gesamtausgabe DE 12 16

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Kurzschlussschutz von MS-Verteiltransformatoren (1) TEILBEREICHS-HH-SICHERUNGEN Dieser Beitrag befasst sich mit dem Kurzschlussschutz der 20kV/0,4kV- bzw. 10kV/0,4kV-Verteiltransformatoren durch Teilbereichs-HH-Sicherungen und macht dabei auf einige bei der Dimensionierung und Sicherungsauswahl zu berücksichtigende Merkmale aufmerksam. B ei einem Projekt aus der Praxis fiel dem Sachverständigen bei der Prüfung auf, dass die dargestellte Verbindung – in dem ihmvorgelegtenPlan–zwischendemKörper desTransformatorsundderNSHVmiteinem Leiterquerschnitt ausgeführt war, der nur dem Viertel des Außenleiterquerschnittes entsprach. Im Bild 1 ist die Originaldarstel- lung aus dem Gesamtübersichtsplan enthal- ten,denderErrichterdemSachverständigen zur Prüfung vorgelegt hat. Konsequenzen DerSachverständigeforderteinseinemPrüf- bericht die Verstärkung der genannten Ver- bindung und empfahl hierfür einen Leiter- querschnitt, der mindestens dem halben Leiterquerschnitt des Außenleiters entspre- chen sollte. Bei der Überprüfung der Gegebenheiten vor Ort wurde die im Bild 2 allpolige verein- fachte Schaltung festgestellt, wobei die ge- nannte Verbindung violett dargestellt ist. Die Sternpunkte der Transformatoren waren in den Trafozellen isoliert ausgeführt. Die PEN- Leiter (Sternpunktleiter) waren bis zur NSHV isoliert ausgeführt und in der NSHV mit der isoliert ausgeführten PEN-Schiene des Sam- melschienensystems verbunden. Der Leiter- querschnitt des PEN-Leiters entsprach dem vollenLeiterquerschnittdesAußenleiters(wie im Bild 1 und Bild 2 dargestellt). Innerhalb der NSHV war außerdem eine ZEP-Brücke vorhanden. WiedemBild2entnommenwerdenkann, sind die Transformatorkerne mit der PE- Schiene des Sammelschienensystems der NSHVüberinReihebzw.parallelgeschaltete Kabel verbunden. Für die Überprüfung der Kurzschlussfestigkeit der genannten Verbin- dung ist die Ermittlung der minimalen und maximalen Kurzschlussbelastungen bei ein- poligen Fehlern in den Trafozellen zwischen einem Außenleiter und dem Transformator- gehäuse erforderlich. Ein solch möglicher Fehler ist im Bild 3 präsentiert. Der Fehlerstrom besteht dabei aus den zwei Anteilen vom Transformator 1 und Transformator 2. Die bei diesem Fehler entwickelten Fehlerschleifen müssen von Hand – also ohne Software – mit hohem Verständnis für die dabei herrschenden physikalischen und mathematischen Zu- sammenhänge berechnet werden. Die gän- gigen Berechnungsprogramme können sol- che Fehlerschleifen nicht nachbilden. FerneristdieKenntnisüberdasAnsprech- bzw. Auslöseverhalten der HH-Sicherungen bei diesen Kurzschlussbelastungen ebenso erforderlich, weil der vom Transformator 1 stammende Anteil des Fehlerstromes von den HH-Sicherungen erfasst, als Fehler er- kannt und abgeschaltet werden muss. Die beiden Niederspannungstransforma- tor-Einspeiseleistungsschalter (NS-LS aus den Bildern 2 und 3) können nur den vom Transformator 2 stammenden Anteil des Fehlerstromes detektieren und ausschalten. Eine von Hand erstellte Kurzschlussstrom- berechnung ergab Kurzschlussbelastungen, diesichindemsogenanntenverbotenenBe- reich der vorhandenen Teilbereichs-HH-Si- cherungen befanden. Vor Ort waren nämlich gemäß VDE 0670-4 strombegrenzende Teil- bereichs-HH-Sicherungen eingesetzt. Für die Kurzschlussstromberechnung und Beurtei- lung des Auslöseverhaltens der Teilbereichs- AUF EINEN BLICK KURZSCHLUSSSCHUTZ Dieser erste Teil verschafft zunächst einen allgemeinen Überblick über Kurzschlussschutz von 20kV/0,4kV- bzw. 10kV/0,4kV-Verteiltransformatoren TEILBEREICHS-HH-SICHERUNGEN Es gibt eine Reihe von Merkma- len, nach denen die passende Teilbereichs-HH-Sichereung sorgfältig auszuwählen ist BERECHNUNGEN Der zweite Teil befasst sich dann u.a. mit Erdkurz- schlussströmen bei niederohmiger Sternpunkterdung und den Selekti- vitätsverhältnissen zwischen Überstromschutzeinrichtungen Quelle: alle D. Sofic Bild 1: Auszug aus dem Stromversorgungs- Übersichtsplan des Praxisprojektes 10kV/ 0,4kV 800kVA 6,23% 10kV/ 0,4kV 800kVA 6,29% 4x (NYY 1x240) je Außenleiter 4x (NYY 1x240) PEN 4x (NYY 1x240) je Außenleiter 4x (NYY 1x240) PEN NYY 1x240 NYY 1x240 1250A 1250A NSHV (mit ZEP) ELEKTROINSTALLATION 37 www.elektro.net

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Kurzschlussschutz vonMS-Verteiltransformatoren (1)

TEILBEREICHS-HH-SICHERUNGEN Dieser Beitrag befasst sich mit dem Kurzschlussschutz der20kV/0,4kV- bzw. 10kV/0,4kV-Verteiltransformatoren durch Teilbereichs-HH-Sicherungen undmacht dabei auf einige bei der Dimensionierung und Sicherungsauswahl zu berücksichtigendeMerkmale aufmerksam.

B ei einem Projekt aus der Praxis fiel dem

Sachverständigen bei der Prüfung auf,

dass die dargestellte Verbindung – in dem

ihm vorgelegten Plan – zwischen dem Körper

des Transformators und der NSHV mit einem

Leiterquerschnitt ausgeführt war, der nur

dem Viertel des Außenleiterquerschnittes

entsprach. Im Bild 1 ist die Originaldarstel-

lung aus dem Gesamtübersichtsplan enthal-

ten, den der Errichter dem Sachverständigen

zur Prüfung vorgelegt hat.

Konsequenzen

Der Sachverständige forderte in seinem Prüf-

bericht die Verstärkung der genannten Ver-

bindung und empfahl hierfür einen Leiter-

querschnitt, der mindestens dem halben

Leiterquerschnitt des Außenleiters entspre-

chen sollte.

Bei der Überprüfung der Gegebenheiten

vor Ort wurde die im Bild 2 allpolige verein-

fachte Schaltung festgestellt, wobei die ge-

nannte Verbindung violett dargestellt ist. Die

Sternpunkte der Transformatoren waren in

den Trafozellen isoliert ausgeführt. Die PEN-

Leiter (Sternpunktleiter) waren bis zur NSHV

isoliert ausgeführt und in der NSHV mit der

isoliert ausgeführten PEN-Schiene des Sam-

melschienensystems verbunden. Der Leiter-

querschnitt des PEN-Leiters entsprach dem

vollen Leiterquerschnitt des Außenleiters (wie

im Bild 1 und Bild 2 dargestellt). Innerhalb

der NSHV war außerdem eine ZEP-Brücke

vorhanden.

Wie dem Bild 2 entnommen werden kann,

sind die Transformatorkerne mit der PE-

Schiene des Sammelschienensystems der

NSHV über in Reihe bzw. parallel geschaltete

Kabel verbunden. Für die Überprüfung der

Kurzschlussfestigkeit der genannten Verbin-

dung ist die Ermittlung der minimalen und

maximalen Kurzschlussbelastungen bei ein-

poligen Fehlern in den Trafozellen zwischen

einem Außenleiter und dem Transformator-

gehäuse erforderlich.

Ein solch möglicher Fehler ist im Bild 3

präsentiert. Der Fehlerstrom besteht dabei

aus den zwei Anteilen vom Transformator 1

und Transformator 2. Die bei diesem Fehler

entwickelten Fehlerschleifen müssen von

Hand – also ohne Software – mit hohem

Verständnis für die dabei herrschenden

physikalischen und mathematischen Zu-

sammenhänge berechnet werden. Die gän-

gigen Berechnungsprogramme können sol-

che Fehlerschleifen nicht nachbilden.

Ferner ist die Kenntnis über das Ansprech-

bzw. Auslöseverhalten der HH-Sicherungen

bei diesen Kurzschlussbelastungen ebenso

erforderlich, weil der vom Transformator 1

stammende Anteil des Fehlerstromes von

den HH-Sicherungen erfasst, als Fehler er-

kannt und abgeschaltet werden muss.

Die beiden Niederspannungstransforma-

tor-Einspeiseleistungsschalter (NS-LS aus

den Bildern 2 und 3) können nur den vom

Transformator 2 stammenden Anteil des

Fehlerstromes detektieren und ausschalten.

Eine von Hand erstellte Kurzschlussstrom-

berechnung ergab Kurzschlussbelastungen,

die sich in dem sogenannten verbotenen Be-

reich der vorhandenen Teilbereichs-HH-Si-

cherungen befanden. Vor Ort waren nämlich

gemäß VDE 0670-4 strombegrenzende Teil-

bereichs-HH-Sicherungen eingesetzt. Für die

Kurzschlussstromberechnung und Beurtei-

lung des Auslöseverhaltens der Teilbereichs-

AUF EINEN BLICK

KURZSCHLUSSSCHUTZ Dieser erste Teil verschafft zunächst einenallgemeinen Überblick über Kurzschlussschutz von 20kV /0,4kV- bzw.10kV /0,4kV-Verteiltransformatoren

TEILBEREICHS-HH-SICHERUNGEN Es gibt eine Reihe von Merkma-len, nach denen die passende Teilbereichs-HH-Sichereung sorgfältigauszuwählen ist

BERECHNUNGEN Der zweite Teil befasst sich dann u.a. mit Erdkurz-schlussströmen bei niederohmiger Sternpunkterdung und den Selekti-vitätsverhältnissen zwischen Überstromschutzeinrichtungen

Quelle:alleD.Sofic

Bild 1: Auszug aus dem Stromversorgungs-Übersichtsplan des Praxisprojektes

10kV/0,4kV800kVA6,23%

10kV/0,4kV800kVA6,29%

4x(NYY1x240)jeAußenleiter

4x(NYY1x240)PEN

4x(NYY1x240)jeAußenleiter

4x(NYY1x240)PEN

NYY1x240

NYY1x240

1250A 1250A

NSHV (mit ZEP)

ELEKTROINSTALLATION

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HH-Sicherungen sind folgende Sicherungsda-

ten zu berücksichtigen: der Bemessungs-

strom, die Bemessungsspannung, der Be-

messungsausschaltstrom, der Bemessungs

mindestausschaltstrom, die Leistungsabga-

be, die Resistanz, das Schmelzintegral, das

Ausschaltintegral, die Zeit-Strom-Kennlinie

und die Durchlassstromkennlinie.

Allgemeine Betrachtungen zum

Kurzschlussschutz

Zunächst widmen wir uns dem Kurzschluss-

schutz von 20kV/0,4kV- bzw. 10kV/0,4kV-

Verteiltransformatoren. Für deren Kurz-

schlussschutz gibt es zwei Lösungsmöglich-

keiten: ohne und mit Kurzschlussstrombe-

grenzung. Wird der Kurzschlussschutz durch

Hochspannungs-Hochleistungs-Sicherun-

gen (HH-Sicherungen) zusammen mit Last-

schaltern realisiert, spricht man vom Kurz-

schlussschutz mit Kurzschlussstrombegren-

zung.

Um den Kurzschlussschutz ohne Kurz-

schlussstrombegrenzung handelt es sich

dann, wenn der Kurzschlussschutz durch

MS-Leistungsschalter, Wandler und Schutz-

relais realisiert wird.

Kurzschlussschutz ohne

Kurzschlussstrombegrenzung

Beim Kurzschlussschutz ohne Kurzschluss-

strombegrenzung werden im Kurzschlussfall

alle, sich in der Kurzschlussschleife befin-

denden elektrischen Betriebsmittel (im Ver-

gleich zum Kurzschlussschutz mit Kurz-

schlussstrombegrenzung), wesentlich größe-

ren thermischen und dynamischen Bean-

spruchungen ausgesetzt. Bedingt durch die

wesentlich längere Kurzschlussdauer bzw.

Gesamtausschaltzeit (Ansprechzeit des

Schutzrelais plus Kommandozeit des Schutz-

relais plus Gesamtausschaltzeit des MS-Leis-

tungsschalters) wird in der Kurzschluss-

schleife wesentlich mehr zerstörerische

Kurzschlussstromenergie in Wärme umge-

setzt. Somit wird der Verteiltransformator und

alle in der Kurzschlussschleife befindlichen

elektrischen Betriebsmittel thermisch massiv

beansprucht. Der dabei auftretende große

Scheitelwert des Kurzschlussstromes belas-

tet den Verteiltransformator und die elektri-

schen Betriebsmittel in der Kurzschluss-

schleife mechanisch sehr stark.

Ein MS-Leistungsschalter mit Wandler und

Schutzrelais kann den Kurzschlussstrom erst

nach mehreren Perioden abschalten, was bei

Öltransformatoren äußerst kritisch sein kann.

Eine Transformatorexplosion mit Platzen des

Kessels und explosionsartigem Austritt des

brennenden Öls kann damit kaum verhindert

werden. Deswegen muss hierbei die Störlicht-

bogenfestigkeit der Trafostation sorgfältig be-

trachtet und festgelegt werden.

Kurzschlussschutz mit

Kurzschlussstrombegrenzung

Die Kurzschlussstrombegrenzung als Art des

Transformator-Kurzschluss-Schutzes durch

Teilbereichs-HH-Sicherungen zusammen mit

dem Lastschalter wird im Grunde dann wirk-

sam, wenn die Kurzschlussströme sehr hohe

Werte annehmen – etwa im Bereich ab dem

20-fachen des Sicherungsbemessungs-

stroms. Im Bereich der Kurzschlussstrombe-

Bild 2: Tatsächliche Ausführung des Praxisprojektes Bild 3: Fehler am Transformator

MS-Schaltanlage10kV/125MVA

ErdungsschieneMS-Abgang Trafo 1

MS-LTS

HH/12kV100A

N2XSY1x50

Fundament-erder

fremde leitfähige Teile

HH/12kV100A

MS-LTS

MS-Schaltanlage10kV/125MVA

MS-Abgang Trafo 2

N2XSY1x50

T1

10kV/0,4kV

Dyn5

800kVA

6,23%

NSHV

4x (NYY 1x240)/Außenleiter

4x (NYY 1x240)/PEN

4x (NYY 1x240)/Außenleiter

4x (NYY 1x240)/PEN

T210kV/0,4kVDyn5800kVA6,29%

NYY 1x240

NYY 1x240

NYY 1x240

NYY 1x240

ZEP

L1L2

L3N

PE

L1L2L3PENPE

NS-LS1250A

NS-LS1250A

MS-Schaltanlage10kV/125MVA

ErdungsschieneMS-Abgang Trafo 1

MS-LTS

HH/12kV100A

N2XSY1x50

Fundament-erder

fremde leitfähige Teile

HH/12kV100A

MS-LTS

MS-Schaltanlage10kV/125MVA

MS-Abgang Trafo 2

N2XSY1x50

T1

10kV/0,4kV

Dyn5

800kVA

6,23%

NSHV

4x (NYY 1x240)/Außenleiter

4x (NYY 1x240)/PEN

4x (NYY 1x240)/Außenleiter

4x (NYY 1x240)/PEN

T210kV/0,4kVDyn5800kVA6,29%

NYY 1x240

NYY 1x240

NYY 1x240

NYY 1x240

ZEP

L1L2

L3N

PE

L1L2L3PENPE

NS-LS1250A

NS-LS1250A

Legende

Fehlerstrom

ELEKTROINSTALLATION

38 de 12.2016

Page 3: gesamtausgabe DE 12 16

grenzung schaltet die Sicherung den Kurz-

schlussstrom bereits in der ersten Halbperio-

de aus. Dadurch wird verhindert, dass der

Stoßkurzschlussstrom überhaupt erreicht

wird. Die freigesetzte, zerstörerische elektri-

sche Kurzschlussenergie wird also erheblich

reduziert. Die Sicherungen verhindern bei Öl-

transformatoren wegen ihrer kurzschluss-

strombegrenzenden Fähigkeit Kesselschädi-

gungen und Ölaustritt. Somit ist dieser kurz-

schlussstrombegrenzende Effekt das wert-

vollste Attribut der Sicherung, mit dem die

Sicherung alle anderen Überstromschutzein-

richtungen übertrifft.

Nach der DIN VDE 0670-4 gibt es Vielbe-

reichs-, Teilbereichs- und Ganzbereichs-HH-

Sicherungen. In der Regel verwendet man in

Deutschland bereits seit Jahrzehnten aus

Kostengründen ausschließlich Teilbereichs-

HH-Sicherungen zum Kurzschlussschutz

von Verteiltransformatoren. Sie werden mit

Lastschaltern kombiniert. Die Teilbereichs-

HH-Sicherungen sind allerdings nur für den

Kurzschluss- nicht für den Überlastschutz

des Transformators geeignet.

Der Überlastschutz eines Transformators

kann z.B. durch geeignete Einstellung des

Überstromauslösungssystems des NS-Trans-

formator-Einspeiseleistungsschalters (Q3

NS-LS im Bild 4 bzw. NS-LS im Bild 2) si-

chergestellt werden.

Zu berücksichtigendeMerkmale

Kommen wir nun zur Dimensionierung und

Auswahl des geeigneten Teilbereichs-HH-Si-

cherungseinsatzes für den Transformator-

kurzschlussschutz. Hierfür sind folgende

Punkte zu berücksichtigen:

• Bemessungs- bzw. Betriebsspannung des

Transformators

• Bemessungsscheinleistung des Transfor-

mators

• relative Bemessungskurzschlussspan-

nung des Transformators

• Bemessungskurzschlussverluste des

Transformators

• Bemessungsleerlaufverluste des Transfor-

mators

• zulässige Überlast des Transformators –

einschließlich dauernd existierender Ober-

schwingungen

• Ausgleichsvorgang beim Einschalten des

Transformators

• Erfassung der Erdkurzschlussströme bei

niederohmiger Sternpunkterdung

• die zulässige Leistungsabgabe bei Einbau

der Sicherung in einem Behälter

• Selektivitätsverhältnisse zu vor- bzw. unter-

geordneten Überstromschutzeinrichtun-

gen

• Zusammenspiel zwischen den Sicherun-

gen und dem Lastschalter.

Ausgleichsvorgang beim Ein-

schalten des Transformators

Das Einschalten eines Transformators ent-

spricht der Zustandsänderung einer Indukti-

vität mit Eisenkern und ruft einen transienten

Effekt hervor. Es handelt sich um den Ein-

schaltstoßstrom (rush current, Rushstrom)

mit beachtlicher Stromstärke, der den Trans-

formatorschutz anregen kann, aber nicht an-

regen bzw. auslösen soll.

Dieser Rushstrom ist die Konsequenz des

magnetischen Remanenzflusses im Transfor-

matorkern. Seine Intensität variiert. Im un-

günstigsten Fall erreicht sie die Größe des

Kurzschlussstromes und im besten Fall tre-

Bild 4: Geeignete Einstellung des Über-stromauslösungssystems des NS-Transforma-tor-Einspeiseleistungsschalters herausfinden

HS-Netz110kV2GVA-5GVA

110kV/10kV12,5MVA-63MVA11% - 20%

110kV

T1

10kV ZE

MS-Kabel 1

Q1: MS-LS

MS

MS-Kabel 2

10kV

Q2: MS-LTS

HH

F1

T2

10kV/0,4kV50kVA-630kVA4%630kVA-2500kVA6%

(F1 - F6 Fehlerstellen)

NS-Kabel

NSHV

F2

F3

F4

F6F5

Q3: NS-LS

Q4: NS-LS

0,4kV

NH

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Page 4: gesamtausgabe DE 12 16

ten keine Rushströme auf. Der Rushstrom

hängt ab vom Einschaltwinkel, der Transfor-

matorgröße, der Transformatorbauart, dem

Wert des Remanenzflusses im Transforma-

torkern und der Sättigungseigenschaft des

Transformatorkerns. Besonders hohe Werte

des Rushstromes treten beim Zuschalten

des Transformators im Nulldurchgang der

Netzspannungs-Sinusschwingung auf.

Die Sicherung muss dem Rushstrom des

Transformators widerstehen können, sie darf

also nicht ansprechen. Dies ist ein wichtiges

Kriterium für die Auswahl der Sicherung. Ge-

mäß DIN VDE 0670-402 kann für die prakti-

sche Anwendung ein Wert des Rushstromes

von 10- bis 12-fachem des Transformatorbe-

messungsstromes für die Dauer von 100 Mil-

lisekunden angenommen werden.

Planer und Errichter können vom Herstel-

ler des Transformators den Wert des Quotien-

ten vom Rush- und Bemessungsstrom des

Transformators sowie die Halbwertszeit des

Rushstromes erfragen. Aus diesen Daten

lässt sich mathematisch die Hüllkurve des

abklingenden Rushstromes nachbilden.

Ebenso kann der Planer das Joule-Integral

der Wärmewirkung des Rushstromes schät-

Bild 7: Physikalischer Ausgleichsvorgang beim Einschalten eines unbe-

lasteten 1600-kVA-Transformators – Außenleiterströme I1, I

2und I

3

Bild 8: Physikalischer Ausgleichsvorgang beim Einschalten eines un-

belasteten 1600-kVA-Transformators – Außenleiterstrom I1

Bild 9: Physikalischer Ausgleichsvorgang beim Einschalten eines un-

belasteten 1600-kVA-Transformators – Außenleiterstrom I2

Bild 10: Physikalischer Ausgleichsvorgang beim Einschalten eines un-

belasteten 1600-kVA-Transformators – Außenleiterstrom I3

Bild 5: Mathematisch

errechnete Hüllkurve

des abflauenden

Einschaltstromes

Bild 6: Mathematisch simu-

lierter, eventueller Verlaufs-

bereich der drei Außenleiter-

Einschaltströme

t (s)

iEl(t) (A)

5.2.102

4.75.102

4.3.102

3.85.102

3.4.102

2.95.102

2.5.102

2.05.102

1.6.102

1.15.102

7.10

2.5.10

0 2.10-1 4.10-1 6.10-1 8.10-1 1

t (s)

iEl(t) (A)

iE(t) (A)

4.75.102

3.8.102

2.85.102

1.9.102

9.5.10

0

−9.5.10

−1.9.102

−2.85.102

−3.8.102

−4.75.102

0 2.10-1 4.10-1 6.10-1 8.10-1 1

ELEKTROINSTALLATION

40 de 12.2016

Page 5: gesamtausgabe DE 12 16

zen und mit dem Schmelz-Integral der Sicherung verglei-

chen. Damit der Rushstrom die Sicherung nicht auslöst,

muss das Schmelz-Integral der Sicherung größer als das

Joule-Integral der Wärmewirkung des Rushstromes sein.

In der Praxis geht man davon aus, dass der Rushstrom

die Sicherung nicht anspricht, wenn der maximale Rush-

strom gegenüber dem 12-fachen des Transformatorbemes-

sungsstromes einen Sicherheitsabstand von mindestens

– 20% zur Sicherungs-Zeit-Strom-Kennlinie beim Zeitwert

von 100ms aufweist.

Es ist charakteristisch, dass der netzfrequenten Kom-

ponente des Rushstromes in der Regel ein Oberschwin-

gungsanteil der zweiten Ordnung aber auch der weiteren

Ordnungen überlagert ist. Die Wärmewirkung des Rush-

stromes des Transformators ist für die Auswahl des

kleinsten Bemessungsstromes des Sicherungseinsatzes

wichtig.

Im Bild 5 ist die mathematisch errechnete Hüllkurve

des abflauenden Einschaltstromes eines 1600kVA/6%/

20kV/0,4kV-Verteiltransformators generiert, die mit ei-

nem Netzanalysator nachgewiesen werden kann. Im Bild

6 ist der mathematisch simulierte, eventuelle Verlaufsbe-

reich der drei Phaseneinschaltströmemit der Hüllkurve des

abflauenden Einschaltstromes eines 1600kVA/6%/

20kV/0,4kV-Verteiltransformators generiert.

Die Oszillogramme 1 bis 5 (Bilder 7 bis 11) repräsen-

tieren einen aufgetretenen wahren physikalischen Aus-

gleichsvorgang beim Einschalten eines unbelasteten

1600kVA/6%/20kV/0,4kV-Verteiltransformators. Sie

wurden mit dem Netzanalysator PQ-Box 200 (Hersteller

A-Eberle Nürnberg) aufgezeichnet.

(Fortzsetzung folgt)

Bild 11: Physikalischer Ausgleichsvorgang beim Ein-

schalten eines unbelasteten 1600-kVA-Transformators –

Strangspannung UL1

und Außenleiterstrom I1

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©Cavotec

AUTOR

Dragan Sofic

EAB GmbH Rhein Main, Dietzenbach

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