Gesundheitsrat bericht 1998

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Gerhard Kocher Dr.rer.pol. Wissenschaftlicher Berater Haldenweg 10 A 3074 Muri Tel. 031 952 67 07 Fax 031 952 68 00 [email protected] Arbeitspapier Modelle eines Gesundheitsrats für die Schweiz Erstellt im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit November 1998

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Shows the need for and different types of a Swiss National Health Council. It would treat the most important problems and chances of the health system.

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Gerhard Kocher Dr.rer.pol. Wissenschaftlicher BeraterHaldenweg 10 A3074 MuriTel. 031 952 67 07Fax 031 952 68 [email protected]

Arbeitspapier

Modelle eines Gesundheitsrats für die Schweiz

Erstellt im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit

November 1998

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Inhaltsverzeichnis

0. Zusammenfassung 3

1. Auftrag 4

2. Aehnliche Institutionen im Ausland 4

3. Bisherige Vorstösse in der Schweiz 7

4. Argumente für einen Gesundheitsrat 9

5. Mögliche Alternativen zu einem Gesundheitsrat 13 6. Modelle und Varianten eines Gesundheitsrats 15

7. Auswahl von zwei Varianten 17

8. Variante 1: Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern 18

9. Variante 2: Gesundheitsrat als Wissenschaftergremium 28

10. Vorgehensvorschlag und Aussichten 32

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O. Zusammenfassung

Im Verlauf der letzten Jahrzehnte wurde in der Schweiz ab und zu ein Gesund-heitsrat gefordert. Im Ausland gibt es "Gesundheitsräte" in verschiedenen For-men, die teilweise als Vorbild dienen können.

Die Hauptargumente für einen Gesundheitsrat sind die grossen Probleme im Gesundheitswesen, die Bedeutung der nichtstaatlichen Sektoren, die geteilte Zuständigkeit Bund/Kantone, die mangelnde Koordination und die heute einsei-tig finanziell orientierte Gesundheitspolitik.

Mögliche Alternativen zu einem Gesundheitsrat sind ein "Rat der Weisen", eine Reformkommission und eine Projektgruppe, die ein Gesamtkonzept auszuarbei-ten hätte.

Fünf mögliche Modelle eines Gesundheitsrates werden dargestellt, davon wer-den zwei zur näheren Prüfung empfohlen: Ein Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern und ein Wissenschaftergremium mit 7-9 Mitgliedern.

Diese beiden Möglichkeiten werden ausführlich mit ihren Vor- und Nachteilen dargestellt. Die jährlichen Kosten werden auf 1,3, resp. auf 1 Mio Fr. geschätzt.

Betont wird im Bericht, dass ein Vorstoss zur Schaffung eines Gesundheitsrats sorgfältig geplant werden muss (Projektorganisation). Falls dies geschieht, ist die Realisierung eines Schweizerischen Gesundheitsrats durchaus möglich.

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1. Auftrag

Im Juni 1998 erteilte mir das Bundesamt für Gesundheitswesen (Facheinheit öffentli-che Gesundheit) den Auftrag, ein Arbeitsdokument von 20-40 Seiten zum Thema ei-nes schweizerischen Gesundheitsrates zu verfassen (Vertrag 316.98.6825). Vertrags-beginn war der 15. Juni, Vertragsende der 30. September 1998. Eine vorläufige Fas-sung wurde anfangs September 1998 abgeliefert, die leicht ergänzte definitive Version am 30. November 1998.

2. Aehnliche Institutionen im Ausland

Alle entweder Oekonomie/Sparen/Krankenversicherung oder Sozial-/Präventivmedizin; am ehesten noch beides behandelt der Sachverständigenrat in Deutschland (Mitglieder aber nur Aerzte und Oekonomen).

2.1 Frankreich2.1.1 Haut Comité de la santé publiqueDiese Kommission wurde 1991 geschaffen, sie wird vom Gesundheitsminister präsi-diert. Generaldirektor der Kommission ist der "Directeur général de la santé". Der Kommission gehören 26 Personen an:- Sechs Mitglieder ex officio: directeur général de la santé, directeur des hôpitaux, di-recteur de la Sécurité sociale, directeur de l'Institut national de la santé et de la recherche médicale, directeur de l'Ecole nationale de la santé publique und der directeur de la Caisse nationale de l'assurance maladie des travailleurs salariés.- 20 Mitglieder ad personam, davon etwa 16 Mediziner, ein Apotheker, ein Demograf, ein Oekonom und zwei Krankenhausdirektoren.

Das Generalsekretariat umfasst 11 Personen. Die Kommission tagt jährlich achtmal.Die Kommission erarbeitet im Auftrag der Regierung Vorschläge und Berichte vor al-lem zu Fragen der Public Health. Es soll sich auch mit den Zielen der staatlichen Ge-sundheitspolitik befassen. 1996 publizierte die Kommission eine Liste mit 14 Prioritäten für die französische Gesundheitspolitik.

Seit 1994 wird jährlich ein interessanter Bericht "La santé en France" veröffentlicht. Weitere Publikationen sind ein Dossier mit 25 Merkblättern für lokale Gesundheitsbe-hörden und eine Vierteljahreszeitschrift "Actualité et dossier en santé publique".

2.1.2 La Conférence Nationale de SantéDieses Gremium wurde 1996 im Zusammenhang mit der Kostendämpfung geschaffen. Es trifft sich jährlich einmal zu einer dreitägigen Sitzung, die vom Sekretariat (acht Personen) vorbereitet wird.

Die Konferenz besteht aus rund 76 Mitgliedern, die vom Gesundheitsministerium er-nannt werden:- 36 Personen vertreten die Gesundheitsberufe und Einrichtungen des Gesundheits-wesens: 18 Vertreter der freien Berufe, 18 Vertreter der Krankenhäuser und anderer Einrichtungen.- 26 Mitglieder vertreten die Conférences régionales de santé- 10 weitere Mitglieder aus verschiedenen Bereichen

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- vier Mitglieder vertreten das Gesundheitsministerium.

Die Aufgaben der Konferenz sind Stellungnahmen zum Gesundheitszustand der Be-völkerung und zu den Prioritäten der Gesundheitspolitik; ausserdem Meinungsäusse-rungen zur Kostenübernahme neuer Behandlungsverfahren und -techniken. Nach der jährlichen Konferenz wird ein ausführlicher Bericht veröffentlicht.

2.1.3 Etats généraux de la santéDiese "Landsgemeinde" war Bestandteil des Wahlprogramms von Lionel Jospin und der Sozialistischen Partei bei den Wahlen 1997. Sie soll die "démocratie sanitaire" verwirklichen. Im September 1998 sollen in 10-15 Regionen solche Veranstaltungen durchgeführt werden, im Januar 1999 folgt eine nationale "Landsgemeinde" in Paris. Die Anlässe beruhen auf einem Arbeitsdokument mit neuesten Daten und mit zehn Themen zur Reflexion. Zudem sollen Konsenskonferenzen durchgeführt werden, an der die Bevölkerung direkt zu 15-20 wichtigen Fragen Stellung nehmen kann. Millio-nenfach soll der Fragebogen aufgelegt und verteilt werden.

Auf der Basis dieser Anlässe soll anschliessend ein "Programme national de santé publique" mit einem Zeithorizont von drei bis fünf Jahren ausgearbeitet werden.

2.2 DeutschlandIn Deutschland sind zum Thema dieses Berichts zwei Institutionen von Interesse:

2.2.1 Konzertierte Aktion im GesundheitswesenDieses Regulierungsorgan wurde 1977 durch das "Krankenversicherungs-Kosten-dämpfungsgesetz" (sic!) nach dem Modell der Konzertierten Aktion in der Wirtschafts-politik (seit 1967) geschaffen. Es umfasst rund 80 Mitglieder: Vertreter der gesetzli -chen und der privaten Krankenversicherung, der Aerzte, Zahnärzte, Krankenhausträ-ger, Apotheker, Pharmaindustrie, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Länder und der kommunalen Spitzenverbände. Vorsitzender ist der Gesundheitsminister. Das Gremium tagt jährlich ein- bis zweimal. Ein Vorbereitender Ausschuss plant die Sit -zungen.

Die Konzertierte Aktion soll jährlich- medizinische und wirtschaftliche Orientierungsdaten und- Vorschläge zur Rationalisierung, Erhöhung der Effektivität und Effizienz im Gesund-heitswesenentwickeln.

Die "Orientierungsdaten" betreffen vor allem die jährliche Wachstumsrate für die Kran-kenversicherungs-Prämien, die in Deutschland an das Wirtschaftswachstum (Entwicklung der Gesamtlohnsumme) gebunden ist (Grundsatz der Beitragssatz-Stabilität). In der Schweiz sind weder die Prämien noch die Gesamtausgaben der Krankenversicherer noch die gesamten Gesundheitsausgaben an volkswirtschaftliche Grössen gebunden. Sollte dies einmal geschehen oder sollte es zu einer Globalbudgetierung kommen, könnte die deutsche Konzertierte Aktion als ein mögliches Modell geprüft werden.

Ihre Bedeutung in Deutschland hängt stark vom jeweiligen Gesundheitsminister ab. Generell aber ist sie viel geringer als der Name vermuten lässt. Sie wird von den Be-teiligten eher als Ritual empfunden; auch verschiedene wissenschaftliche Analysen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die wichtigen Entscheide fallen nicht in diesem Gremium. Im Berichtszeitraum 1995 bis 1997 fand eine einzige Sitzung statt.

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2.2.2 Sachverständigenrat der Konzertierten Aktion im GesundheitswesenDieses Expertengremium wurde 1985 vom Gesundheitsminister eingesetzt. Es besteht aus drei bis vier Oekonomieprofessoren (einer davon ist Präsident des Gremiums) und vier Medizinprofessoren, die vom Bundesminister für Gesundheit bestimmt werden. In der Geschäftsstelle des Sachverständigenrats im Gesundheitsministerium arbeiten vier Wissenschafter, vor allem Oekonomen.

Der Rat erstellt Jahres- oder Sondergutachten (bisher 11) zu unterschiedlichen The-men, welche als Bücher (Nomos-Verlag) publiziert und in Fachkreisen stark beachtet werden.

2.2.3 BundesgesundheitsratSeit 1950 gab es einen mehr fachmedizinisch ausgerichteten Bundesgesundheitsrat mit 80 Mitgliedern. 1993 wurde er durch einen Beschluss der Bundesregierung aufge-löst.

2.3 OesterreichOesterreich hat seit rund 130 Jahren einen Obersten Sanitätsrat. Es ist ein medizi-nisch-wissenschaftliches Organ, das das Gesundheitsministerium in verschiedensten Fragen berät. Der Sanitätsrat wurde 1995 völlig erneuert, weil er überaltert war und weil 35 von 36 Mitgliedern Männer waren. Zudem wurde die berufliche Zusammenset-zung kritisiert. Der Oberste Sanitätsrat besteht nun aus drei Kommissionen: Oberste Sanitätskommission, Medizinisch-wissenschaftliche Kommission und Sozialmedizi-nisch-wissenschaftliche Kommission. In der dritten Kommission sind vertreten: Ar-beitsmedizin, Psychotherapie, Prävention, Geriatrie, Gynäkologie, Pflege, Hebammen, Diätassistenten, Physiotherapeuten und Sozialarbeiter.

2.4 NiederlandeDer "Gezondheitsraad" wurde 1956 als Konsultativorgan für Regierung und Parlament gegründet. Er besteht aus Präsident, zwei Vizepräsidenten und rund 170 weiteren Mitgliedern aus Wissenschaft und Gesundheitswesen. Finanziert wird der Gesundheitsrat gemeinsam durch verschiedene Ministerien. Neben dem Plenum gibt es 9 ständige Kommissionen und etwa 40 Arbeitsgruppen zu verschiedensten Themen.

Der Rat liefert der Regierung jährlich etwa 30 Berichte ab. Er publiziert eine zweimo-natliche Zeitschrift sowie dreimal jährlich einen Newsletter in englischer Sprache. Der Gesundheitsrat hat einen Stab aus 30 vollamtlichen Wissenschaftern sowie rund 30 Personen für die Administration.

Der "Gezondheitsraad" ist bei weitem die grösste aller hier vorgestellten Organisatio-nen.

2.5 ItalienIn Italien gibt es seit 1865 einen Consiglio Superiore di Sanità (CSS). Er besteht aus 50 vom Gesundheitsminister gewählten Mitgliedern (Universitätsdozenten und weitere Fachleute) sowie mehreren Chefbeamten des Gesundheitssystems. Der Gesundheitsrat hat fünf Sektionen, denen verschiedene Fachgebiete zugeteilt sind. Er tagt mindestens sechsmal jährlich; die Sektionen tagen mindestens einmal pro Monat.

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2.6 USADie gescheiterte Gesundheitsreform 1993/4 unter der Leitung von Hillary Clinton sah die Schaffung eines unabhängigen "National Health Board" vor. Es sollte 7 Personen umfassen, die vom US-Präsidenten im Einvernehmen mit dem Senat bestimmt worden wären.

2.7 OregonDer Oregon Health Council besteht aus 9 Mitgliedern, von denen die Mehrheit nicht Vertreter der Leistungserbringer sein dürfen. Gegenwärtig besteht die Mitgliedschaft aus Vertretern einer regionalen Gesundheitsbehörde, einer Gemeindebehörde, der Gesundheitskommission Oregons, einer Privatversicherung, einer privaten Aerzte-gruppe, einer Krankenpflegeschule, eines Gesundheitszentrums und einer HMO. Die Mitglieder werden vom Gouverneur ernannt. Den Präsidenten und den Vizepräsiden-ten wählt der Rat selbst. Gegenwärtig hat er zwei Subkommissionen. Der Rat tritt min-destens vierteljährlich zusammen.

2.8 KanadaKanada hat einen "Conseil Consultatif des Sciences" speziell für das Gesundheitsministerium. Er umfasst 19 Wissenschafter, fast alles Mediziner und Naturwissenschafter und berät das Ministerium vor allem bezüglich Public Health. Die Mitglieder werden vom Gesundheitsministerium ernannt. Generalsekretär ist ein hoher Beamter des Gesundheitsministeriums.

2.9 Neuseeland1992 wurde das "National Health Committee" vom Gesundheitsministerium eingesetzt. Später wurde es "Core Services Committee" genannt. Heute ist sein voller Name "National Advisory Committee on Health and Disability". Seine Hauptaufgaben sind:- Beratung des Ministeriums betr. die medizinischen Leistungen, welche vom staatli-chen Gesundheitsdienst finanziert werden sollen (u.a. Prioritätenfestlegung);- Beratung betr. Gesundheitsfragen allgemein (z.B. Guidelines).Das Komitee muss einen Jahresbericht vorlegen, welcher im Parlament diskutiert wird. Das Komitee besteht aus neun Personen. Präsidentin ist eine unabhängige Beraterin (aus dem Bildungsbereich). Weitere Mitglieder sind zwei Public-Health-Fachleute, zwei Fachfrauen aus dem Pflegebereich, ein Geriater, ein Psychiater, ein Vertreter der Behinderten und ein Jurist.

3. Bisherige Vorstösse in der Schweiz

Die Idee eines "Gesundheitsrats" in irgendeiner Form (zum Teil in Verbindung mit ei-nem Gesamtkonzept des Gesundheitswesens) ist in der Schweiz in den letzten 25 Jahren ab und zu propagiert worden. Die folgende Liste gibt einen Ueberblick, der si -cher unvollständig ist.

1973An einer Tagung der Schweiz. Vereinigung für Zukunftsforschung forderte Gerhard Kocher eine Gesamtkonzeption des schweizerischen Gesundheitswesens. Die Forde-rung wurde mit 56 Ja gegen 9 Nein bei 17 Enthaltungen angenommen.

1976Am 1. Bürgenstock-Symposium des Konkordats der schweizerischen Krankenkassen (die wohl erste "Gipfelkonferenz" im Schweizer Gesundheitswesen) forderten 1976

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die über 100 Teilnehmer ein "gesamtschweizerisches Konzept des Gesundheitswesens", das "unter der Leitung der Sanitätsdirektoren-Konferenz" auszuarbeiten sei.

1977- Am 2. Bürgenstock-Symposium ein Jahr später bekräftigte der Präsident der SDK: "Um diese Politik der kleinen Schritte künftig aber vermehrt auf ein sinnvolles Ganzes zu richten, muss durch unsere Konferenz eine Gesamtkonzeption für das schweizeri-sche Gesundheitswesen erarbeitet werden, eine Gesamtkonzeption, die von einer Mehrheit der im Gesundheitswesen Verantwortlichen getragen und unterstützt wird." (Diese Aussage blieb ohne Folgen.)- Die "Konsultative Kommission für Spitalfragen" empfahl die Prüfung der Schaffung eines Gesundheitsrats (SKI-Schriftenreihe Band 4, zit. in "Optimierung der Medizin in der Schweiz", S. 45)

19801980 schlug Gerhard Kocher in einem Beitrag des Buches "Patient: Gesundheitswe-sen" (Jahrbuch 1980 der Neuen Helvetischen Gesellschaft) eine Gesamtkonzeption des schweizerischen Gesundheitswesens vor. Auf keinem anderen Sektor sei ein Ge-samtkonzept so nötig wie auf dem Gesundheitssektor.

1981Die Schaffung einer "Eidgenössischen Kommission für die Krankenversicherung" wurde in der Botschaft und im Gesetzesentwurf für die Teilrevision der Krankenversi-cherung (19. August 1981) vorgesehen. Abs. 2 des vorgeschlagenen Artikels lautet: "Die Kommission begutachten zuhanden des Bundesrates Fragen der Durchführung und Weiterentwicklung der Krankenversicherung und damit zusammenhaängende Fragen der Gesundheitspolitik. Der Bundesrat kann ihr weitere Aufgaben übertragen. Sie kann dem Bundesrat von sich aus Anregungen unterbreiten." In ihr sollen laut Ge-setzesentwurf "der Bund, die Kantone und die interessierten Organisationen und In-stitutionen angemessen vertreten" sein. Vorbild war die Eidg. Kommission für die Al-ters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung".

1982/83Das Departement des Innern veranstaltete 1982/83 eine Nationale Sparkonferenz im Gesundheitswesen als Plenum und als Sitzungen von vier Arbeitsgruppen, von denen eine bis 1985 aktiv blieb.

19851985 publizierte Philipp Schenker eine "Oekonomische Analyse der 'Nationalen Spar-konferenz im Gesundheitswesen'". Als Fazit schlägt er ein "Eidgenössisches Gesund-heitsgremium" und einen "Experten-Beirat" (3-5 Personen) vor.

1985Im Bericht "Einzelziele für 'Gesundheit 2000'" der WHO Europa von 1985 ist Ziel Nr. 34 der "Planung und Mittelzuweisung" gewidmet. Darin wird implizit ein Gesamtkonzept und eine Art Gesundheitsrat gefordert.

1985ffIm Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Schweiz. Krankenhausinstitut (später Schweiz. Institut für das Gesundheitswesen, heute Doku-Zentrum Gesundheitswesen) wurde immer wieder die Frage eines Gesamtkonzepts diskutiert.

1986/87

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1986/87 führte das Bundesamt für Sozialversicherung zwei Vernehmlassungen in kleinem Kreis zur Frage der Schaffung einer "Landeskonferenz für das Gesundheitswesen" durch. Als konzertierte Aktion mit 8-10 Mitgliedern sollte diese Institution die erwähnte Nationale Sparkonferenz ablösen. Die Idee einer Landeskonferenz wurde von keinem Vernehmlasser grundsätzlich abgelehnt, wohl aber die vorgesehenen Empfehlungen zu Tarifgestaltung und -abschlüssen. Das Projekt wurde nicht weiterverfolgt.

Ende 80er-JahreEin interkantonales Gesundheitsindikatoren-Projekt (IGPI/Promes) wurde in einem "Groupe de concertation intercantonal sur les objectifs de la politique sanitaire" (GCI) weitergeführt. Es ging von den Westschweizer Kantonen, Bern, Tessin und Zürich aus. Vertreten waren auch das Bundesamt für Gesundheitswesen, die Sanitätsdirektoren-Konferenz und das Schweiz. Institut für das Gesundheitswesen. Ende 1996 wurde das GCI mangels Finanzen aufgelöst.

19951995 setzten das Institut für Gesundheitswesen IfG und die SDK eine gemeinsame Arbeitsgruppe "Institutionen des Gesundheitswesens: Abgrenzung der Arbeitsgebiete und Koordination" ein. Vorgeschlagen wurde die Schaffung einer Diskussions- und Konsensplattform "Forum des schweizerischen Gesundheitswesens". Nach einer Ver-nehmlassung 1996 bei den Kantonen und den übrigen IfG-Mitgliedern wurde dieses Vorhaben aufgegeben (es ging dabei vor allem um die weitere Zukunft des Instituts für Gesundheitswesen IfG; die Ablehnung betraf weniger die Idee eines "Forums").

1997Am 20. Februar 1997 führte das Eidgenössische Departement des Innern eine ganz-tägige "Gipfelkonferenz" im Gesundheitswesen durch. Es folgten mehrere Sitzungen von Arbeitsgruppen zu Einzelthemen.

1997Eine "Arbeitsgruppe Schweizer Gesundheitswesen" veröffentlichte 1997 den Bericht "Aufruf zur Reform". Vorgeschlagen wird u.a. eine Kommission Gesundheitswesen Schweiz, deren Präsident und Mitglieder vom Bundesrat zu ernennen seien.

1998Der Bericht "Prioritäre Gesundheitsbereiche in der Schweiz" (Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich, 1998) beruhte auf Gesprächen mit 21 Exper-tinnen und Experten. Deutlich ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer "umfassenden, kohärenten und zukunftsgerichteten Gesundheitspolitik".

1998Der Bericht "Schweizerische Gesundheitspolitik heute - eine Beurteilung" (Gerhard Kocher/Felix Gutzwiller, 1998) kommt zum Schluss, dass in der Gesundheitspolitik "eine führende Rolle des Bundes notwendig" sei.

1998Ein "Public-Health-Forum" in jedem Kanton propagiert Edmund E. Bürgi in seinem Buch "Die kantonalen Spitalverbände: Gestern - heute - morgen" (Verlag SGGP, Muri, 1998). Eine Umfrage bei rund 60 Versicherern, Spitälern und Politikern ergab eine grosse Zustimmung zur Schaffung einer solchen Institution.

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4. Argumente für einen Gesundheitsrat

4.1 Gesundheitspolitik vor schwierigen AufgabenDas Gesundheitswesen steht vor wichtigen Weichenstellungen. Die Unzufriedenheit mit der herkömmlichen Gesundheitspolitik steigt, ebenfalls das Konfliktpotenzial. Not-wendig sind eine Gesamtsicht, mehr Zukunftsorientierung, Ziel- und Prioritätendiskus-sion, Interessenabwägung und bessere Partnerschaft. Gerade sie gehören zu den Wesensmerkmalen eines Gesundheitsrates.

4.2 Bedeutung der nichtstaatlichen SektorenDie Schweiz hat kein staatliches Gesundheitswesen. Staatliche Regelungen und In-stitutionen decken nur einen Teil des Systems ab, weite Bereiche sind privatwirtschaftlichen Regelungen sowie privaten oder halbprivaten Institutionen vorbehalten (Behandlungseinrichtungen, Berufs- und Fachverbänden, Versicherungen). Ein Gesundheitsrat bietet die Möglichkeit, diese Partner und andere gesellschaftliche Gruppen einzubeziehen.

Bei dieser Gelegenheit muss auf die stark wachsende Bedeutung der Krankenversi-cherer in der Gesundheitspolitik hingewiesen werden. In einer grossangelegten Delphi-Umfrage bei 70 Schweizer Fachleuten aus allen Lagern wurde 1994/95 gefragt:

"Wer wird im Jahr 2005 Hauptträger der Gesundheitspolitik sein?"

Die Antworten: - Kantone und Gemeinden 41,6%- Krankenkassen und Versicherungen 34,7% - Bund 23,7%

Seit dieser Umfrage ist ein zusätzlicher Machtzuwachs der Krankenversicherer festzu-stellen. Eine Gesundheitspolitik ohne direkten Einbezug solcher nichtstaatlicher Grup-pen wäre unrealistisch. Zu vermeiden ist auch, dass solche gesellschaftliche Gruppen mangels genügender Aktivitäten von Bund und Kantonen Funktionen übernehmen, die ihnen allein nicht zustehen.

4.3 Geteilte Zuständigkeit Bund/KantoneEntgegen einer immer noch verbreiteten Falschmeinung liegt das Gesundheitswesen nicht in der "Zuständigkeit der Kantone" (vgl. dazu den Bericht "Schweizerische Ge-sundheitspolitik heute - eine Beurteilung" von Gerhard Kocher und Felix Gutzwiller, BAG, 1998). Der Bund hat wesentliche Kompetenzen, wie die folgende Zusammen-stellung aus dem erwähnten Bericht zeigt:

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Bundes-Kompetenzen im Gesundheitswesen - Krankenversicherung - Unfallversicherung - Invalidenversicherung - Militärversicherung - Aufsicht über Privatversicherer - Umweltschutz - Bekämpfung von Epidemien - Prävention (Teilgebiete) - Förderung Turnen und Sport - Medikamente (wichtige Teilbereiche) - Patientenrechte, Haftung (zum Teil) - Lebensmittelkontrolle - Betäubungsmittel - Giftschutz - Strahlenschutz - Arbeitssicherheit - Arbeitsgesetz - Statistiken - Forschungsförderung - Medizinalprüfungen - Anerkennung gewisser Berufe - Internationale Kontakte - Entwicklungszusammenarbeit - Bundesgericht - Eidg. Versicherungsgericht

Im Gesundheitswesen sind faktisch sowohl der Bund als auch die Kantone für einzelne Bereiche zuständig. In vielen Sektoren herrscht ein Wirrwarr von Kompetenzen. Ohne eine gewisse Koordination kommt es einerseits zu Doppelspurigkeiten und anderseits zu Lücken.

4.4 QuerschnittsaufgabeGesundheitspolitik ist eine Querschnittsaufgabe par excellence; die verschiedenen Sachverstände (Oekonomie, Public Health, klinische Medizin, Pflege, Demografie, Recht, Sozialpolitik, Versicherung, Technik, Kommunikation u.a.) müssen zusammen-geführt werden.

4.5 Keine EinseitigkeitenNicht nur in der Schweiz, sondern international dominieren seit fünf bis zehn Jahren in der Gesundheitspolitik die finanziellen Aspekte und damit zusammenhängend die Fra-gen um die Krankenversicherung. Wegen der Kostenentwicklung ist dies verständlich. Eine rein ökonomische oder versicherungsbezogene Sicht des Gesundheitswesens ist aber einseitig und irreführend; zu kurz kommen Faktoren wie Public Health, nichtökonomische Ziele, ein umfassendes Gesundheitsverständnis und Systemmanagement.

Eine andere, zu korrigierende Einseitigkeit ist der Spitalzentrismus. Gesundheitspolitik ist noch viel zu stark auf Krankenhäuser (und ihre Kosten) konzentriert. Gesundheits-förderung und Prävention, der ambulante und teilstationäre Sektor, Spitex, die Medi-kamentenversorgung, die Zahnmedizin usw. werden in der Gesundheitspolitik oft ver-

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nachlässigt. Diese einseitige Fixierung auf Spitäler ist je länger je weniger zu rechtfer-tigen. Sie kann im Gesundheitsrat korrigiert werden: durch seine Zusammensetzung und seine Themenauswahl.

4.6 Unkoordinierte EinzelbemühungenIm Gesundheitswesen gibt es heute zahllose Instanzen, Kommissionen, Arbeits- und Studiengruppen, die sich gesamtschweizerisch mit den verschiedensten Fragen befassen: KVG, Gesundheitsstatistik, Krankenhausstatistik, Datenaustausch, Datenschutz, Prävention, teure medizinische Massnahmen/Rationierung, Ethik, Grundsatzfragen der Krankenversicherung, neue Versicherungsformen, Spitaltaxmodelle, GRAT, Tarifsysteme und Tarife, Patientenklassifikation, Technologiebewertung, Planung, Aus-, Weiter- und Fortbildung, Fachhochschulen, Beziehungen zur WHO, Qualitätsförderung, um nur einige zu nennen. Ein Gesundheitsrat kann zur Koordination dieser Gremien beitragen, sie unterstützen und bekanntmachen.

4.7 Einfluss auf andere PolitikbereicheSeit langem ist bekannt, dass der Gesundheitszustand der Bevölkerung bei weitem nicht nur vom Gesundheitssystem abhängig ist, sondern von zahlreiche Sektoren und Faktoren ausserhalb der Medizin. Die Gesundheitspolitik muss sich deshalb stärker als bisher in solche Sektoren (wie Umwelt, Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Ernährung, Wohnen, Bildung, Arbeitswelt, Freizeitgestaltung, Sport, Armee) "einmischen", um dort für gesundheitsfördende Verhältnisse zu sorgen.

Eine Gesundheitspolitik, die sich nur auf die Optimierung des Gesundheitssystems oder sogar nur auf die Kurativmedizin beschränkt, greift zu kurz. Sie ist aber heute noch immer vorherrschend. Gesundheitspolitik darf sich nicht nur mit "health care" befassen, sondern mit "health".

Ein angesehener, repräsentativer Gesundheitsrat kann besser auf die anderen Politikfelder einwirken als einzelne Akteure im Gesundheitssystem dies tun können. Er könnte auch ein Promoter von Gesundheitsverträglichkeits-Prüfungen (ähnlich den Umweltverträglichkeits-Prüfungen) sein.

4.8 Beteiligung weiterer KreiseDie Gesundheitspolitik ist durchgehend in fast allen Bereichen und Gremien dominiert von Leistungserbringern, Versicherungen, staatlichen Instanzen und der Wirtschaft. Nicht genügend Mitwirkungsmöglichkeiten haben insbesondere Vertreterinnen und Vertreter von Patienten, Angehörigen, Konsumenten, Versicherten, Medien und der Oeffentlichkeit generell. Auch der Bereich Public Health sowie die Pflegefachleute und das andere nichtärztliche Personal sind in wichtigen Gremien nicht oder ungenügend vertreten.

Der Gesundheitsrat ist sehr geeignet, solchen Interessen Einsitz und Mitsprache zu gewähren und über Forschungsaufträge, Meinungsumfragen, Tagungen, Konsens-konferenzen usw. diese Gesichtspunkte einzubeziehen.

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4.9 Moralische AutoritätWenn sich der Gesundheitsrat bewährt, kann er in verschiedenen Fragen zu einer moralischen Autorität werden, die mehr Gewicht hat als andere Instanzen.

5. Mögliche Alternativen

5.1 Unveränderte WeiterführungEine blosse Weiterführung der bisherigen Gesundheitspolitik mit den gegenwärtigen Strukturen kann keine Lösung sein. Die Gründe dafür sind in verschiedenen Expertenberichten aufgeführt worden und sollen hier nicht wiederholt werden.

5.2 Ausbau bestehender OrganisationenWürde es aber nicht genügen, wichtige Gremien und Aemter weiter auszubauen, wie dies ja in den letzten Jahren fast überall getan wurde und getan wird (BAG, SDK, FMH, H+, KSK, Stiftung für Gesundheitsförderung, MTK usw.)? Diese Entwicklung ist sicher notwendig. Die in Kapital XX geschilderten Funktionen des Gesundheitsrates können aber mit einem blossen Ausbau bestehender Gremien nur zum kleinen Teil abgedeckt werden. Eine blosse Stärkung der einzelnen Partner muss sich nicht in ei-ner besseren Zusammenarbeit auswirken, sondern kann sie sogar verschlechtern.

Keine Alternative wäre es, die Zahl der "ständigen Gäste" bei den Vorstandssitzungen (5-6 jährlich) und den halbjährlichen Plenarversammlungen der Sanitätsdirektoren-Konferenz zu erhöhen (gegenwärtig: BAG, BSV, Oberfeldarzt, SRK): die Gremien würden viel zu gross, sie haben andere Aufgaben, und die Neutralität wäre nicht gegeben.

5.3 "Rat der Weisen"Ein solches Gremium einiger "Weisen", z.B. emeritierter Professoren oder ehemaliger Politiker, ist zwar denkbar, aber für die Hauptfunktionen eines Gesundheitsrats nicht geeignet. Unter anderem fehlt wiederum die direkte Mitwirkung von Entscheidträgern der Gesundheitspolitik. Einige wenige Personen können auch inhaltlich nicht die Breite der gesundheitspolitischen Fragen abdecken. Ein "Rat der Weisen" kann jedoch geeignet sein für Empfehlungen zu einzelnen grundsätzlichen Fragen, könnte also vom Gesundheitsrat fallweise eingesetzt werden.

5.4 ReformkommissionEher erfolgversprechend ist ein Gremium unter der Leitung einer angesehenen Per-sönlichkeit, das von der Gesamtregierung eingesetzt wird und den Auftrag hat, innert z.B. 18 Monaten einen umfassenden Reformplan vorzulegen. Die Niederlande haben mit dem Dekker-Plan und später mit dem Simons-Plan wichtige gesundheitspolitische Reformgrundlagen erhalten. Die Unabhängigkeit eines solchen Gremiums ermöglicht eine neue Sicht und mutige und innovative Empfehlungen.

Ein solcher Bericht wird aber in der Regel vor der Veröffentlichung nicht mit den wich-tigsten Partnern der Gesundheitspolitik abgesprochen. Er ist kein Konsensprodukt, und sein weiteres Schicksal im politischen Prozess ist ungewiss. Er kann verwässert und verzögert werden (Niederlande) oder überhaupt Schiffbruch erleiden. Der Extremfall war die völlig gescheiterte Gesundheitsreform in den USA unter der Leitung von Hillary Clinton und Ira Magaziner (1993) - trotz praktisch unbeschränkter Geldmittel für die Erarbeitung und trotz des Beizugs angesehener Fachleute.

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Solche einmalige Reformberichte können nützlich sein, sie ersetzen aber einen per-manenten Gesundheitsrat nicht. Hingegen kann ein Gesundheitsrat Auftraggeber ei-nes solchen Berichts sein, den er anschliessend als eine Grundlage für seine Beratungen benützt.

5.5 Projektgruppe GesamtkonzeptIn gewissem Sinn eine Alternative zu einem Gesundheitsrat wäre eine Projektgruppe mit dem Auftrag, ein umfassendes Gesamtkonzept oder Leitbild für das schweizerische Gesundheitswesen auszuarbeiten, resp. ausarbeiten zu lassen.

Ein solches Konzept wurde von verschiedenen Fachleuten schon seit über 20 Jahren ab und zu verlangt (z.B. 1976 am 1. Bürgenstock-Symposium des Konkordats der schweizerischen Krankenkassen). Verschiedene Ansätze und Vorarbeiten zu einem Gesamtkonzept für unser Land liegen vor, wie der folgende Kasten ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigt:

Ansätze und Vorarbeiten zu einem Gesamtkonzept

- "Gesundheitsreform in der Schweiz", Hg. Ullrich Hoffmeyer, Verlag NZZ, Zürich, 1994- Charles Kleiber, "Plädoyer für eine Reform des Gesundheitswesens", Verlag Hans Huber, Bern, 1994(Originalausgabe französisch) - "Das schweizerische Gesundheitswesen im Jahr 2005" (Delphi-Umfrage), Carlo Imboden u.a., SGGP, Muri, 1995.- "Aufruf zur Reform", Arbeitsgruppe Schweizer Gesundheitswesen,CGZ, Zürich, 1997.- "Ziele zur Gesundheitspolitik für die Schweiz", Schweiz. Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen, Birkhäuser, Basel, 1997.- "Ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen", X-und Arbeitsgruppe "Medizin fürs Gesundheitswesen", Inselspital, Bern, 1998.- "Prioritäre Gesundheitsbereiche in der Schweiz", Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Zürich, 1998.

Es handelte sich immer um einmalige Publikationen, die beim Erscheinen eine gewisse Beachtung fanden, aber dann mangels Infrastruktur zur weiteren Bearbeitung und Umsetzung kaum Auswirkungen hatten. Die Berichte wären aber nützliche Bausteine für ein Gesamtkonzept.

Unseres Wissens wurden Wünschbarkeit und Machbarkeit einer solchen Gesamtkonzeption für das Gesundheitswesen nie fundiert analysiert. Eine solche Abklärung wäre von grossem Nutzen, damit diese Fragen nicht weiterhin jahrelang ungeklärt bleiben. Inzwischen können auch die Erfahrungen anderer Länder mit solchen umfassenden Konzepten genutzt werden. Insbesondere wäre dafür zu sorgen, dass das Konzept nicht ein einmaliger, folgenloser "Schlussbericht" ist, sondern Teil eines weiterzuführenden Prozesses.

Falls der politische Wille und die Finanzen für eine Gesamtkonzeption des Gesundheitswesens vorhanden sind, wäre der Gesundheitsrat wohl der geeignetste Träger und Begleiter. Dies könnte eine der Hauptfunktionen des Gesundheitsrates werden. Ein Gesamtkonzept sollte aber keineswegs die einzige raison d'être und das einzige Ziel des Gesundheitsrates sein. Die anderen Funktionen sind zu wichtig, als

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dass man sie auf die lange Bank schieben könnte (ein fundiertes Gesamtkonzept hätte einen Zeitbedarf von mindestens drei Jahren).

6. Modelle und Varianten eines Gesundheitsrates für die Schweiz

"Gesundheitsrat" ist ein unbestimmter Begriff. Man kann darunter sehr Verschiedenes verstehen, wie ausländische Modelle zeigen: "Sachverständigenrat", "Konzertierte Ak-tion im Gesundheitswesen", "Bundesgesundheitsrat", "Oberster Sanitätsrat", "Conseil de santé", "Haut comité de la santé", "Etats généraux de la santé", "Consiglio supe-riore di sanità", "Health Council", "National Health Board" u.a.

Prüfenswert für unser Land scheinen mir fünf Modelle:

A. Gesundheitsrat mit Parlamentscharakter ("Gesundheitsforum", "Gesund-heitskonferenz")Denkbar ist ein Gesundheitsrat, der z.B. aus 40 Personen bestehen würde. Er hätte wegen seiner Grösse eher den Charakter eines Parlaments, einer Delegiertenver-sammlung oder eines Forums als den einer Kommission. Der Vorteil besteht darin, dass zahlreiche Kreise in dieses Forum einbezogen werden könnten und er eine ge-wisse Repräsentativität beanspruchen könnte.

Wegen verschiedener Nachteile ist dieses Gesundheitsparlament aber abzulehnen. Zum einen muss ein Gesundheitsrat ein Führungsorgan sein, so dass die Zahl der Mitglieder begrenzt sein muss (Arbeitsfähigkeit, Flexibilität, Niveau und Vertraulichkeit der Beratungen).

Ein 40köpfiges Gremium müsste ein engeres Führungsgremium bestimmen; eine Zweiteilung in eine Art "Parlament" und eine "Exekutive" ist aber zu schwerfällig. Zu-dem sollte ein Gesundheitsrat wo immer möglich zu einstimmigen Beschlüssen, resp. Empfehlungen kommen, was bei mehreren Dutzend Mitgliedern wohl selten wäre.

B. Gesundheitsrat mit ausschliesslich Staatsvertretern (Bund und Kantone)In dieser Variante würde der Gesundheitsrat aus z.B. 7-13 Bundes- und Kantonsver-tretern bestehen.

Diese Variante ist ebenfalls abzulehnen. Eine bessere Koordination dieser zwei staatlichen Ebenen wäre sicher zu begrüssen, kann aber in anderen Formen als in einem Gesundheitsrat erfolgen. Vor allem aber genügt sie nicht: Die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen erstrecken sich nicht über das ganze Gesundheitswesen. Weite Bereiche sind dem Markt, der Handels- und Gewerbefreiheit und der Privatinitiative vorbehalten. In anderen Sektoren können Bund und Kantone nur Rahmenbedingungen festlegen.

Ebenso wichtig ist der folgende Gesichtspunkt: Im Gesundheitswesen gibt es neben Bund und Kantonen zahlreiche weitere Akteure mit zum Teil grossem Einfluss: Berufs-, Fach- und Interessenverbände, Sozialwerke, Industrie und Handel. Ohne ihre geregelte Mitwirkung ist eine umfassendere Gesundheitspolitik nicht möglich; sie würde lückenhaft bleiben. Die WHO betont ebenfalls immer wieder die Bedeutung der nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) im Gesundheitswesen.

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C. Gesundheitsrat mit 7 MitgliedernEin Gesundheitsrat dieser Grösse könnte z.B. wie folgt zusammengesetzt sein:

Mögliche Zusammensetzung eines Gesundheitsrats mit 7 Mitgliedern- Präsident- Vertreter Bund- Vertreter Kanton (Gesundheitsdirektor)- Vertreter Public Health- Vertreter Aerzteschaft- Vertreter Krankenversicherung- Vertreter Konsumenten/Patienten

PräsidentAm geeignetsten wäre wohl eine angesehene, möglichst unabhängige Persönlichkeit, welche nicht direkt mit einem der verschiedenen Partner assoziiert wird. Es müsste sich um die Wahl einer Person handeln, nicht um die Wahl eines Vertreters einer be-stimmten Gruppe.

Aus diesem Grund sind verschiedene Lösungen denkbar:- Früherer kantonaler Gesundheitsdirektor- Früherer Direktor eines Bundesamts- Ehemaliger National- oder Ständerat- Ehemaliger Manager aus dem Gesundheitsbereich (Krankenhaus, Versicherung, Industrie...)- Wissenschafter (z.B. Public Health, Gesundheitsökonomie, Gesundheitsrecht, Management)- Berater aus dem Gesundheitsbereich.

Falls der Bund das Amt eines "Staatssekretärs für Gesundheit" schafft, käme auch dieser als Präsident des Gesundheitsrates in Frage.

Ob der Direktor des Bundesamts für Gesundheit gleichzeitig Präsident des Gesund-heitsrates sein könnte, wäre abzuklären. Eher dagegen sprechen drei Gründe:- Die gemischte Zuständigkeit Bund/Kantone im Gesundheitswesen;- Die notwendige Betonung der Unabhängigkeit des Präsidenten;- Die Arbeitsbelastung des BAG-Direktors; das Präsidium des Gesundheitsrats in der vorgeschlagenen Form ist kein bloss repräsentatives, sondern ein höchst arbeitsinten-sives Amt.

Mit der Wahl des Vizepräsidenten könnte ein gewisser Ausgleich geschaffen werden (bezüglich Sprachregion, politische Haltung, Beruf...).

D. Gesundheitsrat mit 13 MitgliedernEine mögliche Zusammensetzung dieses grösseren Gesundheitsrats wäre:

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Mögliche Zusammensetzung eines Gesundheitsrats mit 13 Mitgliedern- Präsident - 2 Vertreter des Bundes- 2 Vertreter der Kantone- 1 Vertreter der Schweiz. Gesellschaft für Gesundheitspolitik SGGP (als Dachverband zahlreicher Partner im Gesundheitswesen und unabhängige Organisation)- 1 Vertreter der Public Health (evtl. Schweiz. Gesellschaft für Prävention und Ge-sundheitswesen SGPG)- 1 Gesundheitsökonom* - 1 Vertreter der Aerzteschaft- 1 Vertreter der Krankenversicherung- 1 Vertreter der Konsumenten/Patienten- 1 Vertreter der Krankenpflege- 1 Vertreter des Spitalmanagements

* falls andere Mitglieder des Gesundheitsrats Gesundheitsökonomen sind, könnte die-ser Sitz einem Vertreter einer anderen wissenschaftlichen Disziplin zugeteilt werden, z.B. Ethik, Kommunikation, Gesundheitssoziologie

Präsident: Siehe dazu die Ausführungen bei Variante C.

E. Gesundheitsrat als Gremium von WissenschafternEin Gesundheitsrat kann als "unpolitisches", beratendes Gremium von 7-9 unabhängi-gen Wissenschaftern konzipiert sein. Die Wissenschafter (in der Regel Professoren oder wissenschaftliche Berater aus Beratungsunternehmen) könnten z.B. die folgen-den Disziplinen, resp. Bereiche vertreten:

Vertretene Disziplinen, resp. Fachgebiete- Ethik- Gesundheitsökonomie- (Gesundheits-)Recht/Politikwissenschaft- Klinische Medizin- Management- Pflegeforschung- Public Health- Sozialpolitik- Statistik- Verhaltenswissenschaft/Soziologie

7. Auswahl von zwei Varianten

Am besten geeignet scheint mir die Variante D, also ein Gesundheitsrat mit 13 Mitglie-dern aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens. Prüfenswert ist aber auch ein Gremium von Wissenschaftern (Variante E).

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Warum die Varianten A und B weniger in Frage kommen, ist im betreffenden Kapitel 6 vermerkt.

Ein Gesundheitsrat mit nur sieben Mitgliedern (Variante C) deckt für das komplexe Gesundheitswesen zuwenig Bereiche ab, was auch fachliche Probleme zur Folge hätte (ungenügender Sachverstand in verschiedenen Bereichen). Wichtige Sektoren müssten ausgeschlossen werden, was auch politisch heikel wäre.

Zudem ist ein Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern politisch wohl eher realisierbar, weil weniger Bereiche vom Einsitz ausgeschlossen werden müssen. Seine Empfehlungen hätten mehr Gewicht als die eines zu kleinen, weniger repräsentativen Gremiums. Au-sserdem gibt es bei 13 Mitgliedern mehr Möglichkeiten zur Bildung von Ausschüssen und Delegationen. Der weitere Text bezieht sich deshalb auf die beiden Varianten Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern und Gesundheitsrat als Wissenschaftergremium.

Der folgende Kasten skizziert die jeweiligen Vorteile der beiden Varianten. Die Nach-teile jeder Variante werden in den Kapiteln 8 und 9 dargestellt.

Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern Gesundheitsrat als Gremium von Wissenschaftern

- Repräsentativität - Unabhängigkeit von Einzelinteressen (im Idealfall)- Mitglieder sind Schlüsselpersonen im Gesundheits-wesen

- Niveau der Beratungen und Empfehlungen

- Einbindung politischer Kräfte - Einbezug von Wissenschaft und Forschung- Zusammenführung verschiedenster Partner/Gegner - Funktion als "Rat der Weisen", als "Gewissen"- Teilweise Vorwegnahme politischer Weichen-stellun-gen und Kooperationen

- Interdisziplinarität

- Praxisbezug - Möglicherweise innovative, mutige und auch unpopuläre Empfehlungen

- Breiteres Themenspektrum möglich - Wahrscheinlich politisch leichter realisierbar- Umsetzung der Empfehlungen eher möglich

8. Variante 1: Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern

8.1 Zusammensetzung, Wahl der MitgliederDie beiden Vertreter des Bundes werden durch den Bundesrat, die beiden Kantons-vertreter durch die Sanitätsdirektorenkonferenz gewählt. Wahlbehörde für die übrigen Mitglieder ist der Bundesrat, nach Konsultation der SDK.

Die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten erfolgt durch den Bundesrat, nach Konsultation der SDK.

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8.2 Rechtsform (Text von Christoph A. Zenger)Vorbemerkung: Der folgende Text (kursiv) stammt von Herrn Dr.iur. Christoph A. Zen-ger, Bern; er wurde im Rahmen eines Auftrags für diesen Bericht verfasst.

"Zu Rechtsform und rechtliche Grundlagen für einen Gesundheitsrat

Die folgende Stellungnahme nimmt Bezug auf den Entwurf für ein Arbeitsdokument zum Thema eines schweizerischen Gesundheitsrates von G. Kocher. Sie setzt die in diesem Entwurf enthaltenen Varianten für einen Gesundheitsrat und die Präferenzar-gumente voraus, ohne sich dazu zu äussern. Die rechtlichen Überlegungen haben die Varianten 1 und 2, welche im Entwurf als einzige befürwortet werden, zum Gegen-stand. Sie sind nicht mit dem Anspruch verbunden, die möglichen Rechtsformen und damit verbundene rechtliche Fragen abschliessend und vollständig zu behandeln, sondern sollen zu einer ersten Orientierung dienen und Klärungsbedarf aufzeigen.

8.2 Rechtsform eines Gesundheitsrates mit 13 Mitgliedern (Variante 1) 8.2.1 AllgemeinesIm Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern sollen Bund, Kantone und Verbände vertreten sein. Damit ist das Grundanliegen der Machtbeteiligung aller relevanten Kräfte aufge-nommen, welches das konkordanzdemokratische schweizerische Politiksystem prägt; in dieses System wird mit dem Gesundheitsrat ein neues Element eingefügt. Die ver-fassungsrechtliche Ordnung verlangt allerdings eine Ausscheidung der Verantwortun-gen und Kompetenzen des Bundes, der Kantone und Privater.

Der Wahl der Rechtsform für einen Gesundheitsrat gemäss Variante 1 muss daher aus verfassungsrechtlicher Sicht der Entscheid vorausgehen, ob ein solcher Rat in Formen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts organisiert werden soll. Im er-sten Fall wiederum muss vorweg entschieden werden, ob er eine interkantonale Ein-richtung bilden soll, an welcher sich der Bund und die Verbände im Rahmen der Rechtsordnung beteiligen, oder eine Einrichtung des Bundes, in welche die Kantone und Verbände miteinbezogen werden.

Die Wahl der Form und Trägerschaft (bzw. der rechtlichen Grundlagen) hängt auch von den Funktionen ab, die der Gesundheitsrat mit Bezug auf die aufgelisteten The-men erfüllen soll. Entscheidend ist insbesondere, ob er nur Beratungs- oder auch Ent-scheidungsfunktionen hat. Beratende Funktionen genügen, wenn das Schwergewicht auf der Vermittlung von Sachverstand und der Reflexion liegen soll (normorientierte Verständigung); Entscheidungsfunktionen sind dagegen erforderlich, wenn schwerge-wichig die Bündelung und Vermittlung von Interessen und allenfalls auch die autorita-tive Streitschlichtung anvisiert sind (pragmatische Vermittlung von Interessen oder imperative Streitschlichtung; Beispiel Wettbewerbskommission).

Wichtig ist, dass die Organisationsform, Kompetenzen und Ressourcen mit den Handlungsinstrumenten und Verfahren sowie mit den als legitim anerkannten Begrün-dungen für die Verlautbarungen des Gesundheitsrates zusammenpassen. Falls der Gesundheitsrat über Entscheidungskompetenzen verfügen würde, müsste für die Wahl der Form auch der Gesichtspunkt des Rechtsschutzes einbezogen werden.

8.2.2 Gemeinsame beratende Instanz aufgrund einer Stiftung des PrivatrechtsFür eine gemeinsame Einrichtung von Bund, Kantonen und Verbänden ausserhalb der staatlichen Entscheidstrukturen fällt am ehesten die Form einer privatrechtlichen Stiftung in Betracht. Eine Stiftung lässt sich mit verhältnismässig geringem Aufwand einrichten. Ihre Dotierung kann im Rahmen der Budgetentscheidungen geordnet werden. Die Beteiligung von Bund, Kantonen und Verbänden lässt sich im

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Errichtungsakt verbindlich regeln. Für die Vertreter/-innen des Bundes in einem privatrechtlich getragenen Gesundheitsrat gelten einzelne Bestimmungen der eidgenössischen Verordnung über ausserparlamentarische Kommissionen sowie Leitungsorgane und Vertretungen des Bundes (Kommissionenverordnung) vom 3.6.1996 (SR 172.31; siehe Art. 18 Kommissionenverordnung).

Ein von der Stiftung getragener Gesundheitsrat erhielte eine von der Tagespolitik, die an kurzfristigen Interessen orientiert ist, relativ unabhängige Stellung. Seine Legitima-tion ergäbe sich aus dieser Unabhängigkeit, so dass ihm in erster Linie die Funktion einer Reflexionsinstanz zukäme. Er könnte durch Ansehen und öffentliche Aufmerk-samkeit mittelbar Einfluss auf die Gesundheitspolitik gewinnen.

Andere Formen des Privatrechts liegen weiter entfernt. Personengesellschaften des Privatrechts (z.B. Verein) sind für den Zweck des Gesundheitsrats gemäss Variante 1 wenig praktikabel. Kapitalgesellschaften fallen ausser Betracht, weil kein eigentlicher Betrieb vorgesehen ist und der ideelle Zweck des Gesundheitsrates ihnen nicht ent-sprechen würde.

8.2.3 Gemeinsame beratende Instanz aufgrund eines rechtsgeschäftlichen Konkor-datsAls öffentlich-rechtliche Alternative zur privatrechtlichen Stiftung ist für einen gemein-sam von Bund, Kantonen und evtl. Verbänden getragenen Gesundheitsrat auch ein rechtsgeschäftliches Konkordat denkbar. Es bliebe allerdings zu prüfen, in welcher Form eine Beteiligung des Bundes und Privater an einem solchen Konkordat möglich ist. Das Zustandekommen eines rechtsgeschäftlichen Konkordats ist relativ aufwendig, weil alle Kantone über den Beitritt entscheiden müssen, kann aber doch recht rasch erfolgen, weil in der Regel keine Volksabstimmung und z.T. auch keine Behandlung im Parlament vorgesehen ist. Der Gesundheitsrat ist auch hier auf Bera-tungsfunktionen beschränkt; Entscheidungsfunktionen müssten durch ein unmittelbar rechtsetzendes Konkordat begründet werden (siehe unten).

Der Gesundheitsrat vermöchte auch bei dieser Lösung vor allem dann Autorität und Einfluss auf die Gesundheitspolitik zu erlangen, wenn Gewähr für seine Unabhängig-keit und die Qualität seiner Arbeit bestünde; eine demokratische Legitimation ist nur sehr mittelbar vorhanden. Weil ein solches Konkordat von Fachleuten und Regie-rungsstellen (einschliesslich der Sanitätsdirektorenkonferenz) in eigener Regie ausge-arbeitet würde, bestünde zudem die Gefahr einer verengten Perspektive. Die Legiti-mität der Arbeit des Gesundheitsrats hinge zudem stark davon ab, dass alle Kantone am Konkordat beteiligt sind; weil jeder Kanton austreten kann, ergäbe sich eine pre-käre Lösung.

8.2.4 Gemeinsame beratende und entscheidende Instanz aufgrund eines rechtset-zenden KonkordatsFür einen gemeinsam von den Kantonen und dem Bund getragenen Gesundheitsrat mit Entscheidungskompetenzen, also mit unmittelbarer politischer Funktion, ist im Fall der Konkordatslösung ein rechtsetzendes Konkordat nötig (Beispiel Heilmittelkonkor-dat).

Der Bund kann einem solchen Konkordat nur beitreten, soweit er über parallele Kom-petenzen wie die Kantone verfügt, d.h. wo ihm die Bundesverfassung für einen Aufga-benbereich keine umfassenden, sondern horizontal oder vertikal begrenzte Kompetenzen zuweist, so dass den Kantonen eigene Kompetenzen im Bereich der gleichen Aufgaben verbleiben. Wie weit dies für die oben aufgeführten Themen des Gesundheitsrates zutrifft, bedürfte einer näheren Prüfung. Private Verbände können

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einem rechtsetzenden Konkordat nicht beitreten; das hindert aber nicht, dass das Konkordat Verbandsvertreter im Gesundheitsrat vorsehen kann.

Was mit Bezug auf ein rechtsgeschäftliches Konkordat gesagt wurde, gilt grundsätzlich auch hier. Hinzu kommt, dass das Zustandekommen schwerfälliger ist als dort, weil regelmässig eine parlamentarische Behandlung erfolgen muss; die demokratische Legitimation ist jedoch trotzdem nicht sehr stark, weil in verschiedenen Kantonen auch rechtsetzende Konkordate ohne Beteiligung des Stimmvolks abgschlossen werden können. Der Gewinn an "kantonaler Souveränität" gegenüber einer bundesrechtlichen Regelung wäre überdies gering; so oder so wäre Ver-einheitlichung das Ziel, und im einen wie im andern Fall würde mit dem Gesundheitsrat eine zentrale Instanz geschaffen.

8.2.5 Gemeinsame beratende Instanz aufgrund der BundesgesetzgebungEine weitere Variante besteht darin, dass der Bundesgesetzgeber einen Gesundheits-rat als relativ autonome gemeinsame Beratungsinstanz ausserhalb der staatlichen Entscheidstrukturen einrichtet. Die Rechtsgrundlage ist dann zwar nicht von Bund und Kantonen gemeinsam geschaffen; aber der Rat als Instanz mit eigener Stabsstelle kann durchaus z.B. paritätisch aus Vertreter(inne)n des Bundes, der Kantone und von Verbänden zusammengesetzt sein (Übergang zwischen Milizverwaltung und mittelba-rer Staatsverwaltung).

Dem Gesundheitsrat könnte eine öffentlich-rechtliche Rechtsform sui generis verliehen werden, ähnlich wie z.B. heute der Schweizerischen Hochschulkonferenz, wobei hier aber zusätzlich Private einbezogen sind; allenfalls wäre eine Stiftung des öffentlichen Rechts denkbar. In dieser Form bildet der Gesundheitsrat ein Organ Dritter im Sinn der Kommissionenverordnung (siehe oben 8.2.2).

Die gesetzliche Grundlage müsste in einem Erlass auf Gesetzesstufe geschaffen wer-den; das kann die Schaffung zeitlich aufwendig machen, ergibt aber eine sehr tragfä-hige demokratische Legitimation. Trotzdem würde der Gesundheitsrat über grosse Unabhängigkeit verfügen. Die Kantone hätten die Schaffung (und eventuelle Abschaf-fung) eines Gesundheitsrats bei dieser Variante zwar anders als bei der Konkordatslösung nicht in der Hand, und die faktische Veto-Möglichkeit des einzelnen Kantons entfiele. Aber über die institutionalisierten Instrumente föderalistischer Ent-scheidbeteiligung in der Gesetzgebung hätte die kantonale Sichtweise doch erheblichen Einfluss.

8.2.6 Beratende Instanz als ausserparlamentarische Verwaltungskommission des BundesEin weniger aufwendiges Verfahren zur Einrichtung des Gesundheitsrates reicht aus, wenn dieser in die Form einer ausserparlamentarischen Verwaltungskommission des Bundes gekleidet wird. Verwaltungskommissionen haben beratende und vorbereitende Funktion (Art. 5 Abs. 2 Kommissionenverordnung). Prima vista kann der Gesundheitsrat in dieser Form gestützt auf Art. 52 VwOG durch den Bundesrat oder das Departement des Inneren ohne neue besondere gesetzliche Grundlage ins Leben gerufen werden; das wäre aber zu überprüfen. Der Gesundheitsrat kann hier wie in der vorangehenden Variante mehrheitlich aus Vertreter(inne)n von Kantonen und Verbänden zusammengesetzt sein (Milizstruktur innerhalb der Bundesverwaltung).

Die eidgenössische Kommissionenverordnung regelt solche Kommissionen; sie sieht insbesondere vor, dass die Einsetzungsverfügung, welche Auftrag, Organisation und Verfahren der Kommission im einzelnen regelt, vom Bundesrat oder einer Departe-

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mentsvorsteherin bzw. einem Departementsvorsteher (oder der Bundeskanzlei) aus-geht.

Der Gesundheitsrat würde auch in dieser Variante über eine recht tragfähige demo-kratische Legitimation verfügen. Dem Vorteil der erleichterten Einführung stehen je-doch verstärkte einseitige Einflussmöglichkeiten des Bundes gegenüber; würde über-dies der Stab administrativ dem Departement oder einem Bundesamt unterstellt, so würde das Gewicht klar zuungunsten der Kantone verschoben (selbst wenn der Stab organisatorisch von der Bundesverwaltung getrennt bliebe).

8.2.7 Entscheidende Instanz als ausserparlamentarische Behördenkommission des BundesSchliesslich besteht die Möglichkeit, einen Gesundheitsrat als ausserparlamentarische Behördenkommission des Bundes einzurichten. Dies ist dann erforderlich, wenn der Rat ähnlich wie beispielsweise die Wettbewerbskommission über Entscheidungskompetenzen verfügen soll. Das für Verwaltungskommissionen Gesagte gilt auch hier. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass hier eine besondere gesetzliche Grundlage nötig ist (Art. 5 Abs. 3 Kommissionenverordnung).

Das Verfahren für die Einführung wäre hier ähnlich aufwendig wie für eine bun-desunabhängige besondere Beratungsinstanz (Bst. c oben). Hinzu käme jedoch, dass der Gesundheitsrat hier die Stellung einer eidgenössischen, verstärkten Einflussmög-lichkeiten des Bundes unterworfenen Kommission hätte." (Schluss Text Dr. Zenger)

8.3 Geschäftsstelle des GesundheitsratsVon den einzelnen Mitgliedern des Gesundheitsrates (mit Ausnahme des Präsidenten) dürfen ausser der Teilnahme an den Sitzungen nicht allzugrosse Arbeiten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsrat erwartet werden. Der Erfolg oder Misserfolg des Gesundheitsrates hängt deshalb stark von der Qualität der Geschäftsstelle ab. Personelle Investitionen lohnen sich hier ganz besonders.

Die Geschäftsstelle sollte mindestens bestehen aus:- Geschäftsführer - drei qualifizierten Wissenschaftern- und vier Personen für Sekretariat, Administration und Dokumentation.

Diese personelle Ausstattung liegt sicher an der unteren Grenze. Zu beachten ist aber, dass mit dem jährlichen Budget für Fremdaufträge umfangreiche Arbeiten extern eingekauft werden können. Dies entspricht der Themenvielfalt des Gesundheitsrats besser als die Beschäftigung von acht oder zehn eigenen Wissenschaftern innerhalb der Geschäftsstelle.

Das Angebot an qualifizierten Beratern im Gesundheitswesen ist in den letzten Jahren deutlich grösser geworden, vor allem wegen Umstrukturierungen und Redimensionie-rungen in verschiedenen Institutionen des Gesundheitssektors, aber auch wegen den verschiedenen Nachdiplomstudien im Gesundheitswesen (Public Health, Management im Gesundheitswesen). Man findet heute für mehrmonatige Einsätze leichter Fachleute mit praktischer Führungserfahrung aus den verschiedensten Bereichen. Selbstverständlich kommen auch Experten aus dem Ausland in Frage.

Denkbar ist auch, dass für einzelne Projekte, Abklärungen, Kommissionen usw. des Gesundheitsrats Fachleute aus den Institutionen der 13 Mitglieder freigestellt werden (kostenlos oder gegen Berechnung).

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Als Sitz wäre Bern am geeignetsten. Administrativ und organisatorisch könnte die Ge-schäftsstelle dem Eidg. Departement des Innern unterstellt sein. Die Büros sollten aber ausserhalb des BAG und des BSV (und anderer Partner im Gesundheitswesen) angesiedelt sein.

8.4 Arbeitsweise8 anderthalbtägige Sitzungen pro Jahr. Der Präsident trifft sich zusätzlich mindestens monatlich mit der Geschäftsstelle. Dazu können Sitzungen von Ausschüssen und Delegationen des Gesundheitsrats kommen.

8.5 Funktionen

Hauptfunktionen des Gesundheitsrats1. Gegenseitige Information, Informationsbeschaffung und -auswertung, Diskussion, Willens-, Konsens- und Entscheidbildung.

2. Stellungnahmen, Empfehlungen und Anregungen an staatliche und nichtstaatliche Stellen und an die Oeffentlichkeit. Auch Empfehlungen zu eidgenössischen Abstimmungen sind denkbar.

PS: Möglich, aber heikel und vielleicht nicht geeignet für den Gesundheitsrat sind auch (unverbindliche) Empfehlungen für die Vertragsverhandlungen der Tarifpartner im Gesundheitswesen (z.B. maximale Wachstumsraten für Ausgaben oder Prämien, Sparziele) und für Global- oder Sektoralbudgets. Generell sollte jedoch der Gesundheitsrat nicht direkt in Tarifpolitik und Tarifverhandlungen involviert werden, weil dadurch die anderen, mindestens so wichtigen Ziele in den Hintergrund gedrängt würden und das Klima der Zusammenarbeit im Rat schlechter werden könnte..

3. Koordination und Kooperation, wo dies erwünscht und möglich ist. Sie kann je nach Thema alle Mitglieder des Gesundheitsrats umfassen oder nur einen Teil.

8.6 Themen des Gesundheitsrats8.6.1 PrinzipiellesDer Gesundheitsrat befasst sich mit Grundsatzthemen des Gesundheitswesens und der Gesundheitspolitik (Fragen, Probleme, Chancen und Tendenzen).

Speziell: - Wichtige Themen, die auf gesamtschweizerischer oder nationaler Ebene behandelt werden müssen (die Schweiz ist mehr als die Addition der Kantone)- Wichtige Themen mit mittel- und langfristiger Ausrichtung, die in der täglichen Politik und im Alltagsgeschäft häufig zu kurz kommen- Wichtige Themen, die nicht allein medizinisch, ökonomisch, sozialpolitisch, versicherungsmässig behandelt werden können- Wichtige Themen, für deren Behandlung die rechtliche, politische oder fachliche Kompetenz bestehender Organe nicht ausreicht- Wichtige Themen, die andere Gremien wegen Ueberlastung nicht adäquat behandeln können- Wichtige Themen, die bisher in zuwenig repräsentativ oder "demokratisch" zusammengesetzten Gremien behandelt werden - Wichtige Themen, die andere Gremien nicht mit der notwendigen Neutralität und Unabhängigkeit behandeln können

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- Wichtige Themen, die von einem Spitzengremium mit entsprechender Autorität und Ansehen behandelt werden sollten- Wichtige Themen, für die ein breitabgestützter Konsens notwendig scheint- Wichtige Themen, die bisher von zwei oder mehr unkoordinierten Gremien gleichzeitig behandelt wurden- Wichtige Themen, die teilweise staatlicher Regelung, teilweise den Marktkräften unterliegen,- Wichtige Themen mit geteilter/gemischter Zuständigkeit (Bund - Kantone - Verbände - Markt)- Wichtige Themen mit (noch) unklarer oder ungeregelter Zuständigkeit- Wichtige Themen, für welche die Gesetzgebung in Bund oder Kantonen noch auf sich warten lässt - Wichtige Themen, für die eine rasche Willensbildung, eine Stellungnahme (und eventuell ein Entscheid) nötig ist.

8.6.2 Herkunft der ThemenDie zu behandelnden Themen können aus drei Quellen kommen:- Einige Themen sind so zentral und offensichtlich wie geschaffen für den Gesundheitsrat, dass sie in der Geschäftsordnung namentlich genannt werden können;- andere Themen können dem Gesundheitsrat von aussen vorgeschlagen (aber nicht aufgezwungen) werden (z.B. vom Bund, von Kantonen, vom eidgenössischen Parlament, von Verbänden);- weitere Themen kann der Gesundheitsrat in eigener Kompetenz in seine Beratungen aufnehmen.

8.6.3 ThemenauswahlDer Gesundheitsrat wird sicher mit Themen und Anfragen aller Art überhäuft werden. Er muss deshalb eine durchdachte Policy zur Frage ausarbeiten, welche Themen er in welcher Form behandelt und was nicht zu seinen Aufgaben gehört.

Die Themenvielfalt bedingt eine straffe Prioritätensetzung: eine Klassifikation der Themen/Geschäfte nach- sachlicher Bedeutung- zeitlicher Dringlichkeitsowie danach, ob es ein Dauerthema oder ein Thema ist, das innert einer gewissen Frist abschliessend behandelt werden kann.

Der Gesundheitsrat muss flexibel und rasch auf neue Fragen reagieren können. Abgesehen von wenigen ständigen Themen müssen alle anderen ähnlich wie Projekte behandelt werden, d.h. Zieldefinition, klare Organisation, Terminplan, Zeit- und eventuell Finanzbudget.

8. 7. Verbindlichkeit oder nicht?Soll der Gesundheitsrat iuristische Kompetenzen erhalten? Sollen seine Beschlüsse verbindlich sein? Es gibt zweifellos Argumente, die dafür sprechen, vor allem, dass der Rat ohne die Möglichkeit verbindlicher Beschlüsse ein unverbindliches Dis-kussionsgremium ohne Gewicht werden könnte ("Papiertiger", "schöngeistiger Club", "Schwatzbude", "Debattierclub", "Alibiübung", "Ueberbein"...). Dass diese Gefahr be-steht, kann nicht bestritten werden. Nach dem heutigen Stand der Abklärungen ist aber gleichwohl ein Verzicht auf Verbindlichkeit zu empfehlen.

Dies aus verschiedenen Gründen:

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1) Ein solches Gremium hat von Haus aus schon ein gewisses Gewicht, da es aus Persönlichkeiten mit Format und Einfluss besteht, die von höchster Ebene eingesetzt wurden.

2) Durch die richtige Auswahl der Mitglieder des Gesundheitsrats, des Präsidenten und des Geschäftsführers kann für die Effektivität des Gremiums gesorgt werden.

3) Die Qualität und das Ansehen des Gremiums hängen weitgehend von den Mitgliedern des Gesundheitsrates selbst ab. Sie haben es in der Hand, welche Bedeutung dem Gesundheitsrat in der Oeffentlichkeit zugemessen wird. Es ist anzunehmen, dass die Mitglieder im eigenen Interesse darauf hinwirken werden, dass der Gesundheitsrat ein angesehenes Organ mit Einfluss ist.

4) Auf freiwilliger Basis sind verbindliche Beschlüsse und Uebereinkünfte zu einzelnen Themen möglich (des Gesamtrats oder je nach Thema von mehreren Mitgliedern des Rats). Der Gesundheitsrat kann auch Anstösse zu verbindlichen Regelungen, Verträgen und Gesetzgebungen geben, ohne direkt beteiligt zu sein. Auf diese Weise kann die Institution des Gesundheitsrats indirekt zu verbindlichen Regelungen führen.

5) Ausserdem ist es möglich, dass der Gesundheitsrat in einzelnen Fragen von Externen oder von Mitgliedern des Gesundheitsrats als eine Art Schiedsgericht angefragt wird, dessen Meinungsäusserung als gewichtig, evtl. als verbindlich akzeptiert wird.

6) Der mögliche Ruf nach Verbindlichkeit verkennt wohl die Bedeutung, welche grundsätzliche Meinungsäusserungen eines angesehenen Gremiums auf höchster Ebene auch ohne Rechtskraft haben können: Agenda Setting/Themenführerschaft, Prioritäten setzen, Identifizierung von Chancen und Gefahren, Mängeln und Lücken, Zielformulierung, strategische Ausrichtung, Leitplanken, klärendes Wort, Mahnung, Veto... Solche Stellungnahmen des Gesundheitsrates müssen nicht rechtlich verbindlich sein, um Wirkung zu erzielen.

Uebrigens sind auch die Entscheide der Sanitätsdirektoren-Konferenz für ihre Mitglieder und die Kantone nicht verbindlich, von wenigen Sonderfällen abgesehen.

7) Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Ausstattung des Gesundheitsrats mit Kompetenzen verbindlicher Natur auf verschiedenste Widerstände stossen würde, welche die Einführung dieses neuen Gremiums stark gefährden könnten. Die wenigsten bisherigen Machtträger sind bereit, Kompetenzen abzutreten.

8) Ausserdem würde die Bildung eines Gesundheitsrates mit Regelungskompetenzen durch die notwendigen iuristischen Abklärungen und die gesetzgeberischen Massnahmen verzögert. Da der Gesundheitsrat sich mit ganz verschiedenen Themen befassen muss, wäre keine einfache, generelle Regelung der Rechtsfragen möglich. Mit zahllosen Partnern auf verschiedenen Ebenen müssten Vereinbarungen getroffen werden.

8.8 Mittel und InstrumenteDer Gesundheitsrat kann eine breite Palette von Mitteln und Instrumenten einsetzen:- Diskussionen im Plenum- Interne Ausschüsse und Delegationen- Vom Gesundheitsrat eingesetzte Arbeits- und Projektgruppen oder Task Forces, in der Regel befristet

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- Konsenskonferenzen- Erteilung von Aufträgen, Studien, Gutachten, Meinungsumfragen usw. durch den Gesundheitsrat- Stellungnahmen für die Oeffentlichkeit- Empfehlungen, z.B. an staatliche Stellen, Verbände, Oeffentlichkeit, Medien, Wissenschaft und Forschung- Publikationen, z.B. "Weissbücher", Gesundheitsberichterstattung- Uebernahme des Patronats oder der Trägerschaft von Veranstaltungen, Projekten, Einrichtungen, Ausstellungen, Studiengängen usw.- Schiedsrichterliche Entscheide, Mediation.

8.9 Kosten

Jährlicher Aufwand (Rohbudget): Fr.

- Miete, Sachaufwand 80'000- Präsident 40'000- Sitzungsentschädigung für Mitglieder des Gesundheitsrats 30'000- Löhne und Sozialleistungen Geschäftsstelle 700'000- Verschiedenes 50'000

_______Total 900'000

zusätzlich: Aufträge an Dritte (Gutachten, Forschungen, Literaturrecherchen, Meinungsumfragen u.a.) 400'000

_________

Total inkl. Aufträge an Dritte 1'300'000 =========

8.10 FinanzierungSie müsste wohl gemeinsam von Bund und Kantonen übernommen werden. Eine finanzielle Beteiligung anderer Partner im Gesundheitssystem ist kaum möglich.

8.11 Argumente für einen Gesundheitsrat dieses TypsSiehe Kapitel 8.

8.12 Argumente gegen einen Gesundheitsrat dieses Typsa) Schaffung einer weiteren OrganisationDieser Einwand ist nicht zu bestreiten, zudem wegen der Einführung des Gesundheitsrats wohl kein anderes Gremium aufgelöst werden kann. Der Gesundheitsrat sollte aus Gründen der Unabhängigkeit und Neutralität auch keinem Amt und keiner anderen Organisation angeschlossen werden. Dem Einwand kann entgegengehalten werden, dass der Gesundheitsrat trotz seiner Bedeutung weder personell noch finanziell eine Grossorganisation ist.

b) Unklare FunktionenEs besteht die Gefahr, dass der Gesundheitsrat sich mit allen möglichen Themen be-fasst, die vorher, gleichzeitig oder später in anderen Gremien auch behandelt werden (in denen zudem Mitglieder des Gesundheitsrates auch wieder vertreten sind). Dies kann als unnötige, verwirrende Doppelspurigkeit empfunden werden. Um dieser Ge-

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fahr zu begegnen, muss der Gesundheitsrat nach einem sorgfältigen System der Themen- und Projektauswahl arbeiten.

c) Kosten des GesundheitsratsEin grobes Budget (s. Seite 24) beziffert den Jahresaufwand auf 1,3 Millionen Fr. (inklusive Aufträge an Dritte für 400'000 Fr.). Für ein Organ dieser Bedeutung ist ein solcher Aufwand vertretbar, wie auch der folgende Vergleich zeigt:

Jahresbudget verschiedener Aemter und Organisationen im Gesundheits - wesen:

Mio Fr.- Bundesamt für Gesundheit BAG 56- Bundesamt für Sozialversicherung BSV 36- Verbindung der Schweizer Aerzte FMH 11- H+ Die Spitäler der Schweiz 2,7- Konkordat der schweizerischen Krankenversicherer KSK 15- Schweizer Berufsverband der Krankenschwestern und Krankenpfleger SBK 4,5- Schweiz. Rotes Kreuz SRK 82- Schweiz. Stiftung für Gesundheitsförderung 2,4

PS: Diese Beträge sind nicht durchwegs vergleichbar, sondern zeigen nur Grössenordnungen.

Auch im Verhältnis zu den jährlichen Gesundheitsausgaben unseres Landes (gegenwärtig rund 40 Mrd Fr.) lässt sich diese Investition rechtfertigen. Es ist zudem möglich, dass die Aktivitäten des Gesundheitsrates zu Kosteneinsparungen führen, welche die 1,3 Mio Fr. kompensieren oder weit übertreffen.

d) Keine Wirkung Im Kapitel 8.7 zur Frage der Verbindlichkeit wurde diese Gefahr bereits behandelt. Der Gesundheitsrat ist ein sehr sichtbares Organ, das von allen am Gesundheitswesen Interessierten und den Medien beobachtet wird und unter Erfolgszwang steht. Dass unter diesen Umständen ein gut zusammengesetzter Gesundheitsrat keine nennenswerte Wirkung zustandebringt, ist kaum vorstellbar. Eine laufende Wirkungsanalyse des Gesundheitsrats ist von Anfang an vorzusehen.

e) Undemokratisch, da keine demokratische Wahl Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass der Präsident, der Vizepräsident und die Mitglieder des Gesundheitsrats vom Bundesrat gewählt werden, nach Konsultation der Sanitätsdirektorenkonferenz. Die beiden Vertreter der Kantone werden durch die Sanitätsdirektorenkonferenz bestimmt. Eine breitere demokratische Basis ist unnötig. f) Politisch nicht realisierbarDies ist wohl das wichtigste Argument gegen das Projekt eines Gesundheitsrates die-ses Typs. Tatsächlich ist die Realisierbarkeit auch dann nicht gesichert, wenn ein ausführlicheres Projekt eines Gesundheitsrates vorliegt, das auf umfangreichen Abklärungen beruht. Es wird immer gewisse Widerstände gegen institutionelle Neuerungen geben. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Projekt wird aber auf die möglichen Gegenargumente ausführlich eingehen. Zudem müssen die Promotoren des Gesundheitsrats ein detailliertes Realisierungskonzept mit Terminplan

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vorbereiten, um die politischen Chancen des Projekts zu erhöhen. (Siehe dazu auch Kapitel 10)

Festzuhalten ist auch, dass ein Gesundheitsrat verschiedenen Akteuren zusätzliche Einflussmöglichkeiten verschafft und ihnen deshalb gelegen kommt. Zudem wird kaum ein Akteur die Mitwirkung ablehnen, wenn die Schaffung des Gesundheitsrats einmal feststeht. Jeder will dann auf den fahrenden Zug aufspringen, um nicht Einfluss zu verlieren. In diesem Spitzengremium keinen Sitz zu haben, würde in verschiedenen Organisationen als Zeichen der eigenen Schwäche empfunden.

9. Variante 2: Gesundheitsrat als Wissenschaftergremium

9.1 Zusammensetzung, Wahl der MitgliederWie in Kapitel 6 erwähnt, ist dieser Typ Gesundheitsrat als "unpolitisches", beratendes Gremium von 7-9 unabhängigen Wissenschaftern (in der Regel Professoren oder wissenschaftliche Berater aus Beratungsunternehmen) konzipiert.

Vertretene Disziplinen, resp. Fachgebiete- Ethik- Gesundheitsökonomie- (Gesundheits-)Recht/Politikwissenschaft- Klinische Medizin- Management- Pflegeforschung- Public Health- Sozialpolitik- Soziologie- Verhaltenswissenschaft

9.2 Rechtsform (Autor: Christoph A. Zenger)Vorbemerkung: Der folgende Text (kursiv) stammt von Herrn Dr.iur. Christoph A. Zenger, Bern:

"Für die Variante 2 eines Gesundheitsrates stellen sich aus rechtlicher Sicht wenig Probleme. Als Form dafür ist vor allem die Einsetzung einer ausserparlamentarischen Verwaltungskommission denkbar. Mit Bezug auf diese Form kann auf die Bemerkun-gen zur entsprechenden Form eines Gesundheitsrates mit 13 Mitgliedern verwiesen werden.

Die Kantone wären hier nicht beteiligt, was die Akzeptanz der Verlautbarungen eines solchen Gesundheitsrates bei den Kantonen schmälern kann. Einflussmöglichkeiten von Verbänden sind nicht vorgesehen; im Gegenteil müsste durch die Einsetzungs-verfügung gewährleistet werden, dass ein wissenschaftliches Gremium von Verband-sinteressen möglichst unabhängig bliebe."

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9.3 Sekretariat des GesundheitsratsEs könnte beim Präsidenten des Gesundheitsrats (Universitätsinstitut) angesiedelt sein, eventuell auch beim BAG, beim BSV oder bei der SDK. Notwendig wären wohl nur ein Wissenschafter (evtl. Universitätsassistent) und eine administrative Sekretärin.

9.4 Arbeitsweise- Ein kleines Begleit- oder Unterstützungskomitee wäre notwendig, welches dem Ge-sundheitsrat Themen vorschlägt, den Gesundheitsrat mit Kontakten unterstützt, Auf-träge an Dritte vergibt und die Umsetzung der Empfehlungen fördert. Es könnte aus je 2-3 Vertretern des Bundes und der Kantone bestehen.- Der Gesundheitsrat trifft sich zu etwa 4 ganztägigen Sitzungen pro Jahr. Dazu kom-men Sitzungen von Ausschüssen.

9.5 FunktionenDie Hauptaufgabe dieses Gesundheitsrates ist die Erarbeitung wissenschaftlich fun-dierter Analysen und Empfehlungen. Sie stützen sich auf die Beratungen des Gremi-ums und seiner Ausschüsse sowie auf die Ergebnisse der Aufträge an Dritte.

9.6 Themen des GesundheitsratsDas Spektrum der Themen ist weniger breit als beim Gesundheitsrat mit 13 Mitglie-dern. Nicht geeignet sind zum Beispiel- rein politische Themen, - Themen, die sich nicht für wissenschaftliche Untersuchungen eignen,- Themen, für welche genügend wissenschaftliche Studien vorliegen,- Themen, welche die Eigeninteressen der Wissenschafter tangieren,- Probleme, bei denen es um den Interessenausgleich unter den gesundheitspoliti-schen Partnern geht.

Die zu behandelnden Themen werden in erster Linie von der Begleitgruppe im Einvernehmen mit dem Gesundheitsrat festgelegt. Selbstverständlich können auch der Gesundheitsrat selbst und Dritte Themen vorschlagen.

9.7 Mittel und InstrumenteDenkbar sind- Diskussionen im Plenum- Interne Ausschüsse und Delegationen- Aufträge an Dritte (Studien, Gutachten, Meinungsumfragen usw.), die vom Begleitkomitee erteilt wurden (teilweise auf Antrag des Gesundheitsrates)- Stellungnahmen für die Oeffentlichkeit- Empfehlungen, z.B. an staatliche Stellen, Verbände, Oeffentlichkeit, Medien, Wissenschaft und Forschung- Publikationen, z.B. "Weissbücher", Gesundheitsberichterstattung- Uebernahme des Patronats von Veranstaltungen, Projekten, Einrichtungen, Ausstellungen, Studiengängen usw.

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9.8 Kosten

Jährlicher Aufwand (Rohbudget): Fr.- Miete, Sachaufwand 40'000- Präsident 50'000- Honorare und Spesen für 9 Mitglieder des Gesundheitsrats 280'000- Löhne und Sozialleistungen Geschäftsstelle 200'000- Verschiedenes 30'000

_______Total 600'000

zusätzlich: Aufträge an Dritte (Gutachten, For-schungen, Literaturrecherchen, Meinungsumfragenu.a.), die vom Begleitkomitee erteilt werden 400'000

_______Total inkl. Aufträge an Dritte 1'000'000

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9.9 FinanzierungGemeinsam durch Bund und Kantone (unter der Annahme, dass das Begleitkomitee nur aus Bundes- und Kantonsvertretern besteht).

9.10 Argumente für einen Gesundheitsrat dieses TypsSiehe Kapitel 8.

9.11 Argumente gegen einen Gesundheitsrat dieses Typsa) Schaffung einer weiteren OrganisationDieser Einwand ist nicht zu bestreiten, zudem wegen der Einführung des Gesundheitsrats wohl kein anderes Gremium aufgelöst werden kann. Ihm kann entgegengehalten werden, dass der Gesundheitsrat trotz seiner Bedeutung weder personell noch finanziell eine Grossorganisation ist.

b) Kosten des GesundheitsratsDas obige grobe Budget schätzt den Jahresaufwand auf 1 Million Fr. (inklusive Auf-träge an Dritte für 400'000 Fr.). Wie bei der Variante A ist dies ein vertretbarer Auf-wand, wenn er zu nützlichen Studien und Empfehlungen führt.

Wir verweisen auf Seite 25, wo die Jahresbudgets einiger Organisationen im Gesund-heitswesen zum Vergleich aufgeführt sind.

c) Keine Wirkung Es ist möglich, dass die Stellungnahmen und Empfehlungen eines reinen Wissen-schaftergremiums auf weniger Beachtung stossen als die eines Gremiums mit Ent-scheidträgern aus dem Gesundheitssystem. Diese Gefahr kann aber verringert wer-den, wenn die Begleitgruppe sich aktiv um die Verbreitung und Umsetzung der Er-kenntnisse kümmert.

Viel wird von der zweckmässigen Auswahl der Themen abhängen. Die ausländischen Erfahrungen mit permanenten Gremien von Wissenschaftern deuten darauf hin, dass sie wohl Teilbereiche abdecken können (wie etwa die interessanten

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"Jahresgutachten" des deutschen Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zeigen). Im politischen Prozess bleiben aber solche Gremien eher Aussenseiter. Ihre Empfehlungen sind eine von vielen gesundheitspolitischen Meinungsäusserungen, die man im abgebrühten Politikermilieu selektiv wahrnimmt und auswertet. Mit Hinweisen auf die angebliche oder tatsächliche Weltfremdheit von "Theoretikern" kann die Wirkung eines solchen Gremiums leicht demontiert werden.

Ein Konsens in einem solchen Gremium hat nicht das Gewicht einer Empfehlung eines Gesundheitsrats, in dem die wichtigsten Interessen vertreten sind. Ein Hauptgrund, dass der grossangelegte Reformversuch des amerikanischen Gesundheitswesens unter Hillary Clinton 1994 völlig scheiterte, war die hermetisch abgeschirmte Erarbeitung durch zahllose Wissenschafter und andere Fachleute ohne Rückkopplung mit den Hauptpartnern in der Gesundheitspolitik. Kaum war der über 1'300 Seiten lange Bericht publiziert, wurde er von Interessenvertretern aller Lager aufs heftigste kritisiert und demontiert.

Ebenso wichtig ist die Erkenntnis der Grenzen der Wissenschaft und der Wissen-schafter. Auch die wissenschaftliche Sicht ist nur eine Teilsicht. Für die Mitgestaltung der künftigen Gesundheitspolitik genügt die Sicht einiger Repräsentanten einiger wis-senschaftlicher Disziplinen nicht.

d) Zweifel an der Unabhängigkeit von WissenschafternDas Idealbild vom völlig unabhängigen, nur der Wissenschaft verpflichteten, "wertfreien" Forscher ist auch im Gesundheitswesen weniger verbreitet als früher. Damit ist ein Hauptvorteil dieses Typs eines Gesundheitsrats geringer als vielleicht erhofft wird.

Zudem sind verschiedene der genannten wissenschaftlichen Disziplinen in unserem Land noch wenig entwickelt und etabliert. Sie können nicht auf einen Fundus von schweizerischen Untersuchungen zurückgreifen. Bei weitem nicht alle "Realpolitiker" im Gesundheitssystem sind vom Nutzen wissenschaftlicher Analysen überzeugt.

Zudem: Realistischerweise kommen für diesen Gesundheitsrat nur einige wenige Per-sonen in Frage, die bereits jetzt überbeschäftigt sind und deren politisch/ideologische Haltung im Spektrum Links/Rechts, Markt/Staat, Föderalismus/Bund man kennt. Sie werden deshalb nicht unbedingt als völlig unabhängige Gelehrte wahrgenommen.

e) Vergabe von ForschungsaufträgenEin heikles Problem könnte die Vergabe von Forschungsprojekten und anderen Auf-trägen sein (im Budget sind dafür 400'000 Fr. pro Jahr vorgesehen). Ein grosser Teil davon würde bei der Kleinheit unseres Landes wohl gleich an die 7-10 Wissenschafter in diesem Gremium, resp. an ihre Institute und Mitarbeiter gehen. Dies könnte als "Selbstbedienungsladen" oder als "do-ut-des-Geschäfte" kritisiert werden.

Es wird deshalb vorgeschlagen, dass der Gesundheitsrat wohl Forschungsthemen und auch Forscher vorschlagen kann, dass aber die Begleitgruppe und nicht der Gesundheitsrat über die Vergabe entscheidet.

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10. Vorgehensvorschlag und Aussichten

10.1 VorgehensvorschlagEin sinnvolles Vorgehen könnte sein:

Mögliches Vorgehen

1. Prüfung und Diskussion dieses Berichts im BAG, BSV und im Departement des In-nern.

2. Falls die Idee eines Gesundheitsrates aktiv weiterverfolgt werden soll, müsste man sich möglichst rasch eindeutig für eine der beiden Varianten- Gesundheitsrat mit 13 Mitgliedern oder evtl.- Gesundheitsrat als Wissenschaftergremiumentscheiden.

3. Ausarbeitung- eines ausführlichen Projektbeschriebs- einer Verhandlungsstrategie- eines Argumentariums- eines Vorgehens- und Realisierungskonzepts- eines Informationskonzepts.

4. Abklärungen/Verhandlungen mit Dritten: andere Departemente, Gesamtbundesrat, Sanitätsdirektoren-Konferenz, Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen, politische Parteien, Politikern. Diese Schritte müssten genau geplant und aufeinander abgestimmt sein. Dafür müssen intern oder eventuell extern genügende personelle und finanzielle Kapazitäten vorhanden sein.Denkbar ist auch, dass eine anerkannte externe Persönlichkeit als Projektleiter einge-setzt wird.

10.2 Sorgfältige Planung des VorgehensBetont sei, dass ein Vorstoss für einen Schweizerischen Gesundheitsrat auf jeden Fall sorgfältig geplant und gut organisiert werden muss, um Erfolg zu haben. Dies nicht nur, weil er als Abbau des Föderalismus kritisiert werden könnte (vor allem die Variante mit 13 Mitgliedern, weniger das Wissenschaftergremium), sondern auch wegen des gegenwärtigen Zustandes der Gesundheitspolitik: heftige Interessengegensätze und Konflikte zwischen den Partnern, generelle fachliche, personelle und zeitliche Ueberlastung, kurzfristiges Krisenmanagement sowie Konzentration auf Sparmassnahmen und Personalabbau.

Es braucht bei diesem Reformvorhaben unbedingt eine durchdachte Projektorganisa-tion, mit Unterstützung von höchster Ebene (Departement des Innern, Gesamtbundesrat) und mit flankierenden Massnahmen wie z.B.- Motion

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- Forderungen anderer Organisationen nach einem Gesundheitsrat (Parteien, Interes-sen-, Berufs-, Fachverbände, Wissenschafter...)- Aufnahme der Forderung in Partei- und Wahlprogramme (eidgenössische Wahlen 1999)- Organisation von Fachtagungen- Referate von Präsidenten ausländischer Gesundheitsräte- Informelle Vorabklärungen bei Schlüsselpersonen- Allianzen- Schaffung von "Win-Win-Situationen", Prüfung von "Gegengeschäften"- Schaffung eines günstigen Klimas, Druckaufbau.

10.3 AussichtenWenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, scheint die Realisierung eines Schweizeri-schen Gesundheitsrats durchaus möglich. Die Zeit ist reif für ein Gremium, in dem die verschiedenen Partner gemeinsam konzeptionelle und zukunftsgerichtete Arbeit lei-sten.

Andernfalls wären zwei andere Wege zu prüfen, die bis zu einem gewissen Grad Al-ternativen zu einem Gesundheitsrat sind:- "Reformkommission" (s. Kapitel 5.4)- Gesamtkonzept des schweizerischen Gesundheitswesens (s. Kapitel 5.5).

________________________________________Gerhard Kocher, Haldenweg 10 A, CH-3074 [email protected]

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30.11.1998Gesundheitsrat Bericht 1998.doc