Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der...

28
Gerhard Klebe Wirkstoffdesign Entwurf und Wirkung von Arzneistoffen 2. Auflage

Transcript of Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der...

Page 1: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

Gerhard Klebe

WirkstoffdesignEntwurf und Wirkung von Arzneistoffen

2. Auflage

Page 2: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

AutorProf. Dr. Gerhard KlebeInstitut für Pharmazeutische ChemiePhilipps-Universität MarburgMarbacher Weg 635032 [email protected]

Wichtiger Hinweis für den BenutzerDer Verlag und der Autor haben alle Sorgfalt walten lassen, um vollständige und akkurate Informationen in diesem Buch und der beilie-genden DVD-ROM zu publizieren. Der Verlag übernimmt weder Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftungfür die Nutzung dieser Informationen, für deren Wirtschaftlichkeit oder fehlerfreie Funktion für einen bestimmten Zweck. Ferner kannder Verlag für Schäden, die auf einer Fehlfunktion von Programmen oder ähnliches zurückzuführen sind, nicht haftbar gemacht werden.Auch nicht für die Verletzung von Patent- und anderen Rechten Dritter, die daraus resultieren. Eine telefonische oder schriftliche Beratungdurch den Verlag über den Einsatz der Programme ist nicht möglich. Der Verlag übernimmt keine Gewähr dafür, dass die beschriebenenVerfahren, Programme usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeich-nungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Wa-renzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlaghat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. Sollte dem Verlag gegenüber dennoch der Nachweis der Rechts-inhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar gezahlt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Mediaspringer.de

2. Auflage 2009 © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2009Spektrum Akademischer Verlag ist ein Imprint von Springer

09 10 11 12 13 5 4 3 2 1

Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts-gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro-verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Planung und Lektorat: Frank Wigger, Dr. Meike BarthRedaktion: Dr. Angela SimeonHerstellung: Detlef MädjeUmschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu–UlmSatz: TypoDesign Hecker GmbH, Leimen

Titelbild:Die tRNA-Guanin-Transglycosylase ist ein Schlüsselenzym zur Bereitstellung von Pathogenitätsfaktoren bei der Ausbreitung der Shigellen-Ruhr. Die Hemmung dieses Proteins (Kapitel 21) stellt einen Therapieansatz für eine selektive Antibiotikumbehandlung der Shigellen-In-fektion dar. Das Design potenter Inhibitoren verlangt eine Auswahl geeigneter Seitenketten für eine vorgegebene Leitstruktur. Bei der Ent-wicklung dieser Verbindungen war es sehr wichtig, die Funktion und Rolle von Wasser bei der Ligandbindung zu verstehen und korrekt zuberücksichtigen (der Autor dankt Herr Dr. Matthias Zentgraf, einem ehemaligen Mitglied seiner Arbeitsgruppe, für den Entwurf dieserAbbildung).

ISBN 978-3-8274-2046-6

Page 3: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

Inhaltsverzeichnis

Vorwort und Danksagung VII

Einführung 1

I Grundlagen der Arzneimittelforschung 7

1 Arzneimittelforschung gestern, heute, morgen 9

1.1 Mit der Volksmedizin fing es an 101.2 Der Tierversuch als Grundlage der Arzneimittelforschung 111.3 Der Kampf gegen die Infektionskrankheiten 121.4 Biologische Konzepte in der Arzneimittelforschung 131.5 In vitro-Modelle und molekulare Testsysteme 141.6 Erfolge bei der Therapie psychischer Erkrankungen 151.7 Modelling und computergestütztes Design 171.8 Ergebnisse der Arzneimittelforschung und der Arzneimittelmarkt 191.9 Konfliktstoff Arzneimittel 20

2 Am Anfang stand der glückliche Zufall 23

2.1 Acetanilid statt Naphthalin – ein neues, wertvolles Fiebermittel 232.2 Narkotika und Schlafmittel – reine Zufallsentdeckungen 232.3 Befruchtende Synergie: Farbstoffe und Arzneistoffe 242.4 Pilze töten Bakterien und helfen bei Synthesen 262.5 Die Entdeckung der halluzinogenen Wirkung des LSD 272.6 Der Syntheseweg bestimmt die Struktur des Wirkstoffs 282.7 Überraschende Umlagerungen führen zu Arzneistoffen 282.8 Eine lange Liste von Zufällen 292.9 Wo wären wir ohne den glücklichen Zufall? 30

3 Klassische Arzneimittelforschung 33

3.1 Aspirin – eine unendliche Geschichte 333.2 Malaria – Erfolge und Misserfolge 363.3 Morphin-Analoga – ein Molekül wird zerschnitten 413.4 Cocain – Droge und wertvolle Leitstruktur 433.5 H2-Antagonisten – Ulcustherapie ohne Operation 44

Page 4: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

XII Inhaltsverzeichnis

4 Protein-Ligand-Wechselwirkungen als Grundlage der Arzneistoffwirkung 49

4.1 Das Schlüssel-Schloss-Prinzip 504.2 Die wichtige Rolle der Membranen 524.3 Die Bindungskonstante Ki beschreibt die Stärke von Protein-Ligand-Wechselwirkungen 524.4 Wichtige Typen von Protein-Ligand-Wechselwirkungen 544.5 Die Stärke von Protein-Ligand-Wechselwirkungen 564.6 Wasser ist an allem schuld! 574.7 Entropische Beiträge zu Protein-Ligand-Wechselwirkungen 574.8 Wie groß ist der Beitrag einer Wasserstoffbrücke zur Stärke von Protein-Ligand-

Wechselwirkungen? 594.9 Die Stärke hydrophober Protein-Ligand-Wechselwirkungen 624.10 Bindung und Beweglichkeit: Kompensation von Enthalpie und Entropie 634.11 Lektionen für das Wirkstoffdesign 66

5 Optische Aktivität und biologische Wirkung 69

5.1 Louis Pasteur sortiert Kristalle 695.2 Die strukturelle Basis der optischen Aktivität 695.3 Isolierung, Synthese und Biosynthese von Enantiomeren 725.4 Lipasen trennen Racemate 735.5 Unterschiede in der Wirkstärke und Wirkqualität von Enantiomeren 765.6 Bild und Spiegelbild: Warum für den Rezeptor verschieden? 805.7 Ein Ausflug in die Welt der Antipoden 81

II Die Suche nach der Leitstruktur 85

6 Die klassische Suche nach der Leitstruktur 87

6.1 Wie es anfing: Treffer durch Testen unter in vivo-Bedingungen 876.2 Leitstrukturen aus Inhaltsstoffen von Pflanzen 886.3 Leitstrukturen aus tierischen Giften und Inhaltsstoffen 896.4 Leitstrukturen aus Mikroorganismen 906.5 Farbstoffe und Zwischenprodukte führen zu neuen Arzneimitteln 926.6 Mimikry: Die Nachbildung endogener Liganden 936.7 Nebenwirkungen eröffnen neue Therapiemöglichkeiten 946.8 Von der klassischen Suche zum Durchmustern riesiger Substanzbestände 95

7 Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 97

7.1 Screening auf biologische Wirkung im HTS 977.2 Eine Farbreaktion zeigt Wirkung an 987.3 Schneller zu immer größeren Zahlen mit immer weniger Substanz 987.4 Von der Bindung zur Funktion: Tests an ganzen Zellen 1007.5 Zurück zum Ganztiermodell: Screening an Fadenwürmern 1017.6 Screening von virtuellen Substanzbanken auf dem Computer 1027.7 Die Biophysik hilft beim Screening 1047.8 Screening mit der kernmagnetischen Resonanz 106

Page 5: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

7.9 Kristallographisches Screening nach kleinen Molekülfragmenten 1087.10 Liganden an der Leine kundschaften Proteinoberflächen aus 109

8 Die Optimierung der Leitstruktur 113

8.1 Strategien der Wirkstoffoptimierung 1138.2 Isosterer Ersatz von Atomen und Gruppen 1148.3 Systematische Variation aromatischer Substituenten 1158.4 Optimierung des Wirkspektrums und der Selektivität 1168.5 Von Agonisten zu Antagonisten 1188.6 Optimierung der Bioverfügbarkeit und der Wirkdauer 1198.7 Variationen des räumlichen Pharmakophors 1208.8 Optimierung auf Affinität, Bindungsenthalpie, Bindungsentropie und Bindungskinetik 121

9 Der Entwurf von Prodrugs 125

9.1 Grundlagen des Arzneistoffmetabolismus 1259.2 Ester sind ideale Prodrugs 1279.3 Chemisch geschickt verpackt: vielfältige Prodrugkonzepte 1299.4 Die L-Dopa-Therapie, ein elegantes Prodrug-Konzept 1319.5 Drug Targeting, Trojanische Pferde und Pro-Prodrugs 132

10 Peptidomimetika 137

10.1 Die therapeutische Bedeutung von Peptiden 13710.2 Der Entwurf von Peptidomimetika 13910.3 Erste Schritte der Abwandlung: Modifizierung der Seitenketten 13910.4 Einen Schritt mutiger: Abwandlung der Hauptkette 14010.5 Versteifung des Rückgrats durch Stabilisierung der Konformation 14210.6 Peptidomimetika zum Blockieren von Protein-Protein-Wechselwirkungen 14310.7 Mit dem Ala-Scan selektiven NK-Rezeptorantagonisten auf der Spur 14610.8 CAVEAT: Ein Ideengenerator zum Entwurf von Peptidomimetika 14810.9 Design von Peptidomimetika: Quo vadis? 149

III Experimentelle und theoretische Methoden 151

11 Kombinatorik: Chemie mit großen Zahlen 153

11.1 Wie erzeugt die Natur chemische Vielfalt? 15311.2 Die Proteinbiosynthese als Werkzeug zum Aufbau von Substanzbibliotheken 15411.3 Organische Chemie einmal anders: Zufallsgesteuerte Synthesen von Verbindungsgemischen 15511.4 Was beherbergt der Chemische Raum? 15511.5 Substanzbibliotheken auf festem Trägermaterial: Vollständige Umsetzung und leichte Reini-

gung 15611.6 Substanzbibliotheken am festen Träger erfordern ausgeklügelte Synthesestrategien 15811.7 Welche Verbindung der kombinatorischen Festphasen-Bibliothek ist biologisch aktiv? 158

Inhaltsverzeichnis XIII

Page 6: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

XIV Inhaltsverzeichnis

11.8 Kombinatorische Bibliotheken mit großer Diversität: Eine Herausforderung an die präparativeChemie 160

11.9 Nanomolare Liganden für G-Protein-gekoppelte Rezeptoren 16011.10 Wirkstärker als Captopril: Ein Treffer in einer kombinatorischen Bibliothek von substituierten

Pyrrolidinen 16111.11 Parallel oder kombinatorisch, in Lösung oder auf dem festen Träger? 16211.12 Das Protein sucht sich selbst einen Liganden: Click-Chemie und Dynamische Kombinatorische

Chemie 164

12 Gentechnologie in der Arzneimittelforschung 169

12.1 Geschichte und Grundlagen der Gentechnologie 16912.2 Die Gentechnologie ist eine Schlüsseltechnologie für das Wirkstoffdesign 17212.3 Genomprojekte entschlüsseln biologische Baupläne 17212.4 Was beherbergt der Biologische Raum aller humanen Proteine? 17412.5 Knock-In, Knock-Out: Die Überprüfung therapeutischer Konzepte 17712.6 Rekombinante Proteine für molekulare Testsysteme 17812.7 Stummstellen von Genen durch RNA-Interferenz 17812.8 Proteomik und Metabolomik 18012.9 Expressionsmuster auf dem Chip: Mikroarray-Technologie 18212.10 SNPs und Polymorphismus oder: Was uns verschieden macht 18412.11 Das persönliche Genom: Zugang zur individuellen Therapie? 18512.12 Wenn genetische Unterschiede zur Krankheit werden 18612.13 Möglichkeiten und Grenzen der Gentherapie 187

13 Experimentelle Methoden zur Strukturaufklärung 189

13.1 Kristalle: Ästhetisch nach außen, regelmäßig nach innen 18913.2 Wie bei Tapeten: Symmetrien bestimmen das Packungsmuster 19013.3 Kristallgitter beugen Röntgenstrahlen 19113.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der

Röntgenreflexe 19513.5 Streuvermögen und Auflösung bestimmen die Genauigkeit einer Kristallstruktur 19613.6 Elektronenmikroskopie: Mit zweidimensionalen Kristallen den Membranproteinen auf der

Spur 20013.7 Strukturen in Lösung: Das Resonanzexperiment in der NMR-Spektroskopie 20013.8 Vom Spektrum zur Struktur: Aus Abstandsmustern entsteht eine Raumstruktur 20213.9 Wie relevant sind Strukturen im Kristall oder im NMR-Röhrchen für ein biologisches System? 202

14 Beschreibung der Struktur von Biomolekülen 207

14.1 Die Amidbindung: Das Rückgrat der Proteine 20714.2 Proteine falten im Raum zu α-Helices und β-Faltblättern 20814.3 Von der Sekundärstruktur über Motiv und Domäne zur Tertiär- und Quartärstruktur 21114.4 Sind die Faltungsstruktur und die biologische Funktion von Proteinen aneinander gekoppelt? 21214.5 Proteasen erkennen und spalten ihre Substrate in maßgeschneiderten Taschen 21414.6 Vom Substrat zum Inhibitor: Screening von Substratbibliotheken 21514.7 Wenn Kristallstrukturen laufen lernen: Von der statischen Kristallstruktur zur Dynamik und

Reaktivität 216

Page 7: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

14.8 Verschiedene Lösungen zum gleichen Problem: Serinproteasen unterschiedlicher Faltung habenidentische Funktion 219

14.9 Die DNA als Zielstruktur für Wirkstoffe 220

15 Molecular Modelling 225

15.1 3D-Strukturmodelle werden in der Chemie seit langem verwendet 22515.2 Die Vorgehensweise beim Molecular Modelling 22615.3 Wissensbasierte Ansätze 22715.4 Kraftfeldmethoden 22715.5 Quantenmechanische Rechenverfahren 22915.6 Berechnung und Analyse von Moleküleigenschaften 23115.7 Moleküldynamik: Die Simulation der Bewegung 23215.8 Die Dynamik eines flexiblen Proteins in Wasser 23415.9 Modell und Simulation: Wo liegt der Unterschied? 235

16 Konformationsanalyse 239

16.1 Viele drehbare Bindungen erzeugen große konformative Vielfalt 24016.2 Konformationen sind lokale Energieminima eines Moleküls 24016.3 Wie kann man den Konformationsraum möglichst effektiv absuchen? 24116.4 Muss man überall im Konformationsraum suchen? 24116.5 Probleme bei der Suche nach Minima, die dem rezeptorgebundenen Zustand entsprechen 24316.6 Effektive Suche nach relevanten Konformationen mit einem wissensbasierten Ansatz 24416.7 Was ist der Nutzen einer Konformationssuche? 244

IV Quantitative Struktur-Wirkungsbeziehungen und Design-Methoden 247

17 Pharmakophorhypothesen, Molekülvergleiche und Datenbanksuchen 249

17.1 Der Pharmakophor verankert den Wirkstoff in der Bindetasche 24917.2 Strukturelle Überlagerung von Wirkstoffmolekülen 24917.3 Logische Operationen mit Molekülvolumina 25017.4 Der Pharmakophor ändert seine Gestalt mit der Konformation 25217.5 Systematische Konformationssuche und Pharmakophorvergleiche:

Der „active analog approach“ 25417.6 Molekulare Erkennungseigenschaften bestimmen die Ähnlichkeit von Molekülen 25517.7 Automatische Vergleiche und Überlagerungen anhand molekularer Erkennungseigenschaften 25717.8 Starre Analoga kreisen die biologisch aktive Konformation ein 25817.9 Falls starre Referenzen fehlen: Modellverbindungen legen die aktive Konformation fest 25917.10 Das Protein definiert den Pharmakophor: Analyse der „hot spots“ der Bindung 25917.11 Suche nach Pharmakophormustern in Datenbanken liefern Ideen für neue Leitstrukturen 262

Inhaltsverzeichnis XV

Page 8: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

XVI Inhaltsverzeichnis

18 Quantitative Struktur-Wirkungsbeziehungen 265

18.1 Struktur-Wirkungsbeziehungen von Alkaloiden 26518.2 Von Richet, Meyer und Overton zu Hammett und Hansch 26618.3 Bestimmung und Berechnung der Lipophilie 26718.4 Lipophilie und biologische Aktivität 26718.5 Die Hansch-Analyse und das Free-Wilson-Modell 26818.6 Struktur-Wirkungsbeziehungen an Molekülen im Raum 27018.7 Strukturelle Überlagerungen als Voraussetzung für den relativen Vergleich von Molekülen 27018.8 Bindungsaffinitäten als Substanzeigenschaft 27118.9 Wie führt man eine CoMFA-Analyse durch? 27218.10 Welche Felder dienen als Kriterien für die vergleichende Analyse? 27218.11 3D-QSAR: Korrelation der molekularen Felder mit den biologischen Eigenschaften 27418.12 Ergebnisse und grafische Auswertung einer vergleichenden Feldanalyse 27518.13 Anwendungen, Grenzen und Erweiterungen der CoMFA-Methode 27618.14 Ein Blick hinter die Kulissen: Vergleichende Feldanalyse von Carboanhydrase-Inhibitoren 277

19 Von in vitro zu in vivo: Optimierung von ADME-Tox-Eigenschaften 283

19.1 Die Geschwindigkeitskonstanten des Substanztransports 28419.2 Die Absorption organischer Verbindungen: Modelle und experimentelle Daten 28519.3 Die Rolle der Wasserstoffbrücken 28619.4 Verteilungsgleichgewichte von Säuren und Basen 28719.5 Absorptionsprofile von Säuren und Basen 28819.6 Wie lipophil soll ein Arzneistoff sein? 29119.7 Computermodelle und Regeln zum Abschätzen von ADME-Parametern 29219.8 Von der in vitro- zur in vivo-Wirkung 29319.9 Natürliche Liganden wirken oft unspezifisch 29319.10 Spezifität und Selektivität der Arzneistoffwirkung 29419.11 Von Mäusen und Menschen: Der Wert von Tiermodellen 29619.12 Toxizität und Nebenwirkungen 29819.13 Tierschutz und alternative Testmethoden 300

20 Proteinmodellierung und strukturbasiertes Wirkstoffdesign 303

20.1 Pionierarbeiten zum strukturbasierten Wirkstoffdesign 30320.2 Die Vorgehensweise beim strukturbasierten Wirkstoffdesign 30420.3 Werkzeuge zum Suchen in Datenbanken experimentell aufgeklärter Proteinstrukturen 30620.4 Vergleich von Proteinen anhand ihrer Bindetaschen 30720.5 Hohe Sequenzhomologie macht den Modellbau einfach 30720.6 Sekundärstrukturvorhersagen und Austauschwahrscheinlichkeiten erleichtern den Modellbau bei

geringer Identität 30820.7 Ligandendesign: Einlagern, Aufbauen, Verknüpfen 31020.8 Einpassung von Liganden in die Bindetasche: Docking 31020.9 Scoring-Funktionen: Bewerten einer konstruierten Bindungsgeometrie 31220.10 De novo-Design: Von LUDI bis zur automatischen Konstruktion neuer Liganden 31320.11 Kann man Proteinliganden heute am Computer entwerfen? 314

Page 9: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

21 Ein Beispiel: Strukturbasiertes Design von Inhibitoren der tRNA-Guanintransglycosylase 317

21.1 Die Shigellen-Ruhr: Krankheitsbild und Therapieansätze 31721.2 Unterdrücken der Pathogenitätsentwicklung auf molekularer Ebene 31721.3 Startpunkt: Kristallstruktur der tRNA-Guanintransglycosylase 31821.4 Ein Funktionsassay zur Bestimmung von Bindungskonstanten 32121.5 LUDI findet erste Leitstrukturen 32321.6 Überraschung: Eine gedrehte Amidbindung und ein Wasser 32321.7 Hot spot-Analyse und virtuelles Screening liefern eine Flut neuer Synthesevorschläge 32421.8 Vom Füllen einer hydrophoben Tasche und Zerstören eines Wassernetzwerks 32521.9 Eine Salzbrücke: Endlich nanomolar 327

V Erfolge beim rationalen Design von Wirkstoffen 333

22 Wie wirken Arzneistoffe: Angriffspunkte für eine Therapie 335

22.1 Das „druggable“ Genom 33522.2 Enzyme als Katalysatoren im Stoffwechselgeschehen 33622.3 Wie bereiten Enzyme Substrate auf den Übergangszustand vor? 33722.4 Enzyme und ihre Inhibitoren 34022.5 Rezeptoren als Zielstrukturen für Arzneistoffe 34022.6 Wirkstoffe regulieren Ionenkanäle, unsere extrem schnellen Schalter 34322.7 Blockade von Transportern und Wasserkanälen 34322.8 Wirkmechanismen – ein Kapitel ohne Ende 34522.9 Resistenzen und ihre Ursachen 34722.10 Kombinationen von Arzneimitteln 348

23 Inhibitoren für Hydrolasen mit Acylenzym-Zwischenstufe 351

23.1 Serinabhängige Hydrolasen 35123.2 Struktur und Funktion der Serinproteasen 35223.3 Die S1-Tasche der Serinproteasen bestimmt ihre Spezifität 35323.4 Auf der Suche nach niedermolekularen Thrombin-Inhibitoren 35723.5 Der Entwurf niedermolekularer, oral wirksamer Elastase-Inhibitoren 36423.6 Serinprotease-Hemmstoffe: Thrombin war nur ein erster Anfang 36523.7 Serin, ein beliebtes Nucleophil in spaltenden Enzymen 36923.8 Triaden in allen Variationen: Threonin als Nucleophil 37423.9 Cysteinproteasen: Schwefel, der große Bruder des Sauerstoffs als Nucleophil in der Triade 375

24 Aspartylprotease-Inhibitoren 381

24.1 Struktur und Funktion der Aspartylproteasen 38124.2 Der Entwurf von Renin-Inhibitoren 38424.3 Entwurf von substratanalogen HIV-Protease-Hemmern 39024.4 Strukturbasierter Entwurf nichtpeptidischer HIV-Protease-Hemmer 39324.5 Resistenzbildung gegenüber HIV-Protease-Hemmern 39624.6 Ein basischer Stickstoff als Partner für die Aspartate der katalytischen Diade 39724.7 Andere Zielstrukturen aus der Familie der Aspartylproteasen 401

Inhaltsverzeichnis XVII

Page 10: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

XVIII Inhaltsverzeichnis

25 Inhibitoren von hydrolytisch spaltenden Metalloenzymen 403

25.1 Struktur der Zink-Metalloproteasen 40325.2 Der Schlüssel zum Entwurf von Metalloprotease-Hemmern: Bindung an das Zinkion 40525.3 Thermolysin: Der gezielte Entwurf von Enzym-Inhibitoren 40725.4 Captopril, ein Metalloprotease-Hemmer zur Behandlung des Bluthochdrucks 40825.5 Am Ende die Kristallstruktur von ACE: Muss eine Erfolgsstory neu geschrieben werden? 41125.6 Inhibitoren von Matrix-Metalloproteasen: Ein Ansatz zur Behandlung von Krebs und rheumatischer

Arthritis? 41325.7 Carboanhydrasen: Katalysatoren einer simplen, aber essenziellen Reaktion 41725.8 Ein Fall für zwei: Zink und Magnesium im katalytischen Zentrum von Phosphodiesterasen 42125.9 Was Zink kann, schafft Eisen auch 422

26 Hemmstoffe für Transferasen 427

26.1 Der Kinase-„Goldrausch“ 42826.2 Struktur von Proteinkinasen: Mehr als 530 Varianten mit gleichem Aufbau 42826.3 Isosterie mit ATP und trotzdem Selektivität? 43026.4 Glivec: Erfolgsstory sucht Nachahmer! 43626.5 Der Selektivität und Spezifität auf der Spur: Die bump & hole-Methode 43926.6 Metalle machen Kinaseinhibitoren selektiv 44126.7 Phosphatasen schalten Proteine wieder aus 44426.8 Inhibitoren der PTP-1B: Behandlung von Diabetes und Adipositas? 44526.9 Inhibitoren der Catechol-O-Methyltransferase 45026.10 Hemmung des Transfers von Prenylankern 452

27 Hemmstoffe für Oxidoreduktasen 459

27.1 Redoxreaktionen in biologischen Systemen verwenden Cofaktoren 45927.2 Chemotherapeutika für Krebs und Bakterien: Hemmung der Dihydrofolatreduktase 46327.3 Hemmstoffe der HMGCoA-Reduktase: Das wechselvolle Schicksal von Arzneistoffent-

wicklungen 46727.4 Treffer auf ein bewegliches Ziel: Hemmstoffe für Aldose-Reduktase 47227.5 Inhibitoren der 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 47727.6 Die Familie der Cytochrom P450-Enzyme 48027.7 Was schnelle und langsame Metabolisierer unterscheidet 48527.8 Wo Glückshormone ein Ende finden: Hemmstoffe der Monoaminoxidase 48527.9 Cyclooxygenase: Schlüsselenzym in der Schmerzempfindung 492

28 Agonisten und Antagonisten für nucleäre Rezeptoren 499

28.1 Nucleäre Rezeptoren sind Transkriptionsfaktoren 49928.2 Struktureller Aufbau der nucleären Rezeptoren 50028.3 Steroidhormone: Wie sich kleine Unterschiede auf die Rezeptorbindung auswirken 50128.4 Helix auf, Helix zu: So wird Agonist von Antagonist unterschieden 50328.5 Agonisten und Antagonisten der Steroidhormon-Rezeptoren 50428.6 Liganden der PPAR-Rezeptoren 50928.7 Liganden nucleärer Rezeptoren aktivieren den Metabolismus 511

Page 11: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

29 Agonisten und Antagonisten von membranständigen Rezeptoren 515

29.1 Die Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren 51529.2 Rhodopsine liefern erste Modelle für G-Protein-gekoppelte Rezeptoren 51729.3 Struktur des humanen β2-adrenergen Rezeptors 51829.4 Auf der Suche nach selektiven Dopamin D1-Agonisten 52129.5 Peptidbindende Rezeptoren: Entwicklung von Angiotensin II-Antagonisten 52329.6 Binden peptidische Agonisten und niedermolekulare Antagonisten an die gleiche Stelle im

AT1-Rezeptor? 52429.7 Von der Nase lernen: Wir riechen mit GCPRs 52529.8 Rezeptortyrosinkinasen und Cytokinrezeptoren: Wo Insulin und EPO ihre Wirkung entfalten 528

30 Liganden für Kanäle, Poren und Transporter 531

30.1 Spannungen und Ionengefälle bringen Zellen auf Trab 53230.2 Wirkungsweise eines Kaliumkanals auf atomarer Ebene 53330.3 Bindung unerwünscht: hERG-Kaliumkanal als Antitarget 53830.4 Winzige Liganden steuern riesige Ionen-Kanäle 54030.5 Liganden steuern als Agonisten oder Antagonisten die Funktion eines Ionenkanals 54230.6 Bremskraftverstärker für GABA-gesteuerte Chlorid-Kanäle 54330.7 Wirkungsweise eines spannungsgesteuerten Chloridkanals 54630.8 Transporter: Die Schleuser der Zellen 54830.9 Membranpassage in Bakterien: Poren, Carrier und Kanalbildner 54930.10 Aquaporine regulieren den zellulären Wasserhaushalt 551

31 Liganden für Oberflächenrezeptoren 555

31.1 Die Familie der Integrinrezeptoren 55531.2 Entwurf von Peptidomimetika als Fibrinogen-Rezeptor-Antagonisten 55731.3 Selektine: Oberflächenrezeptoren, die Kohlenhydrate erkennen 55931.4 Fusionshemmstoffe vereiteln die Virusinvasion 56331.5 Neuraminidase-Hemmer verhindern das Abschnüren von ausknospenden Viren 56531.6 Dem gemeinen Schnupfen einen Riegel vorschieben: Hemmstoffe für das Hüllprotein des

Rhinovirus 56931.7 MHC-Moleküle: Wo das zelluläre Immunsystem Peptidbruchstücke zur Schau stellt 573

32 Biopharmaka: Peptide, Proteine, Nucleotide und Makrolide als Wirkstoffe 581

32.1 Die gentechnologische Produktion von Proteinen 58232.2 Maßgeschneiderte Änderungen beim Insulin 58332.3 Monoklonale Antikörper als Impfstoffe, Chemotherapeutika und Rezeptorantagonisten 58332.4 Antisense-Oligonucleotide als Arzneimittel? 58832.5 Wenn der Schein trügt: Hemmung durch Nucleoside und Nucleotide als falsche Substrate 59132.6 Makrolide: Wie aus mikrobiellen Kampfstoffen potente Cytostatika, Antimykotika, Immun-

suppressiva oder Antibiotika werden 596

Inhaltsverzeichnis XIX

Page 12: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

XX Inhaltsverzeichnis

Bildnachweise 607

Personen, Firmen und Institutionen 613

Sachregister 617

Page 13: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

Screening-Technologienzur Leitstruktursuche

7.1 Screening auf biologischeWirkung im HTS

Voraussetzung für ein groß angelegtes Screening wardie Entwicklung von in vitro-Testsystemen als Ersatzfür den Tierversuch. Als erstes wurden isolierte Enzy-me und Membranhomogenate für Rezeptorbin-dungsstudien verwendet. Später ermöglichte dieGentechnologie (Abschnitt 12.6) reine Proteine fürdie Entwicklung molekularer Testsysteme in ausrei-chender Menge bereitzustellen. Dies führt zu demVorteil, dass einheitliche Proteine, ja sogar humaneProteine für die biologischen Tests eingesetzt werdenkönnen.

Automatisierte Testsysteme mit extrem hohemDurchsatz (engl. high-throughput screening, HTS)führten Mitte der 1990er-Jahre zu einem gewaltigenAufschwung. Unter Einsatz des gesamten Methoden-arsenals der modernen Biochemie wird versucht,Kandidaten für eine Wirkstoffentwicklung im Rea-genzglas zu entdecken. Man versteht heute Zellen undOrganismen so umzuprogrammieren, dass sie dieFunktion von einzelnen Genen anzeigen. Der beson-dere Trick bei diesen Testverfahren besteht darin, dengesuchten Effekt auf molekularer Ebene in ein mak-roskopisch beobachtbares Signal zu übersetzen.

Trotz des sehr großen Aufwands, der im HTS ge-trieben werden muss, und den nicht immer rechtfer-tigenden Trefferquoten ist das HTS nicht mehr ausder Pharmaforschung wegzudenken. Es sind auch im-mer wieder interessante Leitstrukturen auf diesemWege entdeckt worden (Kapitel 23–32). EineSchwachstelle mag die eingeschränkte Diversitätsynthetischer Substanzen sein, verglichen mit derstrukturellen Komplexität pflanzlicher und mikro-bieller Sekundärmetabolite. Eine weitere ist die Be-schränkung auf in vitro-Testsysteme, die weder das ge-samte Wirkspektrum einer Substanz noch viele ande-re wichtige Effekte, wie Transport, Verteilung, Meta-bolismus und Ausscheidung (Kapitel 19), erfassenkönnen.

Im letzten Kapitel wurden Beispiele vorgestellt, wiedurch gezieltes Suchen, vor allem mithilfe von Vorbil-dern aus der Natur oder Verbindungen mit bekanntemWirkprinzip, neue Leitstrukturen entdeckt werdenkönnen. Selbst wenn eine riesige Zahl von Testsub-stanzen aus Naturstoffen oder Synthetika zur Verfü-gung steht, ist es nicht einfach, aus dieser Menge dieaktiven Moleküle herauszufiltern und ihren Wert füreine bestimmte Indikation zu entdecken. Es erfordertein zeitaufwendiges und kostenintensives Durchmus-tern oder Screening riesiger Substanzbestände (vonengl. to screen, „durchmustern“, durch Eliminierungauswählen). Man versteht darunter die mehr oder we-niger gezielte biologische Prüfung großer Zahlen vonSubstanzen. Obwohl man heute dazu praktisch aus-schließlich molekulare Testsystemen und Zellkultur-modelle verwendet, liegen die Kosten für eine geteste-te Substanz zwischen 2 und 5 US-$. Da üblicherweisebis zu mehreren Millionen Verbindungen getestet wer-den, kostet eine Screening-Kampagne sehr viel Geld!

Der Suchprozess kann in drei Phasen aufgeteiltwerden. Zunächst erfolgt das automatisierte und vonRobotern durchgeführte Eingangsscreening einerriesigen Substanzbank von bis zu mehreren MillionenVerbindungen. Dabei werden erste „Hits“ als wechsel-wirkende Substanzen ermittelt. Danach erfolgt einvertieftes Screening, bei dem bereits um die aufgefun-denen Treffer herum der chemische Strukturraumausgelotet wird. Ziel ist es, einfache Struktur/Wir-kungsbeziehungen aufzustellen (Kapitel 18) und diepharmakologischen und physikochemischen Eigen-schaften (Kapitel 19) zu verbessern. Auf diesem Wegwerden Leitstrukturen (so genannte „leads“) ent-deckt. Danach erfolgt in der letzten Phase die Opti-mierung einer Leitstruktur durch vertiefte biologi-sche Testung hin zu einem Arzneistoffkandidaten(„Drug“), der in eine klinische Prüfung überführtwerden kann (Kapitel 8). Wie entdeckt man nun ge-eignete Treffer aus der riesigen Menge Testkandida-ten, die das Potenzial zur Entwicklung zu einem Arz-neistoff besitzen? Diese Frage wird durch das Scree-ning auf biologische Wirkung beantwortet.

7

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 97

Page 14: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

98 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

Äußerst kritisch ist die Zusammenstellung einergeeigneten Screening-Bibliothek. Häufig werden Mo-leküle als Testkandidaten verwendet, die in anderenWirkstoff-Entwicklungsprojekten hergestellt wurden.Sie besitzen somit bereits die Größe eines typischenWirkstoffs. Üblicherweise weisen Treffer aus demScreening nur mäßige, fast immer mikromolare Bin-dung an den Testrezeptor auf. Um einen solchen Tref-fer in seinen Eigenschaften zu verbessern, muss erstrukturell verändert werden. Dies erfolgt in aller Re-gel durch Anfügen weiterer chemischer Gruppen. Da-bei nimmt der Wirkstoff schnell in seiner Größe zuund überschreitet eine molare Masse von 500–600 Da.Dieser Wert wird als kritische Obergrenze für guteBioverfügbarkeit gesehen (Abschnitt 9.1). Die Opti-mierung eines typischen Screeningtreffers bedingt al-so, dass er zunächst einmal in seiner Größe reduziertwerden muss, um anschließend in einer zielgerichte-ten Optimierung wieder größer zu werden. Dochhäufig geht die Größenreduktion mit einem Verlustan Bindung einher. Daher hat man zum Abschätzendes Entwicklungspotenzials von Treffern aus demScreening das Kriterium der „ligand efficiency“ ein-geführt. Man setzt dazu die Zahl an Nichtwasserstoff-atomen eines Treffers mit der erzielten Bindungsstär-ke in Bezug. Vor allem kleine und für ihre Größe gutbindende Substanzen eignen sich besonders als aus-sichtsreiche Kandidaten für eine Optimierung.

7.2 Eine Farbreaktion zeigtWirkung an

Wichtige Zielproteine für eine Wirkstoffentwicklungsind Proteasen und Esterasen, Enzyme, die Peptid-und Esterbindungen spalten (Kapitel 23–25). Wiekann man deren enzymatische Aktivität sichtbar ma-chen? Man stellt synthetische Substrate her, die dennatürlichen Substraten sehr ähnlich sind. Sie tragenallerdings über eine Peptidbindung oder Esterbin-dung verknüpft einen para-Nitroanilid- oder -Phe-nolatrest (Abb. 7.1). Wenn das Enzym dieses Substratspaltet, wird Nitroanilid oder Nitrophenolat freige-setzt, das sich durch veränderte Absorptionseigen-schaften als gelber Farbstoff bemerkbar macht. Dieslässt sich einfach spektroskopisch beobachten. Wennnun beim Screening eine Verbindung als Inhibitordes Enzyms auffällt, so wird sie die Spaltung des syn-thetischen Substrats mehr oder weniger stark unter-drücken und die Gelbfärbung der Lösung vermin-dern. Auf diesem Wege lässt sich quantitativ die

Hemmstärke einer Testsubstanz bestimmen (Abb.7.1).

Es konnte eine breite Palette von farbgebendenReaktionen entwickelt werden, die zur Charakterisie-rung enzymatischer Aktivität geeignet sind. Viele En-zyme, z. B. Dehydrogenasen, benötigen als natür-lichen Cofaktor NAD(P)H, das zu NAD(P)+ oxidiertwird (Abschnitt 27.1). Da das Edukt NAD(P)H imGegensatz zum Produkt bei 340 nm absorbiert, kanndas Fortschreiten der Enzymreaktion über Beobach-tung der Absorption bei dieser Wellenlänge verfolgtwerden. Als eine Variante kann man auch zwei En-zymreaktionen miteinander koppeln. Dieser Weg istdann interessant, wenn das Substrat, das für einespektroskopische Verfolgung der Enzymreaktion ge-eignet ist, erst durch die vorgelagerte Enzymreaktiongebildet wird. Dann wird nicht die Reaktion im ei-gentlich interessierenden Enzym beobachtet. Viel-mehr registriert man dessen Aktivität anhand derUmsetzung des aus der vorgelagerten Reaktion her-vorgehenden Produkts in der nachfolgenden Enzym-reaktion.

Obwohl absorptionsspektroskopische Assays austechnischen Gründen vorzuziehen sind, spielen Tests,die auf der Umsetzung radioaktiv markierter Verbin-dungen beruhen, noch immer eine wichtige Rolle. DieAktivität von Kinasen wird z. B. über Phosphor-32-markiertes Adenosin-Triphosphat verfolgt. Das an derendständigen Phosphatgruppe markierte Substratwird auf das durch die Kinase (Abschnitt 26.3) zuphosphorylierende Protein übertragen. Die Einbaura-te dient als Maß für die Aktivität der Kinase. Für Re-zeptorbindungsstudien wird ein bekannter Ligand ra-dioaktiv markiert. Im Assay wird nun untersucht, in-wieweit Testverbindungen den radioaktiv markiertenLiganden von der Rezeptorbindestelle verdrängenkönnen. Ein solcher Test stellt noch nicht zwingendeinen Funktionsassay dar. Agonistische und antago-nistische Bindung (Kapitel 28 und 29) müssen nochunterschieden werden.

7.3 Schneller zu immergrößeren Zahlen mit immerweniger Substanz

Antikörper spielen eine wichtige Rolle in der Assay-entwicklung. Die enorme Spezifität einer Antikörper-Antigen-Wechselwirkung lässt sich als hoch sensitivesSystem ausnutzen (Abschnitt 32.3). Als Beobach-tungsgröße verwendet man in den klassischen Im-

7

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 98

Page 15: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

munassays entweder die Freisetzung einer radioaktivmarkierten Verbindung (Radioimmunassay, RIA)oder das Auslösen einer enzymatischen Umsetzung(Enzyme Linked Immunosorbent Assay, ELISA). Dasletztere Verfahren erfreut sich eines deutlich größerenEinsatzbereichs, vor allem weil versucht wird, die Ra-dioaktivität als Beobachtungsgröße zu vermeiden.Die Immunassays sind nicht nur hoch spezifisch, dasie nur eine molekulare Spezies erkennen, sie sindauch extrem vielseitig einsetzbar.

Screeningverfahren werden auf Automatisierungund Miniaturisierung optimiert. Angetrieben durchden Wunsch nach immer größerem Durchsatz, wer-den heute die Tests kaum noch in 96er (8×12) Mikro-titerplatten durchgeführt. In den Vertiefungen dieserPlatten umfassen die Reaktionsvolumina ca. 0,3 ml.Inzwischen versucht man mit 384er (16×24) oder1536er (32×48) Platten auszukommen, wo die Testvo-lumina nur noch wenige Mikroliter umfassen. Eingroßes Problem stellt das Aggregationsverhaltenmancher hydrophober Testverbindungen dar. In derwässrigen Pufferlösung des Assays kann es zu einerAggregation dieser Verbindungen kommen. Durchihre Zusammenballung bilden sich hydrophobeOberflächen aus, an die das zu testende Protein adsor-bieren kann. Die freie Konzentration des Proteins inLösung nimmt dadurch ab, was praktisch den Effekteiner Hemmung des Proteins vorspiegelt. Zusätze vonDetergenzien können diesen Effekt aufheben.

Mit ausgeklügelten Robotersystemen werden biszu 100 000 Assays pro Tag ausgeführt. Dies führt zu ei-ner enormen Datenflut, die zu verarbeiten ist. Die re-

duzierten Testvolumina haben den Vorteil einer deut-lichen Verringerung der benötigten Probenmengen.Außerdem lassen sich die Messungen in kürzerer Zeitdurchführen. Gleichzeitig wird aber die Handhabungder Proben immer schwieriger. Man denke nur an dieVerdunstung aus so kleinen Probenmengen, dieenorm ansteigende Logistik, so viele Daten parallelerfassen zu müssen, oder die Reproduzierbarkeit derErgebnisse und die notwendige Empfindlichkeit, dasschwache Messsignal gesichert zu bestimmen.

Um gerade diesen letzten Aspekt zu verbessern, istman auf immer empfindlichere Nachweisverfahrenübergegangen. Besonders empfindlich sind Fluores-zenzmessverfahren. Im einfachsten Fall verwendetman ein fluoreszierendes Substrat wie Cumarin (Ab-schnitt 14.6), das beispielsweise in einem Protease-Assay anstelle des para-Nitroanilids eingebaut wird.Die Protein-Ligand-Bindung kann auch über Fluo-reszenzanisotropie (oder Polarisation) beobachtetwerden. Ein bekannter Ligand wird mit einem Flu-orophor verknüpft und mit polarisiertem Licht ange-regt. Die abgestrahlte Fluoreszenz ist in diesem Fallebenfalls polarisiert. Mit der Zeit, in der das angereg-te Molekül in Lösung frei diffundieren kann, wird dievorgegebene Polarisation abnehmen. Da ein kleinesMolekül viel schneller diffundiert als ein großes, fälltdie Polarisation des Fluoreszenzsignals des ungebun-denen Liganden viel schneller ab, als wenn er an einProtein fixiert wird. Dieser Unterschied wird durchdie Diffusionseigenschaften des großen Proteins be-stimmt und kann als Messsignal aufgenommen wer-den.

7. Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 997

NH2O

+Peptid

NH- NH

NO O

+

405 nm

R N

ON

O+p

N-O O

N-O O

+ +

-O O

OH

εH

ON

O

O+Ester

O O-RCOO-

-O O -O O

N-O O

+λR O

O O

N-O O

N-O O

+ +

O O

Spaltung

Abb. 7.1 An das natürliche Substrat einer Protease oder Esterase wird am Ende ein p-Nitrophenolat bzw. p-Nitroanilidrest ange-fügt. Das Enzym spaltet p-Nitrophenolat oder p-Nitroanilid ab, das sich als gelb gefärbtes mesomerstabilisiertes Anion (Absorp-tionsmaximum bei 405 nm) bemerkbar macht. Wird kompetitiv zum Substrat ein Inhibitor dem Enyzm zugesetzt, so unter drückter je nach seiner Bindungsstärke die Umsetzungsrate der Spaltreaktion. Dies macht sich in einer mehr oder weniger starkenGelbfärbung der Messlösung bemerkbar und kann quantitativ ausgewertet werden.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 99

Page 16: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

100 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

Noch größere Empfindlichkeit erreichen so ge-nannte FRET-Messverfahren (Fluoreszenz-Reso-nanz-Energie-Transfer). Ein Resonanzenergietransfererfolgt zwischen einem Donor- und Akzeptorfluoro-phor ähnlicher Absorption, wenn beide nicht mehrals ca. 50 Å voneinander entfernt sind. Will man bei-spielsweise einen Phosphatase-Assay damit entwi-ckeln, so muss ein phosphoryliertes Peptidsubstratmit einem kovalent verknüpften Donorfluorophorversehen werden. Man gibt dieses Substrat zu derPhosphatase, die mit einem zu testenden Inhibitorversetzt wurde. Je nach Hemmstärke der Testverbin-dung wird das Enzym in seiner Aktivität absinken undweniger Substrat spalten. Man gibt einen Antikörperzu, der an das unverbrauchte, phosphorylierte Subs-trat bindet. Der Antikörper ist aber zusätzlich mit ei-nem Fluoreszenz-Akzeptor versehen, dessen Absorp-tionsmaximum mit dem Emissionsspektrum des Do-norfluorophors überlappt. Ist noch viel phosphory-liertes Substrat vorhanden, da z. B. die zu testendeVerbindung einen potenten Hemmstoff darstellt, wirddie räumliche Nähe zwischen Donor- und Akzeptor-fluorophor zu einem starken FRET-Signal führen.Dies kann quantitativ ausgewertet werden.

Fortschritte bei der Miniaturisierung der Assays er-lauben inzwischen die Beobachtung einzelner Mole-küle. Dies gelingt mit der Fluoreszenz-Korrelation-spektroskopie (FCS). Ein konfokales Lasermikroskopdurchstrahlt etwa einen Femtoliter Messlösung. Wennein einzelner Fluorophor durch das Beobachtungsvo-lumen diffundiert, erzeugt er eine zeitliche Fluktua-tion des Fluoreszenzsignals. Bei genauer Analyse die-ses Signals erhält man Informationen über Konzen-tration und Diffusionskonstante. Die Diffusionsge-schwindigkeit hängt wiederum davon ab, ob die miteinem Fluoreszenzmarker versehene Substanz an einProtein gebunden ist oder nicht. Werden sowohl Pro-tein wie auch Ligand mit unterschiedlichen Markerngekennzeichnet, so kann sogar deren Assoziation undDissoziation verfolgt werden.

7.4 Von der Bindung zurFunktion: Tests an ganzenZellen

Die Bindung eines Liganden an ein Protein sagt nochnichts über die damit einhergehende Funktion bzw.ausgelöste Funktionsänderung aus. Bei einem En-zymassay ist es oft einfach, die beobachtete Hemmungmit einer Funktion in Beziehung zu setzen. Bei Rezep-

toren und Ionenkanälen liegt diese Korrelation weni-ger offensichtlich auf der Hand (Kapitel 28–30). Be-trachtet man die biochemischen Pfade und Regel-kreise in einer Zelle, so werden auch die Überlegun-gen zur Funktionszuordnung für Enzyme komplizier-ter. Diese Zusammenhänge lassen sich nicht soeinfach im Reagenzglas nachstellen. Daher müssenzum Studium der Funktion ebenfalls Assays entwi-ckelt werden, die das Verhalten ganzer Zellen bei derBindung eines Liganden beobachten. Für viele Gewe-be lassen sich Zellkulturen züchten, die dann das Stu-dium gewebespezifischer Rezeptoren ermöglichen.

Üblicherweise wurde das Verhalten von Ionenka-nälen über Bindungstests oder radioaktive Durch-fluss-Assays untersucht. Um den Einfluss eines Ent-wicklungskandidaten für einen Arzneistoff besser zucharakterisieren, sind die so genannten patch-clamp-Techniken entwickelt worden. Eine Elektrode wird andie Oberfläche einer Zelle herangeführt und eineSpannung bzw. ein Strom angelegt. Auf diesem Wegekann das Öffnen bzw. Schließen einzelner Kanäle re-gistriert werden, vor allem wenn bei diesen Messun-gen Testmoleküle zugegeben werden. Dieses Verfah-ren dringt sicher nicht in die Dimensionen der Hoch-durchsatztechniken vor. Es dient eher dazu, die Trefferaus einem ersten Vorscreening genauer auf ihre Funk-tion zu beleuchten. Für diesen ersten Schritt werdenwiederum gerne Fluoreszenzmethoden eingesetzt.Beispielsweise kann man bei Ca2+-Kanälen den An-stieg der intrazellulären Calciumkonzentration übereinen Farbstoff beobachten, der sensitiv bei dem Auf-treten von Calciumionen fluoresziert.

Andere Tests verwenden die Kopplung an Repor-tergene. Die Stimulation eines Rezeptors löst eine Sig-nalkaskade aus, die für einige der Rezeptoren letztlichzu der Transkription der Genprodukte führt unddurch entsprechende Promotoren gesteuert wird (Ab-schnitt 28.1). Ersetzt man nun die Sequenz des ange-steuerten Gens durch die eines Reporters wie β-Ga-lactosidase, Luciferase oder das GrünfluoreszierendeProtein (GFP), so wird dieses Protein von den Zellenproduziert. Dies kann an einem einfach zu beobach-tenden Signal abgelesen werden (Abb. 7.2). Beispiels-weise spaltet die produzierte β-Galactosidase X-galund setzt einen blauen Farbstoff frei, Luciferase ent-wickelt ATP-abhängig eine Chemilumineszenz, unddas Grünfluoreszierende Protein fällt durch seine in-trinsische Fluoreszenz auf.

7

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 100

Page 17: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

7.5 Zurück zum Ganztiermodell:Screening an Fadenwürmern

Das früher durchgeführte primäre Testen von Subs-tanzen an Tieren ist heute aus ethischen Gründenkaum noch zu vertreten. Außerdem ist für ein target-orientiertes Optimieren der Tierversuch nicht aussa-gekräftig genug. Dennoch hat er seine Vorteile. DieReaktion des gesamten Organismus auf eine Subs-tanz wird unmittelbar transparent, die Bioverfügbar-keit lässt sich direkt überprüfen und Nebenwirkungensowie positiv synergistische Effekte werden sofort of-fensichtlich. Schon 1963 verwies Sydney Brenner aufdie Komplexität der Molekularbiologie, indem er diegenetische und biochemische Kontrolle zellulärerEntwicklungen hervorhob. Er schlug vor, den Faden-wurm als einen der einfachsten Vielzeller zu untersu-chen. Dieser Nematode mit dem Namen Caenorhab-ditis elegans lebt normalerweise im Erdreich und er-nährt sich von Bakterien. Man kann ihn aber auchsehr gut in Mikrotiterplatten züchten und mit Esche-richia coli-Bakterien füttern. Er ist ein Zwitter, besitzt

kurze Lebenserwartung, vermehrt sich binnen dreiTagen, legt Eier, lässt sich bei der Temperatur des flüs-sigen Stickstoffs konservieren, ist durchsichtig, undfür 60–80 % unserer Gene sind Homologe bei ihm ge-funden worden. Sein Genom wurde aufgeklärt undman versteht sehr gut, sein Erbgut zu mutieren. Be-dingt durch seine Transparenz lässt sich jede Verände-rung in seinem Inneren mit dem Mikroskop verfol-gen, so z. B. Proteine, die mit Fluoreszenzsonden mar-kiert wurden. Seine nur 959 somatischen Körperzel-len bilden viele unterschiedliche Organe aus,einschließlich eines Nervensystems mit 302 Neuro-nen. Kann man an einem solchen Lebewesen eineSubstanztestung durchführen? Die ethische Schwellehierzu dürfte niedrig sein. Aber welche Aussagekrafterzielen solche Tests? Kann man an einem solchenTier die Behandlung von Stimmungsschwankungen,Depressionen oder übermäßigem Fressverhalten imHinblick auf Fettleibigkeit testen? Dies kann nur ge-lingen, wenn man auf molekularer Ebene die Ursacheeiner Erkrankung erkannt hat, beispielsweise einenDefekt, der durch die serotoningesteuerte Signalver-mittlung ausgelöst wird. In einer solchen Situationkann der Wurm als Modell dienen. Ein erster Schrittzum Entdecken potenzieller Targets ist das gezielteStummschalten von Genen. Dies gelingt mit derRNA-Interferenz (Abschnitt 12.7). Setzt man den Fa-denwurm einer Substanzbibliothek aus, so versuchtman zu beobachten, wie sich sein Erscheinungsbildoder sein Verhalten verändert. Verkürzt oder verlän-gert sich seine Lebenserwartung? Dies sind Hinweiseauf Substanzen, die den Alterungsprozess beeinflus-sen. Veränderungen an seinen Muskelzellen verweisenauf Verbindungen, die vielleicht bei degenerativenMuskelerkrankungen eingreifen. Neben makroskopi-schen Veränderungen im Aufbau werden Verschie-bungen im Genexpressionsmuster analysiert (Ab-schnitt 12.9). Sind eventuell Mutationen von Protei-nen zu beobachten? Sicher hat der Fadenwurm nichtdie gleiche Ausstattung an metabolischen Pfaden wiewir. Auch geben seine Krankheitsmodelle nur partielldie Pathophysiologie einer humanen Erkrankungwieder. Dennoch scheint das direkte Testen von Ver-bindungen an dem Fadenwurm eine neue Perspektivefür das Screening von Substanzbanken abzugeben. Al-ternativ haben auch die Fruchtfliege Drosophila mela-nogaster oder der Zebrafisch Bedeutung als solcheTestorganismen erhalten. Sie helfen, frühzeitig dieValidität eines Therapieansatzes zu überprüfen.

7. Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 1017

GFP

hν hν

DNA

Herstellen desKonstrukts

Promotorfür Gen A

Gen A

DNAPromotor

GFPGFP-Gen

Einbringen inZellen

DNADNAPromotorfür Gen A

GFP-Gen

Testmodell

Aktivierungdurch einen registriertes

Wirkstoff Signal

Abb. 7.2 Gene werden durch Promotoren gesteuert. Einedurch den Promotor initiierte Aktivierung des Gens führt zurBiosynthese des entsprechenden Proteins. Unter Verwendungdes Grünfluoreszierenden Proteins (GFP) kann man mit die-sem Prinzip einen einfach zu beobachtenden Assay aufbauen.Dazu wird der Promotor des Gens, der durch Bindung einesAgonisten aktiviert wird, mit dem Gen für das GF-Protein ver-knüpft. Die Aktivierung des Promotors liefert folglich nichtmehr das ursprüngliche Genprodukt, sondern es führt zurSynthese des GF-Proteins. Die Gegenwart des GF-Proteinslässt sich leicht über eine Fluoreszenz, angeregt durch ultra-violettes Licht, beobachten.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 101

Page 18: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

102 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

7.6 Screening von virtuellenSubstanzbanken auf demComputer

Wie in den voranstehenden Abschnitten beschrieben,wurde mit großem Aufwand das experimentelleHochdurchsatz-Screening (HTS) automatisiert. Ge-füttert durch Verbindungen aus der kombinatori-schen Chemie (Kapitel 11), lassen sich innerhalb we-niger Tage viele hunderttausend Verbindungendurchmustern. Zunächst dachte man, dass dies dasEnde aller rationalen, strukturbasierten Verfahren derLeitstruktursuche eingeläutet hätte. Aber diese an-fängliche Euphorie ist angesichts des enormen finan-ziellen Aufwands und der doch eher enttäuschend ge-ringen Trefferraten einer merklichen Ernüchterunggewichen. Daher hat man als Alternative das Durch-forsten großer Datenbanken auf dem Computerdurch Einpassen (Docking, Abschnitt 20.8) kleinerMoleküle in eine vorgegebene Bindetasche entwickelt(virtuelles Screening).

Die geringen Trefferquoten im HTS hängen mitder Größe, strukturellen Vielfalt und der für dasuntersuchte Zielprotein kaum angepassten Zu-sammensetzung der Substanzbibliotheken zusam-men. Die gezielte Erkennung falsch-positiver undfalsch-negativer Treffer im biologischen Testsystembereitet große Probleme. Enttäuschende Erfolgsquo-ten wurden für das Überführen aktiver Treffer in po-tenzielle Leitstrukturen für eine Wirkstoffoptimie-rung berichtet. Umso mehr versucht man, die Verfah-ren des virtuellen Screenings als eine komplementäreund alternative Methode zu entwickeln. Die Voraus-setzungen für eine erfolgreiche Anwendung dieserVerfahren sind ganz anders als bei dem technologie-getriebenen HTS: Nur wenn man verstanden hat, wel-che Faktoren auf der molekularen Ebene dafür ver-antwortlich sind, dass ein denkbarer Wirkstoff an einZielprotein bindet, kann man virtuelles Screeningsinnvoll einsetzen.

Ausgangspunkt ist die Raumstruktur eines Ziel-proteins, die in aller Regel durch Röntgenstruktur-analyse oder NMR-Spektroskopie (Kapitel 13) be-stimmt wird (Abb. 7.3). Zunehmend lassen sich auchModelle aus homologen, strukturell bekannten Pro-teinen ableiten (Abschnitt 20.5). Um erfolgreich anein Protein zu binden, muss ein Ligand eine Gestaltannehmen können, die komplementär zu der Binde-tasche ist. Moleküle sind flexibel, durch energetischkaum aufwendige Bindungsdrehungen können sie ih-re Gestalt verändern (Kapitel 16). Doch neben der ge-

eigneten Passform müssen die Eigenschaften derfunktionellen Gruppen eines potenziellen Ligandenkomplementär zu denen der funktionellen Gruppendes Proteins in der Bindetasche sein. Wasserstoffbrü-cken können zwischen Ligand und Protein ausgebil-det werden, hydrophobe Molekülteile müssen ihrGegenstück im Protein finden (Kapitel 4). Dazu ana-lysiert man zunächst die Proteinbindetasche, um diefür eine Bindung essenziellen Bereiche hervorzuhe-ben.

Für einen bestimmten Atomtyp, beispielsweise ei-nen Wasserstoffbrückendonor oder Akzeptor, tastetman systematisch die Bindetasche ab. Mithilfe derComputergrafik lässt man sich anzeigen, wo diePlatzierung dieser funktionellen Gruppe in einemdenkbaren Liganden besonders günstig wäre (Ab-schnitt 17.10). Fasst man für verschiedene Atomty-pen alle Schwerpunkte dieser so ermittelten Bereichezusammen, bekommt man ein räumliches Musterder Eigenschaften, die ein Ligand unbedingt aufwei-sen muss, um an das Protein zu binden („hot spots“,Abschnitte 17.1 und 17.10). Mit diesen Kriteriensucht man in Moleküldatenbanken, die sich entwe-der aus bereits synthetisierten Kandidaten zu-sammensetzen oder die zunächst nur auf dem Com-puter für die Suche generiert werden. Falls sich Tref-fer aus der letzten Gruppe ergeben, kann man sie an-schließend synthetisieren. Die Suche teilt sich inmehrere Filterschritte auf, die sich mit sukzessiverReduktion der Suchmenge immer aufwendiger ge-stalten. Anhand schneller Dockingprogramme (Ab-schnitt 20.8) werden die Moleküle in die Bindetascheeingepasst und die erzeugten Bindungsgeometrienim Hinblick auf die erwartete Bindungsaffinität be-wertet. Dieser Schritt ist natürlich der entscheiden-de, leider aber auch der schwierigste (Abschnitt20.9). In Kapitel 21 werden Beispiele vorgestellt, wiedurch virtuelles Screening erste Treffer gefundenwerden konnten.

Die Bewertung der erzeugten Bindungsgeometriengelingt heute vielleicht für 70 % der Fälle mit einerausreichenden Genauigkeit. Eine Verbesserung dieserVorhersagen setzt allerdings voraus, dass wir den Li-gand-Protein-Erkennungsprozess besser verstehen(Kapitel 4). Noch sind die Rolle des Wassers bei derBindung, die induzierte sterische und dielektrischeAnpassung, das plastische Verhalten von Proteinenund die dynamischen Veränderungen bei der Kom-plexbildung zu wenig verstanden. Auch spielt die Zu-sammensetzung der Datenbanken für die Suche eineentscheidende Rolle. Die alleinige Vergrößerung einerDatenbank ist nicht ausreichend. Die Anreicherungmit Verbindungen, die die Suchanfrage erfüllen könn-

7

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 102

Page 19: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

ten, ist ausschlaggebend. Screening wird oft mit demSuchen nach der Nadel im Heuhaufen verglichen.Wenn man eine solche Nadel sucht, bringt es nichts,alleine den Heuhaufen in seiner Größe zu verdoppeln!Er muss mit mehr potenziellen Nadeln gespickt wer-den. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das gesamteverfügbare Wissen über die Struktur, Funktion unddas dynamische Verhalten des Zielproteins zur Defini-tion der Datenbanksuche herangezogen werden. Ver-gleichende Betrachtungen zwischen Proteinen undProteinbindetaschen, vor allem von Mitgliedern einer

Proteinfamilie, können an dieser Stelle entscheidendeHinweise liefern (Abschnitte 20.3–20.6). Im Prinzipsteckt in den strukturellen und interaktionsgeometri-schen Eigenschaften einer Bindetasche bereits dieAntwort über die Zusammensetzung einer geeignetenVerbindungsbibliothek für die virtuelle Suche! Diesegilt es richtig umzusetzen. Als weiteres entscheidendesKriterium müssen die Suchverbindungen ein ausrei-chendes pharmakokinetisches Profil besitzen, damiteine befriedigende Bioverfügbarkeit erreicht wird(Kapitel 19).

7. Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 1037

-2-10123

ComputerScreening

ab

c

O

OH

OAc

d

e

f

g

h

Abb. 7.3 Virtuelles Screening benötigt als Startpunkt die Raumstruktur des Zielproteins (a). Die Bindetasche wird mit unter-schiedlichen Sondenatomen, z. B. für einen Wasserstoffbrückenakzeptor oder Donor, abgetastet (b). Regionen, die besondersgünstig für eine solche wechselwirkende Gruppe sind, werden auf der Computergrafik farblich hervorgehoben. Fasst man dieSchwerpunkte der so ermittelten Bereiche zusammen, ergibt sich ein räumliches Muster der Eigenschaften, die ein denkbarer Li-gand unbedingt besitzen sollte (c). Dieses Muster nennt man „Pharmakophor“ und es dient als Randbedingung, um Datenbanksu-chen zu definieren (d). Durch Docking werden potenzielle Liganden aus einer großen Datenbank herausgefiltert und energetischbewertet (e). Die gefundenen Treffer sind entweder kommerziell erhältlich oder lassen sich im Labor chemisch synthetisieren (f).Dann erfolgt ihre biologische Testung (g) und bei guter Bindung gelingt die Kristallisation der neuen Leitstruktur mit dem Protein.Die anschließende Strukturbestimmung (h) dient nun zum Starten eines weiteren Designcyclus.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 103

Page 20: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

104 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

7.7 Die Biophysik hilft beimScreening

Das Oberflächen-Plasmonenresonanz-Verfahren wirdzunehmend zum Screening nach neuen Leitstruktu-ren eingesetzt. Dazu wird ein Zielmolekül auf dergoldbeschichteten Oberfläche eines Sensorchips ver-ankert. Anschließend strahlt man von der Unterseiteeines Glasträgers Licht ein (Abb. 7.4). Änderungen imBrechungsindex, die sich über eine Verschiebung desWinkels der internen Totalreflexion verfolgen lassen,sind ein Maß für Massenänderungen auf der Sensor-oberfläche. Wenn nun eine Verbindung mit einerMasse von mehr als 100 Da bindet, kann die verur-sachte Massenänderung auf der Goldoberfläche regis-triert werden. Da das Verfahren schnell arbeitet undeinen zeitlichen Verlauf beobachten kann, werden ne-ben der Stöchiometrie kinetische Parameter der Asso-ziation bzw. Dissoziation verfügbar. Ein Problem, dasein Screening in Mikrotiterplatten mit sich bringt, be-steht in der enormen Zeit, die benötigt wird, die Ver-bindungen auf der Platte abzulegen. Ein Weg diesenEngpass zu umgehen besteht darin, ganze Verbin-dungsbibliotheken auf dem Sensorchip mit Sprayver-fahren in Mikroarray-Format aufzubringen. Gibtman nun das zu testende Rezeptorprotein zu einemsolchen Chip, so tritt dort, wo das Protein bindet, einegroße Massendifferenz auf. Aufgrund der ortsaufge-lösten Belegung des Chips mit Testverbindungen lässtsich einfach feststellen, welche Bibliotheksmolekülemit dem Testrezeptor in Wechselwirkung getretensind. Nachteil dieses Verfahrens ist allerdings, dass diezu testenden Verbindungen alle mit einem chemi-schen Anker versehen werden müssen, der eine Im-mobilisierung auf der Chipoberfläche erlaubt. DasOberflächen-Plasmonenresonanz-Verfahren hat in-

zwischen eine Empfindlichkeit erreicht, die die Detek-tion auch sehr kleiner Testverbindungen erlaubt. InAbschnitt 7.1 war die „ligand efficiency“ angespro-chen worden. Um gerade kleine, aber dennoch gutbindende Treffer finden zu können, bestückt man zu-nehmend die Testbibliotheken mit Verbindungen, dieein Molekulargewicht unter 250 Da aufweisen. Inzwi-schen hat sich der Begriff der „Fragmente“ für dieseSuchkandidaten eingebürgert. Dieser Begriff ist etwasunglücklich gewählt, da es sich hier um „vollständige“,allerdings recht kleine Moleküle handelt und nicht et-wa um chemische „Fragmente“, die als zusätzlicheBaugruppen an eine Leitstruktur angefügt werden.

Proteine denaturieren, wenn man sie erhitzt. Manspricht von der so genannten „Schmelztemperatur“,wenn der Entfaltungsprozess (Abschnitt 14.2) ein-tritt. Diese Temperatur kann man mit einem emp-findlichen Thermofühler bestimmen. Jetzt bewirktdie Bindung eines Liganden an ein Protein eine Ver-schiebung dieser Schmelztemperatur. Wie in Ab-schnitt 7.3 beschrieben, stellt die Fluoreszenz bzw. ei-ne Änderung dieser Eigenschaft eine extrem empfind-liche Nachweissonde dar. Um diesen Effekt auszunut-zen, lässt man das beim „Aufschmelzen“ entfaltendeProtein mit einem Fluoreszenzfarbstoff reagieren unddetektiert das ausgelöste Fluoreszenzsignal. Die durchdie Ligandenbindung verursachte Temperaturver-schiebung kann man als Nachweis verwenden, ob einLigand an ein Protein gebunden hat. Auf dieser Basisist es ebenfalls gelungen, quantitative Bindungsassayszu entwickeln. Dieses sehr empfindliche Nachweisver-fahren ist auch geeignet, schwach bindende Fragmen-te zu detektieren.

Insbesondere die Massenspektrometrie hat in derBiophysik in den letzten Jahrzehnten eine gewaltigeEntwicklung genommen. Vor allem sind es sehr scho-nende Verfahren, mit denen es gelingt, aus riesigen

7

Lichtquelle

Sensor-Chipmit Goldfilm

PrismaResonanz-Signal

Zeit

II

I

Intensität

Winkel

I II

PolarisiertesLicht

ReflektiertesLicht

III

Detektor

Fluss-Kanal

Sensorgram

Kon Koff

ЏЏ

? ? ?

�?

?

? ? ? ??

Џ

Џ

?Zielprotein Testligand

��

� � � �

Abb. 7.4 Prinzip der Oberflächen-Plasmonen-Resonanz (SPR). Die Me-thode registriert Änderungen des Bre-chungsindex an der Oberfläche einesSensorchips (grün). Das Ausmaß derMassenänderung auf der Goldoberflä-che, die durch Bindung eines Substrat-moleküls (gelb) an einen dort veran-kerten Rezeptor (rot) bedingt wird,führt zu einer Verschiebung des Reso-nanzwinkels des reflektierten Lichts (Iund II). Dadurch wird nicht nur die Bin-dungsaffinität vermessen, es gelingtauch, kinetische Parameter der Assozi-ation (Kon) und Dissoziation (Koff) zu er-mitteln.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 104

Page 21: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

Makromolekülen nur einzelne Elektronen herauszu-schlagen oder gar negativ geladene Teilchen zu erzeu-gen. Im besten Fall gelingt es, das zu untersuchendeProtein in intakter Form als einfach geladenes Ionherzustellen. Geladene Teilchen kann man zwischenaufgeladenen Kondensatorplatten beschleunigen. Esentsteht ein Strom bewegter geladener Teilchen, diesich durch Anlegen eines Magnetfelds ablenken las-sen. Welche Flugbahn ein bestimmtes Teilchen ein-schlägt, hängt von dessen Masse und Ladung ab. Da-her gelingt es, Teilchen nach ihrem Masse-zu-La-dungsverhältnis zu separieren und durch eine pas-sende Elektronik nachzuweisen. Dieses Prinzip ist mitäußerst ausgefeilter Technik und durch geschickteKombination unterschiedlicher elektrischer undmagnetischer Felder so weit verfeinert worden, dass esheute möglich ist, selbst bei riesigen Proteinen einzel-ne Massenunterschiede weniger Dalton gesichertnachzuweisen. Ausgeklügelte Versuchsbedingungenermöglichen es, eine Situation aus dem gelösten Zu-stand, beispielsweise einen gebildeten Protein-Li-gand-Komplex, unzerstört in die Gasphase zu über-führen. Dort wird er ionisiert und im Massenspektro-

meter nachgewiesen. Somit steht auch über diesesVerfahren ein Assay bereit, die Bindung sehr kleinerLiganden an Proteine nachzuweisen. Ja, es gelingt so-gar durch Variation der Beschleunigungsspannungden gebildeten Komplex zum Zerfall zu bringen. Überdie Registrierung der Spannung, bei der dieser Zerfalleintritt, lässt sich auf die Stärke eines Protein-Ligand-Komplexes schließen. Da dieser Zerfall in der Gaspha-se passiert, werden Angaben zur Bindungsstärke sol-cher Komplexe im wasserfreien Medium verfügbar.

Liganden lassen sich auch mit einem Protein „fi-schen“. Dazu exponiert man das Protein, für das einLigand gesucht wird, in wässriger Lösung einer gan-zen Bibliothek von Testverbindungen. Was aus dieserBibliothek an das Zielprotein binden kann, wird dortgefangen. Anschließend trennt man das Protein übereinen Mikrofilter ab und setzt die gebundenen Ligan-den frei, indem man das Protein über einen chemi-schen Prozess denaturiert. Die Lösung mit den freige-setzten Liganden wird aufgearbeitet und einer Mikro-HPLC-Trennung unterworfen. Die chromatogra-phisch getrennten Liganden müssen dann einerempfindlichen Analytik zugeführt werden, um festzu-stellen, welche Mitglieder aus der ursprünglichen Bib-liothek von dem Protein herausgefischt wurden.

Der Bindungsvorgang eines Liganden an ein Pro-tein entspricht einer chemischen Reaktion. Jede Reak-tion ist mit einer mehr oder weniger starken Wärme-tönung verbunden. Somit kann bei dem Prozess ent-weder Wärme frei (exotherm) oder aufgebraucht wer-den (endotherm). Dieses Wärmesignal kann zurRegistrierung der Bindung eines Liganden an ein Pro-tein dienen. Es benötigt dazu ein sehr empfindlichesKalorimeter. Mit einer elektronisch gesteuertenKompensationsheizung versehen, erreichen diese Ge-räte eine erstaunliche Empfindlichkeit. Beispielsweisewurde ein solches Gerät umgebaut, um in einem Tier-versuch die Aktivität eines Schmetterlings zu studie-ren, wenn er mit verschiedenen Lockstoffen (Phero-monen) angeregt wird. Die beim Flügelschlag desSchmetterlings erzeugt Wärme in der Messkammerwurde als Signal durch das Kalorimeter registriert.

In einem solchen Kalorimeter wird tropfenweiseaus einer Dosierspritze der gelöste Ligand in eine vor-gelegte Lösung des Zielproteins titriert. Bei jedemTropfen tritt ein Wärmesignal auf. Mit fortschreiten-der Sättigung des Proteins nimmt das Wärmesignalab, sodass man aus dem Kurvenverlauf auf die Bin-dungskonstante des Liganden an das Protein schlie-ßen kann (Abb. 7.5). Integriert man über alle Messsig-nale, die sich beim Eintropfen ergeben haben, so re-sultiert daraus die gesamte Wärmetönung, die beidem Bindungsprozess geflossen ist. Damit sind zwei

7. Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 1057

Abb. 7.5 Bei der isothermalen Titrationskalorimetrie gibt mantropfenweise den gelösten Liganden in eine vorgelegte Lösungdes Proteins. Die Bindung an das Protein führt zu einer exo-thermen bzw. endothermen Reaktion. Die mit jedem einge-brachten Tropfen geflossene Wärmemenge deutet sich als Flä-che unter den einzelnen Signalspitzen (engl. peaks) an. IhreSumme (Integration) ergibt die bei der Bindung übertrageneBindungsenthalpie ∆H. Mit zunehmender Zugabe des Ligan-den wird das Protein gesättigt, sodass die Wärmesignale inihrer Intensität abnehmen. Aus dem Kurvenverlauf kanndie Bindungskonstante (Dissoziationkonstante) und über ∆G = –RT ln Kd die Freie Bildungsenthalpie ∆G ermittelt wer-den. Gleichzeitig ergibt sich die Stöchiometrie der Umsetzung.Die Entropie der Bindung wird nach ∆G = ∆H – T∆S berech-net.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 105

Page 22: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

106 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

wichtige thermodynamische Größen des Bindungs-vorgangs erfasst. Aus der Gleichgewichtskonstantefolgt die freie Enthalpie ΔG, und die summierte Wär-memenge entspricht der Enthalpie ΔH (Abschnitt4.3). Unter Verwendung von Gleichung 4.3 lässt sichdann die Entropie für den Bindungsvorgang berech-nen. Wichtig ist, dass neben dem Nachweis der Bin-dung eines Liganden an das Protein in einem einzigenExperiment bei einer vorgegebenen Temperatur diewichtigen thermodynamischen Größen ΔG, ΔH, undΔS zugänglich werden.

Das Verfahren der isothermalen Titrationskalori-metrie ist kein Verfahren für den hohen Durchsatz. Eswird eher zur Analyse und Beschreibung des Bin-dungsvorgangs eingesetzt. Wegen seiner Wichtigkeit,vor allem im Hinblick auf die Optimierung von Li-ganden, werden wir die Methode nochmals in Ab-schnitt 8.8 aufgreifen.

7.8 Screening mit derkernmagnetischen Resonanz

Das Verfahren der NMR-Spektroskopie wird in Ab-schnitt 13.7 genauer vorgestellt. An dieser Stelle seiverraten, dass es hierbei um die Ausrichtung der mag-netischen Momente von Atomkernen in einer Sub-stanzprobe geht. Es gelingt durch geschickt gewählteräumliche und zeitliche Anordnungen und Abfolgenvon elektromagnetischen Feldern, die Kerne in einemvon außen angelegten Magnetfeld spezifisch anzure-gen. Dies kann man z. B. mit einer Kernsorte im Pro-tein durchführen. Gibt man in eine solche Lösung ei-nen Testliganden oder ein ganzes Gemisch Liganden,so können diese, falls sie geeignet sind, an das Proteinbinden. Je nach Bindungsstärke verweilen sie für ei-nen gewissen Zeitraum an dem magnetisch gesättig-ten Protein. Dabei überträgt sich Magnetisierungvon dem Protein auf die zwischenzeitlich gebundenenLiganden. Nachdem diese wieder abdissoziert sind,kann man sie mit veränderten magnetischen Eigen-schaften spektroskopisch nachweisen, da im unkom-plexierten Zustand die übertragenen Magnetisierun-gen auf dem Liganden schneller abklingen. Man ver-misst die Lösung der Liganden mit und ohne magne-tisiertes Protein. Dann wertet man die Differenzenzwischen den Spektren aus. Dort werden nur Signalefür Liganden zu erkennen sein, die zwischenzeitlichan das Protein gebunden haben und auf die überdiesen Weg Magnetisierung übertragen wurde. Dieseso genannten Sättigungstransferdifferenz-Spektren

(STD) können somit auch zum Screening nach mög-lichen Liganden eingesetzt werden (Abb. 7.6). Für dasbeschriebene Prinzip des Transfers von Magnetisie-rung sind viele Varianten und ausgefeilte Messproto-kolle entwickelt worden. Auch verwendet man so ge-nannte Reporter- oder Spionliganden, die ein einfachzu vermessendes NMR-Signal abgeben können. Ger-ne wird dazu die Resonanz von Fluoratomen verwen-det. Man braucht dazu einen an das Protein binden-den fluorhaltigen Reporterliganden, dessen Bindungallerdings nicht zu stark sein darf. Er soll nämlichdurch die zugesetzten Testliganden wieder vom Pro-tein verdrängt werden. Seine Freisetzung macht sichdann im veränderten NMR-Spektrum bemerkbarund verrät darüber die Bindung eines Testliganden andas Protein. Wie in Abschnitt 13.7 genauer ausgeführtwird, lässt sich durch Isotopenmarkierung und dieVermessung geschickt gekoppelter NMR-Spektrenauch die räumliche Struktur von Proteinen ermit-teln. Entsprechend lässt sich an einem markiertenProtein durch selektive Verschiebung von Resonanzenfeststellen, wo der Testligand an das Protein bindet. Imgünstigen Fall gelingt es sogar zu beobachten, dasszwei Liganden gleichzeitig oder unterschiedliche Li-ganden an nicht überlappenden Stellen in einer Bin-detasche an ein Protein binden. Bei der Firma Abbott

7

RF(selektiv)( )

schnell schnell

minus =

Abb. 7.6 Zur Bestimmung von Sättigungstransferdifferenz-Spektren (STD) mit der NMR-Methode gibt man eine Bibli-othek von Testliganden (�) zu dem Zielprotein (Ellipse). Poten-zielle Binder (hier: �) werden für einige Zeit gebunden an demProtein verweilen. Sättigt man eine Kernsorte in dem Proteinselektiv (rot) durch Einstrahlung einer geeigneten Resonanz-frequenz (RF), so kann von dem Protein Magnetisierung aufden zwischenzeitlich gebundenen Liganden (�) übertragenwerden (NOE-Effekt, s. Abschnitt 13.7). Diese Liganden verra-ten sich durch veränderte Spektren im wieder freigesetztenZustand. Bildet man nun die Differenz der Spektren (unten)zwischen der Situation mit gesättigtem und nicht gesättigtemProtein, so lassen sich die Liganden ermitteln, die zwischen-zeitlich an das Protein gebunden haben. Für das beschriebenePrinzip des Transfers von Magnetisierung sind viele Variantenund ausgefeilte Messprotokolle entwickelt worden.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 106

Page 23: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

wurde in der Gruppe von Steven Fesik diese Methodeentwickelt. Sie ist unter dem Begriff „SAR-by-NMR“bekannt geworden und wird für die Leitstruktursucheund Optimierung eingesetzt. Für die Matrixmetallo-proteinase Stromelysin (Abschnitt 25.6) konnte mitdieser Methode ein nanomolarer Inhibitor gefundenwerden. Zunächst wurde eine potente Gruppe ge-sucht, die an das Zinkion im katalytischen Zentrumdieser Protease binden kann. Mit Acetohydroxamsäu-re 7.1 wurde ein solches Molekül entdeckt, das mitKd = 17 mM zwar schwach, aber spezifisch bindet(Abb. 7.7). Nach Auffinden dieses Liganden wird die

Bindestelle am Zinkion damit gesättigt. Die weiterenNMR-Messungen konzentrieren sich auf die Suchenach einem Liganden für die benachbarte S1’-Binde-tasche. Dazu wurde eine kleinere Bibliothek von Hete-roarylphenyl- und Biphenylderivaten eingesetzt. Alsein Treffer erwies sich 4-Cyano-4’-hydroxy-biphenyl7.2. Auf der rechten Seite in Abb. 7.7 sind die beidenLiganden in der Bindetasche gezeigt. Die Auswertungder Strukturdaten ergab, dass der hydroxylierte Phe-nylring in räumlicher Nähe zur Methylgruppe derAcetohydroxamsäure bindet. Daher lag es auf derHand, beide Fragmente zu verknüpfen. Als Brücke

7. Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 1077

OHNH

CH3

Kd = 17 mM

7 1OH

O

Zn2+ S1'

7.1

Stromelysin

a d

b

c

K = 17 mM KHis211

OHNH

CH3 OH

d d

7.2

Zn2+Val163

O

CNZn2+ S1'His205

Stromelysin

IC50

7.3OOHNH

O

IC50

His2117.3

O

CNZn2+

Stromelysin

S1' Zn2+

Val163

His211

Stromelysin

His205

e

= 0,02 mM

= 25 nM

Abb. 7.7 Bei der „SAR-by-NMR“-Methode wird in großen, komplexen Mischungen nach kleinen, schwach affinen Liganden einesProteins, hier Stromelysin, gesucht. Man verwendet dazu 15N-markierte Proteine und vermisst so genannte 15N-1H-HSQC-Spek-tren. Macht sich ein Ligand wie Acetohydroxamsäure 7.1 durch spezifische Verschiebung einiger Resonanzen von Aminosäurenbemerkbar, die in die Bindetasche ragen, so kann daraus seine Bindungsgeometrie ermittelt werden (a, d). Anschließend sättigtman die Bindestelle mit diesem Liganden. Mit weiteren NMR-Messungen wird jetzt nach anderen Liganden für benachbarteBindestellen gesucht. Diese verraten sich durch Verschiebung der Resonanzen räumlich benachbarter Aminosäuren. So wurde4-Cyano-4’-hydroxy-biphenyl 7.2 als Treffer entdeckt (b, d). Chemische Verknüpfung der beiden Treffer 7.1 und 7.2 mit einer CH2–CH2–O-Brücke ergab mit 7.3 einen nanomolaren Inhibitor der Protease Stromelysin (c, e).

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 107

Page 24: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

108 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

wurde eine Ethylenoxygruppe ausgewählt und mitdem Biphenylcyanorest verknüpft. Die NMR-Spek-troskopie konnte die Strukturhypothese bestätigtenund ein Inhibitor 7.3 mit Affinität von 25 nM war ge-funden!

7.9 KristallographischesScreening nach kleinenMolekülfragmenten

Die Kristallstrukturanalyse liefert die genaue räumli-che Position eines Moleküls in der Bindetasche einesProteins. Selbst die Geometrie von kleinen, sehrschwach bindenden Molekülen lässt sich gut erken-nen. In Strukturen, die unter 2–2,5 Å aufgelöst sind(Abschnitt 13.5), erkennt man in aller Regel Wasser-moleküle als diskrete Dichtemaxima. Oft deuten siePositionen in der Bindetasche an, die analog durch

polare funktionelle Gruppen eines Liganden besetztwerden können (Abb. 7.8). Dagmar Ringe in derGruppe von Greg Petzko setzte Anfang der 1990er-Jahre gezielt Proteinkristalle Lösungsmittelmolekülenaus, um diese in die Kristalle eindiffundieren zu lassen(Abschnitt 20.2). Findet man sie anschließend in derBindetasche populiert, so spionieren diese Moleküleals kleine Sonden bevorzugte Bindebereiche in derProteintasche aus. In Abb. 7.8 ist für Thermolysin, ei-ne Zinkprotease (Abschnitt 25.3), gezeigt, wo Lö-sungsmittelmoleküle wie Isopropanol, Acetonitriloder Aceton anzutreffen sind.

Auch Phenol gelingt es, als kleines organisches Mo-lekül in die Bindetasche des Thermolysins einzudif-fundieren. Phenylbernsteinsäure, eine Leitstrukturder typischen Fragmentgröße, bindet an die Zinkpro-tease. Seine Bindungsposition konnte kristallogra-phisch aufgeklärt werden. Der Phenylring dieses Mo-leküls kommt auf der durch Phenol ausgekundschaf-teten Position zu liegen. Die eine Säurefunktion derBernsteinsäure befindet sich an einer Stelle, die durch

7

Phe114 Phe114

Asn112Asn112

Zn2+Zn2+

Zn2+

Arg203Arg203

O

a b

OHOH OOH

OH

O

CH3

NH2O

Benzylbernsteinsäure

OHAcetonWasser Acetonitril Isopropanol Phenol

Abb. 7.8 In Kristalle des Proteins Thermolysin gelang es, kleine Sondenmoleküle (so genannte „Fragmente“) einzudiffundieren.(a) Überlagerung mehrerer Strukturen, in die Wasser (rote Kugeln), Isopropanol (C-Atome grau), Aceton (C-Atome hellblau), Ace-tonitril (C-Atome grün) und Phenol (C-Atome violett) eingedrungen sind. Sie beschreiben potenzielle Positionen für funktionelleGruppen eines Liganden. In (b) ist zusätzlich die Struktur von Benzylbernsteinsäure gezeigt, einem schwach bindenden Inhibitordes Thermolysins. Das Molekül koordiniert mit seiner einen Säurefunktion das katalytische Zinkion (links). Die beidenSauerstoffatome der Säuregruppe verdrängen zwei Wassermoleküle, die in der unkomplexierten Struktur zu finden sind. Die an-dere Carboxylatgruppe bildet mit dem benachbarten Arg 223 eine Salzbrücke. An nahezu gleicher Stelle war das Sauerstoffatomeines Acetonmoleküls gefunden worden. Der Phenylring der Benzylbernsteinsäure fällt nahezu auf die gleiche Position, an der dasPhenol in einer Fragmentstruktur gefunden worden war. Benzylbernsteinsäure kann als Startstruktur für eine weitere Optimierunggenutzt werden.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 108

Page 25: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

den Carbonylkohlenstoff des Acetons angedeutetwurde. Die zweite Säuregruppe koordiniert an dasZinkion und besetzt Positionen, die im unkomple-xierten Zustand durch Wassermoleküle eingenom-men werden (Abb. 7.8). Es gibt viele Protein-Ligand-Komplexe, in die neben dem Liganden noch anderekleine Moleküle aus dem Kristallisations- oder Kryo-puffer aufgenommen wurden. Man kann sie nachherals kleine Sonden in der Bindetasche wieder finden.Ein kreativer Wissenschaftler wird ihre Positionen di-rekt für das Design neuer Wirkstoffkandidaten aus-nutzen. Somit lag es auf der Hand, die Kristallstrukturauch gleich gezielt zum Screening kleiner Moleküleoder „Fragmente“ (molare Masse < 250 Da) auszu-nutzen.

Eine Kristallstrukturbestimmung ist auch heutenoch ziemlich aufwendig. Dennoch kann man sieweitgehend automatisieren und so Substanzbankeneiniger hundert Moleküle durchmustern. Dazu nutztman aus, dass kleine Moleküle in fertige Proteinkris-talle eindiffundieren können (so genanntes „soaking“,Abschnitt 13.9). Verwendet man einen „Cocktail“ vonmehreren Testliganden, so kann man das Screeningbeschleunigen. Bis zu zehn Verbindungen setzt mangleichzeitig den Proteinkristallen aus. Man stellt sie soin den Cocktails zusammen, dass die gemischt vorlie-genden Verbindungen recht unterschiedliche Gestalt(lang gestreckt, gewinkelt, kugelförmig etc.) besitzen.So lassen sie sich nachher gut in der Elektronendichte(s. Abschnitt 12.5) unterscheiden. Um den Aufwandund die Ausbeuten für das kristallographische Scree-ning zu optimieren, stellt man häufig ein anderes undschnelleres Screeningverfahren voran, um möglicheTreffer aus einer Fragmentbibliothek vorzufiltern.Nur die dort aufgefallenen Treffer gibt man in daskristallographische Screening. Allerdings sind nur we-nige der in den voranstehenden Abschnitten beschrie-benen Screeningverfahren wirklich geeignet, die klei-nen, sehr schwach bindenden Kandidaten aus einerFragmentbibliothek auch wirklich nachzuweisen.Häufig handelt es sich nur um millimolar bindendeKandidaten.

Die mit dem kristallographischen Fragmentscree-ning entdeckten Treffer lassen sich weiterentwickeln(Abschnitt 20.7). Eine Möglichkeit besteht darin, ana-log der im Abschnitt 7.6 vorgestellten „SAR-by-NMR“-Methode zwei Treffer, die in unterschiedlichenRegionen der Bindetasche aufgefunden werden, che-misch über eine Brücke zu verknüpfen. Eine andere,in aller Regel erfolgreichere Variante versucht Frag-menttreffer chemisch zu erweitern. Dazu werden aufder Basis der Kristallstruktur zusätzliche Reste an dasTreffermolekül angefügt. Nach dessen Synthese wird

eine erneute Kristallstruktur bestimmt. Über diesenWeg können ursprüngliche Treffer, die als Keime die-nen, zu vergrößerten und fester an das Protein bin-denden Liganden in der Bindetasche heranwachsen.

7.10 Liganden an der Leinekundschaften Proteinober-flächen aus

In flachen, zum umgebenden Lösungsmittel hin ge-öffneten Taschen binden Liganden nur mit sehr ge-ringer Affinität. Daher ist es extrem schwierig, ihreBindung nachzuweisen oder eine Kristallstruktur mitderart gebundenen Liganden zu bestimmen. JamesWells entwickelte mit seinen Mitarbeitern in der Fir-ma Sunesis bei San Francisco die Idee, Liganden fürsolche Bindetaschen einfach an die Leine zu legen.Chemisch gesehen heißt dies, man führt eine Reak-tion an einem Cysteinrest an der Proteinoberflächenahe der Bindetasche durch. Dazu muss entweder einsolches Cystein bereits in dem natürlichen Proteinvorliegen oder man führt es durch Mutagenese ein(Abschnitt 12.2). An der Thiolgruppe des exponiertenCysteins kann man anschließend über die Bildung ei-ner Disulfidbindung unter geeigneten Reaktionsbe-dingungen Liganden verankern (Abb. 7.9). Dort re-agieren nur die Kandidaten aus einer Verbindungs-bibliothek, die geeignet sind, in der Oberflächenre-gion nahe der Thiolgruppe des Cysteins eineWechselwirkung aufzubauen. Sie kundschaften prak-tisch die umliegende Region aus, reagieren mit demCystein und verbleiben durch die gebildete Disulfid-brücke fest mit der Oberfläche verknüpft. ErfolgreicheKomplexbildung wird massenspektrometrisch nach-gewiesen. James Wells und Robert Strout wähltenThymidylatsynthase als ein erstes Testbeispiel aus.Dieses Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der Neu-synthese von Thymidin, einem essenziellen Bausteinfür die DNA. Zellen mit hoher Teilungsrate brauchenvor allem diesen Baustein, sodass Inhibitoren diesesEnzyms potente Antiinfektiva oder Krebsmittel dar-stellen (Abschnitt 27.2).

Thymidylatsynthase besitzt einen Cysteinrest in Po-sition 146 nahe dem katalytischen Zentrum. Aus einerBibliothek von 1200 Disulfiden erwiesen sich die Ver-bindungen 7.4–7.7 als Binder, wogegen die sehr ähn-lichen Derivate 7.8–7.11 nicht selektiert wurden (Abb.7.10). Demnach erscheint ein Phenylsulfonamid zu-sammen mit einem Prolinrest essenziell für die Bin-dung. Als nächstes wurde der Disulfidanker entfernt

7. Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 1097

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 109

Page 26: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

110 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

und für N-Tosyl-D-Prolin 7.12 ließ sich eine 1,1-milli-molare Bindungskonstante nachweisen (Abb. 7.11).Um das Konzept weiter zu überprüfen, wurde Cys 146gegen ein Serin ausgetauscht (Abb. 7.12). Nachdemmit dieser Mutante keine Bindung mehr nachzuweisenwar, wurde das benachbarte His 147 zu Cystein mu-tiert. Doch konnte auch diese Mutante den N-Tosyl-prolylrest nicht herausfischen. Dagegen erwies sich dieMutante in Position 143 erfolgreich (Abb. 7.12). Hierwird ein Leucin gegen Cystein ersetzt. In den anschlie-ßend bestimmten Kristallstrukturen zeigte sich, dass

die beiden kovalent über Disulfidbrücken verankertenKomplexe den N-Tosylprolylbaustein nahezu iden-tisch fixieren, so wie er auch ohne den S–S-Anker ge-bunden wird (Abb. 7.12). Dies ist ein überzeugenderBeweis, dass nicht die kovalente Verknüpfung für dieBindungsgeometrie verantwortlich ist. Vielmehr er-laubt das Verfahren kleine, zunächst nur schwach bin-dende Liganden aus einer großen Bibliothek herauszu-fischen. Aus dem eingangs millimolaren Treffer 7.12konnte durch Übertragen der Seitenkette aus dem na-türlichen Cofaktor Methylentetrahydrofolsäure 7.13

7

R

R R

SS

SS

R

R

SS

SH

S

SS

SS

S

SH SS

+

Abb. 7.9 Die Thiolgruppe des exponierten Cysteins wird als Ankergruppe zur Bildung einer Disulfidbindung mit Ligandenkandida-ten aus einer Verbindungsbibliothek verwendet. Dort reagieren nur Liganden, die geeignet sind, zu der Oberflächenregion naheder Thiolgruppe des Cysteins eine Wechselwirkung aufzubauen. Von einem solchen kovalent verknüpften Komplex wird eine Kris-tallstruktur bestimmt (Abb. 7.12). Nach Optimierung des primär entdeckten Treffers kann man auf den Disulfidanker verzichtenund hat einen nichtkovalenten Inhibitor entwickelt.

CH3 FCH

OS

S

OS

S

S

S

S

CH3

SO N

OS

O N

O

NCH3 S

S

SO N

O

7.4 7 5 7 8 7 9

CH3CH3

CH3

CH3 CH3

7.5 7.8 7.9

SO

S

S

SO

S

S

Cl

SO

S

S

SO

S

S

SO N

SO N O N

HS

O NH

7.6 7.7

7.10 7.11

Abb. 7.10 Aus einer Bibliothek von 1200 Disulfiden erwiesen sich die auf der linken Seite aufgeführten Verbindungen 7.4–7.7 alsBinder, wogegen die strukturell ähnlichen Derivate 7.8–7.11 (rechts) nicht als an das Protein bindend selektiert wurden.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 110

Page 27: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

über zwei Schritte ein nanomolarer Inhibitor 7.15 ent-wickelt werden (Abb. 7.11).

Die Methode des „tethering“ (engl. Anbinden)kann ziemlich generell eingesetzt werden. Sie hat vorallem bei der Suche nach Liganden, die die Ausbil-dung von Protein-Protein-Kontaktflächen blockie-ren (Abschnitt 10.6) Erfolge erzielt. Dabei erweistsich als großer Vorteil, dass nicht zusätzlich ein bio-

chemischer Bindungsassay zu entwickeln ist.Schwach bindende Liganden werden kovalent „an dieLeine“ gelegt und können nicht einfach bei der Kom-plexbildung mit dem anderen Protein „weggewa-schen“ werden. Außerdem erlauben die kovalent an-gebrachten chemischen Sonden vor allem, die Adap-tionsfähigkeit von Oberflächenregionen auszukund-schaften.

7. Screening-Technologien zur Leitstruktursuche 1117

HOOC COOH HOOC COOH

HOOC COOH

CH3

NHO

HOOC COOH

NHO

HOOC COOHNHO

SO

COOH

SO

COOH

SO

NHO

COOH

N

SO N

SO N

SO N

HN

N

NH

NO

7.147.12 7.15N

NH2 7.13

Ki = 1,1 mM Ki = 330 nMKi = 24 Mμ

Abb. 7.11 Aus dem millimolaren N-Tosyl-D-Prolin 7.12 konnte durch Übertragen der Seitenkette aus dem natürlichen CofaktorMethylentetrahydrofolsäure 7.13 in zwei Schritten der nanomolare Inhibitor 7.15 entwickelt werden.

S S

Cys143

7 4

Cys143Leu

= 7.4

SS

S

Cys146

= 7.4

7 12Cys146Ser

= 7.12His147

Abb. 7.12 Überlagerung der Kristallstrukturen des Enzyms Thymidylatsynthase mit zwei an Cys 143 (C-Atome des Liganden 7.4

grün) bzw. Cys 146 (C-Atome des Liganden 7.4 violett) kovalent über S–S-Brücken verankerten N-Tosyl-D-Prolin-Derivaten. Nach Abtrennen des Disulfidankers erwies sich das freie N-Tosyl-D-Prolin (C-Atome grau, 7.12) als Ligand mit einer Affinität von 1,1 mM.Seine Bindungsgeometrie ist sehr ähnlich den beiden kovalent verankerten Derivaten.

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 111

Page 28: Gerhard Klebe Wirkstoffdesign - bücher.de · 13.4 Die Kristallstrukturbestimmung: Auswertung der Anordnung und Intensitäten der Röntgenreflexe 195 13.5 Streuvermögen und Auflösung

112 Teil II · Leitstruktur-Suche und Optimierung

Literatur

Allgemeine Literatur

M.T.S. Stubbs und G. Klebe, in Die Pharmaindustrie, Eds. D. Fi-scher, J. Breitenbach, Spektrum Akademischer Verlag, Hei-delberg, Berlin, 2005

M. Vogtherr und K. Fiebig, NMR-Based Screening Methods forLead Discovery S. 183–202, in Modern Methods of Drug Dis-covery, Ed. A. Hillisch und R. Hilgenfeld, Birkhäusen Verlag,2003 ISBN: 376436081X

G. Klebe, Virtual Ligand Screening: Strategies, Perspectivesand Limitations, Drug Discov. Today 11, 580–592 (2006)

T. L. Blundell, H. Jhoti und C. Abell, High-Throughput Crystallo-graphy for Lead Discovery in Drug Design, Nat. Rev. DrugDiscov. 1, 45–54 (2002)

P. J. Hajduk und J. Greer, A Decade of Fragment-based Drug De-sign: Strategic Advances and Lessons Learned. Nat. Rev.Drug Discov. 6, 211–219 (2007)

M. M. Siegel, Early Discovery Drug Screening Using Mass Spec-trometry, Current Topics in Medicinal Chemistry 2, 13–33(2002)

A. K. Jones, S. D. Buckingham und D. B. Sattelle, Chemistry-to-Gene Screens in Caenorhabitis Elegans, Nat. Rev. Drug Dis-cov. 4, 321–330 (2005)

S.Löfås, Optimizing the Hit-to-Lead Process Using SPR Analy-sis. Assay Drug Dev. Technol. 2, 407–415 (2004)

W. Jahnke und D. A. Erlanson, Fragment-based Approaches inDrug Discovery (Band 34 in Methods and Principles in Me-dicinal Chemistry, R. Mannhold, H. Kubinyi und G. Folkers,Hrsg., Wiley-VCH, Weinheim, 2006

Spezielle Literatur

P. J. Hajduk, G. Sheppard, D. G. Nettesheim, E. T. Olejniczak, S.B. Shuker, R. P. Meadows, D. H. Steinman, G. M. Carrera, Jr.,P. A. Marcotte, J. Severin, K. Walter, H. Smith, E. Gubbins, R.Simmer, T. F. Holzman, D. W. Morgan, S. K. Davidsen, J. B.Summers und S. W. Fesik, Discovery of Potent NonpeptideInhibitors of Stromelysin Using SAR by NMR, J. Am. Chem.Soc. 119, 5818–5827 (1997)

D. A. Erlanson, A. C. Braisted, D. R. Raphael, M. Randal, R. M.Stroud, E. M. Gordon und J. A. Wells, Site-directed LigandDiscovery, PNAS 97, 9367–9372 (2000)

7

001_Klebe_.qxd 04.03.2009 7:29 Uhr Seite 112