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- 1 - Uusa Alt Gillehous Inhaltsverzeichnis Niederhofen in Bliesen in St. Wendel im Saarland ........................................... 2 Die Niederhofer Straße .................................................................................... 2 Das Südwestdeutsche Bauernhaus ................................................................ 2 Abmessungen ................................................................................................... 3 Führung durch das Haus .................................................................................... 4 Eingang und Flur .............................................................................................. 4 Der Kuhstall ...................................................................................................... 4 Die Stube .......................................................................................................... 6 Die Küche ......................................................................................................... 8 Der Keller........................................................................................................ 10 In den ersten Stock hinauf ............................................................................. 11 Das "Verrerscht Zemmer" .............................................................................. 11 Vorratskammer und Haarscht ........................................................................ 12 Das "Medelscht Zemmer" und das "Hennerscht Zemmer" .......................... 12 Ins Dachgeschoß hinauf ................................................................................ 13 Das Haus und seine Bewohner ........................................................................ 14 Die Familie Gillen - Eckert - Kreutz - Hans ...................................................... 17 Die Eigentümer ................................................................................................. 20 Inventarium von 1842 ....................................................................................... 22 Geschichten aus dem Gille-Hous..................................................................... 30 Ein Fremder an der Tür .................................................................................. 30 Die Kanonenkugel .......................................................................................... 30 Blutvergiftung .................................................................................................. 31 Kätt, holl ab ..................................................................................................... 31 De Hogelmann ................................................................................................ 32 Tochter maladd ............................................................................................... 33 Das rote Plisseekleidchen .............................................................................. 33 Die Maul- und Klauenseuche......................................................................... 34 Warum ich mir das alles antue ......................................................................... 34 Aufwand............................................................................................................. 36 Auszeichnungen ................................................................................................ 36 Danksagung ...................................................................................................... 36

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Uusa Alt Gillehous

Inhaltsverzeichnis

Niederhofen in Bliesen in St. Wendel im Saarland ........................................... 2 Die Niederhofer Straße .................................................................................... 2 Das Südwestdeutsche Bauernhaus ................................................................ 2 Abmessungen................................................................................................... 3

Führung durch das Haus .................................................................................... 4 Eingang und Flur .............................................................................................. 4 Der Kuhstall ...................................................................................................... 4 Die Stube .......................................................................................................... 6 Die Küche ......................................................................................................... 8 Der Keller........................................................................................................10 In den ersten Stock hinauf .............................................................................11 Das "Verrerscht Zemmer"..............................................................................11 Vorratskammer und Haarscht........................................................................12 Das "Medelscht Zemmer" und das "Hennerscht Zemmer" ..........................12 Ins Dachgeschoß hinauf ................................................................................13

Das Haus und seine Bewohner........................................................................14 Die Familie Gillen - Eckert - Kreutz - Hans ......................................................17 Die Eigentümer .................................................................................................20 Inventarium von 1842.......................................................................................22 Geschichten aus dem Gille-Hous.....................................................................30

Ein Fremder an der Tür..................................................................................30 Die Kanonenkugel..........................................................................................30 Blutvergiftung..................................................................................................31 Kätt, holl ab .....................................................................................................31 De Hogelmann................................................................................................32 Tochter maladd...............................................................................................33 Das rote Plisseekleidchen..............................................................................33 Die Maul- und Klauenseuche.........................................................................34

Warum ich mir das alles antue .........................................................................34 Aufwand.............................................................................................................36 Auszeichnungen................................................................................................36 Danksagung ......................................................................................................36

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Niederhofen in Bliesen in St. Wendel im Saarland Unweit des Oberlaufs der Blies an einem sanften Hang liegt Niederhofen. Zum ersten Mal in einer Urkunde genannt wird es im Jahre 1358. Im 18. Jahrhun-dert wird es zusammen mit den beiden Dörfern Bliesen und Elmern zu dem gemeinsamen Ort Bliesen zusammengefaßt. Nachdem Bliesen 1974 in die Stadt St. Wendel integriert wurde, erinnert nur noch die Niederhofer Straße an das ehemals unabhängige Dorf. Und natürlich ist es in den Erinnerungen der Menschen erhalten geblieben. Fragt jemand, wo unser Haus steht, dann lautet die Antwort an den Nicht-Einheimischen: "Ei, in Bliesen!" Fragt ein Einheimischer, sagen wir: "Ei, in Nirrahoowe."

Die Niederhofer Straße Kommt man nun aus Richtung St. Wendel nach Bliesen und biegt etwa 300 Me-ter vor der heutigen Kirche nach rechts in die Niederhofer Straße hinunter, dann muß man bedenken, daß dies nicht der eigentliche Verlauf der Straße ist. Diese führte nämlich auf der anderen Seite der Häuser vorbei; sie orientierte sich am Verlauf eines Bächleins, das seinem im Vergleich dazu riesigen Namensvetter schon früher kaum Ehre machte, der Donau. Heute ist die Donau längst in Roh-ren verschwunden; ihr Verlauf - und damit der der alten Straße - läßt sich an-hand der noch vorhandenen Grundstücksgrenzen in etwa erahnen. Bereits vor 1826 wurde der jetzige Strassenverlauf angelegt. Wir sehen also hier immer nur die Rückseite der (alten, vor 1826 gebauten) Häuser; außer un-serem ist das noch das Haus König (früher Raßier) direkt an der Ecke St.Wendeler/Niederhofer Straße. Durch diese Verlegung wurden übrigens auch die beiden beiden Kurven am Fuß des Hanges notwendig, um den ursprüngli-chen Verlauf wieder aufzunehmen. Unser Haus - Niederhofer Straße 12 - ist das sechste von oben auf der rechten Seite.

Das Südwestdeutsche Bauernhaus Häuser werden nach ihrer Bauart in verschiedene Typen eingestuft. Unser Haus gehört zum Typ "Südwestdeutsches Bauernhaus". Es ist die für unsere Region typische Bauform. Das bedeutet, daß das Gros der Bauernhausbauer sich an diese Form gehalten bzw. sich daran orientiert hat. Charakteristisch ist der quer durchs Haus verlaufende Flur, der den Wohnteil von den Stallungen und dem Scheunentrakt trennt.

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Abmessungen Das Haus hat eine Länge von 18 m und eine Breite von 8,50 m. Geht man von den ursprünglichen Maßen des Hauses aus, so handelt es sich bei dem verblie-benen Teil lediglich um den Mittelteil des Hauses. Denn es hatte früher eine Länge von etwa 32 Metern. Auf der Westseite standen über einem Gewölbekel-ler eine weitere Wohnstube im Erdgeschoß und darüber ein Schlafzimmer im ersten Stock. Beide Zimmer hatten jeweils zwei Fenster. Das Satteldach wurde über diesen Zimmern weitergeführt. Am westlichen Giebel, also oberhalb dieser Zimmer, befand sich eine Aussentreppe in den Gewölbekeller, die mit zwei Ei-sentüren schräg abgedeckt war. In der Aussenecke dieses Anbaus hatte ein Backhaus seinen Platz. Dieses Backhaus wurde von innen – also von der Feuer-stelle der Küche – geschürt und auch bestückt. Diese Teile des Hauses wurden 1956 von meinem Vater Johann abgerissen, um Platz für das neuere Wohnhaus zu schaffen. Rechts vom Flur befand sich der Kuhstall, daran angrenzend eine Scheune mit Schaf- und Schweinestall, dann eine zweite Scheune und schließlich noch ein Stall. Außerdem war der zweiten Scheune und dem zweiten Stall noch ein sepa-rat gebautes Stallgebäude vorgelagert. Der zweite Stall und die zweite Scheune wurden bereits etwa 1860 durch Erbtei-lung von den Urgroßeltern des jetzigen Besitzers erworben und um ein unter-halb gelegenes Wohnhaus erweitert. Das separate Stallgebäude ist Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts abgerissen worden. Das gesamte Haus ist und war schon immer zweigeschossig und mit regional-typischen roten Herzziegeln eingedeckt.

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Führung durch das Haus

Eingang und Flur Wir betreten das Haus von der Südseite her (also der heutigen Hinterseite). Die Haustür ist eine Nachbildung der Original-Haustür, wobei in Absprache mit dem Konservatoramt Elemente der alten Tür bei der Nachbildung verwendet wurden. Das Material ist Weichholz. Die Rahmentür hat sechs Füllungen: die un-teren stammen aus der Originaltür, die oberen - aus Glas - entsprechen zwar nicht dem Original, lassen aber dafür Licht einfallen. Die Tür wurde bei der Firma Ames in Tholey hergestellt. Ihre Farbgebung folgt Resten, die wir auf der Anschlagskante gefunden haben. Das Original hatte keine Türzarge, sondern war direkt an die Sandsteingewände angeschlagen. Links und rechts an den Innengewänden befinden sich Löcher, die auf früher vorhandene Querriegel hindeuten. Die ursprüngliche Verriegelung erfolgte früher über ein aufgesetztes Kastenschloß, im Rahmen heutiger Sicherheitsbedürfnisse wurde ein modernes Einsteckschloß eingebaut. Wir stehen jetzt im ehemaligen Flur, der quer durchs Haus führt. Er besteht aus zwei Teilen, dem südlichen, in dem wir jetzt stehen, und dem nördlichen (die Tür zwischen südlichem und nördlichem Teil wurde beim jetzigen Umbau eingesetzt). Der Fußboden des Flurs bestand ursprünglich aus Sandsteinplatten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch schwarz-weiße Steinzeugfliesen von Villeroy & Boch ersetzt wurden. Im Zuge der Renovierungsarbeiten mußte der Unterboden des Flures herausgenommen werden, danach wurde der hintere Teil mit Basaltsteinen gepflastert, der vordere Teil mit Eichendielen ausgelegt. Die Wand auf der rechten Seite ist besonders massiv, denn sie diente als Brand-mauer zwischen dem Wohnteil zur linken und dem Wirtschaftsteil zur rechten. Sie zieht sich vom Boden des Hauses bis hinauf ins Obergeschoß. In ihrer Funktion als Schutzwand des nicht unmittelbar betroffenen Hausteils im Falle eines Feuers hatte sie logischerweise nur wenige Verbindungsöffnungen; eine davon ist der Durchgang vom Flur zum Stall (siehe "Der Kuhstall"). Der vordere Teil der Flurwand auf der linken Seite fehlt heute. Er bestand aus Eichenholz-Fachwerk mit einer Ausmauerung aus Tonsteinen. Um Platz zu gewin-nen, nahmen wir 1985 diese Wand heraus und setzten die Steine fein säuberlich im Freien auf. Als es aber einige Wochen später regnete, schmolzen unsere ver-meintlichen Backsteine wieder zu Lehm, denn sie waren seinerzeit nicht ge-brannt, sondern nur in der Sonne getrocknet worden.

Der Kuhstall Hinter der Wand auf der rechten Seite des Flurs lag früher der Kuhstall; er zog sich über die gesamte Breite des Hauses hin. Er ist in seiner alten Form nicht mehr vorhanden. Lassen Sie mich daher versuchen, sein Aussehen aus meiner Erinnerung heraus zu rekonstruieren.

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Der Eingang hausseitig befand sich rechts und links der neuen Tür, die wir im Flur eingesetzt haben. Er führte in einen Durchgang, der durch den Stall in die Scheune führte und den Stall in zwei Bereiche teilte, die ich - der Systematik hal-ber - den nördlichen und den südlichen Teil nennen möchte. Der Stall lag etwa eine Stufe tiefer als der Wohnteil und die Scheune wiederum eine Stufe tiefer als der Stall. Sein Boden bestand zum Teil aus hochkant gesetz-ten Backsteinen und zum Teil aus eingemauerten Pflastersteinen bzw. gesammel-ten Feldsteinen. Im nördlichen Bereich - also der heutigen Vorderseite des Hauses zu - standen die Kühe. Sie waren angekettet, was ihnen nur geringen Bewegungsraum ließ. Gefüttert wurden sie aus langen Futtertrögen, die an der Wand unter dem Fens-ter standen. Drei bis vier Tiere paßten hier nebeneinander. Im südlichen Bereich fanden sich die restlichen Tiere, Kälber, Rinder und eine Geiß. Die Schweine waren in einem separaten Stall untergebracht. Den Durch-gang zur Scheune begrenzte rechts eine halbhohe Trennwand, "Mittel" genannt. Daneben - an der Wand zur Scheune - stand ein Futtertrog, darüber hing ein lei-terförmiges Holzgebilde schräg an der Wand. Das war der sog. "Räff", in den durch eine Luke in der Scheunenwand - ein sog. "Furrerlaare" - Heu eingefüllt wurde. Wollten die Rinder nun Heu fressen, mußten sie nur den Kopf heben; wollten sie die schwerere oder flüssigere Nahrung aus den Trögen fressen oder Wasser saufen, neigten sie den Kopf nach unten. Kennen Sie den Unterschied zwischen einer Kuh und einem Rind? Ein Rind ist ei-ne Kuh oder ein Stier, die/der sich um ihren/seinen Nachwuchs noch keine Ge-danken gemacht hat. Rechts neben den beiden Rindern war der Pferch für die Kälber. Die Tiere standen also immer mit dem Kopf Richtung Wand, d.h. mit dem Hintern Richtung Raummitte. Das war sehr wichtig, um die anfallenden bzw. herabfallen-den Exkremente loszuwerden. Die fielen geradewegs in eine Rinne und wurden durch eine Tür an der Südseite (dort gibt es heute nur noch ein Fenster) ins Freie zur Dungkaule transportiert. Zwischen diesem zweiten Durchgang ins Freie und der Brandmauer zum Wohnteil hin war ein Pferch für die sog. "Bergmannskuh", die Geis. Eine Person darf nicht vergessen werden, die sich wohl am längsten im Kuhstall aufgehalten hat und nie von alleine dort herauskam. Direkt hinter der Tür durch die Brandmauer stand auf einem kleinen Sims eine kleine Figur unseres lokalen Schutzheiligen für das Vieh: der heilige Wendalinus. Um dem Gebäude eine gewisse Wohnqualität zu geben bzw. auf den heutigen Standard zu heben, mußte der Stall geteilt und im hinteren (nördlichen) Teil eine Toilettenanlage installiert werden. Auch der Durchbruch in der Wand zum Stall im vorderen Bereich wurde aus diesen Gründen durchgeführt.

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Der Fußboden im vorderen Bereich des Stalls wurde im Frühjahr 2003 verlegt; beachten Sie bitte die sorgfältig dem unregelmäßigen Wandverlauf angepaßten Fußleisten.

Die Stube Hier links befindet sich die ehemalige Stube mit zwei Fenstern nach Süden hin. Die Fensternischen sind - wie in dieser Zeit üblich - nach innen schräg erweitert und geben so einen größeren Lichteinfall in den Raum. Die Fenster selbst wurden 1998 durch die Firma Ames in Tholey nach dem Vorbild der ehemaligen Fenster erneuert. Um die notwendige Wärmeisolierung zu erhalten, wurden Doppelglas-scheiben in die zweiflügeligen Sprossenfenster aus Eiche eingebaut. Die Fenster erhielten – wie ihre Vorgänger – einen weißen Farbanstrich. Zwischen den Fens-tern hing früher eine Wanduhr, und vor den Fenstern stand meist ein hoher höl-zerner Blumenständer mit dem obligatorischen Asparagus-Stock. Oben in der Ecke zur Westwand neben den Fenstern war ein Eckbrett ange-bracht. Darauf stand das Stülpglas (ein hoher Glassturz) mit einem gedrechselten Versehkreuz (ein schwarzes Kreuz, das beim Sakrament der Krankensalbung, im Volksmund "letzte Ölung" genannt, benutzt wurde) und einem zinnernen Korpus. Davor wachten zwei kleine Keramikengel neben zwei Kerzenleuchtern. Etwa ein Meter von der Ecke entfernt in der Westwand war früher der Durchgang zur Kammer. Die Kammer hatte etwa die Größe der Stube und diente als Eltern-schlafzimmer. Sie fiel - ebenso wie das darüber befindliche "hennere" Schlafzim-mer - 1956 der Spitzhacke zum Opfer. Ich selbst wurde 1954 hier im Haus genau in dieser Kammer geboren. Als das Zimmer 1956 abgerissen wurde, waren die Steine völlig durchnäßt, so daß das Mauerwerk fast zusammengefallen wäre. Überhaupt hat der Bau des neuen Hauses dem alten Haus sehr viel Feuchtigkeit abgenommen, denn sein Ni-veau liegt tiefer, so daß das Wasser hier abfließen kann. Durch seinen Standort auf der Wetterseite nimmt das neue Haus das alte Haus regelrecht in Schutz. Und noch ein gutes hatte der Bau des neuen Hauses: er band Kräfte - körperliche wie finanzielle. Ihm ist es zu verdanken, daß weder körperliche noch finanzielle Energie da war, um am alten Haus irgendwelche zeitüblichen Veränderungen vorzunehmen. Obwohl die rechtlichen Voraussetzungen dafür mehr als erfüllt wa-ren; denn bereits im Jahre 1956 hatte das Bauamt St. Wendel eine Abrißgeneh-migung für das alte Haus erteilt. Ebenfalls an der gleichen Wand befindet auf der rechten Seite ein in die Wand eingelassener Holzschrank, der früher als eine Art Kühlschrank verwendet wurde, da man in der Kühle der dicken Wand die Lebensmittel frisch halten konnte. An der Wand rechts davon (Südseite) sieht man in etwa 1,50 m Höhe einen sog. Ofenstein. Er hat eine Länge von etwa 150 cm und eine Höhe von etwa 20 cm bei einer Tiefe von etwa 40 cm. An der vorderen und der rechten Seite Profile ein-gehauen. Der Stein diente zum Abstellen der Milch und der Milchgefäße zur Her-

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stellung von Käse; zum Gerinnen mußte die Milch mehrere Tage ruhen. In dieser Höhe direkt am Ofen stand sie schön warm und war gleichzeitig vor Katzen und Mäusen einigermaßen sicher. Leider handelt es sich nicht um das Original; das wurde vermutlich in den Dreißi-ger Jahren mit Hammer und Meißel entfernt. Den jetztigen Stein habe ich von einer Zigeunerfamilie aus dem saarpfälzischen Raum abgekauft; er entspricht - dermündlichen Überlieferung nach - in Größe und Art dem ursprünglichen Stein. Unter dem Ofenstein befindet sich ein quadratischer Durchlaß durch die Wand, eingefaßt von gehauenen Sandsteinen. Ich nehme an, daß hier ein Rundofen stand, wie er heutzutage in ähnlicher Art bei Kachelöfen als sog. Grundofen ver-wendet wird. Er hatte auf der Rückseite eine quadratische Öffnung zum Schüren. Dieser Ofen wurde durch die Wand direkt von der Feuerstelle aus bedient. Man vermied so die Asche und den ganzen Dreck bei der Befeuerung. Das Ofenrohr ging dann wiederum durch das in Stein gehauene Loch über dem Ofenstein in den Rauchabzug über der Feuerstelle in der Küche, die "Haarcht". Die Verwen-dung einer "Takenplatte" an diesem Platz halte ich für eher unwahrscheinlich, denn wozu sollte dann die in Stein gehauene Einfassung für das Ofenrohr dienen? Rechts daneben ist die Tür zur Küche. Es handelt sich hierbei um die Original-Eichenholz-Tür mit handgeschmiedeten Beschlägen. Sie besteht aus einem Rah-men mit vier gleichen Füllungen und schmiedeeisernen Blatt-Bändern. Die quad-ratischen Muster an den Ecken der Füllungen sind ein typisches Schnitzwerk der Barockzeit. Diese Tür wurde im Jahre 2000 fachgerecht restauriert. Darüber sieht man einen dicken Eichenbalken, einen sog. Unterzug, der als Auf-lage für die Deckenbalken des Obergeschosses dient. An ihm ist eine Besonder-heit zu erkennen: Er ist in sich verdreht. Das ist kein Fehler im Holz, sondern da war Absicht im Spiel. Durch dieses Verdreht-sein war der Baum, meist der Eck-baum eines freistehenden Waldstückes, schwer zu schneiden und auch schwer zu bearbeiten und galt als besonders widerstandsfähig. Die Waldarbeiter sagten immer: "Fällt dieser Baum, fällt der ganze Wald!" So ist es auch hier im Haus: eher dieser Unterzug bricht, stürzt vorher das ganze Haus ein. Aus den Ritzen über der Tür kratzte ich 1990 Gips und Dreck heraus. Ich kehrte das Herausgefallene auf und schüttete es in einen Eimer für den Müll. Doch etwas bewog mich, einen Moment innezuhalten und mit der Hand durch den Kehricht zu fahren: ich entdeckte darin die schon genannten beiden klein zusammengefalte-ten Zettel aus dem 18. Jahrhundert.

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In der gleichen Türeinfassung, allerdings auf der Küchenseite, fand ich ebenfalls ein Stück Papier, das sich bei näherem Hinsehen als ein Geldschein im Wert von zehn Sous entpuppte, ausgestellt am 23. Mai 1793. Bis zur französischen Revo-lution waren nur Münzen geprägt worden. Und diese ersten Geldscheine wurden nur auf einer Seite bedruckt.

"National-Eigentum.

Wertpapier über sechs Sous, zahlbar an den Überbringer. Das Gesetz bestraft den Fälscher mit dem Tode.

Die Nation belohnt den Denunzianten." Rechts der Tür befindet sich eine weitere Lehm-Fachwerkwand.

Die Küche Wir gehen nun durch diese Tür über eine kleine Schwelle in die eigentliche Kü-che. Links in der Ecke befindet sich das eigentliche Herz des Hauses, die Feuer-stelle, die im Volksmund "Haarcht" genannt wird. Über einer niedrigen Feuerungsplatte hing der Kessel an einer meterlangen Vor-richtung, der Hòhl. Diese ist mehr als eine einfache Halterung für den Kessel. Mit ihr konnte man den Kochvorgang einstellen, ihn beschleunigen oder verlangsa-men, indem man den Kessel höher oder niedriger hängte (also "einen Zahn zu-legte"). Wurde ein neues Haus gebaut - was in alter Zeit mehrere Jahre an Vorbereitung erforderte - die Steine mußten gehauen werden, das Holz geschnitten, der Kalk gebrannt, der Lehm gemischt - dann wurde zum Abschluß die "Hòhl" aufgehängt als äußeres Zeichen, daß eine neue Feuerstelle gegründet war. Nachbarn, Ver-wandte und Freunde der Familie hatten zusammengelegt und eine solche "Hòhl"

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vom Dorfschmied anfertigen lassen. Nun wurde diese gemeinsam in einem festli-chen Akt aufgehängt. In einer Zeit, da die Bewohner der einzelnen Häuser noch in Großfamilien organi-siert waren, zählte man die Bewohner eines Dorfes zur Festsetzung der zu ent-richtenden Steuern nach Feuerstellen. Der Frau des Hauses kam als Hüterin des Feuers eine enorm wichtige Stellung zu. Hatte sie vergessen, das Feuer zu hüten, also Holz nachzulegen, so mußte sie in der Nachbarschaft Feuer oder Glut besorgen. Dies war für die Hausfrau sehr beschämend, denn eine ordentliche und aufmerksame Frau hütete das Feuer. Über der Ofenplatte ist der quadratische Durchlaß zu sehen, wo der Rundofen in der Stube durch die Wand geschürt wurde. Darüber sehen wir eine weitere vier-eckige Vertiefung in der Wand. Hier wurde das Salz aufbewahrt. Salz war eines der wenigen Güter, die ein Bauer nicht selbst herstellen konnte, jedoch zum Le-ben zwingend brauchte. Deshalb war es sehr teuer – zeitweise teurer als Gold – und mußte trocken aufbewahrt werden, also in der Nähe des Feuers. So hatte man das Salz auch immer griffbereit, um die Suppe oder das Essen zu salzen. Im Hintergrund unserer Feuerstelle sieht man mehrere Eisentüren, die zu einem Brotbackofen gehören. Bei uns haben sie aber nur noch dekorativen Charakter. Früher stand dahinter das Backhaus, allerdings außerhalb des Hauses, wurde a-ber von innen geschürt und mit frischen Laiben aus Brotteig bestückt. Man kann sich unschwer den Geruch von frischem Bauernbrot oder Quetschekuche vorstel-len, der aus diesem Ofen herausdringt und das ganze Haus mit seinem Duft er-füllt. Das Backhaus stand natürlich auch aus Sicherheitsgründen neben dem Haus, da sein Feuer eine enorme Hitze entwickelte und leicht zu einem Brand führen konn-te. Aber außerhalb des Hauses konnte man die Backsteine, aus denen er gemau-ert war, leicht mit ein paar Eimern Wasser abkühlen. Neben der Feuerstelle stand der Küchentisch, umringt von einer alten Holzbank und einer Reihe von Stühlen. Diese Bank war für die Kinder gedacht, denn auf einer Bank kann man zusammenrücken, was auf einem Stuhl nicht funktioniert. Und wenn schon mal zehn eigene Kinder am Tisch sitzen, dazu noch die Eltern und Großeltern, dann kommt es auf ein zwei hungrige Mäuler mehr oder weniger auch nicht mehr an, zumal in der Erntezeit, wenn jede Hand gebraucht wurde. Die einzige Waschgelegenheit im Haus befand hier in der Küche in der Fensterni-sche. Es war der Waschstein, ein in Stein gehauener flacher Trog mit einem Aus-guß nach außen durch die Wand. Dort draußen warteten immer schon die Gänse und Hühner auf ihr Wasser und freuten sich natürlich riesig, wenn beim Ge-schirrwaschen die Essenreste dort angeschwommen kamen. Das Wasser holte man aus dem überdachten, etwa zehn Meter tiefen Brunnen vor der Haustür, natürlich auch das Wasser für die Kühe und Schweine. Eine Kur-

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bel führte zu einer Winde, an deren langem Seil der Wassereimer hing. Auch das Waschen der Wäsche erfolgte an diesem Brunnen. Im Außengewände des Küchenfensters waren früher drei Vierkant-Eisenstäbe senkrecht eingelassen, sog. "Dralljen". Mit ihnen versuchte man vermutlich, un-liebsame Gäste abzuhalten. Rechts neben der Fensternische und dem Waschstein stand ein sog. "Dibbe-Schafft", ein einfaches Holzregal mit einem Vorhang vornedran, in dem die Koch-töpfe abgestellt wurden. An der rechten Wand stand der Küchenschrank. Auf der Innenseite der Schrank-tür wurden mit Bleistift wichtige Notizen gemacht, und so werden noch heute - fünfzig Jahre nach dem Tod meiner Großmutter – unsere Nachbarn, die Familie Maldener, daran erinnert, daß sie noch "3 Dutzend Eier zu bezahlen hat". Der Boden von Stube und Küche und auch der im ersten Stock gelegenen Schlaf-zimmer war früher mit Fichtenholzbrettern ausgelegt; sie waren - nachdem das Haus mehr als vierzig Jahre lang leergestanden hatte und die Küche außerdem zeitweise als Ersatzstall diente - zu Beginn unserer Renovierungsarbeiten so mürbe geworden, daß sie bei der leisesten Bewegung auseinanderfielen. Nur im oberen Stockwerk im Treppenflur (der sog. "Trapp") befanden sich breite Eichendielen, die allerdings nur teilweise erhalten werden konnten und in der Verkleidung auf der Rückseite des Badezimmers eine neue Verwendung fanden.

Der Keller Unter der Treppe in der Küche befindet sich die Einstieg zum Keller. Über eine leicht gewendelte Steintreppe gelangt man in einen niedrigen Kellerraum, der etwa 1,60 Meter hoch ist. Der Boden besteht aus gestampftem Lehm. Im Keller befinden sich zwei "Kellerlichte", also zwei Fensterlöcher, die seit altersher im Winter mit einem Strohsack zugestopft werden. In diesem Keller lagern immer schon die Gemüsevorräte für den Winter und natürlich auch die Kartoffeln und Rüben. Diese wurden durch ein quadratisches Loch (ca. 20 x 20 cm) im Stuben-boden durch die Kellerdecke hindurch eingebracht. Und auch in Kriegszeiten bot er der Familie, Bekannten und Verwandten die Illus-sion einer erhöhten Sicherheit. Aus dieser Zeit gibt es noch viele Anekdoten von Zeitzeugen. Zwischen zwei gemauerten Steinbögen steht ein großer Trog aus einer Art Roh-glas mit einem Durchmesser von 78 cm und 76 cm hoch. Der Durchmesser ver-jüngt sich nach unten. Die Herkunft dieses Troges liegt im Dunkeln. Er stand nach mündlichen Überlieferungen "schon immer da". Neben diesem Trog gibt es noch eine Besonderheit. Erzählungen unserer Vorfah-ren berichteten immer von einem sogenannten "Heelloch" in unserem Haus, also einem Versteck, wo in früheren Kriegszeiten etwas "hehlwes", also etwas Ge-heimnisvolles, verborgen werden konnte. Man erzählte, daß in solchen Verste-

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cken sogar junge Männer vor der Zwangsrekrutierung oder junge Mädchen beim Durchzug plündernder Truppen versteckt wurden. Und tatsächlich - hinter dem Trog befindet sich in der Stützmauer unter der Küche ein Steinverband in der Größe von etwa 40 x 40 cm², der so gemauert ist, daß er leicht aus der Mauer genommen werden kann. Sie können sich unsere Aufregung vorstellen, als wir ihn entdeckten und heraus-nahmen. Doch der große Schatz, den wir erhofften, bestand "nur" aus einer di-cken Lehmschicht. Scheinbar wurde dieses "Heelloch" nie gebraucht, und man hatte es nur vorsorglich hier eingemauert. Am oberen Ende des Kellers kann man noch den ehemaligen Durchgang in den Kellerraum unter der 1956 abgerissenen Kammer sehen.

In den ersten Stock hinauf Wir steigen nun von der Küche aus die steile Treppe hinauf ins 1. Stockwerk. Vor der Renovierung war die Treppe in wesentlich schlechterem Zustand. Dort, wo sich heute das Treppengeländer befindet, war ein schmaler Kasten mit einer Klappe, in der Krimskrams aufbewahrt wurde. Die Treppe selbst wurde damit noch mal um 15 cm schmäler. Oben angekommen finden wir uns in einer Diele wieder, die allerdings durch ihre verhältnismäßig niedrige Decke mit zwei Metern ziemlich drückend wirkt. Da es in unserer Familie immer Kinder zuhauf gab - mit dieser Tradition haben erst meine Eltern gebrochen - mußte jedes Plätzchen genutzt werden; also stand hier in der Diele auch immer noch ein Bett, in dem zuletzt mein Onkel Johann Kreutz schlief. Um den Treppenaufgang herum sehen wir ein Brüstungsgeländer aus gesägten Hölzern, das wesentlich älter ist als das modernere, schon gedrechselte Treppen-geländer.

Das "Verrerscht Zemmer" Direkt rechts der Treppe betreten wir eins der ursprünglichen drei Schlafzimmer, das sogenannte "Verrerscht Zemmer", also das vorderste Zimmer. Es wird in Zu-kunft als Gästezimmer Verwendung finden. Das Bett in der Größe von 110 x 180 cm² entspricht der früheren normalen Bettgröße. Fast niemand hatte ein ganzes Bett für sich. Überall schliefen mehrere Kinder odere zwei Erwachsene zusammen in einem Bett. Schränke gab es nur selten. Was sollte man auch hineinhängen? Jeder besaß höchstens zwei Garnituren an Kleidung: eine Garnitur für werktags und eine für sonntags. Entweder man hatte die eine "Montur" an, dann hing die andere am "Zapfenbrett" oder umgekehrt. Man hatte stets das gleiche Hemd an: zur Arbeit wie zum Schlafen. Man starb sogar darin und wurde darin begraben. Leibwäsche oder gar Unterwäsche kannte man erst später, und ein bäuerlicher Haushalt mit vielen Kindern war stets auf das Notwendigste beschränkt. Aussteuer und Leinen-tücher bewahrte man in den Truhen auf. Handtaschen für Frauen oder Schirme für Männer galten als absoluter Luxus.

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Wenn wir das "Verrerscht Zemmer" verlassen, sehen wir rechts einen Durchgang in einen weiteren Raum. Diesen Durchgang gab es früher gar nicht. Die Wand ist die schon aus dem Erdgeschoß bekannte Brandmauer. Der Raum dahinter war früher Teil des Heustalls, der bis unter die Ziegel voller Heu lag. Im Zuge der Re-novierungsarbeiten zogen wir an ihrem hinteren Rand eine Fachwerkwand hoch und trennten den entstandenen Raum noch einmal. So entstanden zwei neue Zimmer, von denen das vordere vorerst als Schlafzimmer und das hintere als Ba-dezimmer genutzt wird. Sein Eingang befindet sich am Fuß der Treppe zum Dachboden.

Vorratskammer und Haarscht Links neben dem kleinen Luftloch - also im westlichen Teil der Diele - versperrte ursprünglich eine geschlossene Wand die Sicht auf die hintere Mauer. Dahinter befand sich das sogenannte "Fleischkämmerchen". Man betrat es durch eine schmale Tür etwa in der Mitte der Wand. Eine Luke nach außen - heute mit einer Glasplatte verschlossen - sorgte für rege Frischluftzufuhr, aber nur spärlichen Lichteinfall. Hier wurde das Eingemachte und die Marmelade aufbewahrt. Durch eine zweite Tür (aus Eisen) gelangte man in das Innere der Haarscht, also in den Raum über der Feuerstelle. Hier waren lange Eisenstangen quer einge-mauert. Schinken und Wurst hingen an Fleischhaken und wurden durch das tägl i-che Feuer von der darunterliegenden Feuerstelle geräuchert und konserviert. Daß sich in diesem ständigen Rauch auch keine Mäuse oder sonstiges Ungeziefer auf-halten wollte, kann man leicht nachvollziehen. Durch einen schmalen Sims war die Haarscht voll begehbar. Die heute sichtbare Verjüngung der Haarscht hinauf in den Kamin bestand in die-ser Form nicht; die schwarze Blechtür stammt aus dem Elternhaus meines Vaters im Augenborn ("Louje") und wurde von meinem Urgroßvater väterlicherseits, Pe-ter Schmitt, geschmiedet. Ursprünglich verjüngte sich die Haarscht erst auf dem Dachboden.

Das "Medelscht Zemmer" und das "Hennerscht Zemmer" An der Südseite - gegenüber dem Treppenaufgang - schließt sich die Tür zum so-genannten "Medelscht Zemmer", also dem mittleren Zimmer, an. Die Türen bei-der Zimmer sind immer noch die Originaltüren. Es handelt sich um Brettüren aus Eichenholz mit den Original-"Schleppern" - das sind die Eisengriffe. Achten Sie auf das Loch in der jeweiligen unteren hinteren Ecke. Das wurde extra ausgesägt, damit die Hauskatze Zugang zu den Räumen hatte. Denn überall gab es Getreide und Stroh, und überall gab es Mäuse. Und auf die waren Katzen schon immer scharf. In diesem Schlafzimmer standen früher zwei Betten links und rechts des Fens-ters. Vorne rechts war ein Durchgang in das "Hennerscht Zemmer", also das hin-terste Zimmer, das ebenfalls 1956 abgerissen wurde. In diesem Hintersten Zim-mer stand laut mündlicher Überlieferung früher ein Nußbaum-Kleiderschrank, der

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so hoch war, daß man die Lehmausfachung aus der Decke entfernt hatte, damit er aufgestellt werden konnte.

Ins Dachgeschoß hinauf Über die Speichertreppe gelangen wir schließlich hinauf ins Dachgeschoß. Die Treppe war früher von einem Bretterkasten umschlossen und mit einer Brettertür versehen. Der Aufstieg über sie war teilweise lebensgefährlich, denn die schma-len, ausgetretenen Stufen lagen völlig im Dunkeln. Es war der einzige Zugang zum Dachboden, und das gesamte Getreide mußte in Zentnersäcken auf den Schultern über diese Stiege hinaufgetragen werden. Auf dem Dachboden lag früher das Getreide in einzelnen Haufen auf dem Lehm-boden. Zum Teil war dieser Boden auch mit gebrannten Tonziegeln bedeckt oder teilweise auch später mit einer dünnen Betonschicht. Auf langen Seilen hingen die Getreidesäcke zum Trocknen. Als in den 60er Jahren ein moderner Heuabla-der (Aufzug) seinen Einzug hielt, wurde das tragende Eichengebälk durchschnit-ten, um auch hier Heu lagern zu können. Überall lag das Heu, aufgeschichtet bis unter den Dachfirst. In der Mitte des Raumes befindet sich in einer Zwischenwand eine Lehmausfa-chung, die noch im Original erhalten ist. Lediglich das Flechtwerk wurde nach-träglich eingebracht, um später mit einer Strohlehmmischung ergänzt zu werden. Das Dach war mit Herzziegeln eingedeckt, die sich allerdings im Laufe der Zeit so verzogen und spröde wurden, daß im Winter, wenn der Wind den Schnee durch die Ritzen blies, das Heu von einem dünnen Schneeschleier überdeckt war. Aller-dings bot die dicke Heuschicht auch eine gute Isolation nach unten in die Wohn-räume. 1994 wurde das Dach abgetragen, wobei wir die noch intakten Herzziegel wie-derverwendeten. Neue Holzsparren, eine komplette Verbretterung und entspre-chender Dachaufbau und Isolation sorgen heutzutage für eine zeitgemäße Wär-medämmung mit einem hinterlüfteten Kaltdach. Bei der Gelegenheit wurde auch eine Dachrinne angebracht. Früher lief das Regenwasser über die Ziegel ab und tropfte nach unten wie in "Schnüren" in den sogenannten "Dachgrawe". Dadurch zog die Feuchtigkeit auch in wesentlich größerem Maße ins Mauerwerk. Auch die Installation einer Gasheizung im gesamten Haus und einem Ofen in Brennwert-technik wurde hier im Dachgeschoß vorgenommen. Da das Dachgeschoß zu Wohnzwecken genutzt werden soll, wurden auch drei kleine Dachliegefenster eingebaut. Das Dach wurde im Jahre 2002 mit Zellstoff wärmeisoliert und ausgebaut. Auch eine Fußbodenbegradigung wurde vorgenommen, da es hier Niveauunterschiede bis zu etwa 30 cm gab.

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Das Haus und seine Bewohner Das Alter des Hauses war lange Zeit unbekannt. Durch mündliche Überlieferun-gen ging man von einer Erbauungszeit um 1810 aus. Als wir dann aber im Jahre 1990 den Außenputz des Hauses abklopften, ent-deckten wir unter zahlreichen Anstrichen von hellblauer Farbe die Jahreszahl "1761" über dem Türgewände. Damit waren auch die im Barockstil gehauenen Tür- und Fenstereinfassungen zu erklären. Doch das Haus ist vermutlich noch ein paar Jahre älter. Ein Kaufvertrag aus dem Jahre 1826 liegt vor, der die Eigentumsverhältnisse der davorliegenden 100 Jahre einigermaßen erklärt:1 "Vor uns, Nicolas Hen, öffentlichem Notar in St. Wendel wohnhaft und in Beisein der Endes benannten Zeugen erschienen 1. Johannetta Jung, Ackersfrau, Ehefrau des verewigten Peter Gillen, in Bliesen wohnhaft, handelnd im Namen ihrer mit ihrem gedachten Ehemann erzielten noch unmündigen Kinder, für die sie sich stark hält und persönlich verbindet zu haften und zu garantieren 2. Elisabetha Gillen, ohne Gewerbe, Ehefrau des Johannes Kreutz, Ackerer in Bliesen wohnhaft, von ihrem Ehemanne zu dem was folgt gehörig begleitet und ermächtigt, und erklärten, daß sie von heute an, und für immer, in allem Eigentume und Genuß frei von Schulden und Hypotheken, mit dem Versprechen, für alle Hin-dernisse jeder Art ohne Unterschied zu haften und zu garantieren, nach be-schriebenen ihnen eigens zugehörigen von ihrem Vater und respectiven Groß-vater Johannes Gillen herrührigen Gegenstand an Johannes Eckert, Ackerer in Bliesen wohnhaft gegenwärtig und annehmend, für sich, seine Ehefrau und ihre Erben verkauft haben und hiermit förmlich verkaufen und abtreten, als ihr Anteil bestehend in einem Drittheile von einem in der Gemeinde Bliesen, neben Peter Johann und Johann Schuh gelegenen, durch ihre Eltern und respective Groß- und Schwiegereltern Johannes Gillen und Anna Blettner erkauften Wohn-haus, Scheuer, Stallung, Hofbering, vor und hinter dem Hause, Garten vorm und unterm Haus, alles, so wie es sich befindet, wie es die Eltern be-sessen haben oder es zu besitzen berechtigt waren ohne Ausnahme noch Vor-behalte. Ankäufer bekommen den gekauften Gegenstand sogleich in Genuß und bezah-len die darauf haftenden Auflagen aller Art vom ersten des nächst kommenden Monats Juli an. Dieser Verkauf ist geschehen für die Summe von 300 Gulden

1 Original in Familienbesitz; vergl. Landesarchiv Saarbrücken, Notariat St. Wendel (Hen), Rep 166/1826

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rheinisch, welche Verkäufer erklären und bekennen von Käufer baar und richtig empfangen zu haben, worüber Quittung (erteilt wurde). Allso geschehen zu Bliesen in dem Hause der Johann Gillen Wittib den 14. April 1826, in Gegenwart von Peter Johann und Nicolaus Johann, beide Ackersleute in Bliesen wohnhaft, gekannte und erbetene Zeugen, welche nach geschehener Vorlesung mit den Parteien und uns Notar unterschrieben haben, Peter Gillen Wittib ausbenommen, welche erklärte, Schreibens unerfahren zu sein und ihr Handzeichen gemacht hat." Das Haus wurde demnach von Johann Gillen und Anna geborene Plettner ge-kauft bzw. von deren Eltern und Schwiegereltern. Alle bisherigen Hinweise deuten darauf hin, daß es sich bei diesen Vorfahren um die Familie Gillen han-delt. Bei der Renovierung des Hauses fand ich in einer Spalte eines uralten Eichen-balkens in der Stube zwei zusammengefaltete Zettel aus dem 18. Jahrhundert. Der jüngere der beiden regelt einen kurzfristigen Darlehensvertrag zwischen Peter Gillen aus Bliesen und Mathias Diedrich aus Merzig vom 13. August 1773:

"hir Mid bekenne Ich petter gillen fohnplissen kraft Meines Unter hand schrüft das ijch dem Matteis Diedrichsen fohn Mertzig schuldig bin

an geld die Suma sieben gulden sag 7 G rheinisch wehrung ad den gulden gerecht zu treissig sächs

petter ___er ____trische ____en ____ geld den negst künftigen Lanbretz daag zu beZalen wie ___mit ist geschen den 13. August __73.

Johannes Diedrichsen Peter Gillen Handzeichen" "Hiermit bekenne ich, Peter Gillen aus Bliesen, durch meine Unterschrift, daß ich Ma-thias Diedrich aus Merzig die 7 Gulden rheinischer Währung schuldig bin, den Gulden zu 36 Peter___ gerechnet. Ich verpflichte mich, daß Geld am kommenden Lambert-stag (17. September) zurückzuzahlen. Geschehen am 13. August 1773". Es fragt sich, in welchem Kontakt Peter Gillen zu Mathias Diedrich2 stand; denn zwischen Merzig und Bliesen lag damals eine ganze Tagesreise. Da beider Un-terschriften auf dem Papier sind - Peter Gillen konnte nicht schreiben, deshalb setzt er sein Handzeichen -, müssen sie sich persönlich getroffen haben. Und zwar zweimal: im August und einen Monat später im September. 2 Im Familienbuch von Merzig von Dr. Werner Verburg wird ein Mathias Diedrich (auch Diederich, Diede-rig) genannt, geboren am 01.12.1739, Sohn von Martin und Maria Diedrich. Freundlicher Hinweis von Annemarie Schestag, [email protected].

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Drei Jahre später - am 9. März 1776 - erhält er eine Aufforderung von seinem Freund Peter Gillen aus Hofeld, seine Pflicht zu tun.

"Mein lieber freund Peter gillen ich muß es euch zu Wissen thun daß mich der Creutz Von Eisweiler verklagt auf die schuld und wofern ihr es nicht richtig macht so bin ich genöthiget mit meiner Hand Schrift auf Tholeyen Zugehen

So geschehen Hoffeld d: 9 MerZ

1776 Peter gillen Von Hoffeld"

Vermutlich hatte Peter Gillen aus Hofeld bei besagtem Kreutz Geld geliehen, und Peter Gillen aus Bliesen war als Bürge eingetreten, der gesamtschuldne-risch haftete. Als Kreutz sich an ihn wandte, damit er für Gillen in Hofeld vor-legte, scheint sich Peter Gillen in Bliesen geweigert zu haben, die Schuld zu begleichen. Darauf verklagte Kreutz den Gillen in Hofeld, der sich an seinen Bürgen in Bliesen wandte und sein Recht forderte. Leider liegen uns sonst kei-ne Unterlagen dazu vor, aber so könnte es gewesen sein.

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Die Familie Gillen - Eckert - Kreutz - Hans Bevor wir auf die Eigentümer eingehen, wollen wir uns die Stammfolge genea-logisch ansehen, also aus der Betrachtung eines Familienforschers. Wir haben dabei Daten aus dem Bliesener Familienbuch (Band I bis III) sowie aus dem St. Wendeler Familienbuch von Rudi Jung verwendet.

Legende * geboren (vor 1800 Taufdaten) + gestorben oo geheiratet3

Peter Gillen oo 10.02.1722 Anna Margaretha Massing * Eisweiler * Heisterberg + nach 1776 Niederhofen Anna Margarethas Vater ist Christoph Massing aus Heisterberg. Kinder: Nikolaus Gillen * 10.12.1722 Eisweiler + 12.04.1742 Eisweiler Johann Gillen * 04.11.1723 Eisweiler Johann Jacob Gillen oo 27.01.1750 Catharina Klein * 03.02.1725 Eisweiler St. Wendel * 30.12.1719 Bliesen Catharina ist eine Tochter von Johannes und Maria Klein aus Bliesen. Kinder: Margaretha Gillen * 13.11.1750 + vor 07.02.1752 Margaretha Gillen * 07.02.1752 + 03.08.1769 Maria Gillen * 17.12.1753 oo Johannes Frantz Elisabetha Gillen * 12.12.1755 oo Michel Paulus, Nk/Nahe Catharina Gillen * 18.07.1758 oo Matthias Funk Peter Gillen * 09.03.1763 Johann Gillen oo 21.2.1786 Anna Plettner * 16.12.1760 Bliesen Bliesen * 07.02.1761 Gombacher Mühle + 30.03.1820 + 04.02.1843 Niederhofen Anna ist die Tochter von Gerhard Plettner von der Gombacher Mühle aus dessen 2. Ehe (Elisabeth Funck). Kinder: Peter Gillen oo 08.02.1809 Johanna Jung * 10.06.1786 * 08.06.1788 + 25.01.1822 + 15.08.1857 Johannas Eltern sind Mathias Jung und Elisabetha Schnur.

3 vor 1800 kirchliche Trauung; nach 1800 standesamtliche Trauung

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Maria Gillen * 19.01.1789 + vor 1801 Margaretha Gillen * 11.10.1791 Anna Maria Gillen * 27.01.1794 Nicolaus Gillen * 21.08.1797 Ackerer Maria Gillen oo 23.11.1824 Johannes Eckert * 31.12.1801 * 25.03.1802 + 30.03.1838 + 11.04.1856 Kinder: Jakob Eckert * 15.09.1825 oo Maria Molter Anna Eckert * 13.05.1827 oo Nikolaus Kreutz Johannes Eckert * 06.06.1829 oo Maria Gassert Catharina Eckert * 19.03.1831 oo Nikolaus Gassert Nikolaus Eckert * 24.03.1834 oo Gertrud Molter Peter Eckert * 05.02.1837 + 27.02.1843 Elisabeth Gillen oo 27.04.1815 Johann Creutz * 21.08.1797 * 11.12.1790 + 06.03.1861 + 24.03.1842 Johanns Eltern sind Johann Nikolaus Kreuz und Maria Haven. Kinder: Johann Nikolaus Kreutz * 20.12.1816 + 03.03.1823 Johannes Kreutz * 02.01.1820 oo 1. Johannetta Wagner oo 2. Barbara Fries Peter Kreutz * 31.05.1822 oo Elisabeth Gillen Maria Elisabeth Kreutz * 30.10.1827 oo Johann Nikolaus Klein Jakob Kreutz * 30.12.1830 oo Angela Rauber Anna Maria Kreutz * 26.02.1833 oo Johann Nikolaus Biegel Catharina Kreutz * 03.04.1835 oo Jakob Rauber Franz Kreutz * 06.02.1838 Johann Nikolaus Kreutz * 02.07.1841 + 13.01.1864 Nikolaus Kreutz oo I. 05.02.1855 Anna Eckert * 05.02.1825 * 13.05.1827 + 04.11.1901 + 17.05.1861 Anna ist eine Tochter von Johannes Eckert und Maria Gillen, somit eine direkte Cousine ihres Ehemannes. oo II. 18.01.1864 Anna Maria Gillen * 12.02.1842 + 09.10.1920

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Anna Maria ist eine Tochter von Johannes Gillen und Elisabeth Wagner. Da ihr Vater ein Sohn von Peter Gillen und Johannetta Jung ist, ist sie eine Großcousine ihres Ehemannes.4 Kinder aus 1. Ehe Catharina Kreutz oo 1879 Jakob Gillen aus Bliesen * 30.12.1855 + 29.02.1892 Jakob Kreutz * 07.09.1857 + 1936 Nikolaus Kreutz * 21.02.1860 + 04.08.1860 Kinder aus 2. Ehe Franz Kreutz * 10.03.1865 er wandert nach Amerika aus und läßt sich in Healdsburg, Sonoma County, nahe San Francisco im Bundesstaat California nieder. Johannes Kreutz * 15.04.1867 + 01.10.1874 Anna Kreutz * 30.07.1875 + 24.09.1951 Franz Nikolaus Kreutz oo 02.07.1900 Katharina Müller * 20.05.1870 * 07.11.1875 + 20.08.1939 + 21.09.1956 Katharinas Eltern sind Jakob Müller und Helene Ambos. Kinder: Anna Kreutz * 20.09.1901 + 25.07.1919 Peter August Kreutz * 28.06.1903 oo Berta Straß Josef Nikolaus Kreutz * 17.12.1904 oo Barbara Werle Katharina Kreutz * 04.04.1906 + 05.09.1922 Elisabetha Kreutz * 28.07.1908 + 05.06.1968 Koblenz5 Barbara Kreutz * 27.11.1909 oo Georg Holzhäuser Franz Johann Kreutz * 31.07.1911 oo Martha Marx Anna Maria Kreutz * 03.06.1913 + 30.11.1986 Klara Barbara Kreutz * 10.03.1915 + 15.06.1920 Katharina Mathilde Kreutz oo 11.02.1941 Johann Hans * 14.04.1918 * 01.02.1917 + 03.07.1987 + 15.03.1998 Johanns Eltern sind Ludwig Hans und Elisabeth geb. Schmidt

4 Übrigens: ihr Bruder Jakob Gillen ist mit ihrer Stieftochter Catharina, Nikolaus Kreutz' Tochte r aus erster Ehe, verheiratet. Oh weia, hann mir "komplexe" Familjeverhältnisse! 5 Schwester M. Dietlinde, Ordensfrau bei den Schwestern vom Heiligen Geist, Koblenz-Marienhof

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Kinder: Alfred Josef Hans oo 27.04.1973 Jutta Herz, Bosen * 20.09.1950 Nohfelden + 26.04.1992 Werner Peter Hans oo 13.06.1979 Ellen Maria Egler * 30.01.1954 * 04.08.1959 Urweiler Sohn: Jochen Hans * 28.09.1982

Die Eigentümer Hier sind die mutmaßlichen Hauseigentümer der letzten 250 Jahre - anhand ge-nauer Daten aus Notariatsverträgen oder den Daten der Eheschließung als Über-gangstermine: nach 1742 - 1786

Johann Jacob Gillen und Catharina Klein

vermutliche Miteigentümer: Johann Jacobs Eltern Peter Gillen und Anna Margaretha Massing. 1786 - 1815 Johann Gillen und Anna Plettner Sohn und Schwie-

gertochter 1815 - 1826 verschiedene Eigentümer Töchter, Söhne,

Schwiegersöhne, Schwiegertöchterer

Im Kaufvertrag von 1826 haben wir gelesen, daß die beiden Witwen Elisabeth Creutz geb. Gillen und Johanna Gillen geb. Jung ihr 1/3 an das Ehepaar Maria Gil-len und Johannes Eckert verkaufen. Es ist anzunehmen, daß die übrigen drei Ge-schwister Margaretha, Anna Maria und Nicolaus Gillen ihre Anteile ebenfalls an das Ehepaar verkaufen. Damit werden Maria Gillen und Johannes Eckert einzige Eigentümer des Hauses.

1826 - ca. 1855

Maria Gillen und Johannes Eckert Tochter und Schwiegersohn

1855 - 1864 Nikolaus Kreutz und Anna Eckert Schwiegersohn und Tochter

Bei ihrer Heirat besitzt Anna Eckert 1/5 des Hauses. Im Laufe der Jahre kaufen sie und ihr Ehemann von ihren Geschwistern die verbleibenden 4/5 ab, so daß sie schließlich Volleigentümer des Gebäudes sind. Aus der Ehe mit Anna Eckert entstammen zwei über-lebende Kinder, Jacob und Catharina. Da der Kauf der restlichen Anteile ebenfalls aus dieser Ehe stammt, haben die beiden Geschwister gemäß geltendem Recht einen Erban-spruch auf das gesamte Haus. Am 26. Juni 1879 kauft ihnen ihr Vater dieses Recht im Wert von 1.224 Mark ab. Gleichzeitig trennt er den östlich gelegenen zweiten Stall und

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die Scheune rechtlich ab und verkauft sie an seinen Sohn Jacob zum vollen und soforti-gen Eigentum. So wird Jacob Kreutz zum Gründer der Familie, die heute noch das "unte-re Gillen-Haus" (Meiersch) bewohnt.6 1864 - 1919 Nikolaus Kreutz + Anna Maria Gillen 2. Ehefrau Am 26. Juni 1879 schenkt Nikolaus die Hälfte seines zu Bliesen neben dem Gemeinde-weg, Wittwe Jacob Klees, Stephan Rectenwald und Nicolaus Eckert gelegenen Wohnhau-ses nebst Scheune, Stallung, Schuppen, Haugarten und Hofbering seiner zweiten Ehe-frau Anna Maria zum Eigenthum.7 1919 - 1941 Franz Nikolaus Kreutz + Katharina .

Müller Sohn u. Schwiegetochter

Objekt: Flur 9 Nr. 1708/1022 etc. Niederhofen a. Wohnhaus mit Hofraum und Hausgarten b. Stall und Scheune c. Schweinestall und Schafstall 19,47 Ar Nr. 1461/1030, daselbst Wiese 6,10 Ar Am 14.03.1919 übernimmt Franz Nikolaus Kreutz das Haus mit einer nahegelegenen Wiese für dreitausend Mark, wovon die Hälfte sofort fällig wird und die andere Hälfte ein Vierteljahr nach dem Tod seiner Mutter. Damit muß er dann seine vier Geschwister bzw. deren Erben ausbezahlen. Seine Mutter, 77 Jahre alt, behält sich das lebenslange Recht vor, das übertragene Anwesen mitzubewohnen und mitzubenutzen (...). Kreutz ist verpflichtet, seine Mutter bis zu deren Lebensende in gesunden und in kranken Ta-gen vollständig zu unterhalten und zu verpflegen, insbesondere ihr Kleidung, Speise und Trank, Brand und Licht, in Krankheitsfällen ärztliche Behandlung und Heilmittel zu stellen. Die Mutter trägt ggf. Krankenhauskosten nur soweit, als sie die Kosten des Unterhalts und der Verpflegung im Haus übersteigen, sowie die ganzen Kosten für ärztliche Behandlung und Heilmittel. 8 Die restlichen Immobilien des verstorbenen Nikolaus Kreutz wurden bereits 1902 un-ter den Erbberechtigten durch Los verteilt.9 1941 - 1984 Johann Hans und Mathilde Kreutz Schwiegersohn

und Tochter 1984 - heute Werner Hans

Sohn

6 Original im Familienbesitz; vergl. Landesarchiv Saarbrücken (LA SB), Notariat St. Wendel, Notar Schneider, Reg.Nr. 2391/1879 7 Original im Familienbesitz; vergl. LA SB, Notariat St. Wendel, Notar Schneider, Reg.Nr. 2392/1879 8 Original im Familienbesitz; vergl. LA SB, Notariat St. Wendel, Notar Custodis, Reg.Nr. 397/1919 9 Original im Familienbesitz; vergl. LA SB, Notariat St. Wendel, Notar Thiel, Reg.Nr. 220/1902

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Inventarium von 1842 Als am 24. März 1842 Johann Kreutz stirbt, wird über sein gesamtes Vermögen ein Inventarium erstellt, das als Basis für die folgenden Erbauseinandersetzungen dient; dies ist vor allem wichtig, da noch minderjährige Kinder da sind. Um ihre Rechte zu schützen, wird das Inventarium am 22. April 1842 dem Königlichen Friedensrichter Knauer in St. Wendel vorgelegt und von diesem aufbewahrt. Diese detaillierte Aufstellung gibt ein ausgezeichnetes Bild über das Vermögen einer Bauernfamilie im 19. Jahrhundert in Bliesen ab und hat innerhalb dieser Dokumentati-on einen besonderen Stellenwert, da diese Familie in unserem Haus gewohnt hat. Die Personen, die das Verzeichnis aufgestellt haben und jetzt dem Friedensrichter vor-legen, sind: è Elisabetha Gillen, Ackersfrau, in eigenem Namen und dem ihrer Kinder, für die sie als Vormund auftritt è Jacob Klein, Ackerer aus Bliesen, der gesetzlich vorgeschriebene Gegenvormund è Johann Kreuz, der volljährige Sohn è Nicolas Biegel und Johann Frantz als Experten Erklärung der benutzten Maße: N° laufende Parzellennummer in Kataster Flächenmaße: M Morgen V Viertel Morgen R Ruthe S Schuh Da in Schuh gemessen wird, ist nicht von preußischen Ruthen auszugehen (die in Fuß gemessen werden), sondern von der im späten 18. Jahrhundert bei uns üblichen Nürnberger Ruthe zu 16 Schuh im Längenmaß und 256 Quadratschuh im Flächenmaß (in der Bezeichnung wird normalerweise zwischen Ruthe und Quadratruthe keine Un-terscheidung gemacht, da diese aus dem Zusammenhang hervorgeht). Nach einem Aktenstück im St. Wendeler Pfarrarchiv (D1) ist ein Nürnberger Schuh 30,35 cm lang bzw. hat ein Quadratschuh eine Fläche von 921,12 cm² = 0,00921 m². Beschränken wir uns hier auf die Flächenmaße: 1 Ruthe 16 x 16 Schuh² 23,58 m² 1 Viertel 40 x 40 Ruthen² 37.728,00 m² 1 Morgen 4 Viertel 160 x 160 Ruthen² 603.648,00 m² Wert im Jahre 1842: Th Thaler Sg Silbergroschen Pf Pfennig

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Inventarium des verlebten Johann Kreutz von Bliesen,

gestorben den 24ten März 1842 N°. M V R S Th Sg Pf

I. Erbgüter

2194 1 2 1 73½ Acker auf dem Holler, abgeschätzt zu

70 - -

2675 1 - 28 73 In Lauberstall 50 20 2215 1 2 12 8 Auf der Kurzwiese 80 15 6 2961 2 2 20 41 Auf Breiten Acker 60 4551 1 2 23 57 Auf dem Blieserberg 60 13 8 36 1 3 25 67 Bei Wackenborn 50 6

2011 1 1 25 50 Auf der Linxwiese 30 15 6 1826 1 3 25 73 In der Mockenbach 80 3132 1 3 31 66 Auf der Mauschhümes 90 15 4 4456 1 2 13 2 beim Birnbaum 60 586 0 3 30 36 Aufm Harstberg 40 718 0 3 27 48 Am Höhwieswald 30 1729 1 2 1 18 Am Heiligenberg 40 1916 0 3 11 50 Am Gammersberg 20 1901 1 2 14 95 allda 25 3444 1 2 25 20 Auf dem Bruch 51 4211 1 1 2 28 Auf Mäusborn 50 4117 0 3 21 76 bei Thellerborn 20

2231/32 1 3 4 72 Auf dem Thalrech 100 2288 1 1 5 12 Hinter Kärkel 65 15 251 1 0 12 67 Garten in Lauberstall 40 4868 1 1 7 86 Hinterm Traubelsberg 50 2299 1 2 23 92 Auf der Hirtenwiese 60 3350 1 2 7 4 Am Binnenberg 60 4274 2 1 25 68 im Lampenstälgen 110

2369/70 1 3 13 20 Acker in der Hundsdell 60 2836 1 0 20 75 Beim Hilgkreuz 45 3808 0 3 29 0 In Müllersdell 40 1991 1 0 16 3 In den alten Stangen 25 1696 0 3 7 39 Garten in den Stockstückern 30

1898/4899 2 0 18 12 Vor und hinter Traubelsborn 40 641 1 0 12 83 Auf dem Binnenberg 25 3777 0 3 22 80 in der Winkenbach 30 3990 0 3 5 81 Jenseits dem Hofelderpfad 10 3938 0 2 24 33 Hinter der Borrwiese 65 278 0 1 6 9 Im Küfferling 5 2190 1 1 9 0 Auf dem Holler 60

2220/2/3 0 2 27 64 Auf den Bohnengärten 50 1168 0 0 21 80 Garten auf der Gombach 12 15

4395/6 1 3 26 13 Auf den Eichgärten 80 4820 1 1 15 91 In der Gombach 3te Gewann 60

412/413 0 1 14 97 Gärten auf der Stielwies 50 326 0 0 27 16 Garten auf der Kurzwieshöh 27

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Wiesen

137/8 1 1 9 79 Wiese in Zängert 150 718 0 1 26 14 Im Bächelgen 100 273 0 0 2 10 Vor Hiel 2

725/6/7 0 1 19 98 Im Bächelgen 90 608/609/ 610/611 0 3 1 66 In der Großwiese 97

671 0 2 24 72 In der Strielwiese 132 990 0 2 2 46 In der Kasparwiese 110 949 1 0 18 64 In der Unterst Wiese 250 291 0 0 19 9 In der Höhwies 20 294 0 1 12 66 allda 44

277/278 0 2 31 75 daselbst 10 1119 0 2 21 57 In der Gombach 105 142 0 2 5 40 daselbst 70 1598 0 1 23 45 Im Alten Weier 60 15

1694/5 0 3 22 63 in der Mockenbach 118 1683 0 2 15 12 allda 60 266 0 0 9 99 In der Nassau 10 1483 0 0 20 37 In Huxel 25 1486 0 0 23 3 allda 30 1297 0 0 23 68 In Edelmannsphuhl 12 1366 0 0 26 89 In der Nassau 40 1307 0 1 0 48 In Edelmannsphuhl 17 1124 0 0 22 28 In der Gombach 25 660 0 1 0 8 In der Strielwiese 50 719 0 0 22 50 Im Bächelgen 45 295 0 0 13 49 In der Höhwies 15

Suma 3836 20

II. Güter, die während der Ehe erkauft worden sind Ackerland

2195 1 0 12 28 Auf dem Holler 60 4457 0 2 30 0 Bei Birnbaum 40 15 2858 0 2 25 67 In Ramesfeld 45 3837 0 1 0 1 In Millerdell 5

2191/2/3 0 3 22 60 Auf dem Hohler 50 Wiesen, die in der Ehe erkauft worden sind

276 0 0 14 6 In der Kurzwiese 15 1110 0 0 19 15 In der Gombach 30 715 0 0 13 50 Im Bächelgen 13 136 0 1 31 36 Im Zähngert 55

Total 303 15 Punkt III nennt seine Barschaft: "Heute den zehnten April 1842 wurde das baare Geld, welches noch vorfindlich war, an Johann Nicolaus Kreutzer von Bliesen, von we-gen einem Urtheile die Summe von 218 Thaler 29 Silbergroschen noch schuldig war, bezahlt". Forderungen gegenüber Dritten, sog. "Ausstände" bestehen aus einer Güterversteige-rung vom 1. März 1839 im Werte von 279 Thaler 11 Silbergroschen 6 Pfennigen und aus einer weiteren Versteigerung vom 29.03.1842, bestehend aus Besserungsland

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und Wiesen mit 92 Thalern 15 Silbergroschen, insgesamt als 371 Thalern 26 Silber-groschen 6 Pfennigen. Dann geht es zu den persönlichen Besitztümern (Punkt V):

Getüch und Kleidung des Verstorbenen Th Sg Pf 50 Ellen rein Tuch zu 7 12 6 100 Ellen Grobes Tuch 11 3 - 65 Ellen rein Tuch 9 19 - 35 Ellen grob Tuch 3 26 - 27 Pfund grob Garn 4 15 - 18 Pfund Lothen 2 - - 35 Ruthen reines Garn 11 20 - 30 Tischtücher grobes und reines 12 - - 35 Leintücher grob und rein, abgeschätzt ist 21 20 Servietten 3 18 Handtücher 2 12 6 Decken mit Feder 3428 14 Ueberzüge Kelsch 18 20 18 Kopfküssenzügen 9 7 Kopfküssen mit Federn 19 26 6 Unterbeter 4 24

Kleidung des Verstorbenen 1 wollener Rock, 1 Hut, und 1 seidenes Halstuch, 2 wollene West, 2 paar wollene Strümpfe, 1 paar Stiefeln, 1 paar Schu-he, 20 Hemden, zusammen

20

15

Hausrath in der Küche und in der Stube Zinngeschirr, Platten, 10 Tellern zusammen 12 25 20 Porzellan Tellern 20 12 steinerne und irdene Hafen, 3 Schöpflöffeln, 1 paar ble-chene Dippen, 1 blechene Bolle, 1 blechene Gieskanne, zusammen

1

23

6 eiserne Hafen, 2 Stehtiegeln, 1 Küchenpfanne, 1 Kessel, 20 Löffele, 26 Gabbele, 3 Fleischgabbele, 6 Stei-nerne Krüge, zusammen

5

7

1 Bauchbütte, 2 Züber, 2 kleine Bütten, 2 Kübeln, 5 Eimer 7 8 6 Bettstellen, 12 Sitzstühle, 4 Bänke, 3 Tische, 1 Hausuhr, 1 Laterne, 3 Eisenlichter, 1 Waage, zum Wiegen, zusammen

20

22

Gedörtes Schweinenfleisch, 300 Pfund 40 30 Fruchtstücke, 1 _lache 11 24 1 Trumsäge, 3 holzene Sägen 27 2 Schränke, 2 Kisten 17 12 20 Eichendiele, 15 Buchendiele 9 9 Summe 324 3 3

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VI. An Früchten, Hausgeräthen und Ackerwerkzeugen Eilf Malter Korn 55 14 Faß Waizen 15 21 11 Malter Gerste 44 14 Malter Hafer 40 12 Faß Erbsen 7 15 9 Faß Hanfsamen 8 15 4 Faß Wicken 2 80 Pfund Kleesammen 13 10 Heu Grummet und Stroh 49 50 Malter Grumbirn 41 20 1 Pferd mit dem Füllen 115 Noch 1 Pferd 85 1 Kuh 44 1 Kuh mit dem Kalb 40 1 Kuh 35 1 Kuh 44 2 Mutterrinder 44 2 Stiere 40 2 Schweine 23 7 Stück Schaafen 14 2 Bienen 3

Noch Hausrath 1 Wiesenbeil, 2 Schippen, 1 Wiesenhau, 6 Sensen, 4 Sicheln 3 Dingelhemmer, 3 Dingelstöcker, 4 Wetzsteine, 6 Sensen-würfe, 2 Hinterrechen, zusammen

5

14

1 Windmühle, 1 Hechselbank, 1 Schneidbank, 1 Hobbelbank mit dem Hocken, 1 Fruchtfaß , ein Halbfaß, 1 Mäschen, 6 Fruchtsieber, 4 Dreschflegel, 6 Rechen, 5 Heugabbeln, 2 Aehrenseiler, 2 Heukroppen, zusammen

11

11

1 Webestuhl mit dem Geschirr, 2 Spaten, 35 Pfund Hanfen und Himmel Haar, 33 Pfund Hanf und himmelwerk hare, 42 Pfund Flachswerk zu

13

4

Der Mist, dung in der Kaule 46 20

Ackergeräthschaften 1 Wagen mit Dielen und Leitern 31 noch ein Wagen mit Dielen und Leitern 18 2 VorderPflüge, 2 HinterPflüge, ForderPflüge, 2 GrumbirnPflüge zum Grumbirnhaufen

14

1 eisene Egge, 2 hölzerne Eggen, 1 Pfund Stockleitern 2 6 Ketten, 1 Vorschlag, 1 Zügbaum

Pferdsgeschirr 2 Kummeter mit Hintergeschirr und Seitenblätter 2 Galgen mit Zäumen

15

1 Winde, 2 Äxte, 1 Beil, 5 Stemmeisen, 3 Bohren, 2 Schneidmesser, 4 Hobbele, zusammen

5

8

2 Schiffelhauen, 2 Stockhauen, 1 Pickel, 4 Kärst, 2 MistKroppen, 2 Mistgabbeln

3

1

Total 941 18

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VII. Früchte in Feldern

Ein Kornstück in der Mockenbach, abgeschätzt 24 15 1 dto daselbst zu 12 15 Am Heiligenberg 15 auf'm Blieserberg 22 bei Wackenborn 14 Aufm Holler 18 beim Höltzen Kreutze 15 Auf der Winkenbach 7 Waizen Stücker ein Feld, auf dem Holler geschätzt 30 Auf dem Holler 12 Ein Spelzenstück, beim Höhwieswald 11 1 Stück in der Gombach 15 Ein Kohlstück im Felde, in Lempenställchen 60 Besserungsland, die Ausbesserung auf 3 Jahre 1 Stück auf Lampenställgen 48 In der Mockenbach 12 Auf den Stockstückern 7 Am Heiligenberg 10 beim Heiligenkreutz 10 Auf dem Blieserberg 12 In der Gombach 15 bei Wackenborn 12 Auf dem Holler 18 allda 9 allda 9 Am Höhwieswald 8 Auf Winkenbach 5 Kleestücker aufm Feld mit der Ausbesserung. Ein Stück auf Breitenacker zu 90 Auf den Rammesfeldern 11 beim Höhwieswald 19 Auf Mauschhümes 32 15 Auf den Eichengärten 8 Besserung Kornstoppel auf drei Jahren Auf den Bohnengärten 12 Auf der Kurzwiese 15 Hinter Kärkel 12 In der Hundsdelle 12 In der Mühl 9 Auf dem Harstberg 9 Krummbirn Stoppeln auf 1 Jahr Auf dem Binnenberg 5 In den alten Stangen 4 15 Aufm Thalrech 5 daselbst 7 hinterm Hahn 4

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Aufm Blieserberg 9 Aufm Traubelsberg 6 Hinterm Hottenwald - 20 Auf Müllerdelle 3 20 Auf der Winkenbach 3 In Lauberstall 4 Auf den Langenfeldern 3 Summa 715 10

VII b Haus Scheuer Stallung Hofgering und Gärten beim Hause zu ist gemeinschaftlich

1200

VIII remploi. a. vom Vater

Erbgüter von Johann Kreuz, welche in der Ehe für Erb und Eigen ver-kauft und versteigert worden sind

Ein Wiesenstück in der Wirkeswiese zu 33 Ein Stück Feld auf Ruttengründchen 17 bei Goldwäldchen 88 Auf Zäsel 7 25 Auf dem Harstberg 24 Im Lauberstall 34 bei Messchneiders Kreuz 28 20 In der Nambornergarten 20 10 An der Straß 20 10 Auf der Krebscher 60 Auf der Aue 18 bei Mäusbornn 47 Aufm Binnenberg 108 In der Hottenwiese 87 In Huxel 17 15 Auf den Langenfeldern 60 10 In Merzpuhl 91 Suma 762 5

B. von der Mutter Erbgüter von Elisabetha Gillen, Ehefrau von Johann Kreutz, welche für

für Erb und Eigen verkauft und versteigert worden sind. Auf dem Bauert 62 5 Auf dem Seigenkopf 123 In Huxel 40 5 Auf dem Hohst 40 Am Nambornergehemm 21 In der Gombach 20 25 Aufm Heiligenberg 18 15 Aufm Langenfeld 60 15 In Mockenbach 30 Hinterm Hottenwald 20 5 Aufm Binnenberg 22 allda 29

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In Seigendelle 62 10 beim Grauendorn 30 Aufm Lampenstälgen 23 Im alten Weier 30 5 Auf dem Loch 17 Auf dem Backofen 40 Auf dem Hof zum Linnenborn 44 Auf der Hirtenwiese 29 5 Auf dem Hof rechter Hand dem Wege 20 5 Auf dem Hof 2te Gewann rechts dem Weg 21 Ein Wiesenstück im Brühl 24 Ein Wiesenstück im Weier 35 Aufm Kaiserling 18 Im ganzen 881 5 Was noch an Schulden zu bezahlen ist, Hauptsumme und Zins Eine Handschrift von Johann Franz von Bliesen vom 20.08.1828 Hauptsumme 99 16 6 Vorfallene Zinsen bis 20. April 1842 7 12 Noch schuldig an Herrn Sebald in Trier Hauptsumme 333 16 8 Vorfallene Zinsen von 4 Monaten 5 16 Noch eine Handschrift von Michael Petri von Selbach Hauptsumme 192 6 8 Vorfallene Zinsen 38 13 6 Rest von einer Handschrift von Johann Biegel von Bliesen schuldig Hauptsumme und Zins 126 19 Von Johann Eckert in Bliesen nach laut Abrechnung bleibt noch schuldig 551 10 10 An Jacob Eckert von Bliesen bleibt schuldig nach Abrechnung 29 Total der Schulden 839 17 10

Bliesen den 22. April 1842"

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Geschichten aus dem Gille-Hous

Ein Fremder an der Tür Der ehemalige Pfarrer Karl Kreutz, genannt "Heintze Karl" (+ 1986), hat mir diese Geschichte erzählt: Als Napoleon Bonaparte im Jahre 1806 nach Rußland marschierte, hatte er auch aus unserem Dorf junge Männer rekrutiert. Wie freiwillig diese Einberu-fung vor sich ging, kann man sich leicht vorstellen. Auch Johannes Creutz, mein Ururgroßvater (1790-1842), war unter diesen Soldaten, die zu Fuß ins ferne Rußland zogen. 1814 - also acht Jahre später - klopfte ein unbekannter Mann an der Haustür des "Kirche Haus" in der heutigen Flächenbachstraße 710. Er sah schrecklich aus, ungepflegt, dreckig und irgendwie verwildert, und erklärte, "der längst totgeglaubte Sohn" Johann zu sein. Die Eltern und Geschwister wollten ihm zunächst nicht glauben. Er war mit sechzehn als Jugendlicher weggezogen und kam mit 24 als alter, erschöpfter Mann wieder zurück - die Veränderung war total. Erst als er das Vieh und das Land beschreiben konnte, das er damals verlassen hatte, legte sich ihr Mißtrauen. Ein Jahr darauf heiratete er meine spätere Ururgroßmutter Elisabeth Gillen und kam so in unser Haus. Als sichtbare Erinnerung an die geglückte Heimkehr pflanzte er die beiden Lin-den, die erst vor ein paar Jahren im Garten der Familie Albrecht einem Sturm zum Opfer fielen. Karl Kreutz erzählte mir, daß noch ein anderer Mann aus Elmern an diesem Feld-zug teilnahm, nach langer Zeit zurückkam und ebenfalls zwei Bäume pflanzte. Diese fielen aber schon in den Zwanziger Jahren dem Straßenneubau zum Opfer. An den Namen konnte er sich leider nicht erinnern.

Die Kanonenkugel Karl Gassert aus der Kirchstraße erzählte mir die Geschichte von der Kanonen-kugel: Seine Großmutter, Catharina Eckert, die 1831 in unserem Haus geboren wur-de, brachte neben ihrer Mitgift bei ihrer Heirat im Jahre 1856 (mit Nikolaus Gassert) eine Kanonenkugel als Andenken mit. Sie erzählte immer, die Kugel sei in den Freiheitskriegen (1813-1815), als Napoleon endgültig ins Exil ge-schickt wurde, in den Schafstall ihres Elternhauses geschossen worden sei. Die Eisenkugel hat einen Durchmesser von neun Zentimetern und wiegt etwa drei Kilogramm. Waffenexperten haben mir gesagt, die Kugel sei mit einer so-genannten Feldschlange abgeschossen worden, einem bronzenen Kanonen-rohr, das auf einer Holzlafette sitzt. Die Reichweite der Kanone betrug zwi-

10 heute Haus Albrecht bzw. Gardinenstudio Rauber

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schen drei und fünf Kilometern. Somit mag es Zufall gewesen sein, daß die Kugel gerade in unserem Haus landete. Und Zufall war es natürlich auch, daß sie über 150 Jahre lang im Haus Gassert aufbewahrt wurde und nach fast 200 Jahren - wieder in unserem Haus landete.

Blutvergiftung Daß in der guten, alten Zeit nicht alles so gut war, zeigt diese traurige Geschich-te. Die medizinische Versorgung war damals ein großes Problem, vor allem auf dem Lande. Um einen Arzt aufzusuchen, mußte man sich schon in die nächste Stadt bemühen. Und es versteht sich von selbst, daß dieser Arzt die Behandlung nicht aus reiner Nächstenliebe durchführte: er wollte bezahlt werden. Entweder mit Geld oder in Form von Naturalien (Eiern, Hühnern, Schinken usw.). Deshalb verließ man sich meist auf die althergebrachten Mittel, die seit Generati-onen in der Familie bekannt waren. Diese Mittel waren beileibe nicht schlecht, doch wirkten sie nur durch kundige Hand. Kleine Verletzungen, nicht oder nicht richtig behandelt, führten schnell zum Verlust von Gliedmaßen - wenn man Glück hatte - oder gar zum Tode. Die sechzehnjährige Katharina Kreutz verletzte sich beim Einwachsen der Dielen auf der Trapp das Knie an einem herausstehenden Nagel. Sie versorgte die Wun-de nicht oder nur schlecht oder viel zu spät. Sie zog sich eine Blutvergiftung zu. Das Bein schwoll an, und die Wunde begann zu eitern. Als endlich ein Arzt hinzu-gezogen wurde, weil man sich nicht mehr zu helfen wußte, sah dieser als einzig verbleibende Möglichkeit die Amputation des Beines. Was muß in dem jungen Mädchen vorgegangen sein, als es dieses schreckliche Wort hörte? Sie würde von nun an immer auf die Hilfe anderer angewiesen sein - ohne jede Chance, einen Ehemann zu finden und selbst Kinder zu haben. So faßte sie ihren Entschluß: "Lieber sterbe ich, als anderen als Krüppel zur Last zu fallen!" Der Wundbrand dehnte sich aus, und sie starb wenige Tage später.

Kätt, holl ab Das Leben unserer Vorfahren wurde stark von der Religion bestimmt. Sie legte die moralischen, ethischen und sozialen Grenzen fest, innerhalb derer das Le-ben funktionierte, und war somit einer seiner wesentlichen Bestandteile. Das dauerte an bis in zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Das ganze Tagwerk war nach religiösen Vorgaben ausgerichtet. Da es kaum Uhren gab, richtete man sich nach den Kirchturmglocken, die die Stunden aus-riefen. Der Tag begann mit dem Morgengebet, wurde durch das Mittagsleuten um 12 Uhr unterbrochen und fand um 18 Uhr mit dem Abendläuten, genannt "Engel des Herrn", seinen Abschluß. Wenn man in den Sommermonaten schon in aller Herrgottsfrühe ins Feld fuhr, wurde die Arbeit unterbrochen, um das Morgengebet zu sprechen, wenn der Glockenschlag aus dem Dorf herüber-gang. Vor und nach jeder Mahlzeit dankte man Gott für die empfangenen Ga-ben.

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Spezielle Monate waren speziellen Gebeten vorbehalten - wie etwa der Mai der Marienverehrung. Der Monat Oktober stand ganz im Zeichen des Rosenkranzes. Dieses Gebet, das heute fast nur noch an einem Abend zwischen dem Todestag eines Men-schen und seiner Beerdigung gesprochen wird, ist eine Art Wechselgespräch zwischen dem Vorbeter und der Gemeinde. Der Begriff "Rosenkranz" geht auf die mystische Vorstellung zurück, die Gebetsreihe sei ein Kranz geistlicher Ro-sen zu Ehren der Gottesmutter. Die heute übliche Form des Rosenkranzes bzw. des Rosenkranzgebetes umfasst das Glaubensbekenntnis, das "Ehre sei dem Vater" sowie fünf Gesätze (nicht Gesetze), die je ein Vaterunser und zehn Ave Maria enthalten, wobei beim Namen Jesu jeweils eines der vier Geheimnisse – des freudenreichen, des schmerzhaften, des glorreichen, des trostreichen oder anderer – eingefügt wird. Die Rosenkranzschnur umfasst deshalb in der Regel 6 große und 53 kleinere Perlen, Steine o.ä. Meine Großeltern beteten den Rosenkranz jeden Abend vor dem Zubettgehen. Er wirkte bei ihnen wie eine Art Meditation, der sonore, gleichmäßige Tonfall, die sich immer wiederholenden Worte halfen ihnen abzuschalten und den Tag hinter sich zu lassen. Mein Großvater übernahm dabei die Rolle des Vorbeters, während meine Großmutter stets an der gleichen Stelle ihren Part übernahm. Und so kam es einmal vor, daß mein Großvater während des Rosenkranzes todmüde einschlief. Großmutter bemerkte es, löschte das Licht und schlief ebenfalls ein. Irgendwann mitten in der Nacht wachte Großvater auf. Im Halb-schlaf rüttelte er Großmutter wach und wies die schlaftrunkene und völlig ver-dutzte Frau an: "Kätt, holl ab!"

De Hogelmann Wenige Meter vom Haus entfernt befindet sich seit alters her "de Borre" - der Brunnen. Früher war um ihn herum ein würfelförmiges Häuschen aus Sandstein errichtet. Ein schräges, nach hinten abfallendes Ziegeldach schützte das kostbare Trinkwasser vor Verschmutzungen. Durch eine alte Holztüre gelangte man zum Brunnenschacht, über dem eine hölzerne Winde mit Kette und Wassereimer saß. Und dann war da natürlich noch die Handkurbel, um die Eimer hochzuziehen. Drei Meter neben dem Brunnen stand ein uralter Nußbaum. Wenn nun der Herbst ins Land kam und der Nußbaum seine Früchte abwarf, konnten die Kinder es kaum erwarten, schon morgens vor der Schule die herabgefallenen Nüsse einzu-sammeln. Jedes Kind wollte natürlich die meisten Nüsse bekommen. Natürlich lagen auch Nüsse auf dem Ziegeldach des Brunnenhäuschens. Das Dach und die Ziegel waren im Laufe der Zeit morsch und brüchig geworden, und es bestand immer die Gefahr, daß eins der übereifrigen Kinder dort einbrach. So drohte meine Großmutter den Kindern, sie sollten bloß vom Brunnen wegbleiben, denn dort wohne der "Hogelmann", ein böser Brunnengeist, der die Kinder mit seinem Haken in den Brunnen hinabziehen würde. Nun hatte aber die gute alte Frau damit genau das Gegenteil des Gewünschten erreicht, nämlich unsere Neu-gierde geweckt. Denn mein Bruder Alfred wollte nun mit aller Macht den Hogel-

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mann sehen. Nichts hielt ihn davon ab, immer und immer wieder um den Brun-nen herumzustreichen und einen Blick auf diesen Geist zu erhaschen. Da das Brunnenhäuschen eigentlich auch sehr baufällig war und über kurz oder lang ersetzt werden mußte, fiel es letztendlich der Spitzhacke zum Opfer und wurde durch eine einfache Betonplatte ersetzt, auf der oben drauf eine Schwen-gelpumpe angebracht war. So wartet der pädagogische Hogelmann in seinem dunklen Verlies auch heute noch immer vergeblich auf seine Opfer.

Tochter maladd Als im Ersten Weltkrieg (1914-1918) die Franzosen unser Land besetzt hatten, verbreitete sich in der Bevölkerung die Angst vor plündernden Soldaten. So hat-ten sich meine Großeltern eine List ausgedacht. In das Bett der Tochter Anna - im vorderen Zimmer - hatten sie ihre paar Habseligkeiten, die ihnen einigerma-ßen wertvoll erschienen, dazugepackt. Als nun Soldaten an der Haustür klopften, konnten sie bereitwillig eingelassen werden. Sie durchsuchten alle Zimmer nach Eßbarem und kamen auch so in das erwähnte Krankenzimmer. Sie wollten das Licht anknipsen, aber das Licht funkti-onierte nicht. Denn hinter dem Bett gab es einen zweiten Schalter, der parallel geschaltet war. Wenn nun ein Schalter ausgeschaltet war, konnte man das Licht mit dem ande-ren allein auch nicht anschalten. "Licht kaputt, Tochter malad". Ja, das Licht war kaputt, und die Tochter war krank. So hatten sie von ihren Vorräten abgelenkt, und die Soldaten mußten wieder mit leeren Händen weiterziehen.

Das rote Plisseekleidchen Die Tochter unseres Nachbarn erzählt heute noch folgende Geschichte: Als klei-nes Mädchen war sie ständig in unserem Haus. Hier fühlte sie sich besonders wohl und verbrachte hier einen großen Teil ihrer Kindheit. Ihre Eltern berichteten sogar darüber, daß sie einmal ihre "Schlappen" verloren hatte, nur um möglichst schnell bei "Gille" zu kommen. So war es auch einmal an Ostern. Der Osterhase hatte eine neues rotes Plissee-kleidchen gebracht, und das mußte natürlich gleich der "Gillemodder" vorgeführt werden. Vor Freude und Begeisterung machte sie ihre Vorführungen und tanzte in der Küche herum. Leider hatte meine Großmutter kurz zuvor das sogenannte "Schweinesaufe", also einen Eimer mit Schweinefutter, vorbereitet, und dieser stand ebenfalls noch in der Küche. Wie es kommen mußte, auf einmal saß unsere kleine Prinzessin in ihrem neuen roten Plisseekleidchen mitten im Eimer mit dem Schweinefutter und mußte an diesem Tag ohne das neue Kleidchen ins Hochamt gehen.

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Die Maul- und Klauenseuche In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wütete in unserer Gegend die Maul- und Klauenseuche. Die Ställe wurden gekalkt und die Häuser mit einem Drahtzaun abgetrennt. Menschen und Tiere wurden wochenlang unter Quarantäne gestellt und durften das Haus nicht verlassen. Die gemolkene Milch wurde in den Abfluß geschüttet. Ein Beauftragter der Gemeinde besorgte die notwendigen Lebensmit-tel. Niemand durfte zu Besuch kommen. Es war eine schlimme Zeit für die Be-troffenen. Als aber ein paar Wochen später die Seuche in den Stall meines Onkels in der Nachbarschaft übergriff, freute sich nur einer: meine Cousine. Denn nun hatten sie auch die Seuche und konnte wieder ungehindert unsere Familie besuchen.

Warum ich mir das alles antue Als ich 1984 das Haus übernahm, war es für mich über lange Jahre nur eine Be-lastung, ein Lager für nicht mehr benutzte landwirtschaftliche Gerätschaften, al-tes Mobiliar oder ungenutzten Plunder. Nachbarn hatten Baumaterial und Farbe untergestellt, an den Wänden hingen Tüten mit Tee und Trockenblumen, längst vergessen und zugestaubt. Plunder vom Sperrmüll, kurzfristig untergestellte Mö-bel, die auf Jahre nicht mehr abgeholt wurden, alles Mögliche und Unmögliche war hier anzutreffen. Weggeworfen werden durfte nichts, alles konnte irgend-wann wieder Verwendung finden oder war mit Erinnerungen behaftet. Ersatzteile von Autos, die man bestimmt nochmal verwenden konnte, Glasscheiben fürs Frühbeet, das alte Fahrrad vom Großvater, die Ersatzreifen vom alten Mistwagen, der alte Holzpflug, der vor 50 Jahren nach mündlichen Überlieferungen so richtig teuer war und den man nicht wegwerfen durfte. Und so weiter und so weiter. Die Erhaltung des Hauses war ursprünglich vielleicht nur eine Trotzreaktion. Angeblich mit zwei linken Händen ausgestattet, fing ich mit Kleinigkeiten an, weil ... was sollte ich schon kaputt machen. Das Ausräumen, das Sortieren zwischen Brauchbarem und Unbrauchbarem, das Entkernen beschäftigte mich die ersten Jahre. Ich änderte hier was, da was, steckte hier ein bißchen Geld rein, da ein bißchen, und merkte irgendwann, daß ich jetzt schon zu viel drin hineingesteckt hatte, um jetzt noch aufhören zu können. Dann das Beschaffen von Originaltei-len, die Planung einer sinnvollen Konzeption mit möglichst vielen authentischen Gegebenheiten. Die Auseinandersetzung mit Fachleuten, die eigentlich nur von modernen Baustoffen und von aktuellen Bautechniken Ahnung hatten. Die Aus-sprache mit Architekten, die sich hier – nach meinem Eindruck - ein Denkmal setzen wollten. Ich denke noch an einen Vorschlag, aus der Scheune ein Atrium zu machen und das Dach zu einer Lichtkuppel auseinanderzuziehen. Oder den vertraulichen Vorschlag eines Bekannten, alles abzureißen und hier einen Park-platz oder - wie zu dieser Zeit üblich – ein Mehrfamilienhaus im Rahmen des so-zial geförderten Wohnungsbaus zu errichten (wie dies in unmittelbarer Nachbar-schaft geschehen ist). Doch das alles sollte mich nicht von meinem Vorhaben abhalten.

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Ich besuchte Lehmbauseminare im Elsaß, um die Zwischenwände und Geschoß-decken wie früher rekonstruieren zu können und suchte auf Flohmärkten und über Bekannte nach Originalteilen, nach Sandsteingewänden, Türen, Beschlägen, Schlössern, nach Fliesen und Einrichtungsgegenständen. Außerdem fand ich im Laufe der Zeit auch gute Handwerker, die noch das Wissen um die alten Techni-ken und die notwendige Sensibilität für den Umgang mit natürlichen Materialien besaßen. Die Leute, denen ich von meinem Vorstellungen erzählte, hörten zwar interessiert zu, betrachteten es aber als eine Art Marotte nach dem Motto "wenn's Spaß macht oder froh" oder "es ist halt dein Hobby ...". Ich hatte das Gefühl, daß man mich nicht ernst nahm. Aber auch das konnte mich nicht davon abbringen. Denn da war noch mehr, ein tiefer Sinn von Verwurzelung, von Heimat, von Ge-heischniß, dichter Atmosphäre, wie ein Band zwischen mir und dem alten Haus. Ich hatte die ersten Kindheitsjahre dort verbracht, und es hatte mir immer Zu-flucht geboten, war ein idealer Abenteuerspielplatz, Hort einer extrem hohen Kreativität und Anregung für phantasievolle Freiräume. Niemand legte mir Be-schränkungen auf, ich war mein eigener Herr. Und doppelten Reiz machte es, weil nur wenige mit mir Sinn und Wert in der Arbeit darin sahen. Heute sehe ich mich als Glied in einer Kette. Ich sehe meine Aufgabe darin, das Haus meiner Vorfahren zu erhalten und es für zukünftige Generationen zu be-wahren und nutzbar zu machen. Für mich ist dieses "Lebenswerk" was für andere Therapie ist – die Suche nach dem "Wer bin ich, wo komme ich her, wo will ich hin?" Ich bin die achte Generation im Haus. Vierzig Kinder sind hier im Haus geboren worden, und zwanzig Menschen - meine Vorfahren - sind auch hier im Haus gestorben. Wieviel Leid und Freude dieses Haus schon erlebt hat, kann ich nur erahnen. Aber ich erlebe auch immer wieder, mit wieviel Begeisterung Besucher erzählen, wie gern sie als Kind hier waren und mit den jeweiligen Bewohnern das Wenige teilten, was sie besaßen. Ich hatte die Chance, ein heruntergekommenes, abbruchreifes Haus wieder mit Leben zu füllen, und ich weiß heute, daß hier mein Leben stattfindet.

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Aufwand Wieviel finanziellen Aufwand das Haus letztlich gekostet hat, kann ich nicht sagen und meinen persönlichen Zeiteinsatz nicht berechnen. Alles, was ich in den letz-ten Jahren an Geld und Zeit übrig hatte, ging in das Haus. Ich kann nur über fi-nanzielle Einzelmaßnahmen berichten. Außerdem wurde ich im Rahmen des Denkmalschutzes und öffentlicher Fördermittel bei Projekten wie der Dacheindek-kung und der Neubeschaffung von Fenstern und Türen bezuschußt.

Auszeichnungen

Im Jahre 1990 wurde unser Haus beim Saarländischen Wettbewerb der Bauern-häuser auf Kreisebene mit dem Ersten Preis und auf Landesebene mit der Bron-zemedaille ausgezeichnet.

Danksagung

Ich danke vor allem - meinem Vater Johann Hans (+ 1998), der mich mit Rat und Tat unterstützte - meinen Freunden, Nachbarn und Verwandten, die mir im Rahmen ihrer

Möglichkeiten weiterhalfen und die hier aufzuzählen den Rahmen dieser Dokumentation glatt sprengen würde

- Herrn Paul Mees für die fachmännischen und sensiblen Schreinerarbeiten - Herrn Werner Schmitt für die freundschaftliche Hilfe in vielen Anliegen - Herrn Dr. Schneider vom Staatlichen Konservatoramt Saarbrücken und Herrn

Brill von der Unteren Bauaufsichtsbehörde/Denkmalschutzamt St.Wendel, für die Unterstützung in Fragen des Denkmalschutzes und die gute Zusammenarbeit

- Firma Ames aus Tholey (Fenster und Außentüren) - Firma Urig & Sieger aus Bliesen (Dacheindeckung) - Firma Bauplan-Werno aus Primstal (Decken- und Dachisolation) - Firma Martin Schwenk aus Wellesweiler (Fliesenverlegearbeiten) - der Kreisstadt St. Wendel