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Gerinnungsstörungen in der Geburtshilfe W. Rath a * und F. Bergmann b a Universitätsklinikum RWTH Aachen, Gynäkologie & Geburtshilfe, Aachen, Deutschland b MVZ wagnerstibbe, amedes-Gruppe, Gerinnungslabor, Hannover, Deutschland 1 Zum Einstieg Trotz des zunehmenden Bewusstseins fur die Gefährdung und der interdisziplinären Betreuung von Frauen mit einer Blutgerinnungsstörung gehören diese Erkrankungen in Schwangerschaft und Wochenbett auch heute noch zu den Hauptursachen mutterlicher Morbidität und Mortalität. Weltweit stehen postpartale Blutungen (PPH) mit einem Anteil von 25 % an 1. Stelle direkter Muttersterbefälle (12/100.000 Geburten). Die Verlust-(Verdunnungs-)koagulopathie, bedingt durch massiven Blutverlust bzw. Verlust an Ge- rinnungsfaktoren (primär traumatische Blutung) in Verbindung mit Volumensubstitution ist die häugste Gerinnungsstörung (z. B. nach postpartaler Atonie). Dabei kann es bereits in der Initialphase schwerer Blutungen zu einer Hyperbrinolyse kommen. Die realistische Einschätzung des Blutverlustes, die sofortige Diagnose und Beseitigung der Blutungsursache, die rasche laborchemische Erfassung einer Gerinnungsstörung und deren Behandlung mit Tranexamsäure, Fibrinogenkonzentrat und gefrorenem Frischplasma (FFP) sowie die Substitution von Erythrozytenkonzentraten sind bei einem Blutverlust 2030 % des zirkulierenden Blutvolumens unabdingbare Voraussetzungen zur Vermeidung lebens- bedrohlicher Blutungskomplikationen. Bei schwerer Präeklampsie/HELLP-Syndrom, vorzeitiger Plazentalösung, Fruchtwasserembolie und septischen Komplikationen kann es zur Entwicklung einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) mit konsekutiver Verbrauchskoagulopathie kommen (primär koagulopathische Blutung). Mit der Rotationsthrombelastometrie (ROTEM) steht heute eine Point-of-care-Methode zur Verfu- gung, die eine zeitnahe, differenzierte Analyse der akuten Koagulopathie ermöglicht. Chronische erworbene Hämostasestörungen wie die Autoimmunthrombozytopenie und die seltene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura sowie die angeborenen Gerinnungsstörungen wie das von-Willebrand-Syndrom, der Faktor-VII-Mangel und der Konduktorinnenstatus fur die Hämophilie A oder B erfordern eine differenzierte Gerinnungsanalytik und ein interdisziplinäres Vorgehen mit spezieller Substitutionstherapie intra- und postpartal. Durch die Anamnese und den Einsatz von Blu- tungsscores sollten Patientinnen mit einer hereditären Blutungsneigung rechtzeitig identiziert werden (ISTH/SSC bleeding assessment tool, BAT; Rodeghiero et al. 2010). 2 Die Hämostase in der physiologischen Schwangerschaft In der physiologischen Schwangerschaft besteht eine Hyperkoagulabilität, deren Ziel die Verminderung des peripartalen Blutverlustes ist. Dies betrifft vor allem diffuse Blutungen aus der Plazentahaftäche (plazentarer Blutuss am Termin ca. 700 ml/min). Die adäquate Kontraktion des Myometriums nach der Geburt sowie Vasospasmus sind entscheidende Voraussetzungen, damit die in der Schwangerschaft gesteigerte Gerinnungsfähigkeit des Blutes wirksam werden kann. Daruber hinaus kommt der vermehrten *E-Mail: [email protected] Die Geburtshilfe DOI 10.1007/978-3-662-44369-9_41-1 # Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Seite 1 von 38

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Gerinnungsstörungen in der Geburtshilfe

W. Ratha* und F. BergmannbaUniversitätsklinikum RWTH Aachen, Gynäkologie & Geburtshilfe, Aachen, DeutschlandbMVZ wagnerstibbe, amedes-Gruppe, Gerinnungslabor, Hannover, Deutschland

1 Zum Einstieg

Trotz des zunehmenden Bewusstseins f€ur die Gefährdung und der interdisziplinären Betreuung vonFrauen mit einer Blutgerinnungsstörung gehören diese Erkrankungen in Schwangerschaft undWochenbett auch heute noch zu den Hauptursachen m€utterlicher Morbidität und Mortalität. Weltweitstehen postpartale Blutungen (PPH) mit einem Anteil von 25 % an 1. Stelle direkter M€uttersterbefälle(1–2/100.000 Geburten).

Die Verlust-(Verd€unnungs-)koagulopathie, bedingt durch massiven Blutverlust bzw. Verlust an Ge-rinnungsfaktoren (primär traumatische Blutung) in Verbindung mit Volumensubstitution ist die häufigsteGerinnungsstörung (z. B. nach postpartaler Atonie). Dabei kann es bereits in der Initialphase schwererBlutungen zu einer Hyperfibrinolyse kommen. Die realistische Einschätzung des Blutverlustes, diesofortige Diagnose und Beseitigung der Blutungsursache, die rasche laborchemische Erfassung einerGerinnungsstörung und deren Behandlung mit Tranexamsäure, Fibrinogenkonzentrat und gefrorenemFrischplasma (FFP) sowie die Substitution von Erythrozytenkonzentraten sind bei einem Blutverlust�20–30 % des zirkulierenden Blutvolumens unabdingbare Voraussetzungen zur Vermeidung lebens-bedrohlicher Blutungskomplikationen.

Bei schwerer Präeklampsie/HELLP-Syndrom, vorzeitiger Plazentalösung, Fruchtwasserembolie undseptischen Komplikationen kann es zur Entwicklung einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC)mit konsekutiver Verbrauchskoagulopathie kommen (primär koagulopathische Blutung).

Mit der Rotationsthrombelastometrie (ROTEM) steht heute eine Point-of-care-Methode zur Verf€u-gung, die eine zeitnahe, differenzierte Analyse der akuten Koagulopathie ermöglicht.

Chronische erworbene Hämostasestörungen wie die Autoimmunthrombozytopenie und die seltenethrombotisch-thrombozytopenische Purpura sowie die angeborenen Gerinnungsstörungen wie dasvon-Willebrand-Syndrom, der Faktor-VII-Mangel und der Konduktorinnenstatus f€ur die HämophilieA oder B erfordern eine differenzierte Gerinnungsanalytik und ein interdisziplinäres Vorgehen mitspezieller Substitutionstherapie intra- und postpartal. Durch die Anamnese und den Einsatz von Blu-tungsscores sollten Patientinnen mit einer hereditären Blutungsneigung rechtzeitig identifiziert werden(ISTH/SSC bleeding assessment tool, BAT; Rodeghiero et al. 2010).

2 Die Hämostase in der physiologischen Schwangerschaft

In der physiologischen Schwangerschaft besteht eineHyperkoagulabilität, deren Ziel die Verminderungdes peripartalen Blutverlustes ist. Dies betrifft vor allem diffuse Blutungen aus der Plazentahaftfläche(plazentarer Blutfluss am Termin ca. 700 ml/min). Die adäquate Kontraktion des Myometriums nach derGeburt sowie Vasospasmus sind entscheidende Voraussetzungen, damit die in der Schwangerschaftgesteigerte Gerinnungsfähigkeit des Blutes wirksamwerden kann. Dar€uber hinaus kommt der vermehrten

*E-Mail: [email protected]

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Freisetzung von „tissue-factor“ bei Lösung der Plazenta mit konsekutiver Aktivierung der intravasalenGerinnung eine zusätzliche Bedeutung zu (Boer et al. 2007).

Die wichtigsten Veränderungen der Hämostaseparameter in der Schwangerschaft sind in Tab. 1zusammengefasst (Übersichten bei: Thornton und Douglas 2010; Szecsi et al. 2010).

Danach resultiert die Hyperkoagulabilität aus:

– Anstieg verschiedener plasmatischer Gerinnungsfaktoren in graviditate (Tab. 1), insbesondere erheb-liche Zunahme des Fibrinogens (am Termin im Mittel auf 4,8 g/l, Bereich 3,5–9,0 g/l) und des von-Willebrand-Faktor/Faktor-VIII-Komplexes um das 2- bis 3-Fache des jeweiligen Ausgangswertes biszur Geburt.

– Verminderung der Gerinnungsinhibitoren, insbesondere der Abfall von Protein S. Dabei kommt es zueiner Reduktion des freien, gerinnungsaktiven Anteils des Protein S durch Koppelung anC4b-Bindungsprotein, welches in der Schwangerschaft ansteigt. Die parallel verlaufende Erhöhungder Faktor-VIII-Aktivität f€uhrt zu einer erworbenen aktivierten Protein-C- (APC)-Resistenz in vivo;Antithrombin bleibt durch die Schwangerschaft unbeeinflusst (Mathieu et al. 2007), und die Protein-C-Aktivität steigt leicht an (Said et al. 2010).

– Diese den Zustand der Hyperkoagulabilität fördernden Faktoren werden noch verstärkt durch eineVerminderung der fibrinolytischen Aktivität ab der 20. SSW; insbesondere kommt es zu einerVerminderung der Plasminogen-Aktivator-Konzentrationen (t-PA) und zu einer Erhöhung des imEndothel gebildeten Plasminogen-Aktivator-Inhibitors 1 (PAI-1) auf das 2- bis 3-Fache sowie zueinem Anstieg des aus der Plazenta stammenden PAI-2 im 1. Trimenon €uber den gesamten Schwan-gerschaftsverlauf. Bei zunehmender Thrombingenerierung wird der Inhibitor TAFI (Thrombin-aktivierbarer Fibrinolyseinhibitor) aktiviert, was eine weitere Stabilisierung des Fibringerinnselsbewirkt.

– Die ROTEM-Analyse ermöglicht eine plastische Darstellung der Gerinnungsaktivierung, Gerinnsel-bildung und Fibrinolyse in der normalen Schwangerschaft (Huissoud et al. 2009).

Als Ausdruck der Gerinnungsaktivierung mit gesteigerter Fibrinbildung steigt die Konzentrationder D-Dimere (terminales Lyseprodukt des quervernetzten Fibrins) in der normalen Schwangerschaft

Tab. 1 Physiologische Veränderungen des Gerinnungssystems in der Schwangerschaft

Parameter Veränderung

Thrombozyten (↓)

MPV, b-Thromboglobulin; Thromboxan A2 ↑

Fibrinogen, vWF/FVIII-Komplex ↑↑

FVII, IX, X, XII ↑

FV, XI �FXIII (↓)

Protein S; (erworbene APC-Resistenz) ↓

Protein C; Antithrombin ↑; �t-PA ↓

PAI-1, PAI-2, TAFI ↑

D-Dimere, F1 + 2, TAT ↑

Abk€urzungen:APC = aktiviertes Protein C, F = Faktor, F1 + 2 = Prothrombinfragmente 1 und 2, MPV = mittleres Thrombozytenvolu-men, PAI = Plasminogen-Aktivator-Inhibitor, TAFI = Thrombin-aktivierbarer Fibrinolyseinhibitor, TAT = Thrombin-Antithrombin-Komplex. t-PA = Plasminogen-Aktivator, vWF = von-Willebrand-Faktor

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graduell an (Kawaguchi et al. 2013), ohne dass allerdings bisher eindeutige Normwerte f€urSchwangerschaft und Wochenbett definiert wurden.

"Cave Eine Bestimmung der D-Dimere kann daher in der Schwangerschaft nicht zum Ausschluss einervenösen Thrombose eingesetzt werden.

Simultan zum Anstieg der D-Dimere zeigt sich eine Erhöhung des Thrombin-Antithrombin-Komplexes und der Prothrombinfragmente F1 + 2 als Indikatoren f€ur eine gesteigerte Thrombinbildung(Rosenkranz et al. 2008).

Als thrombosefördernder Faktor muss auch die erhöhte Thrombozytenaggregabilität infolge einerveränderten Thrombozytenfunktion in der Schwangerschaft angesehen werden. In diesem Zusammen-hang wurden vor allem erhöhte Konzentrationen der „Release-Faktoren“ Plättchenfaktor 4 und b2-Thromboglobulin aus den a-Granula der Thrombozyten gemessen sowie erhöhte Thromboxan-A2-Werte.b2-Thromboglobulin steigt im Verlauf der Schwangerschaft kontinuierlich auf das 3-Fache seines Aus-gangswertes an, ebenso nimmt das mittlere Thrombozytenvolumen (MPV) zu.

Demgegen€uber bleiben die absolute Thrombozytenzahl und die Thrombozyten€uberlebenszeit in derphysiologischen Schwangerschaft i. Allg. unbeeinflusst (Franchini 2006). Allerdings treten bei 5–8 %aller Schwangeren milde Thrombozytopenien auf (Gestationsthrombopenie), die mit einem Anteil von75 % die häufigste Ursache f€ur eine Thrombozytopenie in der Schwangerschaft ist. Zumeist liegen dieWerte in diesen Fällen zwischen 100 und 150 G/l, nur in 10% der Fälle<100 G/l. Als mögliche Ursachenwerden die vermehrte Dilution und ein erhöhter Umsatz von Thrombozyten im 3. Trimenon diskutiert.Die Gestationsthrombopenie ist asymptomatisch, tritt meist in der Spätschwangerschaft auf und bildetsich innerhalb von wenigen Tagen (bis 6 Wochen) post partum zur€uck. Eine fetale Thrombozytopeniebesteht nicht. Eine Behandlung ist nicht erforderlich (Lefkou und Hunt 2012).

Der Zustand der Hyperkoagulabilität bleibt bei gesunden Schwangeren f€ur mindestens 3 Wochen nachder Geburt bestehen (Saha et al. 2009), f€ur das freie Protein S werden die Ausgangswerte erst 6–8Wochenpost partum erreicht. Die Thrombozytenfunktion normalisiert sich erst bis zu 12Wochen nach der Geburt.

Kompensiert wird diese Low-grade-Gerinnungsaktivierung durch die schwangerschaftsinduzierteHämodilution (€uberproportionaler Anstieg des Plasmavolumens im Vergleich zum Erythrozytenvolu-men, Abfall des Hämatokrits mit Steigerung der Mikrozirkulation und der kapillären Perfusion).

Grundsätzlich sind folgende Hämostasestörungen zu unterscheiden:

– Akut erworbene Hämostasestörungen: Verlust-(Verd€unnungs-)koagulopathie und die disseminierteintravasale Gerinnung (DIC), Verbrauchskoagulopathie.

– Chronisch erworbene Hämostasestörungen: vor allem thrombozytäre hämorrhagische Diathesen.– Angeborene Koagulopathien: z. B. von-Willebrand-Syndrom, plasmatische Gerinnungsstörungen

(Faktor-VII-Mangel und Konduktorinnenstatus f€ur Hämophlie A oder B).

3 Akut erworbene Hämostasestörungen

In der Geburtshilfe gehören schwere peripartale Blutungen, meist in Verbindung mit akut erworbenenHämostasestörungen, nach wie vor zu den gefährlichsten und unkalkulierbarsten Notfallsituationen.

Alle 7 min stirbt eine Frau auf der Welt an einer peri(post)partalen Blutungskomplikation, dies sindca. 140.000 Frauen pro Jahr. Damit steht die peripartale Blutung auch heute noch mit einem Anteil von25 % an f€uhrender Stelle m€utterlicher Todesursachen. Lebensbedrohliche peripartale Blutungen betreffen1/1000 Geburten. Daher wurden in internationalen (World Health Organization 2009; Arulkumaran

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et al. 2009) und nationalen Leitlinien (AWMF-Leitlinie 015/063, 2008; derzeit in Überarbeitung) ver-bindliche Grundlagen zur Prävention, Diagnostik und Therapie peripartaler Blutungskomplikationen undGerinnungsstörungen publiziert, um die m€utterliche Morbidität und Mortalität zu senken.

" Der Geburtshelfer muss als derjenige, der die entscheidendenWeichen in der Akutversorgung stellt undder f€ur das Gesamtbehandlungskonzept der Patientin verantwortlich ist, die Diagnose und Therapiedieser lebensbedrohlichen Hämostasestörungen beherrschen, da von seinem raschen und fachkundigenHandeln im Einzelfall das Schicksal der Frau entscheidend abhängt.

3.1 Verlust- (Verdünnungs-)koagulopathieSie ist die häufigste Ursache f€ur eine peripartale Hämostasestörung. Mit ihr muss bei einer gesunden,normovolämischen Frau ab einem Blutverlust von ca. 1,5 l gerechnet werden. Auslösend sind massiverBlutverlust/Verbrauch an Gerinnungsfaktoren (primär traumatische Blutung).

"Cave Die Durchblutung des Uterus beträgt am Termin 600–800 ml/min. Daher ist z. B. bei einerUterusatonie ein Blutverlust von >1,5 l innerhalb kurzer Zeit möglich.

Heute sind Verlustkoagulopathien infolge von Abortblutungen, nach Ruptur einer Extrauteringravidi-tät oder bei Placenta praevia (<1 %) selten. Die häufigste Ursache f€ur eine Koagulopathie sind diepostpartale Uterusatonie und Plazentalösungs-/Implantationsstörungen infolge der drastisch gestiegenenSectiorate sowie schwere geburtstraumatische Verletzungen einschließlich Uterusruptur. Vor allem beider vorzeitigen Plazentalösung kann es zu einer Kombination aus Verlust- und Verbrauchskoagulopathiekommen (Abschn. 3.3; Abb. 2).

3.1.1 PathophysiologieAls Folge der Zunahme von Plasma- und Erythrozytenvolumen resultiert in der Schwangerschaft eineSteigerung des zirkulierenden Blutvolumens um ca. 37 % (1,5–2 l).

PraxistippAls Faustregel kann gelten, dass das Blutvolumen einer Schwangeren 8,5–9 % ihres Körperge-wichtes beträgt (z. B. bei einer 70 kg schweren Schwangeren: 6,0–6,3 l).

Dieser „protektiven Hypervolämie“, verstärkt durch die hämodynamisch relevante postpartale Umver-teilung des Blutvolumens aus dem uteroplazentaren Strombett in die m€utterliche Zirkulation, steht derBlutverlust unter der Geburt gegen€uber. Solange die von Patientin zu Patientin unterschiedliche physio-logische Pufferkapazität ausreicht, bleibt der Zustand der Mutter kompensiert und hämodynamisch stabil,kann aber dann f€ur den Geburtshelfer plötzlich und unerwartet in einen dekompensierten Zustand€ubergehen mit hämorrhagischem Schock und nachfolgender Koagulopathie. Dabei f€uhrt die Substitutiongroßer Blutverluste mit kristalloiden Lösungen sowie Erythrozytenkonzentraten zu einer Verd€unnung mitAbfall aller Gerinnungsfaktoren.

Eine gesunde Schwangere bleibt bis zu einem Blutverlust von 1000 ml meist klinisch unauffällig undkann sogar einen Blutverlust bis 1500 ml ohne Zeichen hämodynamischer Instabilität tolerieren. Beieinem Blutverlust >1500 ml besteht jedoch ein signifikant erhöhtes Risiko f€ur einen schweren hämor-rhagischen Schock. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist nicht nur das Volumen des Blutver-lustes, sondern auch dessen Dynamik, bedenkt man, dass ein Blutverlust von 1000–1500 ml innerhalb

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von 10 min nach der Geburt entstehen kann. Wegweisend ist ein Anstieg der Herzfrequenz €uber diephysiologische Sinustachykardie hinaus (>120/min), gefolgt von einem systolischen Blutdruckabfall,der bei Unterschreiten von 90 mmHg oder 30% des Ausgangswertes einer Abnahme des Blutvolumensum 25–35 % entspricht. Der diastolische Blutdruck bleibt infolge Erhöhung des peripheren Gefäß-widerstandes (Vasokonstriktion) €uber lange Zeit konstant. Mit einer Oligurie ist spätestens bei einemBlutverlust von 1,5–2 l zu rechnen, mit einer Anurie ab einem Blutverlust von >2 l (Bick et al. 2006).

Praxistipp

– Bei schweren Blutungen (Blutverlust>1,5 l) korreliert der Fibrinogenspiegel am besten von allenParametern der Globalgerinnungmit demBlutverlust und ist der fr€uheste und sensitivste Indikatorf€ur die Verschlechterung der Gerinnungssituation (de Lloyd et al. 2011).

– Die Fibrinogenkonzentration ist der einzige unabhängige prädiktive Parameter f€ur den Schwere-grad einer PPH. Bei einer Fibrinogenkonzentration<2 g/l ist das Risiko f€ur eine schwere PPH umdas 12-Fache erhöht (Cortet et al. 2012).

– Zur Orientierung: Sinkt der Fibrinogenspiegel unter 1 g/l, ist die Blutgerinnung deutlich reduziert!

3.1.2 Klinisches Vorgehen und Diagnostik(Übersichten bei Kadir und Davies 2013 und Lier und Rath 2011.)

Ziel des klinischen Vorgehens ist immer die Vermeidung des Volumenmangelschocks und einerdurch Verlust und Verd€unnung entstehendenKoagulopathie durch folgende Maßnahmen (Lier und Rath2011):

– Antizipieren von Risikofaktoren (präpartal, intra- und postpartal) einschl. Erhebung einer Blutungs-und Medikamentenanamnese und Blutbildbeurteilung (Risikofaktor Anämie präpartal mit Hämoglobin<9 g/dl) (Al-Zirqi et al. 2008).

– Realistische Einschätzung des Blutverlustes: Blutverlust bei präexistenten Risikofaktoren undVerdacht auf eine verstärkte postpartale Blutung messen (z. B. skalierte Klebeauffangbeutel)!

"Cave Der Blutverlust wird um 30–50 % unterschätzt, insbesondere unerkannte Blutverluste inT€uchern, Laken und auf dem Fußboden.

– Rasche Diagnosestellung und Beseitigung der Blutungsursache: Medikamentös und/oder chirur-gisch: u. a. rechtzeitige Applikation von Uterotonika (Prostaglandine) bei Uterusatonie, unverz€uglichechirurgische Versorgung von geburtstraumatischen Verletzungen.

– Logistische Maßnahmen:– Bei akutem Blutverlust >1–1,2 l sofort Kreuzprobe, Blutbild und Gerinnungsbasislabor, wenn

verf€ugbar: ROTEM-Analyse (Verlaufskontrollen).– Kontrolle der Vitalparameter (Blutdruck, Puls, Urinausscheidung).– Rechtzeitig Erythrozytenkonzentrate und gefrorenes Frischplasma bestellen.– Antifibrinolytika (z. B. Tranexamsäure) und Fibrinogenkonzentrate im Kreißsaal bereithalten!– ggf. Voraussetzungen f€ur rasche operative Intervention schaffen (manuelle Plazentalösung, Nach-

k€urettage, Uteruskompressionsnähte, Hysterektomie).

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Die Zielwerte f€ur die Substitution von Erythrozyten, Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren bei akuterund anhaltender Blutung sind in Tab. 2 dargestellt (Lier und Rath 2011).

Diese Transfusionsempfehlungen basieren nicht auf Studien, die bei Schwangeren mit postpartalerBlutung durchgef€uhrt wurden. In Terminnähe liegt die Fibrinogenkonzentration mit 3,5–9,0 g/l deutlich€uber den Konzentrationen bei Nichtschwangeren (1,5–4,0 g/l; Szecsi et al. 2010). Ab einer Fibrino-genkonzentration von 0,75 g/l beginnt die Bildung des Blutgerinnsels und ist unter In-vitro-Bedingungenbei gesunden, nichtschwangeren Probanden bei einer Konzentration von 2–2,5 g/l optimal (Bollingeret al. 2009).

Der negative prädiktive Wert f€ur eine schwere postpartale Blutung lag nach einer prospektiven Studiebei einer Fibrinogenkonzentration >4 g/l bei 79 %, der positive prädiktive Wert einer Fibrinogenkon-zentration <2 g/l bei 100 % (Charbit et al. 2007).

Schwangere mit einer Thrombozytenzahl <100 G/l bei Kreißsaalaufnahme zeigten ebenfalls einerhöhtes Blutungsrisiko (Simon et al. 1997).

PraxistippQuick-Wert und aPTT ber€ucksichtigen nicht die Effekte von Anämie, Thrombozytopenie, Azidose,Hypothermie und Hypokalziämie. Bei pathologischen Quick- und aPTT-Werten muss an einenFibrinogenmangel gedacht werden.

In Ergänzung zu den globalen Gerinnungstests, die mit Ausnahme des Fibrinogens das Ausmaß desBlutverlustes und der Gerinnungsstörung erst spät widerspiegeln (de Lloyd et al. 2011 M; Solomonet al. 2012), wird zunehmend eine neue Point-of-care-Methode f€ur die Beurteilung der Gerinnselfestigkeiteingesetzt, die ROTEM-Analyse, eine Weiterentwicklung der Thrombelastographie, zu der inzwischenauch Untersuchungen bei postpartalen Blutungen und Gerinnungsstörungen vorliegen (Huissoudet al. 2009; Solomon et al. 2012; de Lange et al. 2012).

Es wird kontinuierlich die Gerinnselfestigkeit im Vollblut gemessen, die aus Aktivierung, Thrombin-bildung, Fibrinbildung und Polymerisation sowie Thrombozytenaktivierung und Thrombozyten-Fibrin-Interaktion resultiert. Hierbei wird nicht nur ein Gesamtbild der aktuellen Hämostase geliefert, sondern aucheineDiagnose bzw.Differenzialdiagnose der zugrundeliegendenHämostasestörung. Hierf€ur stehenmehrereTestansätze zur Verf€ugung, welche eine Differenzialdiagnose zwischen Faktorenmangel, Fibrinpolymerisa-

Tab. 2 Zielwerte f€ur die Substitution von Erythrozyten, Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren bei akuter und anhaltenderBlutung (Lier und Rath 2011)

Parameter Zielwert Kommentar

Hämoglobin Bei massiver Blutung:ca. 10 g/dl (6,2 mmol/l)Hämatokrit >30 %

Notfall: 2–4 EKBlutgruppe 0 Rhesus-negativ

Thrombozytenzahl >50 G/lbei transfusionspflichtigen Blutungen:>100 G/l

Fibrinogen >2 g/l Fibrinogenkonzentrat 2–4 ggefrorenes Frischplasma >20–30 ml/kgKG

Rahmenbedingungenbeachten:

Körpertemperatur >34 �Cionisiertes Ca2+ >0,9 mmol/l

pH-Wert >7,2

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tionsstörung, Heparinwirkung, Hyperfibrinolyse und Thrombozytopenie erlauben. Durch Verwendung vonAktivatoren kann dieMesszeit im ROTEM-System reduziert werden. Bereits nach 10 minMesszeit könnenerste Aussagen €uber den vorliegenden Gerinnungsstatus getroffen werden. Konventionelle Labortestsbenötigen i. Allg. 30–60 min und sind daher f€ur die rasche Diagnosestellung wenig hilfreich.

ROTEM-Messungen werden im Vollblut vorgenommen. Dadurch wird auch der Einfluss desaktuellen Hämatokrits in der Analyse erfasst, der bei plasmatischen Standardtests nichtber€ucksichtigt wird.

Die Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern sowie das Vorliegen eines von-Willebrand-Syndroms können hiermit allerdings nicht detektiert werden. Hierzu sind Spezialanalysen erforderlich.

Im Rahmen einer akuten massiven postpartalen Blutung können mit Hilfe der ROTEM-Analysefolgende klinisch relevante Fragestellungen beantwortet werden:

– Verlängerung der Gerinnselbildungszeit durch Faktorenmangel, Dilution oder Heparinwirkung,– Beeinträchtigung (Abnahme) der Gerinnselfestigkeit durch Fibrinogenmangel, Fibrinpolymerisations-

störung, Thrombozytenmangel (z. B. schweres HELLP-Syndrom),– Vorliegen einer Hyperfibrinolyse (z. B. nach schwerer vorzeitiger Plazentalösung), deren Häufigkeit

post partum oft unterschätzt wird und die mit keiner anderen Methode schneller und zuverlässigerdiagnostiziert werden kann (Therapie unten, Hofer et al. 2008).

" Mit der ROTEM-Analyse können die Auswirkungen der Verlust- und Verd€unnungskoagulopathiegemessen sowie das Vorliegen einer Hyperfibrinolyse als „Bed-side-Methode“ schnell erfasst werden.Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Therapie der Gerinnungsstörung.

3.1.3 TherapieEntscheidend f€ur das Ausmaß der Hämostasestörung und f€ur die Prognose ist die rechtzeitige Beseitigungder Krankheitsursache (z. B. durch Entbindung bei schwerer vorzeitiger Lösung). Bei persistierenderBlutung ist wie folgt vorzugehen (Lier und Rath 2011; Rath und Lier 2013):

Adäquate Volumenzufuhr mit vorgewärmten kristalloiden Lösungen: initial z. B. 1500 ml Ringerlaktatbei Blutverlust >1000 ml oder Zeichen der hämodynamischen Instabilität.

"Cave Volumenmangelschock, Mikrozirkulationsstörungen und Minderperfusion der Organe könnenGerinnungsstörungen im Sinne einer DIC triggern; mögliche Folgen sind u. a.: das seltene Sheehan-Syndrom und die myokardiale Ischämie. Ein protrahierter Volumenmangelschock sollte immer ver-mieden werden!

Ein Blutverlust von 20–30 % des Blutvolumens (�1,2–1,5 l) erfordert die rasche Gabe von Erythro-zytenkonzentraten und gefrorenem Frischplasma (FFP): >20–30 ml/kg KG, bei vital bedrohlichenBlutungen in einem Verhältnis von 1:1. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die neue Leitlinieder Bundesärztekammer (BÄK) f€ur die Hämotherapie mit FFP (Heim und Hellstern 2010).

PraxistippFaustregel: 1 Erythrozytenkonzentrat erhöht den Hämoglobinspiegel bei einer 70 kg schwerenPatientin um 1–1,5 g%.

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Im Notfall (fehlende Blutgruppenbestimmung, fehlende Kreuzprobe) können 0-Rhesus-negativeErythrozytenkonzentrate und gefrorenes Frischplasma der Blutgruppe AB gegeben werden.

" Gefrorenes Frischplasma muss aufgetaut werden (Zeitverlust: 30–45 min).

"Cave Es sind hohe Transfusionsvolumina von FFP erforderlich (800 ml f€ur die Substitution von 2 gFibrinogen), um einen signifikanten Anstieg des Fibrinogenspiegels zu erreichen. Damit besteht dieGefahr der Volumen€uberlastung und des Lungenödems bei diesen Risikopatientinnen!

Ein TRALI („transfusion related acute lung injury“ = nicht kardiales Lungenödem) kommt bei1/2000–5000 transfundierten Einheiten FFP, insbesondere bei Schwangeren mit kardialen und hämato-logischen Grunderkrankungen vor.

In der Akutsituation einer persistierenden peripartalen Blutung sollte ab einem Blutverlust von 2 lund/oder einem Fibrinogenspiegel <2 g/l unverz€uglich 2–4 g Fibrinogenkonzentrat gegeben werden,ebenso, wenn trotz Anwendung von FFP bei anhaltender Blutung der Fibrinogenspiegel nicht >2 g/langehoben oder aufrechterhalten werden kann. Besteht die Möglichkeit einer ROTEM-Analyse, so kanndie Gabe von Fibrinogen mit dieser rasch verf€ugbaren Methode gut gesteuert werden. Fibrinogenkon-zentrat ist rasch verf€ugbar und applizierbar, eine Kreuzprobe oder ein Auftauen ist im Gegensatz zu FFPnicht erforderlich.

Transfusionsbedingte Komplikationen sind nicht zu bef€urchten; die Sicherheit von Fibrinogenkon-zentrat ist infolge Virusinaktivierung hoch.

Die fr€uhzeitige Fibrinogensubstitution f€uhrte bei schweren traumainduzierten Blutungen zu einerVerminderung des Transfusionsbedarfs und zur Senkung der Letalität (Rourke et al. 2012) und gilt heuteneben der Substitution von Erythrozyten als Behandlung der 1. Wahl bei schwerem peripartalemBlutverlust (Bell et al. 2010).

Eine Thrombozytopenie <50 G/l und persistierende Blutungen mit Notwendigkeit zur Erythrozyten-substitution stellen eine zwingende Indikation zur Gabe von Thrombozyten dar.

Bei Verdacht auf Hyperfibrinolyse und ab einem Blutverlust von 800–1000 ml oder bei einer nach-gewiesenen Hyperfibrinolyse (in der ROTEM-Analyse) sollte Tranexamsäure (initiale Dosierung:25–30 mg/kg KG) langsam intravenös gegeben werden. Sofern die Blutung anhält, kann eine zweiteApplikation von 1 g nach 30–60 min durchgef€uhrt werden (Rath und Lier 2013). Tranexamsäure sollteimmer vor Fibrinogenkonzentraten verabreicht werden.

Ausweislich von Beobachtungsstudien und Fallberichten konnte bei Frauen mit antepartualen undgeburtstraumatisch-bedingten Blutungen sowie Plazentaimplantationsstörungen und PPH der Blutverlustdurch die Gabe von Tranexamsäure signifikant gesenkt werden (Peitsidis und Kadir 2011). Die bishereinzige randomisierte kontrollierte Studie bei PPH erbrachte durch Tranexamsäure (4 g €uber 1 h, dann 1 g/h€uber 6 h) im Vergleich zu keiner Behandlung eine signifikante Reduktion des Blutverlustes in den ersten6 h, eine k€urzere Blutungsdauer, eine geringere Zahl an Patientinnen mit einemHämoglobinabfall>4 g/dlsowie eine Senkung des Transfusionsbedarfes (Ducloy-Bouthors et al. 2011). Definitiven Aufschluss €uberdie klinische Bedeutung von Tranexamsäure bei PPH d€urfte das derzeit laufende WOMAN-Trial (WorldMaternal Antifibrinolytic Trial) liefern, in das weltweit insgesamt 15.000 Patientinnen mit PPH aufge-nommen werden sollen (Shakur et al. 2010).

"Cave Kein Heparin geben während der Blutung oder bei erhöhter Blutungsgefahr (Cave: Blutungs-verstärkung!).

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Bei massiver Blutung und nach Ausschöpfen aller chirurgischen und die Hämostase stabilisierendenMaßnahmen sollte in Absprache mit der Anästhesie rechtzeitig die intravenöse Applikation von rekom-binantem Faktor VIIa (rFVIIa) erwogen werden („off-label use“), möglichst vor einer geplantenHysterektomie. rFVIIa bindet an den „tissue factor“ mit der Folge der Aktivierung von Faktor X undkonsekutivem Thrombin-Burst sowie Bildung eines stabilen Fibringerinnsels mit dauerhaftemWundver-schluss.

Die empirisch ermittelte Dosierung f€ur rFVIIa liegt bei 70–90 mg/kg KG intravenös appliziert €uber3–5 min. Sie kann bei nicht nachweisbarer klinischer Wirkung nach 20–30 min wiederholt werden. Miteinem Wirkungseintritt darf zwischen 10 und 30 min nach der Applikation gerechnet werden. Substanz-spezifische Laborkontrollen sind nicht erforderlich. Die Rahmenbedingungen f€ur die klinische Wirksam-keit von rFVIIa sind zu beachten (u. a. Hämatokrit um 30 %, Thrombozytenzahl >50 G/l, Fibrinogen>1,5–2 g/l).

Ausweislich von Fallserien f€uhrt die Anwendung von rFVIIa in durchschnittlich 85 % der Fälle zueinem Sistieren oder einer klinisch nachweisbaren Reduktion der Blutung, bei ca. 60 % der Patientinnenist der Erhalt des Uterus möglich (Übersicht bei Rath 2012). Eine kritische Einzelfallanalyse aller bisherpublizierten thromboembolischen Ereignisse nach Anwendung von rFVIIa bei PPH konnte keinengesicherten Zusammenhang zwischen dessen Anwendung und einem erhöhten Thromboembolierisikobei diesen Patientinnen aufzeigen (Rath 2012).

Eine Kontrolle der Hämostaseparameter sollte mindestens alle 4 h erfolgen, in der akuten Situationhäufiger (ca. alle 30 min).

" Die rasche Verf€ugbarkeit von Blutbild und Gerinnungslabor sowie von Erythrozytenkonzentraten undgefrorenem Frischplasma ist heute unverzichtbare Voraussetzung f€ur jede geburtshilfliche Tätigkeit.

Schwangere mit hohem peripartalem Blutverlust, erschwerter Plazentalösung und ausgedehntengeburtstraumatischen Verletzungen sind hinsichtlich thromboembolischer Komplikationen imWochenbett besonders gefährdet. Bei Blutverlust >1000 ml mit chirurgischer Intervention betrug dieOR 12 (3,9–36,9) (Übersicht bei Bergmann 2013). Daher empfiehlt sich nach Stabilisierung derGerinnungssituation (Fibrinogen>2 g/l, Thrombozyten>100 G/l) eine physikalische und medikamen-töse Thromboseprophylaxe, möglichst mit niedermolekularem Heparin (Präparat mit Zulassung f€ur denHochrisikobereich, d. h. mindestens 4000 Heparineinheiten/Spritze).

3.2 Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) und Verbrauchskoagulopathie

" Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) Die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) ist einesystemische, thrombohämorrhagische Komplikation in Verbindung mit gut definierten klinischen Situa-tionen und dem laborchemischen Nachweis einer Aktivierung des Gerinnungs- und Fibrinolysesystems,eines Verbrauchs von Inhibitoren und eines Endorganschadens oder -versagens. Die DIC ist keineeigenständige Krankheitsentität, sondern ein Prozess oder ein intermediärer Krankheitsmechanismus,der durch unterschiedliche Pathologien hervorgerufen werden kann (Übersicht bei Bick et al. 2006).

Lebensbedrohliche Blutungen durch disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)/Verbrauchskoagulopathie

– Vorzeitige Plazentalösung(Fortsetzung)

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– Fruchtwasserembolie– Septische Zustände (Chorionamnionitis, Puerperalsepsis)– Schwere hypertensive Schwangerschaftskomplikationen (Präeklampsie/Eklampsie/HELLP-

Syndrom)– Ausgedehnte Gewebetraumatisierung– Intrauteriner Fruchttod (Dead-fetus-Syndrom) (Rarität)

Zur Orientierung: Die DIC betrifft 0,02–0,07 % aller Schwangerschaften. Sie tritt bei Fruchtwas-serembolie in ca. 50%, bei vorzeitiger Plazentalösung in bis zu 10% und bei notfallmäßiger Hysterektomienach der Geburt in bis zu 15 % der Fälle auf (Rattray et al. 2012).

3.2.1 PathophysiologieAls „Initialz€under“ der systemischen akzelerierten intravasalen Gerinnungsaktivierung kommen in Ab-hängigkeit von der Ätiologie als Triggersysteme in Frage:

– der direkte Übertritt von prokoagulatorischen Substanzen in die m€utterliche Zirkulation mit Aktivie-rung der extrinsischen Gerinnungskaskade, z. B. Fruchtwasserembolie,

– indirekt: die Freisetzung eines Gewebefaktors („tissue factor“) bei ausgedehnter Gewebetraumatisie-rung oder seiner Exposition auf der Oberfläche von Endothelzellen oder Monozyten nach derenvorheriger Aktivierung durch proinflammatorische Zytokine, wie z. B. bei septischen Erkrankungen(Übersicht bei Levi 2009).

3.2.2 Klinischer VerlaufKlinisch kommt es als Folge der systemischen Gerinnungsaktivierung (gesteigerte Thrombinaktivie-rung und Fibrinbildung ! Hyperkoagulabilität) zu einer Thrombosierung der Mikrostrombahn durchdie thrombininduzierte Bildung von Fibringerinnseln sowie zu einem Verbrauch von Gerinnungs-faktoren, Thrombozyten (Thrombozytopenie) und von Inhibitoren (z. B. Antithrombin). Die gleich-zeitig eingeleitete plasmininduzierte Aktivierung des Fibrinolysesystems f€uhrt zum proteolytischenAbbau von Fibrin (Fibrinabbauprodukte, z. B. Anstieg der D-Dimere) und von prokoagulatorischenGerinnungsfaktoren (reaktive Fibrinolyse). Als Folge der Mikrothrombosierung treten oft rasch pro-gredient funktionelle Beeinträchtigungen verschiedener Organsysteme auf (vor allem Niere, Lunge).Erster Hinweis ist meist eine Verminderung der Urinausscheidung, ggf. eine pathologische Blutgas-analyse.

" Durch eine fibrininduzierte Störung der Mikrozirkulation kommt es zur Schädigung der Erythrozyten,es kann eine Hämolyse entstehen: Verminderung des Haptoglobins, peripherer Blutausstrich mitNachweis von Fragmentozyten. Diese Fragmentozyten sind beweisend f€ur die disseminierte Ausbil-dung von Fibrinfäden (DIC) in der Zirkulation.

Der Übergang in eine hämorrhagische Diathese mit diffusen Blutungen als Ausdruck einer klinischmanifesten Verbrauchskoagulopathie kann sich bei foudroyanten Verläufen (z. B. schwere vorzeitigeLösung, HELLP-Syndrom) innerhalb von Stunden vollziehen, jetzt erkennbar an deutlichen Veränderun-gen der globalen Gerinnungstests und einem Abfall des Fibrinogenspiegels oder bereits fr€uher in derROTEM-Analyse. Die Aktivierung des Komplementsystems f€uhrt zu einer erhöhten Gefäßpermeabilitätmit Hypotonie und Schock.

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Die klinischen Phasen der DIC und deren Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme sind imFolgenden dargestellt (Pfanner und Kilgert 2006; Abb. 1; unten).

Klinische Phasen der disseminierten intravasalen Gerinnung

– Aktivierung der Gerinnung (Hyperkoagulabilität).– Disseminierte intravasale Gerinnung mit Verbrauch an Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren,

reaktive Hyperfibrinolyse.(Fortsetzung)

Aktivierung derintravasalen Gerinnung

Mikrothrombosen

Verbrauch vonPlättchen undKoagulationsfaktoren

mikrozirkulatorische Stase mit Organversagen

Auswirkungen auf Organsysteme: • neurologisch: Multiple Insulte,

Koma• dermatologisch: Fokale

Ischämien und Nekrosen • renal:Oligurie, tubuläre Nekrose • pulmonal: ARDS • gastrointestinal: Multiple

Ulzerationen • hämatologisch: Fragmentation,

Anämie, Hämolyse

Fibrinolyse

Fibrinspaltprodukte Auswirkungen auf Organsysteme: • neurologisch: Intrazerebrale

Blutungen• dermatologisch: Petechien • renal: Hämaturie • pulmonal: Hämoptoe • gastrointestinal: Blutungen

Abb. 1 Klinische Auswirkungen einer disseminierten intravasalen Gerinnung auf verschiedene Organsysteme. (Mod. nachRath und Heilmann 1999)

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Einschwemmung von „tissue factor“

Abb. 2 Pathophysiologie der Hämostasestörung bei vorzeitiger Plazentalösung. (Adaptiert nach Rath und Kuhn 1991)

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– Verbrauchskoagulopathie, Blutung und/oder Mikro-/Makrothrombosierung ! Organversagen,Blutung.

– Erholungsphase mit Anstieg zunächst der Fibrinogenkonzentration, später der anderen Gerin-nungsfaktoren).

(Übersicht bei Tiede und Barthels 2013)

3.2.3 DiagnoseDie Diagnose gr€undet sich auf die Anamnese, die Art der Grunderkrankung, die klinischen Symptomesowie auf die laborchemischen Befunde. Zur raschen Diagnosesicherung hat sich außerhalb derSchwangerschaft die Anwendung von DIC-Scores (Toh und Hoots 2007; Taylor et al. 2001) bewährt.Derartige DIC-Scores sind bisher aber f€ur die Schwangerschaft nicht validiert, ihr Einsatz ist daheraufgrund der signifikanten physiologischen Gerinnungsveränderungen in der Schwangerschaft nichtgeeignet (Lier und Rath 2011; Rattray et al. 2012).

PraxistippEntscheidend ist immer, an die Möglichkeit einer DIC zu denken! Daher: Rechtzeitige Bestimmungder Hämostaseparameter und engmaschige Kontrollen (Verlaufsbeobachtung oft richtungs-weisend!), intensive klinische Überwachung: Blutdruck, Puls, st€undliche Urinausscheidung, Puls-oxymetrie, Blutgase.

Vorrangiges Ziel ist es, ein Multiorganversagen bzw. eine tödliche Koagulopathie zu vermeiden!

Tab. 3 zeigt einen Stufenplan zur Diagnostik der DIC sowie die kritischen Grenzwerte, die bereits einernstes Warnsignal darstellen. Von klinischer Relevanz sind dar€uber hinaus folgende Hinweise:

Tab. 3 Stufenplan zur Diagnostik der DIC und kritische Grenzwerte

Kritische Werte Tendenz ohne Therapie

Basisdiagnostik

Prädisponierende Grunderkrankung – –

Blutbild, evtl. Differenzialblutbild – –

Haptoglobin, LDH (Hämolyse) – ↓↑

Thrombozytenzahl (Cave: dynamischer Abfall!) <100 G/l ↓

Quick-Wert <50 % ↓

Partielle Thromboplastinzeit >1,5-fache Verlängerung ↑

Thrombinzeit >21 s ↑

Fibrinogen <2 g/l ↓

Antithrombin <50 % ↓

Spezielle Diagnostik

D-Dimere* >600 ng/ml ↑

Fibrinmonomere (lösliches Fibrin) Nachweisbar ↑

* Erhöhte D-Dimere sind im 3. Trimenon physiologisch.

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– Zu Beginn einer DIC kann die intravasale Gerinnungsaktivierung/Hyperkoagulabilität mit Hilfe der imRoutinelabor angebotenen globalen Gerinnungstests nicht mit Zuverlässigkeit erfasst oder als klinischirrelevant eingestuft werden – initial noch kompensiert, latenter Verlauf.

– Unter Ber€ucksichtigung klassischer Untersuchungen wie Quick-Wert, aPTT, Thrombinzeit, Fibrin(-ogen)-Spaltprodukte (D-Dimere), Thrombozytenzahl und Fibrinmonomere finden sich in 43–96 %dieser Fälle pathologische Werte bei geringer Sensitivität der Einzelparameter (mit Ausnahme derThrombozytenzahl und Fibrinmonomere).

– Noch am ehesten spiegelt sich diese Phase der DIC in einer Verminderung des Quick-Wertes (Abfallder FV-Aktivität) sowie einem Abfall der Thrombozytenzahl und der Antithrombinspiegel wider, dasFibrinogen ist initial als Akutphasenprotein bzw. schwangerschaftsassoziiert häufig erhöht. Bei nichtschwangeren Patientinnen steht ein Fibrinogenabfall im Vordergrund.

Sensitive Aktivierungsparameter der Hämostase und der Fibrinolyse sind:

– D-Dimere (beginnende Fibrinolyse) (z. B. Innovance D-Dimer, Fa. Siemens),– Fibrinmonomere (lösliches Fibrin, Thrombinwirkung, z. B. FM-Test, Fa. Roche).– Beide Methoden sind als Schnelltests verf€ugbar. Die Bestimmung der Prothrombinfragmente F1 + 2

(Thrombinbildung) und des Thrombin-Antithrombin-Komplexes, TAT (Thrombinhemmung) sind der-zeit noch aufwendig und mit einer f€ur die Akutdiagnostik nicht akzeptablen Analysedauer verbunden.

– Eine wichtige Bereicherung in der Akutdiagnostik stellt die Rotationsthrombelastometrie (ROTEM)sowohl zur differenziellen Beurteilung der Hämostasesituation als auch f€ur die Therapieentscheidungdar (Tab. 46.4).

Da das Stadium der intravasalen Gerinnungsaktivierung €uber eine klinisch noch inapparente und mitden globalen Gerinnungsparametern oft nicht erfassbare Phase der intravasalen Fibrinbildung schnell undfließend in eine klinisch manifeste Koagulopathie €ubergehen kann, ist eine laborchemische Verlaufs-kontrolle zunächst alle 1–2 h unerlässlich.

Die Hämostaseveränderungen in den verschiedenen Phasen der DIC sind in Tab. 4 dargestellt.

3.2.4 TherapieDie Behandlung besteht zunächst in der korrekten Diagnose und Beseitigung der zugrunde liegendenPathologie, i. Allg. in der unverz€uglichen Beendigung der Schwangerschaft, ggf. durch Sectio caesarea(z. B. bei schwerer vorzeitiger Plazentalösung oder ausgeprägtem HELLP-Syndrom). Zur Behandlungeiner Hämostasestörung kann neben der rechtzeitigen Laboranalyse die sofortige Bereitstellung vonErythrozytenkonzentraten (Kreuzprobe) und blutgruppengleichem gefrorenem Frischplasma (FFP),ggf. in Kombination mit Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB), bei globalem Defizit an hepatischenGerinnungsfaktoren lebensrettend sein! Diese Maßnahme hat unverz€uglich mit der Diagnosestellung zuerfolgen, um nicht unnötig Zeit bis zur Verf€ugbarkeit der Präparate zu verlieren, zumal der Eintritt einerklinisch manifesten Koagulopathie mit lebensbedrohlicher Blutung vom Geburtshelfer zeitlich nichtsicher abzuschätzen ist.

Eine bilanzierte Volumensubstitution unter Kontrolle des zentralen Venendrucks kann initial dasAusmaß der Organmanifestationen und die Präzipitation von Fibrin in der terminalen Strombahn durchAufrechterhaltung einer ausreichenden Mikrozirkulation verhindern und die begleitende metabolischeAzidose korrigieren. Entscheidend ist die rechtzeitige Gabe von Erythrozytenkonzentraten und vorallem von FFP.

"Cave Als letale Triade gilt die Kombination von Koagulopathie, Azidose und Hypothermie.

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Therapie der akuten Hämostasestörung

– Adäquate, kristalloidbasierte Volumenzufuhr: vorgewärmte kristalloide Lösungen– Cave: Kontraindikationen: u. a. eingeschränkte Nierenfunktion, Lungenödem, schwere Gerin-

nungsstörung(Fortsetzung)

Tab. 4 Hämostaseveränderungen in den verschiedenen Phasen der DIC

Stadium Standardlaborparameter ROTEM

I. Hyperkoagulabilität Antithrombin ↓ unter der Norm Zeichen derHyperkoagulabilität (MCF# ↑)Thrombozyten ↓ Abgrenzung zur Norm

in derSpätschwangerschaftoft schwierig

Fibrinogen ↑

D-Dimere ↑

Quick ↑

PTT ↓

II. Disseminierte intravasaleGerinnung„Verbrauchskoagulopathie“,Blutung

Fibrinogen ↓↓ Fibrindefizienz (Fr€uhzeichen:MCF im FIBTEM ↓! Defibrinierung ! Nulllinieim FIBTEM)

D-Dimere ↑

Quick ↓

PTT ↑

Thromboyzten ↓ Klinische Relevanzdurch ROTEMbeurteilbar

Erythrozyten,Hämoglobin,Hämatokrit

HämolysezeichenmitFragmentozyten

III. Entgleisung der Fibrinolyse ineine Hyperfibrinolyse: keineGerinnselbildung mehr möglich,Blutung

Fibrinogen ↓↓ Cave: falsch-hoheWerte durchPlasmaexpander beiMessung nach Clauss

Fulminante Hyperfibrinolyse:APTEM > EXTEM

D-Dimere ↑↑ Kinetik entscheidend

Quick ↓

PTT ↑

Thromboyzten ↓

Erythrozyten,Hämoglobin,Hämatokrit

ROTEM: Produktinformation der Fa. Pentapharm, M€unchen.Abk€urzung: #MCF = „maximum clot firmness“.Angaben mod. nach Pfanner und Kilgert (2006).

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– Kolloidale Lösungen nur anwenden, wenn kristalloide Infusionslösungen nicht ausreichen. Zubeachten ist, dass Kolloide in unterschiedlichem Ausmass eine störung der Fibrinpolymerisierungund eine verzögerte Gerinnselbildung mit verstärkter Blutung induzieren können.

– Die Fibrinogenbestimmung nach Clauss kann in mit Kolloiden versetztem Plasma signifikantfalsch-erhöhte Fibrinogenwerte anzeigen!

– Korrektur der metabolischen Azidose, Aufrechterhaltung der Normothermie, ionisiertes Kalziumim Normbereich halten (Tab. 2)

– Bei nachgewiesener (ROTEM) oder Verdacht auf Hyperfibrinolyse: Tranexamsäure(Cyclokapron) intravenös: initial 1–2 g.

– Bei persistierender Blutung und ab einem Blutverlust von 1500–2000 ml: Substitution mitErythrozytenkonzentraten, bei hämodynamischer Instabilität trotz adäquater Volumenzufuhrschon fr€uher ! Gabe von Erythrozytenkonzentraten und FFP im Verhältnis 2:1–1:1.

– Substitution mit Gerinnungsfaktoren:– Fibrinogenkonzentrate (2–4 g) intravenös, falls FFP noch nicht zur Verf€ugung steht, wenn trotz

Anwendung von FFP bei anhaltender Blutung der Fibrinogenspiegel nicht >2 g/l angehobenoder aufrecht erhalten werden kann; Fibrinogensubstitution stets nach Gabe von Tranexam-säure.

– FFP: >20–30 ml/kgKG– Cave: Bei massivem Blutverlust hohe Volumina erforderlich ! Volumen€uberlastung ! Ge-

fahr des Lungenödems.– Bei Quick-Wert <40 %: PPSB-Präparate (25 IE/kg KG).– Antithrombinkonzentrate: 25 IE/kg KG; kontroverse Diskussion (Pfanner und Kilgert 2006).– Thrombozytentransfusion bei Thrombozytopenie <50 G/l bei persistierendem Blutverlust mit

Notwendigkeit zur Erythrozytensubstitution (Tab. 2).– Kein Heparin während der Blutung oder bei erhöhter Blutungsgefahr (Cave: Blutungsver-

stärkung).– Im Einzelfall bei massiver, fortbestehender Blutung und nach Ausschöpfen aller chirurgischen

und die Hämostase stabilisierenden Maßnahmen erwägen: rekombinanter Faktor VIIa 90 mg/kg KG („off-label use“).

– Bei schwerer Sepsis, Purpura fulminans: ggf. auch Protein-C-Konzentrat (z. B. Ceprotin,Fa. Baxalta).

– Sofern möglich und verf€ugbar sollte die Therapie der Hämostasestörung mittels ROTEM-Analyse kontrolliert und gesteuert werden.

(Nach Lier und Rath 2011.)

Unbedingt beachten

– Bei der Anwendung von PPSB-Präparaten (enthalten Vitamin-K-abhängige Gerinnungsfaktoren II,VII, IX, X sowie Protein C und Protein S) ist Vorsicht geboten, da diese Präparate einen unterschiedlichhohen Anteil bereits aktivierter Gerinnungsfaktoren enthalten können mit der Gefahr schwerer throm-boembolischer Komplikationen. Daher ist vor der Anwendung von PPSB-Präparaten die Gabe vonAntithrombin unerlässlich (oben).

– Mit Nachdruck ist darauf hinzuweisen, dass Heparin (auch niedrig dosiertes), solange es blutet odereine erhöhte Blutungsgefahr besteht, keinen Platz in der Therapie akuter geburtshilflicher Verbrauchs-

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koagulopathien hat; dies gilt auch und vor allem f€ur das HELLP-Syndrom und die schwere Präek-lampsie.

3.3 Hämostaseprobleme bei speziellen KrankheitsbildernEs besteht der Eindruck, dass die klassischen, mit einer DIC einhergehenden Krankheitsbilder (wiez. B. vorzeitige Plazentalösung, septischer Abort) in den letzten 10 Jahren vor allem durch eine Verbes-serung der Diagnostik (u. a. Sonographie) zahlenmäßig in den Hintergrund getreten sind, während dasProblem der DIC bei schweren hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen und vor allem bei HELLP-Syndrom eine „Renaissance“ erfahren hat.

3.3.1 Präeklampsie/HELLP-SyndromIm Gegensatz zur physiologischen Schwangerschaft mit einer funktionellen Kompensation der Hyper-koagulabilität durch Hämodilution und hämodynamische Faktoren (Kap. ▶ 46.1) besteht bei der Präek-lampsie eine „gesteigerte“ Hyperkoagulabilität mit Hämokonzentration und Erhöhung des rheologischenWiderstandes. Bei leichten Verlaufsformen der Präeklampsie ist diese Konstellation aus subklinischerchronischer DIC und noch inapparenter Mikrozirkulationsstörung i. Allg. kompensiert, allerdings kannbei Persistenz des Circulus vitiosus aus endothelialer Dysfunktion und intravasaler Gerinnungsaktivie-rung dieses kompensierte Stadium fließend und f€ur den Geburtshelfer nur schwer erkennbar in einendekompensierten Zustand mit Störung der Globalgerinnung und Multiorganversagen €ubergehen.

Die DIC spiegelt demnach einen sekundären pathophysiologischen Prozess der Grunderkrankungwider, der in ausgeprägter Form (als Verbrauchskoagulopathie) Folge einer zu spät diagnostiziertenund/oder therapierten Präeklampsie ist. In Abhängigkeit von der Latenzzeit zwischen Diagnosestellungund Schwangerschaftsbeendigung und vom Schweregrad der Erkrankung muss mit einer klinischrelevanten DIC in bis zu 21 % der Fälle beim HELLP-Syndrom, in bis zu 11 % bei Eklampsie und in<1 % bei schwerer Präeklampsie gerechnet werden. Hämostasestörungen sind beim HELLP-Syndromhäufiger und ausgeprägter als bei schwerer Präeklampsie, allerdings liegen zum Zeitpunkt der Diagnose-stellung nur bei 10–42 % der Patientinnen pathologische Veränderungen der Globalgerinnung vor. Beischwerem HELLP-Syndrom ist im Thrombelastogramm eine signifikante Abnahme der Gerinnselfestig-keit mit folgender Hypokoagulabilität nachweisbar. Die Präeklampsie ist in 18 % der Fälle mit einerisolierten Thrombozytopenie und bei 11 % der Betroffenen mit pathologischen Gerinnungsveränderungenassoziiert (abhängig vom Schweregrad). Im Vergleich zur normalen Schwangerschaft sind Thrombinbil-dung und Fibrinolyse gesteigert und das Antithrombin signifikant vermindert. Bei schwerer Präeklampsievor der 34. SSW sind die Hämostasestörungen ausgeprägter als bei schwerer Präeklampsie in Terminnähe(Heilmann et al. 2007).

Beim HELLP-Syndrom sind nach unseren Erfahrungen der dynamische Abfall der Thrombozyten unddes Antithrombins (sensitiver Lebersyntheseparameter) sowie der progrediente Anstieg der D-Dimererichtungsweisend f€ur einen schweren Krankheitsverlauf und damit eine Entscheidungshilfe im Sinneeiner raschen Schwangerschaftsbeendigung (Rath et al. 2000).

Der Thrombozytennadir wird 23–29 h post partum erreicht, eine Normalisierung der Thrombozyten-zahl innerhalb von 6–11 Tagen nach der Geburt.

"Cave Reaktive Thrombozytose bei bis zu 30% der Patientinnenmit erhöhtem Thromboembolierisiko!Beim HELLP-Syndrom tritt gleichzeitig in 2–15 % der Fälle eine vorzeitige Plazentalösung auf, die

ihrerseits bei schwerer Ausprägung in bis zu 35 % der Fälle mit einer DIC assoziiert sein kann.

Gerinnungsstörungen können das Ausmaß einer zerebralen Blutung (häufigste Todesursache) beischwerer Präeklampsie/Eklampsie oder HELLP-Syndrom verstärken.

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3.3.2 Vorzeitige PlazentalösungBei der vorzeitigen Plazentalösung (Abb. 2) hängt das Ausmaß der Hämostasestörung entscheidend vomSchweregrad der Ablösung (deutlich erhöht bei gleichzeitigem intrauterinem Fruchttod) sowie von derLatenzzeit zwischen Diagnosestellung und Schwangerschaftsbeendigung ab. Dementsprechend liegt dieRate an Gerinnungsstörungen bei Abruptio placentae zwischen 0,5 und 20 % (Hall 2009).

Pathophysiologisch kommt es bei vorzeitiger Lösung nicht selten in unterschiedlicher Reihenfolge zueiner Kombination aus Verlust- und Verbrauchskoagulopathie infolge einer DIC (Rath und Kuhn 1991).Der Blutverlust, vor allem in das retroplazentare Hämatom (Volumen bis zu 2 l möglich) kann inVerbindung mit einem Volumenmangelschock und konsekutiven Mikrozirkulationsstörungen (ersterHinweis oft Oligurie!) zu einem Verlust von Gerinnungsfaktoren f€uhren (Verlustkoagulopathie).

Im Vordergrund steht bei der vorzeitigen Plazentalösung allerdings die Entwicklung einer DIC durchdie Einschwemmung von „tissue factor“ in die m€utterliche Zirkulation €uber eröffnete venöse Gefäße desEndometriums mit der Folge einer thrombininduzierten generalisierten und unterschiedlich schnellablaufenden Aktivierung der intravasalen Gerinnung und dem ständigen Verbrauch und Abbau vonGerinnungsfaktoren und -inhibitoren sowie Thrombozyten mit konsekutiver reaktiver (Hyper)-Fibrino(-geno)lyse.

Postpartal kommt es mit der Geburt der Plazenta dar€uber hinaus zu einem raschen Abbau vonFibrinogen und Fibrin sowie zu einer Aktivierung des Plasminogenaktivators und der Produktion vonFibrin-/Fibrinogenabbauprodukten infolge einer gesteigerten lokalen Fibrinolyse. Fibrin-/Fibrinogenabbauprodukte ihrerseits können durch Störung der Fibrinpolymerisierung und der Thrombo-zytenaggregation die Gerinnung weiter hemmen. Diese Erhöhung der fibrinolytischen Aktivität erreichtihr Maximum ca. 3 h nach der Geburt und kann bis zu 6–10 h post partum andauern und die Blu-tungsneigung zusätzlich verstärken (Solomon et al. 2012; Rath 2013). Die Folgen sind diffuse Blutungenaus dem offenen uterinen Wundbett und die Entwicklung einer hämorrhagischen Diathese innerhalb von1–2 h (Rath und Heilmann 1999).

3.3.3 Dead-fetus-Syndrom

" Dead-fetus-Syndrom Definitionsgemäß versteht man hierunter eine bei Retention der abgestorbenenFrucht eher schleichend verlaufende Gerinnungsstörung mit einem Fibrinogenabfall unter 1,5 g/l undeiner Thrombozytopenie <100 G/l, wobei ein ausgeprägter Thrombozytenabfall eher selten ist. EineVerminderung des Quick-Wertes und ggf. Verlängerung der aPTT tritt meistens erst auf, wenn dasFibrinogen unter 1 g/l abgefallen ist (Heyl und Rath 1999).

Mit einer DIC ist zu rechnen, wenn der abgestorbene Fetus mehr als 5 Wochen in utero verbleibt (Bicket al. 2006), ein seltenes Ereignis dank Intensivierung der Schwangerenvorsorge und Einbeziehungsonographischer Verfahren. Die intravasale Gerinnungsaktivierung kommt zustande durch Einschwem-mung von nekrotischem fetalem Gewebe und Gewebsenzymen in die m€utterliche Zirkulation und diesekundäre Freisetzung inflammatorischer Zytokine (Habek 2008).

Da das Intervall zwischen dem Absterben des Kindes und dem Behandlungsbeginn nicht immer zuverifizieren ist, sollte zum Ausschluss einer Hämostasestörung bei Aufnahme der Patientin mit intra-uterinem Fruchttod ein Gerinnungsstatus mit Fibinogen und Antithrombin durchgef€uhrt werden.

3.3.4 Fruchtwasserembolie

" Fruchtwasserembolie Die Fruchtwasserembolie (FWE) ist eine unvorhersehbare, lebensbedrohlicheKomplikation mit einer Inzidenz von 2–15/100.000 Geburten, die durch Übertritt von Fruchtwasser-

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bestandteilen in die m€utterliche Strombahn ausgelöst wird. Bei jeder plötzlichen kardiovaskulärenDekompensation und/oder m€utterlichem Tod ohne erklärbare Ätiologie im Rahmen der Geburt solltean eine FWE gedacht werden. Beweisend ist in diesen Fällen die Obduktion mit Nachweis vonFruchtwasserbestandteilen fetalen Ursprungs in der pulmonalen Strombahn mittels histologischer/immunhistochemischer Techniken.

Die FWE gehört weltweit mit einem Anteil von 5–15 % zu den f€uhrenden Ursachen direkterM€uttersterbefälle. Die fallbezogene Sterblichkeit liegt in den Industrieländern derzeit zwischen 11 und44 %, die perinatale Mortalität zwischen 7 und 38 % (Conde-Agudelo und Romero 2009).

Pathogenese/Pathophysiologie Fruchtwasser kann €uber endozervikale Venen, Uterusläsionen oder €uberdie Plazentahaftfläche in die m€utterliche Zirkulation gelangen und €uber humorale und immunologischeFaktoren zu einer Endothelaktivierung und massiven inflammatorischen Reaktion f€uhren. KlinischeGemeinsamkeiten mit dem anaphylaktischen Schock legten die Hypothese einer „anaphylaktoiden“Reaktion aus Fruchtwasserbestandteilen nahe („anaphylactoid syndrome of pregnancy“). Ein andererpathogenetischer Mechanismus könnte in der Aktivierung des Komplementsystems als Trigger der FWEbestehen (Benson 2012).

In der ersten Phase der FWE kommt es zu einer pulmonalen Vasokonstriktion mit Erhöhung despulmonalen Widerstandes und zumindest passagerer pulmonaler Hypertonie. Die kardiale Folge ist eineakute Rechtsherz€uberlastung/Rechtsherzversagen. Schwere Ventilations- und Perfusionsstörungenf€uhren zur Hypoxämie. In der zweiten Phase kann es zudem zu einem akuten Linksherzversagen mitLungenödem kommen.

Bei 30–45 % der Patientinnen, die diese Initialphase der Erkrankung €uberleben, entwickelt sich eineKoagulopathie mit schweren Blutungen infolge einer DIC, die bereits innerhalb der ersten 10–30 min(50% innerhalb von 4 h) und bis zu 9 h nach klinischer Erstmanifestation auftreten kann (Clark et al. 1995;Dean et al. 2012).

Als Ursachen der Koagulopathie werden diskutiert:

– Der Übertritt von Fruchtwasser, das zahlreiche prokoagulatorische Substanzen enthält (u. a. „tissuefactor“, Phosphadidylserin), f€uhrt €uber die Aktivierung der extrinsischen Gerinnungskaskade direktoder indirekt (zytokinvermittelte Komplementaktivierung) zur DIC mit Verbrauchskoagulopathie undsekundärer Hyperfibrinolyse (Uszynski und Uszynski 2011).

– Die Koagulopathie ist Folge einer massiven Hyperfibrinolyse, da Fruchtwasser auch erhöhte Kon-zentrationen an u. a. Urokinase-like Plasminaktivator und Plasminogenaktivator-1 enthält. Gerin-nungsanalysen mittels ROTEM konnten bereits in der Initialphase der FWE eine Hyperfibrinolyseund massive Hypofibrinogenämie nachweisen (Collins et al. 2013).

Diagnose und klinischer Verlauf Die FWE tritt meist in engem zeitlichem Zusammenhang mit Wehenund Geburt/Sectio caesarea auf (55–76 % antenatal) oder bis zu 48 h post partum. Wegweisend sind dieDiagnosekriterien des UK Obstetric Surveillance Systems (Knight et al. 2010): ohne jede andere klareUrsache ! akute kardiovaskuläre Dekompensation mit einem oder mehreren der folgenden Symptome:

– akute fetale Hypoxie,– Herzstillstand,– Herzrhythmusstörungen,– Koagulopathie,– Hypotension,

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– Blutungen (nicht Patientinnen mit Blutungen als Erstsymptom ohne Hinweis auf fr€uhere Koagulopa-thie oder kardiorespiratorische Insuffizienz),

– Prodromi (z. B. Unruhe, Angstgef€uhl, Agitiertheit),– zerebrale Krampfanfälle,– (plötzliche) Kurzatmigkeit,

Diese Symptome können variabel sein sowie sich in Kombinationen und in unterschiedlicher Aus-prägung manifestieren.

In bis zu 12 % der Fälle ist eine lebensbedrohliche Blutung infolge Koagulopathie Initialsymptom derFWE. Die Diagnose der FWE basiert auf den klinischen Symptomen (Ausschlussdiagnose).

" Es gibt kein zuverlässiges, rasch verf€ugbares und klinisch etabliertes Diagnoseverfahren zum sicherenAusschluss oder Nachweis einer FWE. Der histologische/immunhistochemische Nachweis vonFruchtwasserbestandteilen fetalen Ursprungs in der pulmonalen Strombahn bei der Autopsie gilt inVerbindung mit der entsprechenden klinischen Symptomatik als beweisend f€ur die Diagnose (Sinicinaet al. 2010).

Differenzialdiagnose Die „Mimikry-Symptomatik“ der FWE und Gemeinsamkeiten klinischer Kardi-nalsymptome mit anderen Erkrankungen f€uhren häufig zu einer verspäteten Diagnose und Therapie. Diehäufigste Differenzialdiagnose ist die Lungenembolie, die sich von der FWE noch am ehesten durch dietypischen Risikofaktoren, den Thoraxschmerz, die seltenere initiale Hypotension und das Fehlen einerKoagulopathie unterscheidet.

Andere Differenzialdiagnosen sind akuter Myokardinfarkt, septischer oder anaphylaktischer Schock,peripartale Kardiomyopathie sowie geburtshilfliche Komplikationen wie vorzeitige Plazentalösung,Eklampsie oder postpartale Blutung (Rath 2013). Daher dienen die folgenden diagnostischen Verfahrenweniger der Diagnosesicherung als vielmehr der Überwachung und Therapieoptimierung:

– Blutdruck, Puls,– st€undliche Urinausscheidung,– Elektrokardiogramm: Tachykardie, Bradykardie, Arrhythmie, Asystolie, Zeichen der Rechtsherzbe-

lastung,– Transösophageale Echokardiographie: u. a. schwere pulmonale Hypertension, akute Rechtsherz-

belastung/-versagen mit Erweiterung des rechten Ventrikels und schwerer Trikuspidalinsuffizienz,– Atemfrequenz/Blutgasanalyse/Pulsoxymetrie: plötzlicher Abfall der Sauerstoffsättigung, Hypoxämie,– Thoraxröntgenaufnahme: Zeichen des Lungenödems, selten: Kardiomegalie,– laborchemische Untersuchungen: vor allem Gerinnungsanalyse (einschließlich ROTEM-Analyse),

unspezifisch: Leukozytose, Hämoglobin-/Hämatokritverminderung, Erhöhung der Herzenzyme fakul-tativ (Abb. 3).

" Obligat ist die kontinuierliche Überwachung des Kindes mittels Kardiotokographie bis zur notfallmä-ßigen Entbindung.

Therapie Bereits bei Verdacht auf eine FWE ist eine sofortige und koordinierte Zusammenarbeit mitIntensivmedizinern, Anästhesisten und der Transfusionsmedizin mit folgenden Therapiezielen erforder-lich (Rath et al. 2014):

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– Aufrechterhaltung der Oxygenation,– Herstellung eines normalen Blutdrucks und einer adäquaten Herzleistung,– Korrektur einer etwaigen Koagulopathie,– rechtzeitige Entbindung.

Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen zu treffen (Abb. 3):

– Sofern erforderlich: kardiopulmonale Reanimation ! endotracheale Intubation und Ventilation mitmöglichst hohem FiO2 und niedrig gehaltenem positiv-endexspiratorischem Druck, Kontrolle durchBlutgasanalysen.

– Zuverlässiger Aspirationsschutz.– Therapie der Hypotension: kristalloidbasierte Volumengabe und fr€uhzeitiger Einsatz von Vasopres-

soren (z. B. Arterenol, Dobutrex).– Behandlung der akuten Gerinnungsstörung, wenn möglich ROTEM-gesteuert (oben).– Rechtzeitige Entbindung: Bei einem Herzstillstand oder einer lebensbedrohlichen kardialen Arrhyth-

mie sollte möglichst innerhalb von 3–5 min die Notsectio unter Reanimationsbedingungen durchge-f€uhrt werden. Damit erhöht sich die Chance f€ur die Neugeborenen auf ein Überleben ohne neuro-logische Störungen, außerdem verbessert sich durch die Entleerung des Uterus der venöse R€uckstromzum rechten Herzen. Auch nach erfolgreicher Reanimation profitieren Mutter und Kind von einerunverz€uglichen Entbindung.

Verdacht auf Fruchtwasserembolie

plötzliche kardiopulmonale Insuffizienz/Zyanose/u. U. Herz-/Atemstillstand

Koagulopathie → an Fruchwasserembolie denken: biphasischer Verlauf

• Sofort Anästhesie informieren!

• Reanimationsbereit-schaft herstellen

• 1–2 großlumige i.v. Zugänge

• Blutgruppe, Kreuzblut, Gerinnung

• Dauerkatheter

• Info an Transfusionsmedizin

• Erythrozyten- FFPbereitstellen

Logistik Überwachung Therapie

• Blutdruck/Puls • EKG• BGA• Pulsoxymetrie • ZVD• Urimeterkontrolle • evtl. Thoraxröntgen • Blutbild/Gerinnung

(evtl. ROTEM)

• alle 15–30 min. →60 min.

↓Erweiterte Maßnahmen:- ROTEM - arterielle Kanüle- transösophageale

Echokardiographie- zentralvenöser Katheter

• u. U. kardiopulmonale

Reanimation → Entbindung • Frühintubation + Ventilation

mit PEEP • kontrollierte Volumengabe

(Elektrolyte)• evtl. Dopamin:

3–7 µg/kg KG/min. •

Therapie der Hyperfibrinolyse -> Tranexamsäure 1 g i.v.

• Erythrozytenkonzentrate + FFPFibrinogenkonzentrate (50 mg/kg KG)

• Thrombozytenkonzentrate

• evtl. Antithrombinkonzentrate (schwere postpartale Blutung)

• überschießende Fibrinolyse/Hyperfibrinolyse

Abb. 3 Vorgehen bei Verdacht auf Fruchtwasserembolie. (Adaptiert nach Rath 2013)

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– Postpartal: Prävention der Uterusatonie durch adäquate Gabe von Uterotonika. Bei therapierefraktärerUterusatonie/persistierenden massiven Blutungen ist die Indikation zur Hysterektomie rechtzeitig zustellen.

3.3.5 Septische KrankheitsbilderHierzu zählen vor allem die Endomyometritis nach Sectio caesarea oder nach (komplizierter) vaginalerEntbindung, andere prä- oder peripartale operative Eingriffe, die septische Ovarialvenenthrombose,Infektionen der ableitenden Harnwege, der septische Abort sowie das Amnioninfektionssyndrom, wobei80 % der Fälle mit Sepsis im Wochenbett auftreten und meist Folge einer Infektion des Uterus sind. Aufdie Definition der Sepsis und die Pathophysiologie wird in anderen Kapiteln eingegangen.

Störungen der Hämostase treten bei der Sepsis und beim septischen Schock häufig schon in derFr€uhphase der Erkrankung auf und sind von ausschlaggebender prognostischer Bedeutung. Dabeikommt es bereits zu Beginn zu einer gesteigerten Thrombozytenaggregation mit nachfolgendemThrombozytenabfall, der Ausdruck der Schwere der Infektion ist und das Ausmaß der Endotoxinfrei-setzung widerspiegeln soll. Die Störung der Hämostase ist Folge des Endothelschadens, der durch dieEndotoxinwirkung und die daraus resultierende Freisetzung von zahlreichen Mediatoren, insbesonderevon TNFa, verursacht wird.

Entgegen fr€uheren Auffassungen wird heute mehrheitlich angenommen, dass die initiale Aktivierungder Gerinnung bei der Sepsis vor allem durch das exogene System („extrinsic system“) ausgelöst wird;dabei ist die durch Endotoxin und Zytokine induzierte Expression von „tissue factor“ vor allem durchMonozyten/Makrophagen und Endothelzellen, die unter physiologischen Bedingungen dieses Proteinnicht freisetzen, von besonderer pathophysiologischer Bedeutung. „Tissue factor“ (TF) bindet undaktiviert Faktor VII, mit dem dieser den TF/VIIa-Komplex bildet. Der TF/VIIa-Komplex f€uhrt zu einerAktivierung der Faktoren IX und X. Im nächsten Schritt kommt es dann zur Umwandlung von Pro-thrombin in Thrombin und schließlich zur Fibrinbildung (Levi et al. 2009).

Die Bedeutung der Aktivierung des endogenen Gerinnungssystems („intrinsic system“) liegt vorallem in der durch die Freisetzung von Bradykinin (Vasodilatator) bedingten Hypotension und ist nichtentscheidend f€ur die Entstehung einer DIC.

Die Therapie der Hämostasestörung richtet sich nach den in Abschn. 3.2 dargestellten Prinzipien.

4 Chronisch erworbene Hämostasestörungen

Neben der Anämie ist die Thrombozytopenie die häufigste hämatologische Auffälligkeit in derSchwangerschaft, deren Ursache schwangerschaftsassoziiert sein kann, die aber auch schon vorherbestanden hat und ggf. erst in der Schwangerschaft evident wird (McCrae 2010).

Zu den chronisch erworbenen Hämostasestörungen zählen folgende thrombozytäre Diathesen:

– (Auto-)Immunthrombozytopenie (ITP),– die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) sowie– medikamentenbedingte Thrombozytopathien (Kap. 24: „▶Thromboembolische Komplikationen in

Schwangerschaft und Wochenbett“).

4.1 Autoimmunthrombozytopenie (idiopathische thrombozytopenische Purpura; ITP)

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" Autoimmunthrombozytopenie Die Autoimmunthrombozytopenie ist definiert als isolierteThrombozytopenie, bei der Antikörper gegen die eigenen Thrombozyten gebildet werden, ohneklinisch apparente Begleiterkrankungen oder andere Ursachen f€ur eine Verminderung der Blutplätt-chen (z. B. systemischer Lupus erythematodes, Leukämie, HIV-, HCV-Infektion, Medikamente). Manunterscheidet 3 Phasen der Erkrankung:

– die akute ITP (die ersten 3 Monate der Erkrankung),– die persistierende ITP (3.–12. Monat) sowie– die chronische ITP (Dauer >12 Monate) (Übersicht bei Provan et al. 2010).

Die (chronische) ITP stellt ca. 3 % aller Thrombozytopenien in der Schwangerschaft dar. Die Diagnosedarf erst nach Beurteilung des Blutausstrichs zum Ausschluss einer EDTA-induzierten Pseudothrombo-zytopenie bzw. von Riesenthrombozyten (z. B. May-Hegglin-Anomalie) und Ausschluss anderer Grund-erkrankungen, die mit einer sekundären Thrombopenie assoziiert sind, gestellt werden.

4.1.1 PathogeneseDiese Form der Thrombozytopenie ist charakterisiert durch den Nachweis gebundener Autoantikörperder Klasse IgG gegen die Glykoproteinkomplexe IIb/IIIa und Ib/IX der zirkulierenden Thrombozyten undihrer Vorstufen. Der fehlende Nachweis schließt die ITP nicht aus. Die mit Immunglobulin beladenenPlättchen werden durch die Sequestrierung in der Milz zerstört. Bei der akuten Form sind infolge viralerInfektionen hauptsächlich Kinder betroffen, bis zu 80 % Spontanremission nach 3–6 Monaten. Bei derchronischen Form beträgt die Rate der Spontanremissionen <20 % nach 1 Jahr. Es sind in der MehrheitErwachsene, insbesondere Frauen betroffen. Die Inzidenz beträgt insgesamt 2–4 auf 100.000 Personen(Matzdorff et al. 2013).

Bei Frauen mit ITP wird in 30 % der Fälle die Diagnose erst in der Schwangerschaft zum Zeitpunkt derGeburt gestellt, bei der Mehrzahl dieser Patientinnen fehlen die klinischen Symptome einer Thrombo-zytopenie (Silver und Major 2010). Betroffen sind 1–5/10.000 Schwangere.

Die Gestationsthrombozytopenie ist ca. 100� häufiger. Eine sichere Unterscheidung ist häufig erstmit der Kontrolle der Thrombozytenzahl post partum möglich.

4.1.2 Klinik und Diagnostik

" Die Diagnose ITP ist eine Ausschlussdiagnose und sollte nicht vorschnell gestellt werden.

Klinisch imponieren petechiale Blutungen der Haut im Bereich der Beine, Arme und in der Brust-Nacken-Region sowie der Schleimhäute. Intrauterine Blutungen sind unwahrscheinlich.

" Bei einer ITP besteht nur ein geringgradig erhöhtes Risiko f€ur postpartale Blutungskomplikationen;allerdings ist auf eine optimale chirurgische Blutstillung bei der Episiotomie und bei geburtshilflichenVerletzungen zu achten!

Sofern die Diagnose ITP nicht fr€uher gestellt wurde, wird die Thrombozytopenie häufig erst beider routinemäßigen Laboruntersuchung im Rahmen der Kreißsaalaufnahme der Patientin entdeckt.15 % der Frauen mit ITP weisen zu Geburtsbeginn eine Thrombozytopenie <50 G/l auf (Silver undMajor 2010).

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Die Diagnostik umfasst die folgenden Maßnahmen (in Anlehung an Provan et al. 2010, Matzdorffet al. 2013):

– Ausf€uhrliche Anamnese (Thrombozytopenie vor der Schwangerschaft?, Blutungsanamnese, Vorope-rationen, Zahnbehandlungen, ggf. Fragen zur Differenzialdiagnose).

– Körperliche Untersuchung (Milz, Leber und Lymphknoten nicht vergrößert tastbar).– Laboranalytik– Differenzialblutbild mit Beurteilung des Blutausstrichs (erhöhter Anteil von großen, jungen Blutplätt-

chen, Ausschluss von Aggregaten, Riesenthrombozyten oder Fragmentozyten).– GOT, GPT, g-GT, LDH.– Gerinnungsstatus (Fibrinogen, aPTT, Quick-Wert, D-Dimere).– Lupusantikoagulans, Anti-Phospholipid-Ak, ANA, ggf. auch Ausschluss vWS Typ 2B oder

ADAMTS13-Defizienz.– TSH (ITP kann mit Schilddr€usenfunktionsstörungen assoziiert sein, ca. 10 %).– Ausschluss einer Helicobacter-pylori-Infektion bei behandlungsrefraktären Fällen.

Bis auf eine Thrombozytopenie sind Blutbild- und Gerinnungsparameter i. Allg. im Normbereich.Die Untersuchung der PAIgG im Serum der Mutter wird heute nicht mehr empfohlen, da sie insbe-

sondere in der Schwangerschaft häufig unspezifisch positiv ausfällt, auch bei Frauen mit normalenThrombozytenzahlen. Der Nachweis gebundener, spezifischer Glykoprotein-Antikörper kann die Dia-gnose ITP unterst€utzen, der negative Test schließt sie aber nicht aus.

" Derzeit existiert kein geeigneter Test, um eine Autoimmunthrombozytopenie eindeutig zu beweisen!

Der Nachweis gebundener Thrombozytenantikörper hat eine Spezifität von ca. 80 % und eine Sensi-tivität von ca. 55 %. Auch Schwangere mit Gestationsthrombozytopenie können Thrombozytenanti-körper aufweisen.

4.1.3 Therapie

– Schwangere mit Thrombozytenzahlen >50 G/l weisen weder in der Schwangerschaft noch unter dervaginalen Geburt ein signifikant erhöhtes Blutungsrisiko auf, eine Behandlung ist daher nicht erfor-derlich. Die Rate zerebraler Blutungen liegt <1 % (Lefkou und Hunt 2012).

– F€ur eine Sectio caesarea und eine Spinalanästhesie sind Thrombozytenzahlen>50 G/l erforderlich, f€ureine Periduralanästhesie >80 G/l [s. auch Querschnittsleitlinie (BÄK 2008) zur Therapie mit Blut-komponenten und Plasmaderivaten; Provan et al. (2010)].

– Eine Behandlungsindikation besteht bei einer Thrombozytopenie <10 G/l (Gefahr von Spontanblu-tungen) unabhängig vom Schwangerschaftsalter sowie bei Schwangeren im 2. und 3. Trimenon mitThrombozytenzahlen zwischen 10 G/l und 30 G/l oder bei Blutungen, da Patientinnen mit chronischerITP an sehr niedrige Thrombozytenzahlen adaptiert sind (Provan et al. 2010). Nach den DeutschenEmpfehlungen (Matzdorff et al. 2013) besteht eine Behandlungsindikation ante partum bei klinischenBlutungszeichen oder Thrombozytenzahlen <30–50 G/l.

Äquieffektiv im primären Ansprechen und Methoden der 1. Wahl sind (Provan et al. 2010; Matzdorffet al. 2013):

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– Die Gabe von Glukokortikoiden: niedrigdosiert Prednison 10–20 mg/Tag €uber 2–3 Wochen oderhöhere Dosierung mit entsprechenden Nebenwirkungen (z. B. Steroiddiabetes, Hypertonus) Predni-solon 0,5–2mg/kg KG/Tag f€ur 1–2Wochen (keine Präferenz in der deutschen Leitlinie), Reduktion derGlukokortikoiddosis auf eine Dosis, die noch eine ausreichende Thrombozytenzahl gewährleistet.Direkt peripartal ggf. Dosis unverändert belassen und erst postpartal reduzieren.

– Alternativ steht die wesentlich teurere Applikation von Immunglobulin (IgG) zur Verf€ugung: Dosis400 mg/kg KG/Tag €uber 5 Tage oder 1 g/kg KG €uber 8 h f€ur 2 Tage.

– Akuttherapie bei gefährlicher Blutung oder nicht aufschiebbarer Operationsvorbereitung: Gabe vonMethylprednisolon i.v. z. B. 1 g in Kombination mit Immunglobulin oder Azathioprin.

Versagen alle medikamentösenMaßnahmen einschließlich der Gabe von Immunsuppressiva, empfiehltsich die (endoskopische) Splenektomie im 2. Trimenon als Ultima ratio bei symptomatischen (blutenden)Schwangeren mit Thrombozytenwerten <10 G/l.

PraxistippAn Impfung 2 Wochen präoperativ denken: polyvalenter Impfstoff gegen Pneumokokken undMenigokokken Typ C.

4.1.4 Geburtshilfliches Vorgehen(Übersicht bei Provan et al. 2010 und Matzdorff et al. 2013.)

– Bei m€utterlichen Thrombozytenzahlen >50 G/l kann die vaginale Geburt angestrebt werden, einenotwendige Sectio caesarea ist auch in diesen Fällen möglich.

– IgG-Thrombozyten-Antikörper werden transplazentar auf das Kind €ubertragen: Eine neonataleThrombozytopenie <50 G/l findet sich bei 10–15 % der Neugeborenen, mit einer Rate an Hirn-blutungen von <1,5 % Die m€utterliche Thrombozytenzahl korreliert nicht mit einer möglichenThrombozytopenie des Kindes. Im Gegensatz zur Alloimmunthrombozytopenie besteht kein erhöhtesRisiko f€ur eine intrauterine Blutung.

– Besonderes Augenmerk sollte auf splenektomierte Schwangere gelegt werden, die selbst i. d. R. zwarhöhere Thrombozytenzahlen haben, deren Antikörper aber weiterhin präsent und diaplazentar€ubertragbar sind. Entgegen fr€uherer Auffassung sind weder die Nabelschnurpunktion noch die Blut-untersuchung von der fetalen Kopfschwarte unter der Geburt geeignete Methoden zur Bestimmung derfetalen Thrombozytenzahl (Cave: Komplikation der Chordozentese: fetale Mortalität ca. 1–2 %; ent-spricht dem Risiko f€ur intrakranielle Blutungen beim Kind bei schwerer Thrombozytopenie). Einhöheres Risiko f€ur eine neonatele ITP haben die Kinder von M€uttern, die auf die Splenektomie nichtansprachen. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen der Thrombozytenzahl des ersten Kindes undder weiteren Kinder (Koyama et al. 2012).

– Eine Sectio caesarea ist nur aus geburtshilflicher Indikation indiziert, nicht aber aufgrund der ITPper se.

– Eine Vakuumextraktion/komplizierte instrumentelle operative Entbindung oder das Anlegen einerKopfschwartenelektrode sollten unterbleiben.

– Unmittelbar nach der Geburt sollte eine Bestimmung der Thrombozytenzahl aus dem Nabelschnurbluterfolgen, um eine schwere Thrombozytopenie des Kindes rechtzeitig zu erkennen (Gefahr der neona-tale Hirnblutung). Der kindliche Thrombozytennadir wird zwischen dem 2.–5. Tag post partumerreicht. Die beschriebenen Blutungskomplikationen traten zumeist erst 24–48 h postpartal auf.

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– Auf eine optimale Uteruskontraktion post partum ist zu achten (evtl. Uterotonika): Keine Gabe vonSchmerzmedikamenten, die die Thrombozytenfunktion hemmen; Paracetamol ist ein geeignetesAnalgetikum!

– Es besteht kein Stillverbot!– Nach Sectio caesarea und insbesondere bei Korisikofaktoren der Mutter (u. a. Adipositas, Alter >35

Jahre) ist bei Thrombozytenzahlen >50 G/l an die Indikation zur Thromboseprophylaxe zu denken(Kompressionsstr€umpfe, Heparin), bei Thrombozytenzahlen>100 G/l sollte die Heparinstandarddosisf€ur den Hochrisikobereich gegeben werden (d. h. 4.000 Heparineinheiten/Spritze).

4.2 Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP; Moschkowitz-Syndrom)

" Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP; Moschkowitz-Syndrom) Die TTP ist eineseltene, thrombotische Mikroangiopathie (ca. 1:100.000 Schwangerschaften) auf dem Boden einesEndothelschadens, die grundsätzlich alle Organsysteme betreffen kann, mit €uberwiegend von-Willebrand-Faktor enthaltenden hyalinen Thromben in der Mikrozirkulation (Budde und Schneppenheim 2008).Sie ist differenzialdiagnostisch nur schwer vom HELLP-Syndrom abzugrenzen.

Die TTP tritt in 90 % der Fälle antepartal auf, bei 58 % der Patientinnen bis zur 24. SSW. In 5–25 % derFälle wird die Erkrankung in der Schwangerschaft oder postpartal manifest, sodass diese als prädisponie-render Faktor gilt. Die m€utterliche Letalität wird in Abhängigkeit vom Einsatz der Plasmapherese/Plasmatransfusion mit 18–44 %, die Fehl- und Totgeburtenraten mit 30–80 % angegeben (von Aueret al. 2015).

4.2.1 PathophysiologieAusgelöst durch einen Endothelschaden werden ultragroße, supranormale von-Willebrand-Faktor-Multimere in die Zirkulation freigesetzt, die die Aggregation von Thrombozyten an Stellen mit hohenScherkräften (Arteriolen, Kapillaren) auslösen. Die fehlende Spaltung dieser supranormalen Multimereist der zugrundeliegende Pathomechanismus der Erkrankung. Ursächlich kann ein angeborener Mangel/eine Verminderung <10 % der vWF-spaltenden Protease sein (hereditäre Form, Upshaw-Schulman-Syndrom) oder eine erworbene Verminderung bedingt durch Antikörper gegen diese MetalloproteinaseADAMTS13. Bei den hereditären Formen kann der molekulargenetische Defekt am ADAMTS13-Gennachgewiesen werden. Bei Patienten mit Tumoren oder z. B. transplantatassoziierter TTP kann dieADATMTS13-Aktivität noch normal sein, dann ist von einem anderen Pathomechanismus auszugehen.

Der Verlauf ist bei 2/3 der Patienten rezidivierend, unbehandelt liegt die Letalität bei 90 %. Durch dieGabe von FFP zum Ersatz der fehlenden vWF-spaltenden Protease bzw. durch Plasmaaustausch beiantikörperinduzierter Verminderung konnte die Letalität auf ca. 10 % gesenkt werden

Verschiedene Trigger sind bekannt: Infektionen, bestimmte Medikamente (Östrogene, Sulfonamide,Zytostatika, NSAID, Ciclosporin und Ticlopidin) sowie Grundkrankheiten wie die Kollagenosen, Ma-lignome oder die Schwangerschaft selbst.

Da der vWF ein Akutphaseprotein ist, kann die vermehrte endotheliale Freisetzung im Rahmen vonInfektionen oder chronischen Entz€undungsreaktionen oder durch den physiologischen Anstieg in derSchwangerschaft bei Patientinnen mit einem angeborenen (oder erworbenen) Mangel an vWF-spaltenderProtease die Mikrothrombenbildung auslösen.

Die Unterscheidung zwischen der hereditären oder erworbenen Form ist f€ur die Prognose und Thera-pieoption im Hinblick auf eine genetische Beratung von großer klinischer Relevanz.

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4.2.2 Klinik und DiagnostikAls klassische klinische Symptome der TTP gelten neben der schweren Coombs-negativenmikroangiopathisch-hämolytischenAnämie (! Fragmentozyten/Schistozyten im peripheren Blutausstrich)die Thrombozytopenie, Fieber bei 60 % der Patientinnen, neurologische Symptome wie Krämpfe oderpassagere Hemiparesen sowie Nierenfunktionsstörungen, wobei sich allerdings alle 5 Symptome nur bei40% der Patientinnen nachweisen lassen, während die Trias Anämie, Thrombozytopenie und neurologischeSymptome in etwa 75 % der Fälle auftritt. Richtungweisend f€ur die Diagnose sind Thrombozytopenie undCoombs-negative hämolytische Anämie (Budde und Schneppenheim 2008).

" Im Gegensatz zur ITP mit diaplazentarer Übertragung antithrombozytärer IgG-Antikörper auf denFetus und konsekutiver kindlicher Thrombozytopenie weisen die Neugeborenen von an TTP erkrank-ten M€uttern keine Anämie und keine Thrombozytopenie auf.

Die TTP-Diagnose wird klinisch gestellt, da die heute zur Verf€ugung stehende Analytik zur Bestim-mung der Aktivität der vWF-spaltenden Protease (ADAMTS13) bzw. der Antikörper gegen dieselbe nurin wenigen Laboren zur Verf€ugung steht und zeitaufwendig ist (Methodenvergleich bei Starke et al. 2006;Budde und Schneppenheim 2008). Die meist fr€uhzeitig auftretenden neurologischen Symptome sinddiagnostisch richtungweisend – beim hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) das Nierenversagen. DieMehrzahl der Fälle trat aber erst im Wochenbett auf (Fakhouri et al. 2010).

Die DIC (hyaline Thromben bestehen fast ausschließlich aus Fibrinogen und Fibrin) ist eine selteneKomplikation, der Gerinnungsstatus ist normwertig und der Fibrinogenspiegel sowie die D-Dimere sindphysiologisch in der Schwangerschaft erhöht.

4.2.3 DifferenzialdiagnostikDie Diagnose einer TTP ist besonders dann schwierig, wenn sie im 3. Trimenon oder im Wochenbettauftritt, da bei den meisten Patientinnen die Thrombozytopenie das einzige Symptom ist. Die verzögerteDiagnose f€uhrt häufig zu einem verspäteten Therapiebeginn mit Verschlechterung der Prognose. Daherkommt der differenzialdiagnostischen Abgrenzung, vor allem gegen€uber dem HELLP-Syndrom, aberauch anderen seltenen Schwangerschaftskomplikationen und Erkrankungen eine besondere Bedeutungzu (Faridi und Rath 1996; Tab. 5).

Die Abgrenzung zum HELLP-Syndrom gelingt noch am ehesten anhand folgender Kriterien:

– Das HELLP-Syndrom ist häufiger (0,5 % aller Schwangerschaften) als die TTP.– Bei der TTP fehlen zumeist (aber nicht in allen Fällen) Hypertonie und Proteinurie.– Die Erhöhung der Leberenzyme (SGOT, SGPT) ist signifikant geringer.– Die Thrombozytopenie und die hämolytische Anämie sind meist ausgeprägter als beim HELLP-

Syndrom, das im Vergleich zur TTP durch eine rasche Normalisierung der Laborwerte nach der Geburtgekennzeichnet ist.

– Die ADAMTS-13-Spiegel sind beim HELLP-Syndrom nicht <10 % vermindert, bei der TTP imAllgemeinen <5 % (Stella et al. 2009, Silver und Major 2010).

Dar€uber hinaus sind in die Differenzialdiagnosen einzubeziehen:

– Coombs-positives Evans-Syndrom,– schwere Sepsis und– Infektionserkrankungen (z. B. Meningitis, Malaria).

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Tab

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Mikroangiopathien

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ITP

HUS

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SLE

Akute

Schwangerschaftsfettleber

Throm

bozytopenie

+++

+++

Antikörper!

+++

++

++

+(+)

Sekundär

Häm

olyse

+++

–+++

+++

+(+)

Leberenzyme

(+)

–(+)

–++

–++

Hypertonie

––

Sekundär

Sekundär

++(kann

fehlen)

Sekundär

Proteinurie

+–

++

Sekundär

+++(kann

fehlen)

++

Entz€ undungszeichen

++(Fieber)

–+(Fieber)

––

+++(Fieber)

+++

Nierenbeteiligung

+–

+++

Möglich

+,selten+++

+++

Sekundär

ZentraleSym

ptom

e+++

–Sekundär

–+!

++

+Initial

AndereKriterien

Defizienzan

ADAMTS13

1.und

2.Trimenon

Häufig

postpartal

Antiphospholip

id-

Antikörper-

Throm

bosen,

Aborte

3.Trimenon,

postpartal

AntinukleäreAntikörper

bei>

90%

Anamnese

Sekundäre

Gerinnungsstörung

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4.2.4 Therapie(Übersicht bei George 2010 und Scully et al. 2014.)

In jedem Fall ist bei Verdacht auf eine TTP die interdisziplinäre Kooperation mit einem Hämatologenunerlässlich. Die Akutbehandlung sollte nach Sicherstellung einer Serum- und Citratplasmaprobe f€ur dieAnalytik unverz€uglich eingeleitet werden. Die initiale Therapie der Wahl ist der tägliche Plasmaaus-tausch mit anfangs 40–60 ml/kg KG in den ersten 3 Tagen, dann 30–40 ml/kg KG, meistens sind8 Therapien innerhalb von 2 Wochen erforderlich. Sofern die Plasmapherese nicht zur Verf€ugung stehtbzw. bei fehlendem Nachweis von Antikörpern gegen die ADAMTS13-Protease (angeborene TTP), wirddie Gabe von FFP 30 ml/kg KG unter Intensiv€uberwachung und Volumenkontrolle empfohlen. Throm-bozytentransfusionen gelten nicht mehr als streng kontraindiziert.

Praxistipp

– Die Gabe von Thrombozytenkonzentraten ist nur bei einer lebensbedrohlichen Blutung indiziert.– Die alleinige Gabe von Glukokortikoiden ist nicht von Nutzen.– Einen weiteren Therapieansatz bei refraktärer Verlaufsform oder Rezidiven der TTP stellt die

Applikation von Rituximab (Dosierung 375 mg/m2 wöchentlich) dar. Es handelt sich um mono-klonale Antikörper gegen B-Zellen, die zu einer Eliminierung der Autoantikörper gegenADAMTS13 f€uhren (Sadler 2008). Cave: Nebenwirkungen.

5 Angeborene Gerinnungsstörungen

5.1 von-Willebrand-Syndrom

" von-Willebrand-Syndrom Das von-Willebrand-Syndrom ist eine autosomal dominant (seltener re-zessiv) vererbte Erkrankung mit verschiedenen Subtypen entsprechend der quantitativen und/oderqualitativen Verminderung des von-Willebrand-Faktors (vWF). Es ist die häufigste angeborene Ge-rinnungsstörung mit einer Prävalenz (Laboranalytik) von ca. 1 %. Klinisch relevante Blutungskom-plikationen zeigen sich aber nur bei 1/3000–1/10.000 aller Betroffenen (Sadler et al. 2006).

Eine detaillierte Beschreibung der Subtypen und der Genetik findet sich bei Keeney et al. (2008).

5.1.1 PathogeneseDer von-Willebrand-Faktor wird in den Endothelzellen und Megakaryozyten synthetisiert und hat einemultimere Struktur, durch Polymerisation beträgt seine Größe 40.000 kDa. Nach Sekretion aus denEndothelzellen in die Zirkulation erfolgt eine Abspaltung supranormaler Multimere durch dievWF-spaltende Protease (ADAMTS13). Der vWF hat 3 wichtige Funktionen f€ur die Hämostase:

– Er vermittelt die Interaktion der Thrombozyten durch Bindung an denGPIb-Rezeptor der Thrombozyten.– Er bindet an freiliegende Kollagenstrukturen der defekten Gefäßwand.– Er ist Trägerprotein f€ur FVIII:c im Plasma; hierdurch wird der vorzeitige proteolytische Abbau von

FVIII:c vermieden (der fr€uhere Terminus FVIII-assoziiertes Antigen spiegelt dies wider).

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Die verschiedenen Subtypen des vWS erklären sich durch die unterschiedlichen genetischen Defekte:

– funktionelle Störungen,– Störungen der Multimerisation,– verstärkter Abbau hochmolekularer Multimere,– gestörter intrazellulärer Transport (Federici 2006).

5.1.2 Klinik und DiagnostikRichtungweisend f€ur die Erkrankung ist die typische Blutungsanamnese seit der Kindheit: Hyperme-norrhöen und Menorrhagien bei 10–25 % der Betroffenen, Epistaxis, vermehrte Hämatomneigung,posttraumatische (-operative) Hämorrhagien z. B. nach Zahnextraktion, nach der Geburt, Schleimhaut-blutungen, z. B. Zahnfleischbluten, selten Gelenkblutungen. Durch einen gezielten Fragenkatalog zurBlutungsanamnese mit oder ohne Erhebung eines „bleeding scores“ können Frauen mit Hämostasestö-rungen und insbesondere mit von-Willebrand-Syndrom fr€uhzeitig (vor der Schwangerschaft) identifiziertwerden (Federici 2006; Rodeghiero et al. 2010).

Da es in der Schwangerschaft zu einem Anstieg des vWF/Faktor-VIII-Komplexes kommt, sindBlutungen insbesondere beim Subtyp 1 selten (Scholz et al. 2011). In 90 % dieser Fälle sind dieFaktorenspiegel am Termin im Normbereich (Tab. 6). Beim Typ 2 steigt der vWF-Antigen-Spiegel inder Schwangerschaft an, die vWF-Aktivität infolge der Bildung von abnormalen vWF-Multimeren abernur minimal oder gar nicht (Huq und Kadir 2011). Der Subtyp 2B wird häufig erst in derSchwangerschaft oder peripartal €uber die Labordiagnose „Thrombozytopenie“ diagnostiziert, die durchspontane Thrombozytenaggregation infolge einer erhöhten Produktion abnormaler intermediärerMultimereverursacht wird (Übersicht bei Ranger et al. 2012). Der Subtyp 3, charakterisiert durch das Fehlen des vWF,zeigt in der Schwangerschaft keinen Anstieg des vWF-Spiegels; marginaler Anstieg des FVIII.

Das von-Willebrand-Syndrom ist per se kein unabhängiger Risikofaktor f€ur eine primäre postpartaleBlutung (Chee et al. 2012). In einer bevölkerungsbasierten Studie aus den USA lag die Inzidenz derpostpartalen Blutungen bei Patientinnen mit von-Willebrand-Syndrom bei 6 % im Vergleich zu 4 % beigesunden Frauen (p <0,01, James und Jamison 2007), in anderen Studien bei 12,5–18,5 % (Peyvandiet al. 2011). Von besonderer Bedeutung sind sekundäre postpartale Blutungen mit einer Inzidenz von20–25 % (starker Abfall des vWF/Faktor-VIII-Komplexes) ohne geburtshilfliche Ursachen, die die erstenZeichen eines von-Willebrand-Syndroms sein können.

Das Risiko zur Notwendigkeit von Bluttransfusionen ist um das 5-Fache erhöht und betrug in einernationenweiten Studie aus den Niederlanden 11 % aller Geburten mit von-Willebrand-Syndrom (de Weeet al. 2011).

Aufgrund der Komplexität der Funktionen des vWF ist eine Kombination von verschiedenen Testsnotwendig, um ein vWS auszuschließen bzw. den korrekten Subtyp zu erfassen. Die endg€ultige Klassi-

Tab. 6 Einteilung des von-Willebrand-Syndroms. (Nach Sadler et al. 2006)

Typ Kennzeichen

1 Partieller quantitativer Mangel an vWF (Häufigkeit: 54–75 %)

2 Qualitativ veränderter vWF

– 2A Fehlen der großen und intermediären vWF-Multimere und reduzierte vWF-abhängige Thrombozytenadhäsion

– 2B Fehlen der großen vWF-Multimere, milde Thrombopenie durch vermehrte Bindung an GPIb der Thrombozyten

– 2 M Qualitative Varianten mit Multimerisierungsdefekten

– 2 N Qualitative Variante mit verminderter FVIII:c-Bindung

3 Völliges Fehlen des vWF

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fikation mittels Analyse der vWF-Multimere ist einmal notwendig, um die richtigen Therapieoptionen f€urdie betroffenen Patienten abzusichern.

Die in der Übersicht dargestellte Stufendiagnostik wird empfohlen.

Stufendiagnostik bei von-Willebrand-SyndromOrientierende Diagnostik bei entsprechender Anamnese

– PTT und Thrombozytenzahl– Die Blutungszeit ist bei einer Sensitivität von nur 50 % nicht mehr zu empfehlen

Erweiterte Diagnostik

– vWF-Antigen, vWF-Aktivität und/oder Kollagenbindungsaktivität (CBA)– Eine €uberproportionale Verminderung der vWF-Aktivität bzw. CBA im Verhältnis zum

vWF-Antigen spricht f€ur einen Typ-2-Defekt mit Fehlen hochmolekularer Multimere– FVIII:c

Spezielle Diagnostik

– vWF-Multimere, FVIII-Bindungskapazität, RIPA-Test (vermehrte Ristocetin-induzierte Throm-bozytenaggregation bei Typ 2B)

(Übersicht bei Pachecco et al. 2010 und Laffan et al. 2014.)

5.1.3 Therapie(Übersichten bei Chi und Kadir 2012; Peyvandi et al. 2011 und Laffan et al. 2014.)

– Patientinnen, die zum Zeitpunkt des Geburtsbeginns einen Wert f€ur den vWF/FVIII-Komplex von>50 % aufweisen und asymptomatisch sind, bed€urfen keiner Therapie (mehrheitlich Typ 1).

– Nur bei geringerer Aktivität (<50 %) sollte eine Substitution bei Geburtsbeginn bzw. vor einemKaiserschnitt durchgef€uhrt werden und mindestens 3–5 Tage nach der Geburt.

– Bis auf die Subgruppen Typ 2 und 3 ist das Medikament der 1. Wahl bei dieser Erkrankung Desmo-pressin (DDAVP, Minirin), in einer Dosierung von 0,3–0,4 mg/kg KG €uber 30 min, das die Faktor-VIII-Spiegel erhöht und die Freisetzung von endogenem vWF aus Endothelzellen stimuliert (Castamanet al. 2010). Nach einer j€ungsten systematischen Übersicht ist die Gabe von DDAVP eine sichereTherapie mit geringen Nebenwirkungen (u. a. Flush, Kopfschmerzen), die Blutungskomplikationenbei diesen Patientinnen signifikant reduziert (Trigg et al. 2011).

– Beim Typ 2B kann durch DDAVP eine bestehende Thrombozytopenie noch verstärkt werden und istdaher bedingt kontraindiziert: Im Bedarfsfall Infusionszeit verlängern auf 60 min (eigene Beobachtung).

– Eine verstärkte, primäre postpartale Blutung in der Anamnese (37–51 % der Schwangeren in Abhän-gigkeit vom Schweregrad; de Wee et al. 2011) ist eine Indikation f€ur die Gabe von DDAVP peripartalund ggf. 24 h später. Eine aktive Leitung der Nachgeburtsperiode ist zu empfehlen.

Sollte diese Therapie nicht greifen oder handelt es sich um die Subtypen 2 und 3, sollten vWF/FVIII-Konzentrate (z. B. Haemate P, Fa. CSL Behring, Wilate, Fa. Octapharma oder Willfact Fa. Swedish

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Orphan Biovitrum) gegeben werden. Als Dosierungen sub partu und im Wochenbett wurden empfohlen:30–40(–50) IE/kg KG als Initialdosis, 15–25 IE/kg KG alle 12 h f€ur die ersten 3–5 Tage, 15–25 IE/kg KGalle 24 h f€ur weitere 5–7 Tage.

Eine verstärkte Nachblutung im Wochenbett kann noch 2–3 Wochen (15,7 � 5,2 Tage) nach derEntbindung auftreten. Dar€uber ist auch die betreuende Hebamme zu informieren (Roque et al. 2000).20–25 % der Frauen mit vonWillebrand Syndrom sind betroffen, wenn es dann zum Abfall der Faktoren-spiegel auf den Ausgangswert kommt.

Sollte anamnestisch eine primäre Hämostasestörung wahrscheinlich und ein vWS ausgeschlossen sein,so ist an seltene angeborene oder erworbene Thrombozytenfunktionstörungen zu denken.

Praxistipp

– Bisher liegen keine Hinweise daf€ur vor, dass aufgrund einer etwaigen Blutungsgefährdung desFetus bzw. Neugeborenen die Sectio caesarea Vorteile im Vergleich zur vaginalen Entbindungbietet. Allerdings sollten protrahierte Geburtsverläufe oder schwierige vaginaloperative Entbin-dungen vermieden werden (Lee et al. 2006).

– Abhängig von den laborchemischen Ergebnissen der Gerinnungsanalyse und unter entspre-chender Faktorensubstitution wurde €uber problemlose Regionalanästhesien bei von-Willebrand-Patientinnen berichtet (vWF-Faktor-Aktivität sollte >50 % gehalten werden), keine Regional-anästhesie bei Subtyp 2 und 3, nur nach Substitution.

5.2 Konduktorin für Hämophilie

" Hämophilie A Hämophilie A ist eine X-chromosomal rezessiv vererbte Erkrankung mit einemMangel an Faktor-VIII-Aktivität (FVIII:c). Bei der schweren Form der Hämophilie A liegt die Rest-aktivität bei<2%, bei der mittelschweren bei 2–5% und bei der milden Form zwischen 5 % und 25%;Subhämophilie 25–50 % FVIII-Restaktivität.

" Hämophilie B Die Hämophilie B ist ebenfalls eine X-chromosomal rezessiv vererbte Erkrankung, beider eine Verminderung des Gerinnungsfaktors FIX vorliegt mit der gleichen Klassifikation wie bei derHämophilie A.

Aufgrund des Vererbungsmodus erkranken nur Männer, während Frauen das kranke Gen als Konduk-torinnen vererben. Die Klärung des möglichen Konduktorinnenstatus sollte nach Stammbaumerhebungbzw. humangenetischer Beratung bei Kinderwunsch der Frau möglichst vor einer geplantenSchwangerschaft angestrebt werden, da die Analytik je nach Mutation sehr zeitaufwendig ist. Diegenetische Untersuchung von jungen Mädchen wird nicht empfohlen (nur Bestimmung des FVIII/FIXpräoperativ bzw. bei Blutungszeichen).

Die Inzidenzen der Hämophilie A und B betragen 1:5.000 bzw. 1:30.000 der männlichen Neuge-borenen. Wenn eine Frau ein normales Gen eines Elternteils erbt, ist der Gerinnungsfaktor mit etwa 50 %der Norm zumeist ausreichend f€ur eine effiziente Gerinnung. Bei 10–20 % dieser Frauen wird allerdingsnur eine Aktivität von <40 % gemessen, sodass ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht.

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5.2.1 Diagnostik und KlinikAbhängig von der Restaktivität des Faktors VIII:c bzw. Faktor IX kommt es zu einer entsprechendverlängerten PTT bei normalem Quick-Wert und normaler Thrombozytenfunktion. Eine normale PTTschließt eine Subhämophilie bzw. den Konduktorinnenstatus nicht aus.

Differenzialdiagnostisch muss bei der Hämophilie A immer auch ein von-Willebrand-Syndrom ein-schließlich des Subtyps mit einer Faktor-VIII-Bindungsstörung (vWS Typ Normandy) ausgeschlossenwerden, da das vonWillebrand-Syndrom autosomal vererbt wird und sich andere Therapieoptionen ergeben.

In der Schwangerschaft kommt es bei einer Konduktorin f€ur die Hämophilie A i. Allg. zu einemausreichenden Anstieg der FVIII-Aktivität; der Anstieg des FIX bei einer Konduktorin f€ur die Hämophi-lie B ist in der Schwangerschaft gering.

" In jedem Fall ist eine gemeinsame Betreuung der Schwangeren mit einem Hämatologen/Hämostaseo-logen indiziert.

Empfehlungen (Übersichten bei Chi und Kadir 2012 und Srivastava et al. 2013.)

– Bei bekannter Hämophilie in der Familie sollte eine fetale Geschlechtsbestimmung, sofern nichtmittels Ultraschalluntersuchung zu erkennen, durch Pränataldiagnostik erfolgen. Die Pränataldiagnos-tik wird sich wahrscheinlich in Zukunft durch die Möglichkeit der Bestimmung von freier fetaler DNAin der m€utterlichen Zirkulation ändern – und sei es zunächst nur f€ur die häufigste bzw. schwere Formder Hämophilie A (Intron-22-Inversion) (Tsui et al. 2011).

– Eine Faktorenbestimmung empfiehlt sich bei der ersten Konsultation sowie zwischen der 28. und 34.SSWund vor jedem invasiven Eingriff. Dar€uber hinaus sind Gerinnungsanalysen post partum indiziert,da dann die Faktor-VIII-Aktivität rasch abfällt und mit Blutungen auch noch 2 Wochen postpartalgerechnet werden muss. Ist eine aktuelle Faktorenanalyse bei Geburtsbeginn nicht möglich, sollte derletzte Befund aus dem 3. Trimenon herangezogen werden. Bei Werten <50 IE/dl muss eine adäquateFaktorensubstitution vorgenommen werden.

– Wichtig ist eine möglichst atraumatische Geburt mit Vermeidung von Geburtsverletzungen. Bei einemmännlichen Neugeborenen ist ein invasives fetales Monitoring (z. B. Skalpelektrode und fetaleBlutgasanalyse) ebenso zu vermeiden wie eine Vakuumextraktion und protrahierte Geburtsverläufe.

– Das Risiko betroffener Neugeborener f€ur Kephalhämatome und intrakranielle Blutungen ist erhöht.Die Inzidenz an symptomatischen Hirnblutungen bei hämophilen Neugeborenen soll nach vaginalerGeburt bei 3–4 % liegen, sie ist nach Vakuumextraktion deutlich höher (ca. 6 %) und am niedrigstennach elektiver Sectio caesara. Der Geburtsmodus bei bekannter Hämophilie des Kindes wird kontro-vers diskutiert (Übersicht bei Huq und Kadir 2011). Leitlinien zufolge ist in diesen Fällen die vaginaleGeburt nicht kontraindiziert, die Indikation zur elektiven Sectio caesarea ist individuell zu stellen(British Committee for Standards in Haematology 2011).

– Eine Spinal-/Periduralanästhesie ist bei Faktorenwerten >50 IE/dl und normalem Gerinnungsstatusmöglich. Ein spinales Hämatom ist selten (<0,2 %).

– Postpartal besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko: Die Häufigkeit f€ur eine primäre postpartale Blutungs-komplikation beträgt 22% und f€ur eine sekundäre 11%. Die aktive Leitung der Nachgeburtsperiode istzu empfehlen. Nach der Geburt ist eine Bestimmung der Faktorenaktivität durchzuf€uhren. Faktoren-aktivitäten >50 IE/dl sollten nach vaginaler Geburt €uber 3 Tage und nach Sectio caesarea €uber 5 Tageaufrechterhalten werden.

– Nach der Geburt sollte Nabelschnurvenenblut innerhalb von 2 h einer Gerinnungsanalyse zugef€uhrtwerden (Cave: Auch gesunde Neugeborene haben eine verlängerte PTT, daher ist dann eine Einzel-faktorenanalyse anzuschließen). Bei schwieriger Geburt und/oder mittlerem/schwerem Faktorenman-

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gel ist eine Schädelsonographie, bei symptomatischen Neugeborenen ein Schädel-CT vorzunehmen(Huq und Kadir 2011).

5.2.2 TherapieBei Patientinnen mit einer Faktorrestaktivität < 50 % zum Zeitpunkt der Entbindung ist die Blutungs-gefahr erhöht. Peripartal kann bei einer verminderten FVIII-Aktivität (>30–50 %) Desmopressin(DDAVP, Minirin) in einer Dosierung von 0,3–0,4 mg/kg KG in Kochsalzlösung €uber 30 min infundiertausreichend sein oder FVIII-Konzentrat gegeben werden (Trigg et al. 2011; Laffan et al. 2014). Dadurchsteigt i. Allg. die vWF-Aktivität um das 2-bis 3-Fache, die FVIII-Aktivität um das 2- bis 6-Fache derAusgangswerte an und ist dann f€ur die effektive Hämostase ausreichend. DDAVP ist bei HämophilieB nicht wirksam. In diesen Fällen ist bei einem Faktorenspiegel <50 % die prophylaktische Gabe vonFaktor-IX-Konzentrat indiziert, ebenso bei Akutblutungen (Silver und Major 2010).

DDAVP tritt nur in geringen Mengen in die Muttermilch €uber (Lefkou und Hunt 2012).

"Cave Oxytozin kann die antidiuretische Wirkung von DDAVP (synthetisches Vasopressinanalogon)verstärken, Desmopressin sollte bei Präeklampsie nicht gegeben werden, da zentral wirksam.

PraxistippDer erforderliche Substitutionsbedarf bei einer FVIII-Restaktivität <30 % bzw. FIX <50 % anFaktorenkonzentraten berechnet sich nach der Formel, dass 1 Einheit pro kg KG die messbareAktivität um 1–2 % anhebt.

Zur Verf€ugung stehen plasmatische oder gentechnisch hergestellte FVIII- bzw. FIX-Konzentrate.Durch die Substitution sollten peripartal Faktoraktivitäten >80 % (gemessen 30 min nach der Gabe)f€ur 3–5 Tage angestrebt werden. Die betreuende Hebamme sollte um das erhöhte Blutungsrisiko wissen;eine ortsnahe Versorgung der Wöchnerin ist zu gewährleisten.

PraxistippStehen in einer akuten Situation keine Faktorenkonzentrate zur Verf€ugung, ist ausnahmsweise beiFaktor-IX-Verminderung die Applikation von PPSB möglich (Cave: thrombogen), alternativ FFPauch bei Faktor-VIII- und/oder Faktor-IX-Verminderung.

5.3 Faktor-VII-Mangel

5.3.1 PathogeneseDer Faktor-VII-Mangel wird autosomal dominant vererbt, das Faktor-FVII-Gen liegt auf dem Chromo-som 13. FVII wird in der Leber gebildet und gehört zu den Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren.Die Inzidenz der klinisch relevanten Verminderung liegt bei 1: 500.000. In der Schwangerschaft steigt derFVII physiologisch nur leicht an.

5.4 Klinik und DiagnostikDie Diagnose FVII-Verminderung ist häufig ein präoperativer Zufallsbefund, da die Patientinnen €ubereinen verminderten Quick-Wert auffallen. Von einem hereditären Defekt ist auszugehen, wenn bei derAbklärung ein Vitamin K-Mangel (Faktor-II-Aktivität normal) und eine Lebersynthesestörung

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(Antithrombin und CHE normal) auszuschließen sind. Cave: Die FVII-Empfindlichkeit der Thrombo-plastinreagenzien f€ur die Quick-Wert-Messung ist unterschiedlich, daher kommt es zu scheinbar wech-selnden Werten!

Im Allgemeinen liegt die FVII-Restaktivität bei den heterozygoten Merkmalsträgern >30–50 %, diePatientinnen sind in Bezug auf eine Blutungsneigung asymptomatisch.Die Blutungsneigung ist auch beiWerten <30 % variabel und bei Werten <20 % anzunehmen. Hier ist die klinische Beobachtung(Regelblutung, Voroperationen an den Schleimhäuten, z. B. Zahnextraktionen) entscheidend, um zuklären, ob peripartal eine Substitutionstherapie indiziert ist. Ein Faktorenkonzentrat sollte bereitgestelltwerden. Das Risiko f€ur postpartale Blutungskomplikationen ist erhöht.

5.4.1 TherapieBei FVII-Spiegeln <10–20 % ist die prophylaktische Gabe von FVII-Konzentrat indiziert (Peyvandiet al. 2011). F€ur diese Substitutionstherapie steht plasmatischer Faktor VII (Immuseven, Fa. BaxaltaBioscience, Dosisrichtlinie 1 E/kg KG; hebt den Plasmaspiegel um 1–2 % an) zur Verf€ugung, ebenso dergentechnisch hergestellte FVIIa in der Dosierung 15–30 mg/kg KG (NovoSeven, Fa Novo Nordisk). DieDosierung bzw. Substitutionsintervalle richten sich im Notfall nach dem Quick-Wert (Normalisierunganstreben), da die Einzelfaktorenbestimmung nicht in jedem Labor verf€ugbar ist. Der Faktor VII hat einekurze Halbwertzeit von ca. 4 h, sodass die ca. 6-st€undliche Kontrolle des Quick-Wertes initial not-wendig ist.

Sollte in einer Akutsituation kein Faktorenkonzentrat verf€ugbar sein, kann PPSB gegeben werden.

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