Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion,...

19
Gebäude unter den Einwirkungen des Klimawandels Relevante Einwirkungen auf Gebäude Marc-Steffen Fahrion 1 , Johannes Nikolowski 2 , Jakob Zimm 2 , Thomas Naumann 2 1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Weberplatz 1, 01217 Dresden

Transcript of Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion,...

Page 1: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Gebäude unter den Einwirkungen des Klimawandels

Relevante Einwirkungen auf Gebäude Marc-Steffen Fahrion1, Johannes Nikolowski2, Jakob Zimm2, Thomas Naumann2 1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Weberplatz 1, 01217 Dresden

Page 2: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische
Page 3: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevant

1.

1.1

Auf deraus der senschafdarüber,cher inshundert höhung KlimaforErwärmuwird undgen Temnahmen

InfolgedstrebungVerringemittels EAusstoßevorausscsellschafkungen

A

E

Abb. 1.1-sers 2010barten Inleichten Tschüttungtion und gschen DruZentralhe

te Einwirkun

Analyse u

Ziele der

r Grundlage Klimaforschftszweig ein, dass ein Ksbesondere d nachgewiegeprägt ist

rschung als ung im 21d dass einzig

mperaturanst beeinflusst

essen ist negen zum Klerung des gEnergieeinspes klimaschchauende Aft an nicht des Klimawa

-1: Charakteri0 (Fotos: Schinnenwand, B: Trennwand aug (Stroh-Lehmgeschädigtes uck, G: Bauteeizungsanlage

ngen auf Geb

und Ausw

r Klimaan

e einschlägighung bestehn weit reicKlimawandel durch eine fsene global. Darüber hgesichert, d. Jahrhundg die Intenstiegs durch werden kan

eben den elimaschutz, globalen Temparung und ädlicher Gas

Anpassung d mehr vermandels unau

B

F

istische Gebäuinke/Golz 201 Irreversible Vus Gipskarton m-Gemisch) anInventar, F: Z

eilüberlastung e nach Überflu

bäude

wahl relev

passung

ger Erkenntt in diesem

chender Kon stattfindet,für das 20. e Temperat

hinaus gilt inass diese glert fortschrität des zukKlimaschutzn. (IPCC 200

rforderlichenwelche auf mperaturansVerringerungse abzielen,der urbanenmeidbare Ausweichlich.

udeschäden in0). A: Durchf

Verformung eidurch hydrostn der HolzbalkZerstörung ein durch erhöhttung

vanter Ei

von Gebä

tnisse Wis-nsens wel-Jahr-

turer-n der obale reiten

künfti-zmaß-07)

n Be-f eine stiegs g des , eine n Ge-uswir-Diese

SdepascKtr2

BneKrechLahbeZ

C

G

nfolge von Hofeuchtung einenes wasseremtatischen Drukendecke einener gemauertte Eigenlast ei

nwirkung

äuden

trategie, zuer Klimaanparallel zum chutzes verflimaschutz rennbar mit009)

ei der Erkenerabilität ulimaeinwirkuen treten, nhen wie etwand- und Fier insbesonestand in diele der Klim

die VermSchädendurch veKlimawa

chwassereinwer Fußbodenk

mpfindlichen Ack, D: Zerstöes Altbaus, E: en Trennwandner vollständi

gen auf G

sammengefapassung, wigesellschaft

folgt. Damitund Klimaaeinander ve

nnung und Aunserer Geungen besonneben häufigwa der Wassorstwirtscha

ndere der voen Vorderg

maanpassung

meidung oder und Extrem

eränderte Einndels auftre

wirkungen; Beonstruktion ei

Anhydritestrichrte Deckenbek Aufgeschwomd aus Kalksang überfluteten

Gebäude

asst unter ird seit einftlichen Ziel t gelten in npassung aerbundene Z

Analyse der esellschaft nders relevag thematisieserwirtschaf

aft, das Bauvorhandene rund. Die wg von Gebäu

r Verringerumereignissennwirkungen eten

D

H

ispiele des Neinschließlich dhs, C: Zerstörkleidung und mmene Fußbodstein durch n Holzbalkend

3

dem Begriffigen Jahren des Klima-Deutschlandls zwei un-Ziele. (BMU

für die Vul-gegenüber

nten Sekto-erten Berei-ft sowie deruwesen undImmobilien-

wesentlichenuden sind:

ng von , welche infolge des

eißehochwas-der benach-rung einer Decken-denkonstruk-hydrostati-decke, H:

3

f n -d -U

-r --r d -n

Page 4: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

4 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

die Vermeidung oder Verringerung von unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nutzer der Gebäude (wie etwa langfristig überhöhte Raumlufttemperaturen), welche im Zusammenhang mit veränderten Einwirkungen zu beachten sind

Damit werden im Zuge der Klimaanpassung von Gebäuden Ziele verfolgt, welche ohnehin den grundsätzlichen Anforderungen an qualitätsge-rechte Gebäude entsprechen und insoweit Be-standteil der Landesbauordnungen sind. Hier handelt es sich vorwiegend um Anforderungen zum Schutz gegen schädliche Einflüsse wie Was-ser, Feuchtigkeit sowie pflanzliche oder tierische Schädlinge (SächsBO, § 13), Anforderungen

zum Schutz der Gesundheit (SächsBO, § 3) oder

­ in kritischen Fällen ­ um Anforderungen an die

Standsicherheit baulicher Anlagen (SächsBO, § 12). Die Klimaanpassung von Gebäuden be-trachtet demnach die mittel- bis langfristige Einhaltung von weithin bekannten Anforderun-gen an Gebäude, jedoch vor dem Hintergrund veränderter und unter Umständen intensivierter Einwirkungen auf diese. Unter dem Begriff der veränderten Einwirkungen werden dabei sowohl Einzelereignissen bis hin zu Extremereignissen als auch die Auswirkungen schleichender Verän-derungen durch den Klimawandel betrachtet.

1.2 Klimaanpassung im traditionellen Bauen

Der Schutz von Gebäuden als wesentlichen Le-bens- und Wirtschafträumen des Menschen zieht sich als ein Grundanliegen durch nahezu alle Teilbereiche des traditionellen Bauens. Im Hin-blick auf die nachfolgend diskutierten hygri-schen, thermischen und teilweise mechanischen Einwirkungen auf Gebäude steht dabei die bauli-che Hülle, bestehend aus der Dachkonstruktion und den Konstruktionselementen der Fassade, besonders im Fokus. Die Anpassung von Gebäu-den an klimatische Randbedingungen hatte na-turgemäß stets eine regionale Komponente und hat das Erscheinungsbild sowie das baukon-struktive Gefüge traditioneller Gebäude wesent-lich geprägt. In der schriftlichen Dokumentation der Regeln der Technik verschiedener Zeitab-schnitte und in der mündlichen Weitergabe we-sentlicher Bau- und Handwerkstechniken spielte die Nutzung robuster Konstruktionslösungen zur Abwehr schädlicher Einwirkungen auf Gebäude eine große Rolle.

Diese langjährigen Entwicklungen bilden im günstigen Fall eine Basis für die bis heute ge-nutzten Allgemein anerkannten Regeln der Bau-technik, etwa im Bereich der Fachregeln des Dachdeckerhandwerks (ZVDH 2008). Somit stellt die Klimaanpassung von Gebäuden einen kontinuierlich fortschreitenden Prozess dar, bei dem die langfristige Fixierung eines Status quo weitgehend unmöglich erscheint. Externe Ein-flüsse auf diesen Prozess bilden dabei:

die Veränderung von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Nutzungsansprüchen

die Verwendung neuartiger Baumaterialien und Bauweisen

unter Umständen die Veränderung klimabedingter Einwirkungen auf Gebäude

Vom Streben nach einer verbesserten Klimaan-passung konnten verschiedene Baukonstruktio-nen am traditionellen Gebäude betroffen sein, wofür charakteristische Beispiele vorliegen. Ebenso vielfältig sind hier die gewählten Lö-sungsansätze, welche bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts noch durch die begrenzten Transportmöglichkeiten eingeschränkt wurden.

Abb. 1.2-1: Historisches Fachwerkgebäude von 1828 während der Sanierungsphase, ohne Putz. Westgiebel komplett in Bruchstein ausgeführt. Fotografie von 1993 (Quelle: SLUB, Deutsche Fotothek)

Page 5: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevant

Abb. 1.2-schönau bel (Quel

So führtEnde destark vowände aus, umRohdichtbeiten zqualität 19. Jahrnologisckonntendahin tydrängen

Auch imDresdeneine bew

1.3

Jegliche Gebäudeauf grunwiesen, mas sickönntenVerletzbtionen, Modellre

te Einwirkun

-2: Umgebindmit Schieferbele: Ander 199

te man in des 19. Jahon Spritzwaüberwiegen

m hier vor aten und geru können. Eder gebrann

rhundert aufher Innova diese das ypische Lös.

tradionellenn weisen bawusste Anpa

Verwend

Betrachtunen und Baundlegende Iwelche Ken

ch zukünftig. Deshalb arkeit von Gin diesem

egion Dresd

ngen auf Geb

ehaus der Obekleidung (Zie92, S. 278)

der Region Drhunderts easser beans

nd in Natuallem Natursringem PoreErst nachdemnten Mauerzfgrund durchationen deuNatursteinm

sung für Gr

n Fachwerkbukonstruktivssung an kli

dung von

ng zur Klimukonstruktionnformatione

nngrößen deg in welchemuss sich Gebäuden uAufsatz spe

den, grunds

bäude

erlausitz in Grerformen) am

Dresden biserdberührte spruchte Auursteinmauersteine mit henvolumen vm die Fertiguziegeln im sphgreifender utlich anges

mauerwerk arundmauern

bau in der Rve Merkmalemabedingte

Eingangs

maanpassungnen ist zun

en darüber aes regionalenm Maße ändie Analyse

und Baukonsezifiziert ausätzlich auf

roß- Gie-

s zum oder

ußen-rwerk hohen verar-ungs-päten tech-stieg, ls bis ver-

Region e auf Ein

AbscSpsc(Q

wwdSmfübaruauodod

Ddesitideei(B

sgrößen a

g von nächst ange-n Kli-ndern e der struk-uf die eine

qsekudeKbajeku

bb. 1.2-3: Klachwanz-Dachzpließdeckung,chwanz-DoppeQuelle: Frick u

wirkungen hiweise für Furch Schlagüdwestgiebe

mansatz mitührt wurdenaukonstruktung beanspußenseitige der Schieferder in der O

Die Dachdecken ebenfallsicherheit unert, sodass ert für einfaine MindesBöhm 1911)

aus der K

ualifizierte Pehbaren Werungen stützer Ergebnlimamodelleachteten Kleweils im Hinungen, erfor

assische Dachdziegeln; oben: Lattenweite eeldeckung, Laund Knöll 1923

n. So existachwerkbaugregen beael bis zum Ottels Natursn (siehe Abbive Lösung

pruchte FachBekleidung

r dar, wie sberlausitz ve

kungen tradis unter dem nter starker man etwa iche Biberschtdachneigun.

Klimatolog

Prognose einrtebereichs dzen. Hier istnisse globa sowie die imadaten unblick auf dierderlich.

deckungsarte: Biberschwanetwa 20 cm, uttenweite etw3)

tieren zahlreten, bei d

anspruchte Ortgang odesteinmauerwb. 1.2-1). Efür stark dhwerkwändeg mit Holzsie etwa imerbreitet ist.

itioneller Ge Anspruch e Beanspruchim frühen 2hwanz-Splieng von 45

gie im Ba

nes für die der verändet eine Regialer und Auswertunund Modellee verschiede

5

n mit Biber-nz-unten: Biber-

wa 15 cm

eiche Nach-denen starkWest- oder

er zum Wal-werk ausge-Eine anderedurch Witte-e stellt diezschalungen

m Erzgebirge

ebäude wur-einer Regen-hung disku-20. Jahrhun-ßdeckungen5° forderte

auwesen

Zukunft ab-erten Einwir-onalisierung

regionalerg von beo-ergebnissen,enen Einwir-

5

-k r --e -e n e

----n e

--g r -, -

Page 6: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

6 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

Abb. 1.3-1: Einwirkungen auf Gebäude der Modellregion Dresden infolge extremer Witterung (Quelle: Nikolowski et al. 2012)

Deshalb greifen die Autoren, beheimatet in den Bereichen Bauingenieurwesen und Architektur, hier direkt auf die Expertise der in REGKLAM forschenden Klimatologen zurück, welche in Form von Publikationen zum regionalen Klima-wandel (Bernhofer et al. 2009, Bernhofer et al. 2011b), von Projektionen des zukünftigen Kli-mas sowie von schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen zu verschiedenen Einwirkungen vorliegen.

Auf Basis der klimatischen Randbedingungen in der Modellregion Dresden wurden mehrere Ein-wirkungen auf Gebäude abgeleitet, deren zu-künftige Veränderung sich in den kommenden Dekaden signifikant auf den Gebäudebestand auswirkt. Für die sechs Einwirkungen Sommer-hitze, Überflutung, Starkregen, Hagel, Wind und Schnee liegen nunmehr systematische Betrach-tungen ihrer negativen Konsequenzen für Ge-bäude ihrer nachgewiesenen und projizierten Veränderungen in der Modellregion Dresden sowie ihrer Berücksichtigung in den typischen Planungsalgorithmen bei Neubau und Instand-setzung vor (Kapitel 2 bis 7 dieses Aufsatzes). Aus dieser Untersuchungsmethodik resultiert eine einheitliche Gliederung der folgenden, ein-wirkungsspezifischen Kapitel nach den Kriterien:

1. Mögliche Folgen für Gebäude

2. Erkenntnisse aus Ex-post-Analysen

3. Erkenntnisse aus Klimaprojektionen

4. Umgang mit der Einwirkung in aktuellen Regelwerken

5. Veränderungsansätze im Umgang mit der Einwirkung

Damit wird für jede der betrachteten sechs Ein-wirkungen aufgezeigt, inwieweit nach heutigem Wissensstand mit einer Intensivierung zu rech-nen ist, welche Konsequenzen dadurch auftreten können und inwieweit ein Anpassungsbedarf in Planung und Bauausführung besteht.

Bei der Einbindung klimatologischer Erkenntnis-se in das Fachgebiet des Bauwesens sind einige methodische Herausforderungen zu bewältigen, da eine direkte Kopplung der Ergebnisse regio-nalisierter Projektionen mit bautechnischen Pla-nungs- und Analysemethoden nicht möglich ist. Hier konzentrieren sich die Bearbeiter auf die Untersuchung, inwieweit zukünftige klimatische Veränderungen wichtige Eingangsgrößen für Planung und Ausführung von Gebäuden, wie etwa

Page 7: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevante Einwirkungen auf Gebäude 7

die Testreferenzjahre (TRY) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zur Darstellung typischer Witterungsverläufe in der Region,

die regionalspezifischen Bemessungsregenspenden gemäß KOSTRA DWD, welche Starkregeneinwirkungen in Abhängigkeit von ihrer Jährlichkeit und Ereignisdauer dokumentieren,

die Wind- und Schneelastannahmen entsprechend DIN EN 1991,

wichtige Parameter von Überflutungsereignissen wie Wasserstandshöhe, Fließgeschwindigkeit und Wasserstandsdauer und

wichtige Parameter von Hagelereignissen wie Hagelkorngröße und Aufprallgeschwindigkeit,

beeinflussen werden. In Anbetracht der Prozess-kette vom globalen Klimamodell über regionali-sierte Projektion zu den regionalspezifischen Einwirkungsparametern auf Gebäude ist es un-vermeidlich, dass die erarbeiteten Aussagen zu den zukünftigen Einwirkungen mit Unsicherhei-ten behaftet sind. Im Zusammenhang mit dem Wissen zu abgelaufenen Schadensereignissen und zu nachgewiesenen Veränderungen in der jüngeren Vergangenheit ergeben sich hier je-doch wertvolle Aussagen, deren Bedeutung für den Neubau und die Instandsetzung nicht unter-schätzt werden sollte.

Hinsichtlich des planerischen Umgangs mit ver-änderten Einwirkungen zeigt sich, dass die der-zeit gültigen Planungsalgorithmen bei einigen

Einwirkungen soweit spezifiziert sind, dass sie grundsätzlich auch für zukünftig eventuell inten-sivere Einwirkungen geeignet scheinen (etwa DIN EN 1991 für Wind und Schnee, DIN EN 12056 und DIN 1986-100 für Starkregen). Bei anderen Einwirkungen werden derzeit noch Pla-nungsalgorithmen angewendet, deren Charakter die teilweise komplexen Randbedingungen nur unvollständig wiedergibt. Daraus ergibt sich ein Überarbeitungsbedarf, dem sicher in den folgen-den Jahren entsprochen werden wird, wie dies beim aktuellen Entwurf der DIN 4108-2 für den Teilbereich des sommerlichen Wärmeschutzes der Fall ist. Bei anderen Einwirkungen wiederum liegen zwar vielfältige Erkenntnisse und Publika-tionen vor. Diese mündeten jedoch bisher nicht in eine übergreifende Allgemein anerkannte Regel der Bautechnik, sodass hier unverbindli-che Empfehlungen und branchenspezifische Ein-zellösungen vorherrschen. Auch in solchen Fäl-len existieren teilweise bereits beispielhafte Re-gelungen für Teilprobleme, etwa die VDI 6004 für haustechnische Anlagen in Überflutungsge-bieten.

In jedem Falle ist zu berücksichtigen, dass für den unveränderten Gebäudebestand ein grund-sätzlicher Bestandsschutz vorliegt. Die Wirk-samkeit der Allgemein anerkannten Regeln der Technik in ihren aktuellen Ausgaben bleibt so-mit zunächst auf Neubauten und bauantrags-pflichtige Instandsetzungen beschränkt. Abge-sehen von diesen Situationen bieten Instand-setzungsphasen nach einem Schadensereignis eine günstige Möglichkeit, die betroffenen Kon-struktionen an veränderte Einwirkungen anzu-passen.

Page 8: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

8 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

2. Sommerhitze

2.1 Mögliche Folgen für Gebäude

Schon unter den aktuellen sommerlichen Klimabedingungen treten in zahlreichen Gebäu-den unangenehm hohe Innenraumtemperaturen auf. Im Extremfall liegen diese auch tagsüber teilweise über der Außenlufttemperatur (siehe Abb. 2.1-1).

Abb. 2.1-1: Innenraumtemperaturen in unterschiedli-chen Wohnungen in Dresden. Messzeitraum:

24.08.­27.08.2011 (Quelle: IÖR)

Der projizierte Temperaturanstieg in Deutsch-land und in der Modellregion Dresden führt grundsätzlich zu einer erhöhten Bedeutung des sommerlichen Wärmeschutzes im Gebäudebe-reich. Zwar führen die höheren Sommertempe-raturen in der Regel zu keinen direkten Schäden an den Baukonstruktionen, allerdings ist mit einer zunehmenden Beeinträchtigung der Ge-bäudenutzer zu rechnen. Die Innenraumtempe-raturen im Sommer beeinflussen in erheblichem Maße die Behaglichkeit (Fanger 1972), die Leis-tungsfähigkeit (Seppänen et al. 2003, S. 395) und die Mortalität des Menschen (Gosling et al. 2009, S. 313-317). Ein angenehmes Innen-raumklima im Sommer ist deshalb sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus medizinischer Sicht von grundlegender Bedeutung.

In zahlreichen Studien wurde mit steigender Lufttemperatur des Innenraumes eine abneh-mende Leistungsfähigkeit bei Büroangestellten und Schulkindern festgestellt. (Seppänen et al. 2006, S. 2) Die Leistungsfähigkeit wird je nach Studiendesign unterschiedlich ermittelt. Versu-che unter realen Arbeitsbedingungen werden häufig in Call-Centern durchgeführt. Die Zeit-dauer für die durchschnittliche Bearbeitung ei-nes Kundenanrufes wird dann als Maß für die Leistungsfähigkeit verwendet. Eine andere Mög-lichkeit sind künstliche Aufgabenstellungen, bei

denen die Bearbeitungsdauer und Fehlerquote gemessen wird. Aus der Gegenüberstellung mehrerer Untersuchungen erkennt man, dass ab einer Lufttemperatur von 25 °C eine Reduktion der objektiv gemessenen Leistungsfähigkeit von durchschnittlich 2 % pro Kelvin Temperaturan-stieg zu verzeichnen ist (siehe Abb. 2.1-2).

Abb. 2.1-2: Zusammenhang zwischen Temperatur und psychischer Leistungsfähigkeit (Quelle: Seppänen et al. 2003, S. 396)

Eine Temperaturzunahme im Sommer kann folg-lich zu wirtschaftlichen Einbußen führen. Eine geringere physische und psychische Leistungs-fähigkeit der Arbeitnehmer wirkt sich negativ auf die Produktivität eines Unternehmens aus. Ver-mutlich werden Unternehmen zukünftig ver-stärkt darauf achten, Gebäude zu nutzen, die einen ausreichend guten sommerlichen Wärme-schutz bei gleichzeitig niedrigen Betriebskosten aufweisen. Auch im Bereich der Wohngebäude wird das Thema der sommerlichen Behaglichkeit zunehmend in den Fokus der Nutzer rücken. Ein unzureichender sommerlicher Wärmeschutz kann im Zuge des Klimawandels zu einer schlechteren Vermietbarkeit eines Gebäudes oder von Gebäudeteilen führen.

Vor diesem Hintergrund wird sich die Bedeutung des sommerlichen Wärmeschutzes im Pla-nungsprozess von Neubauten und Sanierungen deutlich erhöhen. Dies hat weitreichende Konse-quenzen für den praktisch tätigen Architekten, Bauingenieur und Haustechniker. Schon der Ge-

Page 9: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevante Einwirkungen auf Gebäude 9

bäudeentwurf (Orientierung, Fensterflächenan-teil, Bauweise etc.) hat einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Innenraumklimas im Sommer. Bei Bestandsgebäuden können die Parameter des Gebäudeentwurfs zum Großteil

kaum nachträglich beeinflusst werden. Deshalb müssen hier unter Umständen energieeffiziente Anlagen zur Gebäudekühlung bzw. zur nächtli-chen Belüftung installiert werden.

2.2 Erkenntnisse aus Ex-post-Analysen

Analysiert man die Entwicklung des Klimas der Modellregion Dresden in den vergangenen Jahr-zehnten, so ermöglicht dies Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung für die nahe Zukunft. Dabei existieren mehrere Klimakenngrößen, welche Aussagen über die Hitzebelastung im Sommer ermöglichen. Dazu zählen unter anderem die

mittlere Sommertemperatur, die Anzahl an Sommertagen, an heißen Tagen und an Tropen-nächten. Für die Bestimmung der mittleren Sommertemperatur werden die Temperatur-messwerte der Monate Juni, Juli und August gemittelt.

Abb. 2.2-1: Beobachtete Entwicklung der mittleren Sommertemperaturen (Juni, Juli, August) in Sachsen (Quelle: Bernhofer und Goldberg 2008, S. 47)

Page 10: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

10 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

Ein Sommertag ist definiert als ein Tag, an dem eine Maximaltemperatur von mindestens 25 °C erreicht wird. An einem heißen Tag beträgt die Tageshöchsttemperatur hingegen wenigstens 30 °C. Von einer Tropennacht spricht man, wenn die Temperatur in der Nacht nicht unter 20 °C sinkt. Vergleicht man die mittleren Sommertem-peraturen Sachsens in den Jahren 1961 bis 1990 mit der Periode 1991 bis 2005, so lässt sich im Gebietsmittel ein Anstieg um ca. 1,0 K registrie-ren (siehe Abb. 2.2-1).

Auch beim Vergleich der Häufigkeit der weiteren genannten Klimakenngrößen können teilweise erhebliche Veränderungen gegenüber der Klima-normalperiode 1961 bis 1990 festgestellt wer-den. In einem mittleren Jahr der benannten Klimanormalperiode sind in der Modellregion Dresden 31,4 Sommertage, 5,4 heiße Tage und 0,7 Tropennächte aufgetreten. Im Vergleich da-zu ist in der Periode 1991 bis 2010 die mittlere Anzahl an Sommertagen um 9,1 Tage und die der heißen Tage um 3,4 Tage gestiegen. Die Anzahl der Tropennächte ist um 0,5 auf durch-schnittlich 1,2 gestiegen. (Bernhofer et al. 2011a, S. 1)

Im Zuge des Forschungsprojektes REGKLAM wurde vom Umweltamt der Landeshauptstadt Dresden die Klimaentwicklung von 1961 bis 2010 für das Stadtgebiet Dresden (Ullrich und Reinfried 2011) untersucht. Dabei wurden die Daten aller aktuell im Stadtgebiet vorhandenen sieben Wetterstationen herangezogen. Aussagen

über eventuelle Langzeittrends bezüglich der Sommertemperaturen sind allerdings nur für die Station Dresden Klotzsche (DD-KLO) möglich. Nur für diese Station liegen ausreichend lange und ununterbrochene Temperatur-Zeitreihen (seit 1961) vor. Aus Abb. 2.2-2 ist ein deutlich ansteigender Trend an Sommertagen für die Station Dresden-Klotzsche zu entnehmen.

Die Wetterstation Dresden-Klotzsche liegt etwa 100 Höhenmeter über dem Dresdener Stadt-zentrum, das sich auf 113 m über NN. befindet. Der Vergleich der Messdaten der Station Dres-den-Klotzsche mit denen der anderen Stationen im Stadtgebiet verdeutlicht die Auswirkung der Höhenlage auf die Außenlufttemperatur. An den tiefer gelegenen Stationen mit vergleichbaren Umgebungsbedingungen werden im Mittel höhe-re Temperaturen als in Dresden-Klotzsche beo-bachtet.

Vergleicht man jedoch die gemessenen Tempe-raturen der Wetterstationen mit nahezu gleicher Höhenlage untereinander, dann erkennt man deutlich den Effekt der städtischen Wärmeinsel. Die Wetterstation Dresden-Hosterwitz liegt am Stadtrand in einer Gegend mit hohem Grünanteil und geringer Versiegelung. An dieser Station werden grundsätzlich deutlich niedrigere Tempe-raturen gemessen als an den Stationen mit hö-herer Bebauungsdichte. Aus dem stark versie-gelten Zentrum Dresdens liegen keine Messda-ten vor. Hier ist mit noch höheren Temperaturen zu rechnen.

Abb. 2.2-2: Jährliche Anzahl an Sommertagen 1961­2010 (Quelle: Ullrich und Reinfried 2011, S. 16)

Page 11: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevante Einwirkungen auf Gebäude 11

2.3 Erkenntnisse aus Klimaprojektionen

Die Klimaprojektionen für Deutschland gehen übereinstimmend von einem deutlichen Anstieg der Sommertemperaturen aus. Der regionale Klimaatlas Deutschland (Meinke et al. 2010) versucht den Unsicherheiten bei der Klimapro-jektion zu entgegnen, indem verschiedene Klimamodelle verwendet werden. Den Klimamo-dellen werden außerdem unterschiedliche Emis-sionsszenarien zugrunde gelegt. Diese Emissi-onsszenarien beschreiben die zukünftige Ent-wicklung des Ausstoßes von Treibhausgasen (IPCC 2007, S. 45). Dies ist ein gängiges Ver-fahren, um die mögliche Bandbreite der Klima-entwicklung abzubilden (Meehl et al. 2007, S. 797). Die mittlere Projektion des beschriebe-nen Ensembles geht in dem Zeitabschnitt

2021­2050 für das Gebietsmittel Deutschlands

von einer Erhöhung der Sommertemperaturen um 1,1 K aus, bezogen auf die internationale

Referenzperiode 1961­1990. Für den Zeitab-

schnitt 2071­2100 wird sogar eine Zunahme um

3,9 K angenommen. Für die Modellregion Dres-den kann von der in Tab. 2.3-1 dargestellten Entwicklung des Klimas ausgegangen werden. In Klammern ist jeweils die Bandbreite aus den Szenario- und Modellensembeln dargestellt.

Um Klimaprojektionen auf ingenieurmäßige Be-rechnungsverfahren für den sommerlichen Wärmeschutz anwenden zu können, sind jedoch

detailliertere Angaben notwendig. Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen. Für den Zeitab-

schnitt 2071­2100 wird für die Modellregion

Dresden eine Temperaturzunahme im Sommer-halbjahr um 2,4 K projiziert. Würde diese Tem-peraturzunahme durch einzelne heiße Tage her-vorgerufen, dann wäre dies für das Innenraum-klima weniger negativ als länger andauernde heiße Perioden. Zudem sind beispielsweise hohe Außenlufttemperaturen bei bedecktem Himmel weniger kritisch, da häufig die wesentlichen Wärmeeinträge über solare Einstrahlung durch transparente Bauteile verursacht werden. Für eine exakte Untersuchung sind folglich die zeitli-chen Verläufe der Wetterelemente und deren Zusammenspiel von Bedeutung. Allerdings ist es äußerst schwierig, mit den verfügbaren Klimamodellen Aussagen über ein typisches Wetterjahr der Zukunft zu treffen. Dies wird zusätzlich erschwert, wenn Stundenwerte unter-schiedlicher Wetterelemente für ein ganzes Jahr benötigt werden, wie dies für eine thermische Gebäudesimulation erforderlich ist. Deshalb wurde in Zusammenarbeit mit der Professur für Meteorologie der TU Dresden die Idee entwi-ckelt, die real gemessenen Wetterelemente des Extremsommers 2003 mit den Projektionen für die Modellregion Dresden zu vergleichen. Dabei wurde untersucht, inwieweit sich der Sommer 2003 zur Abschätzung der zukünftigen Klima-entwicklung eignet.

Klimakenngröße 1961­1990 2021­2050 2071­2100

Temperatur Sommerhalbjahr [°C] 13,9 +0,9

(+0,4 bis +1,3) +2,4

(+0,3 bis +3,3)

Anzahl Sommertage [n] 31,4 +9,2

(+2,2 bis +14,4) +24,7

(+3,7 bis +30,4)

Anzahl heiße Tage [n] 5,4 +2,7

(+1,4 bis +4,8)

+10,2

(­0,9 bis +12,1)

Anzahl Tropennächte [n] 0,7 +0,8

(+0,2 bis +1,2)

+4,1

(­0,1 bis +8,1)

Heizgradtage [K*d/a] 3882 -320

(­560 bis ­155)

­827

(­1046 bis ­150)

Kühlgradtage [K*d/a] 41 +22

(+12 bis +34)

+84

(­1 bis +110)

Tab. 2.3-1: Klimaprojektionen für die Modellregion Dresden für die Zeitabschnitte 2021 bis 2050 und 2071 bis 2100 (Quelle: Bernhofer et al. 2011a)

Page 12: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

12 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

Abb. 2.3-1: Meteorologische Kenngrößen des Jahres 2003 im Vergleich zu klimatologischen Langzeitwerten für die Station Dresden-Klotzsche (Quelle: Bernhofer et al. 2010)

Page 13: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevante Einwirkungen auf Gebäude 13

Der Sommer 2003 war im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einer der hei-ßesten seit Beginn der Aufzeichnungen (Müller-Westermeier und Riecke 2004, S. 71). Zum da-maligen Zeitpunkt hatte dieses Ereignis eine Wiederkehrdauer von 455 Jahren. (Schönwiese et al. 2004, S. 125) Von der Hitzewelle waren insbesondere Frankreich, Südwestdeutschland, die westliche Schweiz und Norditalien betroffen.

In einigen Gebieten Südwest-Deutschlands lag 2003 das Temperaturmittel der Sommermonate Juni, Juli und August um mehr als 5 Kelvin über dem entsprechenden vieljährigen Mittelwert des internationalen Referenzzeitraumes 1961-1990 (siehe Abb. 2.3-2). In Abb. 2.3-1 sind verschie-dene Kenngrößen der Lufttemperatur und die Sonnenscheindauer des Sommers 2003, gemes-sen an der Station Dresden-Klotzsche, den lang-jährig gemittelten Beobachtungen und den Pro-jektionen für die Modellregion Dresden gegen-übergestellt. (Bernhofer et al. 2010) Dabei er-kennt man, dass der Sommer 2003 auch im Raum Dresden ein Ausnahmeereignis war. Zu-dem wird deutlich, dass dieses Ereignis vermut-

lich auch für den Zeitabschnitt 2021­2050 au-

ßergewöhnlich sein wird. Hingegen wird im Er-gebnis aktueller Klimaprojektionen zum Ende des 21. Jahrhunderts der Sommer 2003 einem durchschnittlichen Sommer entsprechen.

Abb. 2.3-2: Temperaturabweichung der mittleren Sommertemperatur 2003 in Deutschland vom vieljäh-rigen Mittel 1961-1990 (Quelle: Müller-Westermeier und Riecke 2004, S. 76)

2.4 Umgang mit der Einwirkung in aktuellen Regelwerken

Aktuell existieren zwei Analysemethoden, mit denen sich abschätzen lässt, inwieweit die In-nenraumtemperaturen im Sommer in einem annehmbaren Rahmen bleiben:

Verfahren nach DIN 4108-2, Abschnitt 8

Thermische Gebäudesimulation

Für einen Gebäudeentwurf oder eine Sanie-rungsplanung ist zudem der Heiz- bzw. Kühl-energiebedarf eines Gebäudes von entscheiden-der Bedeutung. Dieser kann ebenfalls mittels der thermischen Gebäudesimulation oder nach dem Verfahren der DIN V 18599 bestimmt werden.

Sommerlicher Wärmeschutz nach dem Verfahren der DIN 4108-2

Aus der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren über die Liste der eingeführten Technischen Baubestimmungen (LTB) vom 13. Mai 2011 geht hervor, dass die DIN 4108-2 im Freistaat Sachsen als technische Baubestimmung eingeführt ist. Im Oktober 2011 wurde der Entwurf der DIN 4108-2 veröffentlicht (E DIN 4108-2:2011-10), welcher jedoch noch keine eingeführte technische Baubestimmung darstellte. Die prinzipielle Vorgehensweise zum

Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes wurde beibehalten. Die Gefahr der Überhitzung wird weiterhin raumweise über Sonneneintrags-kennwerte beurteilt. Es ist ausreichend, den Nachweis für den kritischen Raum eines Gebäu-des zu führen. Ist der Sonneneintragskennwert Svorh des betrachteten Raumes nicht größer als der maximal zulässige Sonneneintragskennwert Szul, ist der Nachweis erbracht.

Page 14: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

14 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

Abb. 2.4-1: Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes nach E DIN 4108-2:2011-10 (eigene Darstellung)

Der prinzipielle Verfahrensablauf inklusive aller Einflussgrößen ist in Abb. 2.4-1 ersichtlich. Da-bei ist die Fensterfläche Aw als lichtes Rohbau-maß zu bestimmen. Bei der Berechnung der Nettogrundfläche AG darf als maximale Raumtie-fe die dreifache lichte Höhe des entsprechenden Raumes angesetzt werden.

In dem Verfahren bleiben unterschiedliche inter-ne Wärmelasten unberücksichtigt. Gegenüber der bisher gültigen Norm können mit den Erwei-terungen der E DIN 4108-2:2011-10 auch eine hohe Nachtlüftung (n = 5 h-1) und der Einsatz passiver Kühlsysteme berücksichtigt werden. Der Wert für die hohe Nachtlüftung darf nur angesetzt werden, wenn eine geschossübergrei-fende Nachtlüftung möglich ist oder der Luft-wechsel über eine mechanische Lüftungsanlage

gewährleistet wird. Zudem wurde die Einteilung Deutschlands in Sommer-Klimaregionen ange-passt und verfeinert.

Das Nachweisverfahren ist bei Räumen in Ver-bindung mit unbeheizten Glasvorbauten unter Umständen und bei Doppelfassaden und dem Einsatz transparenter Wärmedämmung generell ungültig.

Das Verfahren nach DIN 4108-2, Abschnitt 8 ist ein vereinfachtes Verfahren und eignet sich da-zu, die Gefahr der Überhitzung von Räumen in Vollgeschossen abzuschätzen. Allerdings kann das Verfahren bei schlecht gedämmten Dach-räumen mit kleinen Fensterflächen zu Fehlein-schätzungen führen, da der Wärmestrom durch Bauteile vernachlässigt wird. Häufig werden

Page 15: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevante Einwirkungen auf Gebäude 15

Dachflächen besonders intensiv von der Sonne beschienen, sodass sich Oberflächentemperatu-ren bis zu 70 °C ergeben können. Die daraus resultierende hohe Temperaturdifferenz zwi-

schen Außenoberfläche und Innenraum führt zu einem erhöhten Wärmestrom in den Innenraum, welcher bei diesem Verfahren unberücksichtigt bleibt.

Thermische Gebäudesimulation

Die DIN 4108-2 und die Energieeinsparverord-nung 2009 verweisen darauf, dass zum Nach-weis des sommerlichen Wärmeschutzes generell auch genauere ingenieurmäßige Berechnungs-verfahren, etwa thermische Gebäudesimulatio-nen, zulässig sind. In der E DIN 4108-2:2011-10 wird erstmals detaillierter auf die bei einer thermischen Gebäudesimulation anzusetzenden Randbedingungen im Zuge des sommerlichen Wärmeschutzes eingegangen. Die thermische Gebäudesimulation gehört zum Stand der Tech-nik, um detaillierte Untersuchungen zum som-merlichen Wärmeschutz durchzuführen. Im Ge-gensatz zu sämtlichen anderen Verfahren kön-nen mit der thermischen Gebäudesimulation instationäre Wärmeübertragungsmechanismen berücksichtigt werden. Die Vorteile dieses Ver-fahrens werden an einem Beispiel deutlich. Be-

trachtet wird ein Raum unter einem nach Süden orientierten Schrägdach. Die Dachoberfläche wird tagsüber durch die Sonnenstrahlung stark erwärmt. Folglich ist die Oberflächentemperatur der Dachfläche deutlich höher als die Innen-raumtemperatur. Der Wärmestrom ist also von außen nach innen gerichtet. Handelt es sich im Dachquerschnitt um ein massives Bauteil, dann wird ein Großteil der Wärme im Bauteil gespei-chert. Nachts sinken die Außenlufttemperaturen wieder und die im Bauteil gespeicherte Wärme wird nach außen und nach innen abgegeben. Dies bedeutet, dass nicht die gesamte auf das Bauteil einwirkende Wärme an den Innenraum weitergeleitet wird. Handelt es sich im Dach-querschnitt hingegen um ein leichtes, unge-dämmtes Bauteil, so dringt die Wärme nahezu ungehindert in den Innenraum und führt

Abb. 2.4-2: Bei einer thermischen Gebäudesimulation berücksichtigte Einflussgrößen (eigene Darstellung)

Page 16: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

16 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

zu einem starken Anstieg der Raumtemperatur. Derartige Auswirkungen der Baukonstruktion auf das Raumklima können nur mittels der thermi-schen Gebäudesimulation hinreichend berück-sichtigt werden.

Des Weiteren kann warme Raumluft durch die Lüftung abgeführt werden. Die thermische Ge-bäudesimulation ermöglicht es hier, unterschied-liche Lüftungsstrategien am konkreten Gebäude miteinander zu vergleichen. Sie gestattet auch

die Ermittlung des Heiz- und Kühlenergiebedarfs eines Gebäudes.

Für die Durchführung einer thermischen Gebäu-desimulation sind als Eingangsparameter Stun-denwerte verschiedener meteorologischer Ele-mente (z. B. Globalstrahlung, diffuse Strahlung, Windrichtung, Windgeschwindigkeit etc.) erfor-derlich. Hierfür wurden speziell so bezeichnete Testreferenzjahre (TRY) entwickelt, die das cha-rakteristische Klima einer Region widerspiegeln.

Heiz- und Kühlenergiebedarf nach DIN V 18599

Die Energieeinsparverordnung 2009 verweist für die Berechnung des Jahres-Primärenergie-bedarfs eines Gebäudes unter anderem auf die DIN V 18599, wobei die Anwendung dieser Norm für Nichtwohngebäude sogar zwingend vorge-schrieben ist. Das Verfahren nach DIN V 18599 stellt sämtliche in einem konkreten Gebäude auftretenden Wärmequellen und Wärmesenken gegenüber. Als Wärmequellen werden berück-sichtigt:

• solare Wärmeeinträge über transparente Bauteile

• solare Wärmeeinträge über opake Bauteile

• interne Wärmequellen: Körperwärme von Personen, Wärmeabgabe von Geräten, Wärmeabgabe der Beleuchtung

In Abhängigkeit von der Außentemperatur exis-tieren Wärmeübertragungsmechanismen, die entweder als Wärmequellen oder als Wärmesen-ken zu bewerten sind:

• Wärmeübertragung über Außenbauteile

• Luftwechsel mit der Außenumgebung

Liegt die Außentemperatur unter der gewünsch-ten Raumtemperatur, sind die Wärmeüber-tragung über Außenbauteile und der Luftwechsel als Wärmesenken zu bilanzieren, andernfalls als Wärmequellen. Ist die Summe der Wärmesen-ken größer als die der Wärmequellen, muss ge-

heizt werden. Im umgekehrten Fall muss die Raumluft gekühlt werden.

Infolge des Klimawandels wird in Deutschland der Heizenergiebedarf abnehmen und stattdes-sen der Kühlenergiebedarf an Bedeutung gewin-nen. Je nachdem wie sehr sich das Verhältnis zwischen Heiz- und Kühlenergiebedarf verschie-ben wird, müssen die heute existierenden Ent-wurfsprämissen für Gebäude überarbeitet wer-den. Bisher wird darauf geachtet, ausreichend große Fensterflächen in der Fassade anzuord-nen. Dadurch sollen im Winter möglichst große solare Energieeinträge erzielt werden. Im Som-mer sind die zusätzlichen solaren Energieeinträ-ge in der Regel jedoch unerwünscht.

Zahlreiche tabellierte Kennwerte für die Bewer-tung der Anlagentechnik in DIN V 18599 basie-ren auf Simulationsrechnungen, denen das in DIN V 18599-10 angegebene Referenzklima Deutschlands zugrunde liegt. (Höttges und Kempkes 2009, S. 34) Dieses Referenzklima bezieht sich auf die internationale Referenzperi-

ode 1961­1990. (Schild und Brück 2010, S. 208)

Folglich ist die Durchführung des Verfahrens nach DIN V 18599 an diese Klimarandbedingun-gen geknüpft. Das Bewertungsverfahren ist des-halb für die Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels auf Gebäude nur eingeschränkt nutzbar.

2.5 Veränderungsansätze im Umgang mit der Einwirkung

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf das Innenraumklima von Gebäuden abschätzen zu können, sind zunächst angepasste Klimarandbe-dingungen erforderlich. Wie bereits weiter oben ausführlich beschrieben, können die gemesse-nen Klimadaten des Jahres 2003 in thermischen Gebäudesimulationen für die Abschätzung zu-

künftiger sommerlicher Klimaverhältnisse ver-wendet werden. Im Jahr 1986 wurden erstmals Testreferenzjahre (TRY) für das ehemalige Bun-desgebiet Deutschlands veröffentlicht (Blümel et al. 1986). Testreferenzjahre stellen den charak-teristischen Wetterverlauf eines Jahres in einer bestimmten Region dar und werden speziell für

Page 17: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevante Einwirkungen auf Gebäude 17

die Anwendung in thermischen Gebäudesimula-tionsprogrammen erstellt. Sie enthalten Stun-denwerte ausgewählter meteorologischer Ele-mente. Die Testreferenzjahre von 1986 basieren auf Messungen aus dem Zeitraum 1951-1976. Im Jahr 2004 veröffentlichte der Deutsche Wet-terdienst (Christoffer et al. 2004) Testreferenz-jahre für die gesamte Bundesrepublik, die das charakteristische Klima der internationalen Refe-renzperiode 1961-1990 darstellen. Diese TRY waren bis vor Kurzem die aktuellsten vereinheit-lichten Klimarandbedingungen für die Anwen-dung in thermischen Gebäudesimulationen. Sie waren jedoch nicht mehr in der Lage, das aktu-elle Klima in Deutschland ausreichend genau abzubilden. Daher wurden im Auftrag des Bun-desamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) durch eine Expertenkommission aktuelle Testreferenzjahre erarbeitet. Diese basieren auf Messwerten aus den Jahren 1988 bis 2007 und stehen seit April 2011 auf der Homepage des BBR öffentlich zur Verfügung. Zudem wurden TRYs für die Zukunft entwickelt. Sie zeigen auf der Basis des heutigen Kenntnisstandes das projizierte Klima für den Zeitraum 2021 bis 2050 auf. Darüber hinaus wurden Jahresverläufe mit je einem extremen Sommer und Winter erstellt (BBR 2011).

Um den Aufwand für die Erstellung von Testrefe-renzjahren in einem vertretbaren Rahmen zu halten, wurden diese schon seit 1986 nicht für sämtliche Wetterstationen des DWD erstellt, sondern nur für einige ausgewählte Stationen, welche die Klimavariabilität innerhalb der Bun-desrepublik gut sichtbar machen können. Dazu wurde das Bundesgebiet in Regionen unterteilt. Der Begriff Region wird durch ein näherungswei-se einheitliches Klima definiert. Für jede so defi-nierte Region wurde eine darin liegende reprä-sentative Station ausgewählt, die charakteris-tisch für das Klima in der gesamten Region ist. Die Repräsentanzstationen der 1986 veröffent-lichten Testreferenzjahre (Blümel et al. 1986, S. 24) unterscheiden sich teilweise von denen der später veröffentlichten Testreferenzjahre (Christoffer 2004, S. 18) in ihrer geografischen Lage. Das bedeutet für die TRYs mit unter-schiedlichem Veröffentlichungsdatum wurden zum Teil verschiedene Wetterstationen des DWD als Repräsentanten gewählt. Allerdings sind ei-

nige Stationen über die Jahre unverändert ge-blieben, so beispielsweise die Wetterstation Bremerhaven (53° 32' N, 08° 35' E), die unver-ändert als Repräsentanzstation verwendet wird. Für die durchgängig verwendeten Stationen ergeben sich somit kontinuierliche Reihen von Testreferenzjahren. Diese stellen die teilweise gemessene, teilweise projizierte Klimaänderung von der Periode 1951-1976 bis zur Periode 2021-2050 dar. Damit stehen für Teile West-deutschlands mittlere Testreferenzjahre zur Ver-fügung, welche die Klimaentwicklung über 100 Jahre (Grenzen der Zeitabschnitte) widerspie-geln. Dadurch können die Veränderungen des Heiz- und Kühlenergiebedarfs über einen langen Zeitraum mittels thermischer Gebäudesimulation ermittelt werden.

In E DIN 4108-2:2011-10, Kapitel 8.4 wird erst-mals detailliert ausgeführt, wie der Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes mittels ther-mischer Gebäudesimulation ausgeführt werden soll. Dresden fällt gemäß Bild 3 dieser Norm in die Sommer-Klimaregion C. Für den Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes mittels ther-mischer Gebäudesimulation sieht der Normen-entwurf die Verwendung mittlerer Testreferenz-jahre vor. Für Orte, die der Sommer-Klimaregion C zugerechnet werden können, soll das mittlere Testreferenzjahr der TRY-Region 12 (Oberrhein-graben und unteres Neckartal) verwendet wer-den. Die aktuelle TRY-Region 12 (Repräsentanz-station Mannheim) stimmt recht gut mit der TRY-Region 6 (Repräsentanzstation Frankfurt am Main-Flughafen) der Testreferenzjahre von 1986 überein. Beide Repräsentanzstationen liegen nur etwa 60 km Luftlinie voneinander entfernt. Der Höhenunterschied über NN beträgt lediglich 16 m. In guter Näherung kann mit dem TRY 1986 der Region 6 die Reihe der mittleren TRY der Region 12 verlängert werden. Mit dieser Vorgehensweise kann auch für die Modellregion Dresden der Nachweis des sommerlichen Wär-meschutzes gemäß E DIN 4108-2:2011-10 mit-tels thermischer Gebäudesimulation über einen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren geführt werden.

Page 18: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

18 Relevante Einwirkungen auf Gebäude

3. Überflutung

3.1 Mögliche Folgen für Gebäude

In Deutschland haben schwere Überflutungen besonders nach 1990 an Häufigkeit und Ausmaß stark zugenommen. So sind unter anderem die Hochwasser am Rhein 1993 und 1995, der Oder 1997, der Elbe und ihrer Nebenflüsse von 2002 und 2006 und der Neiße von 2010 zu nennen. Gebäude bilden bei derartigen Ereignissen stets einen Großteil der Gesamtschadenssumme, wie dies beispielhaft an der Schadensbilanz des Au-gusthochwassers 2002 in Sachsen zu sehen ist (siehe Tab. 3.1-1).

Grundsätzlich sind verschiedene Überflutungsar-ten zu unterscheiden:

Überflutungen mit Gewässerbezug (Flusshochwasser)

Überflutungen ohne Gewässerbezug (zeitweise anstauendes Wasser nach Starkregenereignissen)

Grundhochwasser (oft im Nachgang eines Hochwasserereignisses)

Sturmfluten (nur in Küstengebieten und Flussmündungen)

Als Ursachen können großräumige Wetterlagen, wie etwa die Vb-Wetterlage, bei der zwischen dem 11.08. und 14.08.2002 an der DWD-Wetterstation Zinnwald-Georgenfeld 406,2 mm Niederschlag gemessen wurden und die schließ-

lich zum Elbehochwasser führte, genannt wer-den. Aber auch kleinräumige Starkregenereig-nisse, wie zum Beispiel in Dortmund im Juli 2008, als es durch ein Ereignis zu einer massi-ven Überflutung ohne Gewässerbezug kam, spielen eine Rolle.

Eine Folge von kleinräumigen Starkregenereig-nissen kann örtlich anstauendes, meist kurzzei-tig auftretendes Oberflächen- und Sickerwasser sein, wie es beispielsweise durch einen Rückstau in Kanalisationen verursacht werden kann. Der Eintritt von Wasser in das Gebäude kann dabei auf unterschiedlichem Wege erfolgen. Es können mehrere Eindringpunkte am Gebäude unter-schieden werden (siehe DWA 2011), wobei die Bauwerksabdichtung hier als besonders gefähr-det gilt.

Die Einwirkung Überflutung kann – unabhängig von der Überflutungsart – zu verschiedenen Schadensarten führen, die wiederum in tangible und intangible sowie direkte und indirekte Schä-den unterteilt werden können. (Kron 2008, S. 66) Überflutungsschäden am Gebäude und der Baukonstruktion zählen zu den direkt tangiblen Schäden und können nach Naumann (Naumann et al. 2009) in drei, differenziert zu behandeln-de, Schadenstypen untergliedert werden (siehe Abb. 3.1-1).

Kategorie Schadenskosten Schäden

Wohngebäude 1.706 Mio. € 27,5 %

Gewerbliche Unternehmen 1.420 Mio. € 22,9 %

Kommunale Infrastruktur 1.287 Mio. € 20,8 %

Staatliche Infrastruktur 928 Mio. € 15,0 %

Hausrat 529 Mio. € 8,5 %

Katastrophenschutz und -bekämpfung 136 Mio. € 2,2 %

Infrastruktur sonstiger Träger 111 Mio. € 1,8 %

Land- und Forstwirtschaft 79 Mio. € 1,3 %

Gesamt 6.196 Mio. € 100 %

Tab. 3.1-1: Die Schadensbilanz des Augusthochwassers 2002 für Sachsen (eigene Darstellung nach: Sächsische Staatskanzlei 2003)

Page 19: Gebäude unter den Einwirkungen des · PDF file1 Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden, George-Bähr-Str. 1, 01069 Dresden 2 Leibniz-Institut für ökologische

Relevante Einwirkungen auf Gebäude 19

Der erste Schadenstyp – Feuchte- und Wasser-schäden – subsummiert alle Schäden, welche nach einem Überflutungseregnis am Gebäude meßtechnisch erfassbar und eindeutig als Folge des Ereignises erkennbar sind. Demnach treten Feuchte- und Wasserschäden zwingend bei je-dem Flutereignis auf. Eine direkte Folge ist die Beeinträchtigung sowohl des Wärmeschutzes als auch der Festigkeit und Dauerhaftigkeit von Baustoffen und Baukonstruktionen. Die Durch-feuchtungen resultieren aus kapillarer Was-seraufnahme, Wasserdampfdiffusion in den Po-renräumen sowie aus der hygroskopischen Auf-nahme von Wasserdampf. Die wichtigsten die Schäden beeinflussenden Parameter der Einwir-kung sind dabei die Wasserstandshöhe und die Wasserstandsdauer. Bei nicht fachgerechter Be-seitigung der Schäden nach den Anerkannten Regeln der Bautechnik (partieller oder komplet-ter Rückbau, Trocknung und Wiederherstellung geschädigter Bereiche) können Folgeschäden durch Schimmelpilzbefall, pflanzliche Holzschäd-linge und Korrosion die betroffenen Konstrukti-onselemente dauerhaft schädigen.

Der zweite Schadenstyp – statisch relevante Schäden – tritt meist in Kerbtälern und an Gebirgsflüssen auf. Diese Schäden reichen von Gründungsschäden über Schäden durch hydro-

statischen Druck und Auftrieb bis hin zu hoch-wasserbedingten Überlastungen von Bauteilen. Hohe Fließgeschwindigkeiten von mehr als 1 m/s (IKSR 2002), die daraus resultierende Unterspü-lung von Gründungen sowie der Anprall von Punktlasten wie etwa Baumstämme und andere schwere Schwimmgüter, können zu starken Schäden am betroffenen Gebäude führen. Zahl-reiche Faktoren der Einwirkung wie Fließge-schwindigkeit, Geschiebetransport, Wasser-standsdifferenzen oder Baugrundverhältnisse, aber auch Parameter des Gebäudes wie Grün-dungstiefe und -art, Baumaterial und –kon-struktion beeinflussen die Höhe der resultieren-den Schäden stark.

Der dritte Schadenstyp – Schäden durch Konta-mination – deckt diejenigen Folgeschäden ab, welche aus der Kontaminationen des Flutwassers resultieren. Diese kann unter anderem aus Fä-kalien von überfluteten Kläranlagen und der Kanalisation, aus Industrieabwässern sowie aus Heizöl von aufgeschwemmten und ausgelaufe-nen Öltanks resultieren. Das Schadenspotenzial hängt auch hier auf der Einwirkungsseite maß-geblich von der Wasserstandshöhe, der Einwir-kungsdauer und nicht zuletzt von der Qualität und Quantität des Schadstoffgehaltes ab. (Naumann et al. 2008)

Abb. 3.1-1: Schadenstypen bei überfluteten Wohngebäuden (Quelle: Naumann et al. 2009)