GESUNDHEITSFÖRDERUNGSSTRATEGIE FÜR DEN ... · als zentrale AkteurInnen im Gesundheitsbereich...
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GESUNDHEITSFÖRDERUNGSSTRATEGIE
FÜR DEN
GESUNDHEITSFÖRDERUNGSFONDS
SALZBURG
UMSETZUNGSPERIODE 2014-2022
Salzburg, Mai 2017
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INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung 2
2. Grundlagen 4
3. Ziele 7
4. Strategische Schwerpunkte 8
5. Qualitätskriterien 11
6. Grundsätze für die Mittelverwendung 13
Anhang
Übersicht über die Formen der Gesundheitsförderung und
Prävention und deren Unterschiede 15
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1 EINLEITUNG
Alle in Salzburg lebenden Menschen sollen bei guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen.
Gesundheitsfördernde Lebenswelten und Lebensweisen sind der Schlüssel dazu.
Das Land Salzburg, die Salzburger Gebietskrankenkasse und die Sonderversicherungsträger
als zentrale AkteurInnen im Gesundheitsbereich haben entsprechend ihres gesetzlichen
Auftrages und ihrer strategischen Ausrichtung durch zahlreiche qualitativ hochwertige
Maßnahmen und Initiativen eine gute Basis für eine gemeinsame strukturierte
Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung im Bundesland Salzburg gelegt.
Bezugnehmend auf Art. 12 „Stärkung der Gesundheitsförderung“ des Landes-Zielsteuerungs-
vertrages haben Land und Sozialversicherung gemeinsam eine Gesundheitsförderungs-
strategie festzulegen. Die Entwicklung der Gesundheitsförderungsstrategie ist im Art.
8.1.1.1. des Landes-Zielsteuerungsvertrages verankert. Basis der Gesundheitsförderungs-
strategie (vgl. Abbildung 1) bilden die bundesweite Gesundheitsförderungsstrategie, die
Rahmen-Gesundheitsziele (vgl. Abbildung 2) und die daran orientierten Landesgesundheits-
ziele.
Abbildung 1: Zusammenspiel der verschiedenen Zielebenen
Inhaltlich betonen sowohl die Rahmen-Gesundheitsziele als auch die Zielsteuerung
Gesundheit die Notwendigkeit einer Stärkung von zielgerichteter und abgestimmter
Gesundheitsförderung und Prävention (Primärprävention).
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Die Rahmen-Gesundheitsziele, die den Fokus auf die kollektive Gesundheit der Bevölkerung
insgesamt und benachteiligte Bevölkerungsgruppen im Besonderen legen, zielen in ihrer
Grundausrichtung auf eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik.
Abbildung 2: Rahmen-Gesundheitsziele / Landesgesundheitsziele
Eine abgestimmte, regionale und partnerschaftliche Steuerung erzielt eine höhere
Wirksamkeit und Sichtbarkeit der Gesundheitsförderung und Prävention (Primärprävention)
im Bundesland Salzburg.
Die Gesundheitsförderungsstrategie hat zum Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung entlang
Ihrer Lebensphasen ab der frühen Kindheit positiv zu beeinflussen. Gesundheitliche
Chancengerechtigkeit ist ein Querschnittsthema der Strategie und wird auf allen Ebenen und
in allen Bereichen berücksichtigt.
Die Strategie fokussiert vorrangig auf strukturelle (d.h. auf eine gesundheitsförderliche
Veränderung der Verhältnisse) Rahmenbedingungen für Gesundheitsförderung.
Die Gesundheitsförderungsstrategie ist die verbindliche Grundlage für alle gemeinsamen
Aktivitäten im Rahmen des Gesundheitsförderungsfonds, die im Bundesland Salzburg von
der Sozialversicherung und dem Land Salzburg gesetzt werden.
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2 GRUNDLAGEN
2.1. Public Health Grundsätze
2.1.1. Umfassender Gesundheitsbegriff
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte Gesundheit bereits 1946 als einen
Zustand vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens. In späteren
Deklarationen der WHO wird der Prozesscharakter der Gesundheit stärker betont.
Gesundheit ist kein statischer Zustand, sondern das aktuelle Ergebnis der jeweils aktiv
betriebenen Herstellung und Erhaltung der sozialen, psychischen und körperlichen
Aktionsfähigkeit des Menschen. Gesundheit ist damit eine immer wieder neu herzustellende
Balance zwischen Belastungen und Ressourcen.
Für den Bereich Gesundheitsförderung und Prävention hat sich dieser Gesundheitsbegriff
bewährt und durchgesetzt. Ein umfassendes Verständnis von Gesundheit berücksichtigt
neben der physischen und sozialen Umwelt auch die psychische Dimension. Das Leben
sinnvoll gestalten und dem Leben Sinn abgewinnen zu können, ist ein gesundheitsfördernder
Faktor, der alle Menschen, ob gesund, krank oder beeinträchtigt, gleichermaßen betrifft.
Interventionen zur Gesundheit der Bevölkerung zielen grundsätzlich darauf ab, diese positiv
zu beeinflussen (= Gesundheitsförderung). Eindimensionale Interventionskonzepte, die sich
nur auf das Verhalten der / des Einzelnen beziehen, können langfristig nicht erfolgreich sein,
weil sie wichtige Dimensionen, die für unsere Gesundheit bestimmend sind, vernachlässigen.
Zahlreiche Forschungsergebnisse aus den unterschiedlichsten Bereichen, von den
Gesundheitswissenschaften über die Sozialmedizin und die Sozialepidemiologie,
verdeutlichen, dass nicht nur unsere Lebensweise, sondern auch unsere Lebenswelt
bestimmend für unsere Gesundheit ist. Mit Lebenswelt (englisch "Setting") wird ein soziales
System bezeichnet, in dem Menschen leben, lernen, arbeiten und ihre Freizeit verbringen
(Betrieb, Schule, Gemeinde, etc.). Die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung propagiert,
Interventionen auf soziale Systeme zu richten, dh auf Organisationen und Netzwerke von
Organisationen und nicht nur auf einzelne Menschen und ihr individuelles Gesundheits- und
Risikoverhalten.
Ein Setting umfasst eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf eine bestimmte Personengruppe.
Mit dem Lebenswelten-Ansatz wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass
Gesundheitsprobleme einer Bevölkerungsgruppe das Resultat einer wechselseitigen
Beziehung zwischen ökonomischer, sozialer und organisatorischer Umwelt und persönlicher
Lebensweise sind.
2.1.2. Determinanten der Gesundheit
Gesundheitsdeterminanten sind jene Faktoren, die unsere Gesundheit wesentlich
beeinflussen. Zusammenfassen lassen sich diese Faktoren in drei große Bereiche:
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• sozioökonomische Faktoren und umweltbedingte Verhältnisse
• Lebensweisen und Lebensstile
• Individuelle Faktoren – also Alter, Geschlecht und erbliche Faktoren
Die Determinanten für Gesundheit und Krankheit und ihre Ursachen werden entscheidend in
den physischen und sozialen Umwelten des Menschen geschaffen. Daher ist es die
Kernaufgabe der Gesundheitsförderung, Einzelne und Gemeinschaften darin zu stärken,
mehr Kontrolle über die bestimmenden Faktoren der Gesundheit zu gewinnen. Die
Gesundheitschancen der gesundheitlich und sozial belasteten oder schwachen
Bevölkerungsgruppen müssen dabei besonders berücksichtigt werden. Denn Armut stellt
immer noch die größte Bedrohung für Gesundheit dar.
Die - ursprünglich von Dahlgreen und Whitehead entwickelte - und vom FGÖ angepasste
Grafik zeigt die wichtigsten Determinanten der physischen und sozialen Umwelt, die
verändert werden können – und somit Ansatzpunkte für Gesundheitsförderung und
Prävention darstellen:
2.1.3. Persönliche Kompetenzen entwickeln (Empowerment)
In der Konfrontation mit Stressoren, Krankheit und Veränderungsprozessen braucht der
Mensch gewisse Kompetenzen, um Gesundheitsrisiken vermeiden und
Gesundheitsressourcen erschließen zu können. Damit können körperliche Ressourcen
gemeint sein, wie die Förderung der Fitness und der Abwehrkräfte, oder die Sensibilisierung
für die Wahrnehmung des Körpers. Aber auch psychisch-personale Ressourcen können
entwickelt und aktiviert werden (Kompetenzen zur Bewältigung von Stress und Konflikten,
die Stärkung des Selbstvertrauens, etc.). Ein großes Ressourcenpotenzial liegt im sozialen
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Umfeld. Die Fähigkeit, intensive und befriedigende Beziehungen zu leben und ein
anregendes soziales Netzwerk zu pflegen, ist entscheidend für die Gesundheit. Die
wesentlichen Instrumente, die zur Förderung der persönlichen Kompetenzen zur Verfügung
stehen, sind Information und Bildung.
2.1.4. Gesundheitliche Chancengerechtigkeit
Ungleiche Gesundheitschancen beruhen auf unterschiedlichen Ressourcen und Belastungen.
Chancengerechtigkeit zu fördern bedeutet sowohl in der Gesundheitsförderung als auch in
der Prävention zielgruppenspezifisch vorzugehen. Die Lebensweltorientierung in der
Gesundheitsförderung bietet gute Chancen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Alter,
Geschlecht, Einkommen in diesen Prozess aktiv mit einzubeziehen.
2.1.5. Entwicklung einer gesundheitsfördernde Gesamtpolitik (Health in all Policies)
Gesundheit wird nicht ausschließlich im Gesundheitsressort gestaltet. Eine
gesundheitsfördernde Gesamtpolitik beruht auf einer sektorenübergreifenden
Zusammenarbeit (Bildung, Arbeit, Soziales, Wirtschaft, Umwelt, etc.).
Gesundheitseinrichtungen, die Privatwirtschaft und gemeinnützige Organisationen sind
ebenso zum Vermitteln der relevanten Information und Bildung aufgefordert wie die
traditionellen Bildungs- und Gesundheitsinstitutionen. So soll z.B. Umgang mit Stress in der
Schule, im Betrieb, in Bildungseinrichtungen und bei privaten KursanbieterInnen gelernt
werden können. Ziel ist eine verstärkte Kooperation mit den relevanten StakeholderInnen.
2.1 Grundlagen der Gesundheitsförderung – Prävention
2.2.1. Salutogenese – Pathogenese
Gesundheitsförderung - Salutogenese
Gesundheitsförderung nach dem Verständnis der WHO setzt bei der Analyse und Stärkung
der Gesundheitsressourcen und –potentiale der Menschen und auf allen gesellschaftlichen
Ebenen an. Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen, die auf die Veränderung und
Förderung sowohl des individuellen und des kollektiven Gesundheitsverhaltens als auch der
Lebensverhältnisse abzielen – der Rahmenbedingungen, die Gesundheit und
Gesundheitsverhalten jeder / jedes Einzelnen und ganzer Bevölkerungen beeinflussen.
Prävention - Pathogenese
Prävention (Krankheitsverhütung) sucht – anders als die Gesundheitsförderung – eine
gesundheitliche Schädigung durch gezielte Aktivitäten zu verhindern (Primärprävention, zB
Impfungen), weniger wahrscheinlich (zB Screenings, etc.) zu machen oder zu verzögern
(Tertiärprävention/Rehabilitation).
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3 ZIELE
Zentrales Ziel der Gesundheitsförderungsstrategie ist es, durch verstärkte Umsetzung von
breit abgestimmten, qualitätsgesicherten, wirksamen und effizienten
Gesundheitsförderungsmaßnahmen einen Beitrag für ein längeres, selbstbestimmtes
Leben bei guter Gesundheit für alle Menschen in Salzburg zu leisten.
Grundsätzlich sind ausschließlich jene Interventionen, für die aus gesundheitlicher Sicht
ein hoher Handlungsbedarf und großes Gesundheitspotenzial besteht, zu unterstützen.
3.1. Strategische Zielsetzungen
Gesundheitsfördernde und primär-präventive Aktivitäten werden durch
Schwerpunktsetzungen strukturiert und konzentriert. Schwerpunkte sind Settings (z.B.
Betrieb, Schule, Kindergarten, Gemeinde, ...), Bevölkerungsgruppen (Kinder, Erwerbstätige,
MigrantInnen, ...) sowie die Förderung eines gesunden Lebensstils.
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Die Prioritätensetzung leitet sich aus den Rahmen-Gesundheitszielen, der bundesweiten
Gesundheitsförderungsstrategie, beschlossen am 21. März 2014, aktualisiert und
wiederbeschlossen am 7. Dezember 2016 und den Landesgesundheitszielen ab; somit kann
ein wesentlicher Beitrag zu einer gesteigerten, gesunden Lebenserwartung bzw.
gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Bevölkerung erreicht werden.
Es ist vor allem dort anzusetzen, wo positiv auf die Erhaltung der Gesundheit der
Bevölkerung eingewirkt werden kann. So kann nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung
verbessert, sondern auch eine Entlastung des Gesundheits-Versorgungssystems bewirkt
werden.
Maßnahmen auf Ebene der gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen,
Maßnahmen auf Ebene der Lebenswelten sowie auf Ebene des Individuums sind in
Abstimmung mit den wesentlichen PlayerInnen im Gesundheitsbereich zu setzen, d.h.
gemeinsame Planung / Rollenklärung / Steuerung / Ressourceneinsatz.
Die Planung der finanziellen Ressourcen orientiert sich primär an den inhaltlichen
Schwerpunkten. Nicht umfasst sind die bestehenden Präventionsprogramme wie
beispielsweise Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen, Screenings und Zahngesundheits-
förderung. Somit ist eine optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen gewährleistet.
4 STRATEGISCHE SCHWERPUNKTE
Ausgehend von einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis werden folgende
strategische Schwerpunkte gesetzt (siehe dazu auch die nachfolgenden Grafiken):
1. Stärkung persönlicher und sozialer Gesundheitskompetenzen unterschiedlicher
Zielgruppen:
- Gesunder Start – Kindheit und Jugend
- Gesund bleiben – Erwachsenenalter
- Gesundes Altern
2. Lebenswelten der Menschen – Zielgruppen- und Settingorientierung
3. Förderung eines gesunden Lebensstils
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Abbildung 3: Strategische Schwerpunkte / Orientierungsrahmen
Individuum
Zentrale Lebenswelten
Rahmenbedingungen
Ernährung Bewegung psycho-soziale Gesundheit
Geburt 0-3 Jahre
Kindheit 4-10 Jahre
Jugend 11-20 Jahre
Erwachsene 21-55 Jahre
Erwachsene 55+
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Interventions-felder
Ziel-
gruppen
Familie
* Frühe Hilfen / Gesundheitsförderung bei
Familien mit Kleinkindern und Schwangeren (z.B. REVAN)
Präventionsangebote für Kinder psychisch kranker Eltern
Aktive Kontaktaufnahme mit
pflegenden Angehörigen
Kindergarten
* Gesundheitsförderliche Kindergärten und -krippen / Vermittlung von Gesundheitskompetenz in
Kinderbetreuungseinrichtungen
Förderung gesunder Lebensstil, z.B. Tiger Kids
Gesundheitsförderung in Kindergärten v.a. mit hohem
Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund
Schule
* Gesundheitsförderliche Schulen / Vermittlung von Gesundheitskompetenz in
Schulen/Kinderbetreuungseinrichtungen
… mit besonderem Fokus auf psycho-soziale Aspekte
Gesundheitsförderung in Schulen v.a. mit hohem Anteil an SchülerInnen mit Migrationshintergrund
Förderung gesunder Lebensstil, z.B. Methode Kabarett
Gesundheitsförderung in
überbetrieblichen Einrichtungen (Ausbildungsstätten, Internate)
Gesundheitsförderung in Berufsschulen
Aggressionsprävention für
Jugendliche
Betrieb
Gesundheitsförderung für Lehrlinge
* Betriebliche Gesundheitsförderung
Förderung gesunder Lebensstil Alternsgerechtes Arbeiten - Schwerpunkt 50 bis 65 jährige
Gemeinde
* Partizipation: Kinder und Jugendliche * Gesundes Altern
* Förderung der Gesundheitskompetenz von gesundheitlich benachteiligten Bevölkerungsgruppen / Schwerpunkte im regionalen Setting abgestimmt umsetzen
Gesundheitsförderliche Gemeinden
Förderung gesunder Lebensstil, z.B. Methode Streetworking
Gesundheitsnachmittage (z.B. in sozialen Einrichtungen, MigrantInnenvereine, AMS)
Angebote für SeniorInnen auf Basis der derzeitigen
Pilotmaßnahmen in Kooperation mit der Uni Salzburg
* fett geschrieben: bereits durch Bundesstrategie festgelegte priorisierte Schwerpunkte
Geburt 0-3 Jahre
Kindheit 4-10 Jahre
Jugend 11-20 Jahre
Erwachsene 21-55 Jahre
Erwachsene 55+
Abbildung 4: Strategische Schwerpunkte / Maßnahmen
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5 QUALITÄTSKRITERIEN
Qualitätskriterien sind ein wesentliches Steuerungsinstrument in der Gesundheitsförderung.
Die Orientierung an den Qualitätskriterien
» hilft wirksame Strategien aufzuzeigen und zu fördern
» stärkt Evidenz–geleitete Gesundheitsförderung
» unterstützt einen gezielteren Einsatz begrenzter Ressourcen
» hilft, besser auf den Bedarf der Zielgruppen einzugehen und sie besser zu erreichen
» hilft unwirksame Strategien zu vermeiden
Im Kontext der Gesundheitsförderungsstrategie bietet die Anwendung der anerkannten
Qualitätskriterien für Gesundheitsförderung Nutzen auf drei Ebenen:
» Auf der Ebene der konkreten Projekte und Programme
» Auf der Ebene von Organisationen
» Auf der Policy-Ebene für die Steuerung und Weiterentwicklung der
Gesundheitsförderungsstrategie selbst.
Die Umsetzungsmaßnahmen orientieren sich an folgenden Qualitätskriterien:
1. Positiver, umfassender und dynamischer Gesundheitsbegriff
Gesundheit wird als umfassendes körperliches, geistig-seelisches und soziales Wohlbefinden
berücksichtigt. Gesundheit wird als dynamischer Prozess und als ein immer wieder
herzustellendes Gleichgewicht verstanden, nicht als Zustand. Grundlegende Orientierung ist
das Konzept der Salutogenese.
2. Gesundheitliche Chancengerechtigkeit
Die Gestaltung der Maßnahmen ist auf die Förderung gesundheitlicher
Chancengerechtigkeit, insbesondere auch in Hinblick auf Gender und Diversität,
ausgerichtet. Die Maßnahmen leisten einen Beitrag zur Reduktion gesundheitlicher
Ungleichheiten. Der Erreichbarkeit von und der Wirksamkeit bei sozial benachteiligten
Gruppen wird besonderes Augenmerk gewidmet, insbesondere in Hinblick auf die
Gestaltung von für alle Gruppen zugänglichen Programmen („design for all“). Keinesfalls
dürfen durch Maßnahmen soziale und/oder gesundheitliche Ungleichheiten weiter verstärkt
werden.
3. Ressourcenorientierung und Empowerment
Maßnahmen sind auf die Stärkung persönlicher und sozialer Ressourcen ausgerichtet. Die
Zielgruppen werden zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Lebensweise und zur
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Übernahme von Verantwortung für ihre Gesundheit und gesundheitsförderliche
Lebensbedingungen befähigt, es wird auf ihren Stärken und Ressourcen aufgebaut.
Maßnahmen legen das Augenmerk auf eine systemische statt individualisierende
Perspektive und berücksichtigen daher auch die relevanten Lebenszusammenhänge (z. B.
Familie, soziale Netzwerke, Arbeit) der Zielgruppen. Modelle, die Beteiligung und Mitwirkung
fördern, sollen geprüft werden.
4. Setting- und Determinantenorientierung
Maßnahmen berücksichtigen die vielfältigen Determinanten (Einflussfaktoren) der
Gesundheit und zielen auf die Beeinflussung ausgewählter Determinanten ab. Das Setting /
die Settings bzw. die Strukturen/Politikfelder, in dem / in denen interveniert werden soll,
sind klar definiert und beschrieben.
Es muss dargelegt und begründet werden, auf welchen Handlungsebenen – Individuum,
Gruppe, Organisation, Lebenswelt und Politik/Gesellschaft – Wirkungen erzeugt werden
sollen. Maßnahmen sollen ausgewogen sowohl auf eine Verhaltensänderung, als auch auf
die Veränderung der Verhältnisse im Sinne einer gesundheitsfördernden Gestaltung der
Rahmenbedingungen ausgerichtet sein.
5. Zielgruppenorientierung
Die Zielgruppen von Maßnahmen sind präzise eingegrenzt und die Inhalte und Methodik von
Interventionen speziell auf die Zielgruppe(n) abgestellt. Bedarf, Bedürfnisse und Interessen
der Zielgruppe(n) der Intervention und anderer Anspruchsgruppen (StakeholderInnen)
werden angemessen berücksichtigt.
In Bezug auf zielgruppenspezifische Aspekte sind sozioökonomische Charakteristika (Bildung,
Einkommen etc.) und insbesondere das Geschlecht, das Alter, spezifische
Lebenszyklusphasen (z. B. Schwangerschaft) zu berücksichtigen.
Ein wichtiger Aspekt der Zielgruppenorientierung ist die Sicherstellung der Erreichbarkeit
und des Zugangs aller relevanten Gruppen zu einer Maßnahme. Zugangshürden bei der
Nutzung des Angebots müssen vermieden werden, z. B. durch aufsuchende, begleitende
und/oder nachgehende Arbeit und kostenlose Angebote (niedrigschwellige Arbeitsweise).
6. Partizipation der AkteurInnen des Settings
Die Zielgruppen und EntscheidungsträgerInnen werden systematisch in Bedarfsermittlung,
Planung, Umsetzung und/oder Bewertung des Angebots einbezogen.
7. Vernetzung
Bei der Umsetzung von Maßnahmen wird im Sinne der Ressourcenbündelung und
fachübergreifenden Zusammenarbeit auf Vernetzung mit den anderen relevanten
AkteurInnen (Health in All Policies) im Umfeld geachtet.
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8. Nachhaltigkeit der Veränderungen
Maßnahmen sind auf nachhaltige Veränderungen ausgerichtet. Interventionen initiieren und
fördern Entwicklungsprozesse und beeinflussen damit Strukturen und Prozesse (in den
Settings) über den Projektzeitraum hinaus. Die Nutzung von bestehenden Strukturen für die
Umsetzung von Maßnahmen hat Vorrang vor der Schaffung von neuen Strukturen. Es
bestehen Überlegungen, wie Maßnahmen in eine Regelfinanzierung übergehen können. Im
Rahmen von Projekten werden MultiplikatorInnen und EntscheidungsträgerInnen
systematisch eingebunden und qualifiziert.
9. Dokumentation und Evaluation
Die Maßnahmen werden angemessen dokumentiert und evaluiert.
10. Qualitätsmanagement bzw. Qualitätsentwicklung
Die Maßnahmen müssen durch Qualitätsmanagement bzw. Qualitätsentwicklung im Sinne
eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (Public Health Action Cycle) begleitet
werden.
6 GRUNDSÄTZE FÜR DIE MITTELVERWENDUNG
Bei der Mittelverwendung des Gesundheitsförderungsfonds sind folgende Grundsätze einzuhalten:
1. Inhaltliche Schwerpunktsetzung
Zumindest 66% der Mittel des Gesundheitsförderungsfonds sind verbindlich für die
priorisierten Schwerpunkte gem. Bundesstrategie zu verwenden. Die restlichen Mittel sind
innerhalb des Gesamtrahmens der inhaltlichen Schwerpunkte (siehe Kap. 4) zu verwenden.
2. Orientierung der Umsetzung der Gesundheitsförderungsstrategie an wissenschaftlicher
Erkenntnis und Good-Practice
Die im Rahmen der Gesundheitsförderungsstrategie umgesetzten Maßnahmen sollen auf
Evidenz zur Wirksamkeit beruhen und auf nationalen und/oder international verfügbaren
Good Practice-Modellen aufbauen.
3. Umsetzung des für Gesundheitsförderung wesentlichen Grundsatzes „Health in All
Policies“
Ausgehend vom Wissen über die zentralen Einflussfaktoren auf die Gesundheit braucht es
für die nachhaltige Förderung der Bevölkerungsgesundheit den Einbezug verschiedenster
Politik- und Gesellschaftsbereiche. Bei der Umsetzung der Gesundheitsförderungsstrategie
ist auch auf – über mehrere Settings hinweg - integrierte Maßnahmen Augenmerk zu legen.
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4. Priorität für Maßnahmen, Projekte und Strategien zur Förderung gesundheitlicher
Chancengerechtigkeit
Vor dem Hintergrund des zentralen Anliegens der Förderung gesundheitlicher
Chancengerechtigkeit ist bei der Umsetzung der Gesundheitsförderungsstrategie besonderes
Augenmerk auf die Erreichung, den Einbezug und die Wirksamkeit in Hinblick auf
gesundheitlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu legen. Dabei ist auch in langfristiger
Perspektive auf eine ausgewogene Berücksichtigung der Altersgruppen zu achten.
5. Umsetzung von Qualitätskriterien
Die Mittelverwendung soll einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung der Gesundheitsförderung
leisten. Die festgelegten Qualitätskriterien (siehe Kap. 5) sind daher – insbesondere in
Hinblick auf die Auswahl der zu fördernden Maßnahmen – einzuhalten.
6. Fokus auf Rollout und Weiterentwicklung von bewährten Maßnahmen
Im Sinne einer Stärkung der Gesundheitsförderung sollen die Mittel des
Gesundheitsförderungsfonds mit Fokus auf den qualitativen und quantitativen Ausbau von
bereits – national oder auch international - bewährten Programmen und Maßnahmen gelegt
werden. Bestehende und erfolgreiche Projekte, die regional beschränkt umgesetzt wurden,
sollten verbreitert und in der Finanzierung nachhaltig gesichert werden. In Hinblick auf den
qualitativen Ausbau sollten bestehende Projekte und Maßnahmen in Hinblick auf die
Qualität und Effektivität überprüft und weiterentwickelt werden.
7. Breite Abstimmung der Maßnahmen
Im Sinne einer gesamtstrategischen Vorgehensweise wird eine landesweite Abstimmung der
Maßnahmen unter Berücksichtigung bestehender regionaler Maßnahmen und Erfordernisse
empfohlen.
8. Dokumentation und Evaluation der umgesetzten Maßnahmen
Die Umsetzung der im Rahmen der Gesundheitsförderungsstrategie durchgeführten
Maßnahmen muss – auch im Sinne der Qualitätskriterien (vgl. Kap. 5) – durch
Dokumentation und – eine der Maßnahme angemessene – Evaluation begleitet werden.
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ANHANG
Übersicht über die Formen der Gesundheitsförderung und Prävention und deren Unterschiede
Kuration Sekundär- und
Tertiärprävention
PRIMÄRPRÄVENTION
Gesundheits-förderung
Medizinisch Sozialwissen-
schaftlich
Ziel Krankheiten behandeln
Krankheiten früh erkennen
Krankheitsrisiken reduzieren, die mit äußeren Noxen verbunden sind
Krankheitsrisiken reduzieren, die aus Verhalten resultieren
Ressourcen entwickeln, die an sozialen Bedingungen hängen
Ebene der Intervention
Individuum Individuum Population
Individuum Population Individuum Population
Organisationen, Regionen, Politik
Ziel der Intervention
Heilungs-prozesse
Frühest möglicher Therapiebeginn; Wiederherstellung der Funktionen
Reduktion der Expositionen, Immunisierung
Gesunde Lebensstile entwickeln
Gesunde Arbeits- und Lebensbedingungen
Art der Intervention
Handeln in Therapie und Pflege
Gesunden-untersuchung Screenings
Impfung, Hygiene, Reihenimmunisierung, ArbeitnehmerInnen-Schutz
Health Literacy, Beratung, Info-Kampagnen etc.
Organisations- und Regionalentwicklung, Health in All Policies