Gesamtabstract 2016 2 - phadia.com Companies/Germany/Veranstaltungen... · system Beteiligten...

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Inhaltsverzeichnis Vortragstitel Referent Seite Der gesundheits- und berufspolitische Stellenwert der Allergologie in Deutschland Michael Horst 2 Wenn Testresultate nicht zusammenpassen: Allergologische Diagnose-Instrumente auf dem Prüfstand Priv.-Doz. Dr. Jörg Kleine-Tebbe 6 Aktuelle Diagnostik bei Verdacht auf Nahrungsmittel-Allergie Prof. Bodo Niggemann 11 Neue Allergiesyndrome: Was Zecken mit Fleisch-Allergie zu tun haben Prof. Tilo Biedermann 15 Wann ist die molekulare Allergiediagnostik im Multiplex-Verfahren sinnvoll? Prof. Vera Mahler 18 Zukunft der Labormedizin – im Konflikt zwischen medizinischer Versorgung und Ökonomisierung Dr. Michael Müller 21 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Aktuelles zu Diagnose, Therapie und Monitoring Priv.-Doz. Dr. Carsten Büning 24 Das Antiphospholipid-Syndrom: Herausforderungen in der Autoimmundiagnostik Dr. Thorsten Krieger 27 Stufendiagnostik zur Abklärung der Kollagenosen Prof. Rudolf Gruber 30 Rheumatoide Arthritis frühzeitig erkennen. Zusammenspiel von Hausarzt, Labor und Rheumatologe Dr. Edmund Edelmann 33 Korrespondenzanschriften 37

Transcript of Gesamtabstract 2016 2 - phadia.com Companies/Germany/Veranstaltungen... · system Beteiligten...

Inhaltsverzeichnis

Vortragstitel

Referent Seite

Der gesundheits- und berufspolitische Stellenwert der Allergologie in Deutschland

Michael Horst 2

Wenn Testresultate nicht zusammenpassen: Allergologische Diagnose-Instrumente auf dem Prüfstand

Priv.-Doz. Dr. Jörg Kleine-Tebbe 6

Aktuelle Diagnostik bei Verdacht auf Nahrungsmittel-Allergie

Prof. Bodo Niggemann 11

Neue Allergiesyndrome: Was Zecken mit Fleisch-Allergie zu tun haben

Prof. Tilo Biedermann 15

Wann ist die molekulare Allergiediagnostik im Multiplex-Verfahren sinnvoll?

Prof. Vera Mahler 18

Zukunft der Labormedizin – im Konflikt zwischen medizinischer Versorgung und Ökonomisierung

Dr. Michael Müller 21

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Aktuelles zu Diagnose, Therapie und Monitoring

Priv.-Doz. Dr. Carsten Büning 24

Das Antiphospholipid-Syndrom: Herausforderungen in der Autoimmundiagnostik

Dr. Thorsten Krieger 27

Stufendiagnostik zur Abklärung der Kollagenosen

Prof. Rudolf Gruber 30

Rheumatoide Arthritis frühzeitig erkennen. Zusammenspiel von Hausarzt, Labor und Rheumatologe

Dr. Edmund Edelmann 33

Korrespondenzanschriften 37

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Der gesundheits- und berufspolitische Stellenwert der Allergologie in Deutschland Michael Horst Aktionsforum Allergologie, med info GmbH, Heidenheim __________________________________________________________________________

In Deutschland wie auch in anderen westlichen Industriestaaten haben sich Allergien über

Dekaden in einer rasanten Form entwickelt. Bis zu 30 Millionen Bundesbürger sind im

Verlauf ihres Lebens von allergischen Erkrankungen mit zum Teil lebensbedrohlichen Folgen

betroffen. Die Schwere der Erkrankungsformen nimmt zu, die Krankheitsverläufe werden

immer komplexer.

Allergien sind eine Volkserkrankung im stetigen Wachstum. Millionen Menschen leiden

täglich, büßen Lebensqualität im hohen Maße ein. Sie können beruflich nicht mehr den

vollen Umfang leisten, werden nur zu einem kleinen Teil angemessen therapiert und

verursachen somit auch hohe indirekte Kosten.

Untermauert ist dies alles durch viele nationale und internationale Forschungsergebnisse zur

Epidemiologie, Prävalenz und Inzidenz. Jüngst hat dies eine weitere Untersuchung durch

Herrn Prof. Dr. Wasem in der allergologischen Versorgungsforschung bestätigt.

Umso verwunderlicher stimmt im Rückblick, dass sich in der letzten Dekade für die

Versorgung der Patienten so gut wie nichts verbessert hat. Im Gegenteil: Es ist in der

praktizierten Früherkennung und der Diagnose nahezu zu einem Stillstand gekommen, der

bedenklich ist. Die Gesamtzahl der allergischen Patienten steigt zwar, aber im Gegensatz

dazu scheint der Anteil der Patienten, die eine spezifische Immuntherapie erhalten,

unterproportional.

Mit den gegenwärtigen zur Verfügung stehenden Therapien wäre eine sehr gute

Patientenversorgung möglich, wenn nicht die aktuellen Verfahrensweisen eine gute

Versorgung der Mehrzahl der Allergiker in Deutschland erschweren oder gar verhindern.

Man kann davon ausgehen, dass lediglich jeder zehnte Patient qualifiziert versorgt wird. Ein

koordinierter Maßnahmen- und Aktionskatalog ist gefragt, der im breiten Konsens realisiert

wird. Es geht um die Versorgung der Allergiker und um den gesamtgesellschaftlichen

Umgang mit dem Thema „Allergie“.

Es gilt, jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, um in zehn Jahren validierbare

Verbesserungen gegenüber dem Status quo nachweisen zu können.

Mehr als eine Dekade wurde untätig zugewartet, jetzt müssen wir gemeinsam handeln:

3

Ärzte, Wissenschaftler, Krankenkassen und politische Entscheidungsträger möchten

wir zum „Nationalen Aktionsplan Allergologie“ auffordern. Alle am Gesundheits-

system Beteiligten sollen koordiniert gegen die Volkskrankheit zu Felde ziehen. Nur so

können wir eine – längst überfällige – deutliche und messbare Verbesserung der

Versorgung von Menschen mit allergischen Erkrankungen erzielen.

Das Paradoxon ansteigender Inzidenzen und sinkender Versorgungsleistungen muss

durchbrochen werden. Deutschland kann und sollte den Allergikern ein gutes Leben

bereiten – und damit auch eine Vorreiterrolle einnehmen.

Einen ersten Schritt eines solchen Bündnisses stellt die Gründung des Aktionsforums

Allergologie (AFA) im Jahr 2013 dar. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von

wissenschaftlichen Gesellschaften und Berufsverbänden, der sich für die Förderung und

Weiterentwicklung der Versorgung von Patienten mit allergischen Erkrankungen in

Deutschland einsetzt.

Führende Gesellschaften und Verbände der deutschen Allergologie gehören zum

Aktionsforum:

• Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI) e.V.

Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) e.V.

Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) e.V.

Deutscher Berufsverband der HNO-Ärzte (BVHNO) e.V.

• Berufsverband der Deutschen Dermatologen ( BVDD) e.V.

• Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) e.V.

• Bundesverband der Pneumologen (BdP)

Damit sind im Aktionsforum Allergologie alle wesentlichen Gruppen von Wissenschaftlern

und Ärzten der deutschen Allergologie vertreten.

Ziel ist es, die Versorgung der Allergiker in Deutschland deutlich zu verbessern:

Neuerkrankungen vermeiden

Früherkennung von Allergien stärken

Allergiediagnostik verbessern

Allergien evidenzbasiert behandeln

Berufsbedingte Allergien reduzieren

Schwere allergische Krankheitsverläufe verhindern

Versorgung der Allergiker verbessern

Gesundheitskosten signifikant reduzieren

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Allergien müssen als Volkskrankheit wahrgenommen werden, um dann durch bessere

Präventionsstrategien und Optimierung der medizinischen Versorgung den Patienten besser

helfen zu können. Dazu ist eine koordinierte Zusammenarbeit aller Allergologen ebenso

notwendig, wie die Schaffung besserer Rahmenbedingungen durch die Politik.

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Für Ihre Notizen

6

Wenn Testresultate nicht zusammenpassen: Allergologische Diagnose-Instrumente auf dem Prüfstand

Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Kleine-Tebbe Allergie- und Asthma-Zentrum Westend, Praxis Hanf, Ackermann & Kleine-Tebbe, Berlin

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Zur Diagnose IgE-vermittelter Reaktionen und Erkrankungen dienen

a) Anamnese,

b) Sensibilisierungstests und

c) Provokationstests; letztere, um in Zweifelsfällen die klinische Relevanz einer IgE-

Sensibilisierung zu klären.

Abbildung: Sämtliche (theoretischen) Ergebnisvarianten der "diagnostischen Pyramide" zur Allergieabklärung.

Bei der allergologischen Abklärung klinischer Beschwerden stimmen die Befunde nicht immer überein. Die Kenntnis möglicher Gründe für die qualitativen Abweichungen hilft bei der Interpretation und Bewertung der erzielten Resultate.

Anamnese: Klinische Angaben des Patienten; Hauttest: z. B. Pricktest; Labor: allergen-spezifisches IgE; Provo: Provokation (nasal, konjunktival, bei Nahrungsmitteln oral). Schrift und Hintergrund dunkel: positiver Befund; weiße Schrift: negativer Befund.

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Sensibilisierungstests gestatten einen

1) direkten IgE-Nachweis im Serum (allergenspezifische IgE-Tests) oder einen

2) indirekten Nachweis von funktionellem, zur Aggregation fähigen IgE (z. B Pricktest,

Basophilen-Aktivierungstest, BAT).

Der häufig verwendete Begriff „Allergietest" ist strenggenommen ungeeignet, da diese Tests

nicht zwischen klinisch stummen und relevanten IgE-Sensibilisierungen unterscheiden

können.

Nicht immer stimmen die Stufen der „diagnostischen Pyramide" (Abbildung) komplett überein

wie in Beispiel 1A (sämtliche diagnostischen Parameter positiv) und 4D (alles negativ). In der

Abbildung werden sämtliche Varianten durchdekliniert: Die Beispiele in Reihe A und B

verfügen über eine positive Anamnese (= allergieverdächtige Symptome); sie ist in den

Beispielen der Reihe C und D negativ. Reihe A und C zeigen positive Reaktionen im

Provokationstest im Gegensatz zu Reihe B und D. Spalte 1 enthält positiv und Spalte 4

negativ übereinstimmende Sensibilisierungstests; Spalte 2 ausschließlich positive Hauttests

und Spalte 3 nur positive IgE-Tests.

Folgende Ursachen können für die qualitative Nichtübereinstimmung der diagnostischen

Elemente verantwortlich sein:

A2: spezifischer IgE-Test wahrscheinlich falsch negativ (geringe Testempfindlichkeit?

verantwortliches Allergen unterrepräsentiert oder nicht vorhanden?). TIPP: IgE-Test

ignorieren; bei wichtigen Entscheidungen ggfs. IgE-Test mit anderem (vorzugsweise

empfindlicheren) Testsystem wiederholen.

A3: Pricktest wahrscheinlich falsch negativ (nicht stark genug geprickt? Allergengehalt

unzureichend? Verantwortliches Allergen unterrepräsentiert oder fehlend? Extrakt nicht

mehr haltbar? Versehentlich anti-allergische Medikation nicht abgesetzt?). TIPP:

Pricktest ignorieren; ggfs. Pricktest wiederholen mit neuem (bei Nahrungsmitteln ggfs.

nativem) Extrakt.

A4: Verdacht auf „lokale" IgE-Allergie (z. B. allergische Rhinokonjunktivitis durch lokale IgE-

Produktion) ohne systemischen Sensibilisierungsnachweis (max. 5 % der Patienten mit

verdächtigen Symptomen). TIPP: Vor relevanten Entscheidungen (z. B. Indikation zur

spezifischen Immuntherapie) ggfs. hoch empfindlichen BAT veranlassen (in ca. 50 %

der Fälle positiv = erfolgreicher indirekter IgE-Sensibilisierungsnachweis). Sonst

symptomatische Behandlung wie bei normaler Rhinokonjunktivitis und Wiederholung der

Sensibilisierungstests bei anhaltenden Beschwerden nach ca. 2 Jahren.

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B1: Provokation vielleicht falsch negativ durch zu geringe Allergenkonzentration oder

unterrepräsentiertes Allergen im Extrakt? Versehentlich anti-allergische Medikation vor

Provokation nicht abgesetzt? TIPP: Provokation wiederholen mit ggfs. höherer

Konzentration.

B2: IgE-Nachweis misslungen (siehe A2)? Ungeeigneter Extrakt? IgE-Testmethode nicht

ausreichend empfindlich? Laborfehler? TIPP: bei wichtigen Entscheidungen ggfs. IgE-

Test mit anderem (empfindlicheren) Testsystem wiederholen.

B3: Sensibilisierungsnachweis im Hauttest misslungen (siehe A3)? Ungeeigneter Extrakt

durch Instabilität der beteiligten Allergene oder Haltbarkeitsdatum überschritten? Nicht

ausreichend geprickt? TIPP: Pricktest wiederholen, ggfs. mit neuem Extrakt.

B4: Möglicherweise keine allergischen, sondern unspezifische, nicht-allergische Symptome

(„Schleimhautschwächling"). Bei regelmäßig in der warmen Jahreszeit wiederkehrenden

Beschwerden während Pollenexposition ggfs. unspezifische Effekte (z. B. Pollen-

assoziierte Lipidmediatoren, PALMs)? TIPP: Örtliche und zeitliche Abhängigkeit

sorgfältig abfragen; nach unspezifischen Auslösern für Schleimhautbeschwerden fragen.

C1: Betroffener Allergiker, der sich offenbar vollständig an seine Symptome adaptiert hat

oder im Alltag nur unter marginalen Beschwerden leidet. TIPP: Nachanamnese, ob

Symptome ggfs. nicht wahrgenommen wurden und Verlaufsbeobachtung.

C2: Gleiche Konstellation (wie C1), allerdings mit falsch negativem IgE-Nachweis. Andere

Option: Falsch positiver Haut- und Provokationstest (bei sehr stark eingestellten

Allergenextrakten theoretisch möglich, aber unwahrscheinlich). TIPP: ggfs.

Nachanamnese, Verlauf beobachten.

C3: gleiche Konstellation (wie C1), allerdings mit falsch negativem Hauttest. Andere Option

(falsch positiver IgE-Nachweis und Provokationstest durch „potente" Allergenextrakte)

eher unwahrscheinlich. TIPP: ggfs. Nachanamnese, Verlauf beobachten.

C4: Falsch positiver Provokationstest (unspezifische Reaktion durch stark eingestellte,

unspezifisch wirksame Extrakte?), im Alltag sehr seltene Konstellation. TIPP: Keine

weiteren Maßnahmen, Verlauf beobachten.

D1: Typische Konstellation bei klinisch stummer (irrelevanter) Sensibilisierung (Atopie ohne

Symptome). Eher zufälliges Testresultat, wenn die Diagnostik nicht symptomorientiert

vorgenommen wurde (z. B. in epidemiologischen Studien). TIPP: Pat. beruhigen, Verlauf

beobachten.

D2: Verdacht auf Sensibilisierung ohne klinische Relevanz (siehe D1) bei falsch negativem

IgE-Nachweis (Allergen im Extrakt unterrepräsentiert oder fehlend?). Andere Option:

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falsch positiver Hauttest (kontaminierter oder zu stark vom Hersteller eingestellter

Extrakt), eher unwahrscheinlich. TIPP: Pat. beruhigen, Wiedervorstellung bei

Symptomen.

D3: Verdacht auf Sensibilisierung ohne klinische Relevanz (siehe D1) bei falsch negativem

Hauttest (Allergen im Extrakt unterrepräsentiert oder fehlend? Überschrittenes

Haltbarkeitsdatum?). Andere Option: falsch positiver IgE-Test (klinisch irrelevante IgE-

Bindung an Kohlehydratseitenketten CCD). TIPP: Pat. beruhigen, zunächst kein

Handlungsbedarf; Wiedervorstellung bei Symptomen.

Fazit:

Diagnostische Ergebnisse (Anamnese, Sensibilisierungstests, Provokationsergebnisse)

stimmen nicht immer überein.

Bei IgE-Sensibilisierungstests gilt die Faustregel: Bei abweichenden Ergebnissen sind eher

die positiven Ergebnisse richtig als die (falsch) negativen. Ausnahmen:

- Falsch positive Hauttests durch urtikariellen Dermografismus, unspezifische Reaktionen

durch zu stark eingestellte Allergenextrakte

- Extrem hohes Gesamt-IgE mit niedrigtitrigen spezifischen IgE-Konzentrationen fraglicher

Relevanz

- Irrelevante IgE-Tests durch IgE gegen pflanzliche Kohlenhydratseitenketten (CCD), die

durch unzureichende Kreuzvernetzung keine Reaktionen im Hauttest oder BAT auslösen.

Die klinische Relevanz der Sensibilisierungstests ist nur bei korrespondierenden Symptomen

gegeben und muss individuell geprüft werden (Vorgeschichte, Symptomprotokoll, ggfs.

Provokation mit der zugehörigen Allergenquelle). Somit ermittelt der behandelnde Arzt die

klinische Relevanz der diagnostischen Ergebnisse, nicht der Sensibilisierungstest. Bei

widersprüchlichen Resultaten wird die Interpretation zur Herausforderung und stellt eine

wichtige Kernkompetenz allergologisch arbeitender Ärzte dar.

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Für Ihre Notizen

11

Aktuelle Diagnostik bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie Prof. Bodo Niggemann Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Charité Campus Virchow-Klinikum, Berlin __________________________________________________________________________

Einteilung:

IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien werden in primäre und sekundäre

Nahrungsmittelallergien eingeteilt, die unterschiedlich schwer verlaufen können. Primäre,

frühkindliche oder direkte Nahrungsmittelallergien entstehen in Folge (am ehesten)

gastrointestinaler Sensibilisierungen auf vorwiegend stabile Nahrungsmittelallergene

(Speicherproteine). Sekundäre, Pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien entstehen infolge

einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen (z. B. frühblühende Baumpollen) mit

anschließenden kreuzallergischen Reaktionen auf strukturverwandte, häufig instabile

Allergene in pflanzlichen Lebensmitteln.

Epidemiologie:

Die Prävalenz von Nahrungsmittelallergien ist regional stark unterschiedlich und in vielen

Ländern in den letzten Jahren angestiegen. So hat sich die Häufigkeit der Erdnuss- und

Baumnussallergie in den letzten Jahrzehnten in den USA verdreifacht. In Griechenland

dagegen sind Nahrungsmittelallergien generell immer noch selten. Für Deutschland kann

man davon ausgehen, dass ungefähr 4 % der Kinder und 3 % der Erwachsenen eine

Nahrungsmittelallergie aufweisen.

Auslöser:

Die häufigsten Auslöser einer Nahrungsmittelallergie sind bei Kindern Hühnerei, Kuhmilch,

Erdnuss, Baumnüsse, Soja und Weizen, bei Erwachsenen pollenassoziierte

Nahrungsmittelallergene wie Kern- und Steinobst, Sellerie sowie Krusten- und Schalentiere.

Symptomatik:

Bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien ist am häufigsten die Haut betroffen (z. B.

Urtikaria, Angioödem, Rötung, Juckreiz, Ekzemverschlechterung), gefolgt von

Atemwegssymptomen (Asthma, Stridor, Husten), gastrointestinalen Reaktionen

(Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall) und schließlich als Maximalvariante den

Symptomen einer Anaphylaxie mit schwerer respiratorischer oder kardiovaskulärer

Beteiligung.

Augmentationsfaktoren:

Eine wichtige Rolle für das Auftreten von allergischen Reaktionen auf Nahrungsmittel spielen

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so genannte Augmentationsfaktoren. Darunter versteht man Umgebungsfaktoren, durch die

die Schwelle, allergisch zu reagieren, deutlich gesenkt wird oder allergische Reaktionen

stärker ausgeprägt auftreten. Der bekannteste Augmentationsfaktor ist körperliche

Belastung, d. h., dass das entsprechende Nahrungsmittel ohne körperliche Belastung

problemlos vertragen wird, während der Genuss desselben Nahrungsmittels 30 bis 60 min

gefolgt von körperlicher Belastung zu einer systemischen allergischen Reaktion führen kann.

Andere Augmentationsfaktoren sind Medikamente (z. B. nicht-steroidale Antiphlogistika,

Protonenpumpenhemmer), Infekte, psychische Faktoren, Menstruation oder Alkohol.

Diagnostik:

Bei Verdacht auf eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie beruht die Diagnostik auf

mehreren Komponenten:

Anamnese (eigene Vorgeschichte, Familienanamnese, Ernährungsanamnese)

Sensibilisierungstest (v. a. spezifisches IgE im Serum, Haut-Prick-Test)

Ermittlung der klinischen Relevanz (orale Provokation, Elimination & Exposition)

Die beiden Sensibilisierungstests haben jeweils Vor- und Nachteile. Die Übereinstimmung

der beiden Verfahren ist leider nicht sehr hoch. Es müssen dennoch nicht grundsätzlich

beide Tests parallel durchgeführt werden, sondern es sollte bei Diskrepanzen mit der

Anamnese des Patienten der jeweils andere Test zusätzlich gewählt werden.

Die moderne Komponentendiagnostik mit Einzelallergenen (z. B. Ara h 2, Cor a 14, Ana o 3,

Gly m 4, Tri a 19) verbessert die IgE-Diagnostik. Sie hilft derzeit in einigen Fällen,

Provokationstestungen zu umgehen, v. a. bei pflanzlichen Allergenen wie Erdnüssen und

Baumnüssen.

Orale, kontrollierte und standardisierte Provokationen - meist unter stationären

Bedingungen - sind der Goldstandard der Nahrungsmittelallergie-Diagnostik. Sie werden

titriert durchgeführt und sollten eine kumulative Dosis an einem anderen Tag beinhalten. Der

Zeitpunkt einer Re-Provokation wird je nach Prognose des Allergens und des

Schweregrades der stattgehabten Reaktion festgelegt.

Die spezifische orale Toleranzinduktion mit Nahrungsmittelallergenen sollte bei der primären

Nahrungsmittelallergie zurzeit nur im Rahmen von kontrollierten Studien eingesetzt werden.

Bei Pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergien gelten alle genannten Empfehlungen

weniger streng.

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Therapie:

Der Hauptpfeiler der Therapie von Nahrungsmittelallergien ist eine adäquate

Eliminationsdiät. Bei wenigen Nahrungsmitteln, wie z. B. im Fall von Kuhmilchallergie beim

wachsenden Kind, muss eine entsprechende Substitution vorgenommen werden

(Extensivhydrolysat, Aminosäureformula). Im Zweifel sollte - zumindest bei bei

einschneidenden Diäten - eine allergologisch erfahrene Ernährungsfachkraft hinzugezogen

werden. Die Indikation zur Diät muss regelmäßig re-evaluiert werden.

Bei akuten klinischen Reaktionen ist intramuskulär injiziertes Adrenalin das Medikament der

Wahl. Daneben kommen systemische Antihistaminika und Glukokortikoide, sowie ggf.

inhalierbare Bronchodilatatoren oder Volumen zum Tragen.

Langzeitmanagement:

Patienten mit zu befürchtenden anaphylaktischen Reaktionen müssen mit einem Adrenalin-

Autoinjektor ausgestattet werden, der ständig mit sich geführt werden muss. Dazu muss die

Umgebung (Partner, Familie, Kindergarten, Schule) im Umgang, aber auch mit der

Indikationsstellung zum Einsatz, geschult werden.

Prognose:

Daten zum Verlauf der Nahrungsmittelallergie zeigen, dass die frühkindliche Hühnerei- und

Kuhmilchallergie eine gute Prognose im Sinne einer spontanen Toleranzentwicklung hat,

während die Erdnuss- und Baumnussallergie oft bis in das Erwachsenenalter oder

lebenslang persistiert. Für andere Allergene liegen wenig verlässliche Daten vor.

Allergieprävention:

Bei Kindern, die ein erhöhtes Risiko für eine Nahrungsmittelallergie aufweisen (mindestens

ein Elternteil manifest allergisch erkrankt), kann folgendes Vorgehen zur Primärprävention

empfohlen werden:

Stillen über 4 bis 6 Monate, wenn Stillen nicht möglich ist, Gabe einer durch Studien belegten allergenreduzierten,

hydrolysierten Formula auf Kuhmilchbasis, keine Diät der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit, Zufütterung von Beikost ab dem 4. bis 6. Lebensmonat, Soja als Ersatznahrung wird erst ab dem 1. Lebensjahr empfohlen, Vermeiden von Passivrauch Vermeiden von felltragenden Tieren (v. a. Katzen).

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Für Ihre Notizen

15

Neue Allergiesyndrome: Was Zecken mit einer Fleisch-Allergie zu tun haben Prof. Dr. Tilo Biedermann Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München am Klinikum rechts der Isar, München

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Kohlenhydratseitenketten und ihre Erkennung durch IgE-Antikörper haben für viele Jahre

den Eindruck vermittelt, dass IgE-Antikörper, die Zuckerseitenketten erkennen, lediglich zur

Verwirrung in der In-vitro-Diagnostik beitragen und niemals eine klinische Relevanz haben.

Man nannte diese Kohlenhydratseitenketten daher auch „Cross-reactive Carbohydrate

Determinants“ (CCD).

Seit 2008 wissen wir aber, dass IgE-Antikörper, die das Disaccharid Galaktose-α-1,3-

Galaktose (α-Gal) erkennen, Typ-I allergische Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie vermitteln

können. Dies wurde zunächst für primäre Anaphylaxien gegenüber dem humanisierten

monoklonalen Antikörper Cetuximab identifiziert. α-Gal ist aufgrund einer Mutation einer

Galaktosyltransferase bei Altweltaffen und Menschen nicht vorhanden und wirkt damit

immunogen. Patienten, die sich gegen α-Gal immunisiert und funktionelle IgE-Antikörper

gebildet haben, reagieren nicht nur gegenüber Cetuximab mit Anaphylaxien, sondern auch

gegenüber rotem Fleisch.

Das Besondere ist, dass diese Typ-I-Reaktionen in aller Regel verzögert auftreten, da die

Bereitstellung der reaktiven Epitope wohl durch Verdauungsvorgänge erfolgen muss. Dabei

unterscheiden sich wohl unterschiedliche Sorten von Fleisch und wir konnten

herausarbeiten, dass der Genuss von Innereien bei Patienten mit Allergie gegen rotes

Fleisch bereits ohne eine Verzögerung zu Anaphylaxien führen kann, außerdem

beeinflussen Kofaktoren wie Sport, Infekte oder nichtsteroidale Antiphlogistika und Alkohol

das Auftreten der Reaktion.

Die Untersuchungen auf IgE-Antikörper gegen α-Gal sollte daher bei jeder

Anaphylaxieabklärung oder allen intermittierend auftretenden Urtikariaformen vorgenommen

werden. Zur weiteren Abklärung gehören Haut- und Provokationstests und betroffene

Patienten sollten informiert werden, dass neben Cetuximab auch Gelatine enthaltende

Volumenexpander und Produkte für sie ein Problem darstellen können.

Bezüglich der Sensibilisierung gegen α-Gal wurde bereits frühzeitig die Assoziation mit dem

Endemiegebiet von Zecken im Südosten der USA herausgestellt. Diese Assoziation gilt auch

für Deutschland und wir gehen davon aus, dass eine Sensibilisierung gegenüber α-Gal mit

IgE-Antikörpern über die Haut durch Zeckenstiche erfolgt. Dies passt zu einer Reihe von

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Erkenntnissen, die die Haut in den Mittelpunkt von Typ-I allergischen Reaktionen gegenüber

Nahrungsmitteln stellen. Die Assoziation von gehäuften Nahrungsmittelallergien mit

Filaggrinmutationen, die mit einer reduzierten Hautbarriere einhergehen, und die Entwicklung

von Typ-I-Sensibilisierung gegenüber Nahrungsmittelallergien bei schwer an Neurodermitis

erkrankten Patienten im Kleinkindesalter über die Haut sowie Einzelfallberichte von Typ-I-

Sensibilisierungen gegenüber Weizenprodukten, die zum Krankheitsbild der Wheat-

Dependent Exercise-Induced Anaphylaxis (WDEIA) führen, weisen auf die zentrale

Bedeutung einer IgE-vermittelten Typ-I Allergie gegenüber Nahrungsmitteln nach kutanem

Kontakt hin.

Diese Erkenntnisse sind für die Diagnostik und Therapie unserer Patienten von großer

Bedeutung.

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Für Ihre Notizen

18

Wann ist die molekulare Allergiediagnostik im Multiplex-Verfahren sinnvoll? Prof. Vera Mahler Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen

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Die gültigen deutschen Leitlinien zur Allergiediagnostik beinhalten einen diagnostischen

Algorithmus, an dessen Anfang immer das Patientengespräch und eine profunde Anamnese

steht, gefolgt von Pricktest und/oder spezifischer IgE-Bestimmung, die in den letzten Jahren

durch eine Vielzahl von molekularen Markerallergenen bereichert wurde. In der Regel wird

durch die Anamneseerhebung das notwendige diagnostische Portfolio, das zur Klärung der

Fragestellung erforderlich ist, offensichtlich. In den meisten Fällen wird eine

anamnesebasierte gezielte Pricktestung und IgE-Bestimmung auf wenige Komponenten

ausreichend sein, um die Auslöser der allergischen Symptomatik zu klären, andere

auszuschließen.

Bei

polysensibilisierten Patienten, bei denen viele unterschiedliche Nahrungsmittel und

inhalative Allergenquellen Symptome auslösen,

komplexen Kreuzallergien,

schweren allergischen Reaktionen ohne eruierbare Ursache und

nicht-richtungsweisender Anamnese bei bestehenden allergischen Symptomen

kann eine breitangelegte molekulare Allergiediagnostik im Multiplex-Verfahren

(„Allergiechip“-Diagnostik), bei dem eine semiquantiative IgE-Bestimmung simultan auf

derzeit 112 molekulare Markerallergene erfolgt, hilfreich sein, um bestehende unterliegende

allergische Auslöser zu identifizieren oder auszuschließen und bei Kreuzallergien

Erkennungsmuster bestimmter Allergengruppen zu dechiffrieren, die dann gezielte

therapeutische Maßnahmen ermöglichen.

Da von unterschiedlichen Allergenen und Allergengruppen aufgrund ihrer molekularen

Eigenschaften (z. B. Hitzestabilität, Hitzelabilität, Magensäureresistenz, Magensäurelabilität)

unterschiedliche Gefährdungspotentiale für den betroffenen Allergiker ausgehen, ist eine

Kenntnis des individuellen Sensibilisierungsprofils für eine differenzierte Beratung

(insbesondere für erforderliche Allergenkarenzmaßnahmen) unverzichtbar.

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Die semiquantitiative IgE-Bestimmung im Multiplex-Verfahren erfordert nur geringe

Serummengen (30 µl) und erlaubt auch ein Monitoring während der spezifischen

Immuntherapie.

Grundsätzlich ist aber, wie bei jedem Nachweis einer Sensibilisierung, der allergologisch

tätige Arzt gefordert, die klinische Relevanz der nachgewiesenen Sensibilisierungen zu

prüfen. Der Einsatz der molekularen Allergiediagnostik im Multiplex-Verfahren wird mit

Fallbeispielen näher beleuchtet.

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Für Ihre Notizen

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Zukunft der Labormedizin – im Konflikt zwischen medizinischer Versorgung und Ökonomisierung Dr. Michael Müller Medizinisches Versorgungszentrum, Labor 28 GmbH, Berlin

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In der Bevölkerung sowie von Politikern und Entscheidern im Gesundheitswesen wird stets

und intensiv darüber diskutiert, mit welchen Maßnahmen eine möglichst gute

Patientenversorgung erreicht und erhalten werden kann. Die aktuellen Gesetzesvorhaben

sollen zu einer weiteren Verbesserung der Strukturen und Prozesse beitragen. Hierzu

gehören das Versorgungsstärkungsgesetz und auch das Gesetz für die sichere digitale

Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen, verkürzt e-Health-Gesetz

genannt. Mit der Einführung der ambulant spezialfachärztlichen Versorgung soll zudem die

Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung im Sinne der

Patienteninteressen besser überbrückbar werden.

Das gibt Anlass, sich mit den Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Organisation

der Patientenversorgung aus dem Blickwinkel der Labormedizin zu befassen. Die

Laboratoriumsmedizin hat im Kern die Aufgabe, auf der Basis von aktuellem medizinischen

Wissen und einer stets möglichst guten analytischen Qualität die für eine gute medizinische

Versorgung von Patientinnen und Patienten notwendigen Informationen bereitzustellen. Zu

diesen „Informationen“ gehört in erster Linie der ärztliche Beitrag der Fachärzte für

Laboratoriumsmedizin im Hinblick auf die Kernthemen „medizinische Indikationsstellung für

Labordiagnostik“, „Beratung zur Interpretation der erhobenen Laborbefunde im

Zusammenhang mit dem klinischen Bild sowie den gegebenen Fragestellungen“, die

„Einordnung verfügbarer analytischer Methoden und Laborparameter in den Kontext der

medizinischen Versorgung“. Neben den klassischen Feldern der Diagnosesicherung und des

Monitorings von Therapien gewinnt die Laboratoriumsmedizin zunehmend an Bedeutung in

den Bereichen der Prävention und insbesondere der Companion Diagnostik.

Damit entwickelt sich die Laboratoriumsmedizin zunehmend zu einem fachärztlichen Gebiet,

das handlungsleitend für andere Bereiche der Medizin wirkt. So verwundert es nicht, dass

der „Kontakt“ zur Labormedizin im Verlaufe eines Behandlungszyklus nahezu der häufigste

für Patientinnen und Patienten ist.

Vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Laboratoriumsmedizin für die

Patientenversorgung wird deutlich, dass das Fach sich im steten Wettbewerb mit anderen

medizinischen Fachdisziplinen um die Verfügbarkeit der für die Aufgabenstellung

notwendigen finanziellen Ausstattung befindet. Nur allzu schnell wird hier durch Fachfremde

22

der Eindruck geschürt, dass aufgrund des im Vergleich zu anderen medizinischen

Fachgebieten recht hohen Automatisationsgrades in der Labormedizin der ärztliche Aspekt

fehle und aufgrund der Einfachheit der Gerätebedienung auch nicht notwendig sei. Das Ziel

für diese zumeist nicht unbedacht getroffene Einschätzung ist leicht ausgemacht: Im

Verteilungswettbewerb um die finanzielle Ausgestaltung der medizinischen Versorgung soll

die eigene Position gestärkt werden.

Die Ursache hierfür liegt auf der Hand: Die Gesundheitspolitik hat der medizinischen

Versorgung einen Wettbewerb verordnet und es mit finanziellen Mitteln so knapp

ausgestattet, dass diese für eine gute medizinische Versorgung nicht ausreichen können. So

entsteht ein erheblicher Druck auf die Beteiligten, der zumeist in Verteilungsdiskussionen

mündet und sich weniger um Chancen und Möglichkeiten einer Verbesserung der

Versorgung inklusive Optimierung von Prozessen, Schnittstellen sowie der Einführung von

verfügbaren Standards bemüht. Die Ökonomisierung der Medizin meint in dem

Zusammenhang die Einführung eines Denkens, das sich auch mit der schonenden

Verwendung der verfügbaren Ressourcen befasst. Dabei entsteht ein natürlicher Konflikt mit

dem Anspruch der Medizin, dass die Indikationsstellung für eine bestimmte Maßnahme

möglichst unabhängig zu treffen sei von finanziellen Erwägungen.

Die Laboratoriumsmedizin leistet seit vielen Jahren wertvolle Beiträge in diesem

Spannungsfeld. Die erhebliche technische Weiterentwicklung vergangener Jahrzehnte hat

die Grundlagen dafür geschaffen, den Bedarf an Labordiagnostik mengenmäßig zu decken.

Durch die Einführung von Automatisierung, die Verfügbarkeit handlungsleitender Biomarker

(z. B. molekulare Allergiediagnostik) und die weitgehende Optimierung der Abläufe im

medizinischen Labor wird die flächendeckende und direkte Verfügbarkeit von

Labordiagnostik stationär wie ambulant sichergestellt. Die finanzielle Ausstattung hierfür ist

im internationalen Maßstab auf einem unvergleichlich niedrigen Niveau angekommen.

Zukunft, Erfolg und Bestand der Labormedizin als ärztliches Fach im Kanon der

fachärztlichen Patientenversorgung werden auch abhängig sein von der dem Labor

entgegen gebrachten Wertschätzung. Diese wird umso höher ausfallen, je besser sich die

Labormedizin um den eigenen Beitrag für einen patientenbezogenen Nutzen kümmert und je

stärker sich das Fach darum bemüht, in vielfältiger Weise direkter und integraler Bestandteil

der Patientenversorgung zu sein.

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Für Ihre Notizen

24

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Aktuelles zu Diagnose, Therapie und Monitoring

Priv.-Doz. Dr. Carsten Büning Krankenhaus Waldfriede e. V., Innere Medizin, Berlin-Zehlendorf

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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – Morbus Crohn und Colitis ulcerosa – verlaufen

schubweise und können zu schwerwiegenden und irreversiblen Komplikationen führen.

Häufig sind bereits Kinder und Jugendliche betroffen mit bedeutenden Auswirkungen für das

weitere Leben.

Hypothesen zu Entstehung und Verlauf chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED)

beinhalten eine Vielzahl von verschiedenen Mechanismen: ein fehlgeleitetes Immunsystem,

Bakterien der Darmflora sowie komplexe genetische Veränderungen. Diese Mechanismen

können aber die Entstehung einer CED nicht vollständig erklären. Gesichert ist daher zudem,

dass Umwelt- und Ernährungsfaktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Erkrankungen

haben. Unterstützt wird diese Hypothese durch steigende Inzidenzen sowohl für M. Crohn

als auch die Colitis ulcerosa in den letzten Jahrzehnten.

Die Diagnose wird durch ein Zusammenspiel aus Anamnese, Endoskopie und Histologie

gestellt. Insbesondere die Differentialdiagnose zwischen M. Crohn und Colitis ulcerosa bleibt

oft schwierig und bis zu 30 % weisen Charakteristika beider Erkrankungen auf. In der

Differentialdiagnose können daher serologische Parameter helfen. Da auch wiederholte

endoskopische Untersuchungen belastend für die Patienten sind, müssen u. a.

Laborparameter entwickelt werden, die mit dem endoskopischen Befund assoziiert sind und

auch in der Prognoseabschätzung eine Rolle spielen. Hierzu gehört das fäkale Calprotectin,

das in dieser Hinsicht sowohl beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa inzwischen

etabliert ist.

Die Therapie stellt eine besondere Herausforderung dar, insbesondere um schwerwiegende

Komplikationen zu verhindern. Die Therapie muss in jedem Fall individualisiert erfolgen.

Heutzutage stehen nicht zuletzt durch die Einführung der Biologika neue Substanzen zur

Verfügung, die hoffentlich bei richtigem Einsatz auch langfristig den natürlichen Verlauf der

Erkrankung beeinflussen können. Allerdings muss definitiv nicht jeder Patient mit diesen

Medikamenten behandelt werden. Besonderer Wert wird dabei auf prognostische Parameter

gelegt, die einen schweren Verlauf vorhersagen. Hierzu gehören neben klinischen Faktoren

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auch das CRP und das fäkale Calprotectin, so dass beide Parameter einen wichtigen

Stellenwert auch in der Verlaufsbetrachtung dieser Erkrankungen haben.

Unser kontinuierlicher Zugewinn an Kenntnissen hinsichtlich Entstehung, Diagnostik und vor

allem der individualisierten Therapie hat bereits zu einer Verbesserung des natürlichen

Verlaufs der Erkrankung geführt, wie aktuelle Studien zeigen, die beispielsweise einen

Rückgang der Operationen beim M. Crohn zeigen.

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Für Ihre Notizen

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Das Antiphospholipid-Syndrom: Herausforderungen in der Autoimmundiagnostik Dr. Thorsten Krieger Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Hamburg

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Das Antiphospholipid-Syndrom (APS) ist eine Autoimmunerkrankung, die durch das

Auftreten arterieller oder venöser Thrombosen charakterisiert ist. Diese können zu

Schwangerschaftskomplikationen bis hin zum Abort führen. Im Serum finden sich

Autoantikörper gegen Phospholipide wie Cardiolipin und ß2-Glycoprotein. Das APS kann als

alleiniges Krankheitsbild oder vergesellschaftet mit dem Systemischem Lupus

erythemathodes (SLE) auftreten. Das APS führt in vivo zu einer Hyperkoagulabilität in vitro

aber paradoxerweise zu einer verlängerten aPTT. Die aPTT Verlängerung führte zu dem

irreführenden Begriff Lupus Antikoagulanz.

Indikationen für eine Untersuchung auf ein APS sind rezidivierende Thrombosen unklarer

Genese, aPTT Verlängerungen unklarer Genese, rezidivierende Aborte unklarer Genese,

Autoimmunerkrankungen, insbesondere der SLE und eine Thrombozytopenie autoimmuner

Genese. Um die Anzahl falsch positiver Ergebnisse möglichst niedrig zu halten, sollte die

Indikation zur Diagnostik nicht zu großzügig gestellt werden.

Untersucht werden können die Autoantikörper funktionell als Lupus-Antikoagulanz und

immunologisch durch Bestimmung der Antiphospholipid-Antikörper.

Die Untersuchung des Lupus Antikoagulanz erfolgt dreischrittig in jeweils zwei

unterschiedlichen Testverfahren um die Sensitivität zu erhöhen. Begonnen wird mit einem

Screeningtest mit dem Nachweis einer Verlängerung der Gerinnungszeit in einem

Phospholipid-abhängigem Testverfahren. Angeschlossen wird ein Plasmatauschversuch zur

Bestätigung eines Inhibitors und zum Ausschluss eines Gerinnungsfaktorenmangels.

Abgeschlossen wird die Testung mit einem Bestätigungstest um nachzuweisen, dass sich

der Inhibitor gegen Phospholipide und nicht gegen einen Gerinnungsfaktor richtet.

Die Antiphospholipid-Antikörper werden immunologisch z. B. mit einem ELISA oder EliA

bestimmt. Ein häufig verwendetes Panel besteht aus Cardiolipin- und ß2-Glycoprotein

(ß2GPI)-AK der Immunglobulinklassen IgG und IgM. Hierbei scheinen die Antikörper der IgG-

Klasse gegenüber der IgM-Klasse eine größere klinische Bedeutung zu haben.

Interessanterweise sind auch nicht alle Antiphospholipid-Antikörper mit Thrombosen

assoziiert. Entscheidend ist vielmehr das Epitop, welches von den Autoantikörpern

gebunden wird. So sind z. B. ß2GPI-AK überwiegend gegen die Aminosäuren Gly40-Arg43 in

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Domäne I gerichtet. ß2GPI ist ein 50 kDa großes Glycoprotein, welches aus einer

Polypeptidkette mit 5 Domänen besteht. Es ist in der Lage anionische Phospholipide zu

binden und ist Kofaktor des Cardiolipins. Erfolgt durch Autoantikörper eine Dimerisierung des

ß2GPI, kann dieses stärker an Zellrezeptoren binden und so zu einer Deregulierung in

Thrombozyten, Monozyten und Gefäßendothelzellen führen, die zur Thrombophilie führen

kann.

Die Diagnostik des APS ist weiterhin eine Herausforderung für das Labor. Der Nachweis von

LA in hoher Konzentration ist hochspezifisch und mit thrombotischen Ereignissen assoziiert.

Ein niedriger konzentriertes LA lässt sich aber häufig nicht mit jedem Testverfahren

nachweisen, so dass zur Steigerung der Sensitivität mehrere Testverfahren angewendet

werden sollten. Ferner haben Antikoagulanzien wie Cumarine einen erheblichen Einfluss auf

die Analytik und sollten im Vorfeld nach Möglichkeit abgesetzt werden. Ringversuche zeigen,

dass die Rate falsch positiver und falsch negativer LA-Resultate bei etwa 20 % liegt, bei

niedriger konzentriertem LA auch noch darüber.

Auch die Diagnostik der Cardiolipin- und ß2-Glycoprotein-AK gestaltet sich in der Praxis nicht

einfach. Die Antigene für die Testkits stellen für die Diagnostikahersteller eine größere

Herausforderung dar als reine Proteinantigene. Außerdem fehlt es weiterhin an geeignetem

Referenzmaterialien zur Testvalidierung. Dies führt dazu, dass die Testkits weiterhin schlecht

standardisiert sind und es zu erheblichen Diskrepanzen in der diagnostischen Sensitivität

und Spezifität kommt.

In einer eigenen Studie mit 162 Frauen mit habituellen Aborten wurden je fünf Testkits

unterschiedlicher Hersteller verglichen. Cardiolipinantikörper fanden sich je nach Hersteller

in 2 bis 6 Patientinnen für den Isotyp IgG und in 2 bis 8 Patienten für den Isotyp IgM. Noch

größer war die Abweichung in der Diagnostik der ß2-Glykoproteinantikörper. Hier lagen die

Testergebnisse zwischen 2 und 37 positiven Ergebnissen für den IgG Isotyp und zwischen 1

und 8 positiver Ergebnissen für den IgM Isotyp (1). Eine zweite Studie mit einem Kollektiv

von 43 gesicherten SLE Patienten zeigten ähnliche Ergebnisse (2). Die Diskrepanz der

Ergebnisse zeigt weiterhin eine unbefriedigende Harmonisierung der Labortests, so dass die

sorgfältige Auswahl der Testkits für das Diagnostiklabor von erheblicher Bedeutung ist. Auch

die Automatisierung der Testabarbeitung führt nicht automatisch zur Optimierung der

Ergebnisse.

(1) Gutensohn K, Vossen D, Strate A, Kersten JF, Hofbauer M, Krieger T. (2013) Automated, semi-automated, and manual analyses of anti-cardiolipin and anti-β2-glycoprotein I antibodies in women with a history of miscarriage. Int J Lab Hematol. 35(2):150-62.

(2) Vossen D, Hofbauer M, Kersten JK, Krieger T, Peine S, Gutensohn K (2013) Comparison of modern analysers for the detection of antiphospholipid antibodies in patients with SLE J Lab Med 2013

 

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Für Ihre Notizen

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Stufendiagnostik zur Abklärung der Kollagenosen

Prof. Dr. Rudolf Gruber Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und Humanwissenschaftliches Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Regensburg __________________________________________________________________________

Systemische Autoimmunerkrankungen, insbesondere Kollagenosen, präsentieren sich häufig

mit einer sehr diffusen klinischen Symptomatik. Die Labordiagnostik spielt daher eine

wichtige Rolle und muss sorgfältig im klinischen Kontext interpretiert werden. Sie dient der

Bestätigung oder dem Ausschluss der klinischen Verdachtsdiagnose, der

Differentialdiagnostik, der Bestimmung der Aktivität und Prognose einer Erkrankung, der

Abklärung betroffener Organe und Medikamentennebenwirkungen. Spezifische oder

krankheitsassoziierte Autoantikörper sowie Entzündungsmarker sind die wichtigsten

Laborparameter. Die Basisabklärung beim Verdacht auf eine Systemische

Autoimmunerkrankung sollte bereits bei der ambulanten Erstvorstellung erfolgen um eine

schnelle Überweisung zum Facharzt und ggfs. in das Krankenhaus in die Wege zu leiten.

Nur so kann eine Einleitung einer spezifischen Therapie rechtzeitig erfolgen um irreversible

Organschäden zu verhindern. Einige Autoantikörper sind von so hoher diagnostischer

Wertigkeit, dass sie zu den Klassifikationskriterien oder sogar zur Definition bestimmter

Erkrankungen gehören.

Zur Bestätigung und zum Ausschluss der klinischen Verdachtsdiagnose „Kollagenose“ ist

insbesondere die Bestimmung der Antinukleären Antikörper (ANA) und deren Untergruppen

(ENA) geeignet. Zum Screening für den Nachweis von ANA sollte nach verschiedenen

Empfehlungen der Immunfluoreszenztest (IFT) auf Hep2-Zellen verwendet werden. Gerade

bei geringer Prätestwahrscheinlichkeit kann es jedoch von Vorteil sein, primär auf die

wichtigsten spezifischen Antikörper in einem Immunoassay zu screenen. Bei nachweisbaren

ANA im IFT sollte i. d. R. immer eine Differenzierung mittels spezifischer Immunoassays

erfolgen, auch wenn gelegentlich typische Fluoreszenzmuster im IFT bereits Rückschlüsse

auf das Zielantigen zulassen [1].

ANA stellen insbesondere für Kollagenosen wichtige Hilfsmittel in der Diagnostik und als

Klassifikationskriterien dar, treten aber auch bei anderen Autoimmunerkrankungen, bei

Infektionen und bei Gesunden auf. Auch induzieren verschiedene Medikamente die meist

passagere Bildung von ANA („medikamenten-induzierter LE“), oft auch ohne klinische

Manifestationen. Hohe ANA-Titer werden z. B. bei der Verabreichung von TNF-Blockern

induziert, meist ohne dass eine klinische Symptomatik besteht.

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Die ANA Bestimmung wird in der Praxis leider auch ohne Vorliegen typischer Symptome als

„Autoimmunscreening“ angefordert und führt bei positivem Ergebnis zu entsprechenden

Interpretationsschwierigkeiten. Der positive prädiktive Wert für eine systemische

Autoimmunerkrankung bei niedriger Prätestwahrscheinlichkeit, also z. B. bei unspezifischer

Symptomatik oder bei zufällig nachgewiesenen ANA im IFT, ist äußerst gering (< 5 %).

Allerdings kann auch die ANA Bildung der klinischen Manifestation einer Kollagenose um

Jahre voraus gehen. Deutlich erhöhte Titer (≥ 1:1000) werden vorwiegend bei den

Kollagenosen, der Autoimmunhepatitis, der juvenilen idiopathischen Oligoarthritis (einer

Untergruppe der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA)) oder nach Therapie mit TNF-

Blockern gefunden. Je höher der Titer, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen einer der

genannten Erkrankungen. In Abhängigkeit der genannten Kriterien sollte daher auch bei

einem „Zufallsbefund“ eine entsprechende Abklärung erfolgen [2]. Untersuchungen der

letzten Jahre haben gezeigt, dass manchmal hohe ANA-Titer mit einem bestimmten Muster

gefunden werden, die nicht mit Autoimmunerkrankungen assoziiert sind. Während das

klassische SLE-assoziierte homogene Erscheinungsbild der Kernfluoreszenz mit dsDNA-

Antikörpern assoziiert ist, spricht die neue, vom Bild her leicht zu verwechselnde Variante

feingranuläres Muster (DFS = dense fine speckled) für das Vorliegen sogenannter DFS70-

Antikörper. Diese kommen überwiegend bei sonst Gesunden vor und können wohl einen

großen Teil der bisher als „falsch positiv“ beschriebenen ANA-Ergebnisse erklären [3].

Literatur

1. Herold M, Klotz W, Demel U, et al. Internationaler Konsens zur ANA-Bestimmung – was ändert sich im deutschen Sprachraum? J Lab Med 2015; 39(3): 145–152

2. Gruber R, Borgmann S. Immundiagnostik in der Rheumatologie. Z Rheumatol 2014; 73:541–555

3. Conrad K, Röber N, Rudolph S und Mahler M. DFS70-Antikörper – Biomarker zum Ausschluss ANA-assoziierter rheumatischer Erkrankungen. J Lab Med 2014; 38(6): 299–307

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Für Ihre Notizen

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Rheumatoide Arthritis frühzeitig erkennen. Zusammenspiel von Hausarzt, Labor und Rheumatologe

Dr. Edmund Edelmann Rheumazentrum Bad Aibling __________________________________________________________________________

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist die häufigste entzündliche Rheumaform und betrifft ca. 1 %

der erwachsenen Bevölkerung der Bundesrepublik.

Zahlreiche Studien zeigten, dass je früher die Diagnose gestellt und eine Leitlinien-gerechte

Behandlung durch Rheumatologen eingeleitet wird, umso besser ist die Langzeitprognose,

die Chance auf eine Remission der Erkrankung. Umgekehrt gilt, dass eine zu späte

Diagnose und Therapieeinleitung mit einer vergleichsweise höheren Morbidität im

Krankheitsverlauf einhergeht. Dies kann auch durch eine optimale Behandlung nach (später)

Diagnosestellung nur begrenzt beeinflusst werden.

Den enormen Fortschritten in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis in den letzten 1 ½

Jahrzehnten steht bundesweit eine häufig zu späte Überweisung und damit Diagnose und

Behandlung beim Rheumatologen gegenüber.

Gründe hierfür liegen zum einen am Mangel an Rheumatologen und den häufig zu langen

Wartezeiten auf einen Termin. Für eine ausreichende Versorgung würden wir doppelt so viel

ambulant tätige Rheumatologen benötigen, als heute zugelassen sind. Zum anderen an der

häufig zu späten Überweisung zum Rheumatologen, am zu späten Erkennen einer

entzündlichen Rheumaform durch Hausärzte, durch Orthopäden.

Mit dem Ziel die Kompetenz der Hausärzte zur Früherkennung entzündlicher Rheumaformen

zu verbessern, die Frühdiagnostik auf der Ebene der Rheumatologen zu fördern, die

Langzeitversorgung strukturiert und kooperativ zwischen Hausärzten und Rheumatologen zu

regeln, wurde vom Hausärzteverband und dem Berufsverband Deutscher Rheumatologen

ein gemeinsames Versorgungskonzept erstellt.

Das Versorgungskonzept „Versorgungslandschaft Rheuma“ regelt u. a. detailliert die

Schnittstellen in der Diagnostik und Therapie entzündlicher Rheumaformen und damit auch

der rheumatoiden Arthritis.

Inzwischen wurden auf der Basis dieses Versorgungskonzeptes mit drei großen

Krankenkassen flächendeckend integrierte Versorgungsverträge nach §140 ff geschlossen.

Die Labordiagnostik ist in Verbindung mit einer sorgfältigen Anamnese, körperlichen

Untersuchung und bildgebenden Verfahren wie Gelenksonographie und

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Kernspintomographie, ein essenzieller Bestandteil der Frühdiagnostik der rheumatoiden

Arthritis.

Es besteht mit den Hausärzten eine Übereinkunft, dass sich die Labordiagnostik des

Hausarztes bei der Frühdiagnostik entzündlicher Rheumaformen im Wesentlichen auf ein

begrenztes Allgemeinlabor (Blutbild, Kreatinin, Transaminasen) und die Bestimmung des C-

reaktiven Proteins beschränkt.

Rheumafaktoren oder Anti-CCP-Antikörper sollen von den Hausärzten nur fakultativ vor dem

Besuch beim Rheumatologen abgenommen werden.

Die Begründung liegt darin, dass gerade bei der Verdachtsdiagnose auf eine frühe

entzündliche Rheumaform häufig negative Laborbefunde zu erwarten sind und insbesondere

in Hinblick auf den Rheumafaktor eine unzureichende Spezifität besteht.

Die Indikationsstellung und Beurteilung der gesamten differentialdiagnostischen

Immunserologie liegt innerhalb der Versorgungslandschaft Rheuma ausschließlich im

Aufgabenbereich des Facharztes für Innere Medizin und Rheumatologie.

Für uns Rheumatologen haben insbesondere die Anti-CCP Antikörper oder ACPA einen

hohen diagnostischen Stellenwert (Spezifität ca. 95 %). Deutlich erhöhte Anti-CCP

Antikörper korrelieren mit einem erosiven (gravierenderem) Verlauf und der häufigeren

Manifestation von extraartikulären Komplikationen der RA wie Pleuritis, Pericarditis,

Polyneuropathie etc.. Das therapeutische Ansprechen auf die Biologika ist im Mittel bei

positiven ACPA etwas schlechter als bei seronegativer RA.

In den ACR/EULAR Klassifikationskriterien der rheumatoiden Arthritis (2010) sind BKS/CRP

und RF/ACPA neben der Zahl der geschwollenen Gelenke und der Dauer der

Gelenkschwellung, Teil der Klassifikationskriterien.

Abgesehen von einzelnen Hinweisen von abfallenden ACPA-Werten bei verringerter

Krankheitsaktivität unter z. B. Rituximab-Behandlung, gibt es nur vereinzelt Hinweise, dass

eine Verlaufskontrolle der ACPA einen diagnostischen Mehrwert hat.

Die Klassifikationskriterien der RA beinhalten den Ausschluss von anderen entzündlichen

Rheumaformen. Dies betrifft neben einer Lyme-Arthritis, neben verschiedenen reaktiven

Arthritiden, neben der Psoriasisarthritis und einer axialen Spondyloarthritis mit

Gelenkbeteiligung, v. a. die Kollagenosen.

Neben klinischen Hinweisen auf z. B. eine Vaskulitis oder einen SLE, die aber gerade in der

Frühdiagnostik im Einzelfall ggf. nicht oder nur sehr diskret gegeben sind, ist die

immunologische Labordiagnostik essenziell für die Differentialdiagnose.

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Symmetrische Arthritiden als Teil der Klassifikationskriterien sind nur eingeschränkt

pathognomonisch für eine RA. Ohne Bestimmung der ANA und der Anti-DNS Antikörper und

ggf. der ENA kann ein systemischer Lupus erythematodes oder ein Overlap-Syndrom

übersehen und die Fehldiagnose einer RA gestellt werden. Die Granulomatöse Polyangiitis

und die Mikroskopische Vaskulitis zeigen häufig in der frühen Manifestation eine

unspezifische Polyarthritis und ggf. wenig sonstige diagnoseweisende Symptomatik. Die

entsprechende Serologie mit cytoplasmatischen Antikörpern, mit Myeloperoxidase- und

Proteinase 3-Antikörpern ist diagnoseweisend.

Für die möglichst frühzeitige Diagnostik der rheumatoiden Arthritis ist eine enge

Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, ggf. Orthopäden und Rheumatologen unverzichtbar.

Die entsprechende immunologische Diagnostik und Differentialdiagnostik ist ein wesentlicher

Baustein für die sichere Diagnose einer rheumatoiden Arthritis. Auch wegen der Komplexität

der Differentialdiagnose, des Ausschlusses von z. B. Kollagenosen etc., gehört die

Indikationsstellung und in den Fällen, in denen die Kompetenz vorhanden ist, auch die

Durchführung dieser Labordiagnostik in die Hände von internistischen Rheumatologen.

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Für Ihre Notizen

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Korrespondenzanschriften

Prof. Dr. med. Tilo Biedermann Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München Biedersteiner Straße 29 80802 München

Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Kleine-Tebbe Allergie- und Asthma-Zentrum Westend Praxis Hanf, Ackermann & Kleine-Tebbe Spandauer Damm 130, Haus 9 14050 Berlin

Priv.-Doz. Dr. med. Carsten Büning Krankenhaus Waldfriede Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Argentinische Allee 40 14163 Berlin

Dr. med. Thorsten Krieger Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Martinistraße 52 20246 Hamburg

Dr. med. Edmund Edelmann Rheumazentrum Bad Aibling-Erding Dres. Edelmann, Bloching, Bäuerle, Grünke, Witt Innere Medizin – Rheumatologie Lindenstraße 2 83043 Bad Aibling

Prof. Dr. med. Vera Mahler Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen Ulmenweg 18 91054 Erlangen

Prof. Dr. med. Rudolf Gruber Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg Zentrallabor Prüfeninger Straße 86 93049 Regensburg

Dr. med. Michael Müller Medizinisches Versorgungszentrum Labor 28 GmbH Mecklenburgische Straße 28 14197 Berlin

Michael Horst Aktionsforum Allergologie c/o med info GmbH Hainenbachstraße 25 89522 Heidenheim

Prof. Dr. med. Bodo Niggemann Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie Charité Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin

Thermo Fisher Scientific – Phadia GmbH Munzinger Straße 7 79111 Freiburg Tel.: +49 (0) 761 47 805-0 Fax: +49 (0) 761 47 805-397 www.thermoscientific.com/phadia/de