Gesang - Gürzenich-Orchester Köln · 2020. 11. 10. · Philippe Manoury an seine erfolgreiche »...

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LIGETI BEETHOVEN Gesang

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LIGETIBEETHOVEN

Gesang

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DasKonzertauf einenBlick

Nein, Beethovens 8. Sinfonie ist sicherlich nicht eine Hommage an eine technische Erfindung seiner Zeit: Das Metronom. Dennoch überliefert uns der Komponist in diesem ver-gleichsweise knappen Werk durch Metronom-Angaben ein Zeugnis seiner eigenen Tempovorstellungen: Die Achte als Synthese von Sang-lichkeit und Pointiertheit metrischer Präzision, als Zeugnis einer sich rapide beschleunigenden Epoche. Im Gegen-satz zu so viel beschwingter Heiterkeit präsentiert sich Beethoven in seinem 3. Klavierkonzert als tragischer Titan. Ligetis Poème Symphonique für 100 Metronome, inspiriert von der Fluxus-Bewegung, ist eine augenzwinkernde Auseinandersetzung mit dem Phäno-men von Metrum, Klang und Zeit.

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Philippe ManouryFanfare für Blechbläser2020Uraufführung

Kompositionsauftrag des Gürzenich-Orchester Köln,gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung

György LigetiPoème Symphoniquefür 100 Metronome 1962

Ludwig van BeethovenSinfonie Nr. 8 F-Dur op. 931811

Allegro vivace e con brio Allegro scherzando Tempo di Menuetto Allegro vivace

Ludwig van BeethovenKonzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 371800 —1803

Allegro con brio Largo Allegro

Kristian Bezuidenhout KlavierGürzenich-Orchester KölnFrançois-Xavier Roth Dirigent

5' 37'

26'

8'

Gesang

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Fanfares for a new Beginning

In einer Phase kulturellen Still-

stands, erzwungener Stille und

des Verzichts auf Live-Konzerte

setzt seit Beginn dieser Spielzeit

ein neues Projekt des Gürze-

nich-Orchesters und seines

Chefdirigenten François- Xavier

Roth ein Zeichen von Freude

und Hoffnung: » Fanfares

for a new Beginning « regt

Komponisten an, mit kurzen

neuen Werken auf die sozialen

Veränderungen einzugehen,

die die Corona-Krise mit sich

gebracht hat. Zugleich nimmt

die Themenstellung musik-

historisch auf die Tradition von

Blechbläsern, von Fanfaren, als

Signalgeber Bezug, durch deren

Klang Kommunikation auch über

größere Distanzen hinweg mög-

lich ist. In seiner Fanfare knüpft

Philippe Manoury an seine

erfolgreiche » Köln-Trilogie «

( 2016—19 ) an. Die Introduktion

zu etwas Herausgehobenem,

Erhabenem möchte er schaffen

– und betont in einem Gespräch

zugleich seine persönlichen

Hörerinnerungen an Fanfaren

auf Dorffesten in seiner franzö-

sischen Heimat. Manourys Fan-

fare für das Gürzenich-Orches-

ter Köln ist für vier Trompeten,

vier Hörner, drei Posaunen und

Tuba geschrieben. Das Werk

beginnt mit einem lebhaften,

paarweisen Dialog der Trom-

peten und Hörner. Ein feierlich-

getragener, konsonanter Mittel-

teil gehört Posaunen und Tuba.

Nach einem rhythmisch streng

strukturierten Abschnitt, in dem

der dunkle Klang der Posaunen

durchgängig ein Fundament für

äußerst virtuose Figurationen

der Hörner und Trompeten

bildet, führt eine Coda im

Fortissimo die Komposition zu

einem glanzvollen Schluss.

gefördert durch die

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Pointierte Hommage an die Rastlosigkeit: Beethovens 8. Sinfonie

Beethovens 8. Sinfonie beginnt mit einer Zahl: 69. So viele punktierte halbe Noten sollen im ersten Satz pro Minute gespielt werden, und weil ja genau eine punktierte halbe Note in einen Drei-vierteltakt passt, macht das eben 69 Takte in 60 Sekunden. Beim Hören kann das natürlich niemand so genau nachhalten – und musste es anno 1817 auch nicht. Denn als die Achte, fünf Jahre nach ihrer Entstehung, endlich gedruckt wurde, besaß Beethoven mittlerweile einen kleinen pyramiden-förmigen Automaten, der ihm beim Zeitmessen half. » Metronom « hieß der kleine Kasten, in dem sich ein Pendel verbarg, an dem man ein Gewicht entlang einer sehr feinen Skala nach oben und nach unten schieben konnte. Auf dieser Skala standen viele Zahlen, auch die 69, und wenn man das Gewicht nun beispielsweise zur Zahl 69 schob, dann schlug das Pendel mit einem deutlich vernehmlichen Kla-cken genau 69 Mal pro Minute nach links und rechts. Und tut es bei einem Metronom bis heute.

Johann Nepomuk Mälzel, ein Feinmechaniker aus Regensburg, der seine Zeitgenossen auch mit einem automatischen Trompetenspieler, einem mechanischen Orchester und einer Schach-maschine verblüffte, hatte sich den hilfreichen Tempo-Anzeiger 1815 patentieren lassen und mit Beethoven gleich einen begeisterten Abnehmer gefunden. Schon seit langem habe er sich überlegt, wie man die missverständlichen und » noch aus der 8

Klang der UnruheVON RAOUL MÖRCHEN

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Barbarei herrührenden Bezeichnungen des Zeit-maßes « wie Allegro oder Andante durch genauere ersetzen könne, gesteht Beethoven einem Kollegen. » Mälzels Metronom gibt uns hierzu die beste Gelegenheit. Ich gebe Ihnen mein Wort hier, dass ich sie in allen meinen neuen Kompositionen nicht mehr gebrauchen werde. «

Das ist zwar stark übertrieben, denn Beetho-ven wird die alten Begriffe bis zu seinem Lebens-ende sehr wohl weiterhin verwenden, dafür aber

bald kaum noch Metronomangaben hinterlassen. Aber in der 8. Sinfonie und etlichen anderen Werken stehen sie nun und haben vielen Generatio-nen von Interpreten Kopfschmerzen bereitet: Kann Beethoven das wirklich ernst gemeint haben? Die sehr raschen » 69 « für einen Dreivierteltakt gehen ja noch halbwegs in Ordnung. Und auch die » Achtel = 88 « für das Scherzo und die kurzatmigen » Viertel = 126 « des Menuetts. Aber soll und kann man wirk-

lich vierundachtzig Takte des Finales in nur einer Minute spielen? Vor ein, zwei Generation haben da fast alle Dirigenten noch abgewinkt: Unmöglich! Überdies auch noch unmusikalisch! Und da gibt es ja im Übrigen auch noch diesen Laufzettel aus Beethovens Nachlass, auf dem vermerkt ist, dass das Metronom zur Reparatur beim Uhrmacher sei: Na sicher, weil es nicht richtig tickte!

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Ludwig van Beethoven* 17.12.1770 Bonn † 26.03.1827 Wien

Sinfonie Nr. 8 F-Dur

Uraufführung27.02.1816 Wien

Zuletzt gespielt vom Gürzenich-Orchester19.05.2015James Gaffigan Dirigent

Doch es hat richtig getickt, jedenfalls zu Beginn, darüber herrscht in der Wissenschaft längst Einigkeit. Auch Francois-Xavier Roth hat daran keinen Zweifel. Allerdings meint er, dass die Angabe » Ganze = 84 « mehr Hinweis als Befehl sei: ein Hinweis darauf, wie man zu zählen habe – näm-lich in ganzen Takten: » Daraus ergibt sich sehr genau eine bestimmte Art der Phrasierung und somit, wie diese Musik klingen soll. «

Noch etwas anderes sorgte für Verwirrung: nämlich die Behauptung, Beethoven habe seine 8. Sinfonie nicht nur mit dem Metronom, sondern gewissermaßen über das Metronom komponiert. Beethovens ehemaliger Sekretär und späterer Bio-graph Anton Schindler hat auf die mechanischen Repetitionen des zweiten Satzes verwiesen und darin den monoton klickenden Widerhall des Zeitmessers gehört. Noch viele andere Stellen gibt es, die auffällig schnurstracks geradeaus laufen, als habe da jemand ein Uhrwerk aufgezogen. Von einer Vertonung des Metronoms zu sprechen, wäre allerdings nicht nur übertrieben, sondern historisch zudem schwer zu belegen: Denn ob Beethoven, als er seine Sinfonie im Sommer 1812 aus den Skizzen für ein sechstes Klavierkonzert heraus entwickelte, Mälzels Apparat bereits kannte, muss Spekulation bleiben. Was allerdings sehr wohl in diesem Werk steckt, ist die Erfahrung einer Epoche, die sich fortwährend beschleunigte. 1812 ist das Jahr, in dem Beethoven mit eigenen Augen erste Dampfschiffe die Donau hinauffahren sieht, derweil der englische Klavierfabrikant Broadwood

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vermeldet, durch den Einsatz von Dampfkraft seine Produktivität verzehnfacht zu haben. Beethoven ist begeistert und schwärmt: » Danken wir Gott für die zu erwartenden Dampfkanonen und für die schon gegenwärtige Dampfschifffahrt. Was für ferne Schwimmer wird’s da geben, die uns Luft und Frei-heit verschaffen? «

Beethovens Begeisterung für die Beschleunigung kann nicht überraschen, war er doch selbst, als er noch am Klavier die Wiener Gesellschaft entzückte, einer von der allerschnell-sten Sorte. Nicht nur sein Schüler Carl Czerny bezeugt glaubwürdig Beethovens Vorliebe für äußerst ambitionierte Tempi.

Die Achte nun ist aber nicht nur außer-gewöhnlich schnell, sie ist auch außergewöhnlich kurz. Oder sagen wir besser: knapp, lakonisch, pointiert. Der alte Haydn steht hier Pate mit seinem Gespür für Witz und Ökonomie. Mit ganz wenig Material den Hörer in sichere Bahnen lenken, Vertrauen gewinnen und dann blitzschnell über-raschen mit außerplanmäßigen Winkelzügen: Das ist Haydn – und hier auch Beethoven. Dazu kommt, verborgen hinter der Fassade der durchweg guten Laune, eine notorische Rastlosigkeit: » Beethoven komponiert ohne Punkt und Komma «, schreibt der Musikwissenschaftler Manfred Hermann Schmid. Kaum ein Gedanke wird in Ruhe zu Ende geführt, die meisten werden unterbrochen von neuen Ein-fällen oder Tricksereien: Beethoven spielt Metrum und Tempo gegeneinander aus, Schwerpunkte verschieben sich, Einsätzen scheinen zu früh zu 12

kommen, Bewegungen werden abrupt gestoppt, wieder aufgenommen, in Sackgassen umgeleitet. Zweischneidig auch die lichte Instrumentierung: Der Komponist zwingt die Bläser mitunter in solche Höhen empor, dass ihr Ton zu brechen droht und das, was gerade noch hell strahlte, mit einem Mal grell blendet.

Die freche und sehr diesseitige Achte ist eine Sinfonie, die man mit ihren Kapriolen ernst nehmen sollte, gerade weil sie genau das nicht zu wollen scheint. Neben der spektakulären, entrückten Sieb-ten führt sie ein stiefmütterliches Dasein, konnte sich schon bei der Uraufführung nicht richtig Gehör verschaffen. » Alles war in gespanntester Erwartung: doch wurde diese, nach einmaligem Anhören, nicht hinlänglich befriedigt, und der Bei-fall, den es erhielt, nicht von jenem Enthusiasmus begleitet, wodurch ein Werk ausgezeichnet wird, welches allgemein gefällt «, notiert ein enttäuschter Rezensent, der von der Siebten im Gegensatz dazu ganz hin und weg ist. Beethoven selbst schäumt. Die Achte habe nur deshalb nicht so gut gefallen, » weil sie viel besser ist. «

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Blick in die Sterne: Das 3. Klavierkonzert

von Beethoven

Beethoven war, anders als seine Kollegen Mozart oder Mendelssohn, kein Wunderkind, jedenfalls nicht als Komponist. Selbst wenn der junge Ludwig schon in seiner Bonner Heimat manches erstaun-liche Werk zu Papier gebracht hat und einiges

davon sogar Verleger fand, so sprach bis in die späten 1790er Jahre wenig dafür, dass aus dem in Wien so immens erfolg-reichen und beliebten Klaviervirtuosen eines Tages der bedeutendste und wirkungsmächtigste Komponist sein Zeit werden würde. Als Beethoven dann end-lich so richtig durchstartete, war er in einem Alter, in dem sich Schuberts Leben schon dem Ende zuneigt.

Es ist kein einzelner Geniestreich, der Beethovens Durchbruch markiert, sondern ein Komplex von vielleicht zwei Dutzend Partituren, über die sich Kritik und Wissenschaft schon früh gestritten

haben: Ist das hier schon der reife Beethoven – oder noch nicht? Auch das heute fast ausnahmslos als Meisterwerk gefeierte 3. Klavierkonzert ist ein wenig skeptisch beäugt worden. Der direkte Vergleich mit Mozarts grandiosem c-Moll-Konzert KV 491, den Beethoven durch die Wahl derselben Tonart auch noch herauszufordern scheint, ging nicht nur für Johannes Brahms klar zu Beethovens

Ludwig van Beethoven* 17.12.1770 Bonn † 26.03.1827 Wien

Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll

Uraufführung05.04.1803 Wien

Zuletzt gespielt vom Gürzenich-Orchester08.10.2013Lars Vogt Klavier Markus Stenz Dirigent

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Funktion: Er garantiert, dass das nun einsetzende Klaviersolo eine Sache verhandeln darf, die doch noch nicht ganz ausgemacht ist.

Durch die frühe Bekanntschaft mit C-Dur ist auch ein Samen für den zweiten Satz gelegt, denn dessen exponierte Terz E wird nun zum Grundton des in hellem E-Dur stehenden Largo – einer Tonart, die von c-Moll denkbar weit entfernt ist. Beethoven baut hier also eine Brücke, und doch steht der Mittelsatz völlig entrückt da. Nach den irdischen Kämpfen des Allegro ist das Largo ein Ort, um in die Sterne zu schauen und an der Seite des Orchesters mit dem Solisten zu träumen, während sich die solide Architektur des Kopfsatzes verflüssigt in frei schweifende Phantasien. Das, lieber Herr Brahms, hätte Mozart auch nicht schöner machen können.

Und auch das Rondo braucht keine Apo-logeten: Die altherbrachte Rundform mit einem wiederkehrenden Refrain und eingeschobenen kontrastierenden Episoden, den sogenannten Cou-plets, befindet sich Anfang des 19. Jahrhunderts zwar bereits auf dem Abstellgleis und wird, auch bei Beethoven, bald komplexeren Formen Platz machen. Doch hier greift er noch einmal zurück auf die vertrauten Abläufe, nur um die Einzelteile umso entschlossener mit Pathos aufzuladen und in ihrem harmonischen Zusammenspiel auf ver-blüffende Umwege zu führen – etwa um uns noch einmal jenes C-Dur zu präsentieren, dessen kurzes Aufblitzen zu Beginn des Eingangssatzes ein erster Fingerzeig gewesen ist: Man sollten diesen Ludwig van Beethoven nie unterschätzen.

Ungunsten aus: Brahms fand das Opus 37 zwar » moderner «, aber dennoch » kleiner, schwächer, nicht so bedeutend «.

Und tatsächlich überrascht uns heute, im Wissen um die Finessen der beiden späteren Klavierkonzerte, wie konventionell Beethoven beginnt: Während er in diesen unsere Erwartungen sogleich hintergeht, indem er bereits in den aller-ersten Takten nicht dem Orchester, sondern dem Solisten den Vortritt überlässt, folgt der Kopfsatz des c-Moll-Konzerts dem Lehrbuch: Orchester-exposition mit zwei kontrastierenden Themen in parallelen Tonarten, dann ( zugegeben: äußerst einfallsreich ) variierte Wiederholung des schon bekannten Materials durch den Solisten. Eine knappe Durchführung, die längst nicht die boh-rende Intensität hat, die wir etwa vom Beethoven der Eroica oder der Fünften kennen, schließlich Reprise, Kadenz und Coda. Erst der genauere Blick ins Innenleben des Satzes verrät, dass Beethoven die Vorgaben nicht brav akzeptiert, sondern mit eigenwilligen harmonischen Wendungen bereits den Hebel am Gefüge ansetzt: durch die schnelle Versetzung des zweiten Themas etwa aus dem vor-schriftsmäßigen Es-Dur nach C-Dur. Damit nimmt er hier schon einen Clou vorweg, der eigentlich für später vorgesehen ist – dass nämlich die beiden zunächst auf unterschiedlichen Tonstufen stehen-den Themen nach dem Konflikt der Durchführung miteinander versöhnt werden und schlussendlich auf gleicher Höhe stehen. Der extravagante Fingerzeig in die Zukunft hat aber noch eine andere

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Magie des Unvorhersehbaren: György Ligetis Poème Symphonique

Und György Ligeti? Hat mit dem Ganzen eigentlich gar nichts zu tun. Außer, dass er als Komponist natürlich auch ein Metronom besaß und die Geschichte kannte von dem tickenden Helferlein: von Beethoven erst so bejubelt, später dann für Generationen von Schülern und Studenten ein Instrument der Folter. » Hör doch mal hin, spiel doch

endlich gleichmäßig, du schleppst schon wieder! « Als Ligeti sein Poème Sympho-nique schreibt, genießt das Metronom einen denkbar schlechten Ruf, es gilt als beamtisch, stur und unkünstlerisch. Ligeti gibt ihm seine Würde zurück – und adelt den stupiden Taktgeber zu einem Instrument mit eigenem Recht. Inspiriert einerseits von der augenzwinkernden Fluxus-Bewegung und den hyper-komplexen Klangflächenkompositionen eines Iannis Xenakis oder Krzysztof Pen-

derecki andererseits, entwickelt Ligeti 1962 die Idee eines Chores aus 100 handelsüblichen Metronomen. Alle sollen sie von Hand aufgezogen und gestartet werden, dann aber in unterschiedlichen Tempi ticken. Das Ergebnis ist ein sich kontinuierlich aus-dünnendes, dabei immer wieder neue, unvorher-sehbare Knoten und Verdickungen bildendes Netz aus Linien und Punkten.

György Ligeti* 28.05.1923Diciosânmartin( Königreich Rumänien ) † 12.06.2006 Wien

Poème Symphonique

Uraufführung13.12.1963 Hilversum ( Niederlande )

Zuletzt gespielt beim Gürzenich-Orchester08.09.2009

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Der 1979 in Südafrika geborene Kristian Bezuiden-hout ist einer der bemerkens-wertesten und aufregendsten Pianisten unserer Tage. Auf der ganzen Welt gastiert er mit den führenden und pro-minentesten Orchestern und Ensembles, wobei ein Schwer-punkt seiner Arbeit auf his-torischer Aufführungspraxis und auf der Beschäftigung mit historischen Tasteninstrumen-ten liegt. Seine Vielseitigkeit

beweist Bezuidenhout auch als künstlerischer Leiter des Freiburger Barockorchesters sowie als Gastprofessor an der Schola Cantorum Basi-liensis und an der Eastman School of Music. Der vielfach preisgekrönte Künstler kann eine beeindruckende Disko-grafie vorweisen und hat zudem eine besonders enge Beziehung zur Kölner Phil-harmonie: Hier war er Portrait-Künstler der Saison 2019 / 20.

Kristian BezuidenhoutKlavier

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François-Xavier Roth, seit Beginn der Spielzeit 2015 / 16 Gürzenich-Kapellmeister und Generalmusikdirektor der Stadt Köln, gehört zu den cha-rismatischsten und mutigsten Dirigenten seiner Generation. Er ist Erster Gastdirigent des London Symphony Orchestra und » Associate Artist « der Pariser Philharmonie, die diese Position eigens für ihn schuf, um die Vielfalt seines Wirkens zu würdigen. Bereits 2003 gründete Roth mit Les Siècles sein eigenes Orchester, das sowohl auf neuen wie auf alten Instrumenten musiziert. Roth ist für seine ungewöhn-liche Programmgestaltung bekannt, sein geradliniger

Ansatz und seine Über-zeugungskraft werden in aller Welt geschätzt. Er arbeitet mit führenden Orchestern zusammen, darunter die Berliner Philharmoniker, das Koninklijk Concertgebouw Orkest Amsterdam, das Symphonieorchester des Bay-erischen Rundfunks und das Boston Symphony Orchestra. Mit dem Gürzenich-Orchester Köln feiert er in der Saison 2020 / 21 die Kulturmetropole Köln mit ihren vielfältigen Szenen und Einflüssen als Melting pot. Im Februar 2020 erhielt François-Xavier Roth den Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik.

François-Xavier RothDirigent

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Köln, so tickst

Du!

100 METRONOMEEINE BÜHNE

Groß, klein, alt, jung, tierisch, seriös, weiß, braun, rot, schwarz – so vielfältig schlägt der Takt von Köln. Rund 100 Kölner schickten uns ihre Metronome für Ligetis Poème Symphonique, die für acht Minuten eine Art tickendes Bürgerorchester auf der großen Bühne der Kölner Philharmonie sind. Und hinter jedem Taktgeber steckt eine kleine Geschichte, eine Erinnerung an Gitarrenunterricht und Klavierstunden, an Großeltern und Lebensbegleiter. Ob da Edelholz, 70er-Jahre-Plastik oder ein Pinguin aus der Packung kam, ob noch auf Adagio oder Allegro eingestellt – wir waren begeistert von jeder Einsendung, vom Engagement so vieler Menschen und vor allem von der Buntheit dieser fantastischen Stadt, die unser Herzschlag ist. Köln, wir ticken wie du.

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ES MUSSTE EINFACH EIN

WEISSES SEIN↓

angelika

ÜBER 100 JAHRE ALT

↓ingrid

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RHYTHMISCHES GESCHNURRE

↓elisabeth

AUCH AUF DER EISSCHOLLE

GENAU IM TAKT↓

ulrike

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MAMA HAT FRÜHER DAMIT

GITARRE GEÜBT ↓

oskar

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Orchester-besetzung

* Gast ** Orchesterakademie des Gürzenich-Orchesters Stand 09.11.2020

1. ViolineNatalie CheeAnna HeygsterAlvaro PalmenChieko Yoshioka-SallmonAndreas BauerAdelheid Neumayer-GoossesDaniel DangendorfAmelie Gehweiler Ayane Okabe**Rocio Garcia Perez*

2. ViolineSergey KhvorostukhinChristoph RombuschWill GriggNaoki YamaguchiMira NauerHye-Bin KimJeffrey Chee-Chung Kok**Nina Mrosek*

ViolaÖykü CanpolatBruno ToebrockVincent RoyerIna BichescuEva-Maria Wilms-MühlbachSarah Aeschbach

VioloncelloUlrike SchäferJee-Hye BaeFranziska LeubeDaniel RaabeKatharina Apel-Hülshoff

KontrabassJohannes SeidlJason Witjas-EvansDaniel López Giménez**

FlöteSeohyeon Kim*Antonia Heyne**

OboeTom OwenLena Schuhknecht

KlarinetteBlaž ŠparovecEkkehardt Feldmann

FagottFederico Aluffi*Chih-Ti Wang*

HornEgon HellrungMarkus WittgensGerhard ReuberWilly BessemsJens Kreuter

TrompeteSimon de KleinMatthias JüttendonkKlaus v. d. WeidenStefan Fleißner*

PosauneJonathan Nuss*Markus LenzingChristoph Schwarz

TubaKarl-Heinz Glöckner

PaukeRobert Schäfer

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Das Gürzenich-Orchester Köln und François-Xavier Roth danken den Kuratoren und Mitgliedern der Concert-Gesellschaft Köln für die großzügige Unterstützung.

VORSTAND CONCERT-GESELLSCHAFTKÖLNDr. Christoph SiemonsVorstandsvorsitzender

EHRENKURATORENHenriette RekerOberbürgermeisterin der Stadt Köln

Jürgen Roters Oberbürgermeister der Stadt Köln a. D.

Dr. h. c. Fritz SchrammaOberbürgermeister der Stadt Köln a. D.

KURATORENBechtle GmbH IT-SystemhausWaldemar Zgrzebski

Commerzbank AGStephan Plein

Deloitte Consulting GmbHDirk Guttzeit

Ebner Stolz Partnerschaft mbB Dr. Werner Holzmayer

Ernst & Young GmbHDr. Dominik Müller

Excelsior Hotel Ernst AGGeorg Plesser

ifp Personalberatung & ManagementdiagnostikJörg Will

Koelnmesse GmbH Gerald Böse

Sybil und Kaspar Kraemer

Kreissparkasse Köln Dr. Klaus Tiedeken

Hedwig Neven DuMont

Privatbrauerei Gaffel Becker & Co. OHGHeinrich Philipp Becker

Sparkasse KölnBonnUlrich Voigt

TÜV Rheinland AG Prof. Dr. Bruno O. Braun

Volksbank Köln Bonn eG Jürgen Neutgens

Bruno Wenn und Ilse Bischof

Zarinfar GmbHDipl.-Ing. Turadj Zarinfar

FIRMENVERBÄNDEVEREINEAugust Hülden  GmbH & Co. KGFreie Volksbühne Köln e. V. Freytag & PetersenHenze & Partnerifp Will und Partner  GmbH & Co. KGKreissparkasse Köln eGm.i.r. mediaPhilharmonischer Chor e. V.Richard-Wagner-  Verband KölnSparkasse KölnBonnTheatergemeinde KölnVolksbank Köln Bonn eG

MITGLIEDERKonrad & Petra AdenauerClaudia & Joachim  von ArnimErika BaunachHelge & Thekla BauwensDr. Axel BergerIngrid van Biesen Wolfgang & Ellen BöttcherBirgit BoisseréeOtto Brandenburg &  Rose WursterAndreas BraunProf. Dr. Gerhard &  Anke BrunnProf. Dr. Tilman BrusisBeatrice BülterDr. Michael & Marita CramerDr. Hans &  Christine CustodisKlaus DufftDieter EimermacherBrigitte ElderingDr. Ben & Sigrun ElsnerHeinz Christian EsserRenate & Wilfridus Esser Brigitte FeierabendInes Friederichs  & Alexander WierichsChristoph Gallhöfer  & Katrin Preuß-NeudorfHubertus von GallwitzHans & Dr. Helga GennenBeate Genz-Jülicher &  Wilhelm Jülicher Jutta GeyrErwin & Heidi Graebner Dr. Dieter Groll &  Ellen SiebelBernd & Gisela  GrützmacherUrsula GülkeChrista HackenbruchErich & Gisela HahnDr. Rolf-D. HalswickProf. Henrik Hanstein Hermann HaukeDr. Alfred Heiliger &  Renate Heiliger-Tüffers Doris & Dieter HeitheckerBärbel & Josef Hergarten

Claudia HesselJutta & Bolko HoffmannUlrike HöllerDr. Sebastian HölscherGerd &  Ursula HörstensmeyerBrigitte Hollenstein-  MiebachDr. Roland & Inge HueberProf. Dr. Dr. Rolf    Huschke-Rhein  & Dr. Irmela RheinProf. Dr. Rainer JacobsKlaus & Dagmar Jaster Prof. Dr. Hans-Friedrich  Kienzle & Dr. Sabine  Staemmler-Kienzle Hildegard KilsbachDirk KlamethHans-Josef KleinDieter & Gaby KleinjohannDr. Jobst Jürgen &  Dr. Marlies KniefHermann & Ute KöglerCornelia & Gerald KöhlerDr. Klaus KonnerDr. Peter KonnerDr. Hanns &  Monika KreckwitzDr. Arnd KumerloeveDr. Hans-Erich &  Barbara LilienthalSusanne Lührig Gerd & Sabine LützelerDr. Andreas &  Dr. Henriette MadausJohanna von Mirbach-ReichProf. Dr. Hanns-Ferdinand  MüllerHermann-Reiner MüllerGeorg Müller-Klement Dr. Wolfram & Stefanie NolteRenate OckerFreifrau Jeane von  Oppenheim Dr. Jürgen Pelka Dr. Carlo PelzerDr. Joachim PfefferManfred & Christine PfeiferKlaus & Kit PiehlerDr. Wolfgang &  Doris PosteltDr. Hans-Michael

 & Elisabeth PottJulia Priemer-BleisteinerDr. Maximilian Freiherr  von ProffUte Proschmann Jacqueline RitterUlrich & Heide RochelsAndreas RöhlingDr. Dirk SagemühlDr. Bernd Schäfer &  Ulrike Schäfer-TrübFrank ScholzProf. Dr. Ulrich SchröderBernd & Marianne SchubertDr. Alexander Schwarz  & Kathrin KayserGerd-Kurt &  Marianne SchwierenEdith & Dieter SchwitallikSiegfried SeidelDr. Christoph &  Barbara SiemonsRolf StapmannsBernd StöckerGabriele StroßPeter & Monika TongerDr.-Ing. Reiner &  Anita TredoppHans-Ulrich TrippenDr. Detlef TrübMarkus & Nicole UlrichClaus Verhoeven &  Birgid Theusner Heinz-Peter &  Andrea VerspayPeter Egon WagnerSebastian & Anna WarwegOlaf WegnerBruno Wenn & Ilse BischofHelmut WexlerMichael Wienand &  Dr. Andrea  Firmenich-WienandGabriele  Wienhenkel-PfeifferRafaela & Dieter WildeHans-Peter Wolle &  Brigitte Bauerund weitere anonyme Förderer

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Impressum

Raoul Mörchen, geboren 1967 im Sauerland, Studium der Musikwissenschaft, Philosophie und Kunst-geschichte in Münster und Köln. Musikkritiker, Autor, Übersetzer und Herausgeber von Fachliteratur vor allem zur zeitgenössischen Musik. Moderiert unter anderem das Kulturmagazin WDR3-Mosaik.

Herausgeber Gürzenich-Orchester Köln Bischofsgartenstraße 150667 KölnStefan Englert( Geschäftsführender Direktor ) Redaktion Dr. Volker SellmannTextnachweis Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Heft.Bildnachweis Alle Fotos: Holger Talinskibis auf S. 21: Marco BorggreveGestaltung nodesign.com

So 08.11.20 11 + 14 UhrMo 09.11.20 17 + 20 UhrDi 10.11.20 20 UhrKölner Philharmonie

György LigetiSechs Bagatellen für Bläserquintett1953

Béla BartókUngarische Bauernlieder für Orchester 1933

Ludwig van BeethovenKlavierkonzert Nr. 4 G-Dur 1806

Emanuel Ax KlavierFrançois-Xavier Roth Dirigent

€ 43 / 34 / 27 / 18 / 14 / 9

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Symphonies 1 & 4

GÜRZENICH-ORCHESTER KÖLN   FRANÇOIS-XAVIER ROTH

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» Schumann at his best

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Page 21: Gesang - Gürzenich-Orchester Köln · 2020. 11. 10. · Philippe Manoury an seine erfolgreiche » Köln-Trilogie « ( 2016—19 ) an. Die Introduktion zu etwas Herausgehobenem, Erhabenem

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SAISON20 / 21ABO 3