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Kapitel 8 Geomorphologie der Anden Tobias Kr¨ uger Als wesentliche Kriterien in den g¨ angigen Definitionen von Hochgebirgen f¨ uhrt Stahr [79] die hohe Reliefenergie und den Wandel der ¨ okologischen Bedingungen auf kurzer Distanz, d.h. die Existenz von H¨ ohenstufen auf. Die Anden sind demnach ein Hochgebirge. Die folgende Einordnung der w¨ ahrend der Exkursion beobachteten geomorphologischen Ph¨ ano- mene erfolgt in ihrer Reihenfolge in etwa ,,von oben nach unten”. Wichtig ist hierbei, dass diese Reihenfolge auch die zeitliche Abfolge der Prozesse wiederspiegelt, die zur heutigen Gestalt des Exkursionsgebietes f¨ uhrten. 8.1 Glazialmorphologie Das Exkursionsgebiet befindet sich in der Cordillera Principal (30 –36 S:7 W) mit dem Cerro Aconcagua (6.959m). Die klimatische Schneegrenze liegt hier bei unter 4.000 m. Die meisten Gletscher haben eine L¨ ange von 2–4 km, einige sind l¨ anger als 10 km, so auch der Horcones-Gletscher am Aconcagua (Abb. 8.1). ahrend des Pleistoz¨ ans und des fr¨ uhen Holoz¨ ans hatten die Gletscher aufgrund phasenwei- se k¨ alteren und feuchteren Klimas eine gr¨ oßere Ausdehnung, d.h. sie erstreckten sich wei- ter talw¨ arts bis in heute eisfreie Gebiete. Davon zeugen Kare (Abb. 8.2, Standort 39) und Trogt¨ aler als charakteristische Erosionsformen. Durch R¨ uckverlagerung der Kare von mehreren Seiten aus wurden scharfe Felsgrate (Arˆ etes) herausgearbeitet bzw. markante Bergspitzen (Karlinge), sobald die Kare einander ¨ uberschnit- ten (vgl. Abb. 8.1). Das charakteristische gestufte L¨ angsprofil eines Trogtals ist deutlich bei der Klamm des Salto del Soldado im Valle R´ ıo Juncal (s. Abb. 8.7, oberhalb Standort 38a) zu erkennen. Hier wurde eine bereits vorhandene Gef¨ allsversteilung herauspr¨ apariert. Die ¨ Ubertiefungsleistung eines Gletschers unterhalb von Gef¨ allsversteilungen ist h¨ oher, da hier erh¨ ohter Druck ausge¨ ubt wird. 8.1.1 Trogt¨ aler im Einzugsgebiet des Valle R´ ıo Mendoza Das Valle R´ ıo Mendoza hat seinen Ursprung in der Regi´ on Aconcagua der Cordillera Principal, etwa 120 km westlich Mendoza. Der Fluß folgt einem antezendenten Tal, das die Cordillera 99 A-PDF Split DEMO

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Kapitel 8

Geomorphologie der AndenTobias Kruger

Als wesentliche Kriterien in den gangigen Definitionen von Hochgebirgen fuhrt Stahr [79] diehohe Reliefenergie und den Wandel der okologischen Bedingungen auf kurzer Distanz, d.h.die Existenz von Hohenstufen auf. Die Anden sind demnach ein Hochgebirge.Die folgende Einordnung der wahrend der Exkursion beobachteten geomorphologischen Phano-mene erfolgt in ihrer Reihenfolge in etwa ,,von oben nach unten”. Wichtig ist hierbei, dassdiese Reihenfolge auch die zeitliche Abfolge der Prozesse wiederspiegelt, die zur heutigenGestalt des Exkursionsgebietes fuhrten.

8.1 Glazialmorphologie

Das Exkursionsgebiet befindet sich in der Cordillera Principal (30◦–36◦S : 7◦W) mit demCerro Aconcagua (6.959m). Die klimatische Schneegrenze liegt hier bei unter 4.000 m. Diemeisten Gletscher haben eine Lange von 2–4 km, einige sind langer als 10 km, so auch derHorcones-Gletscher am Aconcagua (Abb. 8.1).Wahrend des Pleistozans und des fruhen Holozans hatten die Gletscher aufgrund phasenwei-se kalteren und feuchteren Klimas eine großere Ausdehnung, d.h. sie erstreckten sich wei-ter talwarts bis in heute eisfreie Gebiete. Davon zeugen Kare (Abb. 8.2, Standort 39) undTrogtaler als charakteristische Erosionsformen.Durch Ruckverlagerung der Kare von mehreren Seiten aus wurden scharfe Felsgrate (Aretes)herausgearbeitet bzw. markante Bergspitzen (Karlinge), sobald die Kare einander uberschnit-ten (vgl. Abb. 8.1).Das charakteristische gestufte Langsprofil eines Trogtals ist deutlich bei der Klamm des Saltodel Soldado im Valle Rıo Juncal (s. Abb. 8.7, oberhalb Standort 38a) zu erkennen. Hierwurde eine bereits vorhandene Gefallsversteilung herausprapariert. Die Ubertiefungsleistungeines Gletschers unterhalb von Gefallsversteilungen ist hoher, da hier erhohter Druck ausgeubtwird.

8.1.1 Trogtaler im Einzugsgebiet des Valle Rıo Mendoza

Das Valle Rıo Mendoza hat seinen Ursprung in der Region Aconcagua der Cordillera Principal,etwa 120 km westlich Mendoza. Der Fluß folgt einem antezendenten Tal, das die Cordillera

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Abbildung 8.1: Aufnahme des Aconcagua aus etwa sudlicher Richtung. Vorne rechts im Bildzieht der schuttbedeckte Horcones-Gletscher herab (Foto: A. Herrmann).

Abbildung 8.2: Parque Provincial Aconcagua (Standort 39). Im Hintergrund ein Kar, dessenBoden von Moranenmaterial bedeckt ist. Vorne links Nivationsnischen (Foto: T. Kruger).

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Tabelle 8.1: Endmoranenstadien im Einzugsgebiet des Rıo Mendoza, unterhalb des Horcones-Gletschers (nach [22]).

Uspallata 1.870 m Isotopenstadium 8unweit ostlich Standort 40d, s. Abb. 8.14

Punta de Vacas Isotopenstadium 6125.000–111.000 a v.h.

Penitentes 2.500 m Isotopenstadium 4etwa Standort 40g 70.000–65.000 a v.h.

Horcones 2.750m Isotopenstadium 2Standort 39, Abb. 8.4 28.000–18.000 a v.h.

Almacenes 3.250 m Spatglazial oder Holozan

Confluencia unweit des rezenten Horcones-Gletschers jungst

Central sowie die Cordillera Frontal, die wahrend des Pleistozans tektonisch aufgestiegensind, durchschneidet. Hauptzuflusse sind der Rıo Las Cuevas und der Rıo Horcones, die beideam Fuß des Aconcagua entspringen. Beim Ort Puente del Inca (Standort 40a), wo der RıoHorcones in den Rıo Las Cuevas einmundet, erfolgte die praglaziale Talbildung antiklinal.Das Valle Rıo Las Cuevas ist im oberen Teil als trogformiges Hochtal ausgebildet (Standort38d). Auch weiter unten, namentlich beim Ort Penitentes (Standort 40g) und im Seitental desRıo Horcones im Parque Provincial Aconcagua (s. Abb. 8.4, Standort 39) tritt die Trogtalformdeutlich hervor.Der untere Teil des U-formigen Abschnitts des Valle Rıo Mendoza ist heute von Flussaufschuttun-gen bedeckt und wird von einem Braided River-System eingenommen (s. Abbschnitt 8.4.2 aufS. 100).

8.1.2 Zeitliche Einordnung der Gletscherformen im Einzugsgebiet des RıoMendoza

Nach Clapperton [22] konnen unterhalb des Horcones-Gletschers sechs verschiedene Gletscher-vorstoße, markiert durch End- und Ufermoranen, identifiziert werden (Tab. 8.1 und Abb. 8.3).Zur Abgrenzung wurden relative Altersbestimmung, Verwitterungsgrad, Bodenentwicklungund morphologische Unterschiede verwendet.Im Bereich zwischen den Lagos Horcones und der Einmundung des Quebrada del Durazno(Standort 39) befinden sich Ufer- und Endmoranen des Horcones-Stadiums (Abb. 8.4). Es kor-respondiert mit dem globalen letztkaltzeitlichen Maximum (LGM). Am orographisch rechtenHang, dem ehemaligen Gleithang, zieht sich ein steiler Ufermoranenwall entlang, an dessentalwartigem Ende der Endmoranenwall angehangt ist. Die Lagos Horcones haben sich in denMulden der Grundmoranenlandschaft gebildet.

8.2 Periglazialmorphologie

Nach Trombotto [82] steigt in Sudamerika die gegenwartige Untergrenze des alpinen diskon-tinuierlichen Permafrosts von 900 m in den patagonischen Anden und Feuerland auf 3.400 m

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Abbildung 8.3: Positionen der wichtigsten Endmoranen im Valle Rıo Mendoza (verandert ausClapperton [22]).

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Abbildung 8.4: Parque Provincial Aconcagua (Standort 39). Im unteren Drittel des Bildes istein Teil der Horcones-Morane zu sehen, die das Tal quert. Im Hintergrund die Sudostflankedes Cerro Aconcagua (Foto: E. Boll).

im Cordon del Plata. Es gibt keine direkte Verbindung von polarem und alpinem Permafrost.Abbildung 8.5 zeigt die Zonen rezenter und pleistozaner periglazialer Aktivitat, die fur dieAnden aus Vergleichen von periglazialen Prozessen, topographischer Hohe und Breite sowieNiederschlag ermittelt wurden.Die Frostverwitterung ist im semiariden Exkursionsgebiet besonders ausgepragt, da im Winternur wenige, dunne Schneedecken gebildet werden, die als Isolatoren wirken konnten. Insolati-onsverwitterung ist in großer Hohe ebenfalls sehr stark.Der Verwitterungsschutt bildet im Exkursionsgebiet ausgedehnte Glatthange und Schutthange.Glatthange (s. Abb. 8.10) besitzen eine dunne Schuttdecke, die Formung erfolgt im wesent-lichen durch Abspulung, weniger durch Solifluktion. Die Hangneigung betragt in der Re-gel uber 30◦. Haufig werden die Glatthange von gravitativen Massenbewegungen uberpragt.Schutthange besitzen eine große Schuttmachtigkeit, Solifluktion ist hier vorherrschend. Typi-sche Hangneigungen liegen im Bereich 24–34◦. Im Gegensatz zu Glatthangen befindet sich inSchutthangen bis spat in den Sommer Poreneis.Blockgletscher, die nach Clapperton [22] aufgrund des semiariden Klimas in den Anden ihregroßte Verbreitung zwischen 32◦S und 34◦S haben, befinden sich in hoheren Lagen in derUmgebung des Exkursionsgebietes. Sie konnten daher nicht angesehen werden.

8.3 Massenverlagerungen

Nach Abele [1] sind die Anden in starkerem Maße als viele andere Hochgebirge von Massen-verlagerungen gepragt. Verantwortlich dafur sind im wesentlichen drei Faktoren:Erdbeben in großer Haufigkeit und Intensitat wirken als Ausloser von Massenverlagerungen.Quartare Vulkantatigkeit fuhrte und fuhrt zu machtigen Ablagerungen vulkanischen Locker-materials auf steilen Hangen und dient bis heute als Ausloser von Massenverlagerungen.Episodische und periodische Starkniederschlage in vegetationsarmen bis vegetationslosen Tro-ckengebieten begunstigen Massenverlagerungen unter Einfluß des Wassers.

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Abbildung 8.5: Untergrenzen rezenter und pleistozaner periglazialer Aktivitat entlang derAnden zwischen 20◦N und 60◦S zusammen mit der 0 ◦C-Isotherme der mittleren Jahrestem-peratur der Luft (verandert aus Clapperton [22]).

Steinschlag fuhrt im Exkursionsgebiet zur Bildung ausgedehnter Sturzhalden am Fuß derWande. Sturzkegel bilden sich, wenn das Material entlang bestimmter Steinschlagrinnen, dieoft tektonisch vorgezeichnet sind zu Tal sturzt. Sturzhalden und Sturzkegel haben einen ma-ximalen Boschungswinkel kleiner 45◦, der von der inneren Reibung der Bestandteile abhangt.Das Material erfahrt eine Sortierung, indem die groben, schwereren Bestandteile bis zum Hal-denfuß gelangen, wahrend die feinen bereits im oberen Bereich der Halde zur Ruhe kommen.Gehen großere Gesteinsmassen zu Tal, wie in Abb. 8.6 (Standort 38c), spricht man von einemBergsturz.

8.3.1 Bergsturze im Einzugsgebiet des Rıo Aconcagua

Abbildung 8.8 zeigt die Aufnahme von Massenbewegungen im Einzugsgebiet des Rıo Acon-cagua, wie sie von Abele [1] durchgefuhrt wurde. Die folgenden Darstellungen beziehen sichauf diese Arbeit.Oberhalb von Planta Quilos (Standort 38a) hat der Rıo Juncal eine 70 m tiefe Klamm (Saltodel Soldado, 1.292 m) in eine quer zum Tal verlaufende Granodioritschwelle eingetieft (Abb.8.7). Die Schwelle wurde vermutlich durch Glazialerosion herausprapariert (vgl. Abschnitt8.1, S. 91). Ostlich der Klamm liegt ein stark zerrutteter Schotterkegel. Er geht auf einenBergsturz zuruck, der von der Sudwestflanke des Cerro Alto Puente nach Sudwesten abglittund Trummermaterial von mindestens 200 m Machtigkeit ablagerte. Die Bergsturzmasse er-streckte sich einst bis an den Gegenhang, wo jenseits des Salto del Soldado, etwa 150 m uberdem Fluß, ebenfalls Trummer zu finden sind. Die Fahrbahnlange der Bergsturzmasse betragt2.8km. Der Schutthang ist gegenwartig zumindest in großen Teilen durch Vegetation gegenMaterialumlagerung stabilisiert.Bei Portillo (Standort 38b) fließt der Rıo Juncalillo unmittelbar vor seiner Einmundung inden Rıo Juncal uber eine etwa 600 m hohe Talstufe, die in drei kleinere Stufen untergliedertist. Abbildung 8.9 zeigt die mittlere Talstufe, vom Rand der oberen aus aufgenommen. Dieden Talstufen aufsitzenden Andesitschuttmassen wurden verschiedentlich als Moranenmate-rial gedeutet, die Laguna del Inca als Zungenbeckensee. Das Schuttmaterial ist jedoch fastausnahmslos kantig, z.T. sehr homogen und umfasst riesige Schollen von mehreren hundert

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Abbildung 8.6: Bergsturzmasse bei derKapelle Las Cuevas (Standort 38c) (Foto:H. Krofta). Abbildung 8.7: Blick nach Sudosten hin-

auf ins Valle Rıo Juncal. Die Klamm Sal-to del Soldado (1.292 m) wurde im anste-henden Granodiorit eingetieft. Den Hangam linken Bildrand bildet ein Bergsturz-masse aus Granodiorit. Sie wird in Hoheder Klamm von der Straße angeschnit-ten. Aufgenommen oberhalb Planta Qui-los (Standort 38a) (Foto: T. Kruger).

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Abbildung 8.8: Karte der Massenbewegungen im Einzugsgebiet des Rıo Aconcagua (verandertaus Abele [1]).

Metern Kantenlange. Dies widerspricht einer glazigenen Genese, zumal Moranenablagerun-gen in der Umgebung von Portillo nicht diese Machtigkeiten aufweisen. Abele [1] deutetdie Schuttmassen als Trummer einer oder mehrer Massenbewegungen von insgesamt 8.5 kmLange. Er lokalisiert die Abrißnische am Ostrand von Portillo. Die Bergsturzmasse fuhr-te demnach sowohl zum Aufstau der Laguna del Inca als auch zur Herausbildung der dreiTalstufen. Dass diese aus im Verband gebliebenen Trummerschollen bestehen und nicht imAnstehenden herausgebildet wurden, zeigt ihr im Vergleich zu den umgebenden Talflankensehr starker Zerruttungsgrad. Die beschriebenen Sachverhalte konnten wahrend der Exkursionnicht nachvollzogen werden. Es ist anzunehmen, dass die Schwelle zumindest initial durch Gla-zialerosion herausprapariert wurde. Abele [1] halt es fur moglich, dass die Trummerlandschaftin Kombination aus Massenverlagerung und glazialer Formung entstand, was das Vorkommeneindeutigen Moranenmaterials zwischen dem Trummerschutt erklaren wurde. Auch ist eineVorpragung der Laguna del Inca als Zungenbecken moglich. Der Bergsturz kann somit aufdas Ende der letzten Kaltzeit datiert werden. Ausloser fur den Niedergang der Schuttmassewar demnach der Verlust des Eiswiderlagers.

8.3.2 Muren

Entlang der Exkursionsstrecke konnten einige Murgange beobachtet werden. Abbildung 8.10zeigt beispielhaft zwei Murgange verschiedenen Alters auf Schuttkegeln, die womoglich eben-falls auf Muren zuruckgehen. Die Kegel sind erosiver Hangformung unterworfen, so dass deraltere Murgang (zieht auf dem linken Kegel von links nach rechts hinab) bereits uberpragt

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Abbildung 8.9: Mittlere von drei Talstufen, die bei Portillo (Standort 38b) insgesamt 600 muberwinden. Aufgenommen von der oberen Talstufe aus (Foto: T. Kruger).

wurde. Die Aufnahme erfolgte in der Nahe der Kapelle Las Cuevas (Standort 38c).Zur Auslosung von Murgangen kommt es im Exkursionsgebiet bei winterlichen Starknieder-schlagen. Dadurch werden im Gerinne deponierte Schuttmassen abrupt mobilisiert. Denkbarist ebenfalls eine Uberlagerung von Starkniederschlagen mit der Schneeschmelze. Die starkeDurchfeuchtung des Hangsubstrats fuhrt dann zusammen mit der Abflußerhohung zu extre-men Murereignissen.Die weltweite Zunahme von Murtatigkeiten kann in Zusammenhang mit der globalen Erwarmunggebracht werden (so geschehen bei Haeberli [41]). Es kommt im Zuge des Abschmelzens derGletscher und der Degradation des Permafrosts zu Destabilisierungen und Vernassungen anzerrutteten und z.T. durch Glazialerosion ubersteilten Hangen.

8.4 Erosion und fluviale Talbildung

Erosion wirkt, wenn auch nur periodisch, gleichzeitig mit den in den vorangegangenen Ab-schnitten besprochenen Hangformungsprozessen, uberpragt diese und wird selbst uberpragt.Die eindeutige Zuordnung eines Hangs zu nur einem Entstehungsprozess ist folglich nichtmoglich. Im Exkursionsgebiet uberwiegt aufgrund des Wassermangels infolge des semiaridenKlimas die linienhafte Erosion.Auf der Ostseite der Anden konnten zwischen Standort 40f und Standort 40e typische Badland-Bildungen beobachtet werden, die durch Splash-Erosion entstehen.

8.4.1 Linienhafte Erosion

Linienhafte Erosion konnte in verschiedenen Stadien der Eintiefung beobachtet werden bishin zu Erosionsschluchten (Gullys). Besonders eindrucksvoll war das in der Nahe der Natur-brucke und Therme Puente del Inca (Standort 40a) und wahrend der Wanderung im Parque

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Abbildung 8.10: Aktive Schutthalden mit Murgangen verschiedenen Alters. Die altere Mu-re (links) ist fast vollstandig verschuttet, die jungere Mure (rechts) zeigt deutlich die viertypischen Prozessbereiche: Einzugsgebiet, Abrißzone, Transitzone und Akkumulationsgebiet.Aufgenommen in der Nahe der Kapelle Las Cuevas (Standort 38c) (Foto: T. Kruger).

Provincial Aconcagua (Standort 39) zu sehen.Besonders anfallig gegenuber Erosion sind Substrate mit hohem Schluffanteil. In semihumidenbis ariden Gebieten erlangt aber gerade das schluffige Substrat infolge zyklischer Austrock-nung und Durchfeuchtung eine hohe Standfestigkeit. Das ist der Grund fur die linienhafteErosionsleistung relativ ergiebiger Winterniederschlage und die Konservierung scharfkantigerErosionsschluchten und Erdsaulen (Abb. 8.11). Schluffreich sind sowohl das Moranenmate-rial, als auch die Schuttkorper im Exkursionsgebiet, da die Frostverwitterung bis zu dieserKorngroße erfolgt.

8.4.2 Fluviale Talbildung

Die fluviale Talbildung setzte im Exkursionsgebiet nach dem Ruckschmelzen der Gletscherzum Ende des Pleistozans ein. Die Flußsysteme von Rıo Juncal, Rıo Las Cuevas, Rıo Horconesund Rıo Mendoza folgten dabei den glazial angelegten Trogtalern (vgl. Abschnitt 8.1.1 aufS. 91). Dabei ist der Ausgleich der Langsprofile der Flusse bereits weit fortgeschritten, wieEintiefungen in widerstandsfahige Schwellen im Langsprofil (vgl. Abb. 8.7) und Abschnitteder fluvialen Aufschuttung (s. Abb. 8.14) zeigen.Das Exkursionsgebiet besitzt seit dem Spatglazial ein semiarides Klima. Die geringe Trans-portleistung der Flusse reicht seitdem nicht aus, um die anfallenden Schuttmassen, die lateraldurch Massenverlagerungen angeliefert werden, abzutransportieren. Das fuhrt dazu, dass dieglazialen Trogtaler mit machtigen spatglazialen und holozanen Schuttmassen, z.T. fluvial um-gelagert, gefullt sind. Moranenmaterial ist unterhalb der Einmundung des Rıo Horcones in denRıo Las Cuevas nur noch an wenigen Stellen aufgeschlossen (vgl. Abschnitt 8.1.2 auf S. 93). Esentsteht der Eindruck, dass das Gebirge formlich ,,in seinem eigenen Schutt ertrinkt”. Abbil-dung 8.12 zeigt den Anschnitt einer machtigen ehemaligen Talfullung bei 2.340 m (Standort

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Abbildung 8.11: Erdsaulenbildung im Moranenmaterial im Parque Provincial Aconcagua(Standort 39) (Foto: E. Boll).

40b). Sie umfasst kantigen Schutt, der von lokalen Massenverlagerungen stammt, sowie La-gen mit gerundeten Schottern, die auf eine fluviale Umlagerung hinweisen. Das semiarideKlima konserviert die Erosionsformen, wie in Abschnitt 8.4.1 beschrieben, und lasst so steileHanganschnitte entstehen. Diese werden vielfach von jungen Schuttkegeln unterbrochen.Der Rıo Las Cuevas und der Oberlauf des Rıo Mendoza sind bisweilen schluchtartig in dieTalfullungen eingeschnitten. Da die Flusse nur an Verengungsstellen den Großteil der Talbreiteeinnehmen, bleibt die glaziale Trogtalform erhalten.An vielen Stellen im weiteren Flußverlauf sind Talterrassen, d.h. ehemalige Talboden erhal-ten, so auch in 2.190 m Hohe (Standort 40c). Ihre Schotterkorper sind pleistozanen Kaltzeitenzuzuordnen, deren Gletschervorstoße nicht mehr so weit hinab reichten (ab Punta de Vacas-Stadium, Isotopen-Stadium 6, 125.000–111.000 a v.h., vgl. Abschnitt 8.1.2 auf S. 93). Eineverstarkte Tiefenerosion der Flusse erfolgte wahrend der Warmzeiten und wahrend der He-bungsphasen der Anden, die bis heute andauern.Auf der Westseite der Anden, im Valle Rıo Juncal, wird die Heraushebung der Anden anStandort 38a (Abb. 8.13) deutlich. An den Talhangen stehen hier Konglomerate (80–100 mmachtig) an. Sie bildeten in einer Sedimentationsphase der Anden machtige Talfullungen. ImLaufe der Zeit trat eine Verfestigung der Sedimente ein. Die anschließende Hebungsphase derAnden wird dadurch dokumentiert, dass sich der Rıo Juncal in die Konglomerate eintiefte,indem diese herausgehoben wurden.Im Mittellauf des Rıo Mendoza setzt rezentes Auffullen des Flußbetts dort ein, wo das Gefalledes Flußlaufs so stark vermindert ist, dass das mitgefuhrte Material nicht mehr vollstandigweitertransportiert werden kann. Es entsteht ein typisches Braided River-System. Abbildung8.14 zeigt den verwilderten Abschnitt des Rıo Mendoza in 2100m Hohe (Standort 40d). Dieverzweigten aktuellen und ehemaligen Fließbereiche nehmen die ganze Talbreite ein und zeigen

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Abbildung 8.12: Anschnitt einer ehemaligen Talfullung bei 2.340 m (Standort 40b). Der kan-tige Schutt stammt von lokalen Massenverlagerungen, die gerundeten Schotter wurden fluvialumgelagert. Junge Schuttkegel durchbrechen das Steilufer, das durch das semiaride Klimakonserviert wird (Foto: T. Kruger).

Abbildung 8.13: Ausschnitt insgesamt 80–100 m machtiger Konglomerate am orographischrechten Hang des Valle Rıo Juncal bei Planta Los Quilos (Standort 38a). Wahrend einerHebungsphase der Anden hat sich der Rıo Juncal in die Konglomerate eingetieft, die vorherverfestigte Talfullungen gebildet hatten (Foto: E. Boll).

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Abbildung 8.14: Braided River-System des Rıo Mendoza in 2.100 m Hohe (Standort 40d).Blick nach Osten ins Uspallata-Becken. Angeschnitten sind hier keine Terrassen, sondernSchwemm- und Schuttkegel. Der rechte Hang liefert großere Materialmengen als der linke,wodurch das rechte Ufer hoher liegt. Am Horizont Endmoranenwalle des Uspallata-Stadiums(Foto: T. Kruger).

eine immer wechselnde Gestalt. Angeschnitten sind hier jungere Schuttkegel, keine Terrassen,wobei der orographisch rechte Hang eine großere Schuttung liefert als der linke und deshalbdas rechte Ufer hoher liegt.Die Verwilderung des Rıo Mendoza wird unterstutzt durch seine fur semiaride Klimate typi-sche ruckhafte Wasserfuhrung zur Zeit ergiebigerer Winterniederschlage. In dieser Zeit kommtes zu verstarkten Umlagerungen im Flußbett. Wahrend der ubrigen Jahreszeit, wie auch zurZeit der Exkursion, fuhrt der Fluß Niedrigwasser.Bei Standort 40e, am morphologischen Ostrand der Anden, weitet sich das Valle Rıo Men-doza und mundet in das hugelige Andenvorland (Piemont). Die Molasse des Vorlands gehorttektonisch zu den Anden, nicht jedoch morphologisch.

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