GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der...

32

Transcript of GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der...

Page 1: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

D A S M A G A Z I N D E R D E U T S C H E N V E R S I C H E R E R

Starre Altersgrenzen? Eine Gesellschaft, die immer älter wird, braucht neue Übergänge zwischen Berufstätigkeit und Ruhestand.

Auf Spurensuche in der großen Rentenfrage.

N R . 9 3 J U N I 2 0 1 4 P R E I S 4 E U R O C 4 4 7 5 5

GENERATION ÜBERGANG

AUFGEZEICHNET:Telematiktarife versprechen Versicherungsprämien passend zum Fahrstil.

ABGEDREHT: Spielfilme sind ein riskantes Geschäft.

InterviewIm

ANDREAS DOMBRET

Bundesbank-Vorstand

Page 2: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

KONTAKT

Teilen Sie Ihre Position mit mir.

[email protected]

die neuen „Positionen“ sind da. Sie prä-sentieren sich in neuem Gewand und mit neuen Inhalten. Wir haben unser Maga-zin für Sie einem Relaunch unterzogen,

um dem Wandel unserer Informations- und Kommunikationswelt bes-ser gerecht zu werden. Mit dem neuen Magazin setzen wir auf hochwertigen Journalismus: kompetent wie gewohnt, jedoch noch unterhaltsamer und informativer aufbereitet als bisher. Wir wollen aber auch geschärfter und ent-schlossener Haltung bezie-hen. „Positionen“ soll so zum Forum unserer Zeit und

Branche werden. Denn wir brauchen Ant-

worten auf die Veränderun-gen, in denen wir uns gesamtge-sellschaftlich befinden. Und wir brauchen Antworten auf die Herausforderungen, vor denen die deutsche Assekuranz steht. Dazu zählt auch die oft kritische Wahrnehmung, die die Branche in der Öffentlichkeit hat. Diese Wahrnehmung schafft ihre eigene Wirklichkeit, obwohl sie nicht mit der Realität bei uns übereinstimmt. Eine Befragung des Allensbach-Ins-tituts hat gezeigt, dass viele Deut-

sche die Versicherungsbranche allgemein kritisch sehen, die

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ZWISCHEN WAHRNEHMUNG UND REALITÄT – WAS LEISTEN

VERSICHERUNGEN WIRKLICH?

ALEXANDER ERDLANDPRÄSIDENT DES GDV

Unternehmen jedoch, bei denen sie versi-chert sind, schneiden viel besser ab. Mehr denn je muss es daher gelingen, deutlich zu machen, was Versicherer können: Wir versichern, wir garantieren und wir leis-ten! Und über das Wichtigste wird viel zu wenig gesprochen: die Bedeutung einer Versichertengemeinschaft, den Risiko-ausgleich im Kollektiv und den Nutzen jedes Einzelnen, der daraus entsteht; und über die Rolle der Versicherungswirt-schaft allgemein für unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Eine Prognos-Studie kam zu dem Ergebnis, dass sich ein Achtel des gesamten Wirtschaftswachstums der ver-gangenen Jahre auf den Beitrag der Asse-kuranz zurückführen lässt. Damit trägt die Versicherungswirtschaft maßgeblich zum deutschen Wirtschaftsleben bei. Die-ses Verständnis von und über Versiche-rungen muss wieder stärker verankert werden. Dazu gehen wir in der Kommu-nikation neue Wege und suchen den Dia-log mit der Gesellschaft und der Politik – die neuen „Positionen“ sind ein Bau-stein davon.

Ihr

MEINE POSITION

2 POS I T ION E N N R . 93

E D I T O R I A L

Page 3: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

JAMES W. VAUPEL, DIREKTOR DES MAX-PLANCK-INSTITUTS

FÜR DEMOGRAFISCHE FORSCHUNG

KURZ POSITIONIERT

04 GEMELDET: Aktuelles aus der Welt der Versicherungen

05 BEWERTET: Stellungnahmen des GDV

SCHLÜSSELPOSITION

06 TITELTHEMA: Generation Übergang. Auf Spurensuche in der großen Rentenfrage

11 GUTE FRAGE: Wie wird eigentlich genau die Zukunft berechnet? Aktuarin Claudia Andersch gibt Auskunft

12 SCHAUPLATZ: Das Alter im Blickwinkel – der Versicherer und der Versicherten

14 IM GESPRÄCH: Alternsforscher James W. Vaupel vom Max-Planck-Institut verrät Geheimnisse des langen Lebens

POLITIK & GESELLSCHAFT

16 WAS KOMMT: Eine neue Serie beleuchtet gesellschaftliche Trends und ihre Auswirkungen auf die Branche. Teil 1: Die Zukunft der Produktion. 3D-Drucker, die nächste industrielle Revolution?

19 UM DEN GLOBUS: Die Briten ticken anders – Assekuranz auf der Insel

20 NACHGEFRAGT: Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret zu seiner Sicht auf die Schuldenkrise und das schwierige Niedrigzinsumfeld

DIGITAL & RESPONSIVE

Die positionen im Netz: www.gdv.de/positionen

„WAS DIE KONTINUIERLICH STEIGENDE LEBENSERWARTUNG ANGEHT, DA IST ZUMINDEST DERZEIT KEIN LIMIT BEKANNT.

VIELLEICHT WERDEN WIR EINMAL 200 JAHRE ALT.“

06

12

14

MÄRKTE & BRANCHEN

22 HINTERGRUND: Vorsicht zahlt sich aus. Die Diskussion um die neuen Telematik-Tarife

25 SCHAUPLATZ: Die Deutschlandkarte zeigt, wo Versorgungslücken klaffen

26 HINTERGRUND: Ein Quantum Trost. Wie sich Risiken im Filmgeschäft begrenzen lassen

28 GEGENPOSITION Warum das Bild von den Nein-Sagern falsch ist

29 ZAHLEN DES QUARTALS: Fakten der Versicherungswelt beziffert

KURZ AUSGEBLICKT

30 MIT ANDEREN AUGEN: Kolumnist Christian Kirchner hadert mit kryptischen Vertragsbedingungen

31 WEITERGEHEN: Link- und Lesetipps

32 DIE SCHÖNSTE VERSICHERUNGSSACHE DER WELT

3N R . 93 POS I T ION E N

I N H A L T

TIT

EL

FO

TO

: M

IRJA

M K

LE

SS

MA

NN

; F

OT

OS

DIE

SE

SE

ITE

: M

IRJA

M K

LE

SS

MA

NN

, PL

AIN

PIC

TU

RE

, IS

TO

CK

, GR

EG

OR

LE

NG

LE

R, T

HIN

KS

TO

CK

; IL

LU

ST

RA

TIO

N:

DIE

TE

R B

RA

UN

Page 4: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

4 POS I T ION E N N R . 93

Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent

von derzeit 18,9 Prozent steigen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Die Zukunft der Altersvorsorge“, die vom Handelsblatt Research Institute und der Prognos AG im Auftrag des GDV erstellt wurde. Gleichzeitig erwarten die Autoren durch die Rentenpläne eine Absenkung des Rentenniveaus um bis zu 0,5 Prozentpunkte bis 2030. Das Fazit der Verfasser: Die Bundesre-gierung setzt mit diesem rentenpolitischen Kurs ein falsches Signal: Das derzeitige demografische Zwischenhoch werde für langfristige Leistungsausweitun-gen missbraucht.

MEHR INFOS: www.gdv.de/rentenpaket

K U R Z P O S I T I O N I E R T

Die Arbeit der freiberuflichen Hebammen könnte dauerhaft gesi-chert sein. Dazu trägt ein Maßnahmenpaket bei, das das Bun-

desgesundheitsministerium kürzlich in Berlin vorstellte. Das Paket sieht unter anderem eine höhere Vergütung für Hebammen mit wenigen Geburten, Maßnahmen zur Qualitätssicherung und den Regressverzicht der Sozialversicherungsträger vor. Der GDV begrüßt die Vorschläge. Zum Hintergrund: Die Kosten für schwere Geburts-schäden durch Behandlungsfehler waren in den letzten Jahren, u. a. durch hohe Regressforderungen, deutlich gestiegen. Dies führte zu immer höheren Haftpflichtbeiträgen für die Freiberuflerinnen.

HEBAMMENVERSORGUNG

ZUR ZUKUNFT DER RENTE

GEMELDET

FINANZIELLER SCHUTZ ZUR FUSSBALL-WM

Fußball–WM in Brasilien – für die Fans Unterhaltung pur, für die Veranstalter

eine knallharte wirtschaftliche Unterneh-mung. Das größte finanzielle Risiko: dass die werbeträchtigen Fernsehübertragungen wegbrechen. Gegen eine zeitliche oder ört-liche Verlegung der WM hat sich die Fifa mit 900 Millionen Dollar versichert. Gezahlt wird, wenn Spiele etwa wegen Ter-roranschlägen, Epidemien oder Naturkata-strophen verschoben werden müssen. Bei einer Fußball-WM ist dies glücklicherweise noch nicht passiert, aber bei der Rugby-WM 2011, verschuldet durch das verhee-rende Erdbeben in Christchurch, Neusee-land. Die Versicherer übernahmen damals die zusätzlichen Kosten, die durch das Aus-weichen in andere Städte entstanden waren.

SCHWERPUNKT: www.gdv.de/wm2014

Page 5: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

5N R . 93 POS I T ION E N

K U R Z P O S I T I O N I E R T

Beim Kauf von Anlageprodukten sollen Kleinanleger künftig EU-weit ein Standard-Informationsblatt über Risiken und

Konditionen erhalten. Der Rat, die EU-Kommission und das EU-Parlament haben jüngst entsprechende Verhandlungen abgeschlos-sen. Der GDV wertet das Ergebnis als wichtigen Schritt, um die Transparenz im europäischen Finanzvertrieb zu verbessern. Aller-dings gehe der Versuch, für möglichst viele Finanzprodukte einheit-liche Regeln einzuführen, zwangläufig zulasten der Ver-gleichbarkeit und Verständ-lichkeit. Der GDV begrüßt daher die Entscheidung, staatlich anerkannte Alters-vorsorgeprodukte von der Verordnung auszunehmen.

MEHR INFOS: www.gdv.de/

stellungnahmen

NOTRUFSYSTEM eCALL SOLL LEBEN RETTEN

BEIPACKZETTEL FÜR KLEINANLEGER

I n der EU sollen Autos künftig bei einem Unfall automatisch ein Notrufsignal sen-

den. Das Europäische Parlament hat kürz-lich darüber abgestimmt, dass bis spätestens Oktober 2017 die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass die Infrastruktur – bei-spielsweise in den Rettungsleitstellen – steht, damit eCall zuverlässig funktioniert, sobald Neufahrzeuge damit ausgestattet sein müs-sen. Die Arbeiten zur Typgenehmigungsver-ordnung, die den Einbau von eCall in Fahr-zeuge verpflichtend vorsehen soll, sollen in der zweiten Jahreshälfte im Trilog zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kom-mission abgeschlossen werden. Dabei geht es um die genauen Vorgaben an die Kfz-Her-steller für den Einbau von eCall-Systemen.

Ziel von eCall ist es, Verletzte schneller am Unfallort versorgen zu können. Wenn das System nicht manuell ausgelöst wird, reagiert es beispielsweise auf das Auslösen der Airbags. Auf Basis der EU-weiten Not-rufnummer 112 sendet es dann Ort und Zeit des Unglücks an die nächste Rettungs-dienstleitstelle. Die deutschen Versicherer unterstützen das Vorhaben ausdrücklich. Gleichzeitig warnt der GDV vor unbeab-sichtigten wirtschaftlichen Risiken: Zum einen muss der Kunde in Zukunft selbst bestimmen können, was mit den Informati-onen aus seinem Auto passiert. Zum ande-ren muss der freie Zugang für alle Markt-teilnehmer gewährt werden.

MEHR INFOS: www.gdv.de/stellungnahmen

BEWERTET

FO

TO

S:

SH

UT

TE

RS

TO

CK

(3

), D

PA

PIC

TU

RE

-AL

LIA

NC

E, M

AU

RIT

IUS

IM

AG

ES

, FO

TO

LIA

Page 6: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

WIR WERDEN IMMER ÄLTER UND FÜHLEN UNS JÜNGER. Eine wachsende Gruppe von Senioren will vom angeblich süßen

Nichtstun des Rentnerdaseins erst mal nichts wissen. Raus aus der Altersfalle mit ihren starren Grenzen – das längere Leben braucht neue Modelle zwischen Arbeitsleben und Ruhestand. Vorbilder gibt es genug.

Auf Spurensuche in der großen Rentenfrage.

GENERATION

ÜBERGANG

POS I T ION E N N R . 93

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

6

Page 7: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

N R . 93 POS I T ION E N

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

7

Page 8: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

Hans-Peter Rauschert ist ein gefragter Mann. Wenn es darum geht, Kosten zu durchleuchten,

Fertigungsprozesse zu optimieren, ist der Qualitätsmanager zur Stelle. Ob auf der Schwäbischen Alb, in China oder Mexiko. Von aufreibender Hetze von Job zu Job kann dennoch keine Rede sein – 40 bis 50 Tage im Jahr war er in den letzten Jahren im Einsatz. Mehr sol-len es auch nicht werden. Karriereambi-tionen mögen andere hegen, seinen Motor treibt ein anderer Stoff. „Es ist schön, gebraucht zu werden, Dinge wei-terzugeben und Neues zu erfahren“, sagt Rauschert, Ex-Boschianer, 70 Jahre alt und seit sieben Jahren offiziell Rentner.

Endlich in Rente von wegen! Die Wonnen des Ruhestands – später aufste-hen, Hobbys pflegen, auch tagsüber im Café sitzen – schlugen bald ins Gegen-teil um. Schon nach kurzer Zeit fiel ihm „vor Langeweile die Decke auf den Kopf“. Als der Anruf seines heutigen Arbeitgebers kam, griff er gerne zu.

Noch zählen die „silver-workers“ zur Minderheit, doch ihre Zahl geht steil nach oben. Knapp fünf Prozent aller über 65-Jährigen arbeiten inzwischen auch nach Renteneintritt gegen Entgelt weiter, fast doppelt so viele wie vor zehn Jahren. In keiner anderen Altersgruppe ist die Zahl der Erwerbstätigen so stark gestiegen.

Wertvolles Alterswissen sichernZwei zeitlich befristete Aufträge pro Jahr wollte Rauschert anfangs anneh-men, heute absolviert er für die Bosch Management Support GmbH (BMS), die Senioren-Experten-Tochter des Technologiekonzerns, einige mehr. Rund 1300 ehemalige Boschianer über-nehmen derzeit weltweit Bosch-interne Beratungsaufträge. Ihr Honorar orien-tiert sich dabei an ihren früheren Bezü-gen. Dem Beispiel sind in jüngster Zeit einige Konzerne gefolgt. So sorgen bei-spielsweise die Otto Group Senior Expert Consultancy GmbH, das Bay-Sen-Netzwerk des Chemiekonzerns

Bayer oder auch der Autokonzern Daimler mit seiner 2013 gestarteten „Space-Cowboy-Initiative“ für ein Revival ihrer Experten-Rentner.

Geistig vergreist, körperlich ver-braucht – die Altersstereotype von ges-tern kann man getrost ad acta legen. Die kranken Jahre nehmen ab, die gesunden zu. Ein heute 60-Jähriger ist, wie die Alternsforschung zeigt, so fit wie ein 50-Jähriger vor 20 Jahren. Der Alte-rungsprozess scheint verlangsamt – und das umso mehr, je länger man aktiv bleibt. Den Eintritt ins Rentnerleben nach hinten zu verschieben zahlt sich aus, wie Studien zeigen – nicht nur finanziell und in puncto Altersvorsorge. Je jünger Menschen in Ruhestand gehen, umso drastischer sinkt die Gedächtnisleistung, steigt das Risiko, krank zu werden. „In einen Arbeitskon-text eingebunden zu sein und dadurch immer wieder neu gefordert zu werden, kann sinnstiftend sein und hat für den Einzelnen enorme Vorteile“, betont Ursula Staudinger, Alternsforscherin und Gründungsdirektorin des neuen, interdisziplinären Columbia Aging Cen-ters an der gleichnamigen Universität in New York. „Wir sollten darum bemüht sein, Arbeitsumstände so zu verändern, dass die Verrentung nicht als Befreiung erlebt wird, sondern als Verlust.“

Je näher die Rente rückt, umso weni-ger Illusionen machen sich die Men-schen über die Wonnen des Ruhestan-des. Über die Hälfte der 55- bis 70-jäh-rigen Deutschen äußern die Bereit-schaft, über die Rente hinaus weiterzu-arbeiten. Zumindest in Unternehmen, die bereits Angebote für ältere Men-schen bieten. Ist dies nicht der Fall, liegt das Interesse bei unter 40 Prozent. „Der individuelle Wunsch zu arbeiten muss auch mit den Möglichkeiten bei den Arbeitgebern zusammengehen“, ver-deutlicht Forscher Andreas Mergentha-ler, der die deutschlandweite Studie „Transitions and Old Age Potential“ für das Bundesinstitut für Bevölkerungsfor-schung mit erhoben hat.

1954

1914

2014

8 POS I T ION E N N R . 93

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

Die Realität des Alterns ändert sich: Kalendarisches und biologisches Alter fallen zunehmend auseinander. Von Generation zu Generation verjüngen wir uns biologisch um ca. fünf Jahre. Heutige Rentner sind daher aktiver und gesünder als ihre Vorgänger.

Page 9: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

WEITERMACHEN TROTZ RENTENALTERBereitschaft für Weiterbeschäftigung im Ruhestand ist hoch 67%

SELBSTSTÄNDIGE

Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)

Rund die Hälfte aller Erwerbstätigen, die 55 Jahre und älter sind, können sich gegenwärtig vorstellen, auch nach dem Eintritt in den Ruhestand einer bezahlten Beschäfti-gung nachzugehen.

Umfrage unter 5000 Menschen

im Alter zwischen 55 und 70 Jahren

48% ANGESTELLTE

45% ARBEITER

42% BEAMTE

Die Frage nach den neuen Alten – in Zukunft wird sie sich lauter stellen. Das Gruppenbild der Gesellschaft im Jahr 2030, skizziert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, zeigt: Auf einen über 64-Jährigen kommen nur noch etwa zwei Menschen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren, heute sind es drei. Damit trifft der demografische Wandel auch die Altersvorsorgesysteme tief in

ihrem Innersten – insbesondere die Leis-tungsfähigkeit der gesetzlichen Rente mit ihrem Umlageverfahren, das auf einem Transfer zwischen den Generati-onen basiert. „Demografiebedingt feh-len bis 2030 rund 6,5 Millionen Arbeits-kräfte. Wir müssen das Potenzial der Älteren stärker ausschöpfen“, ergänzt Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability an der Hochschule Ludwigshafen. Das würde sich gleich doppelt auszahlen: Nicht nur die Arbeitswelt, auch die gesetzliche Rente bekäme mehr Standfestigkeit in den Turbulenzen des demografischen Wandels.

Die Potenziale der Älteren nutzenDoch von der Erkenntnis zur Umset-zung ist noch ein weiter Weg, wie die Hertie-Stiftung herausgefunden hat. Zwei Drittel aller Unternehmen bieten keine Maßnahmen an, um die Erwerbs-tätigkeitsphase älterer Arbeitnehmer zu verlängern, nur 15 Prozent planen, dies künftig zu tun. Und wer jenseits der 50 seinen Job verliert, tut sich schwer, beruflich wieder Fuß zu fassen. „Der Arbeitsmarkt ist im Moment noch nicht offen für 50plus“, konstatiert Staudin-ger. „Aber der Druck baut sich jetzt auf und wird exponentiell und rapide zunehmen.“

Noch etwa sechs Jahre lang wird die Balance zwischen Zu- und Abgängen auf dem Arbeitsmarkt relativ ausgewo-gen sein, rechnet Martin Werding, Pro-fessor für Sozialökonomie an der Ruhr- Universität Bochum, vor. „Aber unter der Oberfläche bereiten wir uns auf den Renteneintritt der Babyboomer vor.“ Um sie so lange als möglich im Job zu halten, ist es mit exklusiven Rentnerpro-grammen längst nicht getan. „Wir reden hier über eine kleine Elite, aber Verände-rungen braucht es für die Mehrzahl der Arbeitskräfte“, so Personalexpertin Rump. Mit Arbeits- und Rentenmodel-len von gestern ist in Zeiten des demo-grafischen Wandels kein Land zu gewin-nen, ist auch Alternsforscherin Staudin-

„WIR MÜSSEN DAS POTENZIAL DER

ÄLTEREN STÄRKER AUSSCHÖPFEN.“

JUTTA RUMPDIREKTORIN DES INSTITUTS FÜR

BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY, HOCHSCHULE LUDWIGSHAFEN

9N R . 93 POS I T ION E N

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

Page 10: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

LEBENSERWARTUNG BEI GEBURT1870 bis 2050

Die Deutschen leben imm er länger. In Zukunft wird hohes Alter ein Massenphänomen: Bis 2050 werden Jungen durchschnittlich mindestens 83, Mädchen sogar 88 Jahre, so die Vorausberechnungen.

ger überzeugt. „Die Frage muss sein: Wie schaffen wir Arbeitsverhältnisse, dass Menschen Lust darauf haben, län-ger und anders verteilt zu arbeiten?“

Flexible Lösung statt AltersgrenzenAntworten darauf sind flexible Arbeits-zeit- und Arbeitsortmodelle, eine lebens-phasenorientierte Personalpolitik, die etwa auf Langzeitkonten und lebenslan-ges Lernen baut, sowie Demografie-Tarifverträge. Altersgrenzen, die wenig Spielraum lassen, hinken dagegen der Realität hinterher, statt die Zukunft zu gestalten. Einige Industrieländer haben sich daher schon vor Jahren von einem fest definierten Rentenalter verabschie-det. In Norwegen können Beschäftigte innerhalb einer Altersspanne von 62 bis 75 in Rente gehen. Radikaler ist die Lösung in Großbritannien: Eine Ober-grenze, die das Arbeitsverhältnis auto-matisch beendet, wurde abgeschafft, altersbedingte Kündigungen somit aus-geschlossen. „Ganz wichtig dabei ist

auch die symbolische Wirkung“, kom-mentieren die Autoren der Studie „Pro-duktiv im Alter“ des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung (BIBE) diesen Schritt. Die implizite Aufhebung der strikten Dreiteilung in Kindheit, Erwerbsphase und Ruhestand könne „dazu beitragen, das Bild vom Alter als unproduktive Phase zu korrigieren“.

In Deutschland gibt es heute noch viele Hürden, wenn Arbeitnehmer über das gesetzliche Rentenalter hinaus wei-terarbeiten wollen. Die Bundesregierung will mit der geplanten Flexi-Rente diesen Schritt erleichtern. Arbeitnehmer sollen nach Erreichen der Regelaltersgrenze befristet weiterarbeiten dürfen, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Die Befristung soll auch mehrmals hintereinander möglich sein. Entschieden ist aber noch nichts. Bis zum Herbst will eine Arbeitsgruppe der Koalition konkrete Vorschläge vorlegen.

Bereits beschlossen ist hingegen die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren – eine Maßnahme, die den Druck auf das

„MIT DEM STEIGENDEN LEBENSALTER

MUSS AUCH DAS RENTENALTER MITZIEHEN.“

MARTIN WERDINGPROFESSOR FÜR SOZIALPOLITIK

UND ÖFFENTLICHE FINANZEN, RUHR-

UNIVERSITÄT BOCHUM

80

90

70

60

40

30

20

10

0

50

männlich weiblich

Altersjahre

2050

Quelle: Statistisches Bundesamt

2008/20101871/1881 1932/1934 1986/1988

Die Deutschen leben imm er länger. In Zukunft wird hohes Alter ein Massenphänomen: Bis 2050 werden Jungen durchschnittlich mindestens 83, Mädchen sogar 88 Jahre, so die Vorausberechnungen.

80

90

70

60

40

30

20

10

0

50

männlich weiblich

Altersjahre

2050

Quelle: Statistisches Bundesamt

2008/20101871/1881 1932/1934 1986/1988

10 POS I T ION E N N R . 93

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

Page 11: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

FO

TO

S:

MIR

JAM

KL

ES

SM

AN

N (

2),

PR

IVA

T, G

ET

TY

IM

AG

ES

, SH

UT

TE

RS

TO

CK

, TH

INK

ST

OC

K, U

WE

BE

LL

US

ER

Rentensystem noch erhöht und das Bild von den unproduktiven Alten verfestigt. Etwa 160 Milliarden Euro könnten die Rentengesetze, zu denen auch die Müt-terrente zählt, bis 2030 kosten. Arbeit-geber, Ökonomen und Verbände üben entsprechend harsche Kritik. „Ich wünschte, auf der rentenpolitischen Agenda der Bundesregierung gäbe es mehr zukunftsweisende Elemente für die jüngere Generation, die die gesetzli-che und private Rente demografiefester machen würden“, bedauert GDV-Präsi-dent Alexander Erdland.

Nachhaltige Rentenpolitik sieht anders aus, meint auch Sozialökonom Werding. „Mit steigendem Lebensalter muss auch das Rentenalter mitziehen. Die Umsetzung der Regelaltersgrenze von 67 Jahren und betriebliche Maß-nahmen, dass die Menschen wirklich so lange – oder auf Wunsch noch darüber hinaus – arbeiten können, ist der leis-tungsfähigste Ansatz dafür, den Arbeits-markt wie auch das Rentensystem demografiefest zu machen.“ HERTA PAULUS

GUTE FRAGE

WIE WIRD DENN DIE ZUKUNFT BERECHNET?Ob Renten- oder Lebensversicherung: Flexibel soll der Tarif sein, günstig sowieso, möglichst viele Leistungen abdecken und hohe Erträge abwerfen. Und das ein Leben lang. Wie Versiche-rungsmathematiker für die passende Altersvorsorge in die Zukunft schauen – und zurück.

Wie alt kann der Mensch werden? Eine defini-tive Antwort auf diese Frage kennt niemand. Sicher ist nur: Er lebt länger. Seit über 140 Jah-ren wird er im Schnitt alle 40 Jahre um rund zehn Jahre älter. Nach-zulesen ist das in den sogenannten Sterbeta-feln, die im Arbeitsalltag eines Versicherungs-mathematikers – Aktu-ar genannt – eine we-sentliche Rolle spielen. Seine Aufgabe ist es, Ri-siken zu berechnen, zu bewerten und auf Basis der Ergebnisse Tarife und Beiträge für Versicherungspolicen zu kal-kulieren. Der „Blick in den Rückspiegel“, wie Claudia Andersch, Mitglied des Vorstands der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), die sta-tistischen Erfahrungswerte der Vergangen-heit nennt, bildet die Ausgangsbasis für den in unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitstabel-len gewagten Blick in die Zukunft. Das Haupt-risiko dabei: die Unsicherheit zukünftiger Sterblichkeitserwartungen. Für die Sterbeta-feln der DAV zur Reservierung von Renten- oder Lebensversicherungen, die den Aktuaren bei ihren Berechnungen helfen, werden vor al-lem die Datenpools der Versicherungen, des Statistischen Bundesamtes und der Deut-schen Rentenversicherung ausgewertet, wer-den soziale Trends ebenso analysiert wie Ver-änderungen in der Berufswelt oder medizinische Entwicklungen. Wie haben sich die Sterblichkeitserfahrungen in der Vergan-genheit verändert und was bedeutet das für die Zukunft, was könnten Einflüsse aus Sterb-lichkeitsveränderungen sein, wie unterschei-den sich Versichertendaten von allgemeinen Bevölkerungsdaten: „Wir bemühen uns, sämtliches aussagekräftiges statistisches Material zur Plausibilisierung der eigenen Da-ten heranzuziehen“, sagt Andersch.

Mathematisches Know-how ist gefragt, Statistik und Stochastik sind unerlässlich,

Sorgfalt und Genauigkeit gepaart mit Erfah-rung ein Muss. „Wir müssen die Trendansät-ze in Formeln packen und auch modellieren können. Die Herausforderung dabei ist, im-

mer wieder auch den Realitätscheck zu ma-chen“, bekräftigt An-dersch. „Sind die Daten nach einheitlichen Me-thoden erfasst wor-den? Selbst geringe Abweichungen können bereits zu falschen Schlüssen führen.“ Und die könnten fatal sein, steht der Aktuar doch

in der Pflicht, dass die Versicherungsleistun-gen sicher und angemessen kalkuliert sind. „Wir legen uns heute fest und müssen unser Leistungsversprechen in ferner Zukunft ge-währleisten“, sagt Andersch. Dass man hier nicht vorsichtig genug sein kann, zeigt der Blick in die Vergangenheit. „Gerade bei den Sterbetafeln gab es Wechsel, weil wir die Langlebigkeit unterschätzt hatten. Aber die Botschaft hier ist: Ein Wechsel geht nicht zu-lasten der Versicherten. Jeder bekommt sei-ne Auszahlungen ein Leben lang. Garan-tiert!“

„DER BLICK IN DEN RÜCKSPIEGEL IST DIE BASIS FÜR DIE BERECHNETE

ZUKUNFT.“

BLICK AUS DER POLITIKAndrea Nahles zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge.

GDV POSITION

AKTUELLE RENTEN-POLITIK ALS ROLLE RÜCKWÄRTS„Starre Altersgrenzen sind überholt. Gefragt sind in einer immer älter werdenden Gesell-schaft flexible und attraktive Lösungen beim Übergang in den Ruhestand, die es dem Ein-zelnen ermöglichen, seine Lebensarbeitszei-ten auch verlängern zu können. So machen wir die gesetzliche und private Rente demo-grafiefester.“

CLAUDIA ANDERSCH, MITGLIED DES VORSTANDS DER

DEUTSCHEN AKTUARVEREINIGUNG (DAV) UND MITGLIED DES VORSTANDS

VON COSMOSDIREKT

GDV-ANSPRECHPARTNER Una Großmann Tel.: 030 2020-5185 E-Mail: [email protected]

11N R . 93 POS I T ION E N

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

Page 12: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

DIE ZWEI SEITEN DER ALTERSVORSORGE

UNSERE LEBENSERWARTUNG STEIGT PRO JAHR im Schnitt um zehn Wochen. Und wer lange lebt, braucht lange Geld. Ein Stimmungsbild.

AUS DEM BLICKWINKEL DER VERSICHERER

WANN ZUR TAT GESCHRITTEN WIRDHauptsächlich die 20- bis 49-Jährigen schließen Lebensversicherungen ab

Eintrittsalter in Jahren/Anteil am Neugeschäft von privaten Rentenversicherungen

Quelle: GDV

20 Jahre Laufzeit 30 Jahre Laufzeit

ALTERSVORSORGE MIT LEBENS- VERSICHERUNGEN BEHAUPTET SICHTrotz lang anhaltender Niedrigzinsphase schafft es die Lebensversicherung über die Zeit, für eine gute Gesamtverzinsung der Beiträge zu sorgen – sichtlich über der von festverzinslichen Wertpapieren.

in Prozent bei 12, 20 und 30 Jahren Laufzeit

Quelle: Bloomberg, Map-Report 2013

1990 1995 2000 2005 2010 20120

1

2

3

5

6

8

9

7

4

12 Jahre Laufzeit

Umlaufrendite Garantiezins

Quelle: GDV

BEDÜRFNIS NACH SICHERHEIT WÄCHSTSo entwickeln sich Lebensversicherungen mit garantierten Leistungen

Klassische Verträge mit kapitalbildenen Policen

Fondsgebundene Verträge mit kapitalbildenden Policen

2008

2008

2012

2012

59 %

41 %

76 %

24 % 2011

6,7 %

15 – 19

30,8 %

20 – 29

23,5 %

30 – 39

23,8 %

40 – 49

11,8 %

50 – 59

3,4 %

ab 60

Die gesetzliche Rente ist für die meisten der

größte Posten ihrer Altersfinanzierung. Experten

warnen: Eine Säule allein wird nicht reichen.

12 POS I T ION E N N R . 93

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

Page 13: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

FO

TO

S:

IST

OC

K, P

LA

INP

ICT

UR

E, S

HU

TT

ER

ST

OC

K

Quelle: DPA-Infografik, OECD

DIE ZWEI SEITEN DER ALTERSVORSORGE MIT DEN AUGEN DER VERSICHERTEN

MännerFrauen

ENDE DES ARBEITSLEBENSIn diesem Alter hören die Menschen durchschnittlich* auf zu arbeiten in

IMMER WENIGER SCHULTERN TRAGEN DIE RENTENLASTErwerbstätige pro Rentner

Japan Dänemark

Portugal Spanien

Schweden DEUTSCHLAND

USA Italien

Großbritannien Frankreich

Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung

AUFWÄRTS: SO LANGE BEZIEHEN FRAUEN UND MÄNNER IHRE RENTEEntwicklung in Deutschland seit 2001

2001 2003 2005 20092007 201213

19

14

20

15

21

16

22

19,3

19,8 19,9

20,6

13,8 Jahre

21,3 Jahre

16,7 Jahre

14,3

14,7 15,0

15,8

Frauen Männer

ALTER IST SUBJEKTIVSo viele Jahre jünger fühlen sich die verschiedenen Altersgruppen Quelle: Ifo-Umfrage 2012

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, GDV

18,9 Jahre

69,166,7

63,461,9

68,466,4

62,363,2

66,164,2

62,161,6

65,065,0

61,160,5

63,763,2

69,560,0

Die Menschen in Deutschland – sie

werden nicht nur älter, sie bleiben

auch länger aktiv.

Neuer Rekord: 1,3 Millionen Babyboomer werden 2031 in Rente gehen.

* in den Jahren 2007 – 2012, ausgewählte Länder

1995

2030

2010

1975

1965

1955

werden 2031 in Deutschland leben.

30 MILLIONEN

RENTNER

16 – 29 30 – 44 45 – 59 60 – 74 75+

3 Jahre 7 Jahre 8 Jahre 8 Jahre 10 Jahre

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

13N R . 93 POS I T ION E N

Page 14: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

„LEBENSFREUDE IST ENTSCHEIDEND“

Es ist an der Zeit, UNSER LEBEN FLEXIBLER ZU GESTALTEN, meint Alternsforscher James W. Vaupel

D ie Uhr im Büro von James W. Vaupel tickt rückwärts. Ein far-big markiertes Viertel steht sym-

bolisch für die Zeit, die uns jede Stunde geschenkt wird. Die Lebenserwartung steigt immer weiter, wir werden immer später alt. Das führt uns auch der 68-jährige Direktor vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung selber lebhaft vor Augen.

Lebe zwölf Monate und du bekommst drei dazu – die Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Gibt es eine biologische Obergrenze? Ein Limit ist derzeit nicht bekannt. Viel-leicht werden wir einmal 200 Jahre alt.

Woran liegt es, dass wir langsamer altern? Wir altern nicht langsamer, sondern der Alterungsprozess setzt später ein. Ein 70-Jähriger fühlt sich heute wie ein 60-Jähriger vor 50 Jahren. In jeder Phase des Lebens sind die Menschen heute im Durchschnitt physisch und mental gesün-der. Das liegt vor allem an der Verbesse-rung der Lebensbedingungen: Wir ernäh-ren uns ausgewogener, treiben mehr Sport, rauchen weniger, haben eine iso-lierte Wohnung und warme Kleidung, eine bessere medizinische Versorgung und eine höhere Bildung. Wir leben gesünder.

Riesenschildkröten können über 180 Jahre alt werden, Mammutbäume mehr als 3000. Was können wir von anderen Lebewesen über das Altern lernen?Wir beobachten seit einigen Jahren Süß-wasserpolypen, die die faszinierende Eigenschaft haben, in wenigen Tagen alle ihre Zellen komplett zu erneuern. Das Leben dieser Hydra ist unter optimalen Umweltbedingungen womöglich unbe-grenzt. Auch unser Körper kann viele Schäden zum Großteil selbst reparieren. Wenn wir uns etwa ein Bein brechen, hei-len die Knochen wieder, wenn wir Strah-lung ausgesetzt sind, können unsere Zel-len Veränderungen der DNA-Struktur beseitigen. Doch nicht alles wird repa-riert. Kleine Schäden bleiben zurück, die

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

14 POS I T ION E N N R . 93

Page 15: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

sich akkumulieren. Vielleicht können wir von der Hydra lernen, wie wir uns voll-ständig reparieren.

Polypen sind sehr einfache Organismen. Ist diese Vision denn wirklich realistisch?Ja. Die Evolution wird Schritt für Schritt dafür sorgen, dass sich das Reparatursys-tem des Menschen verbessert.

Was stimmt Sie da so optimistisch?Für die Evolution ist nur relevant, Über-leben und Reproduktion zu sichern. Hierfür muss der Körper die beschränk-ten Ressourcen bestmöglich managen. Der Mensch wurde so gebaut, dass er viel Energie in die Reproduktion stecken kann – schließlich hatten wir früher ein Dutzend Kinder. In das Reparatursystem hat die Evolution vergleichsweise gerin-ger investiert. Heute haben die Menschen in Industrienationen weniger Nachwuchs und genug zu essen. Wenn wir unserem Körper sagen könnten: „Die Fortpflan-zung ist gesichert, stecke das, was du an Extra-Nahrung erhältst, nicht in den Fettspeicher, sondern ins Reparatursys-tem“, könnten wir eines Tages Schäden komplett ausbessern.

122 Jahre – das bislang höchste dokumen-tierte Menschenalter. Sie haben die älteste Dame der Welt kennengelernt. Hat Jeanne Calment Ihnen etwas über das Geheimnis des langen Lebens verraten? Lebensfreude ist entscheidend. Alle Hun-dertjährigen, denen ich begegnet bin, hat-ten eine ausgeprägte Freude am Leben, so auch Madame Calment. Sie hat jeden Tag bewusst genossen und sich bis ins hohe Alter nach jedem Essen eine Zigarette und ein Glas Portwein gegönnt. Als sie später im Rollstuhl saß, habe ich sie einmal gefragt: „Sie haben nicht mehr so viel Kontakt zu anderen Menschen wie frü-her, was machen Sie die ganze Zeit?“ Und sie sagte: „Ich erinnere mich an all die wunderbaren Erfahrungen, die ich machen durfte.“ Sie liebte das Leben.

Sollten wir daher, solange wir Freude am Arbeiten haben, auch die Möglichkeit

haben, dies zu tun, statt in Rente geschickt zu werden?Unbedingt. Wer länger arbeitet, bleibt länger gesund.

Tatsächlich?Ja, weil wir uns freuen, einen aktiven Bei-trag zur Gesellschaft zu leisten, und uns nicht als Last fühlen. Hinzu kommt: Wir tauschen uns mit anderen aus, lernen Neues hinzu und bewegen uns, um zum Arbeitsplatz zu kommen – all dies trägt zur Gesundheit bei.

Im Grunde haben wir doch keine andere Wahl, als länger zu arbeiten: Je älter wir werden, desto mehr Geld brauchen wir, um dieses Leben finanzieren zu können. Deswegen sollten wir umdenken. Im Übrigen: Wenn Senioren nur einige Stun-den pro Tag ein paar Jahre länger arbei-ten, verliert auch der demografische Wan-del seinen Schrecken: Der Fachkräfte-mangel wird entschärft, die Rentenkasse entlastet.

Die Hälfte aller deutschen Kinder wird den 100. Geburtstag feiern. Sollten wir generell unsere Lebenszeit neu ordnen?Ich halte es für sinnvoll, dass wir mehr Jahre, aber dafür weniger Stunden pro Woche arbeiten. So hätten wir in jungen Jahren mehr Zeit für Familie und Freunde. Langfristig wären wir glücklicher.

Wie lange wollen Sie eigentlich arbeiten?Ich hätte wie andere Direktoren des Max-Planck-Instituts mit 65 Jahren in Rente gehen müssen, aber ich habe eine Ausnahmeregelung vereinbart: Mein Ver-trag läuft bis Ende 2017, dann bin ich 72 Jahre und acht Monate alt.

Und was kommt dann?Danach werde ich Vollzeit als Professor in Dänemark tätig sein. Dort gibt es keine Altersgrenze. Solange ich gesund bin, möchte ich arbeiten. Wenn ich mal 80 Jahre alt bin, trete ich vielleicht kürzer. Zehn oder 20 Stunden die Woche dürften dann genügen.

SABINE SCHLOSSERFO

TO

S:

GR

EG

OR

LE

NG

LE

R

S C H L Ü S S E L P O S I T I O N

15N R . 93 POS I T ION E N

JAMES W. VAUPEL , GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR DES MAX-PLANCK-INSTITUTS FÜR

DEMOGRAFISCHE FORSCHUNG UND DIREKTOR DES MAX-PLANCK

ODENSE CENTER ON THE BIODEMOGRAPHY OF AGING

Er trägt ab und an rote Socken, eine auffälli-ge Krawatte oder ein Hemd, das nicht zum Anzug passt. Jeden Tag etwas Außerge-wöhnliches tun oder denken ist seine Maxi-me. „Ich mag das Leben interessant gestal-ten“, sagt James W. Vaupel, einer der weltweit renommiertesten Alternsforscher. Als Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische For-schung und Direktor des Max-Planck Oden-se Center on the Biodemography of Aging pendelt er mit der Fähre zwischen Rostock und Dänemark, wo seine Frau und Töchter leben. Der gebürtige New Yorker war der Ers-te in seiner Familie, der eine Universität be-suchte. In Harvard studierte er Statistik und promovierte in Politikwissenschaften. Spä-ter lehrte er an der Duke-University, der Uni-versity of Minnesota und der Syddansk Uni-versität in Odense. Arbeit ist für den agilen 68-Jährigen Lebenselixier. An Ruhestand denkt er noch lange nicht.

„WER LÄNGER ARBEITET,

BLEIBT LÄNGER GESUND.“

Page 16: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

TEIL 1:

3D-Druck – die

nächste industrielle

Revolution?

BUSTIERS, BRILLEN, BAUTEILE: Fast alles könnte eines Tages aus dem 3D-Drucker kommen. Die Versicherungsbranche hilft dabei, die Risiken zu kontrollieren.

EROBERUNG DER DRITTEN DIMENSION

SERIE

WAS KOMMT

POS I T ION E N N R . 93

P O L I T I K & G E S E L L S C H A F T

16

Page 17: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

Die niederländische Designerin Iris van Herpen schickte ihre Models zur Fashion Week in futuristi-schen Entwürfen aus dem 3D-Drucker auf den Laufsteg.

Revolution – das ist ein Wort, das Staatspräsidenten normalerweise lieber meiden. Barack Obama

hielt das in seiner Rede zur Lage der Nation im vergangenen Jahr anders: Der 3D-Druck habe das Potenzial, die „Art und Weise, wie wir fast alles her-stellen, zu revolutionieren“. Da macht unsere Nahrung keine Ausnahme. Nudeln auf Knopfdruck aus dem Dru-cker – sie könnten bald in jeder denkba-ren Form auf unseren Tellern landen. Noch ist das Zukunftsmusik, aber Barilla arbeitet daran, die Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Seit zwei Jah-ren forscht ein Team der Universität Eindhoven an einer Lösung zu 3D-Dru-ckern mit Teigpatronen.

Dahinter steckt eine neue Technolo-gie, mit der sich einfach dreidimensio-nale Objekte herstellen lassen. Tatsäch-lich setzt man die Geräte schon heute für Handprothesen, Kühlsysteme in Formel-1-Autos oder Zahnkronen ein. Forschungsteams arbeiten aber auch an futuristischeren Produkten: ganzen Autos, menschlichen Organen oder künstlichen Steaks.

Zukunftstechik mit VergangenheitFür Laien klingt das nach Science-Fic-tion. „Star Trek“-Fans erinnern sich vielleicht an den „Replicator“, mit dem die Mannschaft Lebensmittel aus dem Nichts erschuf. Dabei werden 3D-Dru-cker in der industriellen Fertigung schon seit den 80ern verwendet – allerdings meist nur für den Bau von Prototypen oder speziellen Bauteilen. Handelsübli-che Geräte aus dem Elektromarkt funk-tionieren wie Tintenstrahldrucker, die mehrere Lagen Plastik übereinander-legen, bis daraus ein plastisches Objekt entsteht. Die günstigsten sind schon für unter 1000 Euro zu haben. Visionäre träumen deshalb davon, dass die Geräte eines Tages so verbreitet sein könnten wie Fernseher.

„Das Besondere am 3D-Druck ist, dass die Technologie ohne Werkzeuge auskommt und daher flexibel einsetzbar

ist“, sagt Bernhard Langefeld, Experte der Strategieberatung Roland Berger. Teure 3D-Drucker können nicht nur Plastik, sondern auch Materialien wie Kunstharz, Keramik oder Metall verar-beiten. Das Marktpotenzial ist gewaltig. Laut einer Studie der Beratungsfirma Wohlers Associates betrug das Markt-volumen 2011 1,7 Milliarden Dollar. Bis 2021 soll es auf 10,8 Milliarden Dollar ansteigen.

Die größten Chancen hat die Technik in den nächsten Jahren bei der industri-ellen Fertigung von Hightech-Teilen. „Aufgrund ihrer besonderen Geometrie lassen sich manche Teile mit herkömm-lichen Fertigungstechniken gar nicht herstellen. In solchen Fällen spielt der 3D-Druck seine Stärken aus. Für Son-deranfertigungen oder kleine Stückzah-len ist diese Technik ideal“, erklärt Lan-gefeld. Das zahlt sich auch bei Ersatz-teilen für Spezialmaschinen aus: Fällt auf einer abgelegenen Baustelle in Bra-silien die Maschine eines deutschen Herstellers aus, können Monate verge-hen, bis die richtigen Ersatzteile dort ankommen. Stünde ein 3D-Drucker vor Ort zur Verfügung, müsste die Firma nur die 3D-Vorlagen verschicken, und die Maschine wäre schneller repariert.

Für Tony Buckle, Experte der Schwei-zer Rück, zeigt das Beispiel, vor welche Herausforderungen die neue Technik die Versicherungsbranche stellt. Falls

GDV POSITION

DIE 3D-TECHNIK BIRGT NEUE RISIKEN. DIE

VERSICHERER HELFEN, DIESE

EINZUSCHÄTZEN UND

ABZUSICHERN.

17N R . 93 POS I T ION E N

P O L I T I K & G E S E L L S C H A F T

Page 18: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

FO

TO

S:

DP

A P

ICT

UR

E A

LL

IAN

CE

, MA

UR

ITIU

S I

MA

GE

S, C

OR

BIS

, TH

E N

EW

YO

RK

TIM

ES

/RE

DU

X/L

AIF

ein Ersatzteil bricht, die Maschine und vielleicht sogar ein Bauarbeiter Schaden nehmen, fällt das normalerweise in den Bereich der Herstellerhaftung. Aber würde diese Garantie auch gelten, wenn der Hersteller das Ersatzteil nicht selbst hergestellt, sondern nur die digitale 3D-Vorlage geliefert hat? Man müsste wohl erst einmal klären, wer den Scha-den verschuldet hat. „Sicher ist nur, dass es in so einem Fall zu langen Dis-kussionen käme“, sagt Buckle.

Tiefer in den Lebensalltag wird der 3D-Druck da eingreifen, wo er die Her-stellung von Gebrauchsgütern verän-dert. „Da passt die Technologie zum Customisation-Trend“, sagt Langefeld – gemeint ist die Anpassung von Pro-dukten an individuelle Kundenwün-sche. Barilla ist nicht der einzige Her-steller, der die neue Technologie dafür nutzen will. So arbeitet nach Pressebe-richten Lego an Spielzeug aus dem Dru-cker. Nokia veröffentlichte kürzlich eine Druckvorlage für ein Handy-Cover.

3D-Druck im AlltagSollte in Zukunft wirklich jeder einen 3D-Drucker zu Hause stehen haben, müssten Hersteller wie Lego mit Haf-tungsausschlussklauseln sicherstellen, dass sie bei unsachgemäßem Gebrauch nicht verantwortlich gemacht werden. Realistischer ist vorerst die Lösung, die Barilla anstrebt: Es gibt bestimmte Res-taurants oder Läden, in denen Fachper-sonal die 3D-Drucker bedient. So könn-ten die Hersteller sicherstellen, dass die Qualitätsstandards stimmen.

Auch für diesen Fall sind Versiche-rungslösungen denkbar, die ähnlich schon für andere Technologien auf dem Markt sind. So gibt es zum Beispiel Poli-cen für IT-Firmen, die Computersys-teme für Unternehmen aufsetzen. Bricht ein solches System zusammen, muss nicht nur das Gerät repariert werden, sondern das Unternehmen muss auch für den Umsatzausfall entschädigt wer-den. Eine 3D-Druck-Versicherung könnte ähnliche Leistungen abdecken.

Die öffentliche Diskussion kreist aber derzeit noch um ganz andere Szenarien. So veröffentlichte ein amerikanischer Student vor Kurzem im Internet eine 3D-Vorlage für eine Plastik-Pistole. Was passiert, wenn solch ein Verfahren in Umlauf gerät?

Gefahren aus dem Drucker Letztlich wird sich die Gesellschaft über die Gefahren der neuen Technik ver-ständigen müssen. Und auch über die ethischen Grenzen bei der Frage, ob man Organe oder Fleisch im 3D-Dru-cker herstellen sollte. Trotz solcher Bedenken empfiehlt Buckle, die Chan-cen der neuen Technologie wahrzuneh-men. Zumindest bei den geschäftlichen Risiken kann die Versicherungsbranche Hilfestellung leisten. „Das ist unsere Rolle“, sagt er. „Wir ermöglichen tech-nischen Wandel, indem wir Risiken ein-schätzen und, wo immer möglich, diese Risiken auch übernehmen, wenn Kun-den sie als zu groß wahrnehmen.” SERGE DEBREBANDT

3D-DRUCKER

WELCHE BRANCHEN AUF SIE BAUEN

Luft- und Raumfahrt: Seit den 90er- Jahren nutzen die Luftfahrtunterneh-

men wie BAE Systems oder Rolls-Royce 3D-D r u c ke r. E i n s p r i t z d ü s e n u n d Antriebsschaufeln wurden bereits damit ge-fertigt. Die Zukunftsvision: ein ganzes Trieb-werk aus dem 3D-Drucker.

Medizin: Egal, ob für Brücken, Zahn-kronen oder Implantate: In der Zahn-

technik sind 3D-Drucker bereits weit verbrei-tet. Ambitionierter ist, was Forscher des Fraunhofer-Instituts 2011 gelang: Sie druck-ten künstliche Blutgefäße.

Autoindustrie: Bei Kleinserien und Pro-totypen – zum Beispiel von Kühlluftan-

lagen – sind 3D-Drucker bereits im Einsatz. Die TU Berlin entwickelt gerade ein Auto, das kom-plett aus dem 3D-Drucker kommen soll. In fünf bis zehn Jahren könnte die Technologie auch in der Massenfertigung eingesetzt werden.

Mode: Für die Laufstegmode ist der 3D-Druck ideal. So druckt das Unter-

wäsche-Unternehmen Victoria`s Secret die Kostüme seiner aufwendigen Shows, und die niederländische Avantgarde-Designerin Pauline van Dongen stellt mit der neuen Technik High Heels aus Nylon her.

Gartenzwerge, Knochenteile oder Sonnenbrillen: 3D-Drucker verändern die Produktion. Visionäre träumen davon, dass sie eines Tages so verbreitet sein könnten wie Fernseher.

GDV-ANSPRECHPARTNER Alina Schön Tel.: 030 2020-5113 E-Mail: [email protected]

P O L I T I K & G E S E L L S C H A F T

18 POS I T ION E N N R . 93

Page 19: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

P O L I T I K & G E S E L L S C H A F T

19N R . 93 POS I T ION E N

UM DEN GLOBUS

LEBENSVERSICHERUNG:Großbritannien ist das Ursprungsland der moder-nen, auf versicherungsmathematischen Prinzipien beruhenden Lebensversicherung. Eingeführt wurde sie 1762 von der „Society for Equitable Assurances on Lives and Survivorships“, die erst vor 14 Jahren aufhörte, neue Policen abzuschlie-ßen. Heute ist Großbritannien der größte europä-ische Markt für Lebensversicherungen. 2012 nahmen britische Lebensversicherer 165 Milliar-den Pfund Prämien ein. Die Briten geben das Kapitalmarktrisiko stärker an den Kunden wei-ter. Anders als in Deutschland gibt es in der Regel keine Garantieverzinsung.

WOHNGEBÄUDE- UND HAUSRATVERSICHERUNG: Wieder erlebt Großbritannien ein Jahr mit schlimmen Über-schwemmungen, Landesteile von Cornwall bis Yorkshire sind betroffen. In den vergangenen Jahren wurde das Königreich häu-fig von von Unwettern heimgesucht. Zwar haben fast drei Viertel der Bevölkerung eine „Home Insurance“ abgeschlossen, also eine Wohngebäude- und Hausratversicherung. Doch nicht immer sind Flutschäden mitversichert. Seit dem vergangenen Jahr arbei-ten Staat und Versicherungsbranche an „Flood Re“. Ab 2015 soll mit Hilfe des Gemeinschaftsmodells möglichst vielen Haushalten eine kostengünstige Versicherung gegen Überschwemmungen zur Verfügung gestellt werden.

AUTO-VERSICHERUNG:23,3 Millionen Autos waren 2012 versichert. Der Wettbe-werb zwischen den Anbietern ist hart. 2012 schrieben die britischen Autoversicherer rund 286 Millionen Pfund Ver-lust, seit 1994 übersteigen die Kosten die Prämieneinnah-men. Auch deshalb haben Versicherer angefangen, Telema-tik-Tarife zu testen, für die sich Autofahrer bereit erklären, ihr Fahrverhalten messen zu lassen. Im Gegenzug winken bei umsichtigem Fahrverhalten kleinere Prämien. Die zweite Maßnahme: der Kampf gegen die „Schleudertrau-maepidemie“. Jeden Tag gibt es 1500 Fälle mit Schleuder-trauma – die hohe Zahl führt der britische Versicherungs-verband auch auf Betrugsversuche zurück.

SPEZIALVERSICHERUNG: Eine besondere Stellung nimmt der Versicherungsmarkt Lloyds of London ein: Entstanden im 17. Jahrhundert ist er heute der weltweit größte Handelsplatz für Spezialver-sicherungen. Hier schließen Firmen Verträge mit den „Members of Lloyd ́ s“ ab: Syndikate und Privatleute, die besondere Ereignisse versichern. Das führt manchmal zu kuriosen Verträgen. So wurden Bruce Springsteens Stimm-bänder für sechs Millionen Dollar versichert. Aber Lloyd´s ist auch ein wichtiger Markt für Versicherungen gegen Naturkatastrophen oder Terrorismus.

GROSSBRITANNIEN ist der größte Versicherungsmarkt in Europa und der drittgrößte der Welt. Rund ein Viertel aller Prämien stammt von ausländischen Kunden. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es heute fast keine von einem einzelnen Anbieter abhängigen Versicherungsvertreter mehr. Stattdessen bieten unabhängige Makler Policen mehrerer Versicherer an.

ILL

US

TR

AT

ION

EN

: S

HU

TT

ER

ST

OC

K

Page 20: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

P O L I T I K & G E S E L L S C H A F T

20 POS I T ION E N N R . 93

IM BLICK DES AUFSEHERS: STABILITÄT

IM BUNDESBANK-VORSTAND ist Andreas Dombret für Banken und Finanzaufsicht zuständig. Gegenüber „Positionen“ erläutert der 54-Jährige seine Sicht auf die Schuldenkrise. Gleichzeitig

mahnt er die Lebensversicherer, angemessen auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren.

 A ls „diskret und charmant, elo-quent, international und vor allem mit allen Tricks der inter-

nationalen Finanzmärkte und des Invest-ment-Bankings vertraut“ beschrieb ihn das „Handelsblatt“ kurz vor seinem Eintritt in die Bundesbank. Ein Ein-druck, der sich im Interview bestätigt.

Herr Dr. Dombret, ist die europäische Schuldenkrise endlich überwunden? Ihr „endlich“ kann ich gut verstehen. Viele fragen sich zurzeit, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Aus meiner

Sicht spricht eine Menge dafür, dass das Glas eher halb voll ist. Auf europäischer und nationaler Ebene wurden bereits einige strukturelle Reformen umgesetzt. Das Vertrauen der Investoren in die besonders betroffenen Länder scheint peu à peu zurückzukehren. Jedoch darf man nicht die Augen vor weiter beste-henden Problemen verschließen: insbe-sondere nicht vor den immer noch viel zu hohen öffentlichen und privaten Schuldenständen. Genau darum darf bei den Reformanstrengungen nicht nach-gelassen werden.

„EINE ÖKONOMISCH

SACHGERECHTE REGELUNG SOLLTE

DIE STILLEN LASTEN DEN

BEWERTUNGS-RESERVEN GEGEN-

ÜBERSTELLEN.“

Page 21: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

P O L I T I K & G E S E L L S C H A F T

21N R . 93 POS I T ION E N

Regelung an. Warum? Die aktuellen Vorschriften bewirken, dass Lebensversicherer bei sinkenden Zinsen steigende Ausschüttungen für ablaufende oder gekündigte Verträge leisten müssen. Ein Großteil der Kapital-anlagen der Lebensversicherer besteht aus festverzinslichen Wertpapieren. Die meisten der Papiere wurden in Zeiten höherer Zinsen erworben. Deshalb wei-sen sie nun hohe stille Reserven auf. Bei den Verbindlichkeiten werden die stillen Lasten aber nicht berücksichtigt, die durch die niedrigen Zinsen entstehen. Lebensversicherungen müssen jedoch bei niedrigeren Zinsen mehr ansparen, um ihre unveränderten zukünftigen Ver-pflichtungen erfüllen zu können. Eine ökonomisch sachgerechte Regelung sollte die stillen Lasten den Bewertungs-reserven gegenüberstellen. Lediglich ein Teil der stillen Lasten wird seit 2011 über die Zinszusatzreserve berücksichtigt.

Was halten Sie von der jüngsten Initia-tive der Regierung, sich dieses Themas noch einmal anzunehmen?Diese Initiative will die Risikotragfähig-keit der Lebensversicherer stärken. Das kann man grundsätzlich nur unterstüt-zen. Dies enthebt die Unternehmen aber nicht ihrer Verantwortung, auf geän-derte Rahmenbedingungen angemessen zu reagieren, indem sie zum Beispiel ihre Eigenmittel stärken, die Gesamtverzin-sung anpassen beziehungsweise ihr Pro-duktangebot überarbeiten.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wenn Ihr Kind Sie einmal fragen wird, ob und wie es für sein Alter vorsorgen soll, was werden Sie ihm raten? Ich werde meiner Tochter vor allem raten, mehr Zeit in ihre finanzielle Bil-dung zu investieren. Ich bin immer wie-der erstaunt, in Umfragen zu hören, wie schlecht es um die finanzielle Bildung der Deutschen bestellt ist. Gerade mit dem Thema Geldanlage sollte man sich kri-tisch und informiert auseinandersetzen.

CAROLYN BRAUN

Sehen Sie noch eine positive Wirkung der Niedrigzinspolitik auf die Finanzsta-bilität in Deutschland oder nehmen die Risiken zu? Keine Frage: Die großzügige Liquidi-tätsbereitstellung durch die Zentralban-ken und die niedrigen Zinsen haben wesentlich dazu beigetragen, die Märkte zu beruhigen. Angesichts der niedrigen Inflation und des gedämpften Wirt-schaftswachstums ist die expansive Geldpolitik auch gerechtfertigt. Aller-dings nehmen mit zunehmender Dauer niedriger Zinsen Risiken und Neben-wirkungen für die Finanzstabilität zu. Wichtig ist, dass die Finanzmarktteil-nehmer die außergewöhnliche Situation nicht als Normalzustand missdeuten und infolgedessen Risiken unterschät-zen.

Was bedeutet das Niedrigzinsumfeld für Lebensversicherungen? Ein lang anhaltendes Niedrigzinsumfeld birgt durchaus ein Gefährdungspoten-zial für die Solvabilität von Lebensver-sicherern. So können die Kapitalerträge bei ungünstiger Marktentwicklung nicht mehr ausreichen, um zugesagte Garantien zu erbringen. Anschaulich wird das, wenn man sich die Umlauf-rendite von Bundesanleihen als Indika-tor für die Verzinsung sicherer Neuanla-gen ansieht. Diese lag 2012 erstmals unter 1,75 Prozent, also unter dem Höchstrechnungszinssatz ...

... dem Zinssatz, den Versicherungen für ihre Deckungsrückstellungen maximal zugrunde legen dürfen ...… der ja maßgeblich für das Neuge-schäft ist. Der vergangenes Jahr gegrün-dete Ausschuss für Finanzstabilität hat sich Ende März in einer Presseerklärung auch zu diesem Thema geäußert und festgestellt, dass die möglichen Belas-tungen des aktuellen Niedrigzinsum-felds noch tragbar erscheinen, in einer Risikobetrachtung einer länger anhal-tenden Niedrigzinsphase jedoch materi-elle Auswirkungen haben könnten.

Reagieren die Lebensversicherer ange-messen auf die Herausforderungen? Die deutschen Lebensversicherer müssen über genügend Eigenmittel verfügen, um ihre Verpflichtungen auch in Zukunft erfüllen zu können. Zusätzlich müssen sie auch für die Einführung von Sol-vency II gerüstet sein. Dazu könnten sie zum einen neues Eigenkapital aufneh-men. Zum anderen könnten sie die Abflüsse aus den Eigenmitteln reduzie-ren, indem sie die Gesamtverzinsung, das heißt auch die Überschussbeteili-gung, frühzeitig anpassen. Innovationen beim Produktangebot können ebenfalls helfen, Risiken abzumindern. Wer fixe Zinsgarantien über einen sehr langen Zeitraum abgibt, auf der Aktivseite aber kürzere Laufzeiten hat, geht beachtliche Kapitalmarktrisiken ein.

Als Sie Ende 2013 den Finanzstabilitäts-bericht vorstellten, mahnten Sie bei der Neuregelung der Bewertungsreserven-Beteiligung von Lebensversicherungs-kunden eine „solide und nachhaltige“

ANDREAS DOMBRET ALS BUNDESBANK-VORSTAND ZUSTÄNDIG FÜR BANKEN UND

FINANZAUFSICHT SOWIE RISIKO-CONTROLLING

Er ist Deutschamerikaner, das verrät auch sein zweiter Vorname: Andreas Raymond. Seine Vita ist geprägt von einem Leben mit zwei Pässen in zwei Welten. Karrierestart für den studierten Betriebswirt war die Deut-sche Bank, gefolgt von JP Morgan und Roth-schild. Später war er u. a. Vice Chairman Eu-ropa der Bank of America, bevor er 2010 in den Bundesbank-Vorstand berufen wurde. Bis Mitte Mai kümmerte er sich dort um das Thema Finanzstabilität und ist seither zu-ständig für Banken und Finanzaufsicht.

FO

TO

: G

AB

Y G

ER

ST

ER

Page 22: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

Wer in Deutschland ein Auto besitzt, muss sich absichern –das ist Pflicht. Denn verur-

sacht der Fahrer einen Unfall, bliebe er ohne eine Kfz-Haftpflichtversicherung auf den ganzen Kosten für den Schaden sitzen. Schon heute gibt es ein sehr diffe-renziertes Tarifsystem im Kfz-Bereich. Die Prämien werden unter anderem danach bemessen, wie viele Schäden ein Kunde verursacht hat, wo er wohnt, welches Auto und wie viele Kilometer er fährt. Bald könnte ein weiteres Krite-

VORSICHT ZAHLT SICH AUSTELEMATIKANWENDUNGEN EROBERN DAS AUTO: Sie erlauben unter anderem

die Berechnung von Versicherungsprämien auf Basis des Fahrverhaltens. Doch die Technik wirft auch Fragen auf: Was passiert mit den vielen Daten?

rium hinzukommen: Mithilfe einer Box im Auto ließe sich das Fahrverhalten analysieren. Dementsprechend könnte man die Beiträge noch individueller gestalten. Ein vorsichtiger und rück-sichtsvoller Autofahrer würde dann weniger bezahlen müssen. Allerdings wird dies auch heute schon in Form der Schadensfreiheitsrabatte honoriert.

Intelligente BordelektronikDie Technik, um solche fahrzeuginter-nen Daten zu ermitteln, heißt Telematik.

Wie schon die beiden Wortteile „Tele“ und „matik“ zeigen, verbindet sie die Telekommunikation mit der Informatik. „Dabei werden Informationen von Autos oder anderen bewegten Objekten während der Fahrt erfasst und übertra-gen“, erklärt Alexander Mürmann, Pro-fessor für Risikomanagement und Ver-sicherungswesen an der Wirtschaftsuni-versität Wien. Speditionen nutzen die Technik schon heute, um ihre Fahrzeug-flotten zu überwachen oder die Tempe-ratur in Kühlcontainern extern zu regu-

WAGEN 2AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 130 km/hZURÜCKGELEGTE STRECKE: 420 Kilometer am Stück,davon 250 Kilometer als Nachtfahrt

WAGEN 1AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 140 km/hZURÜCKGELEGTE STRECKE: 80 Kilometer am StückBREMSVERHALTEN: eine abrupte Bremsaktion

POS I T ION E N N R . 93

M Ä R K T E & B R A N C H E N

22

Page 23: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

lieren. In Japan bauen 38 Prozent aller Transportunternehmen bereits auf Tele-matik, in Deutschland sind es dagegen erst zehn Prozent.

Wer telematikbasierte Tarife nutzen möchte, braucht die nötigen technischen Voraussetzungen in seinem Fahrzeug. In der Regel wird dafür im Motorraum ein kleines Kästchen angebracht. Diese Elek-tronikbox enthält eine SIM-Karte und übermittelt die Daten per Mobilfunk. Neuwagen der Oberklasse brauchten schon heute keine eigene Box mehr, weil sie bereits selber Daten senden können. Nach dem Willen des EU-Parlaments sol-len ab Oktober 2015 alle Neufahrzeuge mit einem automatischen Notrufsystem (eCall) ausgestattet werden, das ebenfalls mittels Telematik funktionieren würde. Damit wären theoretisch die technischen Voraussetzungen geschaffen, um telema-tikbasierten Tarifen den Weg zu ebnen.

Erste Versicherungsunternehmen in Deutschland bieten seit Kurzem entspre-

chende Tarife an. Die auf Telematik-Daten basierende Tarifierung (Usage-based insurance, UBI) gibt es in verschie-denen Ausgestaltungen. Die bekanntes-ten Modelle sind „Pay as you drive“ (PAYD) und „Pay how you drive“ (PHYD). Bei ersterer Variante werden üblicherweise die gefahrenen Kilometer abgerechnet. In Italien beispielsweise muss mittlerweile jeder Kfz-Versicherer ein solches Tarifmodell anbieten. Bei der zweiten Version, „Pay how you drive“, können u. a. das Brems- und Beschleuni-gungsverhalten aufgezeichnet werden. Tatsächlich verbindlich sind die Defini-tionen allerdings nicht. Häufig werden sie miteinander vermischt.

Erste Versuche mit Telematiktarifen unternahm man in Großbritannien bereits Mitte der 1990er-Jahre. Mittler-weile aber sind die USA führend, mit einem Marktanteil von zehn Prozent. Gerade Fahranfänger in den Vereinigten Staaten nutzen die Technik. Sie können Quelle: Bitkom-Befragung 2014

WAGEN 3AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 115 km/hZURÜCKGELEGTE STRECKE: 80 Kilometer am StückBESCHLEUNIGUNGSVERHALTEN: gleichförmig

DIE VERSICHERUNG ZUM FAHRSTIL?Mehr Daten – weniger zahlen? An Kfz- Telematiktarifen scheiden sich die Geister.

stehen „Pay as you drive“-Tarifen skeptisch gegenüber.

haben konkrete Pläne, in einen Telematik-tarif zu wechseln, oder haben bereits eine

solche Versicherung abgeschlossen.

69%

9% DER AUTOBESITZER

DER AUTOBESITZER

WAGEN 4AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 125 km/hZURÜCKGELEGTE STRECKE: 15 Kilometer am StückBREMSVERHALTEN: bisher keine Auffälligkeiten

M Ä R K T E & B R A N C H E N

N R . 93 POS I T ION E N 23

Page 24: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

FO

TO

S:

GE

TT

Y I

MA

GE

S, M

AR

CE

L R

ICK

LI,

DD

P I

MA

GE

S;

ILL

US

TR

AT

ION

EN

: IS

TO

CK

so von Anfang an nachweisen, dass sie vorsichtig und vorausschauend fahren. Das zahlt sich aus: Die Häufigkeit von Schäden hat bei Versicherten mit Tele-matiktarifen über ein Drittel abgenom-men. Entsprechend winken hohe Rabatte: Bis zu 30 Prozent Nachlass gewähren Versicherer.

Doch nicht nur die rücksichtsvollere Fahrweise zählt. Bei der Häufigkeit von Unfällen kommt noch etwas anderes hinzu: „Die reine Anzahl der Fahrten ist ein wesentlicher Unfallfaktor“, sagt Mürmann. Lege man 100 Kilometer am Stück zurück, sei das weit weniger risi-koreich, als wenn man sie verteilt auf zehn Fahrten absolviere. „Durch die Telematik kann man diese unterschied-lichen Risiken genau erfassen und die Prämien dementsprechend gestalten“, so Mürmann. Die positiven Erfahrun-gen in angelsächsischen Ländern lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen. Hierzulande gibt es bereits jetzt ein sehr ausdifferen-ziertes Tarifsystem, das individuelle Risiken sehr gut abbildet. Ob sich dieses – nicht zuletzt aus Kundensicht – durch die Telematik tatsächlich verbessern lässt, ist noch fraglich. Das größte Potenzial für Telematiktarife in der Kfz-Versicherung sehen Experten daher vor allem bei Fahranfängern. Sie zahlen auf-grund ihres Risikofaktors besonders hohe Prämiensätze.

Der gläserne Autofahrer?Neben den Vorteilen hat die Telematik jedoch auch eine Kehrseite: Was passiert mit den vielen Daten, die die Technik über das jeweilige Fahrverhalten gewin-nen und weiterleiten kann? Erstaunli-cherweise scheinen die Fahrer da keine großen Bedenken zu hegen. Das legt zumindest eine aktuelle Umfrage des Hightech-Verbandes Bitkom nahe. Dem-nach hat nur eine Minderheit von elf Prozent Angst vor Offenlegung der gespeicherten Fahrdaten. Datenschützer sind da schon skeptischer. Sie befürchten, dass sich durch die Aufzeichnung von

Beschleunigungsverhalten, Bremsvor-gängen, Geschwindigkeitsübertretungen oder gefahrenen Kilometern Bewegungs-profile von Autofahrern erstellen lassen.

Diesen Bedenken wird man Rech-nung tragen müssen, bevor sich Telema-tiktarife in Deutschland durchsetzen können. „Was erfasst wird und wohin die Daten gesendet werden, muss den datenschutzrechtlichen Regelungen in Deutschland entsprechen“, sagt Karsten Linke, Referent für Kraftfahrtversiche-rung beim Gesamtverband der Deut-schen Versicherungswirtschaft (GDV). „Der Kunde muss außerdem selbst dar-über bestimmen können, was mit den Informationen aus seinem Auto pas-siert.“ Außerdem sollte man bereits im Versicherungsvertrag festhalten, welche Daten genau erhoben und verwendet werden“, fügt Alexander Mürmann hinzu. „Das schafft Transparenz.“

Darüber hinaus empfiehlt der Deut-sche Verkehrsgerichtstag, zu dem sich einmal im Jahr Verkehrsrechtler sowie Experten für Sicherheit und Technik in Goslar treffen, bei der Übermittlung der Daten „Fahrzeughalter und Fahrer technisch und rechtlich in die Lage zu versetzen, diese zu kontrollieren und gegebenenfalls die Weiterleitung zu unterbinden“. Dass die Kunden etwa über eine Internetplattform selbst über-prüfen, welche Daten übertragen wer-den und wie sie selbst oder ihre Kinder Auto fahren, könnte die Akzeptanz von Telematiktarifen künftig erhöhen. Doch noch stehen, auch das zeigt die Bitkom-Umfrage, zwei Drittel der deutschen Autofahrer der Technik skeptisch gegenüber.

MAURITIUS MUCH

FREIE WAHLEmpfehlungen des Deutschen Verkehrsgerichtstagswww.gdv.de/verkehrsgerichtstag

In Italien gibt es die Tele-matik-Boxen seit 2003, an-fangs eingeführt, um ge-stohlene Autos wiederzu-

finden. Mittlerweile muss jeder Kfz-Ver-sicherer mindestens einen Telematik-Tarif anbieten. Das ist in Italien Vor-schrift. Die eingebauten Boxen messen nur die Kilometerfahrleistung – ein Ta-rifmerkmal, das in Italien im Gegensatz zu Deutschland kein Standard ist. Vor allem Wenigfahrer entscheiden sich da-her für Telematik-Tarife.

In den USA ist jede zehnte Kfz-Versicherung ein „Pay how you drive“-Tarif. Dort und in Großbritannien gin-

gen die Unfallzahlen bei Telematik-Nutzern laut einer Studie von Towers Watson um bis zu 40 Prozent zurück.

Großbritannien hat Tele-matik-Tarife als erstes Land Mitte der 90er-Jahre eingeführt. Das System be-

inhaltet schon heute den automati-schen Notruf bei Unfällen.

In Österreich nutzen über 50.000 Menschen einen Telematik-Tarif. Berechnet wird er auf Basis der gefah-

renen Kilometer. Das ist für die Alpenre-publik neu. Denn in der Regel berück-sichtigen die Kfz-Tarife die gefahrenen Kilometer - anders als in Deutschland - nicht. Deshalb sorgt der neue Tarif für niedrigere Beitragssätze.

BLICK ÜBER DIE GRENZENInternational sind die von der Fahrweise abhängigen Versicherungen mit Telematik-Tarifen schon länger am Start. Ein Blick auf andere Kfz-Versicherungsmärkte:

GDV-ANSPRECHPARTNER Alina Schön Tel.: 030 2020-5113 E-Mail: [email protected]

M Ä R K T E & B R A N C H E N

24 POS I T ION E N N R . 93

Kilometer - anders als in Deutschland - nicht. Deshalb sorgt der neue Tarif für niedrigere Beitragssätze.

Page 25: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

VERORTET

Schleswig- Holstein

II + III

Schleswig- Holstein I

Mecklenburg-Vorpommern II

Mecklenburg-Vorpommern I

Brandenburg II

Brandenburg III

Brandenburg I

BerlinWest

BerlinOst

Hamburg

Bremen

Kassel

Darmstadt

Gießen

Weser-Ems

MünsterDetmold

Hannover

Lüneburg

Braun- schweig

Rheinhessen- PfalzSaar-

Koblenz

Trier

Köln

Düsseldorf Arnsberg

Oberpfalz

Niederbayern

Oberbayern

SchwabenTübingen

Stuttgart

Karlsruhe

Freiburg

Mittelfranken

UnterfrankenOberfranken

Thüringen I + II

Sachsen- Anhalt I + II + III

Dresden

Chemnitz

Leipzig

M Ä R K T E & B R A N C H E N

25N R . 93 POS I T ION E N

WO DIE RENTENLÜCKE KLAFFT

Quelle: Vorsorgeatlas Deutschland 2013, Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg im Auftrag von Union Investment

Auf die Rente alleine ist kein Ver-lass: 806 Euro – so viel Geld wird

jenen Menschen im Alter Monat für Monat durchschnittlich fehlen, die ausschließlich auf die gesetzliche Ren-tenversicherung bauen. Was auf den ersten Blick überrascht: In Süd-deutschland fällt die Rentenlücke am größten aus. Das liegt daran, das hier die Löhne und der Lebensstandard schon heute am höchsten sind – und man deshalb im Alter relativ gesehen auch mit den höchsten Einbußen rech-nen muss. Im Umkehrschluss haben Rentner in Ostdeutschland zwar eine geringere Rentenlücke, sie erwartet aber zugleich auch am wenigsten Geld aus der gesetzlichen Rentenkasse. Selbst wer eine Riester-Rente abge-schlossen hat oder in den Genuss einer Betriebsrente kommt, ist noch nicht vollständig auf der sicheren Seite. Viele sorgen noch zu wenig privat vor. Mehr als die Hälfte dieser Gruppe erhält im Ruhestand voraussichtlich weniger als 55 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Durchschnittlich fehlt ihnen quer über das Land ein Betrag von 360 Euro im Monat.

806fehlen den deutschen Rentnern

durchschnittlich, wenn sie alleine auf die gesetzliche Rente bauen.

Euro

Versorgungslücke bei einer Basisversorgung (Gesetzliche Rentenversicherung,

Beamtenversorgung, BerufsständischeVersorgung und Rürup-Rente)

1 (unter 625)

2 (625 bis 767)

3 (768 bis 793)

4 (794 bis 863)

5 (über 863)

Versorgungslücke (in €)

VORSORGEATLASWie viel im besten Fall im Alter übrig bleibt.www.gdv.de/positionen

Page 26: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

M Ä R K T E & B R A N C H E N

26 POS I T ION E N N R . 93

Wenn Flüsse über die Ufer tre-ten, ist der Schaden schnell groß. Die Elbe-Flut riss 2003

auch das Set des deutschen Erfolgsfilms „Die Wilden Kerle“ mit sich. Ausge-rechnet das Hauptmotiv, den Fußball-platz, setzte sie unter Wasser, die Dreh-arbeiten mussten verschoben werden – doch dass für diesen Schaden die Versi-cherung aufkommen würde, war gleich klar.

Vor solchen Verzögerungen fürchten sich Produzenten am meisten: „Ein Drehtag kann bei größeren Produktio-nen schon mal bis zu 80.000 Euro kos-ten“, sagt Christoph Hoyer, Underwri-ter bei Catlin. Und so sind die größte finanzielle Bedrohung für Film- und Fernsehdrehs in aller Regel Schäden, die

Requisiten können teuer werden, beson-ders dann, wenn sie die komplette Dreh-planung über den Haufen werfen. Aber auch ein Rechtsstreit kann ins Geld gehen (siehe Kasten). „Im Grunde geht bei jeder Produktion zumindest eine Kleinigkeit schief“, sagt Bockelmann. „Die Schadensfrequenz ist bei uns deut-lich höher als in anderen Versicherungs-sparten“. Auf circa 20 Millionen Euro jährlich belaufen sich in etwa die Scha-denssummen. Das Policen-Volumen liegt bei circa 30 Millionen Euro, doch die Zahlen schwanken stark.

Besonders gefürchtet sind Ausfälle der Stars, ob sie nun vor oder hinter der Kamera stehen. Im digitalen Zeitalter hat diese Gefahr die zerstörte Filmrolle als größtes Risiko abgelöst. Informatio-

die Produktion unterbrechen, bestätigt Hendrik Bockelmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Film-versicherungsgemeinschaft (DFG), die, unter anderem, mit Vollmachten der Allianz Global Corporation & Specialty AG, der ERGO Versicherung AG und der AXA Versicherung AG ausgestattet ist. Die DFG hatte die „Wilden Kerle“ versichert und kam schnell und unkom-pliziert für die Flutfolgen auf.

Kaum ein Film ohne SchadenFilm-, TV-Produktionen und Werbe-drehs sind ein riskantes Geschäft. Schließlich drohen nicht nur seltene Wetterphänomene wie die Oder-Elbe-Flut, auch erkrankte Schauspieler oder ganz banale Schäden an Geräten und

EIN QUANTUM TROSTFILMDREHS SIND EIN RISKANTES GESCHÄFT. Schauspieler können krank werden und verunglücken, Stürme ganze Kulissen zerstören und Rechtsstreitigkeiten die Kosten in die Höhe treiben. Ohne Versicherungen wagt sich heute kaum ein Produzent an einen Film.

Die „Wilden Kerle“ auf dem Fußballplatz, dem zentralen Drehort des Kinderfilms. Die Elbe setzte ihn unter Wasser.

Page 27: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

M Ä R K T E & B R A N C H E N

27N R . 93 POS I T ION E N

nen darüber werden allerdings selten öffentlich und mit äußerster Diskretion behandelt, da zum Beispiel der Gesund-heitszustand der Schauspieler einem strengen Datenschutz unterliegt. Aus-nahmen sind einzelne, besonders dra-matische Fälle, wie jüngst beim tragi-schen Unfalltod des US-Stars Paul Wal-ker, der die Fortsetzung der Blockbus-ter-Reihe „Fast & Furious“ gefährdete.

Manchmal fallen den Produzenten dann sehr kreative Lösungen ein, wie zum Beispiel bei Terry Gilliams Fanta-syfilm „Das Kabinett des Dr. Parnas-sus“ aus dem Jahr 2009. Mitten im Dreh starb Kinolegende Heath Ledger, die Produktion wurde abgebrochen. Den Film rettete schließlich die – auch künstlerisch wertvolle – Idee, Ledgers Figur Tony in den verschiedenen Fanta-sywelten von anderen Stars – Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell – spielen zu lassen.

Not schweißt zusammenAn solchen Entscheidungen sind immer auch die Filmversicherer beteiligt“, sagt Christina Mertens, verantwortlich für die Sparte Filmversicherung der HDI-Gerling Industrie Versicherung. „Die Zusammenarbeit ist sehr partnerschaft-lich und lösungsorientiert.“ Wenn grö-ßere Verzögerungen oder gar ein

Abbruch der Dreharbeiten droht, stellt die Versicherung daher den Produzen-ten externe Experten zur Seite, mit dem Ziel, ganz pragmatisch den Schaden so weit wie möglich zu minimieren.

Je internationaler die Produktionen werden, desto internationaler auch die Chancen für die deutschen Versicherer. Allerdings, berichtet Bockelmann von der DFG, unterschieden sich die Menta-litäten der deutschen und der US-Produ-zenten doch sehr. Während die Deut-schen sich lieber auch gegen kleinere Schäden absicherten und dafür höhere Prämien in Kauf nähmen, setzten die Amerikaner auf höhere Selbstbehalte. Insofern ist es ein umso größerer Erfolg, dass es Anfang des Jahres einem Kon-sortium deutscher Versicherer erstmalig gelang, im Alleingang einen Film in die-ser Größenordnung und mit einem ech-ten Hollywood-Star zu versichern: Die von Tom Tykwer inszenierte und von X Filme produzierte Romanverfilmung „Ein Hologramm für den König“ mit Tom Hanks könnte den ersten Schritt in einen neuen, deutlich größeren Markt bedeuten. CAROLYN BRAUN

EIN QUANTUM TROST FILMVERSICHERUNG

WAS ALLES SCHIEFGEHEN KANN:

Der Star wird krank (Personenausfall): Das größte Risiko, denn Regisseure und Hauptdarsteller sind nur schwer zu ersetzen. Diese Police übernimmt alle Folgeschäden.

Etwas geht kaputt (Sachausfall): Auch wenn Schäden an Kulissen oder Requisiten den Dreh verzögern, kommt die Versiche-rung für die Folgen auf.

Das Team macht etwas kaputt (Medien-haftpflicht): Ähnlich wie eine private Haft-pflicht werden so unbeteiligte Menschen und Sachwerte versichert.

Kamera läuft – nicht (Geräte-/Tech-nik-/Requisitenversicherung): Diese Poli-ce deckt Schäden am Equipment ab.

Rechtsstreitigkeiten („Errors und Omis-sions“): Der Versicherer kommt für Streitig-keiten um Urheber- und Persönlichkeits-rechte oder Verleumdung auf.

Alles weg (Bild und Datenträger): Früher das Schlimmste, was passieren konnte, heu-te nicht mehr so bedrohlich – diese Police kommt für Schäden an Filmnegativ und be-reits entwickeltem Film, aber auch an Spei-cherkarten oder Videobändern auf.

Die Produktion scheitert („Completion Bond“): Wer eine Fertigstellungsbürgschaft abschließt, dessen Versicherer sorgt im Ernstfall für den Abschluss – zur Not mit ei-genen Produktionsteams. Ansonsten wer-den die getätigten Investitionen erstattet.

Der siebte Teil der Action-Reihe „Fast & Furious“ (links) ist beinahe vollständig abgedreht, als Hauptdarsteller Paul Walker bei einem Autounfall ums Leben kommt (oben). Presseberichten zufolgeverlangt das Filmstudio wegen desTodesfalles jetzt 50 Millionen Dollar vonseiner Versicherung. Das wäre eine der höchsten bislang bekannt gewordenen Summen in der Filmgeschichte.

GDV-ANSPRECHPARTNER Stephan Schweda Tel.: 030 2020-5114 E-Mail: [email protected]

OT

OS

: IM

AG

O (

2),

RE

UT

ER

S

Page 28: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

M Ä R K T E & B R A N C H E N

28 POS I T ION E N N R . 93

BGH-Urteile halten Versicherer auf Trab

VERSICHERER LEISTEN VERSPÄTET ODER GAR NICHT. Dieses Bild wird oft vermittelt – zu Unrecht. Die Unternehmen haben etwa die vielen Unwetterschäden 2013 zügig reguliert, so das Fazit des Versicherungsombudsmannes. Zwar ist die Zahl der eingegangenen Beschwerden im Vorjahr um acht Prozent auf rund 18.700 gestiegen. Verantwortlich dafür sind jedoch einige Sonderfaktoren.

Im Bereich der Lebensversicherung hat es 2013 einige Grundsatzurteile gegeben, etwa zur Berechnung des Rück-kaufswertes bei vorzeitiger Kündigung der Police. Diese Fälle stießen in den Medien auf ein großes Echo, viele Men-schen haben sie entsprechend verfolgt. Die Folge waren etli-che Nachfragen statt echter Beschwerden. So musste die Ombudsstelle oft Erklärungsarbeit leisten und seltener einen Konflikt lösen.

Die Erfolgsquote in der Lebensversicherung ist 2013 auf 34 Prozent gestiegen, 2012 gingen „nur“ 23,3 Prozent der Ent-scheidungen zugunsten der Kunden aus. Aus der höheren Erfolgsquote lässt sich aber kein häufigeres Fehlverhalten der Versicherer ableiten. Auch der Trend steht im Zusam-menhang mit den Gerichtsurteilen. Viele Unternehmen haben die Entscheidungen abgewartet und Zeit gebraucht, um die Berechnungsgrundlagen zu ändern. Dann leisteten die Unternehmen schnell Abhilfe, auch deshalb sei neben der Zahl der Beschwerden ebenfalls die Zahl der gütlichen Einigungen nach oben gegangen, so die Ombudsstelle.

Die Zunahme der Beschwerden lässt sich auch auf eine höhere Akzeptanz des Ombudsmanns bei den Verbrauchern zurückführen. Die 2001 ins Leben gerufene Institution wird immer bekannter und in der Folge auch stärker genutzt. Immerhin können Streitigkeiten zwischen Versicherern und Verbrauchern so rasch und unbürokratisch beigelegt wer-den. Rund drei Monate beträgt die durchschnittliche Ver-fahrensdauer beim Ombudsmann, dem Verbraucher entste-hen dabei keine Kosten.

VIELE FRAGEN STATT ECHTER BESCHWERDEN

GRÖSSERE AKZEPTANZ DER SCHLICHTUNGSSTELLE

GEGENPOSITION

HÖHERE ERFOLGSQUOTE KEIN INDIZ FÜR HÄUFIGERES FEHLVERHALTEN

GROSSE LEISTUNGSSCHAUDie Versicherer haben 2013 rund 7 Milliarden Euro allein für die Folgen von Naturgewalten an ihre Kunden ausgezahlt.

BGH-Urteile halten Versicherer auf Trab

V

e

r

s

i

c

h

e

r

u

n

g

s

k

o

n

z

e

r

n

e

z

i

e

h

e

n

v

o

r

d

e

m

S

c

h

l

i

c

h

t

e

r

i

m

m

e

r

h

ä

u

f

i

g

e

r

d

e

n

K

ü

r

z

e

r

e

n

BGH-Urteile halten Versicherer auf Trab BGH-Urteile halten Versicherer auf Trab BGH-Urteile halten Versicherer auf Trab BGH-Urteile halten Versicherer auf Trab Mehr Klagen über die Versicherer Mehr Klagen über die Versicherer

Sachversicherung

1,8 Mrd. Euro

3,1 Mrd. Euro

300 – 400 Mio. Euro

100 – 200 Mio. Euro

Hagelstürme

Orkan Christian

Orkan Xaver

Kraftfahrtversicherung für Hochwasser, Hagelstürme und Orkane

Juni-Hochwasser

ca. 1,5 Mrd. Euro

Quelle: GDV

Page 29: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

FO

TO

: IS

TO

CK

ZAHLEN DES QUARTALS

M Ä R K T E & B R A N C H E N

29N R . 93 POS I T ION E N

Page 30: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

MIT ANDEREN AUGEN

30 POS I T ION E N N R . 93

K U R Z A U S G E B L I C K T

D ie Zeitungs- und die Lebensversi-cherungsbranche mögen völlig verschieden sein, dennoch eint sie

einiges: Beide betonen stets, wie gut ihre Produkte seien – und sehen sich doch sinkenden Absatzzahlen gegenüber. Beide haben ein demografisches Problem bei ihrer Zielgruppe. Beide suchen die Schuld für die operative Schwäche gern bei anderen – die einen bei Google, die anderen bei der Regulierung.

Und beide hacken gern aufeinander rum: Journalisten hadern mit der Lebensversicherung an sich, den Gebüh-ren, der Transparenz. Die Assekuranz wiederum stört diese Haltung, die Grundsätzlichkeit der Kritik und die mangelnde Fähigkeit zu abstrahieren, dass der mündige, aufgeklärte und ver-gleichende Anleger eine eher rare Spe-zies ist. Dabei hätten doch gerade Medien einen gesellschaftlichen Auf-trag, die Altersvorsorge zu fördern, statt mit Kritik zu torpedieren und so den immer stärker verbreiteten Hang zum Nichtstun noch zu verstärken.

Beide Seiten haben gute Argumente. Um die der Journalisten nachvollziehen

gruppe Z geführt und möge bitte nähere Angaben dem Geschäftsbericht entnehmen. Dort habe ich sie nicht gefunden. Auch sind die angegebenen Überschüsse beinahe so artenreich wie die Tiefsee: Es gibt den Zinsüberschuss-anteil, den Grundüberschussanteil („nur bei Bausteinen gegeben, deren kalkulatorische Ausscheideordnung todesfallorientiert ist“), den Zusatz-überschussanteil, den Schlussüber-schussanteil, den Sonder-Schlussüber-schussanteil, die Überschussrente.

Dass ich trotz mehrfacher Lektüre nur Bahnhof verstanden habe, könnte auch an den verschachtelten Sätzen sowie den vielen Fachbegriffen liegen. Ich bin kein Versicherungsexperte, ahne aber, dass die kritische Haltung vieler Kollegen nicht völlig aus der Luft gegrif-fen sein könnte – Filterblase hin oder her. CHRISTIAN KIRCHNER

Christian Kirchner ist Redakteur beim Wirt-schaftsmagazin „Capital“. Zuvor arbeitete er unter anderem für die „FTD“ und das „Handels-blatt“ sowie als Kolumnist für „Spiegel Online“. In seinem Blog Menschen.Zahlen.Sensationen widmet er sich dem Thema Geldanlage.

zu können, sollte man sich mit dem Phä-nomen der Filterblase vertraut machen: Die eigenen Erfahrungen mit einem Pro-dukt oder ökonomischen Sachverhalt liefern wichtige, möglicherweise manch-mal aber auch irreführende Impulse zur Recherche und zur Meinungsbildung. So lebt der Journalist einer großen Zei-tung mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Metropole wie Hamburg oder München, verdient ordentlich und bevorzugt gute Wohnlagen. Ahnen Sie, wieso es in der Presse vor Warnungen vor einer Immobilienblase nur so wim-melt, obwohl es bestenfalls in wenigen Trendvierteln einiger Großstädte zu größeren Preisanstiegen kam?

Schlagen wir den Bogen zur Debatte über die Zukunft der Lebens- und Ren-tenversicherung und die Verwendung der Überschussbeteiligung: Ich bin selbst Kunde von Lebensversicherern und habe den Versuch unternommen, die Verwendung der Überschussbeteili-gung zu verstehen. In den 41 Seiten Ver-trag und Dokumentation wimmelt es nur so von Kürzeln und Verweisen. Ich werde in Überschussgruppe XY, Unter-

BLICK AUS DER FILTERBLASE

Page 31: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

31N R . 93 POS I T ION E N

K U R Z A U S G E B L I C K T

SterbetafelWEITERGEHENSie wollen noch mehr wissen? Hier haben wir für Sie weitere aufschlussreiche und spannende Link- und Lesetipps zu wichtigen Themen rund um die Versicherungsbranche. Wichtige Begriffe aus der Versicherungs-

branche verständlich auf den Punkt gebracht.

Eine Sterbetafel ist ein Modell aus der Bevölkerungsstatistik. Sie zeigt tabella-risch für eine bestimmte Personengrup-pe (z. B. Bevölkerung oder Versicherte), wie viele von ihnen in den jeweiligen Jah-ren zwischen Geburt und höchstem Al-ter rechnerisch überleben oder sterben werden. Darüber hinaus gibt die Sterbe-tafel Auskunft über die durchschnittli-che Lebenserwartung in den einzelnen Altersjahren. So lässt sich beispielswei-se aus der Tabelle ableiten, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Alter erreicht wird. Die Werte in den Sterbeta-feln werden mithilfe statistisch be-stimmter Sterbewahrscheinlichkeiten für jedes Alter ermittelt. Versicherungs-unternehmen nutzen die Tabellen zur Kalkulation der Prämien und Leistungen. Für die Bilanzierung der Versicherungs-unternehmen werden Sterbetafeln von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) empfohlen, einer Vereinigung deutscher Versicherungsmathematiker. Die Ange-messenheit dieser Sterbetafeln wird re-gelmäßig überprüft.

DIE POLITISCHEN POSITIONEN DER DEUTSCHEN VERSICHERERDie deutsche Versicherungswirtschaft wird wie kaum eine andere Branche durch das Aufsichtsrecht und die Regu-lierung geprägt. In zahlreichen Berei-chen übernimmt der europäische Gesetzgeber dabei eine Vorreiterrolle und definiert das Schrittmaß für die nationale Umsetzung. Innerhalb dieses Rahmens müssen die Versicherer auch künftig ihre volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Aufgaben erfüllen können. Die politischen Positionen der Branche, mit denen das gelingen kann, hat der GDV jetzt in der 36-seitigen Broschüre „Die Positionen der deut-schen Versicherer“ zusammengefasst. Dabei setzt er sich mit hochaktuellen Themen wie der Lebensversicherung in der Niedrigzinsphase, Haftpflichtversi-cherung im Heilwesen oder Daten-schutz auseinander.

MEHR INFOS:www.gdv.de/2014/04/die-positionen-der-deutschen-versicherer-2014/

MIT DER RENTE RECHNENVerbraucher können ab sofort im Inter-net ihre finanzielle Versorgungslücke ausrechnen. Der GDV hat dazu seinen Rentenrechner aktualisiert. In vier kur-zen Schritten lässt sich damit ganz ein-fach überprüfen, ob die private Alters-vorsorge ausreicht – oder eben auch, wie viel Geld im Alter fehlt. Darüber hinaus können die Nutzer ihre monatli-che Rente im Fall einer möglichen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ermit-

Herausgeber: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft

Verantwortlich: Christoph Hardt

Konzeption und Realisierung: Axel Springer SE Corporate Solutions

Druck und Vertrieb: Möller Druck

Redaktion: Una Großmann (GDV), Heike Dettmar (Axel Springer)

Art-Direktion: Diddo Ramm

Autoren: Carolyn Braun, Serge Debrebant, Heike Dettmar, Mauritius Much, Herta Paulus, Sabine Schlosser

Fotoredaktion: Mirjam Klessmann, Olaf Roessler

Layout: Anne-Marie Kierstein, Melanie Kollath

Litho: VB:34, Hamburg

Redaktionsanschrift: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Presse und Information Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin

Telefon: 030 / 20 20 – 5118 Fax: 030 / 20 20 – 66 04

Fragen zum Abo: [email protected]

teln. Verbraucher benötigen dazu ledig-lich die gesetzliche Renteninformation und – falls vorhanden – die jährlichen Standmitteilungen ihrer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge.

MEHR INFOS:www.gdv.de/rentenrechner

DIE PSYCHOLOGIE DES RISIKOSWir leben in einer ungewissen Welt und erliegen doch so gerne der Null-Risiko-Illusion. Dabei ist jede Entscheidung in Alltag, Beruf, Freizeit mit Risiken ver-bunden, die sich berechnen lassen (wie die Gefahr von Thrombose) oder auch nicht (siehe Partnerwahl). Der Psycho-loge Gerd Gigerenzer, Direktor am Ber-liner Max-Planck-Institut für Bildungs-forschung, beschreibt in seinem neuen Buch „Risiko“, was Risikointelligenz und -kompetenz in unserer komplexen

Gesellschaft bedeutet, wie ihre Voraus-setzungen sind – und was ihnen entge-gensteht, von „alten Hirnstrukturen“ bis hin zu den „Tücken der Truthahnil-lusion“. An anschaulichen Beispielen aus der Welt des Finanz- und Gesund-heitswesens identifiziert er Fehlerkultu-ren und zeigt, wie man mithilfe einfa-cher, erlernbarer Lösungen eher die richtigen Entscheidungen trifft.

Gigerenzer, Gerd (2013). Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. München: C. Bertelsmann Verlag.

KURZ ERKLÄRT

IMPRESSUM

ILL

US

TR

AT

ION

: D

IET

ER

BR

AU

N;

FO

TO

S:

SH

UT

TE

RS

TO

CK

, TH

INK

ST

OC

K;

CK

SE

ITE

NF

OT

O:

IMA

GO

Page 32: GENERATION ÜBERGANG - GDV...4 POSITIONEN NR. 93 Als Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit

DIE SCHÖNSTE VERSICHERUNGSSACHE DER WELT

Der Nationaltorwart Manuel Neuer hält fast alles, was auf

seinen Kasten geflogen kommt. Erst jüngst gewann der Keeper mit dem FC Bayern München den DFB-Pokal im Finale gegen Borussia Dortmund. Schon im vergangenen Jahr hatten die Bayern so gut wie alles abge-räumt, was es an Titeln gibt. Sogar zum weltbesten Torwart war Neuer gewählt worden. Natürlich weiß auch der Nationaltorwart, wie wert-voll seine zupackenden Hände sind.

Auf sie passen nicht nur seine Tor-warthandschuhe auf, auf denen der Schriftzug Predator entlang des Ringfingers zu lesen ist – Raubtier. Sondern auch eine Versicherung. Sie greift, sollte Neuer nach einem Unfall nicht mehr als Torwart arbei-ten können. Ein ausgerenkter Finger ist dagegen für den Hüter des Kas-tens nichts weiter als ein Klacks. Den renkt er sich, so ist zu hören, während eines Spiels ganz einfach wieder selber ein.

3.000.000 €

HALTENDE HÄNDE

VERSICHERUNGSSUMME

WWW.GDV.DE/POSITIONEN