G. Heym Der Gott der Stadt. Auf einem Häuserblocke sitzt er breit. Die Winde lagern schwarz um...

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G. Heym Der Gott der Stadt

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G. HeymDer Gott der Stadt

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Auf einem Häuserblocke sitzt er breit. Die Winde lagern schwarz um seine

Stirn. Er schaut voll Wut, wo fern in

Einsamkeit Die letzten Häuser in das Land verirrn.

Der Gott der Stadt

Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal, Die großen Städte knien um ihn her. Der Kirchenglocken ungeheure Zahl

Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.

Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik Der Millionen durch die Straßen laut.

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch

blaut. Das Wetter schwelt in seinen Augenbrauen. Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt. Die Stürme flattern, die wie Geier schauen

Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.

Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust. Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt

Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust Und frisst sie auf, bis spät der Morgen tagt.

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Glossar1. verirren: sich /Vb./ in die Irre gehen, sich verlaufen, vom richtigen Wege abkommen:

sich im Walde, im Gebirge, in der Wüste, auf dem Heimweg v.; hier kann man sich leicht v.; ein verirrtes Kind, Reh; umg. zufällig irgendwohin geraten: kaum ein Reisender, Auto verirrt sich in diese abgelegene Gegend; /bildl./ meine Gedanken verirrten sich ins Grenzenlose; wie konnte deine Liebe sich so weit v.?; verirrte Kugeln schwirrten durch die Luft.

2. Baal: auch Bhaal, Bel (Bēl), ist im Altertum eine Bezeichnung für verschiedene Gottheiten im syrischen und levantinischen Raum und bedeutet: Herr, Meister, Besitzer, Ehemann, König oder Gott.

3. Korybanten: Vegetationsdämonen und orgiastische Ritualtänzer, die die Kybele begleiten. Sie entstammen der griechischen Mythologie. Später wurden so auch die Priester genannt, die der Kybele mit Waffentänzen, wilder Musik, Trinkgelagen und orgiastischen Ausschweifungen huldigten. Korybantische Tänze wurden unter anderem bei den Gymnopaedien getanzt.

4. Schlot: hoher, großer Schornstein, bes. von Fabriken, Dampfern: schwarze, rauchende, qualmende Schlote.

5. Weihrauch: körniges Harz südarabischer und indischer Sträucher, das beim Erhitzen würzige, balsamische Dämpfe abgibt und in verschiedenen Religionen bei Kulthandlungen verwendet wird: W. abbrennen

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Glossar6. schwellen: (er schwillt), schwoll, ist geschwollen /vgl. geschwollen/ dick, groß werden, an Volumen zunehmen

7. Geier: großer Raubvogel

8. sträuben: sich (gegen etw.) s. sich (einer Sache) widersetzen, sich (gegen etw.) sperren, wehren.

9. Glut: glühende Masse: die G. im Ofen; die G. des Feuers

10. Qualm: der; -(e)s, -e /Pl. ungebräuchl./ dicker, starker Rauch

11. brausen: rauschend, sausend ertönen: der Wind braust um das Haus

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Baal

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Globalverständnis

Antworte stichwortartig

Wer?

Wo?

Was?

Wie?

Warum?

Wann?

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Zum Feinverständnis:

Suche Adjektive und Farben heraus, die im Gedicht vorkommen, und fülle den Raster aus. Mit welchem Gefühl sind sie verbunden?

ADJEKTIVE FARBEN GEFÜHLE

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Zum Feinverständnis

Suche im Text Adjektive und Wörter , die zur Beschreibung der Gott und der Stadt gehören und fülle die Tabelle aus.

Der Gott Die Stadt

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Zum selektiven Verständnis

Richtig oder Falsch ? Kreuze R oder F an.

Der Gott blickt wütend auf die Menschen in der Stadt R F

Er sitzt auf schwarze Türme R F

Der Gott ist die einzelne Person in der Dichtung R F

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Der Dichter

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Leben des DichtersGeorg Heym wird 1887 in Hirschberg/Schlesien

geboren. Nach dem Abitur studiert er in

Würzburg und später in Berlin Jura.

1910 wird er in Berlin in den «Neuen Club»

aufgenommen. Auf dessen Veranstaltungsreihe

«Neopathetisches Cabaret» trägt er Gedichte vor.

Ernst Rowohlt veröffentlicht seinen ersten

Gedichtband «Der ewige Tag».

Am 16. Januar 1912 verstarb Georg Heym. Er ertrank in der Havel mit

vierundzwanzig Jahren bei dem, Versuch seinem Freund und Lyriker

Ernst Balcke aus dem eingebrochenem Eis herauszuhelfen.

Heym wurde gerade wegen seines frühen Todes vielfach als Vollender des

Expressionismus betrachtet, dennoch gehört er eindeutig zum

Frühexpressionismus.

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Werke

• Lyrik

• Prosa

• Drama

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Lyrik

• Der ewige Tag (1911)

• Umbra vitae (1912)

• Marathon (postum 1914)

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Der ewige Tag

Georg Heyms Gedichtband “Der ewige Tag” gehörtzu den ersten bedeutenden Werken desExpressionismus in Deutschland. In seinen Arbeitenwerden Endzeitstimmung, düstere Weltbilder unddämonische Realität bildhaft beschrieben. DasThema sind Ängste und Unheimlichkeit. Auffälligsind seine immer wiederkehrenden Vers- undStrophenmaße, die eine formale Entschiedenheiterscheinen lassen. Seine Texte strahlen Kraft undSchwung aus.

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Der ewige Tag

• IgnisBerlin IBerlin IILaubenfestDie ZügeBerlin IIIDer HungerDie Gefangenen I Die Gefangenen IIDer Gott der StadtDie VorstadtDie Dämonen der Stadt

• UmbraDer BlindeDie Tote im WasserDer Schläfer im WaldeNach der SchlachtLouis CapetMarengoRobespierre

• Ara MortisStyxWolkenGruft (I)Die Heimat der TotenDer fliegende Holländer

• HortusAprilSonnwendtagDie RuhigenColumbusGegen NordenDer WinterDer AbendHerbstFronleichnamsprozessionDer Tag

• FlammaDer Tod der LiebendenOphelia

• DoloresDie ProfessorenDas FieberspitalDie Schläfer

• HesperusSchwarze Visionen

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Die Irren, in Umbra Vitae, posthum 1912.

(http://it.youtube.com/watch?v=ic8PPJDjyos)

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Prosa

Der Dieb. Ein Novellenbuch (postum,1913), darin: Der fünfte Oktober, Der Irre, Die Sektion, Jonathan, Das Schiff, Ein Nachmittag, Der Dieb.

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Drama

• Der Feldzug nach Sizilien (1907/1908; 1910) • Die Hochzeit des Bartolomeo Ruggieri (1908; 1910) • Atlanta oder Die Angst (1910/1911) • Arnold von Brescia (1905-1908; unvollendet) • Prinz Louis Ferdinand (1907; 1909; unvollendet) • Iugurtha (1908; unvollendet) • Antonius von Athen (1908; unvollendet) • Spartacus (1908; unvollendet) • Lucius Sergius Catilina (1908; unvollendet) • Der Sturm auf die Bastille (1908; unvollendet) • Die Revolution (1908; unvollendet) • Der Tod des Helden (1908/1910; unvollendet) • Der Wahnsinn des Herostrat (1910; unvollendet) • Ludwig XVI. (1910; unvollendet) • Grifone (1909-1911; unvollendet) • Cenci (1911; unvollendet)

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Die Revolution (Fragment, 1908)

Revolution, Gemälde von Ludwig Meidner, 1913.