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Gesundheitsökonomische Aspekte der Pharmakotherapie älterer Menschen Technische Universität Berlin Pharmakotherapie im Alter: Anspruch und Wirklichkeit Symposium der Paul-Martini-Stiftung Mainz, 15. November 2003 Christian Gericke, Dr. med., MSc (Econ), DTMH Reinhard Busse, Prof. Dr. med., MPH, FFPH Fachgebiet Management im Gesundheitswesen Technische Universität Berlin http://mig.tu-berlin.de

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Gesundheitsökonomische Aspekte der Pharmakotherapie älterer Menschen

Technische Universität Berlin

Pharmakotherapie im Alter: Anspruch und WirklichkeitSymposium der Paul-Martini-StiftungMainz, 15. November 2003

Christian Gericke, Dr. med., MSc (Econ), DTMH Reinhard Busse, Prof. Dr. med., MPH, FFPH

Fachgebiet Management im GesundheitswesenTechnische Universität Berlin

http://mig.tu-berlin.de

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• Demographische Aspekte

• Kostenaspekte

• Nutzenaspekte

• Kosten-Nutzen-Relation bei steigendemLebensalter

• Schlussfolgerungen

Inhalt

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Korrelation zwischen Lebenserwartung im Alter von 65 J. (um 1995) und dem durchschnittlichen Anstieg derLebenserwartung 1970-1995

Source: Jacobzone et al. OECD Economic Studies N°30, 2000

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1910 1950

2001 2050

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Projizierter Zuwachs der älteren Bevölkerung in Deutschland 2001-2050

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35

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> 60 Jahre > 80 Jahre

2001

2050

Source: Eigene Darstellung mit Daten des Statistischen Bundesamtes 2003

% derGesamt-bevölkerung

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Gesundheitsausgaben pro Kopf 1960-2001in Deutschland und den USA in US$ (PPP)

0

1000

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1960

1980

1991

1993

1995

1997

1999

2001

USA

Germany

Source: OECD Health Data Set 2003

… durch Bevölkerungsalterung bedingter Zuwachs an Gesundheitsausgaben in den USA 1940 bis 1990: nur 15%

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16

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1997 1998 1999 2000 2001*

year s

%

public pharmaceutical exp. as a % of public health exp. (GKV)

total pharmac eutical exp. as a % of total health exp.

Pharmaceutical expenditure as % of health expenditure

Ausgaben für Pharmakotherapie steigen schneller als Gesamtgesundheitsausgaben(die wiederum schneller wachsen als Gesamtwirtschaft)

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Gesundheitsökonomische Evaluation

Kosten

Nutzen

• Kosten-Minimierungs-Studien• Kosten-Effektivitäts-Analyse (Lebensjahre)• Kosten-Nutzwert-Analyse (QALY)• Kosten-Nutzen-Analyse (€)

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• Demographische Aspekte

• Kostenaspekte

• Nutzenaspekte

• Kosten-Nutzen-Relation bei steigendemLebensalter

• Schlussfolgerungen

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Die hohen Gesundheitskosten kurz vor dem Todsinken mit dem Sterbealter

• Sterben verursacht in Ländern mit hoch entwickeltenGesundheitssystemen hohe Kosten

• Sterbekosten sinken mit dem Lebensalter:

0

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20

< 60 J. 70 J. > 90 J.

Vergleich zuGleichaltrigenx Faktor

Source: Roos et al 1987, Scitovsky 1994, van Vliet et al 1998, McGrail et al 2000

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Ursachen für das Absinken der Sterbekosten mitsteigendem Lebensalter I

• Sinkende Verweilzeit im Krankenhaus vor dem Tod:

Source: Busse et al. J Epidemiol Community Health 2002

0 10 20 30 40 50

Anzahl KH-

Tage im

letzten

Lebensjahr

55-65 J.

> 85 J.

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Ursachen für das Absinken der Sterbekosten mitsteigendem Lebensalter II

• Anstieg der Gesundheitskosten über gesamte Lebensspanne mitkonsekutiver Verringerung des prozentualen Anteils der Sterbekostenan den Gesamtkosten:

*Nur Krankenhauskosten. Source: Busse et al. J Epidemiol Community Health 2002

0 20 40 60 80 100

Sterbekosten als %

der gesamten

Gesundheitskosten*

20 J.

90 J.

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Prävalenz schwerer Behinderung in Abhängigkeit vom Lebensalter in Frankreichim Zeitraum 1980-1991Source: Jacobzone et al. OECD Economic Studies N°30, 2000

Veränderte Lebensgewohnheiten, medizinischer Fortschrittund bessere Versorgungsqualität können zukünftigeKosten verringern

1980-1991

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Pharmakotherapie13. Jahrhundert

ÖsterreichischeNationalgalerie

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• Demographische Aspekte

• Kostenaspekte

• Nutzenaspekte

• Kosten-Nutzen-Relation bei steigendemLebensalter

• Schlussfolgerungen

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Korrekte Diagnose ist Voraussetzung für effektiveTherapie

Aber - im Alter ist die Diagnosestellung erschwert:

• Krankheiten werden öfter in Frühstadien symptomatisch

• Atypische Krankheitsbilder sind häufig

• Nicht aussagekräftige pathologische Befunde sind häufig

• Symptome sind oft Ausdruck von Multimorbidität und unspezifisch

• Gesundheitsleistungen werden oft erst (zu) spät in Anspruch genommen

Source: Resnick & Marcantonio. Lancet 1997

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• Studienpatienten sind nicht repräsentativ für Erkrankte

Sie sind im Durchschnitt:

JüngerGesünder

Überwiegend männlich

• Großteil der RCTs schließt ältere Menschensystematisch aus

Beispiel NSAID-Studien:

> 65 Jahre: 2%> 75 Jahre: 0,1%

Wirksamkeit (Nutzen) der Pharmakotherapie im Alter ist unzureichend belegt

Source: Rochon et al 1993

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Unterschiede in Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil von Medikamenten im Alter

• Einfachere Behandlungsmöglichkeiten im Alter

• Therapie einzelner Krankheitsbilder führt nicht zurgewohnten Besserung des Allgemeinzustandes

• Geringe Verbesserung mehrerer Organsystem-Dysfunktionen können erhebliche Besserung des AZ bewirken

• Nebenwirkungen sind häufiger: in USA 1-2% aller KH-Einweisungen wegen NW - bei > 65-Jährigen 10-30%!

• Polypharmakotherapie erhöht NW-Risiko

Source: Resnick & Marcantonio. Lancet 1997

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• Demographische Aspekte

• Kostenaspekte

• Nutzenaspekte

• Kosten-Nutzen-Relation beisteigendem Lebensalter

• Schlussfolgerungen

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Auf der einen Seite…

Source: Mark et al. NEJM 1995

steigt die Kosten-Wirksamkeit vieler Medikamente mit demSchweregrad der Erkrankung (→ Lebensalter)

< 40 J.

> 75 J.

(In)offizielleNICE Schwellefür NHSKosten-erstattung

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werden ältere Menschen in Kosten-Nutzwert-Analysen (= Standard) systematisch benachteiligt

QALY – lebensqualitätsgewichtete Lebenserwartung

Ursachen:

• Geringere (fernere) Lebenserwartung

• Höherer Behinderungsgrad

• Mehr Leistungseinschränkung

Auf der anderen Seite…

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Beispiel: National Institute of Clinical Excellence (NICE) - UK

Juvenile idiopathische Arthritis - Etanercept

• Lebenslange Behandlung – 1,7 QALYs Zugewinn• Inkrementelle C/E-Ratio: 16.000 £/QALY

→ Kostenerstattung empfohlen

Senile Makuladegeneration - Verteporfin (PDT)

Inkrementelle C/E-Ratio: £/QALY

→ Kostenerstattung für Patienten mit SCN abgelehnt

SCN = subfoveale choroidale Neovaskularisation

34.0008.5005 Jahre

55.00023.000 2 Jahre

Mit SCNOhne SCNBehandlungs-dauer

WennMakula-degeneration jüngerePatientenbeträfe, würdeVerteporfinauch beiSCN erstattet

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• Demographische Aspekte

• Kostenaspekte

• Nutzenaspekte

• Kosten-Nutzen-Relation bei steigendemLebensalter

• Schlussfolgerungen

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Dringender Bedarf an gesundheitsökonomischerEvaluation von Medikamenten für das höhere

Lebensalter als Basis für evidenzbasiertegesundheitspolitische Entscheidungen

Pharmakoökonomische Evaluation für ältere Menschen istgegenwärtig problematisch

• Sterbekosten: Längsschnitt vs. Querschnittsbetrachtung• Mangelnde Datenlage zu Wirksamkeit (RCT) und Kosten• Ethische Probleme der Nutzenwertung (QALY)

ABER

Marktanteil für Medikamente des höheren Lebensalters istbedeutend (ca. 1/3) und wächst weiter