Geotechnische Herausforderungen auf der Ausbaustrecke Nürnberg - Ebensfeld

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162 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 3 DOI: 10.1002 / bate.201300007 BERICHT Ignaz Reichl, Ulrike Michels, René Schäfer, Christian Spang Geotechnische Herausforderungen auf der Ausbaustrecke Nürnberg – Ebensfeld Festlegung der Bau- und Bemessungswasserstände 1 Projektbeschreibung Der über 70 km lange Teilabschnitt Nürnberg – Ebensfeld des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit (VDE) 8.1 be- ginnt in Nürnberg, durchfährt u.a. die Städte Fürth, Er- langen, Forchheim und Bamberg und endet nördlich der oberfränkischen Gemeinde Ebensfeld. Dort erfolgt der Anschluss an die bereits im Bau befindlichen bzw. fertig- gestellten Abschnitte der VDE 8.1.2 der Neubaustrecke Ebensfeld – Erfurt. Dieser Bauabschnitt führt über Erfurt und das ebenfalls im Bau befindliche VDE 8.2 bis Leip- zig/Halle. Der viergleisige Ausbau des hier beschriebenen Teilabschnitts, der als VDE 8.1.1 geführt wird, umfasst neben der Erweiterung der bestehenden Strecke im Ab- schnitt von Nürnberg bis Forchheim mit zwei zusätzli- chen Gleisen für den S-Bahnbetrieb den Bau einer Güter- zugverbindung zwischen Nürnberg Rbf und Bamberg. Zwischen Fürth – Stadeln und Nürnberg – Großgründ- lach ist der Neubau einer eingleisigen S-Bahn-Trasse ge- plant. Außerdem ist entlang der Ostseite der Bundesauto- Mit dem Ziel, die Schnellbahnstrecke München – Berlin (VDE 8) schrittweise auszubauen, um mit einer auf ca. 4 Stunden ver- kürzten Fahrzeit den Fahrgästen eine umweltfreundliche Alter- native zu Auto und Flugzeug zu bieten, plant und koordiniert die DB ProjektBau GmbH seit Beginn der 1990er-Jahre den Ausbau der Teilstrecke Nürnberg – Ebensfeld. Das als ABS VDE Nr. 8.1.1 geführte Großprojekt umfasst ein Investitionsvolumen von ca. zehn Milliarden Euro. Finanziert wird es vom Bund, der Eu- ropäischen Union und von der Deutschen Bahn AG. Der Ab- schnitt München – Berlin fügt sich in ein europaweites Schie- nennetz zwischen Norditalien im Süden und Skandinavien im Norden ein. Die Dr. Spang GmbH ist mit der Baugrunderkun- dung sowie der Erstellung der rund 700 Baugrundgutachten im Hinblick auf die Ertüchtigung der bestehenden Strecke Nürn- berg – Ebensfeld, dem Neubau von zwei weiteren Strecken- gleisen und dem Neubau bzw. der Erweiterung der Kreuzungs- bauwerke an der Strecke von der DB ProjektBau GmbH beauf- tragt. Der folgende Artikel gibt einen Einblick in die intensive dreijährige Baugrundgutachtertätigkeit und die geotechni- schen Herausforderungen, die sich bei der Bearbeitung an der Teilstrecke stellten und stellen. Insbesondere die Problematik der wirtschaftlichen und regelkonformen Festlegung der Bau- und Bemessungswasserstände für Strecke und Ingenieurbau- werke soll näher beleuchtet und diskutiert werden. Keywords Bau- und Bemessungswasserstand, Festlegung; Hochgeschwindigkeitsstrecke; Grundwassermonitoring Geotechnical challenges during the construction of the high- speed railway section Nürnberg – Ebensfeld In order to reduce the travelling time from Munich to Berlin to app. 4 hours and to offer an ecology-minded travel connection in comparison to highway and air traffic, DB ProjektBau GmbH designs since the beginning of the 1990-years the construction and extension of the road section Nürnberg – Ebensfeld, which is part of the high-speed railway connection (VDE 8) from northern Italy to Scandinavia. The project is entitled as ABS VDE Nr. 8.1.1 and comprises an overall investment volume of 10 Billion Euros. This investment is conjointly done by the German Federation, the European Union and the Deutsche Bahn AG. In the last three years, Dr. Spang GmbH was commissioned to in- tensively evaluate the subsurface soil conditions along the ABS VDE Nr. 8 with a total length of app. 70 km and to prepare about 700 soil reports which especially focus on the improve- ment of the existing railway connection Nürnberg – Ebensfeld, the construction of two additional railtracks as well as the re- design of crossway constructions. The following paper gives an overview of the three years of geotechnical investigation and design and highlights on geotechnical challenges. As an example, the approach to determine the design water level dur- ing the construction and the operation period of the railway will be shown in the context of field investigation works. Keywords Construction of high-speed railway; investigation of subsurface soil conditions; determination of design water table bahn A 73 (Frankenschnellweg) der Neubau einer direk- ten Güterzugverbindung zwischen Nürnberg Rbf und Er- langen vorgesehen. Ziel der Streckenerweiterung ist die Kapazitätserhöhung des Fahrgast- und Gütertransports durch zusätzliche Gleise sowie eine Verkürzung der Fahr- zeiten durch eine geplante Erhöhung der Streckenge- schwindigkeit auf 230 km/h. Dazu sollen auch die beste- henden Gleise u.a. in Bezug auf den Unter- und Oberbau ertüchtigt werden. Die Trassenführung wurde unter landesplanerischen Zie- len und ökologischen Auflagen vom Freistaat Bayern in einem Raumordnungsverfahren 1993 entschieden. Im Streckenverlauf, der sich in mehrere Planungsabschnitte unterteilt und teilweise in Dammlage, teilweise gelände- gleich und zu geringen Teilen auch in Einschnitts- bzw. Anschnittslage verläuft, befindet sich der Burgbergtunnel, diverse Straßen- und Eisenbahnbrücken, zahlreiche Kreu- zungsbauwerke und angrenzende Betriebsbauwerke der Bahn. Dazu zählen auch umfangreiche Schallschutzmaß-

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162 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 3

DOI: 10.1002 / bate.201300007

BERICHTIgnaz Reichl, Ulrike Michels, René Schäfer, Christian Spang

Geotechnische Herausforderungen auf derAusbaustrecke Nürnberg – EbensfeldFestlegung der Bau- und Bemessungswasserstände

1 Projektbeschreibung

Der über 70 km lange Teilabschnitt Nürnberg – Ebensfelddes Verkehrsprojektes Deutsche Einheit (VDE) 8.1 be-ginnt in Nürnberg, durchfährt u.a. die Städte Fürth, Er-langen, Forchheim und Bamberg und endet nördlich deroberfränkischen Gemeinde Ebensfeld. Dort erfolgt derAnschluss an die bereits im Bau befindlichen bzw. fertig-gestellten Abschnitte der VDE 8.1.2 der NeubaustreckeEbensfeld – Erfurt. Dieser Bauabschnitt führt über Erfurtund das ebenfalls im Bau befindliche VDE 8.2 bis Leip-zig/Halle. Der viergleisige Ausbau des hier beschriebenenTeilabschnitts, der als VDE 8.1.1 geführt wird, umfasstneben der Erweiterung der bestehenden Strecke im Ab-schnitt von Nürnberg bis Forchheim mit zwei zusätzli-chen Gleisen für den S-Bahnbetrieb den Bau einer Güter-zugverbindung zwischen Nürnberg Rbf und Bamberg.Zwischen Fürth – Stadeln und Nürnberg – Großgründ-lach ist der Neubau einer eingleisigen S-Bahn-Trasse ge-plant. Außerdem ist entlang der Ostseite der Bundesauto-

Mit dem Ziel, die Schnellbahnstrecke München – Berlin (VDE 8)schrittweise auszubauen, um mit einer auf ca. 4 Stunden ver-kürzten Fahrzeit den Fahrgästen eine umweltfreundliche Alter-native zu Auto und Flugzeug zu bieten, plant und koordiniert dieDB ProjektBau GmbH seit Beginn der 1990er-Jahre den Ausbauder Teilstrecke Nürnberg – Ebensfeld. Das als ABS VDE Nr.8.1.1 geführte Großprojekt umfasst ein Investitionsvolumen vonca. zehn Milliarden Euro. Finanziert wird es vom Bund, der Eu-ropäischen Union und von der Deutschen Bahn AG. Der Ab-schnitt München – Berlin fügt sich in ein europaweites Schie-nennetz zwischen Norditalien im Süden und Skandinavien imNorden ein. Die Dr. Spang GmbH ist mit der Baugrunderkun-dung sowie der Erstellung der rund 700 Baugrundgutachten imHinblick auf die Ertüchtigung der bestehenden Strecke Nürn-berg – Ebensfeld, dem Neubau von zwei weiteren Strecken-gleisen und dem Neubau bzw. der Erweiterung der Kreuzungs-bauwerke an der Strecke von der DB ProjektBau GmbH beauf-tragt. Der folgende Artikel gibt einen Einblick in die intensivedreijährige Baugrundgutachtertätigkeit und die geotechni-schen Herausforderungen, die sich bei der Bearbeitung an derTeilstrecke stellten und stellen. Insbesondere die Problematikder wirtschaftlichen und regelkonformen Festlegung der Bau-und Bemessungswasserstände für Strecke und Ingenieurbau-werke soll näher beleuchtet und diskutiert werden.

Keywords Bau- und Bemessungswasserstand, Festlegung;Hochgeschwindigkeitsstrecke; Grundwassermonitoring

Geotechnical challenges during the construction of the high-speed railway section Nürnberg – EbensfeldIn order to reduce the travelling time from Munich to Berlin toapp. 4 hours and to offer an ecology-minded travel connectionin comparison to highway and air traffic, DB ProjektBau GmbHdesigns since the beginning of the 1990-years the constructionand extension of the road section Nürnberg – Ebensfeld, whichis part of the high-speed railway connection (VDE 8) fromnorthern Italy to Scandinavia. The project is entitled as ABSVDE Nr. 8.1.1 and comprises an overall investment volume of 10Billion Euros. This investment is conjointly done by the GermanFederation, the European Union and the Deutsche Bahn AG. Inthe last three years, Dr. Spang GmbH was commissioned to in-tensively evaluate the subsurface soil conditions along theABS VDE Nr. 8 with a total length of app. 70 km and to prepareabout 700 soil reports which especially focus on the improve-ment of the existing railway connection Nürnberg – Ebensfeld,the construction of two additional railtracks as well as the re-design of crossway constructions. The following paper givesan overview of the three years of geotechnical investigationand design and highlights on geotechnical challenges. As anexample, the approach to determine the design water level dur-ing the construction and the operation period of the railway willbe shown in the context of field investigation works.

Keywords Construction of high-speed railway; investigation of subsurfacesoil conditions; determination of design water table

bahn A 73 (Frankenschnellweg) der Neubau einer direk-ten Güterzugverbindung zwischen Nürnberg Rbf und Er-langen vorgesehen. Ziel der Streckenerweiterung ist dieKapazitätserhöhung des Fahrgast- und Gütertransportsdurch zusätzliche Gleise sowie eine Verkürzung der Fahr-zeiten durch eine geplante Erhöhung der Streckenge-schwindigkeit auf 230 km/h. Dazu sollen auch die beste-henden Gleise u.a. in Bezug auf den Unter- und Oberbauertüchtigt werden.

Die Trassenführung wurde unter landesplanerischen Zie-len und ökologischen Auflagen vom Freistaat Bayern ineinem Raumordnungsverfahren 1993 entschieden. ImStreckenverlauf, der sich in mehrere Planungsabschnitteunterteilt und teilweise in Dammlage, teilweise gelände-gleich und zu geringen Teilen auch in Einschnitts- bzw.Anschnittslage verläuft, befindet sich der Burgbergtunnel,diverse Straßen- und Eisenbahnbrücken, zahlreiche Kreu-zungsbauwerke und angrenzende Betriebsbauwerke derBahn. Dazu zählen auch umfangreiche Schallschutzmaß-

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nahmen und Stützwände sowie Gewässerdurchlässe. ImRandbereich der Strecke sind Entwässerungsbauwerkewie Regenrückhaltebecken mit Absetzanlagen, Versicke-rungsgräben und –schlitze sowie die Anpassung derdurch die Streckenerweiterung notwendige Straßen- undWegeverlegungen erforderlich. Insgesamt handelt es sichum ca. 700 Ingenieurbauwerke, die im Zuge des Stre-ckenausbaus erneuert oder angepasst werden müssen.Bild 1 gibt einen Überblick über die geplante Strecken-führung zwischen Nürnberg und Berlin.

Um Planungssicherheit zu erhalten und eine Grundlagefür eine wirtschaftliche Planung zu schaffen, wurde dieDr. Spang GmbH im Rahmen der 3. Erkundungsphase (3.EKP) mit der Baugrunderkundung, Gründungsberatungsowie der Erstellung eines Streckengutachtens in fünfLosen und der Erstellung von Bauwerksgutachten fürjedes neu geplante oder zu erweiternde Bauwerk von derDB ProjektBau GmbH beauftragt. Neben der Erkundungim Bereich der geplanten Neubaustrecke wurden Bau-grunderkundungen im Bereich des Bestandes erforder-lich, um Aussagen über den bestehenden Unterbau unddessen Ertüchtigung tätigen zu können. Weiterhin wur-den die bestehenden Bauwerke (Brücken, Durchlässe)hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften sowie der abfall-technischen Aspekte untersucht und begutachtet.

Die 3. EKP, welche Rammkern-, Rammsondierungen,Schürfe und Kernbohrungen umfasste, wurde zwischen2010 und 2013 ausgeführt. Neben den Felderkundungen

der 3. EKP wurde ein umfangreiches bodenmechanischesLaborprogramm zur Festlegung der Bodenkennwerte er-arbeitet und durchgeführt. Die 1. EKP lief von 1993 bis1996 und diente als Grundlage für die Erstellung der Vor-planung und der Planfeststellungsunterlagen. Die 2. EKPerfolgte 2003 zur Verdichtung der bis dahin vorliegendenErkenntnisse in Teilabschnitten im Süden der Strecke. Indiesen Abschnitten wurde die Vorplanung aufgrund derErgebnisse der 2. EKP fortgeschrieben.

Die Grundwassersituation in den zuvor ausgeführtenEKPs (1. und 2. EKP) war aufgrund der geringen Daten-folge bzw. des kurzen Beobachtungszeitraums nicht abschließend ausgewertet worden. Zudem waren die ge-troffenen Festlegungen nicht nach den aktuell gültigenRegeln der Technik bearbeitet worden. Es gab keine Fest-legung von Bau- und Bemessungswasserständen für denStreckenbau und die Ingenieurbauwerke. In den oben ge-nannten Erkundungskampagnen erfolgte die Festlegungvon mittleren Grundwasserständen. Mit ausgewähltenMessstellen aus den vorangegangenen EKPs wurde zeit-weise ein Monitoring ausgeführt, bei dem die Grundwas-serstände mit Datenloggern regelmäßig gemessen wur-den. Aufgrund der verschiedenen Projektunterbrechun-gen wurde das Monitoring in der vorbeschriebenenDetaillierung nicht bis zum Beginn der 3. EKP durchge-führt. Die Messintervalle wurden für mehrere Jahre aufjährliche Messungen reduziert. Zudem war auf Grundder verschiedenen Projektunterbrechungen und der ent-sprechend fehlenden Mittel keine Pflege und Reparaturbeschädigter Messstellen möglich.

2 Grundlagen

2.1 Geotechnische Erkundung

Die Erkundung war unterteilt in Bereiche des Neubausund des Bestandes. Im Bestand wurden überwiegendSchürfe sowie Rammkern- und Rammsondierungen imGleisbereich abgeteuft. In den Schürfen wurden zudemdynamische Plattendruckversuche zur Ermittlung derTragfähigkeit ausgeführt. Der Erkundungsabstand betrugmaximal ca. 100 m. Im Bereich des Neubaus wurdenneben den bis zu 30 m tiefen Kernbohrungen für die Inge-nieurbauwerke überwiegend Rammkern- und Ramm -sondierungen in einem Erkundungsabstand von ca. 50bis 150 m abgeteuft. Die Zielteufen betrugen dabei 5 bis10 m.

Bei der Festlegung der im Rahmen der 3. EKP auszufüh-renden Erkundung wurden die vorhandenen Bohrergeb-nisse berücksichtigt, insbesondere für die Ingenieurbau-werke war jedoch ein hoher Bedarf an ergänzenden Erkundungen vorhanden, da zum Zeitpunkt der vorher-gehenden EKPs die Planung überwiegend noch nichtweit fortgeschritten war. Zudem wurde mit der 3. EKPder Zweck einer Vereinheitlichung der Gutachten undEmpfehlungen unter Verwendung der Altgutachten ange-strebt. Insgesamt wurden über 500 Schürfe, mehr als

Bild 1 Übersicht über die geplante Streckenführung der ABS VDE Nr. 8Overview of the chosen railway line of ABS VDE No. 8 (DB AG)

(DB

AG)

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2000 Bohrsondierungen und Rammsondierungen sowiemehr als 100 Kernbohrungen im Rahmen der 3. EKP aus-geführt. Bild 2 zeigt einen bereits fertig gestellten Stre-ckenabschnitt zwischen den Städten Nürnberg undFürth.

Die Kernbohrungen zur Erkundung des Baugrunds ingrößeren Tiefen wurden überwiegend für die Ingenieur-bauwerke ausgeführt, bei denen aufgrund der hohen Las-ten eine Tiefgründung zu erwarten war. Die Einrichtungvon Grundwassermessstellen wurde zur Verdichtung derErkenntnisse bzw. der Stützstellen von Grundwasserin-formationen aus den vorangegangenen EKPs durchge-führt. Abschließend liegt der Abstand der Grundwasser-messstellen zueinander zwischen 500 und 1.000 m.

Aus den Kleinrammbohrungen und den Schürfen wurdenausreichend viele Proben für bodenmechanische, felsme-chanische und umweltchemische Untersuchungen jeSchichthorizont entnommen. An den entnommenen Pro-ben erfolgten gezielt zur Charakterisierung der Bödenund des anstehenden Felses Wassergehaltsbestimmun-gen, Ermittlung der Kornverteilungen, Ermittlung der Zu-standsgrenzen, Proctorversuche, Glühverluste, Kalkge-haltbestimmungen, Einaxiale Druckversuche sowieScherversuche. Die umweltchemischen Analysen beinhal-teten Untersuchungen nach LAGA, Altschotterrichtlinieund Gleisschottermerkblatt LfU und wurden sowohl anden Gleisbaumaterialien des Bestandes als auch orientie-rend an den gewachsenen Böden sowie bei organolepti-schen Auffälligkeiten durchgeführt.

Die Ergebnisse der 3. EKP dienen der Anpassung und Er-gänzung der bereits vorliegenden Entwurfs- und Ausfüh-rungsplanung. Mit den im Zuge der 3. EKP auf „einenStandard gebrachten“ Angaben zum Baugrund und dendamit systematisch erarbeiteten Gründungsempfehlun-gen kann die Fortschreibung der Entwurfsplanung sowiedie Ausschreibung der Bauleistungen erfolgen. Für jedes

Los wurden in den Bauwerks- und Streckengutachtenkonkrete Gründungsempfehlungen für den Ingenieurbauund den Streckenbau sowie über die gesamte StreckeBau- und Bemessungswasserstände angegeben. Bild 3zeigt den Baufortschritt im Stadtgebiet von Erlangen.

2.2 Ingenieurgeologische Randbedingungen

Zur Beurteilung der ingenieurgeologischen Situationwurde neben der ausgeführten Erkundung (einschließlichder 1. und 2. EKP) die Geologische Karte [1] und weitereArchivunterlagen herangezogen. Die geologische Kartezeigt im gesamten Projektgebiet an der Geländeoberflä-che i. d .R. bis mindestens 2 bis 4 m Tiefe anstehende Lo-ckergesteine des Quartärs, die von Schichten des Keupers(Burgsandstein und Feuerletten) unterlagert werden. Imweiteren Streckenverlauf werden die Lockergesteine desQuartärs abschnittsweise auch von Schichten des Rhäto-lias unterlagert. Maßgeblich für die geotechnische, d.h.bautechnisch relevante Interpretation flacher Geländebe-reiche sind die nah an der Geländeoberfläche anstehen-den quartären Lockergesteinssedimente des Holozän undPleistozän.

Die quartären Ablagerungen aus dem Pleistozän werdennach der ausgeführten Erkundung von Terrassensandenund –kiesen unterschiedlicher Mächtigkeit gebildet. Über-lagert werden sie von den Auelehmen. Auch hier wurdenwechselnde Mächtigkeiten erkundet. Abschnittsweisefehlen die Auelehme vollständig. In Bereichen von Tal-querungen und bei Durchquerungen von Siedlungsgebie-ten bzw. bei Kreuzungen von Verkehrswegen sind zumTeil Überdeckungen des gewachsenen Bodens mit künst-lichen Auffüllungen unterschiedlicher Zusammensetzungvorhanden. Bereichsweise wurde eine sehr hohe Felslageder anstehenden Sandsteine des Keupers (ca. 1 bis 2 munter GOK) erkundet. Bild 4 zeigt den schematischenBaugrundaufbau bei km 45,30.

Bild 2 Streckenabschnitt Nürnberg – Fürth parallel zur BAB A 73 – bereitsfertig gestelltRailway section Nürnberg – Fürth adjacent to BAB A 73 – section already completed (DB AG)

(DB

AG)

Bild 3 Mehrgleisiger Streckenausbau im Stadtgebiet Erlangen – derzeit inder Ausführung (Bildvordergrund)Construction of multi-track railway section within the city of Erlan-gen (foreground of the picture) (DB AG)

(DB

AG)

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Die zugrunde liegenden fluviatilen Ablagerungsbedingun-gen ergeben räumlich stark schwankende Verhältnisse inBezug auf die Kornverteilung und die Lagerungsdichtenbzw. Konsistenzen. So waren die Übergänge zwischenAuelehmen und Terrassensanden bzw. -kiesen an vielenStellen fließend, zum Teil waren einzelne quartäreSchichten vollständig ausgeräumt. Grundsätzlich sind diegeotechnischen Randbedingungen global gesehen aberüber den gesamten Streckenabschnitt als homogen zu be-zeichnen, da überall die quartären Böden über den unter-lagernden Keuperfestgesteinen anstehen. Die Mächtigkeitder vorhandenen Hauptschichtpakete schwankt, der ge-nerelle Aufbau des Baugrunds ist aber unter Berücksichti-gung der vorerwähnten Ablagerungsbedingungen überden gesamten Streckenabschnitt relativ einheitlich.

Charakteristisch für die gesamte Strecke ist auch der ver-gleichsweise hohe Grundwasserstand, der durch die topo-graphischen Randbedingungen (die Strecke liegt auf gro-ßen Teilabschnitten in der Aue des Mains und dessen Ne-benflüssen) überwiegend nur wenige Dezimeter unter derGeländeoberfläche liegt. Im Haupterkundungszeitraumwährend des Frühjahrs 2011 stand, bedingt durch dasHochwasser des Mains, das Wasser auch über Geländean. Die Wasserstände im Main haben entsprechende Aus-wirkungen auf die Grundwasserstände großer Bereicheim Projektgebiet.

Die Schichtmächtigkeiten der Überlagerung und damitdie Tiefenlage der Keupergesteine variieren aufgrund derfluviatilen Überprägung stark. Teilweise dominieren hoheFelslagen des Coburger Sandsteins (Los 2) und des Unte-ren Burgsandsteins. Das Quartär ist hier stellenweise nur1 bis 2 m mächtig. Lokal stellt sich die Keuperoberflächeals fluviatil geprägte Erosionsoberfläche dar mit derFolge, dass der Untere Burgsandstein bzw. die Feuerlet-ten teilweise über 17 m tief ausgeräumt wurde – mit ent-sprechenden Quartärmächtigkeiten. Im Stadtgebiet vonErlangen wird ein aus Sandsteinen des Mittleren Burg-sandsteins aus dem Gelände herausragender Höhenzug(Burgberg nördlich von Erlangen) geschlossen durchfah-ren. Im weiteren Verlauf liegt die Trasse auf einer Vereb-nungsfläche des Unteren Burgsandsteins mit geringeroder auch fehlender Quartärsedimentüberlagerung. Inden flachen Senkenlagen sind geringmächtige organischeBöden (ehemalige anmoorige Flächen) vorhanden. Immittleren Projektabschnitt werden die quartären Ablage-rungen von hohen Felslagen der Feuerletten und desOberen Burgsandsteins unterlagert.

3 Herausforderungen bei der geotechnischenBegutachtung

Das Verkehrsprojekt bietet u.a. aufgrund der Streckenlän-ge und der damit verbundenen Durchfahrung verschiede-ner Homogenbereiche, der Lage im Überschwemmungs-bereich bzw. Auenbereich von diversen Fließgewässern,der über weite Strecken angrenzenden anthropogenenÜberprägung sowie der bereits bestehenden Strecke undder bestehenden Ingenieurbauwerke umfangreiche geo-technisch interessante Fragestellungen. Beispielhaft zeigtBild 5 die Siebenbogenbrücke in Fürth als ein zu erwei-terndes, anspruchsvolles Bauwerk im Zuge der Strecken-führung.

Folgende Hauptschwerpunkte haben sich neben der vordem Hintergrund des Erkundungsumfangs sehr engenZeitschiene (parallele geotechnische Bearbeitung undPlanung) und der zu Beginn der Erkundung aufgrund dervorangegangenen „Projektpause“ relativ lückenhaft zurVerfügung stehenden Planunterlagen im Zuge der Bear-beitung ergeben:

1. Hohe geländenahe Grundwasserstände und derenAuswirkung auf die Trassierung/Gradiente – Festle-gung des Bau- und Bemessungswasserstandes auf-grund der vorliegenden geringen Messdaten.

2. Umgang mit den häufig in Beschaffenheit und Korn-verteilung wechselnden quartären, fluviatilen Böden,hier insbesondere die enggestuften Sande und dieleicht bis ausgeprägt plastischen bindigen Böden.

3. Streckenverlauf im Randbereich von offenen und inBetrieb befindlichen Tagebauen.

4. Überfahrung von stillgelegten Mülldeponien undbrachliegenden Altlasten (Fragestellung der Ertüchti-gung) sowie Flächenbombardements aus dem 2. Welt-krieg.

Bild 4 Typisierter Geotechnischer Schnitt, km 45,30Characteristic subsurface soil conditions, km 45,.30 (Dr. Spang GmbH)

(Que

lle: D

r. Sp

ang

GmbH

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5. Erweiterung und/oder Neubau der bestehenden Bau-werke mit entsprechender Beeinflussung des Bestands(Strecke und Bauwerke) und Einbeziehung vorhande-ner Gründungen.

6. Abschnittsweise anstehende quell- und schrumpffähi-ge Feuerletten/Tone.

7. Durchfahrung von Wasserschutzgebieten und ausge-wiesenen Überschwemmungsgebieten des Mains undseiner Nebenflüsse.

8. Streckenverlauf im Randbereich eines als Rutschhangcharakterisierten Geländerückens mit Anschnitt desBöschungskörpers am Fuß der Böschung.

Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer geotechnischerFragestellungen. Eine Diskussion aller Schwerpunktewürde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, sodass imRahmen dieses Beitrags der Schwerpunkt auf die Festle-gung der Bau- und Bemessungswasserstände gelegt wird.Bild 6 zeigt eine anspruchsvolle Kreuzungssituation, beider sich die BAB A 73, die Staatsstraße St 2197 und dieStrecke Nürnberg – Bamberg nördlich von Breitengüß-bach tangieren bzw. kreuzen.

4 Festlegung des Bau- undBemessungswasserstandes

4.1 Definitionen

Als Bauwasserstand wird nach den gültigen Regeln derTechnik (DIN 1054/EC 7) ein Grundwasserstand defi-niert, der unter Berücksichtigung der Bauzeit währenddes Baus der Bauwerke bzw. der Strecke eintreten kann.Er ist für die Bemessung von Baubehelfen wie Baustra-ßen, Verbau sowie für die Dimensionierung von erforder-lichen Wasserhaltungen und Sickeranlagen zu verwen-den.

Der Bemessungswasserstand wird nach den gültigen Re-geln der Technik (DIN 1054/EC 7) als höchster maßge-

bender Grundwasserstand für die Bemessung von Bau-werken (z. B. für Auftriebssicherheit, Abdichtung, stati-sche Bemessungen) definiert. Es handelt sich um einenwährend der Nutzungs- bzw. Lebensdauer zu erwarten-den höchsten Grundwasserstand und wird entsprechendRil 836.1001 (Richtlinie der DB Netz AG – Erdbauwerkeund sonstige Bauwerke planen, bauen und instandhalten)in Anlehnung an das HGW100 eingeordnet.

Der für die Versickerungsanlagen maßgebende Wasser-stand wird im ATV-DVWK-A 138 Merkblatt (Merkblattder Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwas-ser und Abfall e.V.) als mittlerer höchster Grundwasser-stand definiert.

4.2 Allgemeine Randbedingungen und Fragestellungen

Eine der anspruchsvollsten und meistdiskutierten geo-technischen Fragestellungen während der Projektbearbei-tung war die Festlegung des Bau- und Bemessungswasser-standes für den Streckenbau und die Ingenieurbauwerkeauf Grundlage der bis dato vorliegenden Datenbasis fürden gesamten Streckenverlauf. Die Festlegung des Bau-und Bemessungswasserstandes stellt eine der wichtigstenPlanungsrandbedingungen in Bezug auf die Trassierungbzw. Gradiente der Strecke (z.B. Anforderung AbstandSchienenoberkante zur Grundwasseroberfläche, vgl. Ril836 [2]) dar. Weiterhin ergeben sich weitreichende Kon -sequenzen für die Bauausführung im Erdbau, die bau -zeitliche Entwässerung sowie insbesondere auch für dieIngenieurbauwerke im Hinblick auf die Erfordernis eineroffenen bzw. geschlossenen Wasserhaltung. Für den End-zustand ist die Fragestellung der Abdichtung und Dränie-rung der Bauwerke neben den Auftriebsnachweisen ent-scheidend.

Während der 1. EKP wurden keine Bau- und Bemes-sungswasserstände festgelegt, da für eine belastbare Fest-

Bild 5 Siebenbogenbrücke – Eisenbahnbrücke in Fürth zur Überführungder Streckengleise über die RednitzSiebenbogenbrücke – railway bridge crossing the river Rednitz inthe city of Fürth (DB AG)

(DB

AG)

Bild 6 Anspruchsvolle Kreuzungssituation von BAB A73, St 2197 und Bahn-strecke Nürnberg – Ebensfeld nördlich von Breitengüßbach – vorUmbau/ErweiterungChallenging  crossway construction of BAB A73, St 2197 and railwayNürnberg – Ebensfeld in the northern of Breitengüßach prior to thereconstruction (Dr. Spang GmbH)

(Dr.

Span

g Gm

bH)

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legung der Beobachtungszeitraum zu kurz war. Es wur-den daher nur Mittelwasserstände angegeben, die aus denvorhandenen Kenntnissen (zum Teil nur Stichtagsmes-sungen) zwischen den Messstellen bzw. anderweitig do-kumentierten Grundwasserständen interpoliert wurden.Die in der 1. EKP erkundeten Wasserstände wiesenzudem wegen einer niederschlagsarmen Erkundungszeitzwischen 1993 und 1996 eine hohe Differenz zu den er-kundeten Wasserständen der 3. EKP im Herbst 2010 undFrühjahr 2011 auf. Bild 7 zeigt die Auswirkungen desHochwassers an der Strecke im Januar 2011.

Es wurden für den Auftraggeber zunächst wenig reprä-sentative Grundwasserstände angeschnitten, die zueinem Ansatz des Bau- und Bemessungswasserstandesführten, der deutlich über dem in der 1. und 2. EKP fest-gelegten Mittelwasserstand lag. Vor dem Hintergrundder Festlegungen in der Ril 836 (1,5 m Abstand Schie -nenoberkante SO zum HQ100/Bemessungswasserstand)wäre unmittelbar eine Gradienten- und Planungsanpas-sung erforderlich gewesen. Die Planfeststellung erfolgteauf Grundlage des erkundeten Grundwasserstandes ausder 1. EKP.

Im Zusammenhang mit den Bau- und Bemessungswasser-ständen waren neben der Diskussion zur Festlegung derGradiente und den Auftriebsnachweisen außerdem Dis-kussionen zu den geplanten Versickerungsanlagen wieBahnseitengräben und Versickerbecken zu führen, da dernach ATV-DVWK –A 138 genannte Sickerraum von min-destens 1 m, bezogen auf den mittleren höchsten Grund-wasserstand, mit dem Ansatz des Bemessungswasser-stands nicht einzuhalten war. Eine Alternative zur Versi-ckerung wäre die Fassung und Ableitung des anfallendenNiederschlagswassers in den nächstmöglichen Vorflutergewesen, der aber bei entsprechendem Hochwasseranfallggf. ebenfalls zum Zeitpunkt hoher Grundwasserständekeine Kapazität zur Aufnahme entsprechender Wasser-mengen aufweist.

4.3 Hydrogeologische Verhältnisse imBearbeitungsgebiet

Den obersten Grundwasserleiter stellen die bis zu 20 mmächtigen quartären Lockersedimente der Regnitzterras-se (Terrassensande und -kiese) dar. Im unterlagerndenSandsteinkeuper ist ein unteres Grundwasserstockwerkausgebildet. Der Burgsandstein ist gegenüber den quartä-ren Sanden geringer durchlässig, er ist aber als Kluft-grundwasserleiter an den Aquifer im Quartär angebun-den. Das Grundwasser ist teilweise ungespannt, häufigaber auch wegen bindiger Deckschichten (Auelehme undbindige Verwitterungsschichten) bzw. bindiger Zwischen-lagen innerhalb des Aquifers gespannt. Die großräumigeFließrichtung des Grundwassers verläuft quer zur Bahn-trasse von Osten nach Westen auf die als Hauptvorfluterwirkende Regnitz und den Main. Lokale Abweichungenan den der Regnitz und dem Main zufließenden Nebenge-wässern sind vorhanden.

Neben den Grundwasserverhältnissen, die zur Festlegungder Bau- und Bemessungswasserstände über die Grund-wassermessungen erfasst und abgebildet werden, sindzudem die Hochwasserüberschwemmungsbereiche derOberflächengewässer mit den entsprechenden Abflüssenund den daraus abgeleiteten HQ100-Daten mindestens beider Festlegung der Bemessungswasserstände zu berück-sichtigen. Dazu wurden Daten aus einem bereits vorlie-genden Hochwasserschutzkonzept verwendet [8].

4.4 Datengrundlagen

Im Zuge der 1. EKP wurden entlang der Strecke Grund-wassermessstellen eingerichtet, die grundsätzlich seit die-sem Zeitpunkt jährlich gemessen wurden. Wenige dieserGrundwassermessstellen wurden mit Datenloggern aus-gerüstet, sodass vereinzelt zumindest für mehrere Jahreganzjährige Datenreihen vorlagen. Aufgrund der redu-zierten Planungstätigkeit und der zwischenzeitlichen Pro-jektpause wiesen diese auch Lücken auf, in denen nurjährliche Messungen ausgeführt wurden. Die Abständeder Grundwassermessstellen der 1. und 2. EKP lagen inStreckenlängsrichtung zwischen ca. 500 und 2.500 m.

Der Messzeitraum betrug für den überwiegenden Teil dermit Datenloggern ausgestatteten Grundwassermessstellenzwischen ein und zwei Jahre von 1993 bis 1995. Zwi-schen 1995 und 2011 wurden in den meisten Grundwas-sermessstellen nur jährliche Messungen durchgeführt miteiner Messung pro Jahr. Für einige wenige Messstellen lie-gen jedoch kontinuierliche Messdaten aus Datenloggernüber einen Zeitraum von bis zu acht Jahren vor. DieHochwasserereignisse der Jahre 2003, 2007 und 2010, dieihre Ursache in den jeweils niederschlagsreichen Jahrenhatten, konnten in den jährlich gemessenen Grundwas-sermessstellen nicht erfasst werden. Es fehlten daher u.a.in diesem Zeitraum aufgetretene mögliche Extremwasser-stände, die insbesondere bei der Festlegung des Bemes-sungswasserstandes wichtig sind. Die vorliegenden Daten

Bild 7 Hochwasser an der Strecke Nürnberg – Ebensfeld im Januar 2011Flood water event close to the railway Nürnberg – Ebensfeld in January 2011 (Dr. Spang GmbH)

(Dr.

Span

g Gm

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sind daher nur unter Kenntnis des Messzeitraums ver-wendbar, die Ergebnisse jeglicher Ableitungen daraus(z.B. Interpolation, Prognoseberechnung) müssen in derQualität der Aussage daher entsprechend bewertet wer-den.

Die Grundwassermessstellen der Nacherkundung der 3.EKP (2012) wurden während und nach Ende der Bohrar-beiten mit dem Lichtlot gemessen, sodass noch keinekontinuierlichen Datenreihen für die Festlegung derGrundwasserstände auf Grundlage der neuen Messstel-len vorlagen. Ein Grundwassermonitoring mit der Aus-rüstung der „neuen“ Grundwassermessstellen mit Daten-loggern und die Wiederaufnahme der Messungen in den„alten“ Messstellen wurde durch den Auftraggeber imVerlauf der Gutachtenerstellung im Jahr 2011/ 2012 indie Wege geleitet und konnte daher bei der Festlegungder Bau- und Bemessungswasserstände nur teilweise be-rücksichtigt werden.

4.5 Besondere Anforderungen bei der Festlegung derBau- und Bemessungswasserstände imvorliegenden Fall

Auf Grundlage der verfügbaren Datendichte, der sehrunterschiedlichen Datenqualität, der bestehenden Ab-hängigkeit zu den Festlegungen der vorangegangenen Er-kundungsphasen sowie der bereits in den meisten Pla-nungsabschnitten vorhandenen Planfeststellung war dieFestlegung des Bau- und des Bemessungswasserstandesanspruchsvoll. Ursache für die zum Teil kontroversefachliche Auseinandersetzung war zum einen die ausheutiger Sicht unzureichende ausschließliche Festlegungeines Mittelwasserstands in der 1. und 2. EKP und ebenkeines Bau- und Bemessungswasserstands und zum an-deren sicher der Umstand, dass in der 1. und 2. EKPzudem eher niedrige Wasserstände angetroffen wurden,in der 3. EKP aber hingegen vergleichsweise hohe Was-serstände.

Im Zuge der Projektbearbeitung wurde daher vom Auf-traggeber ein Fachgutachter eingeschaltet, der eine Prog-noseberechnung für die Grundwasserstände bei Hoch-wasserverhältnissen für ausgesuchte Lose erstellte unddaraus u.a. ein zehnjähriges (Bauwasserstand) und hun-dertjähriges Hochwasser (Bemessungswasserstand) aufGrundlage der vorliegenden Datenbasis ermittelte (vgl.Kapitel 4.6).

Vorausgegangen war bereits eine Planungsstudie, wie diehohen Grundwasserstände bautechnisch/konstruktiv imHinblick auf den nach Ril 836 erforderlichen Abstandvon 1,5 m zur Schienenoberkante SO entsprechend berücksichtigt werden können. In den südlichen undmittleren Teilabschnitten wurden die dabei erarbeitetenLösungen aufgrund von Kosten und anderen projektspe-zifischen Randbedingungen verworfen, sodass die Fest -legung der Bau- und Bemessungswasserstände nach Vor-liegen der Ergebnisse der Prognoseberechnung erneut dis-

kutiert und abschließend festgelegt werden sollten (vgl.Kapitel 4.7).

Im nördlichen Abschnitt der Strecke wurde die Fragestel-lung mit einer unternehmensinternen Genehmigung(UiG der DB Netz AG) und dem darin enthaltenen be-sonderen Aufbau des Gleisunterbaus (bindemittelstabili-sierte Tragschicht) auf einem anderen Weg gelöst, um dieAuflagen des gültigen Planfeststellungsbeschlusses sowiebetrieblicher Randbedingungen zu erfüllen. Auf diese Lö-sung kann im Rahmen dieses Beitrages nicht weiter ein-gegangen werden.

4.6 Prognoseberechnung

Bisher wurde eine Prognoseberechnung von möglichemHochwasser auf rein statistischer Basis durchgeführt. Fürdie Ermittlung eines Prognosewasserstandes können entsprechend erst dann belastbare Ergebnisse ermitteltwerden, wenn die Länge des vorhandenen Beobach-tungsintervalls mindestens dem Verhältnis von 1:3 derJährlichkeit des Prognosewasserstandes entspricht. Dasheißt, mit einer 10-jährigen Messreihe kann eine 30- jährige Hochwasserwahrscheinlichkeit mit einer statis-tisch ausreichenden Genauigkeit ermittelt werden bzw.für die Prognose eines Hundertjährigen HochwassersHGW100 benötigt man eine wenigstens 33-jährige Mess-reihe.

Für das HGW100 konnte deswegen im gegenständlichenProjekt nur ein nicht gesicherter Schätzwert ermitteltwerden, da die Messreihe maximal 19 Jahre beträgt undzudem bei vielen Messstellen „Lücken“ mit nur jährli-chen Stützstellen vorlagen. Im untersuchten Streckenver-lauf lag der maximal verfügbare „kontinuierliche“ Beob-achtungszeitraum nur bei acht Jahren und konnte erstunter Hinzunahme und unter Berücksichtigung angren-zender Langzeitmessstellen der Wasserwirtschaft auf denerforderlichen Beobachtungszeitraum ausgedehnt wer-den.

Nach [3] wird mit einer Extremwertprognose die diskreteHäufigkeitsdichte bzw. eine Unterschreitungsdauerlinieeiner Stichprobe durch eine kontinuierliche Dichtefunkti-on bzw. Verteilungsfunktion beschrieben. Damit wird dieEintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses ermittelt.Hierfür ist die Ermittlung statistischer Parameter erfor-derlich. Dazu zählen der Mittelwert xm, die Standardab-weichung sx sowie ein Schiefekoeffizient cs. Diese Para-meter fließen in die Berechnung der Eintrittswahrschein-lichkeit P ein, die sich aus

P = 1/Tn

berechnet. Tn ist dabei das vorgegebene Widerkehrinter-vall. Nach Ermittlung des Häufigkeitsfaktors k mit derGleichung

k = (x – xM)/sx

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mitx = gemessene außergewöhnliche Wasserstände, entnom-

men aus der Ganglinie zur Ermittlung der tatsächli-chen Häufigkeit

kann die allgemeine Frequenzformel oder hydrologischeGrundgleichung nach Schröder et al. [3] berechnet wer-den:

x Tn = xm + k(Tn) sx

mitTn = vorgegebener Wiederkehrintervall;xm = Mittelwert;k = Häufigkeitsfaktor;sx = Standardabweichung als Schwankungsbreite.

Nach [4] kann der Häufigkeitsfaktor kT auch mit einerNäherungsformel nach Gumbel [3] berechnet werden:

kT = -0,45 – 0,78 x ln ln (T/(T – 1)),

wobei T das Widerkehrintervall ist.

Für die eigentliche Berechnung der Jährlichkeiten vonHochwasserereignissen werden Rechenprogramme einge-setzt. In einem nächsten Berechnungsschritt werden dieGanglinien der kontinuierlich gemessenen Messstellen ineiner Korrelationsanalyse mit den Ganglinien bzw. Mess-punkten der stichpunktartig gemessenen Messstellen er-mittelt.

Mit den vorstehend beschriebenen Hilfsmitteln wurdenvom eingesetzten Fachgutachter an den Stützstellen/Grundwassermessstellen das HW10 und das HW100 rech-nerisch abgeschätzt bzw. prognostiziert.

Nach dem inzwischen gültigen Merkblatt DWA – M 552(08/2012) wird eine rein statistische Prognose der zu er-wartenden Hochwasserspitzen aufgrund von Erfahrungs-berichten aus der Praxis als zu fehleranfällig eingeschätzt.Es wird eine zeitliche, kausale und räumliche Informati-onserweiterung für die Extremwertermittlung von Hoch-wasserereignissen empfohlen, um das statistische Verfah-ren der Prognoseberechnung zu ergänzen. Dies erfordertlängere Beobachtungszeiträume und eine noch größereDatenmenge, minimiert aber auch die Fehleranfälligkeiteiner Hochwasserprognose. Obwohl die Berechnung aufGrundlage des „alten“ Merkblatts erfolgte, dass zum Zeit-punkt der Berechnung alleinig gültig war, wurden die „be-wertenden Verfahren“ im vorliegenden Fall bereits in Zu-sammenarbeit aller fachlich Beteiligten durchgeführt undalle verfügbaren und recherchierten „Randinformatio-nen“ mitverwendet.

4.7 Festlegung des Bau- und Bemessungswasserstandes

Die Festlegung der Bau- und Bemessungswasserstände er-folgt durch die Dr. Spang GmbH zunächst in „konventio-

neller“ Art und Weise – es wurde eine lineare Interpolati-on zwischen den Messstellen unter Berücksichtigung derTopographie und den jahreszeitlichen Schwankungendurchgeführt. Dies wurde zum einen für Mittelwasser-stände zzgl. eines Zuschlags für die nicht ausreichendenDatenreihen und zum anderen für den jeweiligen Bemes-sungswasserstand aufgrund der höchsten bis dato gemes-senen Wasserstände – ebenfalls bezuschlagt – durchge-führt. Der Zuschlag wurde vor dem Hintergrund der überden gesamten Streckenabschnitt bekannten Schwan-kungsbreiten zwischen niedrigstem und höchstemGrundwasserstand sinnvoll gewählt.

Festlegungen anhand des Zuschlages über die halbeSchwankungsbreite erschienen aus gutachterlicher Sichtüberzogen, daher wurde im Regelfall ein Zuschlag von0,5 bis 1,0 m auf die Mittelwasserstände vorgenommen,um den Bemessungswasserstand festzulegen. Im Fallevon bekannten Überschwemmungsgebieten (z.B. Talaueder Schwabach) wurde das Hundertjährige HochwasserHW100 bzw. der hundertjährige Abfluss HQ100 Wert (ent-spricht in diesem Fall in etwa der Geländeoberflächebzw. geringfügig darüber) angesetzt bzw. bei der Festle-gung berücksichtigt. Bei der Festlegung der bautechnischrelevanten Wasserstände wurden die Festlegungen undRegelungen des Normenhandbuchs DIN 1054/EC7sowie die Angaben der DIN 4020:2003-09 berücksichtigt.

Die Stichtagsmessungen aus nicht zu Grundwassermess-stellen ausgebauten Kernbohrungen wurden unter Ein-ordnung des Messtages in die jahreszeitliche Schwan-kung zum Messzeitpunkt ebenfalls für die Interpolationverwendet. Die Bohrwasserstände aus den Bohrsondie-rungen wurden aufgrund der in der Regel schlechten Da-tenqualität (z.B. zufallendes Bohrloch, Störung beimRamm-/Bohrvorgang) nur untergeordnet verwendet.

Aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf die bereitsvorliegende Planung durch die mit dem vorstehendenVerfahren festgelegten Bau- und Bemessungswasserstän-de (GW-Oberflächen lagen deutlich höher als für Bauzeitund Endzustand zu diesem Zeitpunkt in der Planung be-rücksichtigt), wurde zusätzlich die bereits erwähnte Prog-noseberechnung mit dem Ziel ausgeführt, das Niveau derbeiden bautechnisch relevanten Wasserstände bzw. derbautechnisch relevanten Grundwasseroberflächen abzu-senken bzw. zu präzisieren. Im Ergebnis wurden die„konventionell“ festgelegten Bau- und Bemessungswas-serstände den in den Prognoseberechnungen nach [6] er-mittelten HGW10 und HGW100 an den vorhandenenStützstellen gegenübergestellt. Die Prognoseberechnungwurde vom Ingenieurbüro Aquasoil GmbH Westheim [6]durchgeführt, um die bereits durch die Dr. Spang GmbH„gewichtet“ festgelegten und interpolierten Bau- und Be-messungswasserstände zu verifizieren.

Im Zuge der Bearbeitung wurden entsprechende Verglei-che zwischen den festgelegten Bau- und Bemessungswas-serständen auf Grundlage der langjährig gemessenenMessstellen der 1. und 2. EKP und den prognostizierten

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HGW10- und HGW100-Werten durchgeführt. Mit HGW10

ist das höchste mögliche Grundwasser in 10 Jahren bzw.mit dem HGW100 ist das höchste mögliche Grundwasserin 100 Jahren bezeichnet [6]. Desweiteren wurde der inte-grierte Mittelwert MW des Grundwassers entsprechendden vorliegenden Ergebnissen des Grundwassermonito-rings im Vergleich mit den interpolierten Werten berück-sichtigt.

Die festgelegten Bau- und Bemessungswasserstände sindden Ergebnissen der Prognoseberechnung beispielhaft ge-genübergestellt worden. Der „interpolierte“ Bauwasser-stand wurde mit dem Prognosewert HW10 bzw. demarithmetischen Mittelwert (Mittelwasser) aus den phy-sisch vorliegenden Daten verglichen. Beim „interpolier-ten“ Bemessungswasserstand erfolgte in Anlehnung andie Festlegungen der Ril 836 der Vergleich mit dem prog-nostizierten HW100. Abweichungen zwischen Prognose-berechnung und Interpolation beim Bauwasserstandwaren nur in geringem Umfang, welcher im Rahmen derGenauigkeit der Prognoseberechnung lag, vorhanden. ImErgebnis der Gegenüberstellung ist folgendes festzustel-len:

– Die von der Dr. Spang GmbH auf „konventionelle“Art und Weise mit gutachterlich bewerteter Interpola-tion (Einbeziehung sämtlicher vorliegender Informa-tionen) festgelegten Bauwasserstände liegen im Be-reich von Mittelwasserständen bis hohen Mittelwas-serständen.

– Die auf diese Art und Weise ermittelten Bemessungs-wasserstände sind im Vergleich zu den prognostizier-ten HGW100 – Werten nicht zu hoch bzw. liegen beieinigen Messstellen im Bereich des angegebenenStreubereiches auf der sicheren Seite.

– Die in der 3. EKP festgelegten Bau- und Bemessungs-wasserstände liegen im Rahmen der möglichenSchwankungsbreite des Grundwassers und weisennur relativ geringe Abweichungen gegenüber der Prog-noseberechnung auf. Die Abweichungen liegen grö-ßenteils im Rahmen der Genauigkeit der Prognosebe-rechnung.

– Die gewünschte Absenkung der Höhenlage derGrundwasseroberflächen der Bau- und Bemessungs-wasserstände konnte durch die Prognoseberechnungnicht erzielt werden.

Im abgestimmten und von allen Beteiligten mitgetrage-nen Ergebnis wurden die interpolierten Werte für Bau-und Bemessungswasserstände in den Bereichen noch-mals abschließend angepasst, in denen eine Abweichung> 0,50 m zwischen Interpolation und Prognoseberech-nung vorhanden war. Zusätzlich wurden zur Verifizie-rung der Festlegungen gezielt noch einige Messstellen zu-sätzlich hergestellt. Damit konnte abschließend von allenBeteiligten die Festlegung der Bau- und Bemessungswas-serstände bestätigt werden.

Neben der abschließenden Festlegung der Bau- und Be-messungswasserstände wurde auch die Fragestellung des

für die Entwässerung und Versickerung anzusetzendenGrundwasserstands auf Grundlage der guten Überein-stimmung zwischen Prognoseberechnung und der kon-ventionellen „gutachterlich bewerteten“ Interpolation imHinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Anlagen und denbereits fortgeschrittenen Planungsstand bearbeitet. Fürden im ATV-DVWK-A 138 Merkblatt definierten „mittle-ren höchsten Grundwasserstand wurde zwischen Bau-grundgutachter, Fachgutacher und Auftraggeber gemein-sam festgelegt, dass der Ansatz des Bauwasserstandes fürdie Projektrandbedingungen angemessen ist.

Dies hat zur Folge, dass die Entwässerungsanlagen undVersickerungsanlagen in Hochwasserphasen zeitweiseunter Wasser stehen können. Zum einen sind diese Pha-sen aber zeitlich stark begrenzt mit maximal einigen we-nigen Tagen/Jahr und zum anderen wurde dies grund-sätzlich als unschädlich im Hinblick auf die Tragfähigkeitund Gebrauchstauglichkeit des Fahrweges erachtet. Hin-tergrund für diese Einschätzung war die Kenntnis, dassder Unterbau für die Neubaugleise und die Ertüchtigungder Bestandsgleise überwiegend durch einen Bodenaus-tausch mit Neuaufbau durch frostsichere, erosionsstabile,rollige bzw. gemischtkörnige Böden geplant ist. Die Alter-native für die Fassung und Ableitung der anfallendenWässer bei Verwendung des Bemessungswasserstandsnach ATV-DVWK-A 138 („mittlerer höchster Grundwas-serstand“) hätte zu einem enormen finanziellen Mehrauf-wand geführt.

5 Zusammenfassung und Erkenntnisse

Insbesondere Infrastrukturprojekte mit einer großenLängserstreckung erfordern einen umfassenden, weit vo-rausschauenden, tiefgründigen fachübergreifenden Rund-umblick, um alle Fragestellungen und Anforderungen andie Bauaufgabe optimal lösen zu können. Alle beteiligtenPlaner, Gutachter und kaufmännischen Fachleute sindangehalten, miteinander für eine nachhaltige Abwicklungeines solchen Großprojektes zu handeln. Dies gilt beson-ders auch für die Berücksichtigung der Grundwasserver-hältnisse, die als eine der ersten Fragestellungen bei derPlanung von großen Infrastrukturprojekten thematisiertwerden muss. Eine möglichst frühzeitige Erstellung vonMessstellen in ausreichendem Umfang und vor allem diedaran anschließende kontinuierliche Messung derGrundwasserstände ist eine essentielle Voraussetzung füreine wirtschaftliche und sichere Dimensionierung derVerkehrsanlage und der Ingenieurbauwerke für Bau- undEndzustand. Gleiches gilt auch für die bauzeitliche Be-handlung des Grundwassers.

Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang die Aufnahmeentsprechender Festlegungen, z.B. zum Abstand derMessstellen analog zu den überall geregelten Erkun-dungsabständen und mindestens erforderlichen Messin-tervallen und Messzeiträumen zur sicheren Abschätzungder Bau- und Bemessungswasserstände. EntsprechendeFestlegungen sind derzeit in keinen verfügbaren Regel-

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werken in konkreter Form enthalten. Eine „normative“Festlegung würde viele Probleme und unnötige Kostenbei derartigen Projekten in Zukunft vermeiden. Für denBereich der Deutschen Bahn würde eine entsprechendeBerücksichtigung im Regelwerk der DB AG schon ausrei-chen. Neben dem wirtschaftlichen Aspekt zeigt die eigenelangjährige Erfahrung z.B. im Bereich der Bauwerkssa-nierung, dass zu über 80 % die Fehleinschätzung derGrundwasserverhältnisse bzw. die Auswirkungen desWassers zumindest einen großen Anteil, wenn nicht gardie Hauptursache für Langzeitschäden ist. Eine genaueKenntnis ist daher zur Gewährleistung der gewünschtenBauwerkslebensdauer keineswegs von „akademischem“Interesse des geotechnischen Gutachters, sondern auchim Interesse des Planers und des Bauherrn erforderlich.Entsprechende Kosten für ein kontinuierliches GW-Mo-nitoring und die Erstellung von Messtellen sind für denProjekterfolg gut angelegte Mittel.

Die Planung muss aufgrund der häufig zu den verschiede-nen Planungsphasen noch nicht ausreichenden Beobach-tungszeiträume eine Fortschreibung der Bau- und Bemes-sungswasserstände zulassen, ohne dass dabei die gesamtePlanung erneuert werden muss, weil im Extremfall dievorgesehene technische Lösung nicht mehr ausführbaroder unwirtschaftlich geworden ist. Dazu ist eine „pla-nungsphasenorientierte“ Reduzierung der Aufschläge aufdie gemessenen Grundwasserstände und den daraus ab-geleiteten Bau- und Bemessungswasserständen ein proba-tes Mittel. Es kann beispielsweise im Zuge der Vorpla-nung zunächst ein hoher bei der Planung zu berücksichti-gender Bau- und Bemessungswasserstand festgelegtwerden, der dann für die Entwurfsplanung, Planfeststel-lung und insbesondere für die Ausführungsplanung auf-grund der bis dahin erweiterten Beobachtungszeiträumeund der damit vorhandenen besseren Kenntnis derSchwankungsbreite und Jährlichkeiten schrittweise redu-ziert wird.

In Bezug auf das vorliegende Regelwerk sollte auch einePräzisierung des im ATV Merkblatt zitierten „mittlerenhöchsten Grundwasserstands“ als Voraussetzung für einefunktionsfähige Versickerungsanlage erfolgen. Das Merk-blatt wird in vielen anderen Regelwerken zitiert und zurAnwendung vorgeschrieben oder empfohlen. An keinerStelle erfolgt aber eine dieser exponierten Verwendungentsprechende Festlegung, z.B. einer Jährlichkeit, zurleichteren Ableitung des gesuchten bzw. zu verwenden-den Wasserstands. Hier wäre zumindest eine intensivereAuseinandersetzung mit dem gemeinten Grundwasserbe-reich hilfreich, wenn diese auch auf keinen Fall die gut-achterliche Einschätzung ersetzen kann und darf.

Eine Prognoseberechnung auf Grundlage unzureichenderDaten ermöglicht immer nur die Ermittlung von Schätz-werten für die zu prognostizierenden Höchstgrundwas-serstände eines Bearbeitungsgebietes. Diese kann, genauwie die konventionelle „Interpolation“, nur so gut sein

wie die vorhandene Datengrundlage. Daraus die notwen-digen belastbaren Bau- und Bemessungswasserstände ab-zuleiten, erfordert daher neben geotechnischem und geo-logischem Sachverstand auch umfangreiche Erfahrungenund Kenntnisse der regionalen hydrogeologischen undhydraulischen Gegebenheiten.

Die Einrichtung von Grundwassermessstellen im Bereichder geplanten Baumaßnahme mit Beginn der Baugrund-erkundungen gewährt den größten möglichen Messzeit-raum bis zur Planfeststellung bzw. bis zur Ausführung.Schon zu Beginn einer Baumaßnahme sollte das Thema„Festlegung von Bau- und Bemessungswasserständen“ausreichend gewürdigt werden. Wünschenswert wärenaußerdem für andere Projekte vergleichbarer Größe derErhalt und die Pflege dieser wertvollen Daten- und Infor-mationsquellen (Grundwassermessstellen) auch nach Ab-schluss der Baumaßnahme, wie sie bereits heute von eini-gen Kommunen, Städten und Ämtern durchgeführt wird.

Sicher ist hier in Abhängigkeit der angrenzenden Bau-werke und deren Erweiterungsbedarf zu prüfen, welcheMessstellen und welche Messintervalle zu wählen sind,um langjährige Messreihen zu erlangen und ihre Notwen-digkeit auch zu begründen. Datenlogger stellen eine jenach Messdauer kostengünstige Alternative zum händi-schen Ablesen der monatlichen Wasserstände dar undbieten zudem den Vorteil, dass wesentlich mehr kontinu-ierliche Informationen für den Einzugsbereich einerGrundwassermessstelle vorliegen und die Datenbasis be-lastbarer ist als lückenhafte Messreihen. Zusammenfas-send kann festgestellt werden, dass für das konkrete Pro-jekt ein kontinuierliches Messen in den vorhandenenGrundwassermessstellen vom ersten Tag der Baugrunder-kundung an eine belastbare Datenbasis über einen Mess-zeitraum von mindestens 20 Jahren liefern kann.

Außerdem ist ein Abwägen zwischen den Anforderungender Norm und den tatsächlichen Gegebenheiten (z.B.morphologische Lage der Strecke in unmittelbarer Nähezu einem Fließgewässer) in Abhängigkeit von den entste-henden Kosten bei Einhaltung von Forderungen des Re-gelwerkes erforderlich. Hierzu ist eine enge Zusammen-arbeit zwischen Planer und Baugrundgutachter sowiedem Bauherren erforderlich, um alle Anregungen, Proble-me, Interessen und Fragestellungen ausführlich in Über-einstimmung der Projektbeteiligten (auch Anrainer, Was-sernutzung etc.) befriedigen zu können.

Im vorliegenden Projekt VDE 8.1.1 hat eine zum Teilsehr wohl kontroverse, aber im Ziel befruchtende undkonstruktive Auseinandersetzung in Abstimmung zwi-schen DB PB GmbH, Planer, Fachgutachter und geotech-nischem Gutachter zu einer sicheren und wirtschaftli-chen Festlegung der Bau- und Bemessungswasserständegeführt. Für die hochwertige fachliche Auseinanderset-zung bedanken wir uns an dieser Stelle bei allen Beteilig-ten.

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Literatur

[1] Geologische Karte M 1 : 25.000; Geologisches LandesamtBayern, München.

[2] RIL 836, Richtlinie zum Bau von Erdbauwerken und sonsti-gen geotechnischen Bau werken, DB Netz AG, 1. Aktuali-sierung 01.10.2008.

[3] Hydroskript der TU Braunschweig: http://www.hydro-skript.de.

[4] DVWK-Regel zur Wasserwirtschaft Heft 101 (1979), Emp-fehlungen zur Berechnung der Hochwasserwahrscheinlich-keit, Kuratorium für Wasser und Kulturbauwesen e.V.(KWK) und Deutscher Verband für Wasserwirtschaft e.V.,DVWW.

[5] DWA – M 552 Ermittlung von Hochwasserwahrscheinlich-keiten; Merkblatt der Deutschen Vereinigung für Wasser-wirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.; 08/2012; Hennef.

[6] Prognoseberechnungen für Grundwasserstände bei Hoch-wasserverhältnissen der Jährlichkeiten HGW10 undHGW100 im oberen Grundwasserstockwerk; AQUASOILGmbH Westheim; 26.03.2012.

[7] Geotechnische Streckengutachten DB Strecken 5900, 5919,5100, 5102/3. EKP, ABS Nürnberg Ebensfeld, VDE 8.1.1,

Los 1 bis Los 5, Dr. Spang GmbH Nürnberg, 2012 und2013.

[8] Daten aus Hochwasserschutzkonzept – Wasserstände ent-lang der Bahnstrecke ab km 32,975; Aktennotiz – Nr.: 3010-1108-01 – itwh, 17.01.2012.

Die Bilder 1, 2, 3 und 5 wurden durch die freundliche Genehmi-gung der Deutschen Bahn AG – Kommunikation, Frank Knie-stedt, zur Verfügung gestellt.

AutorenIgnaz ReichlSenior Projekt Manager Turner & Townsendc/o DB ProjektBau GmbHÄußere Cramer-Klett-Straße 3, 90489 Nü[email protected]

Christian Spang, Dr.-Ing. René Schäfer, Ulrike MichelsDr. Spang GmbHWestfalenstraße 5 – 9, 58455 WittenErlenstegenstraße 72, 90491 Nü[email protected]/[email protected]

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