigen hundert Metern). Diesem Vorteil steht jedoch der Nachteil eher geringer quantitativer Genauigkeit gegenüber, welcher sich aber durch in Echtzeit erfolgende Kalibrierung der Wetterradarmessung an einem Netz fernmeldender Regenmesser am Boden auch für diesbezüglich kritische Anwendungen eliminieren lässt. Mittelfristiges Ziel ist die Weiterentwicklung dieses Radars in Richtung "Wetterradar der nächsten Generation" mit einer kürzeren Erfassungszeit für den zuvor genannten Umkreis als derzeit möglich. Es ist realistisch zu erwarten, dass ab ca. 2006 ein substantieller Markt für solche neuen Wetterradaranlagen nicht nur in Europa, sondern weltweit entsteht.

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Wetterradar Der von einem engagierten Grazer Bürgerkomitee im Jahr 1888 errichtete Aussichtsturm "Hilmwarte" im Grazer Leechwald beherbergt seit 1986 ein hochwertiges Forschungsinstrument samt dem darum agierenden Team (Arbeitsgruppe für Radartechnik und Mikrowellenausbreitung des Instituts für Angewandte Systemtechnik) und konnte dermaßen nutzbringend revitalisiert und vor dem schon drohenden Abbruch bewahrt werden. Beim Forschungsinstrument handelt es sich um ein speziell ausgestattetes Wetterradar für die Messung der Art, Intensität und Feinstruktur von Niederschlägen in der Troposphäre, also der untersten Atmosphärenschicht bis etwa 15 km Meereshöhe. Das Funktionsprinzip dieses Wetterradars ist denkbar einfach, es werden wie bei jedem Radar speziell geformte Hochfrequenzimpulse mit einer Parabolantenne gerichtet ausgesandt und die an den Niederschlagspartikeln entstehenden Echos wieder aufgefangen und verarbeitet. Die Schwierigkeiten liegen eher in der technischen Umsetzung des Prinzips, sind doch z. B. die Echostärken um den Faktor 1018 kleiner als die ausgesandten Signale, oder müssen ohne Unterbrechung jede Sekunde 2 Millionen Bytes an Messdaten erfasst, verarbeitet, gespeichert und präsentiert werden. Besondere Merkmale des Hilmwarte-Radars sind die Fähigkeit, Signale verschiedener Polarisationen zu senden und zu empfangen (wichtig für die Messung der Feinstruktur, z. B. Orientierung der Niederschlagspartikel im Raum), sowie die kontrollierte Frequenzänderung von einem zum anderen gesendeten Impuls, wodurch das Radar ohne Genauigkeitsverlust rund neunmal so schnell messen kann wie herkömmliche Wetterradars. Dieses "doppelt polarisierte, frequenzagile C-Band-Wetterradar" wurde durch die Arbeitsgruppe im Auftrag der ESA zwischen 1980 und 1986 entwickelt und realisiert, und zwar mit dem Ziel, das Kernarbeitsgebiet der Gruppe Einflüsse des Wetters auf die Funkwellenausbreitung mit neuen Messmöglichkeiten, nämlich der objektiven In-situ-Messung der die Störungen verursachenden Niederschlagsstrukturen, zu bereichern. Ab 1987 konnte mit Hilfe dieses Radars eine Reihe bedeutender Projekte durchgeführt werden, in welchen das gesamte Spektrum der Wettereinflüsse auf Funkwellen, sei es für die Satellitenkommunikation oder -navigation oder für die Verbesserung der Niederschlagsmessung mittels Radar, bearbeitet wurde. Die mit diesem Radar gewonnenen bzw. weiter gewinnbaren Erkenntnisse haben zunehmend auch Bedeutung für das aktuelle Feld der Naturgefahrenforschung, werden doch mehr als 95% der Gefahrenereignisse (z. B. Hochwasser, Sturzfluten, Muren, Hangrutschungen, Felsstürze, Hagel, Lawinen) von Niederschlägen ausgelöst bzw. stehen in unmittelbarem Zusammenhang damit. Der große Vorteil der Niederschlagsmessung mittels Wetterradar ist die Flächendeckung von einem zentralen Punkt aus (ein übliches Wetterradar misst innerhalb von fünf Minuten den gesamten Umkreis bis zu 150 km Entfernung, mit einer räumlichen Detaillierung von einigen hundert Metern). Diesem Vorteil steht jedoch der Nachteil eher geringer quantitativer Genauigkeit gegenüber, welcher sich aber durch in Echtzeit erfolgende Kalibrierung der Wetterradarmessung an einem Netz fernmeldender Regenmesser am Boden auch für diesbezüglich kritische Anwendungen eliminieren lässt. Mittelfristiges Ziel ist die Weiterentwicklung dieses Radars in Richtung "Wetterradar der nächsten Generation" mit einer kürzeren Erfassungszeit für den zuvor genannten Umkreis als derzeit möglich. Es ist realistisch zu erwarten, dass ab ca. 2006 ein substantieller Markt für solche neuen Wetterradaranlagen nicht nur in Europa, sondern weltweit entsteht.

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