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Gerhard Giesbrecht, Markowka, Slawgoroder Mennonitensiedlung Prediger, Bibelschule Dawlekanowo Aus Mennonitisches Lexikon Paraguay Giesbrecht, Gerhard B. Gerhard B. Giesbrecht (1906 - 1977) wurde am 27. Januar 1906 in Steinfeld, Molotschna, geboren. Als er vier Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Sibirien und siedelten im Dorfe Markowka in der Gegend von Slawgorod an. Dort verlebte er seine Kindheit und Jugendzeit. Im Alter von 16 Jahren konnte er das Heil in Jesus Christus annehmen und Mitglied der MBG werden. Schon früh erging an ihn der Ruf in den Dienst der Wortverkündigung. Die Gemeinde bestätigte diesen Ruf und empfahl ihn zur Vorbereitung in der Bibelschule Dawlekanowa in der Orenburger Ansiedlung. Doch die Schule wurde schon nach einem Jahr von der Regierung geschlossen. Dieses eine Jahr Bibelschule ist ihm in seinem späteren Dienst eine große Hilfe gewesen. Am 7. April 1928 trat er mit Katharina Unrau in den Ehestand. Im Oktober 1929 begab sich die junge Familie mit einem kleinen Kind auf die Flucht. Am 28. Mai 1930 kam sie mit dem zweiten Transport in den paraguayischen Chaco und siedelte im Dorf Gnadenheim an. Von der Begabung her war Gerhard B. Giesbrecht Lehrer. Er unterrichtete gern und hat der Dorfgemeinschaft von Gnadenheim in den ersten sechs Ansiedlungsjahren als Lehrer und Prediger gedient. Diese Probejahre waren ihm später eine bedeutsame Hilfe. Im Jahre 1937 erging an ihn der Ruf in die Missionsarbeit unter den Lenguas (Enlhet). Er hatte diesen Ruf schon einmal erhalten, als er bei der Einwanderung in Puerto Casado zum ersten Mal Indianer sah. Die Missionsarbeit unter den Lenguas war in jeder Hinsicht Pionierarbeit. Seine natürliche Sprachbegabung und sein Organisationstalent halfen Giesbrecht beim Beginn dieser Arbeit. Das Erlernen der Lenguasprache und ihrer Schreibweise war eine große Herausforderung. Weit schwieriger schien es jedoch zu sein, das Seelenleben und die animistische Denkweise dieser Menschen zu ergründen. Konnte ein Europäer überhaupt begreifen, warum ein Lengua so handelte, wie er es tat? Erst nach zehn Jahren konnten die ersten sieben Gläubigen getauft werden.

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Gerhard Giesbrecht, Markowka, Slawgoroder Mennonitensiedlung

Prediger, Bibelschule Dawlekanowo

Aus Mennonitisches Lexikon Paraguay

Giesbrecht, Gerhard B.

Gerhard B. Giesbrecht (1906 - 1977) wurde am 27. Januar 1906 in Steinfeld, Molotschna,

geboren. Als er vier Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Sibirien und siedelten im Dorfe

Markowka in der Gegend von Slawgorod an. Dort verlebte er seine Kindheit und Jugendzeit.

Im Alter von 16 Jahren konnte er das Heil in Jesus Christus annehmen und Mitglied der MBG

werden.

Schon früh erging an ihn der Ruf in den Dienst der Wortverkündigung. Die Gemeinde

bestätigte diesen Ruf und empfahl ihn zur Vorbereitung in der Bibelschule Dawlekanowa in

der Orenburger Ansiedlung. Doch die Schule wurde schon nach einem Jahr von der

Regierung geschlossen. Dieses eine Jahr Bibelschule ist ihm in seinem späteren Dienst eine

große Hilfe gewesen.

Am 7. April 1928 trat er mit Katharina Unrau in den Ehestand. Im Oktober 1929 begab sich

die junge Familie mit einem kleinen Kind auf die Flucht. Am 28. Mai 1930 kam sie mit dem

zweiten Transport in den paraguayischen Chaco und siedelte im Dorf Gnadenheim an.

Von der Begabung her war Gerhard B. Giesbrecht Lehrer. Er unterrichtete gern und hat der

Dorfgemeinschaft von Gnadenheim in den ersten sechs Ansiedlungsjahren als Lehrer und

Prediger gedient. Diese Probejahre waren ihm später eine bedeutsame Hilfe.

Im Jahre 1937 erging an ihn der Ruf in die Missionsarbeit unter den Lenguas (Enlhet). Er

hatte diesen Ruf schon einmal erhalten, als er bei der Einwanderung in Puerto Casado zum

ersten Mal Indianer sah.

Die Missionsarbeit unter den Lenguas war in jeder Hinsicht Pionierarbeit. Seine natürliche

Sprachbegabung und sein Organisationstalent halfen Giesbrecht beim Beginn dieser Arbeit.

Das Erlernen der Lenguasprache und ihrer Schreibweise war eine große Herausforderung.

Weit schwieriger schien es jedoch zu sein, das Seelenleben und die animistische Denkweise

dieser Menschen zu ergründen. Konnte ein Europäer überhaupt begreifen, warum ein Lengua

so handelte, wie er es tat? Erst nach zehn Jahren konnten die ersten sieben Gläubigen getauft

werden.

Mit der Gründung der ersten Gemeinde war ein wichtiger Meilenstein in der Arbeit erreicht.

Er unterrichtete die Kinder in der Schule, half durch seine Lehrtätigkeit den Lengua-Predigern

bei der Vorbereitung der Predigten und der Gemeinde in ihrem geistlichen Wachstum.

Langsam entwickelte sich das Gemeindeleben.

Große Vorarbeit, Planung und Organisation verlangte die Ansiedlung der Indianer. Als

Missionar Giesbrecht zu einer ersten Beratung über die Ansiedlung der Indianer nach

Nordamerika eingeladen wurde, nahm er neben einer genauen Bestandsaufnahme über die in

der Umgebung lebenden Indianer auch einen Plan und den Kostenvoranschlag für die

Gründung eines Indianerdorfes mit. Trotz der sorgfältigen Berechnungen nahm die

Entwicklung dieses Unternehmens mit den Jahren ungeahnte Ausmaße an und der

Entwicklungsprozess war nicht mehr aufzuhalten. Es entstanden viele neue Dörfer, neue

Siedlungen, neue Schulen und neue Gemeinden.

Im Jahre 1964 wurde der Wirkungskreis von Missionar Giesbrecht auf Wunsch der MBG-

Konferenz in die Gemeinde nach Philadelphia verlegt. In den Jahren von 1964 bis 1973 diente

er ihr als Leiter der Gemeinde. Wieder waren es die Verkündigungsarbeit und der Lehrdienst,

die ihn am meisten forderten.

In den Jahren von 1964 bis 1976 hatte er als Leiter der KfK auch im Rahmen der Fernheimer

Gemeinschaft einen großen Wirkungskreis. Wie seine Vorgänger so setzte auch er sich für die

Einigkeit und brüderliche Zusammenarbeit der Gemeinden ein und für die aktive Mitarbeit in

der Mission.

Eine schwere Herausforderung war für ihn der Auftrag der Missionsbehörde der MBG-

Konferenz, die Daten der Missionsarbeit im Chaco zu sammeln. Da er viele Jahre auf dem

Missionsfeld gewesen war, hatte er eine gute Übersicht über den geschichtlichen Werdegang

und konnte so das Material sammeln und ordnen. Doch zum Schreiben der

Missionsgeschichte kam er nicht mehr. Das Material konnte jedoch später als Ausgangsbasis

und Grundlage für das Buch “Dass die Heiden Miterben seien” von Lehrer Hans Wiens

verwendet werden.

Missionar Giesbrecht hatte sich den Tod hinter der Kanzel immer gewünscht. Dass das am 25.

November 1977, dem Jahrestag der Errettung aus Russland, vor der versammelten

Ortsgemeinde von Filadelfia sein würde, konnte niemand wissen. Auf dem Friedhof von

Filadelfia verabschiedete ihn sein Freund und Mitarbeiter, Ältester Jakob >Isaak, mit den

Worten: Heute ist für Fernheim ein Großer gefallen (nach 2. Sam. 3,38).

Klaus Löwen

Notizen aus dem Tagebuch von G. Giesbrecht, 1928-1936; Hans Wiens: Dass die Heiden

Miterben seien:

Die Geschichte der Indianermission im paraguayischen Chaco. Hg. Konferenz der

Mennoniten Brüdergemeinden Paraguays. Asunción, 1989;

Peter Wiens: Die KfK Fernheim - ein geschichtlicher Überblick 1931-1991. Hg. KfK

Fernheim. Filadelfia, 1992;

Gerd G. Giesbrecht: Ich sah der Lengua Hütten; Erfahrungen und Beobachtungen in der

Missionsarbeit, Asunción, 2000;

David Hein: Mennoblatt 48 (1977) 24, S. 2

Quellenangabe:

Mennonitisches Lexikon Paraguay

Bibelschule Dawlekanowo

Unser Blatt 1925 / 9 herausgegeben 6.1926

Schlussakt

der Mennoniten Bibelschule in Dawlekanowo, am 25. April 1926

Wie in den vorigen zwei Jahren, so fand auch in diesem Jahre am letzten Sonntag im April

der Schlussakt unserer Bibelschule statt. Da das Wetter sehr ungünstig war, so hatten sich an

diesem Tage im Versammlungshause der Dawlekanower Brüdergemeinde verhältnismäßig

nur wenige versammelt. Diejenigen aber, welche trotz des großen Kotes erschienen waren,

wandten den Vorträgen, welche von 2,5 bis 5 Uhr währten, ihre volle Aufmerksamkeit zu.

Das Programm des Schlussaktes war folgendes:

I. Gemeindegesang Nr. 374 der Glbst: Walte, walte nah und fern.

II. Einleitung mit Kol. 1, 1, 4, 12. Epaphras und die koloßische Gemeinde – ein Vorbild für

Gemeindevorsteher und Gemeinden, für Bibelschullehrer und Bibelschüler.

III. Brüderchor: Choral Nr. 39 Herr, dir ist niemand zu vergleichen.

IV. Das Leben Jesu:

1. Geschichtsquelle des Lebens Jesu:

a. im weiteren Sinne das Neue Testament und

b. im engeren Sinne die vier Evangelien (Bruder Johann Wessel)

2. Das Evangelium nah Johannes (Bruder Gerhard Giesbrecht)

3. Christus, der Gottmensch (Bruder Herde – Mertens)

4. Die Bergpredigt Übersicht und Math. 7, 13-29 (Bruder Franz Giesbrecht)

5. Die Leidensgeschichte des Herrn von Gethsemane bis Golgatha (Bruder P. Bärg)

V. Brüderchor: Liederp. II, II Es blutet das Lamm für mich.

VI. Bibelauslegung oder neutestamentliche Exegese

1. Der Verfasser des Römerbriefes (Bruder Gerhard Giesbrecht)

2. Die Gemeinde zu Rom, Abfassungszeit, Veranlassung und kurze Inhaltsübersicht (Bruder

P. Bärg)

3. Einleitung in den Hebräerbrief (Bruder Herde – Mertens)

4. Einleitung in den Kolosserbrief (Bruder Johann Wessel)

5. Kolosser Kap. I. Einleitung und Inhalt (Bruder Franz Giesbrecht).

VII. Die neue Prophetie:

1. Jesus Christus der Prophet (Bruder Johann Wessel)

2. Die Geistesgabe der Prophetie in seinen Jüngern (Bruder Gerhard Giesbrecht)

3. Johannes, der Seher des neuen Bundes (Bruder Franz Giesbrecht)

4. Einleitung in die Offenbarung Johannis (Bruder Herde – Mertens)

5. Offenbarung Kapitel 7. Die 144000 versiegelten und die unzählbare Schar (Bruder P.

Bärg).

IX. Gemeindegesang: Nr. 683 Glbst.: O, wie strahlt die Lebenskrone.

X. Pause von 10 Minuten.

XI. Brüderchor: Liederp. II, 20 Jesu, meiner Seele Freund.

XII. Ethik:

1. Der Christ und die Versuchungen (Bruder Herde – Mertens)

2. Die Prüfungen von Seiten Gottes (Bruder Johann Wessel)

3. Die christliche Lebensbetätigung in Bezug auf die eigene Person (Bruder P. Bärg)

4. Die Christliche Lebensbetätigung in Bezug auf die Gemeinschaft (Bruder Gerhard

Giesbrecht)

5. Das christliche Haus (Bruder Franz Giesbrecht).

XIII. Brüderchor: Nr. 408 Гусли Край родной.

XIV. Biblische Psychologie

1. Wesen und Wichtigkeit der Psychologie und Unterschied zwischen Psychologie und Ethik

(Bruder P. Bärg)

2. Die Voraussetzung der Psychologie und Arten derselben (Bruder Johann Wessel)

3. Die Organe des Seelenlebens (Bruder Herde – Mertens)

4. Körper- und Seeleneigentümlichkeiten (Bruder Gerhard Giesbrecht).

5. Der Schlaf resp. Traum (Bruder Franz Giesbrecht)

XV. Brüderchor Liederperl. II, 30 Lobsinget Jehova

XVI. Mennonitengeschichte:

1. Woher stammen die Täufer und Mennoniten? (Bruder Johann Wessel)

2. Eine Blut- und Tränenperiode (aus der Geschichte der holl. Mennoniten. Bruder P. Bärg)

3. Bedrängnisse während der Freiheitskriege (aus der Geschichte der preußischen

Mennoniten. Bruder Franz Giesbrecht)

4. Einwanderung in Russland (Bruder Gerhard Giesbrecht)

5. Bemühungen um Erhaltung der Wehrfreiheit und der Staatsdienst der russischen

Mennoniten (Bruder Herde – Martens).

XVII. Erwähnung der fibrigen (?) Gegenstände:

Homiletik, Predigtübungen (in und außerhalb der Schule) und evangelische Heidenmission.

XVIII. Brüderchor Nr. 51. Пощли нас о Боже, к забытым...

XIX. Rückblick; Ausblick und Schlusswort.

XX. Gemeindegesang: Nr. Glbst. Herr, du wollst dein Reich erhalten.

Rückblick und Ausblick

Mit dem heutigen Schlussakt sind wir am Schlusse unseres dritten Bibelschuljahres oder

unseres ersten Trienniums angekommen. Wir haben alle Ursache, dankbaren Herzens auf

diese Zeit, besonders auch auf das letzte Jahr, zurückzublicken; denn während die anderen

beiden Schwesternschulen in Tschongraw und Orenburg geschlossen worden sind und die

geplanten Predigerkurse in Slawgorod und in Omsk nicht haben stattfinden dürfen, war es uns

vergönnt, hier in aller Ruhe ungestört bis auf den heutigen Tag zu arbeiten. Es ist das nicht

unser Verdienst, sondern eine besondere Gnadenerweisung unseres Gottes.

Unser letztes Unterrichtsjahr begannen wir am 28. September vorigen Jahres. Drei der

vorjährigen Brüder: Sudermann, Thielmann und Heinrichs waren nicht erschienen und sind

auch überhaupt zurückgetreten, Bruder Sudermann zog nach Mexiko, Bruder Thielmann

erkrankte ernst, so dass er trotz wiederholten Versuches es nicht möglich machen konnte, zu

erscheinen. Bruder Heinrichs ist aus mir unbekannten Gründen ausgeblieben.

Zu den vier vorjährigen Brüdern: Herde – Mertens, P. Bärg, Franz Giesbrecht und Johann

Wessel erschien noch Bruder Gerhard Giesbrecht aus Markowka bei Slawgorod / Sibirien

und mit diesen fünf Brüdern habe ich den Winter hindurch ohne bedeutende Unterbrechung

arbeiten dürfen. Die Arbeit war nicht Last, sondern Lust, da die lieben Brüder, wie ich das

auch von allen Bibelschülern erwartete, nicht auf mein Antreiben, sondern auf inneren Trieb

des Heiligen Geistes arbeiteten. Auf diese Weise haben sie sich viel gute Wahrheiten aus der

Schrift und aus Erfahrung bedeutender Gottesmänner angeeignet, wie auch der heutige Tag

einige Pröbchen davon geliefert hat.

Drei unserer Brüder: Herde – Mertens, P. Bärg und Franz Giesbrecht beendigen in diesem

Jahre den dreijährigen Kursus unserer Bibelschule und werden laut §14 unseres Schulstatuts

mit Abgangszeugnis entlassen. In Anbetracht der ernsten Arbeit und so mancher

Schwierigkeiten, die sich auch ihnen in den Weg stellen werden, rufe ich ihnen zum

Abschiede noch das Wort zu, welches Hiskia seinen Hauptleuten zu Herzen redete, als

Sanherib Jerusalem belagerte: „Seid getrost und unverzagt, fürchtet euch nicht und

erschrecket nicht! (2. Chron. 32, 7). Sie gehen zunächst in ihre Gemeinden zurück und

werden dem Wohlwollen derselben empfohlen. Sie sind bereit zu arbeiten, wo der Herr ihnen

dazu offene Türen gibt, ob in der inneren oder äußeren Mission,.

Die Lehrerfrage steht immer noch auf dem toten Punkt. Eingeladen wurden die beiden

Brüder: Gäde aus Tschunajewka und Schierling aus Orenburg. Beide sagten ab. Letzterer,

weil er schon in Slawgorod die Leitung der dortigen Kurse zugesagt hatte. Heute, da seine

Lage sich geändert hat, soll noch einmal bei ihm angefragt werden. Auch ein Antrag an die

KfK, uns eine entsprechende Lehrkraft nach eigner Wahl herzusenden, blieb unbeantwortet.

Das ist ja nicht sehr ermutigend, dass schon eine ganze Reihe von Brüdern ihre Mitarbeit

abgesagt haben; aber es ist eben keine leichte Aufgabe, die mit der Übernahme dieses Postens

verbunden ist.

Der Unterricht fand, wie auch im vorigen Jahre, im Bethause der Dawlekanower

Mennonitengemeinde statt. Dieses bot uns für unsere geringe Zahl genügend Raum und war

auch verhältnismäßig leicht warm zu halten. Für die Benutzung des genannten Raumes

sprechen wir der Gemeinde unseren herzlichen Dank aus. Die Brüder hatten in diesem Jahr

Privatquartier, welches zwar etwas teurer kam, als das gemeinsame Quartier im vorigen Jahre,

aber dafür auch viel praktischer und bequemer erscheint. Es kam den Brüdern monatlich von

20 – 25 Rubeln zu stehen.

Da der Kassenbrief in Nr 6 „Unseres Blattes“ erschienen ist, so ist darüber nicht weiter viel zu

sagen, nur soviel, dass der Herr auch in diesem Jahr für unser oder besser für sein Werk

gesorgt hat, so dass wir nicht haben Mangel leiden dürfen. Allen Spendern ein herzliches

„Vergelts Gott“!

Besuch haben wir in diesem Jahre verhältnismäßig wenig gehabt. Besonders zu erwähnen

wäre der Besuch der Samaraer Brüder Jakob Töws und Johann Fast, sowie der Besuch von

Bruder Jakob Wiens, der nach Beendigung der Lektionen ein kräftiges Wort über die

Notwendigkeit der Vorbereitung der Reichsgottesarbeit sprach.

Die Predigerwoche vom 8. – 11. Februar vereinigte uns mit den anderen örtlichen Arbeitern

am Wort. Die Besprechung des 1. Tim. Briefes des Reichsgottesarbeiters von Gordon und

auch die anderen Vorträge über verschiedene Themen dürften als nützliche Ergänzungen zu

dem in der Bibelschule Gelerntem angesehen werden. Da in diesen Tagen die Schularbeit

eingestellt wurde, so bildeten sie für die Brüder gleichsam einen Sonntag zwischen den

Arbeitstagen.

Der Unterricht im Herbst beginnt, so Gott will, am 15. September. Die feierliche Eröffnung

des Schuljahres findet am 19. desselben Monats im Versammlungshause der Brüdergemeinde

statt. Soviel in unseren Kräften steht, und die Mittel es erlauben, soll die Schule, besonders

was das Lehrpersonal anbetrifft, erweitern werden.

Die Aufnahmebedingungen sind folgende:

1. Es werden gläubige männliche Personen von 18 Jahren und darüber aufgenommen.

2. Der Eintretende muss folgende Papiere per Adresse: Post Dawlekanowo, Ufimer Gouv.

Karl Hermann Friedrichsen, vorstellen.

a. Lebenslauf mit Angabe des Datums der Geburt und besonderer Ereignisse, Bekehrung zum

Herrn und besondere Erfahrungen im Glaubensleben, Beweggründe zum Eintritt in die

Bibelschule usw.

b. Metrisches Zeugnis (Geburts- und Taufschein).

c. Schulzeugnisse

d. Ärztliches Zeugnis (Personen mit ansteckenden Krankheiten werden nicht aufgenommen).

e. Zeugnis über Ableistung der Militärpflicht oder Stellung zu derselben.

i. Familienverhältnisse (ledig, verlobt, verheiratet).

g. Empfehlung vonseiten einer Vertrauensperson im geschlossenen Kuvert.

3. Der Unterrichtspreis für dieses Jahr beträgt drei Tscherwonzy, von Ärmeren nach

Übereinkunft Zahlungstermin: zwei Tscherw. beim Eintritt und ein Tscherw. zu Neujahr.

4. Kost und Quartier ist Sache des Zöglings, jedoch ist die Anstaltsleitung bereit, solche zu

vermitteln.

5. Genaue Befolgung der Anstaltsregeln wird erwartet.

6. Der Vorstand der Schule behält sich das Recht vor, ungeeignete Personen zu entlassen

wobei das Schulgeld nach der Zeit verrechnet wird.

7. Die geistliche Arbeit der Zöglinge steht in der Unterrichtszeit unter der Leitung des

Schulvorstandes.

Karl Friedrichsen,

Leitender der M.-Bibelschule

Johann Wessel – Bruder von G. Wessel (Gründer des Missionswerkes „Brücke zur Heimat“)

war Student der Bibelschule Dawlekanowo und gehörte zu den deutschen Baptisten. Er hat

viel im Slawgoroder Kreis evangelisiert. Die Berichte über diese Reisen sind in der Zeitschrift

„Der Familienfreund“ gedruckt worden. Die deutsche und russische Baptisten führten

zusammen mit den Mennoniten Gemeinden der Slawgoroder Siedlung verschiedene

Veranstaltungen durch.

Gerhard Giesbrecht Bibelschule Dawlekanowo Unser Blatt 1925 Nr. 9

Unser Blatt 1925 / 6 3.1926

Geschrieben von Abram Löwen in „Mein Leben sei ein Wandern“

Ein Nachruf für den verstorbenen Missionar und Prediger Gerhard

B. Giesbrecht (1978)

(In „Ein Jegliches hat seine Zeit‟; „Rundschau‟ 18. Jan. -78)

In der Mennonitischen Rundschau Nr. 45 vom 7. Dezember 1977 lasen wir einen Artikel

von Br. Gerhard B. Giesbrecht unter der Überschrift: „Die MBG im Chaco erlebt

Segenstage“.

Br. Giesbrecht beschreibt in demselben unter anderem die Jubiläumsfeier des vor 25 Jahren

errichteten Bethauses der Filadelfia MBG im Chaco von Paraguay. Aus dem Artikel klingt

die Freude heraus über die vielen Segnungen, die der Herr der Gemeinde in diesem großen

und schönen Bethause in den 25 Jahren seit der Einweihung desselben geschenkt hat.

Diese Freude über die großen Taten Gottes in der Gemeinde, wie auch in der Indianermission,

kennzeichnete das Leben des Bruders Giesbrecht und fand ihren sichtbaren Ausdruck in

seinen immer strahlenden Gesichtszügen. Und so war auch das Leben des Bruders in all den

Jahren des Bestehens der Kolonie Fernheim ein Wandel mit seinem Herrn, den er liebte,

dem er vertraute und dem er ohne Unterlass diente.

Und in der nämlichen Nummer der Rundschau wurde in den 'Nachrichten' die Nachricht

gebracht von dem plötzlichen Abscheiden des Bruders Giesbrecht auf der Danksagungsfeier

in Filadelfia für die wunderbare Errettung aus Russland vor 48 Jahren.

In eben demselben Bethause, dessen 25 jähriges Jubiläum am 6. November Br. Giesbrecht

in dem obengenannten Artikel beschreibt, holte wenige Wochen später, das heißt, am 25.

November, der Herr seinen treuen Knecht heim.

Br. Giesbrechts Leben war, wie schon gesagt, ein ununterbrochenes Wirken für seinen

Herrn und Meister. In den ersten Jahren nach der Gründung der Kolonie Fernheim wurde,

wohl hauptsächlich durch die Initiative und unter der Leitung zweier Brüder, des Ältesten

Jakob Isaak und des Predigers Gerhard Giesbrecht, der Missionsbund „Licht den Indianern“

gegründet. Bald danach wurde von diesem Missionsbund ein Landstück südlich der Kolonie

käuflich erworben und die Missionsstation „Yalve Sanga“ wurde auf diesem Landstück

errichtet.

Br. Giesbrecht wurde als Missionar eingesegnet und er verlegte dann auch bald mit

Familie seinen Wohnsitz dorthin, wo ihm für den Anfang ein ganz bescheidenes Häuschen

gebaut worden war.

Ohne Geldmittel und ohne Kenntnis der Indianersprache musste mit der Arbeit begonnen

werden. Br. Giesbrecht scheute aber keine Entbehrungen, und mit ganzem Eifer ging er an

die Erlernung der Sprache. Glücklicherweise fand sich für diese Sache ein Indianer, namens

Sepe Thama, der Br. Giesbrecht lieb gewann und der ihm eine große Hilfe wurde, indem er

mit beachtenswerter Geduld und Hingabe Br. Giesbrecht im Sprachstudium unterrichtete.

Dieser Indianer wurde auch der erste Christ unter seinen Stammesbrüdern und wechselte

bald auch seinen Namen, indem er sich Johann Giesbrecht nannte, wohl aus Sympathie für

seinen gelehrigen „Schüler“.

Ganz allmählich konnte mit der Verkündigung der Frohbotschaft begonnen werden; doch es

dauerte mehrere Jahre, bis ein sichtbarer Erfolg zu verzeichnen war. Die Indianer mussten

sich umstellen, mussten Vertrauen gewinnen und sich von ihrem Leben als ganz wilde und

unzivilisierte Menschen lösen, bevor das Wort Gottes bei ihnen Eingang finden konnte.

Br. Giesbrecht wurde indessen nicht mutlos. Im Vertrauen auf seinen Herrn predigte er das

Wort, unterrichtete die Indianer im Erlernen von Lesen und Schreiben (das freilich in

spanischer Sprache) und fing an, das Neue Testament in die Sprache der Indianer zu

übersetzen, wobei er wiederum in dem Indianer Sepe Thama eine große Hilfe fand.

Endlich zeigte sich nach Jahren unter der Leitung des Heiligen Geistes die Frucht, anfänglich

sehr bescheiden, indem einige Wenige den Herrn als ihren Erlöser annahmen und sich

taufen ließen, und dann nach und nach in immer größerer Fülle. Ein Tauffest nach dem andern

konnte gefeiert werden. Oft waren es auf je einem Tauffest viele Seelen, die den Schritt der

Nachfolge Jesu durch die Taufe wagten. Wie groß die Freude des Bruders Giesbrecht über

diese Siege Jesu Christi über die Macht der Finsternis war, zeigte sich unter anderem auch auf

einem dieser Tauffeste, als Br. Giesbrecht vor seiner Taufansprache das Lied anstimmen ließ:

'Neunundneunzig der Schafe lagen schon...'

Beim Singen der Strophe:

'Neunundneunzig der Schafe hast ja du;

Sind sie nicht genug für dich? -

Doch der Hirte spricht: Ich hab keine Ruh,

Ich sehn' nach dem Einen mich'

konnte Br. Giesbrecht sich der Tränen nicht mehr erwehren und er weinte bitterlich. So sehr

zeigte sich seine große Liebe zu den armen Indianerbrüdern und so überwältigend war seine

Freude über jeden dieser Leute, der Buße tat und ein Eigentum Christi wurde.

Das Werk der Mission im Chaco ist gewachsen und hat heute eine Ausdehnung parallel zu

allen drei Chacokolonien. Die ganze dort lebende Indianerbevölkerung ist heute von der

Mission erfasst und die Zahl der getauften Christen unter ihnen war schon vor ein paar Jahren,

wenn ich mich recht erinnere, bei 2000 Seelen, also wohl nicht viel kleiner als die Gliederzahl

aller Gemeinden der Mennoniten im Chaco.

Viele Jahre lang hat Br. Giesbrecht in dieser Arbeit gestanden und unermüdlich für die Sache

des Herrn gewirkt. Als dann sein Sohn Gerd herangewachsen und für die Sache der

Mission ausgebildet und zubereitet war (er wurde ein Schwiegersohn des oben erwähnten

Ältesten Jakob Isaak), konnte Br. Giesbrecht das inzwischen große Werk „Licht den

Indianern“ in dessen Hände legen und einem Ruf der Filadelfia MB-Gemeinde als deren

Leiter folgen, da Br. Gerhard Balzer, der bisherige Leiter, aus Gründen seiner Gesundheit das

Amt niederlegen musste. Nun setzte sich Br. Giesbrecht ganz für die Belange dieser

Gemeinde ein, die er lieb gewann und der er wiederum mehrere Jahre in aller Treue und

Hingabe als deren Leiter und Hirte diente.

Viele Tauffeste konnten in diesen Jahren gefeiert werden und die Gemeinde verband sich in

inniger Liebe zu Jesus Christus, ihrem Haupt, und zueinander.

Das Janz-Team und andere Evangelisten aus Nord und Süd Amerika besuchten die Gemeinde

und ließen Spuren des Segens zurück, die zur Förderung und zum Wachstum der Gemeinde

dienten. Br. Giesbrecht war auch führend in der Arbeit der KfK und in der Organisierung und

Tätigkeit der Paraguayischen und der Südamerikanischen MB-Konferenzen.

Ganz allmählich nahmen in den letzten Jahren seine physischen Kräfte ab und seine

Gesundheit ließ zu wünschen übrig. Sein Zustand verschlimmerte sich derart, dass Br.

Giesbrecht die Leitung der Gemeinde abgeben musste. Sein Neffe, Br. Erich Giesbrecht, trat

nun in den Riss und übernahm die Leitung.

Das bedeutete aber nicht, dass Br. Gerhard Giesbrecht nun ganz in den Ruhestand trat. O

nein! - Er arbeitete auch weiterhin als Prediger, war tätig in der KfK und in der

Konferenzarbeit und übernahm sogar noch einen Dienst als Lehrer an der Bibelschule der

Menno-Kolonie in Loma Plata. Als solcher durfte er noch ein paar weitere Jahre dienen.

Bis dann der Herr, am 25. November 1977, seinen treuen Diener auf dem Dankfest im

Bethause zu Filadelfia vor den Augen seiner Gemeinde heim rief.

Br. Giesbrecht ruht nun von seiner vielseitigen Arbeit und seine Werke folgen ihm nach.

Sein Ruf wird wohl nicht so bald verklingen. In treuem Gedenken zeichnet sein Verehrer.

Margarete Pasytsch Schmidt [email protected] Dezember 2017