Gewalthemmung in Computerspielen - kog.psychologie.tu ... · | 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg |...

32
| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 1 TeaP 2008 Marburg Gewalthemmung in Computerspielen als Folge des Verhaltens der Versuchsleitung Wolfgang Bösche, TU Darmstadt

Transcript of Gewalthemmung in Computerspielen - kog.psychologie.tu ... · | 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg |...

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 1

TeaP 2008Marburg

Gewalthemmung in Computerspielenals Folge des Verhaltens der Versuchsleitung

Wolfgang Bösche, TU Darmstadt

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 2

Übersicht

� Messung von Gehemmtheit virtueller Handlungen:Leistung in einem Computerspiel (TeaP 2007)Anregende Wirkung von aggressiven Spielinhalten

� Virtuelle Aggressionshandlungen: Furcht/Ekel oder Spaß/Freude?

� Kampfspiele und sozial-kognitive Entwicklung

� Gehemmtheit virtueller Aggressionshandlungen sozial beeinflussbar?

� Experiment: Verhalten der Versuchsleitung und Aggressionsgehemmtheit� Methode

� Ergebnisse (N=74)

� Diskussion

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 3

Gehemmtheit virtueller Handlungen messen

TeaP 2007:

� Leistungsmessungen bei gleich schwierigen ComputerspielenAnnahme: Gehemmtheit führt zu geringerer Leistung(Emotionaler Stroop, Williams et al.; Kill-Rate, Anderson & Morrow)

� Herstellen verschiedener Spielinhalte und –handlungen durch Austausch von Grafiken und Geräuschen

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 4

Anregende Wirkung aggressiver Inhalte

85%

90%

95%

100%

1 2 3 4 5 6 7 8

Spielrunde

Tre

ffe

r

TeaP 2007:

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 5

Medienwirkungstheorien: Virtuelle Gewaltdarstellungen und -handlungen

Erklärungen für die anregende Wirkungvon virtuellen Gewaltinhalten?

� Kampfspiele, rough-and-tumble play (Goldstein)

Positive Emotion/Stimmung (Freude, Spaß, Gemeinsamkeit)

Negative Emotion/Stimmung (Furcht, Ekel, Übelkeit, Mitleid, Wut, Hass, Ärger)

� Assoziationen, Bahnung, Desensitivierung (Anderson)

� moral disengagement theory (Klimmt)

� virtual reality hypotheses (Russel)

� Medien- und Rahmungskompetenz, perceived reality (Rothmund)

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 6

Freude und Spaß beim (virtuellen) Töten?

„Na doch wohl hoffentlich nicht!“

Mögliche Hinweise, dass vielleicht doch Spaß beim virtuellen Töten:� Enorme Beliebtheit gewalthaltiger Computerspiele (Kirsh)

� Verkaufszahlen: Siebenfach höher bei blutigem „Mortal Kombat“ (Goldstein)

� Allgemeiner: Kriegsspielzeug, Cowboy und Indianer, ... (Beneson)

� Ein bei Säugetieren häufiges („beliebtes“) und für die Entwicklung wichtiges Phänomen... Kampfspiele, rough-and-tumble play, play fighting

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 7

Freude und Spaß beim virtuellen Töten!

Unterschiede zum Ernstkampf (Kirsh, 2006):

� Positiver Affekt

� Kooperation und Freiwilligkeit

� Rollenwechsel

� Keine Separierung am Ende

� Verletzungen selten und nicht intendiert

� Für Spielen typische Mimik und Vokalisierung

Pellis & Pellis (1987)

Schmidt & Cohn (2001)

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 8

Kampfspiele und kognitive Entwicklung

In den Kampfspielen scheint nicht nur Kampf geübt zu werden:� Kampfspiel-Deprivationsexperimente (Ratten):� Bewegungsdefizite (Futterkampf, Sex)� Soziale Defizite (übermäßiger Stress bei neuen Kontakten und

Auseinandersetzungen, wenig flexibel beim Problemlösen)� Korrelative Beobachtungen: Soziale Kontrolle der Kampfspiele (Schimpansen)� Spielsignale häufiger bei den Beteiligten, wenn kräftigerer Spielkampf,

größerer Altersunterschied zwischen den Kämpfern und Anwesenheiterwachsener Tiere

� dient dazu, dass Erwachsene den Kampf nicht abbrechen (Flack et al.,2004)� Korrelative Untersuchungen (Menschen): Soziale Kompetenz

�Grundlegend für emotionale, soziale und kognitive Entwicklung(Pellis & Pellis, 2007)

�Unterscheidbarkeit von Spiel (Virtualität) und Ernst (Realität) bei juvenilen Säugetieren möglich

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 9

Gewalthaltige Computerspiele = Kampfspiele?

� Virtuelle Gewalthandlungen als Kampfspiel ohne Schädigungsintention?

�Würde die anregende Wirkung von Gewaltinhalten erklären

� Leistet diese Idee aber auch eine neue Vorhersage?� Soziale Kontrolle der kämpferischen Auseinandersetzungen:

Erfordert Beobachtung und Reaktion auf andere Anwesende

�Das Verhalten anderer Anwesender und der Kontext sollte beeinflussen, wie gehemmt oder ungehemmt die spielerisch-virtuellen Aggressionshandlungen ausfallen

Vergleich der Leistung bei aggressiven und nicht-aggressiven virtuellen Handlungen in einem einfachen Computerspiel unter Variation des Verhaltens der Versuchsleitung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 10

UV Spielhandlung

� Einfaches selbsterstelltes Computerspiel, bei dem mit der Maus auf auftauchende Ziele geklickt werden soll

� Ziele tauchen zufällig an verschiedenen Bildschirmpositionen auf,müssen innerhalb von 1.3 Sekunden angeklickt werden

� Ziel rechtzeitig angeklickt: +1 PunktVerpasstes Ziel: -1 PunktKlick ins Leere: -1 Punkt

� Durch Austauschen oder Vertauschen von Instruktion, Grafiken undGeräuschen werden drei Spielversionen erzeugt:

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 11

Aggressive Spielhandlung

„Behebe die Maulwurfsplage

mit dem Flammenwerfer!!!“

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 12

Aggressive Spielhandlung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 13

Aggressive Spielhandlung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 14

Aggressive Spielhandlung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 15 15

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 16

„Feuer bei den Maulwürfen! Sichere den

Bestand mit Hilfe des Feuerlöschers! “

Nicht-aggressive Spielhandlung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 17

Nicht-aggressive Spielhandlung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 18

Nicht-aggressive Spielhandlung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 19

Nicht-aggressive Spielhandlung

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 20 20

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 21

Neutrale Spielhandlung

„Färbe blaue Rechtecke rot ein! “

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 22 22

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 23

UV Verhalten der Versuchsleitung

� Was regt zum spielerischen Kämpfen an?

� Dominanz, Macht, Kontrolle und Aggression:Geschlechtsstereotypes Verhalten

(Auswahl aus Hyde, 2005):

� W: Zurückhaltendes und freundliches Wesen, Interesse an Klatsch und Tratsch, wenig raumgreifende Körperhaltung, fürsorglich, häufig lächelnd

� M: Sachorientierte Kommunikation, Interesse an Technik, raumgreifende Körperhaltung, eher neutraler Gesichtsausdruck

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 24

Weibliches Verhalten

Schön, dass Du da bist. Hast Du gut hergefunden? Ich heiße ... und werde mit Dir die Untersuchung durchführen. Möchtest Du etwas trinken? (...)

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 25

Männliches Verhalten

Hallo. Ich heiße … und werde mit Dir die wissenschaftliche Untersuchung durchführen.

Nimm Dir Wasser, wenn Du möchtest.

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 26

Versuchsplan

3*2 vollständig faktoriell, ohne Messwiederholung

Faktor Spielhandlung (aggressiv, nicht-aggressiv, neutral)

Faktor Verhalten der Versuchsleitung (weiblich, männlich)

Abhängige Variable: Punkte pro Zielobjekt

Kontrollvariablen:

� Phänotypisches Geschlecht der Versuchsleitung

� Phänotypisches Geschlecht der Versuchsperson

Konstanten:

� Keine habituellen Gewaltspielkonsumenten

� Keine Psychologiestudierenden

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 27

Ablauf

Begrüßung

Lernen einer Wortliste (2 min)

Spielen (6 Minuten)

Lexikalische Verifikationen (2 min)

Spielen (6 Minuten)

Abfrage der Wortliste mit Wiedererkennen (2 min)

Abfrage der Wörter aus der lexik V. (2 min)

Aufklärung und Verabschiedung

[VL ständig im Versuchsraum]

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 28

Ergebnisse (N=74)

Spielrunde ** (p<.01)Handlungsziel n.s. (p=.54)

Verhalten n.s. (p=.32)Handlungsziel X Verhalten * (p<.05)

Verhalten der VLweibl. männl.

Handlungsziel

0.35

0.45

0.55

0.65

0.75

0.85

0.95

1 2 3 4 5 6

Pu

nkt

e p

ro Z

ielo

bje

kt

Spielrunde

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 29

Diskussion

Interaktion von Versuchsleitungsverhalten und Spielhandlung

Aggressive Spielinhalte

� sind nicht per-se „ekelhaft“ oder „abstoßend“

� können als anregendes Kampfspiel verstanden werden

Über Aggression(un)gehemmtheit wird im Kontext entschieden

� Umgehemmtes Gewaltspielen bei fürsorglich-weiblicher Betreuung

� Hemmung bei sachorientiert-männlicher Betreuung

�Was ist der typische Kontext

� in dem Gewaltcomputerspiele konsumiert werden?

� in dem wissenschaftliche Daten erhoben werden?

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 30

Vielen Dank !!!

Anregungen und Unterstützung(in order of appearance)

Rainer Schmidt

Galina Paramei

Michael Frenkel

Antje Frenz

Eva Stockum

Michael Gutjahr

Wolfgang Ellermeier

Kommission zur Verteilung von Frauenfördermitteln im Fachbereich

Humanwissenschaften der TU Darmstadt

Entwicklungsumgebung PAC-DK von Benjamin Maas

http://www.adventure-creator.com/

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 31

Inferenzstatistische Details

Tests der Zwischensubjekteffekte

Maß: MASS_1

Transformierte Variable: Mittel

225.508 1 225.508 1364.780 .000

.166 1 .166 1.007 .320

.206 2 .103 .624 .540

.332 1 .332 2.010 .162

1.656 1 1.656 10.020 .003

1.163 2 .582 3.520 .037

.139 1 .139 .841 .363

.529 2 .265 1.601 .212

.423 2 .212 1.281 .287

.044 1 .044 .269 .606

.583 2 .292 1.765 .182

.443 2 .221 1.340 .271

.044 1 .044 .264 .609

.375 1 .375 2.269 .138

.206 2 .103 .625 .540

.398 2 .199 1.206 .308

8.262 50 .165

QuelleKonstanter Term

stereotyp

spiel

vlphängeschl

vpgeschl

stereotyp * spiel

stereotyp * vlphängeschl

spiel * vlphängeschl

stereotyp * spiel * vlphängeschl

stereotyp * vpgeschl

spiel * vpgeschl

stereotyp * spiel * vpgeschl

vlphängeschl * vpgeschl

stereotyp * vlphängeschl * vpgeschl

spiel * vlphängeschl * vpgeschl

stereotyp * spiel * vlphängeschl * vpgeschl

Fehler

Quadratsumme vom Typ III df

Mittel derQuadrate F Signifikanz

| 5. März 2008 | TeaP 2008, Marburg | TU Darmstadt | Institut für Psychologie | AG Angewandte Kognitionspsychologie | Wolfgang Bösche | 32

Naturalistisches Material und Kontrolle

� Perzeptuelle Konfundierung vs. ökologische Validität

� Konfundierung von Aussehen und Bedeutung unvermeidbar (Horstmann& Bauland, 2006)

Kurzer Exkurs: Visuelle Suche, Asymmetrie zwischen ärgerlichen und fröhlichen Gesichtern (Fotos), anger-superiority effect

(Hansen & Hansen, 1988)

� Vielfach kritisiert aufgrund möglicher Konfundierungen, fehlenden Kontrollen und Alternativerklärungen; Experimentreihen mit Kontrollbedingungen und schematisiertem und thatcherisiertem Material