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ISSN: 2195-643X // Jahrgang 138 // www.recknagel-online.de science Gebäudetechnik in Wissenschaft & Praxis 01 17 } Biologisch wirksames Kunstlicht in Bildungs- einrichtungen – Warum scheitern manche Studien? } Betonkernaktivierung mit Luft im Vergleich zu etablierten Systemen der Raumkühlung } Heizen 2020 – Der unbekannte Nutzer } BIM im Planungsprozess der TGA } Fachinterview: Vernetzte Lichtlösungen – Rückgrat für das Internet der Dinge } Nachbericht zur CEGA 2016: Erfolgreicher Start in Baden-Baden

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ISSN: 2195-643X // Jahrgang 138 // www.recknagel-online.de

science

Gebäudetechnik in Wissenschaft & Praxis

0117

} Biologisch wirksames Kunstlicht in Bildungs-einrichtungen – Warum scheitern manche Studien?

} Betonkernaktivierung mit Luft im Vergleich zu etablierten Systemen der Raumkühlung

} Heizen 2020 – Der unbekannte Nutzer

} BIM im Planungsprozess der TGA } Fachinterview: Vernetzte Lichtlösungen – Rückgrat für das Internet der Dinge

} Nachbericht zur CEGA 2016: Erfolgreicher Start in Baden-Baden

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STANDPUNKT

Liebe Leserinnen und Leser,

wir starten in das neue Jahr mit Themen der visuellen und thermischen Behaglichkeit.

Beleuchtungseinrichtungen haben für den Energieaufwand im Gebäude eine immer größere Bedeutung, da der Heizwärmebedarf immer weiter zurückgeht. Der „moderne“ Mensch hält sich bis zu 90 % seiner Lebenszeit in Gebäuden auf und möchte in dieser Zeit eine Beleuchtung realisiert wissen, die dem Licht­spektrum des natürlichen Lichtes entspricht.

Geeignete Lichtverhältnisse haben nachweislich Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Personen. Derzeit noch wenig untersucht ist der Einfluss von Kunstlicht auf die biologischen Prozesse im Körper. Unterschiedliche Wellenlängenbereiche haben signifikante Auswirkungen auf den biologischen Rhythmus des menschlichen Körpers.

Dieses Themengebiet adressiert der erste wissenschaftliche Fachartikel in diesem Heft. Im Speziellen wird der Einfluss von Kunstlicht auf biologische Prozesse im menschlichen Körper im Kontext von Bildungseinrichtungen analysiert. Direkt ergänzt wird dieser Artikel durch ein hoch interessantes Fachinterview zum Thema Licht.

Ein weiterer Beitrag in der Rubrik Fachwissen behandelt passend hierzu das Thema thermische Behaglichkeit. Im Fokus dieses Fachbeitrages steht eine Befragung zu eingestellten / gewählten Raumtemperaturen in Gebäuden. Die Ergebnisse dieses Fachartikels werden derzeit hochkontrovers in verschiedenen Normungsgremien und Fachausschüssen diskutiert: Müssen wir die Norminnen­temperaturen für die Heizlastberechnung oder die Temperaturen in der energetischen Bewertung anpassen? Die Redaktion würde sich sehr freuen, wenn aus der Leserschaft der GI hierzu Fach­meinungen geäußert würden. Diese können Sie gerne an die GI­Redaktion senden.

Ein zweiter wissenschaftlicher Artikel im Heft 1/2017 befasst sich mit einer Betonkernaktivierung mittels Luftkanälen im Vergleich zu etablierten wasserbasierten Systemen. Der wissenschaftliche Artikel beschreibt dabei die numerische Abbildung derartiger Systeme und zeigt Chancen und Grenzen bei unterschiedlichen Lastbedingungen auf.

Zusätzlich adressieren wir in dieser Ausgabe das Thema Building Information Modeling (BIM) mit einem Fachartikel. Aus Sicht eines überregional agierenden Planungsbüros wird der aktuelle Stand von BIM in der Praxis erläutert und kontrovers diskutiert.

Die Redaktion der Fachzeitschrift GI – Gebäudetechnik in Wissenschaft & Praxis wünscht viel Freude beim Lesen.

PD Dr.-Ing. habil. J. Seifert Prof. Dr.-Ing. B. Oschatz

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INHALTSVERZEICHNIS

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Titel: Die VRV IV i­Serie von DAIKIN kann vollständig im Innenbereich eines Gebäudes installiert werden. Erstmals wurde das patentierte System in einer Filiale der Fast Food­Kette Leon Restaurants in der Londoner Fenchurch Street eingebaut. Mehr zum Thema lesen Sie auf Seite 21 und ab Seite 82. (Foto: DAIKIN)

RedaktionHenriette von FeilitzschTel.: +49 821 65 04 49-15Fax: +49 821 65 04 49 -99E-Mail: [email protected]

AnzeigenKirstin SommerTel.: +49 821 65 04 49-50 Fax: +49 821 65 04 49 -99 E-Mail: [email protected]

Abonnement/EinzelheftbestellungenDirk SommerTel.: +49 821 65 04 49 - 41 Fax: +49 821 65 04 49 -99 E-Mail: [email protected]

Ihre Ansprechpartner für GI - Gebäudetechnik in Wissenschaft & Praxis:

STANDPUNKTDerzeit noch wenig untersucht ist der Einfluss von Kunstlicht auf die biologischen Prozesse im Körper.Joachim Seifert, Bert Oschatz 01

WISSENSCHAFTBiologisch wirksames Kunstlicht in Bildungseinrichtungen – Warum scheitern manche Studien?Biologically Effective Light in Educational Buildings – Why do some of the Studies fail?Manuel H. Winkler, Werner Jensch, Klaus Peter Sedlbauer 04

Betonkernaktivierung mit Luft im Vergleich zu etablierten Systemen der RaumkühlungAirborne Concrete Core Activation in Comparison to Established Systems for Passiv CoolingChristiane Schwenk, Anton Maas 22

BLICKWINKELDas unsichtbare Klimasystem 20

FACHWISSENHeizen 2020 – Der unbekannte NutzerMatthias Wagnitz 34

BIM im Planungsprozess der TGAPeter Vogel, Christoph Schünemann 44

FACHINTERVIEWVernetzte Lichtlösungen – Rückgrat für das Internet der DingeGünter Johler, Product Management Director Controls & Systems bei der Zumtobel Lighting GmbH, im GI-Interview 54

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INHALTSVERZEICHNIS

WISSENSWERTVDI 6022 – Neue Entwürfe für Bl. 1 und Bl. 6Achim Trogisch 58

Die überarbeitete DIN V 18599Achim Trogisch 62

CEGA 2016: Erfolgreicher Start in Baden­Baden 66

Verein zur Förderung der Luft­ und Kältetechnik e. V.: Studienpreis 2016 / Fachsymposium zu Aspekten in der Gebäude­ und EnergietechnikAchim Trogisch 72

ISH 2017: Die Trendthemen der Branche 76 DAIKIN VRV IV i­Serie: Das unsichtbare Klimasystem 82

SERVICES\\STANDARDSNachrichten 84Patentschau 89Firmenverzeichnis 92Impressum 96Termine Umschlag

RedaktionHenriette von FeilitzschTel.: +49 821 65 04 49-15Fax: +49 821 65 04 49 -99E-Mail: [email protected]

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Ihre Ansprechpartner für GI - Gebäudetechnik in Wissenschaft & Praxis:

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WISSENSCHAFT

Biologisch wirksames Kunstlicht in Bildungsbauten einzusetzen ist, in wissenschaftlichen Zeitsträngen gedacht, relativ neu. Es handelt sich dabei um eine moderne Kunstlichtsituation, bei der ein erhöhter Anteil im Spektralbereich um 480 nm Wellenlänge realisiert wird. Licht in diesem Wellenlängenbereich erscheint dem menschlichen Auge als Blau, weswegen man auch von „blau angereichertem“ Kunstlicht spricht. Es gilt als wissenschaftlich nachgewiesen, dass die-ses Kunstlicht positive Wirkungen auf den menschlichen Organismus hat. Es wirkt sich beispielsweise förderlich auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit aus. Licht ist jedoch nicht die einzige physika-lische Größe, die in Räumen auf den Menschen wirkt. Darüber hinaus gibt es viele weitere Parameter wie z. B. die Raumlufttemperatur, die nachweislich die Leistungsfähigkeit beeinflussen. Das Studium der einschlägigen Literatur zeigt: Insbesondere der Kohlendioxidgehalt in der Raumluft wirkt negativ auf die Konzentrationsfähigkeit. Dieser wurde in den meisten aktuellen Lichtstudien vernachlässigt oder schlicht nicht als die mächtige Störgröße in diesem Zusammenhang erkannt. Im Rahmen einer gemeinsamen Promotionsarbeit zwischen der Hochschule München (HM) und der Technischen Universität München (TUM) wurden an der HM zwei Seminarräume derart umgebaut, dass sie als Testlabore dienen. Neben einer biologisch wirksamen Beleuchtungsanlage und einer dezentralen Lüftungsan-lage wurde ein messtechnisches Konzept umgesetzt, ergänzt durch eine Raumautomation. Als Messwerkzeuge für die hypothetischen Annahmen dienten ein eigens entwickeltes Erhebungsinstrument und der in diesem Forschungsfeld häufig verwendete Aufmerksam-keits-Belastungstest d2. Der potentiell negative Einfluss eines zu hohen Kohlendioxidgehaltes auf die Leistungsfähigkeit wurde mit der installierten Lüftungsanlage kontrolliert und eliminiert. Nach der eingehenden Analyse der Hintergründe der nicht signifikant verbleibenden Testergebnisse erscheint eine weitere, in der Literatur bereits andiskutierte „Störgröße“ als sehr einflussreich: Das Tageslicht. In dem untersuchten typisch deutschen Seminarraum mit einem Verglasungsanteil der Südwestfassade von > 50 % zeigt sich, dass im Winter bis zu 60 % der Nutzungszeit in Raummitte die natürliche, melanopische Beleuchtungsstärke dreifach höher sein kann als die künstlich erzeugte. Die vorliegende Veröffentlichung basiert auf der Dissertation des Erstautors. [1]

VON MANUEL H. WINKLER WERNER JENSCHKLAUS PETER SEDLBAUER

Biologisch wirksames Kunstlicht in Bildungs einrichtungen – Warum scheitern manche Studien?

PEERReviewed

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WISSENSCHAFT

Biologically Effective Light in Educational Buildings – Why do some of the Studies fail?

Using biologically effective, artificial lighting in educational buildings is, regarding a scientific period, relatively new. Meant is a modern version of an artificial lighting system with an enriched part around 480 nm wavelength. Light in this spectral range appears blue to human eyes. This is why we speak about “blue enriched” white lighting. The positive effect of this blue enriched white lighting on human organisms is deemed to be scientific proven. For example, it affects the power of concentration and performance positively. But light is not the only physical quantity, which takes effect on people indoors. Beyond that are many more parameters, e. g. the indoor air temperature which demonstrably influences human performance. A study of relevant literature shows: particu-larly the indoor concentration of carbon dioxide affects the power of concentration in a negative way. This specific parameter has been neglected in most of the current light studies or simply not identified as the powerful disturbance value as it is in this context. In the framework of a PhD-study of the Munich University of Applied Sciences (MUAS) in cooperation with the Technical University Munich (TUM), two seminar rooms at MUAS were rebuilt, to be used as laboratories. In addition to a biologically effective, artificial lighting system and a distributed ventilation system, a measurement concept has been implemented, supplemented by a room automation system. To proof the hypo-thetical assumptions a self-developed questionnaire and the often in this field of research used test of attention (test d2) were established. The potentially negative effect of too much carbon dioxide indoors was controlled and eliminated by the installed ventilation system. Following a detailed analysis of reasons for the non-significant results, another “confounding variable” points out to be influential: day light, which is already present in current literature discussion, but not measured for long periods inside seminar rooms. The investigated typical German seminar room with a glazing of more than 50 % shows: the natural melanopic illuminance in the middle of the room may be threefold higher than the artificial one during winter times. Our result is valid for up to 60 % of the period in which the room is used. This publication is based on the dissertation of the lead author. [1]

1. Hintergrund 1.1 Biologisch wirksames Kunstlicht

in BildungseinrichtungenBiologische Wirkung von Licht auf Schüler und deren Leistungsvermögen wird erst seit wenigen Jahren intensiver wissenschaftlich untersucht. Eine erste umfassende Datenbankrecherche von [2] zeigte, dass sich bis zum Jahre 2008 gerade ein­mal zwei Studien dem Thema annahmen, wovon eine nicht wissenschaftlich publiziert wurde. Die geringe Zahl mag auch damit zusammenhängen, dass – in einem wissenschaftlichen Zeitrahmen – erst kurz davor, nämlich im Jahre 2001, von zwei unabhängigen Forschergruppen der Nachweis geführt wurde, dass ein – bis dato unbekannter – dritter Rezeptor im Auge existiert ([3] und [4]). Damit konnte erstmals gezeigt werden, dass das nichtvisuelle System über eigene Empfänger ver­fügt, die sich in der Netzhaut befinden. Diese lichtempfindlichen Zellen enthalten das Foto­pigment Melanopsin und werden „intrinsically

photosenitive retinal ganglion cells“ (ipRGC) genannt [3]. Das Melanopsin spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Es reagiert besonders sensibel auf Licht im blauen Spektralbereich [5]. Damit verhindert es zuverlässig, dass tagsüber Melato­nin ausgeschüttet wird. Melatonin wiederum ist ein Hormon, welches müde macht, die Körper­funktionen entschleunigt und die Aktivität des Menschen senkt [6]. Um also tagsüber seine indi­viduell verschiedene optimale Leistungsfähigkeit abrufen zu können, ist es wichtig, die Produktion des Hormons bestmöglich zu unterdrücken. Die­ser Vorgang nennt sich Melatoninsuppression. Bestehende lichttechnische Lösungen haben jedoch nur einen geringen Anteil blauen Lichts, wie wir später in Bild 2 zeigen werden. Diesbe­zügliche Weiterentwicklungen der Lichtindustrie werden seit wenigen Jahren wissenschaftlich auf deren Wirksamkeit hin untersucht. Auch die vorliegende Arbeit befasst sich mit diesem viel­versprechenden neuen Forschungsfeld und will

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WISSENSCHAFT

einen kleinen Beitrag zur Diskussion möglicher Fehlerquellen bei aktuellen Studien leisten.

Eine erste zu nennende Lichtstudie im Bil­dungsbau befasste sich noch vor der Entdeckung der ipRGCs bereits im Jahre 1992 mit dem Ein­fluss von natürlichem und künstlichem Licht auf Schüler im Unterricht. Küller und Lindsten [7] untersuchten 83 Schüler im Alter von acht bis neun Jahren an schwedischen Schulen. Gegenstand waren vier Klassenzimmer mit unterschiedlichen Belichtungs­ und Beleuch­tungskonzepten. So verfügte Klassenraum A über „gewöhnliche Fenster“. Es wird nicht näher angegeben, was das technisch bedeu­tet. In Klassenraum A wurde ein warmweißes Kunstlicht mit 3.000 K installiert. Raum B hatte ein „großes transparentes Oberlicht“ und ein tageslichtweißes Kunstlicht mit 5.500 K. Dazu gab es zwei fensterlose Räume. Klassenraum C bekam ein warmweißes Kunstlicht und in Raum D fand das tageslichtweiße Kunstlicht Anwendung. Die gemessenen Beleuchtungsstär­ken variierten über das Jahr hinweg bisweilen sehr stark. In Raum B wurden beispielsweise Werte zwischen 300 und 6.950 Lux an verschie­denen Stellen unter dem Oberlicht gemessen. In Raum D wurden ganzjährig 200 bis 250 Lux je nach Messort dokumentiert. Zur Bestimmung einer Wirkung wurde sowohl der Cortisolspiegel der Schüler gemessen, als auch das Verhalten der Kinder beobachtet. Es zeigte sich ein ver­zögerter saisonaler Verlauf des Cortisolspiegels ohne künstliches oder natürliches Licht. Die Autoren fanden darüber hinaus eine tenden­zielle Steigerung der Aufmerksamkeit in den Klassen mit Fenstern bei der tageslichtweiß beleuchteten Situation und eine leichte Stei­gerung der Kommunikation bei warmweißer Beleuchtung. Wessolowski zieht darüber sein Fazit, dass „aufgrund von vermuteten Setting­effekten und zu geringer Beleuchtungsstärke des tageslichtweißen Kunstlichtes“ die Arbeit „schwer interpretierbar“ sei [2]. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die Variation des Tages­lichtes von bis zu 2.350 Lux in den Monaten September und Oktober und bis zu 6.950 Lux in April und Mai gemessen wurde. Hier kann wohl nicht mehr von Effekten des Kunstlichtes gesprochen werden. Die „Störgröße“ Tageslicht mit ihrer spektralen Zusammensetzung lässt hier sicher keine Rückschlüsse auf die Einflüsse der tageslichtweißen Leuchtstoffröhren zu [1].

Rautkylä et al. [8] kommen in ihrer Herbst­studie von 2010 zu dem Schluss, dass die sub­jektive Nachmittagsmüdigkeit von finnischen Studenten (n = 138; 19­30 Jahre) mit Hilfe eines 17.000 K Kunstlichtes im Vergleich zu 4.000 K reduziert werden kann. Im Frühjahr konnten keine Korrelationen zwischen Farbtemperatur und der subjektiven Einschätzung der Aufmerk­samkeit gefunden werden. Sie installierten dazu in einem ansteigenden Hörsaal ohne Fenster zwei verschiedene Lichtsettings. Der CO2­Gehalt lag nie über 800 ppm und die Temperatur befand sich zwischen 20 und 22 °C. Die Autoren bedauern, dass es ihnen nicht möglich war, die Rolle des Tageslichtes auf die Änderungen der Aufmerksamkeit zu quantifizieren. Sie geben zu bedenken, dass die gesamte Lichthistorie eines Tages Einfluss auf die Aufmerksamkeit nimmt und nicht nur die künstliche Beleuchtung wäh­rend der Vorlesung.

Im Jahre 2012 wurde dann die Arbeit von [9] publiziert. Das Team stellt zwei quasi­experimentelle Studien und eine Laborstudie vor, die sie in den Niederlanden durchführten. In der ersten Untersuchung wurden 98 Schüler im Durchschnittsalter von zehn Jahren an zwei Schulen im Winter 2009 morgens zwischen 9 und 10 Uhr getestet. Hier wurden keine raumklima­tischen Größen erfasst. In der zweiten Studie im Winter 2011 wurden 44 Schüler, ebenfalls durchschnittlich zehn Jahre alt, in zwei Klas­sen untersucht. Auch hier fand die Erhebung morgens um 10 Uhr statt. In dieser Studie wur­den nun bereits der Kohlendioxidgehalt der Raumluft und die Raumlufttemperatur mit erfasst. Die CO2­Werte befanden sich an den drei Testtagen in den untersuchten Klassen zwi­schen 1.024 und 1.208 ppm. Nach [10] müssen diese Messwerte mit dem Prädikat „mäßige Raumluftqualität“ bezeichnet werden (IDA 3). Das deutsche Umweltbundesamt bezeichnet Werte in dieser Höhe als „hygienisch auffällig“, wenngleich die Zahlen relativ zum bekannten Pettenkofer­Wert von 1.000 ppm als nicht allzu hoch einzuordnen sind.

Forschungsgegenstand von [9] waren sowohl vertikale Beleuchtungsstärken zwischen 300 und 1.000 Lux als auch ähnlichste Farbtempe­raturen zwischen 3.000 und 12.000 K in einer dynamischen Abfolge und deren Auswirkungen auf die Konzentration der Schüler. Es wurden vier vordefinierte Programme angeboten:

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WISSENSCHAFT

Standard (300 Lux und 3.000 bis 4.000 K), Ener­gie (650 Lux und 12.000 K), Fokus (1.000 Lux und 6.500 K) und Beruhigen (300 Lux und 2.900 K). Als Instrument diente den Forschern der Aufmerksamkeits­Belastungstest d2. In der ersten Feldstudie konnte zwar ein bedeut­samer Haupteffekt (p < 0,001) bezüglich des Konzentrationsleistungswertes KL des d2­Tests gefunden werden, jedoch erzielte hierbei die Kontrollgruppe (KG) bessere Leistungen als die Experimentalgruppe (EG). In beiden Schulen stieg bei beiden Gruppen die Leistung über die Zeit. Die Wissenschaftler fanden jedoch einen signifikanten Interaktionseffekt zwischen Schule und Zeit. Der Anstieg der Leistung über die Zeit ist demnach in der EG ausgeprägter als in der KG. Die Schüler der EG machten allerdings mehr Fehler als die KG, was anders herum erwartet wurde. Auch hier sinkt zwar die Fehlerrate wie­der in beiden Gruppen, in der EG allerdings stärker als in der KG. Die Autoren schließen aus dieser Tatsache: Das Lichtsetting „Fokus“ hat – trotz des erkannten Lerneffektes – positive Wirkungen auf die Konzentration der EG. In der zweiten Studie erzielten die Schüler der EG – Hypothesenkonform – im Durchschnitt bessere Leistungen im KL­Wert als diejenigen der KG. In dieser Studie machten die Schüler der EG nun auch weniger Fehler als diejenigen der KG. Das Resümee der Autoren in [9] lautet hierzu: Trotz eines Lerneffektes – auch in dieser zwei­ten Studie – wird mit dem Lichtsetting „Fokus“ eine positive Wirkung auf die Konzentration der EG erzielt. Spannend ist dann das Ergebnis der kontrollierten Laborstudie. Hier konnten keinerlei Effekte nachgewiesen werden. Die Autoren diskutieren einerseits die Ergebnisse der beiden Feldstudien und führen die erzielten Ergebnisse auf das quasi­experimentelle Design zurück und dem damit einhergehenden Poten­tial von unkontrollierten Fremdeinflüssen. Das könnte, den Autoren folgend, die Ergebnisse verfälschen. Sie vermuten andererseits, die Unterschiede in den Ergebnissen der drei Stu­dien könnten auf saisonale Einflüsse zurück­zuführen sein. So wurden die Feldstudien von Oktober bis Februar und die Laborstudie zwi­schen Mai und Juni durchgeführt. In letzterer waren die Probanden also bereits wieder einer höheren Exposition des natürlichen Sonnen­lichts ausgesetzt, als noch in den Wintermona­ten. Sleegers et al. geben abschließend den Rat,

zukünftig besonderen Wert darauf zu legen, zu untersuchen, wie sich natürliches und künstliches Licht im Zusammenspiel auf die Leistung von Schülern auswirken [9].

Eine erste deutsche, von Philips Lighting Ham­burg finanziell unterstützte, Forschungsarbeit zu diesem Thema publizierten [11]. Die Disser­tation von [2] basiert auf derselben Studie, lässt aber einen tieferen Einblick in die Hamburger Erhebungen zu. Als dynamisches Licht wird hier nicht ein sich über den Tag automatisch variier­tes oder ein sich dem natürlichen Tagesverlauf der Sonne anpassendes Kunstlicht verstanden. Vielmehr hatte der Nutzer die Möglichkeit, aus vordefinierten Lichtszenarien – angepasst an individuelle Bedürfnisse und Stimmungen – selbsttätig das seiner Meinung nach Angemes­senste auszuwählen. Zusätzlich kann sowohl die Farbtemperatur als auch die Beleuchtungsstärke stufenlos angepasst werden. Die Raumlufttempe­ratur wurde zu Testbeginn in Raummitte mittels eines Thermometers gemessen und dokumen­tiert. So auch die Beleuchtungsstärke und die ähnlichste Farbtemperatur, um „das Kunstlicht und das durch die Fenster einfallende, natürliche Tageslicht zu erfassen“ [2]. Eine Erfassung der Raumluftqualität erfolgte nicht. Die Tests dau­erten jeweils ca. 45 Minuten. Wir zeigen weiter unten, wie sich der CO2­Gehalt der Raumluft in diesem Zeitraum aufgrund der Nutzung verän­dern kann.

Zur Messung der kurzfristigen Erfolge der Zielgröße Aufmerksamkeit/Konzentration kamen sowohl der Aufmerksamkeits­Belas­tungstest d2 als auch der Lesegeschwindig­keits­ und Verständnistest für die Klassen 6­12 (LGVT 6­12) und der Subtest „Textverständ­nis“ des „Ein Leseverständnistest für Erst­ bis Sechstklässler“ (ELFE 1­6) zum Einsatz. Dazu wurden an zwei Terminen bei einer Interven­tionsgruppe zunächst das Setting „vorher“ (Dezember 2007) und in einem zweiten Termin das Setting „Konzentriertes Arbeiten“ (Februar 2008) dargeboten. Die Kontrollgruppe führte an beiden Terminen die Tests unter dem Licht­szenario „vorher“ durch. Eine exakte Beschrei­bung der jeweils verwendeten lichttechnischen Einstellungen ist in [2] zu finden. Es konnte ein „signifikanter Effekt kleiner Größe (p = 0,044) für die Gesamtfehlerzahl (des Aufmerksamkeits­Belastungstests d2), der im Wesentlichen auf der Anzahl der Auslassungsfehler sowie auf

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WISSENSCHAFT

den bedeutend selteneren falsch markierten Zeichen beruht“ [2] berechnet werden. Unter dem Modus „Konzentriertes Arbeiten“ machte demnach ein Schüler durchschnittlich 32 % weniger Gesamtfehler als in der Kontrollgruppe mit Standardlicht („vorher“). Die Auslassungs­fehler stellen sich bei der Analyse ähnlich der Gesamtfehler dar. Eine Signifikanz wurde jedoch knapp verpasst (p = 0,055). Bei den Verwechslungsfehlern wird „ein kleiner Effekt zugunsten der Interventionsgruppe erreicht, die Signifikanz aber knapp verfehlt (p = 0,100). Bei der Arbeitsgeschwindigkeit konnte kein Vorteil zugunsten der Interventionsgruppe festgestellt werden“ [2].

Keis et al. [12] untersuchten die Wirkungen von „blue enriched white lighting“ in zwei Klassen zimmern an zwei Ulmer Schulen und publizierten ihre Arbeit im Jahre 2014. Es nahmen insgesamt 58 Schüler (m/w) im Alter von 16 bis 29 Jahren an der Erhebung teil. Die verwendete Beleuchtungstechnik bestand erst­mals vollständig aus LED mit einer ähnlichsten Farbtemperatur von 4.000 K beim Direktan­teil und 14.000 K beim Indirektanteil. Die auf Augenhöhe vertikal gemessene Beleuchtungs­stärke ergab etwa 300 Lux bei ca. 5.500 K. In beiden Schulen wurde ein Referenzraum mit Standardbeleuchtung (300 Lux vertikal auf Augenhöhe und 3.000/3.500 K) mit untersucht. Der Veröffentlichung ist nicht zu entnehmen, ob weitere raumklimatische Parameter erho­ben wurden. Zum Nachweis der Wirkungen wurden der Zahlenverbindungstest (ZVT), der Visuelle und Verbale Merkfähigkeitstest (VVM) und der Aufmerksamkeits­Belastungstest d2 herangezogen.

Die Wissenschaftler konnten einen signifi­kanten Zeiteffekt (p < 0,001) beim ZVT, jedoch keinen Gruppeneffekt finden. Die Probanden im Setting „Langzeit + Akut“ zeigten eine signifikante Verbesserung der Verarbeitungsge­schwindigkeit gegenüber den Gruppen „Akut“ und „Standard“. Die Konzentrationsleistung KL des Tests d2 konnte über die Zeit wesentlich (p < 0,001) gesteigert werden. Ein relevanter Gruppeneffekt konnte jedoch auch hier nicht gefunden werden. Die Probanden unter Stan­dardlicht zeigten eine geringere Steigerung der Konzentrationsleistung als diejenigen in den anderen Settings. Die Auswertung des Fehler­prozentwertes (F %) ergab eine signifikante

Reduzierung (p < 0,001) der gemachten Fehler über die Zeit. Auch hier konnte kein relevanter Gruppeneffekt gefunden werden. Allerdings bestand ein bedeutsamer Zusammen hang zwischen den vier Lichtsettings und der Zeit. Probanden unter Standardlicht zeigten dem­nach eine geringere Verbesserung der Sorg­falt als die Gruppen „Langzeit + Akut“ und „Langzeit“.

Auch bei beiden Untertests des VVM konnten signifikante Effekte (p < 0,001) in Bezug auf die Zeit gefunden werden. Jedoch ergaben sich keine relevanten Effekte über die einzel­nen Gruppen hinweg. Im visuellen Untertest zeigten sich relevante Effekte der Zeit, ver­glichen mit den unterschiedlichen Lichteinstel­lungen. Im verbalen Untertest konnten keine bedeutsamen Effekte bei der Verbindung Licht­setting und Zeit gefunden werden. Zusammen­fassend stellen die Autoren fest: Künstliches (weißes) Licht mit erhöhtem Blauanteil, in den frühen Morgenstunden dargeboten, kann die Ver arbeitungsgeschwindigkeit und die Kon­zentration verbessern. Weitere Forschungen zu diesem Thema sind nach Meinung der Autoren aber angeraten.

1.2 Raumluftqualität und deren Wirkung auf die Leistungsfähigkeit

Die Raumluftqualität wird im Wesentlichen über den Parameter „Kohlendioxidkonzentra­tion in der Raumluft“ charakterisiert. Selbst­verständlich wird bei dieser eindimensionalen Betrachtung der Einfluss von Temperatur, Feuchte und weiteren olfaktorischen Kenn­werten vernachlässigt. Fakt ist dennoch, dass zur Regelung von Raumluftgeräten derzeit die Konzentration des Kohlendioxids in der Raumluft als eine Haupt regelgröße verwendet wird. Auch in der deutschen Normung wird unter dem Begriff Raumluftqualität und dessen Einhaltung der Parameter CO2 angeführt (siehe IDA 1 bis 4 – wobei IDA „Indoor Air Quality“ bedeutet, in DIN EN 13779 [10]). Eine hohe Raumluftqualität ist nach [10] dann erreicht, wenn der CO2­Gehalt über der Außenluft im Raum bei kleiner gleich 400 ppm liegt. Eine niedrige Raumluftqualität wird demzufolge bei größer 1.000 ppm – wohlgemerkt: über der Außenluft – erreicht. Geht man konservativ von etwa 400 ppm Außenluftkonzentration aus, liegt eine hohe Qualität bei ca. 800 ppm oder