Fußball und Politik

11
Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz Bachelor of Arts Kulturwissenschaft Wintersemester !"#$!"% & ___________________________________________________________________ 'Wir leben in (eutschland) (a ist m sein Land)* +atriotismus, ationalismus ./olle/tive0 1den von sozialen 3ro4erei5nissen am Beispiel von 6 und -Weltmeisterschaften ____________________________________________________________________ "%)" 1nter/ulturelle Wahrnehmun5) (imensionen /ultureller 1dentität zwischen 8elbst- und 6remdver (r) phil) 9ohannes Berchem _________________________________________________ Anne :ichel ;) 8emester Kulturwissenschaft 8chleswi5er 8tra4e #!, #"!; Wuppertal :atri/elnummer< ""!""== 7-:ail< amichel>uni-/oblenz)de ?elefon< !"%;@ ;%"%

description

Ein Einblick in die Zusammenhänge

Transcript of Fußball und Politik

Universitt Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Bachelor of Arts Kulturwissenschaft

Wintersemester 2014/2015

______________________________________________________________________

Wir leben in Deutschland. Da ist man stolz auf sein Land.

Patriotismus, Nationalismus & (kollektive) Identitt im Kontext von sozialen Groereignissen am Beispiel von Fuball-Europa und -Weltmeisterschaften

______________________________________________________________________

15.1 Interkulturelle Wahrnehmung.

Dimensionen kultureller Identitt zwischen Selbst- und Fremdverstehen

Dr. phil. Johannes Berchem_________________________________________________Anne Michel

7. Semester Kulturwissenschaft

Schleswiger Strae 40, 42107 Wuppertal

Matrikelnummer: 211201199

E-Mail: [email protected]: 015786751562

Die Fuball-WM in Brasilien ist nun etwas mehr als ein halbes Jahr vorbei, das Fahnenmeer ist abgeebbt. Allerdings bleiben viele Erinnerungen an dieses soziale und sportliche Groevent, bei dem unsere Jungs als Weltmeister vom Platz gingen. Es war beinahe unmglich die WM nicht wahrzunehmen. berall fanden Public Viewings statt, die deutschen Nationalfarben schwarz, rot und gold strahlten einen an jeder Ecke an: Sei es auf der Strae, im Bus, in der Mensa, im Supermarkt, beim Bcker - die Totschlandisierung erfasste im Sommer des letzten Jahres alles und jeden.

Was genau steht eigentlich hinter dieser Schlandisierung, die uns alle zwei Jahre, sei es bei WM oder EM, begegnet? Es geht hier doch immer noch um Fuball! Oder doch nicht? Steht hier vielleicht mehr dahinter als nur unsere Jungs anzufeuern?

Zunchst einmal stellt Thomas Blum, wenn auch bissig und sarkastisch formuliert, dennoch nicht weniger treffend, in seiner Feuilleton-WM-Kolumne fest:

Der Hersteller wei: Mit Scheie ist mehr Umsatz zu machen, wenn man ein Deutschlandfhnchen hineinsteckt und sie in Top-Gewinner-Scheie bzw. Offizielle Scheie der deutschen Nationalself umbenennt.

Doch was bewegt Menschen dazu, diese Produkte, seien es der Spl-Fhrer, Deutschland Burger, Flaggen, Masken, Hte, etc. gekleidet von den Nationalfarben, Weltmeister Kartoffelsalat oder hnlich Absurdes zu kaufen?

Auch Philip J. Dingeldey geht in seinem Text Faschistoider Fuball auf dieses Phnomen ein und sieht diesen sakralen Warenfestisch des Fuballs als ein totalitres Moment, welches vom Fuball, besonders whrend eines groen Events wie eben einer EM oder WM, ausgeht. Neben vielen weiteren Folgen dient die Schlandisierung der apolitischen Ablenkung von politischen, sozialen und kulturellen Missstnden und Konflikten. Whrend dieser WM war es beispielsweise ein Ablenken von einer Gesetzesnderung der deutschen Asylpolitik. Mit anderen Worten: Die Fuball E- und WM fungieren als Opium fr das Volk. In seinem Text vertritt Dingeldey die These, dass Fuballmeisterschaften ein Aufkommen faschistoider Elemente bedingen, welche implizit sind und vom Groteil der Bevlkerung als legitim aufgefasst werden. Neben eben jenem sakralen Warenfetisch gehren laut Dingeldey auch Nationalismus bzw. Rassismus und das Kreieren einer personalen, aber auch kollektiven Identitt auf Kosten Anderer dazu. Diese Aspekte werden im Folgenden behandelt und erlutert werden. Grtenteils arbeite ich hier mit Zeitungsartikeln, einige aus der Zeit der EM des Jahres 2012, doch nicht weniger aktuell, andere aus dem Jahr 2014, whrend oder nach der WM verfasst, da ich denke, dass so eine mglichst gute Perspektive auf das aktuelle Zeitgeschehen und zeitnahe Meinungen zu Fuball-Events eingefangen werden knnen.

Mit Hilfe von Artikeln von unter anderem von Markus C. Schulte von Drach, welcher bereits am 29. Juni 2012, also zu Zeiten der letzten EM auf Sddeutsche.de verffentlicht wurde, aber keinesfalls an Aktualitt verloren hat, sowie eines Textes von Dagmar Schediwy, die schon in Schulte von Drachs Text zu Wort kommt, weiteren Text aus Online-Zeitungen und auch -Funk, auerdem jeweils eines Textes von Wolfgang Kaschuba und Werner Schiffauer, werde ich die oben gestellten Fragen zu beantworten versuchen und hierbei auch auf die Konstrukte von Patriotismus, Nationalismus, (kollektiver) Identitt und in kurzen Zgen deren soziale Gefahren hinsichtlich Integration von MigrantInnen eingehen.

Viele PolitikerInnen, so beispielsweise Philipp Mifelder, Vorsitzender, und Dorothee Br, seine Stellvertreterin, von der Jungen Union, knnen die Fahnenmeere, sei es whrend W- oder EM nur gutheien. Sie assoziieren mit dem stolzen Zeigen der Nationalfarben Verbundenheit zum deutschen Vaterland und sehen die Flagge als Symbol der nationalen Identitt. Des Weiteren wird von PolitikerInnen oft ein unverkrampfter und harmloser Patriotismus seitens der Fuballfans gelobt. Kritik an dieser Praxis, wie sie beispielsweise der Bundesverband der Grnen Jugend uert (Patriotismus? Nein danke), wird, wie hier beschrieben, sofort abgewehrt.

Doch kann man bei diesem fahnenschwenkenden Dauerzustand noch von Patriotismus reden oder geht die Tendenz nicht vielmehr in Richtung Nationalismus?

Schulte von Drach zitiert hier Wilhelm Heitmeyer (Institut fr interdisziplinre Konflikt- und Gewaltforschung der Universitt Bielefeld): Im Kern hneln sich sowohl Patriotismus, als auch Nationalismus. Beide Konzepte drehen sich um die Identifikation mit dem Heimatland. Der Patriot allerdings sei vordergrndig auf Demokratie und soziale Errungenschaften, der Nationalist auf seine Herkunft und die Geschichte seines Landes stolz. Ebenso steht beim Nationalismus ein Vergleich mit und eine Abwertung der Anderen im Mittelpunkt.

Bei der Unterscheidung von diesen beiden Begriffen mchte ich an dieser Stelle noch ein wenig verharren und sie genauer betrachten. Nationalismus sowie Patriotismus werden von Hans Vorlnder als sowohl Gefhle der Zugehrigkeit und Verbundenheit, Formen, in denen Personen ber ihr Zusammenleben verhandeln und auch politischen Begriffen, ja sogar Kampfbegriffen beschrieben. Im Fokus steht hier immer eine Gruppe, ein Wir. Dieses Wir, das nationale Wir-Gefhl, wird im Fuball erlebt und auch demonstriert: Durch das Mitsingen der Nationalhymne, das Bejubeln der Mannschaft auf dem Feld bzw. das Grhlen und Feiern beim Public Viewing und auch dem Schwenken von schwarz-rot-goldenen Fahnen und dem Tragen nationaler Insignien. Nationalismus und Patriotismus machen also deutlich, dass Personen sich einer bestimmten Gruppe Menschen zugehrig fhlen und eben keiner anderen. Nationalismus und Patriotismus haben also ein Innen und ein Auen, stellt Vorlnder fest. Das Innen bedeutet fr die Angehrigen Integration, Solidaritt und Verbundenheit. Das Auen definiert, wer die Anderen sind und stigmatisiert diese im schlimmsten Fall zum Feind. Wo wir auch beim Punkt Kampfbegriff wren.

Vom deutschen ,Hurra-Patriotismus ist landlufig die Rede - ein unzutreffender Begriff. [...] Es ist tatschlich der schiere Nationalismus, der hier um sich greift, es geht um die Erhhung des Eigenen, die Herabsetzung des Anderen, es geht um Konflikt und Krieg,

so Volker Kronenberg, Direktor am Institut fr Politische Wissenschaft und Soziologie der Uni Bonn.

Dies sei aber, so Dorothee Wieling, Professorin fr Zeitgeschichte an der Uni Hamburg, kein ausschlielich deutsches Phnomen: In ganz Europa sei nach dem 1. Weltkrieg kein Zurck zum entspannten Patriotismus mehr mglich gewesen. In Deutschland aber habe schon immer ein, mit Hinblick auf die Geschichte des Landes, schwieriges Verhltnis zum Staat bestanden. Als Lsung dieses Patriotismus-Problems fhrte man das Konzept des Verfassungspatriotismus ein, den auch Heitmeyer beschrieb. Im Fokus stehen hier die demokratischen Errungenschaften: Freiheit, Gleichheit, Solidaritt, Recht, Gerechtigkeit und Schutz. Doch wegen einiger, vor allem finanzieller Krisen, die Europa durchlaufen muss, rcken diese Werte in den Hintergrund und werden, so Heitmeyer, durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ersetzt. Da einige ihren Status sowie ihr Prestige gefhrdet sehen und Neid empfinden, werten sie andere Personen bzw. Gruppen ab, um sich so automatisch aufzuwerten. Hierzu auch noch mehr von der Berliner Sozialwissenschaftlerin Dagmar Schediwy. Sie gibt in ihrem Text Pech im Job, Glck im Spiel sozialpsychologische Erklrungsversuche fr die Schlandisierung whrend E-und WMs und erklrt, warum Menschen Stolz fr ihr Land empfinden. Die Basis allen bels, also des deutschen Fuballpatriotismus ist die Idee eines naturalisierten Nationalismus. Soll heien: Nationalstolz ist ein natrlicher Trieb, der jedem Menschen inneliegt. Schediwy befragte whrend der WM 2006 und 2010 sowie der EM 2008 die deutschen Fans und erfuhr so, dass die Motive Flagge zu zeigen meist Vaterlandsliebe und Nationalstolz sind, welche zunehmend als natrlich aufgefasst werden. Wir leben in Deutschland. Da ist man stolz auf sein Land.

Doch woher kommt dieser Stolz? Wo hat er seinen Ursprung? Schediwy argumentiert hier mit Adorno und Schopenhauer, welche den Stolz auf die Nation auf Mngel der Einzelpersonen zurckfhren. Wegen einer Abhngigkeit von konomischen Zwngen tritt eine psychische Schdigung des Selbstwertgefhls ein, welche einen kollektiven Narzissmus hervorruft. Dieser Kollektivstolz fungiert als Opium: Das in seiner Selbstliebe verletzte Individuum kann durch eben diesen kollektiven Narzissmus seine Selbstachtung zurckerlangen.

Dieser kollektive Narzissmus, so Adornos Theorie, basiert aus der Diskrepanz zwischen Ideal-Selbst und Real-Selbst bezglich des Wunsches, sich an konomische Gegebenheiten anzupassen. Soll heien: Die Erwartungen meines Chefs vs. meine Mglichkeiten, gepaart mit dem Wunsch, den Erwartungen so nahe wie mglich zu kommen bzw. sogar zu bertreffen. Hieraus resultieren Versagensngste, diesen versucht man, laut Theorie, zu entfliehen, indem man sich den kollektiven Erfolgen anderer, zum Beispiel der deutschen Nationalmannschaft, hingibt. Fuball als Opium fr das Volk, siehe Dingeldeys Theorie des faschistoiden Fuballs.

Die kompensatorische Funktion der Identifikation mit der Wir-Gruppe, die Adorno einfhrt, erklrt, die hohe emotionale Aufladung der Fuballevents. Offensichtlich werden dabei die alltglichen psychischen Befindlichkeiten in ihr Gegenteil verkehrt. Scham verwandelt sich in Stolz, die Depression erfhrt eine Metamorphose und taucht im Massenbad der Hysterie wieder auf.

Im Fokus vieler Fans auf den Fanmeilen steht, so Schediwy, die Identifikation mit einer Gruppe, deren Distinktionsmerkmal nationale Insignien darstellen, was zeigt, dass diesen Fuballfans Demokratie und soziale Errungenschaften eher unwichtig sind und ein Sprechen von Patriotismus nicht angebracht ist - Der Party-Patriotismus ist demnach nichts anderes als Nationalismus, so Heitmeyer. Sehr interessant in Schediwys Text ist auch die Theorie der sozialen Identitt von Henri Tajfel: Fr den Menschen ist es wichtig, ein so positives Selbstbild wie nur mglich zu haben. Dieses setzt sich zusammen aus der pesonalen und der sozialen Identitt. Je positiver das eigene Selbstbild erscheint, desto grer erachtet ein Mensch seinen Selbstwert. Positive Bewertungen des Selbst knnen beispielsweise durch Vergleiche und daraus resultierenden Auf- und Abwertungen anderer Personen bzw. Gruppen geschehen. Darin liegt, so Schediwy, die emotionale Attraktivitt des Fuballs: Es gibt Fremd- und Eigengruppen, das Spiel hat einen ausgeprgten Wettbewerbscharakter, es erfolgt eine soziale Distinktion, es wird ein Vergleich zwischen Eigen- sowie Fremdgruppe vorgenommen, in Form von Aufwertung der Eigen- und Abwertung der Fremdgruppe. Beim Gewinn eines Spiels wchst das Selbstwertgefhl, bei einer Niederlage wird oftmals durch eine verzerrte Wahrnehmung die Fremdgruppe abgewertet.

bertragbar ist diese Theorie auch auf die nationale Identitt: Es erfolgt eine Abgrenzung und Bewertung von Eigen- und Fremdgruppe, um eine positive Bewertung der selbstangehrenden Gruppe zu erlangen. Laut Adorno kann bei einer Fuball WM die durch konomische und sonstige Umstnde gekrnkte Selbstachtung der Menschen sogar gleich doppelt kompensiert werden: Bei einer Fuball-WM

[...] verstrken sich der kollektive Narzissmus durch die Identifikation mit der Mannschaft und derjenigen, die sich aus der Identifikation mit der Nation ergibt, gegenseitig.

Hier zeigt sich auch wieder, was Schediwy und auch Heitmeyer schon angesprochen haben: Die wenigsten der Fans auf den Fanmeilen und vor den Fernsehgerten drcken aus, wie sehr sie sich ber soziale Errungenschaften freuen und wie stolz sie auf die Verfassung sind - also Patrioten - vielmehr geht es ihnen wohl um die Aufwertung der eignen Gruppe durch Erfolge ihrer Mannschaft und, laut Adornos Theorie, das Aufplustern ihres Selbstwertgefhls.

Natrlich kann man nicht allen Fuballfans nationalistische Interessen unterstellen, viele sind auch nur MitluferInnen, jedoch wird eine gefhrlich Tendenz eingeschlagen, die auch, wie schon zu Beginn des Textes deutlich wird, von der Politik gelobt wird. Hierzu ein weiteres Zitat von Konflikt- und Gewaltforscher Heitmeyer: Derartige Thesen, bezglich tolerantem Patriotismus, seien gefhrlicher Unsinn, ein Stck Volksverdummung.

Dies kann dazu fhren, dass die eigene Identitt eng an das Herkunftsland gekoppelt wird: Man ist nicht mehr nur ein Mensch, zufllig geboren in irgendeinem bestimmten Land. Man definiert sich zum Teil ber die Nationalitt.

Dies fhrt einige schon angesprochene Gefahren, auch auerhalb des Stadions oder der Fanmeile mit sich: Beispielsweise das Aufwerten der eigenen und somit natrlich Abwerten von anderen Gruppen, beispielsweise MigrantInnen, worauf Kaschuba (Ethnische Parallelgesellschaften? Zur kulturellen Konstruktion des Fremden in der europischen Migration) und auch Schiffauer (Europische ngste - Metaphern und Phantasmen im Diskurs der Neuen Rechten in Europa) genauer eingehen. Aber auch im Kontext von Fuball kann man dieses Vorgehen im sozialen Netzwerk Twitter beobachten. Whrend dem Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die ghanaische wurden unter anderem folgende Tweets verffentlicht: Haut die Bimbos jetzt weg! #GERGHA #WM2014, #GERGHA Merke: Der Neger fhrt nicht kampflos nach Hause., Der Neger wagt sich kackendreist in den deutschen Strafraum. Das ist der Dank dafr, dass sie ohne Ketten spielen drfen. #gergha oder auch Hoffentlich sterben paar Schwarze mitten auf dem Spielfeld an AIDS. #GERGHA.

Ein solcher offener Kolonialrassismus war vor allem whrend des Spiels zwischen der deutschen und der ghanaischen Mannschaft immer wieder zu beobachten. Sklaverei-Anspielungen, rassistische Wortwitze la schwarz sehen, etc.: Nichts wurde ausgelassen. Doch laut Fankulturforscher Gunter A. Pilz, welcher die Arbeitsgruppe Fair Play des DFB leitet, sind keine problematischen Tendenzen erkennbar; Die Kommentare der deutschen Fans allerdings seien dennoch zu viel.

Pilz meint, man msse die Entgleisungen reflektiert betrachten, damit Fuball und die Nationalmannschaft nicht als Bhne fr rassistische und nationalistische Tendenzen fungieren knnen. Party-Patriotismus wre leicht instrumentalisierbar, andere, oben genannte, Gesinnungen, knnen sich hier leicht ausbreiten und andocken. Dieser Mitlufer-Effekt ist allerdings nicht nur bei Einzelpersonen, sondern auch in der Werbewirtschaft wahrnehmbar : Auch hier wird, Stichwort Totschlandisierung, das Konzept um jeden Preis dabei sein grogeschrieben, oftmals auch zu einem fragwrdigen Preis. Hier knnte man unzhlige Beispiele anfhren.

Natrlich sind die deutschen Fans und Medien nicht die einzigen, die ihre Fahnen schwingen und durch das Tragen nationaler Insignien versuchen ihr Team zu untersttzen, problematisch ist hierbei allerdings das Selbstverstndnis der Staatsbrgerschaft. Dieses wird in Deutschland hauptschlich ber Abstammung und Gene definiert und weniger, wie beispielsweise in den USA, ber den Geburtsort.

Auch Werner Schiffauer geht in seinem Text, in dem er sich hauptschlich mit dem Diskurs der Neuen Rechten in Europa beschftigt, auf den in Deutschland, wohl nicht nur in politisch-rechten Kreisen, vorherrschenden Begriff der Gemeinschaft und Gesellschaft ein. Diese wird meist als Volk betitelt. Laut einem Zitat der Partei Republikaner, auf welches sich Schiffauer hier zur Begriffsklrung bezieht, sei dieses Volk aus einer Jahrtausenden andauernden gemeinsamen Geschichte gewachsen, sowie basierend auf geistiger und auch blutsmiger Bindung der einzelnen Individueen, was ein Gemeinschaftsbewusstsein und Verbundenheit frdert und festigt. Es wird also klar aufgezeigt, dass die Abstammung der Deutschen das Wichtigste ist, kulturelle Kompetenzen werden als unwichtig erachtet.

Interessant scheint in dem Kontext, dass Identifizierung mit der Heimat Deutschland erwartet wird, egal von wem. Mglich wird dies mit Hilfe einer oftmals von rechten Kreisen angewandten Krpermetapher, die den deutschen Staat (bzw. dies scheint laut Schiffauer ein europisches Phnomen zu sein und taucht anscheinend auch in anderen europischen Staaten auf) greifbar und emotional erfahrbar machen sollen. Das wohl bekannteste Beispiel, welches hier anzufhren werde, ist Thomas Hobbes Leviathan. Die Anthropomorphisierung des Staates erlaubt es, so Schiffauer, Stolz fr ein Land zu empfinden und sich mit einem Staat, einem eigentlich abstrakten Gebilde, zu identifizieren, wie es beispielsweise auch im Zitat, welches ich als berschrift des Essays gewhlt habe, deutlich wird.

Die Metapher des Krper erlaubt es ebenso, da deutlich fhl- und vorstellbar, von einer inneren sowie ueren Grenze zu sprechen: Diese Gruppe ist Teil des Krpers und ist gesund, eine andere Gruppe stellt krankes Gewebe dar und muss abgesondert werden. Auch solche gruppenspezifischen Verhaltensmuster wurden im Text von Schulte von Drach angesprochen und teilweise beim Fuball aufgezeigt bzw. deren potentielle Gefahr thematisiert.

Zum Abschluss werde ich noch kurz auf Wolfgang Kaschubas Text eingehen, in dem er sich hauptschlich mit der ffentlichen Wahrnehmung von MigrantInnen beschftigt, welche oftmals eben als geschlossene Gemeinschaften wahrgenommen und von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt werden.

Kaschuba, der selbst Migrant ist, berichtet im Text von seiner Geschichte und wie er letztendlich in die schwbische Gesellschaft integriert werden konnte:

Doch verhalf mir schlielich die interkulturelle Grammatik des Fuballspiels zu krperlicher und sozialer Mehrsprachigkeit: Ich schoss Tore - und das war letztlich eine auch fr Schwaben akzeptable Identitt.

Doch leider kann Fuball nicht immer dieses integrationsfrdernde Moment an den Tag legen:

In diese ethnisch und kulturell angeblich homogene ,Abstammungsgemeinschaft der Deutschen finden Migranten eben kaum Zutritt, selbst wenn sie dies wollten. Die meisten von ihnen wollen jedoch verstndlicherweise wohl Brger in Deutschland werden, aber nicht gleich germanische ,Stammesangehrige - selbst nicht nach diesem wunderbaren Sommer der Fuballweltmeisterschaft.

Auch seitens der Fuballfans scheint ein hnlicher Konsens zu herrschen:

Und auch die multiethnische Zusammensetzung der Nationalelf hat keine grere Toleranz in der Gesellschaft zur Folge. Dass Kinder von Einwanderern sich fuballerisch fr Deutschland ins Zeug legen, wird zwar akzeptiert. Die Sozialwissenschaftler finden aber schlicht und einfach keine Belege dafr, dass das zugleich auch fr Migranten im gesellschaftlichen Alltag gilt.

Natrlich gehen Fuball und Nationalismus nicht immer Hand in Hand und natrlich liegt im Fuball nicht der Ursprung des Nationalismus, allerdings, vor allem wegen einer groen Gruppendynamik und faschistoider Elemente liegt ihm eine Kraft inne, die nationalistische Tendenzen frdern kann, so der Fankulturforscher Gunzer A. Pilz. Deswegen ist es wohl besonders wichtig, so wie Pilz schon ansprach, dass fragwrdiges Verhalten und kritische uerungen betrachtet und hinterfragt werden mssen, um aufkeimende nationalistische Tendenzen im Keim ersticken zu knnen, um die integrationsfrdernden Momente des Fuballs zu frdern und zu feiern.

Denn die EMs und WMs der Zukunft sollen doch ein Fest unter Freunden sein und nicht etwa unter Feinden.

Literatur:

Balzer, Anne-Sophie und Hofman, Paul (2014): Der schmale Grat zwischen Patriotismus und Nationalismus URL: http://www.zeit.de/sport/2014-06/fussball-wm-rassismus (zuletzt besucht: 09.02.2015)

Blum, Thomas (2014): Haribo macht Steinbach froh. URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/936716.haribo-macht-steinbach-froh.html (zuletzt besucht: 25.06.2014, 11:48)

Dingeldey, Philip J. (2014): Faschistoider Fuball. URL: http://www.reflexmagazin.de/2014/06/09/faschistoider-fussball/#more-12066 (zuletzt besucht: 02.11.2014)

Frschner, Joschka (2014): DFB-Elf: Zu Multikulti fr den Volksmob. URL: http://www.fussball-gegen-nazis.de/beitrag/dfb-elf-zu-multikulti-fr-den-volksmob-9512 (zuletzt besucht: 21.02.2015)Kaschuba, Wolfgang (2007). Ethnische Parallelgesellschaften? Zur kulturellen Konstruktion des Fremden in der europischen Migration. In: Zeitschrift fr Volkskunde 1/2007. 65-85.

Kaufmann, Hugo (2014): Rassistische Kommentare zu #GERGHA (Trigger-W.). URL: http://lichterkarussell.net/rassistische-kommentare-zu-gergha-trigger-w/ (zuletzt besucht: 25.06.2014, 11:55)Schiffauer, Werner (1995): Europische ngste - Metaphern und Phantasmen im Diskurs der Neuen Rechten in Europa. In: Wolfgang Kaschuba (Hg.). Kulturen - Identitten - Diskurse. Perspektiven Europischer Ethnologie. 45-63.

Schediwy, Dagmar (2012): Pech im Job, Glck im Spiel. URL: http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.html (zuletzt besucht: 30.10..2014)

Schlandwatch URL: https://www.facebook.com/schlandwatch.original?fref=ts (zuletzt besucht: 21.02.2015)

Schulte von Drach, Markus C. (2012): Fahnenmeere zur EM - Party-Patriotismus ist Nationalismus. URL: http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854 (zuletzt besucht: 25.06.2014)Simone, Rafael (2014): Rassismus und aggressiver Patriotismus zum WM-Finale. URL: http://www.fussball-gegen-nazis.de/beitrag/rassismus-und-aggressiver-patriotismus-zum-wm-finale-9582 (zuletzt abgerufen 21.02.2015)

Staud, Toralf (2012): Fuballtaumel und Fremdenfeindlichkeit. URL: http://www.sueddeutsche.de/kultur/studie-zur-fussballweltmeisterschaft-fussballtaumel-und-fremdenfeindlichkeit-1.893255 (zuletzt besucht: 20.02.2015)Vorlnder, Hans (unbekannt): Was unterscheidet Nationalismus von Patriotismus? URL: http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationalis-patriotis (zuletzt besucht: 09.02.2015)

Westhoff, Andrea und Justin (2014): Deutschland, schwierig Vaterland. URL: http://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-patriotismus-deutschland-schwierig.1148.de.html?dram:article_id=291211 (zuletzt besucht: 09.02.2015)

vgl. HYPERLINK "http://www.neues-deutschland.de/artikel/936716.haribo-macht-steinbach-froh.html" http://www.neues-deutschland.de/artikel/936716.haribo-macht-steinbach-froh.html

HYPERLINK "http://www.neues-deutschland.de/artikel/936716.haribo-macht-steinbach-froh.html" http://www.neues-deutschland.de/artikel/936716.haribo-macht-steinbach-froh.html

s. Bilder auf: https://www.facebook.com/schlandwatch.original?fref=ts

vgl. http://www.reflexmagazin.de/2014/06/09/faschistoider-fussball/#more-12066

vgl. http://www.reflexmagazin.de/2014/06/09/faschistoider-fussball/#more-12066

vgl. HYPERLINK "http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854" http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854

vgl. HYPERLINK "http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationalis-patriotis" http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationalis-patriotis

vgl. HYPERLINK "http://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-patriotismus-deutschland-schwierig.1148.de.html?dram:article_id=291211" http://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-patriotismus-deutschland-schwierig.1148.de.html?dram:article_id=291211

vgl. HYPERLINK "http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationalis-patriotis" http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationalis-patriotis

vgl. HYPERLINK "http://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-patriotismus-deutschland-schwierig.1148.de.html?dram:article_id=291211" http://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-patriotismus-deutschland-schwierig.1148.de.html?dram:article_id=291211

vgl. HYPERLINK "http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationalis-patriotis" http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nationalis-patriotis und HYPERLINK "http://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-patriotismus-deutschland-schwierig.1148.de.html?dram:article_id=291211" http://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-patriotismus-deutschland-schwierig.1148.de.html?dram:article_id=291211

vgl. ebd.

vgl. HYPERLINK "http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.html" http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.html

vgl. HYPERLINK "http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854" http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854

vgl. HYPERLINK "http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.htm" http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.htm

HYPERLINK "http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.htm" http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.htm

vgl. HYPERLINK "http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854" http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854

vgl. HYPERLINK "http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.html" http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45605.html

vgl. HYPERLINK "http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854" http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854

vgl. HYPERLINK "https://bembelblog.wordpress.com/2012/06/18/fussball-these-vom-toleranten-patriotismus-ist-gefahrlicher-unsinn-ein-stuck-volksverdummung-w-heitmeyer/" http://www.sueddeutsche.de/kultur/studie-zur-fussballweltmeisterschaft-fussballtaumel-und-fremdenfeindlichkeit-1.893255

HYPERLINK "http://lichterkarussell.net/rassistische-kommentare-zu-gergha-trigger-w/" http://lichterkarussell.net/rassistische-kommentare-zu-gergha-trigger-w/

weitere real life Beispiele vom WM-Finale: http://www.fussball-gegen-nazis.de/beitrag/rassismus-und-aggressiver-patriotismus-zum-wm-finale-9582

vgl. HYPERLINK "http://www.zeit.de/sport/2014-06/fussball-wm-rassismus" http://www.zeit.de/sport/2014-06/fussball-wm-rassismus

vgl. HYPERLINK "http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854" http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854

vgl. Schiffauer 1995, 47f.

vgl. ebd. 54

vgl. ebd. 55f.

vgl. ebd. 60

Kaschuba 2007, 65

ebd. 69

ebd. 71

Hierzu auch ein Artikel ber die Meinung einiger Neonazis bezglich der Multiethnizitt der Nationalmannschaft ihres Landes: HYPERLINK "http://www.fussball-gegen-nazis.de/beitrag/dfb-elf-zu-multikulti-f" http://www.fussball-gegen-nazis.de/beitrag/dfb-elf-zu-multikulti-fr-den-volksmob-9512

HYPERLINK "http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854" http://www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/fahnenmeere-zur-em-party-patriotismus-ist-nationalismus-1.1394854

vgl. HYPERLINK "http://www.zeit.de/sport/2014-06/fussball-wm-rassismus" http://www.zeit.de/sport/2014-06/fussball-wm-rassismus

22