Gedenkstein in Jerichow

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Ein Gedenkstein für die Opfer der NS-„Euthanasie“ Aktion „T4“ in Jerichow Ein Projekt des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalt e.V. , gefördert durch

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Euthanasie und Eugenik- das Fachkrankenhaus Jerichow in der Zeit des Nationalsozialismus

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Ein Gedenkstein für die Opfer der

NS-„Euthanasie“ Aktion „T4“ in

Jerichow

Ein Projekt des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalt e.V. , gefördert durch

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Im Oktober 2009 ist die Ausstellung „Euthanasie und Eugenik – Das AWO

Fachkrankenhaus Jerichow in der Zeit des Nationalsozialismus“ eröffnet worden. Die

Ausstellung fand große Resonanz. Und schon bald gab es Überlegungen, auch einen

Gedenkstein für die Opfer aufzustellen. So rief die AWO Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2011

in ihren Einrichtungen der Psychiatrie und Behindertenhilfe einen künstlerischen

Gestaltungswettbewerb für das Denkmal aus. Über 70 Frauen und Männer, die seelisch,

körperlich oder geistig beeinträchtigt sind, beteiligten sich daran. Der Siegerbeitrag ist nun

umgesetzt. Am 27. Januar 2012, dem Gedenktag für die Opfer des NS-Holocaust, wurde

der Gedenkstein feierlich eingeweiht. Die Dokumentation spiegelt wesentliche Etappen

wieder.

Jerichow, im Januar 2012

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Inhaltsverzeichnis

Auf dem Weg zum Gedenken

Petra Grimm-Benne,. Vorsitzende AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V .............................. 3

Gedanken zum Projekt

Wolfgang Schuth,

Geschäftsführer AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. ...................... 4

Die eingereichten Arbeiten........................................................................... 5

Die Juryentscheidung .................................................................................. 25

Beispiel einer Projektarbeit ........................................................................ 27

Die Preisträger ............................................................................................ 34

Das Gedenksteinprojekt in der Presse ....................................................... 45

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Auf dem Weg zum Gedenken

Vor genau drei Jahren entstand im AWO Fachkrankenhaus

Jerichow die Idee, die Geschichte des Hauses in der Zeit

des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Der Anstoß dazu

kam aus dem beim AWO Landesverband Sachsen-Anhalt

e.V. neu eingerichteten Referat für Demokratiebildung.

Eine Arbeitsgruppe von 13 Freiwilligen machte sich auf,

dieser Geschichte nachzuspüren und Vergessenes

aufzuarbeiten. Ergebnis dieser Arbeit war eine

Ausstellung, die einen Rückblick in diese Zeit erlaubte.

Schulen und Vereine kamen ins Gespräch, die sich für dieses Thema interessierten und das

Krankenhaus auch mehrfach besuchten. Aufgrund dessen wurde der Arbeitsgruppe schnell

klar, dass die Ausstellung nicht das Ende, sondern der Beginn für ein weiteres Vorhaben

sein musste. Dem Gedenken und der Rehabilitierung der bislang vergessenen Opfer sollte

ein dauerhafter Ort des Erinnerns gegeben werden. Gemeinsam entwickelten die

Teilnehmenden die Idee, dass ein Gedenkstein auf dem Krankenhausgelände, gestaltet

und geschaffen durch diejenigen, die Opfer in der NS-Zeit geworden wären, einen

würdevollen Rahmen bieten würde.

Mit der Unterstützung und Förderung durch die Aktion Mensch wurde das Vorhaben im

Frühjahr 2011 angeschoben. Es beteiligten sich über 70 Frauen und Männer aus den

Einrichtungen der AWO an einem Gestaltungswettbewerb. Eine Jury mit Vertretern aus

Geschichte, Medizin und Wohlfahrt bewertete im Sommer die Beiträge. Gewählt wurde

letztlich jener Entwurf, der nun auf dem Gelände des AWO Fachkrankenhauses Jerichow

seinen Platz gefunden hat.

In der nun folgenden Dokumentation soll der Weg bis zum fertigen Gedenkstein

dargestellt werden und auch diejenigen Entwürfe würdigen, die nicht umgesetzt werden

konnten, aber in Erinnerung bleiben sollen.

Petra Grimm-Benne

Vorsitzende AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.

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Gedanken zum Projekt

Es ist ein schwarzes Kapitel in der über hundertjährigen

Geschichte des Krankenhauses Jerichow, mit der wir uns

auseinandersetzen, einer Zeit, zu der die AWO selbst

verboten war und nur im Exil überlebte. 930 Frauen und

Männer sind in den Jahren 1940 bis 1941 von der

damaligen Landesheil- und Pflegeanstalt Jerichow aus in

die Gasmordanstalten Brandenburg und Bernburg

gebracht worden. Historischer Hintergrund ist die NS-

„Euthanasie“- Aktion „T4“, benannt nach der Hauptzentrale des

organisierten Massenmordes in der Tiergartenstraße 4 in Berlin. „Lebensunwertes

Leben“ sollte beseitigt werden. Tausende Menschen wurden Opfer dieser Aktion,

hauptsächlich Behinderte und psychisch Kranke.

Der Gedenkstein sollte auch nach außen hin ein sichtbares Symbol dafür sein, dass diese

Opfer unvergessen bleiben und sich so etwas niemals wiederholen darf. Wir wollen die

Erinnerung und Verantwortung an eine Zeit wachhalten, in der Menschen aufgrund

körperlicher, seelischer und geistiger Beeinträchtigungen entmenschlicht wurden. Dass

dieses Thema bislang auch von Schulen und Lehrern aus dem Jerichower Land im Rahmen

unserer AWO-Ausstellung Euthanasie und Eugenik mit Neugierde aufgegriffen wurde, zeigt

den Bedarf, Geschichte an Jugendliche heranzutragen sowie demokratisches Denken und

Handeln zu fördern.

Das Gedenksteinprojekt und der Wettbewerb zeichneten sich besonders durch den

umfassenden integrativen Charakter aus. Die Entwürfe für den Gedenkstein kommen von

Menschen, die zu den einstigen Opfern der Nationalsozialisten gehört hätten.

Vergleichbares gab es in Sachsen-Anhalt bislang nicht. Das Projekt erinnert und mahnt,

das gute Therapie, soziales Denken und Handeln der sozialen Demokratie bedarf.

Wolfgang Schuth

Geschäftsführer AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.

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Die eingereichten Arbeiten

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Die Juryentscheidung

Im Juni hatten Adrian Maerevoet (Beauftragter der Landesregierung für die Belange von

Menschen mit Behinderung), Dr. med. Bernd Langer (Vorsitzender des

Psychiatrieausschusses), Dr. Ute Hoffmann (Leiterin der Gedenkstätte Bernburg), Harald

Bothe (Bürgermeister von Jerichow), Joachim Müller (Chefarzt AWO Fachkrankenhaus

Jerichow und Wolfgang Schuth als Jury die schwierige Aufgabe, die Arbeiten zu bewerten.

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Die höchste Punktzahl erhielt eine aus der Psychosomatischen Station des AWO

Fachkrankenhauses Jerichow eingereichte Arbeit. Der Siegerbeitrag diente einem Steinmetz

als Vorlage.

Beispiel einer Projektarbeit

Umgesetzt werden konnte nur einer der eingereichten Entwürfe, aber allein schon die

Beschäftigung mit dem Thema hat

den Teilnehmerinnen und

Teilnehmern viel gebracht.

Ergotherapeutin Anja Thiele vom

AWO Wohnverbund Börde hatte mit

einer Wohngruppe an dem

Wettbewerb teilgenommen und

berichtete der Jury beispielhaft über

die Projektarbeit.

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Einige Auszüge aus ihrem Vortrag

Schwierigkeiten bereitete uns der Gedanke, wie wir mit dem Projekt beginnen sollten. Wir

informierten uns erst selbst über das Thema Euthanasie, im Internet und Bibliotheken.

Begonnen haben wir dann mit einem Nachmittag in dem es vordergründig darum ging,

zu erfahren, welchen Wissenstand unsere Klienten haben. Um nicht zu viel vorweg zu

nehmen, haben wir uns zeitnah die Euthanasieausstellung hier in Jerichow angesehen.

Anschließend sollten die Klienten ihre Eindrücke wiedergeben.

Der Gedanke, dass sie selbst hätten Betroffene sein können, kam vielen erst im Laufe des

Projektes. Sie haben unterschiedliche Gefühle geäußert, von Wut bis Trauer und auch

Angst. Dabei kam auch die Frage nach Widerstand auf (hier stießen wir auf verschiedene

Vertreter der Kirche, als auch auf einen deutschen Richter (Lothar Kreyssig) aus

Brandenburg, welcher Anzeige gegen den Reichsleiter Philipp Bouhler erstattete, der

Richter wurde in den Ruhestand geschickt) als auch die Erkenntnis, dass so etwas nie

wieder passieren darf („Erinnern für die Zukunft“)).

Einige unserer Klienten griffen aber auch einen weiteren sehr interessanten Fakt auf: Das

Leben der psychisch Kranken und behinderten Menschen wurde als nicht lebenswert

betitelt. Daraus entstand die Idee, all unsere Klienten zu fragen, was für sie lebenswert ist.

Hier einige Antworten:

Neugier auf den neuen Tag

Keyboard spielen

Natur

Besuch von meiner Mutter

Urlaub und Ausflüge

Theaterspielen und die Freude des Publikums

Dass ich mich frei bewegen kann

Dass ich bald in der Werkstatt arbeiten darf

Die Hoffnung auf einen Neuanfang

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Um den Klienten einen Eindruck zu verschaffen, wurde ein Ausflug zum Steinmetz

organisiert. Dieser informierte uns über die Möglichkeiten der Umsetzung

Die ersten Fotos zeigen unseren Ausflug zur Veltheimsburg, bei der wir uns auch eine alte

Wohnstube angesehen haben, um den Klienten einen Eindruck zu vermitteln, wie die Leute

zur Zeit des Nationalsozialismus gelebt haben.

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Weitere Fotos zeigen Gedenksteine, die wir uns als Anregung angesehen haben.

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Ein weiterer Ausflug führte uns nach Wöbbelin (temporäres Außenlager von

Neuengamme).

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Die dortigen Statuen haben uns besonders beeindruckt, da sie sehr simpel sind und doch

viel im Betrachter auslösen.

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Erst im Anschluss an die Ausflüge haben wir die Bögen ausgeteilt, bei denen unsere

Klienten erst einmal selbst ihre Ideen zu Papier bringen sollten.

Den Klienten, die nicht zeichnen wollten, wurde eine Papiercollage vorgeschlagen.

Beiden Teilnehmern, die sich für eine Papiercollage entschieden, war es wichtig,

behinderte Menschen darzustellen, bei denen es offensichtlich ist, dass für diese

Menschen, dass Leben lebenswert ist. Auch die Äußerungen unserer Klienten wurden zu

Papier gebracht

Die Preisträger

Für die bewegende Auseinandersetzung mit dem Thema Euthanasie und Eugenik gab es

für alle eingereichten Arbeiten eine Teilnahmeurkunde, so wie hier für Heinz-Dieter Dey

und AWO fair leben Mitarbeiterin Martina Ammerich aus der Pflege Wohngemeinschaft in

Magdeburg

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Auf Platz 3 kam der Entwurf aus Anja Thieles Gruppe – Ein schöner Erfolg.

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Schwester Jessica Bengsch, Schwester Kristina Dreusicke und Pfleger Matthias Zielke

nahmen für Ihre Gruppe aus dem AWO Fachkrankenhaus Jerichow die Urkunde für den

zweiten Platz von Projektleiter Jan Bartelheimer entgegen.

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Der Siegerentwurf von Michael Müller und damit Vorlage für die Erinnerungsstätte am

AWO Fachkrankenhaus Jerichow.

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Das Gedenksteinprojekt in der Presse

Volksstimme 10.06.2011 Mantelteil

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Genthiner Volksstimme 10.06.2011

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Genthiner Volksstimme 19.01.2012

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Impressum:

Herausgeber

AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. 39112 Magdeburg Klausenerstr. 17 Geschäftsführer Wolfgang Schuth (v.i.S.d.P.) Redaktion: Cathleen Paech, Jan Bartelheimer, Anja Thiele Fotos: AWO Erscheinungstermin: Januar 2012 Das Gedenksteinprojekt wurde gefördert durch