Gewinnung von Choleragift

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2o. AUGUST 1926 KLtNISCHE WOCHENSCHRIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 34 I569 scherzhaft mal ein Orthopgde bezfiglich der Photographie: ,,Die besten Korrekturen yon Rtickgratverkrfimmungen er- zielt man mit der Photographie." Trotzdem wird man ffir wissenschaftliche Untersuchungen dieser oft recht kompli- zierten Niethoden nicht entraten k6nnen. Ffir die Beurteilung der Erfolge in den Sonderturnkursen genfigen dagegen An- gaben, wie sie sich erstrecken etwa auf die Gesamtk6rper- haltung, die K6rpergr613e, den Brustumfang, die Atemexkur- sion, den Allgemeii1zustand. Bewegt sich ein Kind in dieser Beziehung auf einer ansteigenden Kurve, so k6nnen wit be- ruhigt seii1. Ein solches Nii1d wird wohl auch mit den Sitz- und Allgemeinsch~digungen der Schule leichter fertig werden. Und in dieser Beziehung sind sich Ate Berichterstatter (BLENCKE, SCHEDE, SIMON USW.) einig, dab die Sonderturn- kurse einen vollen Erfolg darstellen. Auch SCHMIDT (Bonn) sah, dab die bei der Einstellung schw~chlichen, blutarmen und marten Kinder bald eine gesunde Gesichtsfarbe zeigten, eine Zunahme ihrer Niuskelkr~tfte aufwiesen und auch geistig einen frischeren Eindruck maehten. SC}tEDE, der in drei Mfinehener Sonderturnkursen bei den Kindern vor I1nd nach dem Nurse naeh den anthropologischen Niethoden yon MARTIN Messungen vornahm, kommt ebenfalls zu sehr er- freulichen Resultaten. In 6 Wochen eine Vermehrung des Brustumfanges z. B. yon 6-- 7 cm. Aus eigner Erfahrung, die ich allerdings aus ~uBeren Grfinden zur Zeit nicht mehr zahlen- m~gig belegen kann, was abet wohl in B~lde yon anderer Seite aus der Cramerschen Klinik geschehen wird, kann ich diese gfinstigen ResiiItate nur best~tigen. Allerdings darf ich auch nicht verschweigen, dab manche yon diesen arm- seligen unterern~thrten Grol3stadtkindern, namentlich wenn auch I1och Erkrankungen des Atmungs- oder Kreislaufap- parates hinzukommen, auch den relativ geringen Anforde- rungen dieser Sonderturnkurse nicht gewachsen waren. Bei diesen Kindern kommt man zun~chst mit einer allgemeinen KrMtigung durch Liegekuren, Land-Seeaufenthalt wohl weiter. Desgleichen wird man eine yon Haus aus maligne Skoliose, die, wie jede Rtickgratverkrfimmung einmal leicht angefangen hat, hie und nimmer durch Sonderturnkurse in ihrem fortschreitenden Verlauf einhalten k6nnen. Aber eli1 muskelkr~ftiges Kind wird natfirlich auch im Kamp~e mit einer schweren Skoliose, in dem ganz andere KrMte eingesetzt werden mtissen, leichter fertig, abgesehen davon, dab ein solches Kind in den Sonderturnkursen stets unter fach~rzt- licher Aufsicht steht I1nd in jedem Augenblick einer ortho- pXdischen Behandlung zugeffihrt werden kann. Die Kosten, welche die Sonderturnkurse verursachen, be- wegen sich in sehr mi~13igen Grenzen, so dab sie auch die ~rmste Stadt- oder Kreisverwaltung noch aufbringen kann, und angesichts der Erfolge wirldich nicht als Yerschwendung bezeichnet werden k6nnen. Letzteres beurteilen, wie dieses dutch NiinisterialerlaB vom I. April 1926 zu erfolgen hat, kanln allerdings nut der, der sich fachm~Big mit diesen Pro- blemen befal3t hat und sich fiber Ziel und Zweck, aber auch fiber die Grenzen der Sonderturnkurse im klaren ist. Dieselben leisten viM, aber nicht alles. Sie stellen ein Provisorium dar. Unser Z~el mug die tfigliche Turnstunde sein, die, wie tiber- haupt das Schulturnen, eine orthop~tdische Veredelung ver- tragen kann (MOHRING). Dai1n erst wird die Schule eii1en Teil der Schuld, mit der sie bei der ganzen k6rperlichen Ent- wicklung des Kindes und auch bei der Entwicklung gewisser Formen der IRfickgratverkrtimmung belastet ist, abgetragen haben. L i t e r a t u r: ]~LENCIKI~, Orthop~dische Sonderturnkurse, Stuttgart 1913. -- E~cI<E, Kongrel3verhandl. d. dtsch, orthop. Ges. 191o, 1922, 1923 mad 1924. -- ELSNER, Zeitschr. f. orthop. Chir. 32. -- SCHANZ, Zeitschr. f. orthop. Chit. IO; 14; 17; 45. -- SCHULTI~ESS,Handbuch der orthopadisehen Chirurgie v. JOACt~IMS- THAI,. Jena: Fischer. KURZE WISSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. GEWINNUNG VON CHOLERAGIFT. Von MARTIN HAHN und JULIUS HIRSCH. Trotz vieler und eingehender Versuche ist die Frage der sicheren Darstellung gr6Berer Mengen eines 16slichen Cholera- toxins, welches die Grundlage ffir eine Anfitoxingewinnung bilden k6nnte, noch immer often. Wir verweisen auf die aus- fiihrliche Publikation yon R. KRAUS und V. K. Ross (Zen- tralbl, f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I, Bd. 45, I9~ aus welcher hervorgeht, dab 16sliche und in kleinen Niengen wirksame Toxine Irfiher yon RANSOM, I~ETSCHNI}fOFF, ROUX, SALIMBENI sowie yon BRAU und DENIER, schlieI31ich yon R. KRAUS und Russ beschrieben wurden. Ganz allgemein kann man sagen, dab diese Gifte entweder nli1r in sehr kleinen Mengen (Collodiums~ckchen- Methode) oder nur aus ~lteren Blulturen (mindestens 5 Tage) und bei Zfichtung auf gew6hnlicher Bouillon oder rein empi- risch zusammengesetzten N~hrb6den ohne besondere Be- achtung der Wachstumsbedingungen und des Stoffwechsels des Choleravibrio gewonnen wurden. Die Studien, welche der eine yon uns (HIRsCH) fiber den Stoffwechsel der Choleravibrionen angestellt hat, insbeson- dere auch fiber ihr Verhalten bei der Anaerobiose, habeI1 uns ermutigt, die Frage des Choleratoxins mit einer sehr giftigen Kultur (Agglutination und Pfeifferscher Versuch positiv) wieder aufzunehmen. Dabei haben wit folgendes feststellen k6nnen : i. Es getingt bei Iraktioniertem Zusatz voi1 geringen Glucosemengen unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer um pH = 8,o schwankenden H-Ionenkonzentration schon in ca. 6--10 Stunden eine maximale Vermehrung der Cholera- vibrionen (2-- 4 Niilharden Keime pro Nubikzentimeter) zu erzielen. 2. Die yon den Bakterien durch Zentrifugieren abgetrennten ui1d dutch Chloroform oder Toluol sterilisierten Fli2ssigkeiten t6ten in I,O o,z 5 ccm bei intraperitonealer Injektion Meer- schweinchen unter akutem Temperatursturz, Atmungs- kr~tmpfen und L~thmungen innerhalb I2---I8 Stunden. Sek- tionsbefund : Exsudate, R6tung und Vergr613erung der Neben- niere, vielfach Hyper~mie des Dfinndarms. Ausstriche steril. 3- 1/2stfindiges Erw~rmen auf 7o ~ vernichtet die Giftwirkung, Filtrieren dutch Berkefeldkerzen schwgcht sie stark ab. 4. Unsere bisher noch vereinzelten Beobachtungen haben ergeben, dab mit untert6dlichen Dosen vorbehandelte Nieer- schweinchen schon nach 7 Tagen eine doppeltt6dliche Dosis vertragen. Weitere Versuche sollen ergeben, ob eine prak- tisch verwertbare Antitoxinproduktion vorliegt. Jedenfalls entspricht die innerhalb ~veniger Stunden im Zusammenhang mit dem rapiden Wachstum erfolgende Gi/tbildung mehr als das bei den Jr~her beschriebenen Giften der Fall war, dem Verhalten, das man ai1f Grund der kli- nischen Eriahrungen und des schnellen Ablaufes der Er- krankung bei einem Choleragift voraussetzen mug. (Aus dem Hygienischen Institut der Universitdit Berlin,) EXPERIMENTALSTUDIEN 0BER DIE ENTSTEHUNG DES AORTENSCHMERZES UND SEINE LEITUNG ZUM ZENTRALNERVENSYSTEM. Von 1/. A. SPIEGEL und S. WASSERMANN. Die widerspruchsvollen Ergebnisse der operativen Be- handlung der Angina pectoris resp. Aortalgie liel3en es ge- boten erscheinen, zun~chst exper~menteI1 zu untersuchen, inwiefern yon der Aorta Schmerzen ausgel6st werden kGnnen

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2o. AUGUST 1926 K L t N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr. 34 I569 scherzhaft mal ein Orthopgde bezfiglich der Photographie: ,,Die besten Korrekturen yon Rtickgratverkrfimmungen er- zielt man mit der Photographie." Trotzdem wird man ffir wissenschaftliche Untersuchungen dieser oft recht kompli- zierten Niethoden nicht entraten k6nnen. Ffir die Beurteilung der Erfolge in den Sonderturnkursen genfigen dagegen An- gaben, wie sie sich erstrecken etwa auf die Gesamtk6rper- haltung, die K6rpergr613e, den Brustumfang, die Atemexkur- sion, den Allgemeii1zustand. Bewegt sich ein Kind in dieser Beziehung auf einer ansteigenden Kurve, so k6nnen wit be- ruhigt seii1. Ein solches Nii1d wird wohl auch mit den Sitz- und Allgemeinsch~digungen der Schule leichter fertig werden. Und in dieser Beziehung sind sich Ate Berichterstatter (BLENCKE, SCHEDE, SIMON USW.) einig, dab die Sonderturn- kurse einen vollen Erfolg darstellen. Auch SCHMIDT (Bonn) sah, dab die bei der Einstellung schw~chlichen, blutarmen und marten Kinder bald eine gesunde Gesichtsfarbe zeigten, eine Zunahme ihrer Niuskelkr~tfte aufwiesen und auch geistig einen frischeren Eindruck maehten. SC}tEDE, der in drei Mfinehener Sonderturnkursen bei den Kindern vor I1nd nach dem Nurse naeh den anthropologischen Niethoden yon MARTIN Messungen vornahm, kommt ebenfalls zu sehr er- freulichen Resultaten. In 6 Wochen eine Vermehrung des Brustumfanges z. B. yon 6 - - 7 cm. Aus eigner Erfahrung, die ich allerdings aus ~uBeren Grfinden zur Zeit nicht mehr zahlen- m~gig belegen kann, was abet wohl in B~lde yon anderer Seite aus der Cramerschen Klinik geschehen wird, kann ich diese gfinstigen ResiiItate nur best~tigen. Allerdings darf ich auch nicht verschweigen, dab manche yon diesen arm- seligen unterern~thrten Grol3stadtkindern, namentlich wenn auch I1och Erkrankungen des Atmungs- oder Kreislaufap- parates hinzukommen, auch den relativ geringen Anforde- rungen dieser Sonderturnkurse nicht gewachsen waren. Bei diesen Kindern kommt man zun~chst mit einer allgemeinen

KrMtigung durch Liegekuren, Land-Seeaufenthalt wohl weiter. Desgleichen wird man eine yon Haus aus maligne Skoliose, die, wie jede Rtickgratverkrfimmung einmal leicht angefangen hat, hie und nimmer durch Sonderturnkurse in ihrem fortschreitenden Verlauf einhalten k6nnen. Aber eli1 muskelkr~ftiges Kind wird natfirlich auch im Kamp~e mit einer schweren Skoliose, in dem ganz andere KrMte eingesetzt werden mtissen, leichter fertig, abgesehen davon, dab ein solches Kind in den Sonderturnkursen stets unter fach~rzt- licher Aufsicht steht I1nd in jedem Augenblick einer ortho- pXdischen Behandlung zugeffihrt werden kann.

Die Kosten, welche die Sonderturnkurse verursachen, be- wegen sich in sehr mi~13igen Grenzen, so dab sie auch die ~rmste Stadt- oder Kreisverwaltung noch aufbringen kann, und angesichts der Erfolge wirldich nicht als Yerschwendung bezeichnet werden k6nnen. Letzteres beurteilen, wie dieses dutch NiinisterialerlaB vom I. April 1926 zu erfolgen hat, kanln allerdings nu t der, der sich fachm~Big mit diesen Pro- blemen befal3t hat und sich fiber Ziel und Zweck, aber auch fiber die Grenzen der Sonderturnkurse im klaren ist. Dieselben leisten viM, aber nicht alles. Sie stellen ein Provisorium dar. Unser Z~el mug die tfigliche Turnstunde sein, die, wie tiber- haupt das Schulturnen, eine orthop~tdische Veredelung ver- tragen kann (MOHRING). Dai1n erst wird die Schule eii1en Teil der Schuld, mit der sie bei der ganzen k6rperlichen Ent- wicklung des Kindes und auch bei der Entwicklung gewisser Formen der IRfickgratverkrtimmung belastet ist, abgetragen haben.

L i t e r a t u r: ]~LENCIKI~, Orthop~dische Sonderturnkurse, Stuttgart 1913. -- E~cI<E, Kongrel3verhandl. d. dtsch, orthop. Ges. 191o, 1922, 1923 mad 1924. -- ELSNER, Zeitschr. f. orthop. Chir. 32. -- SCHANZ, Zeitschr. f. orthop. Chit. IO; 14; 17; 45. -- SCHULTI~ESS, Handbuch der orthopadisehen Chirurgie v. JOACt~IMS- THAI,. Jena: Fischer.

KURZE W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

GEWINNUNG VON CHOLERAGIFT.

Von

MARTIN HAHN und JULIUS HIRSCH.

Trotz vieler und eingehender Versuche ist die Frage der sicheren Darstellung gr6Berer Mengen eines 16slichen Cholera- toxins, welches die Grundlage ffir eine Anfitoxingewinnung bilden k6nnte, noch immer often. Wir verweisen auf die aus- fiihrliche Publikation yon R. KRAUS und V. K. Ross (Zen- tralbl, f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I, Bd. 45, I9~ aus welcher hervorgeht, dab 16sliche und in kleinen Niengen wirksame Toxine Irfiher yon RANSOM, I~ETSCHNI}fOFF, ROUX, SALIMBENI sowie yon BRAU und

DENIER, schlieI31ich yon R . KRAUS und Russ beschrieben wurden. Ganz allgemein kann man sagen, dab diese Gifte entweder nli1r in sehr kleinen Mengen (Collodiums~ckchen- Methode) oder nur aus ~lteren Blulturen (mindestens 5 Tage) und bei Zfichtung auf gew6hnlicher Bouillon oder rein empi- risch zusammengesetzten N~hrb6den ohne besondere Be- achtung der Wachstumsbedingungen und des Stoffwechsels des Choleravibrio gewonnen wurden.

Die Studien, welche der eine yon uns (HIRsCH) fiber den Stoffwechsel der Choleravibrionen angestellt hat, insbeson- dere auch fiber ihr Verhalten bei der Anaerobiose, habeI1 uns ermutigt, die Frage des Choleratoxins mit einer sehr giftigen Kultur (Agglutination und Pfeifferscher Versuch positiv) wieder aufzunehmen. Dabei haben wit folgendes feststellen k6nnen :

i . Es getingt bei Iraktioniertem Zusatz voi1 geringen Glucosemengen unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer um pH = 8,o schwankenden H-Ionenkonzentrat ion schon in ca. 6--10 Stunden eine maximale Vermehrung der Cholera- vibrionen (2-- 4 Niilharden Keime pro Nubikzentimeter) zu erzielen.

2. Die yon den Bakterien durch Zentrifugieren abgetrennten ui1d dutch Chloroform oder Toluol sterilisierten Fli2ssigkeiten t6ten in I,O o,z 5 ccm bei intraperitonealer Injektion Meer- schweinchen unter akutem Temperatursturz, Atmungs- kr~tmpfen und L~thmungen innerhalb I2---I8 Stunden. Sek- tionsbefund : Exsudate, R6tung und Vergr613erung der Neben- niere, vielfach Hyper~mie des Dfinndarms. Ausstriche steril.

3- 1/2 stfindiges Erw~rmen auf 7o ~ vernichtet die Giftwirkung, Filtrieren dutch Berkefeldkerzen schwgcht sie stark ab.

4. Unsere bisher noch vereinzelten Beobachtungen haben ergeben, dab mit untert6dlichen Dosen vorbehandelte Nieer- schweinchen schon nach 7 Tagen eine doppeltt6dliche Dosis vertragen. Weitere Versuche sollen ergeben, ob eine prak- tisch verwertbare Antitoxinproduktion vorliegt.

Jedenfalls entspricht die innerhalb ~veniger Stunden im Zusammenhang mit dem rapiden Wachstum erfolgende Gi/tbildung mehr als das bei den Jr~her beschriebenen Giften der Fall war, dem Verhalten, das man ai1f Grund der kli- nischen Eriahrungen und des schnellen Ablaufes der Er- krankung bei einem Choleragift voraussetzen mug. (Aus dem Hygienischen Institut der Universitdit Berlin,)

EXPERIMENTALSTUDIEN 0 B E R DIE ENTSTEHUNG DES AORTENSCHMERZES UND SEINE LEITUNG ZUM

ZENTRALNERVENSYSTEM. V o n

1/. A. SPIEGEL und S. WASSERMANN.

Die widerspruchsvollen Ergebnisse der operativen Be- handlung der Angina pectoris resp. Aortalgie liel3en es ge- boten erscheinen, zun~chst exper~menteI1 zu untersuchen, inwiefern yon der Aorta Schmerzen ausgel6st werden kGnnen