Gilles Deleuze Das Zeit:-Bild

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Im ersten Band seiner Untersuchung hatte Deleuze das Bewegungs-Bild betrchtet, das nur ein indirektes Bild der Zeit gibt: die Zeit entsteht durch Sukzession, durch das Vorher und Nachher der Bewegungen, zu- sammengehalten durch ein sensomotorisches Band, ablesbar an der Technik der Montage. Etwa seit 1945, mit der Krise des Aktionsbildes im amerikanischen Kino und dem Aufkommen des italienischen Neo- realismus, lockert sich dieses Band immer weiter, die sensomotorischen Situationen weichen rein optischen und akustischen. Bilder und Töne verselbständigen sich, werden » Denkbilder« , müssen »gelesen« werden. Das Zeit-Bild hebt das Bewegungs-Bild nicht auf, es befreit nur die Zeit aus ihrer Abhängigkeit von der Bewegung. Die Zeit ist nicht mehr das bloße Derivat der Bewegung, sie wird vielmehr unmittelbar dargestellt. Die Akteure agieren nicht mehr, die Handlung bleibt in der Schwebe, und in das Intervall bricht die Zeit ein; die Personen bewegen sich scheinbar ziellos durch rätselhafte Räume, sehen und hören, erinnern sich oder unterliegen Erinnerungstäuschungen. Von Gilles Deleuze (1925- 1995) sind im Suhrkamp Verlag zuletzt er- schienen: Foucault, 1987 ' und 1992 (stw 1023); Die Falte. Leibniz und der Barock, 1995. Gilles ! Deleuze Das ZeitBild Kino 2 Übersetzt von Klaus Englert Suhrkamp

Transcript of Gilles Deleuze Das Zeit:-Bild

Im ersten Band seiner Untersuchung hatte Deleuze das Bewegungs-Bild betra,chtet, das nur ein indirektes Bild der Zeit gibt: die Zeit entsteht durch Sukzession, durch das Vorher und Nachher der Bewegungen, zu­sammengehalten durch ein sensomotorisches Band, ablesbar an der Technik der Montage. Etwa seit 1945 , mit der Krise des Aktionsbildes im amerikanischen Kino und dem Aufkommen des italienischen Neo­realismus, lockert sich dieses Band immer weiter, die sensomotorischen Situationen weichen rein optischen und akustischen. Bilder und Töne verselbständigen sich, werden » Denkbilder« , müssen »gelesen« werden. Das Zeit-Bild hebt das Bewegungs-Bild nicht auf, es befreit nur die Zeit aus ihrer Abhängigkeit von der Bewegung. Die Zeit ist nicht mehr das bloße Derivat der Bewegung, sie wird vielmehr unmittelbar dargestellt. Die Akteure agieren nicht mehr, die Handlung bleibt in der Schwebe, und in das Intervall bricht die Zeit ein; die Personen bewegen sich scheinbar ziellos durch rätselhafte Räume, sehen und hören, erinnern sich oder unterliegen Erinnerungstäuschungen. Von Gilles Deleuze ( 1925- 1 99 5 ) sind im Suhrkamp Verlag zuletzt er­schienen: Foucault, 1987' und 1 992 (stw 1 023); Die Falte. Leibniz und der Barock, 1995 .

Gilles ! Deleuze Das Zeit:-Bild

Kino 2

Übersetzt von Klaus Englert

Suhrkamp

Titel der Originalausgabe : Cinema 2. L 'image-temps

© I 9 8 5 Les Editions de Minuit, Paris

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Deleuze, Gilles:

Kino / Gilles Deleuze. - Frankfurt am Main : Suhrkamp. Einheitssacht.: Cinema <dt.>

2. Das Zeit-Bild / übers. von Klaus Englert. - 1997 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 1289)

.ISBN 3-518-28889-X NE:GT

suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1289 Erste Auflage 1997

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1991 Suhrkamp Taschenbuch Verlag

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Satz und Druck: Wagner GmbH, Nördlingen

Printed in Germany Umschlag nach Entwürfen von

Willy Fleckhaus und Rolf Staudt

1 2 3 4 5 6 - 01 00 99 98 97

Inhalt

1. Jenseits des Bewegungs-Bildes

Wie läßt sich der Neorealismus definieren? Die optischen und akustischen Situationen im Gegensatz zu den sensomotorischen Situationen : Rossellini, De Sica. Optozeichen und Sonozeichen : Objektivismus/ Subjektivismus, Reales/Imaginäres. Die nouvelle vague:

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. Godard 'und Rivette. Die Taktilzeichen (Bresson) I I

Ozu, der Erfinder der rein optischen und akustischen Bilder. Die alltägliche Banalität. Leere Räume und Stilleben. Die Zeit als unwandelbare Form . . . . . . . . . . . 26 Das Unerträgliche und die Hellsicht. Von den Klischees zum Bild. Jenseits der Bewegung: es gibt nicht nur Opto- und Sonozeichen, sondern auch Chrono-, Lekto-und Noozeichen. Antonioni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

2. Rekapitulation der Bilder und Zeichen ........... .

Kino, Semiologie und Sprache. Gegenstände und Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , . . . . . . . . . . . . . . Reine Semiotik: Peirce und das System der Bilder und der Zeichen, Das Bewegungs-Bild, die Zeichen-Materie und die nichtsprachlichen Ausdrucksmerkmale (der innere Monolog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zeit-Bild und seine Unterordnung unter das Bewegungs-Bild. Die Montage als indirekte Repräsentation der Zeit. Die anormalen Bewegungen. Die Emanzipation des Zeit-Bildes :. seine direkte Darstellung. Der relative Unterschied zwischen dem klassischen und dem modernen Kino . . . . . . . . . . . . . . .

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satz zu den gewalttätigen Ereignissen, die sich dort abspielen; eine Solidaritätshymne für Bilder der Unterdrückung . . . Kurz, der Tonfilm fügt der indirekten Darstellung der Zeit als veränderli­chem Ganzen eine direkte Darstellung hinzu: reilich eine mu,sika­�sche u,nd n,�12:nic_L::.J!rresponqie-;e�d!. D��E�jJ;rig. Cerade dies ist der lebendige Begriff, der das visuelle Bild über­windet, ohne auf es verzichten zu können. M .. !!!lJyird_l!IiE-���s.h�J:Ü,���g�iLekte DarsJell� �i nicht mit dem zusammenfällt, was sie darstellt, nämlich mit dem �rlichen Ganzen oder ci"er Zeit. Ebenso kann ihre Präsenz äußerst diskontinuierlich oder sogar selten sein. Darüber hinaus

\ können andere akustische Elemente ein_� der Musik analoge Funk­ti6ri�ehmen: etwa die Off-Stimme in ihrer absolu;;r5;����

'-:'llOn als allmäcl1tige und allwissende Stimme (die Stimmodulation von Welles in The Magnificent Ambersons). Das gleiche gilt für die »Qn«-Stimme :.ilie Stimme Greta Garbos behauptet sich gerade 'deswegen im Tonfilm, weil sie in jedem ihrer Filme in einem be­stimmten Moment imstande war, nicht allein die innere Verände­rung der Heldin als affektive Bewegung auszudrücken, sondern Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vulgäre Intonationell,

'1 Liebesgurren, kaltherzige Entscheidungen, lebhaft ve,gegenwär­tigte Erinnerungen und sehnsüchtige Imagination �,':!.. ein_�I}LG.an­

J �en zusammenzuführen (seit ihrem ersten Tonfilm Anna Ch�/-�telcI1terzieTt Delphine Seyrig eine ähnliche Wirkung in Resnais' M uriel, indem sie in ihrer Stimme das veränderliche Ganze aufnimmt, den Wechsel von einem Krieg zum anderen, von einem Boulogne33 zum anderen. Im allgemeinen wird die Musik von dem Augenblick an " On«, in dem man ihre Quelle im �--'­len Bild erblickt, ohne daßsreäaDe11hre Kraft veiIrert-:1J'leSe]5er=­'IDutatlö;:;-;;�'werden nachvollziehbarer, wenn man einen scheinba-ren Widerspruch zwischen den beiden Konzeptionen ausräumen \ kann,-aufolewlruns nacheina-;-der berufen haben: de;\Vid�r­'sprucl1 zwischen FaQQs »·��;r.isch'�� .KQii.:Qg����l:Iri(fIan:s:ens--' ��dkörper« . Es genügt nicht herauszustellen, d;ß sie sich beide gegen das Korrespondenzprinzip wenden. In der Tat bilden alle akustischen Elemente, einschließlich Musik und Stille, in ihrer Zugehörigkeit zum visuellen Bild ein Kontinuum. Dies hindert das ,Kontinuum allerdings nicht daran, sich gemäß den beiden Aspekten des hQLs-champ, die ebenfalls als relativer ulld'äbsöTufir --r '.__ ,_"� ___ ,�,�" __ , __ �,_ .� __ .,

Aspekt dem visuellen Bild angehören, unablässig zu differenzie­;CU. InsofernsiertäSA15Sölüre aäisteltfodeToevotkert:interag'iert ,He Musik als ein Fremdkörper. Aber das Absolute oder das verän­derliche Ganze fällt nicht mit seiner direkten Darstellung zusam­men: aus diesem Grund stellt es unaufhörlich das akustische Kontinuum - »Off« und »On« - ständig'wieder her llrnrtezie11t es au1dleVlsüe1Teii1311der, die Ihm i�dTrekt"z��'Ä�;dr�ck .���hel­fei1-:-Nun hebt'diCs�';'z�eite Aspekt den ersten aber keineswegs auf, sondern bewahrt der Musik ihre besondere, eigenständige # Kraft.34 Es bleibt also dabei, daß das Kino. eine im Grunde visuelle Kunst ist'li;J d;lrd��b�heK���ch;7uT;;;b;z�g�� ist,Sich in zwei Ric tungen, in zwei ��erogene Strahleru!i![e�en­ziert,'slchdabe'l'aber auch ern�t und wiederherstellt. Diese ri1aCIi tig'; BewegungbeWlrkrÖ-ererrS"ml""Stümm1lf�� daß die visuel­len Bilder in das veränderliche Ganze eingehen, daß sich dieses Ganze gleichzeitig aber auch in den visuellen Bildern »veräußer­licht« . Mit Ton, Rede und Musik nimmt der Kreislauf des Bewe­�ungs-B1TdeS eine neue Gestalt �unre��lilI;ßt:illiig�])��" s�teil.e';Un(r([ennoch bewahrt er die Kommuni­"katIOn zwischen dem Bild und einem von Mal zu Mal reicher und komplexer gewordenen Ganzen. In diesem Sinne kann man von einer Vo,Jl�����L���� St���m�os. ... �I;l.�.� ... �.�!:.o . .I�ol}filIE.,�R[�E4_<:�· Wir haben ge-sehen, daß das Kino - als Stummfilm oder als Ton-film -; aus einem endlosen »inneren Monolog« besteht, der sich fortwährend verinnerlicht und veräußerlicht: wir haben es nicht �.!!��ache ?ll.!�ondern mit einervlsi)erl�g.M.ßt� das Aussagbare der Sprache is� ®:.:.:Signifi.\>.at in"p'ote'!.�it!:<:, ,!,i� rr der Linguist Gustave Guillaurne gesagt hätte) und die im einen Fa� V �uf indirekte Aussagen (Zwischentitel) und im anderen auf direkte �, Außerungen (Sprechakte und Musik) verweist.

3 Wir kamen vorhin, unter Berücksichtigung bestimmter Aspekte, auf die »modernen« Autoren zu sprechen. Doch ihre Modernität liegt nicht in dem soeben Angeführten. Der Unterschied zwischen dem sogenannten klassischen und demsogenannten modernen tlno fäl�mit dem Untet7chied zwischen Stumm- und Ton�

film zusammen. Das moderne Kino impliziert einen neuartigeri ' ,Gebrauch des SpracFiTlclien,''"AkliStiSCnenune1'1V1'uSiKiliscnen: Es entsteht dabei in erster AnnäFierung der EindrucK, als ob der Sprechakt danach strebte, sich von seinen Abhängigkeiten vom vi­suellen Bild zu �, undemen elgenstanaJgen-w'ert7Ciner;:;rz'

'arre;:;:; ni�ht-th�atralische Autonomie annähme. Der Stummfilm versetzte den Sprechakt in die indirekte Rede, da er als Zwischenti­tel gelesen werden mußte; das Wesen des Tonfilms lag umgekehrt darin, den Sprechakt der direkten Rede zugänglich zu machen und ihn mit dem vislJellen Bild bei Aufrechterhaltung seiner Zugehö­rigkeit zu ihm, selbst wenn er aus dem Off kam - in die Interaktion treten zu lassen. Im modernen Kino setzte ein ganz besonderer Gebrauch der Stirblll.t;.S�!lI..�E!Ji�!E.!!?s!!r�.�fe:!\:"§�;;di� 'r�� die den Gegensatz von direkt und indi­

' reKt überwindet. Wir haben es nicht mit einer Vermischung des Direkten und Indirekten zu tun, sondern mit einer eigenständigen und unhintergehbaren Dimension in verschiedenen Formen. l5

Auf diesen Sachverhalt sind wir mehrere Male in den vorangegan­genen Kapiteln gestoßen, sei es bei dem zu Unrecht als direkt be­zeichneten Kino, sei es beim Kino der Komposition, das man zu Unrecht als indirekt bezeichnen würde. Gehen wir von dem zwei­ten Fall aus, dann können wir die freie indirekte Rede alL!}..b_e.r: ,gang vom Indirekter:L� DiI::ekt�9!:L2:!!l]K�����!L9,ar?telle,p, 'ob klch dies nichts mit einer V:.:�isch�ng ::,u tun.has. So ha� " mer le flholt darauf Flmgewlesen, wenn er seme Methode er-klärte, daß die Contes moraux Inszenier,:�g�_:::5?,!2.I���E! __ ss;i,�D" ,

. die ursprünglich in indirekter Re�::2�Eill.!:':ld!l4,�Est d�!1,Il�Qig� 'J'ö'&!ö"r� um�en _�u"0Ien : die Stimme aus dem Off ver­sellwindet, und sogar der Erzähler tritt in direkte Beziehung zu einem anderen (beispielsweise mit der Schriftstellerin in Le Genou de Claire), doch unter Bedingungen, die es der direkten Rede ge­statten, die Spuren eines indirekten U;rsprungs zu wahren und sich nicht an der ersten Person festmachen zu lassen. Außer den Serien Contes moraux und Comedies et proverbes waren es besonders die großartigen Filme Die Marquise von 0 . . . und Perceval le GaUois, die dem Kino die Macht der freien indirekten Rede verliehen, s.o wie sie in der Literatur Kleists, oder im mittelalterlichen Roman vorkommt, in dem die Figuren von sich in der dritten Person er­zählen können (» Sie weint« , singt Blancheflor?7 Man könnte sa-3 1 0

gen, Rohmer habe im Vergleich zu Bresson den umgekehrten Weg beschritten, der sich selbst zweimal auf Dostoevskii, d einmal a�f d.en mittelal:e�lic�en Roman ge.stützt ?at. ��?s2n ist es namhch mcht dIe mdlrekte Rede, dIe als dIrekte E�t wird; ·15eH:�ar .���:!§�f:�� a;rekt: :ß�2��Qril()g, " �,i�!.!,,:,v'Yrd�'. ars 05 er voii 'einer �mderen Figur vorgetra­gen würde: die' berlihm·te'"'Bressü;;:sC!l"e"St'{mme; 'dle' St'imme 'des ;>ModeTl';; im Gegensatz zur Stimme des Theaterschauspielers, hat hier ihren Ursprung; denn im Theater spricht die Figur, als ob # sie ihre eigenen Reden von einem anderen vorgetragen hörte, um schließlich eine Literalität der Stimme z..!!.. erreichen, sie von jeder direkten Resonanz abzuschneiden und sie zur freien indirekten Rede zu bewegen.l8 Wenn es richtig ist, daß das moderne Kino den Zusammenbruch des sensomotorischen Schemas voraussetzt, dann fügt sich der Sprechakt nicht mehr in die Verkettung von Aktionen und Reak­'fiCii1'eii em üiiddecktnlChtmeIir ein -Gewebe �y.�� Interakti�� ;:Ufo Er zl�E.t;;�h;�Gich selbst ;urück,-�;drti-;;-ktk�T�;Abh�ng1g: ke!tVqm oder Zugehörigkeit zum visueller:) Bild mehr aus, er wird zu einem vollwertigen akustischen Bild, er gewinnt eine kinema­tographische AüConomie, und das Kmowird wahrhaft a:üdiö-vi:

'süd!. Gerade dies b�wirWe Einheit aller neuartigen Formen des Sprechaktes, wenn er ins Reich der freien indirekten Rede über­wechselt: es ist dieser Sprechakt, durch den der Tonfilm schließ­lich autonom wird. ES1iäi1dertS� nicht mehr u�-'Akti�;/ Keäkci;n, '�;I;-;;:�;;ktion, nicht einmal mehr um Reflexion. Der Sprechakt hat seinen Status1fean-dert.-i3"eZieFrt�maii siaCaüCdas ci­!!:..ema »dires!« , dann trifft man vollends auf diesen neuartigen Sta­tus, der der Rede den Wert einer freien indirekten Rede verleiht: es ist dies das""��TJe'f5'pfecliakt wird bel"ROüCl1-ocferbei Per�ult zum Äktd-;sFab�lierens; er wird zu dem, was Perrault » Legendenbildung in flagranti« nennt und was politische Bedeu­tung annimmt, insofern es bei der Konstitution eines Volkes eine Rolle spielt (nur von hier aus wird sich ein cinema direct oder ein cinema vecu bestimmen lassen). Und in eihem Kino der KomJ?osi­tion, das wir bei Bresson und Rohmer find"en, wird ein ähnliches

"Resultat auf anderen Ebenen und mit anderen Mittel;-errelclit: ;NaCh Rohmer gestattet uns die Analyse der Lebensgewöhnheiten � e1n�r G{setlsci'iä1f;'dleSiCli in aer�mtet:'aleRede

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c>tv �"Q�k � als " Wirklichkeit w.mi�de Fabel« [affabulqtion realisante]_l!.�d "ars Sch6pferin des Ereignisses zu entwickeln.39 Bei Bress�et "das Umgekehrte statt: dort steigt die Rede aus de�n zum E;­elgllls empor, um aus ;Fi�ie geistige Dimension �u.g.e:minn"en,"de; ren zeitlose [eternel] Zeigenossen wir sind: es ist das »Innerliche« [internel] Peguys, das Gedächtnis und Legende entstehen läßt. Als freie indirekte Rede wird d/er Sprechakt zum politischen Akt des Fabulierens, zum moralischen Akt einer Geschichte [conte], zum überhistorischen Akt einer Legende.40 Bei Rohmer und auch bei Robbe-Grillet kommt es gelegentlich vor, daß sie einfach von ei­nem Akt der Lüge ausgehen, dessen da,s Kino, im Gegensatz zum Theater, fähig wäre; doch es ist klar, daß der Begriff der Lüge ge­rade hier in besonderem Maße von beiden Autoren in einer Weise gebraucht wird, die über seine gewöhnliche Verwendung hinaus­geht. Das Zerreißen des sensomotorischen affiziert nicht nur c1ei1 rechakt, der sich auf sich selbst zurückzieht und aushöhlt;

,) wä rend die StimmJU!lLLll��1!LiCh��l!?s��."L1E(L�ll.f�ndeE.eJ.ti�":-. \" . m,nv,iW"". Eb,nbll, >11;,;"" , d� ,;,u,ll, Bild, cl" nun . . be. !".L�� ElgeRaume freigibt, nämlich die für das mode�'?1&.üi2.fElIx-;t!tteri­

st1schep:.lm�n.�.aIlgeu:�Q:;t0F1��..während sich die Rede ;us d;m Bild zurückgezogen hat, um zum Gründungsakt zu wer­den, hat es den Anschein, als ob das Bild seinerseits die Funda-mente des Raumes legte, die »Grundlagen« rassiges], jene stum­men Mächte vor und hinter der Rede, vor und hinter den Mep-

Il .schen . . D�s visuelle Bild wird archäol�.gisch, :trati�:a hisch. und tektomsc1. lC t a wir au eme ra Istone zuruckverwles"en

'waren (es glot eine Archäologie der Gegenwart), sondern auf ver­lassene Schichten unserer Zeit, unter denen unsere eigenen Phan-tome verschüttet sind, auf lückenhafte ' Schichten, die sich in verschiedenen Richtungen und Konnexionen aneinanderreihen. Das sind die Wüsten in den deutschen Städten. Aber auch die Wü­sten bei Pasolini, welche die Prähistorie zu einem abstrakten poeti­schen Element machen, zur kopräsenten »Essenz« unserer Ge­schichte und zum archaischen Sockel, die unterhalb der unsrigen eine unendliche Geschichte enthüllt. Oder es sind die Wüsten An­tonionis, die im Grenzfall nur noch abstrakte Spuren aufweisen und die vervielfältigten Fragmente eines ursprünglichen Paares verdecken. Desgleichen die Fragmentierungen Bressons, die die 3 12

Raumteile - jedes für sich abgeschlossen -wieder zusammenfügen und verketten. �ei Rohmer ist es der weibliche Körper, der frag­mentiert wird, dessen Bruchstücke zweifellos Fetischen ähneln oder Bruchstücken einer Vase oder eines irisierenden Tongefäßes, das dem Meer entstammt: die Contesmoraux sind eine archäologi­sche Sammlung aus unserer Zeit. Und in Perceval le Gallois sind das Meer und insbesondere der Raum von einer Krümmung affi­ziert, die sich all den fast abstrakten Bahnen aufzwingt. In Per­raults Un royaume vous attend ziehen im Morgengrauen die gemächlich fahrenden Traktoren Fertighäuser heran, um die Landschaft wiederum der Leere zu überlassen : man hatte die Men­schen hierher geführt, nun führt man sie wieder weg. Le Pays de la terre san� ar'?re ist ei�. �:i�.�:��:E�� iI'l5tt!!!! .. �.!fh..g�.Qgr.a.I?bi�c,hei " kartographische und archäologische Bilder auf den abstrakt ge- ) ���;���������a:��:���1�f�iji�n�����aft����:����� \ ve'rlinderTichen Schichtungen, welche durch die Figuren selbst hin- . durchgehen und beispielsweise in L 'Amour d mort zur Begegnung des Botanikers und Archäologen führen, der von den Toten zu­rückgekehrt ist. Doch erst in den leeren und bruchstückhaften stratigraphischen La�dscFiaften belS;:raubfoli;-di�-K;;;;:�;�b�:' wegun'gen(Iills'e's;-5esonaers�beraenPaiioramaaufnahmen; li b��:

. --,-,---_.�. " . ��.�.���._" .. _.�"_.� ... ".� ."_ . ,. .... -._ .. - ... .... ...

. ....... . Fiaupt .we�ll�J;ibt) dem .. abstrakten Bogen des . Geschehenen; ���;:�1:i:���o:��:s������}�::���t�\

Ihre Waffen versteckt haben, oder auch, in I Cani del Sinai, die Marmorbrüche und die Landschaft Italiens, in der ganze Bevölke­rungen niedergemacht wurden, sodann, in Dalla nube alla resi­stenza, das mit dem Blut der Opfer getränkte Wci��?feld (oder die auf die Wiese und die Akazien gerichtete Einstellung) und schließ­lich die Landschaft Frankreichs und Ägyptens in Zu früh/Zu spät.4' Auf die Frage, was eine Straubsche Einstell.!!!]g ist, kann man nach Art eines StratigraphieleFirbü�cl1s-ant;-;;ten: �in Profil, das aus punktierten Linien verschwundener Fazies 's�wie' a�s durchgezogenen Linien solch��auraTe man noch stö�t:Das visuelle BlldbciStraub ist der FeIs": ·· ... --_ .•• �-;�L;;;:;��?d »a.bget;e�nt<; sind si��rli�h�tdie geeignetsten Il Worte. Em leerer Raum ohne Figur (oder ein Raum, in dem die Figuren von der Leere zeugen) besitzt eine Fülle, der nichts man-

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gelt. Die abgetrennten, voneinander abgekoppelten Raumfrage: mente sind Gegenstand einer spezifischen Neu-Verkettung über das Intervall hinweg :EI�k�dig!iE� das �er Verbindung, die sich auf unendlich viele �.n" herstellen kal!.n. Geht man vo'niliesein Versäildn{S'au;; dann kann das archäologische o�he Bild zur glei­.s�en Zeit gelesTnUn"d�eseFien 'Y.�. Wenn die I:illder�ch�ni�t· mehr »auf natürliche Weise« verketten, wenn sie zeigen, daß fal­sche Anschlüsse und Einstellungswechsel systematisch verwendet werden, dann könnte man mit Noel Burch sagen, daß sich die Ein­stellungen selbst »drehen« oder »umkehren« und daß ihre Wahr­nehmung " eine beträchtliche Anstrengung des Gedächtniss�;(r ':Oer Ima�m�ers .ßesa�t; eine Lektt;:re erfor�Genaus'o' '!si: es bei Straub� nach Daney gleichen Moses un'"'d'ifron zwei Figu' ren auf der Vorder- und Rückseite eines leeren Blatts oder einer Münze : »etwas, was vereint und dann getrennt ist derart, daß beide Ansichten zur gleichen Zeit sichtbar sind« ; und in den mehr­deutigen Landschaften selbst kommt eine regelrechte »Koales­zenz« des Wahrgenommenen mit dem Erinnerten, Imaginierten und Gewußten zustande.42 Nicht mehr in dem Sinne, wie man frü­her sagte: Wahrnehmen ist Wissen, Imaginieren und Sich-Erin­nern, sondern in dem Sinne, daß die Lektüre eine Funktion des Auges, eine Wahrnehmun der Wahr�ung, näml�h eine sor' c e ahrnehmung ist, die die Wahrnehmun� nicht erfaßt;"üline zug1eJC11deren�Kehr��(rer Wis'sen "::Zij erfassen . Kurz, was wals Lektüre des visuellen Bildes b;

\ zei�:-;;-;eine s'trät1grapJiiScIi'eBeschaffenheit, die U�keh­nnrg-a'e��Blr(fesunaaer korrespondie;�nde Akt der �;h-' mung, der unablässig die Leere in Fülle verkehrt und Vorderseite un Rückseite vertauscht. Lesen heißt: Bilder neu verketten, nicht nur verketten; es heißt: Bilder drehen, umkehren, statt bloß der Vorderseite zu folgen: eine �uartige �Iytik des Bildes. Zweifel­los wurde seit dem Beginn des Tonfilms das visuelle Bild als sol­ches lesbar. Doch hatte dies seinen Grund darin, daß der ToiJ. aufgrund seiner Zugehörigkeit oder Abhängigkeit etwas in diesem Bild sichtbar machte und selbst sichtbar war. Eisenstein schuf, im tE��I�c.�. auf di� MU��11��eri11'iTclei:JVeil au;;h" " damals die Musik etwas slCIrtbar machte, indem sie dem Auge eine unumkehrbare Blickrichtung aufzwang. Jetzt, im zweiten Sta-

\. ' -

,dium des Tonfilms, verhält es sich völlig anders. Die �ehörte Red,e macht nun nIchts mehiS"lcFit6ar und wird auch nIcht mehr gese-...."-"--_.�� •• � •• _ .. __ .�" •••• oo ........... d· .• " •••. oo •• , ••• " • • ,,".,c" " ' " ," ' " " hen, da sie vom visuellen Bild unabhängig wir , währenddas Bild

�elbst eine neue Lesbarkeit der Ding'e erschließt unifzu eInem ar­chäologischen oder besser stratigraphischen Schnitt wird, der ge­lesen werden muß: »der Fels wird von Worten nicht berührt«, heißt es in Dalla nube alla resistenza. Und in I Cani deI Sinai ana­lysiertJean-Claude Bonnet den »großen zentralen Spalt« , die »tel- . lurische, geologische, geophysikalische« Sequenz ohne Text, in ' \ denen die Landschaft lesbar wird als Ort »der Einschreibung von Kämpfen, als leeres Theater von Handlungen« .43 ,>"�� kommt im Zusammenhang mit dem visuellen Bild eine neue Be­�.:;ng, während d!:!_.§E.r.echakt als solcheI . ..2JHP -Mon��!!: . .

aKustischen Bild wird. EsTst';;-ft�ili�gclli1ift worden1..9aß das modern�Kino if!M>05:.. .��Clem Stummfilm nähers e e ��es .Th.ufiJms.:..nicht nur weil es gelegentlich auf Zwischentitel zurück­greift, sondern auch weil es ein anderes Mittel des Stummfilms ver­wendet, nämlich, das Einstreuen von Schrif��visu�1l"�,,!3j19 (Schreibhefte, Briefe oder bei Straub in Stein eingehauene oder versteinerte Inschriften, »Gedenktafeln, Kriegerdenkmäler, Stra­ßennamen . . . «) . 44 �!:l�:!A,�!lDoch�bes!�h tj;�ille....YITanlas.sJJllg,._d.ill> JE.29..e.Ll!:;.J5in9_miLdeID-.S.t.w:nmfi.l..m-e.o.g.e�,,!'9-i-H4eFl-als-tnit dem ersten Stadium des Tonfilms. Im $tummfilm haben wir näm­lich zwei Arten von Bildern vor uns - die gesehenen und die gele­senen (Zwischentitel) - oder zwei Bildelemente (Inserts). Jetzt � en muß das visuelle Bild als anzes elesen werde�:-Undilie 'Zwischentitel und die Inserts drehenlediglich noch ie InterpunK--. >�"---"-����" '''''' - -" �..§.tratigraphischen Schicht 2.9iI.;:tl.§_�riUl.d.erlkhe Verbln-5f!! von eiDer Schicht Zllf and.tten, als Übergänge �-;;�"'�;�er zur anderen (daher zum Beispiel die elektronischen Transforma­tionen des Schriftlichen bei Godard).45 Wir können also sagen, daß im modernen Kino die Lesbarkeit des visuellen Bildes - die »Auf­gabe«, das Bild zu lesen - nicht mehr, wie im Stummfilm, auf ein spezifisches Element und ebenfalls nicht mehr, wie im ersten Sta­dium des Tonfilms, auf eine allgemeine Wirkung des Sprechakts auf das gesehene Bild verweist. Q�ak.t.s0if1"'fl..p..lil.t;.z-w.o,,,-­anders eingenommen und seine Autonomie edaIl§t-hat,...de.ckt_das v'isüeneB11clselnerseJtselne A";chäologie und eine Stratigraphie

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auf, das heißt eine Lektüre, die das Bild als ganzes - und n\.ir e�-'5ie"'AstJ'i'etflrth�s'vlsllel1eh"13tlctEs" nlmmTaIso' ej�en ileilei1"'Z'i:igan: seine pikturalen oder skulpturalen Eigens(;��ften sind von einer geOIOgIsChen und tektonTsChen-Kraftabh�ri:'iigr;Ye ';ae an den FeE"en Cezannes sichtbar wird. Bei StraU"b wird diese Entwicklung am weitesten vorangetrieben.46 Vom visuellen Bild stammen die geolggischen Schichten oder Fur:däm�rena-'�

-_._- .. _.. ---·" ----.--1-.··�--�--- -.--'." . Sprache oder Musik ihrerseits den AKt der- ätherisC'l'ien -: Grund-regungu���on daher wird �TI�T�ht'Ö;:�;ungeheu�e Paradoxie verständlich : denn Ozu war es, der bereits im Stumm­film leere und abgetrennte Räume erfunden hatte, ja sogar Stille­ben, welche die Schichten des visuellen Bildes aufdeckten und es als solches einer stratigraphischen Lektüre unterzogen ; dadurch gelang ihm eine Antizipation des modernen Kinos, die des TC,n­films nicht mehr bedurfte; und als er sich- sehr spät und wiederum als Vorläufer - dem Tonfilm zuwandte, beschäftigte er sich so­gleich mit dessen zweitem Stadium : mit einer »Dissoziation« der zwei Kräfte, aus der ' .. kt hervor ehen, mit ciner » Ar--. eltsteilung zwischen präsentierendem-Bild ��dr�pr�sentierenger

Stimme« .47 Im modernen Kino gelangt das visuelle Bild zu einer neuen Ästhetik: es wird selbst lesbar und nimmt eine Kraft an, die es in der Regel im Stummfilm nicht gab, während der Sprechakt seinen Ort wechselt und eine Kraft annimmt, die es im ersten Sta­dium des Tonfilms nicht gab. Der ätherische Sprechakt schöpft.g,�s, . . Ereignis, das aber stets quer zu den visuellen tektoniSc1iei1Scfij(;h.� j�liegt: Qeide Bannen durchdringen einander. Er sChöpft a;s Er­eignis, aber in einem ereignislosen Raum. Das moderne Kino ist gekennzeichnet durch ein » Hin und Her zwischen Rede und Bild« , das einen neuen Bezug zwischen beiden erfinden muß (nicht nur bei Ozu und Straub, sondern auch bei Rohmer, Resrtais und Robbe-Grillet . . . ).48 Im einfachsten Fall vollzieht sich diese neue Verteilung des Visuel­

len und Sprachhch.:.�i�hen, aber nUnmenf auCliöVisuel1en �A11Cf1e�ngt nach einer7aa:iE,?jiK7insoferil'-iVii- in einer neuartigen Weise das Visuelle lesen und den Sprechakt auf neue Art hören müssen. Aus diesem Grund spricht Serge Daney von einer »Godardschen Pädagogik« und von einer » Straubschen Päd­agogik« . Das Spätwerk Rossellinis wäre der erste Ausdruck dieser großen Pädagogik, ihr einfachstes und bereits gültiges BeispieL Es

ist, als hätte Rossellini eine absolut unerläßliche Grundschule neu erfunden mit ihrer Sach- und Wortkunde, ihren Grammatikstun­den und ihren Übungen im praktischen Umgang mit den Gegen­ständen. Diese Pädagogik, die nicht mit einem Dokumentarfilm oder einer Reportage verwechselt werden darf, wird besonders in La Prise de pouvoir par Louis XIV deutlich. Ludwig XIV. gibt dem Schneider eine Unterrichtsstunde in Sachkunde, indem er ih� die Bänder und Schleifen ans Muster des Hofkostüms heften läßt, und dann wieder eine Lektion in einer neuen Grammatik, in wel­cher der König das einzige Äußerungssubjekt ist, während sich die Dinge nach seinem Plan gestalten. R<?��ellinis P��gik o�, i;ser, s�.ne » D���tik« beste.ht nicht in de�ie��be von Re-en oder Im �0'zelgen der Dmge, sondern m der FrelfegunfCler

.emr�henSt!"E1s� der Red';'i:ii1CIdes .?prech�ktssow;eln(rer·all:: tägl!:�n FertiK�_���g�g.ens!�.�g.eJ gro'[fenodetkfei'iien:"hand'­werklichen oder industriellen Arbeitsvorgängen. Il M essia verbin­det die Gleichnisse als Sprechakte Christi mit der Herstellung von Handwerksgegenständen ; Agostino d'Ippona verbindet den Akt des Glaubens und die neue Skulptur (ähnlich den Gegenständen in Blaise Pascal und dem Markt in Socrate . . . ). Zwei Bahnen verei­nigen sich. Das Interesse Rossellinis giltdabei dem » Kampf« beim Entstehen des Neuen; nicht als ein Kampf zwischen den beiden Bahnen, sondern als ein Kampf, der sich nur im Durchgang beider, in ihrem Hin und Her manifestieren kann. Unterhalb der Diskurse gilt �s, den neuen Stil des Spr�chakts aufzufind�n, der sich j edes-f\ mal Im Kampf der Sprache mit dem alten entWICkelt, ebenso wie es gilt, unterhalb der Dinge den neu entstehenden Raum in seinem tektonischen Gegensatz zum alten aufzufinden. Der Raum Lud­wigs XlV. ist Versailles, der geordnete Raum im Gegensatz zu dem engen und vollgestopften Raum Mazarins, aber auch der in­dustrielle Raum, in dem die Dinge serienmäßig produziert wer­den. Ob es sich nun um Sokrates, Christus, Augustinus, Ludwig XlV., Pascal oder Descartes handelt, ihre Sprechakte entziehen sich dem alten Stil, während der Raum eine neue Schicht bildet, welche die alte zu überdecken sucht; allerorten markiert dieser �...welt.-dit:...YQ!Lein�!!!.hl�toris(;h�n Augen-

�o';;���::����} • �,!!.ll<ig,:�.clllcllt�n:L!iJll,l!!L!;>"��":.ndelt Sich hier Um eme Ge-

schichtskonzeption, die in einem das Komische und das Dramati­sche, das Außergewöhnliche und das Alltägliche zusammenführt: neue Sprechakttypen und neue Raumstrukturierungen. Mit ande­ren Worten : eine »archäologische« Konzeption, fast im Sinne Mi­chel Foucaults . Godard wird diese Methode übernehmen, um sie zur Grundlage seiner eigenen Pädagogik und Didaktik zu machen: von den Lektionen in Sach- und Wortkunde in 6 lois 2 bis hin zu der berühmten Sequenz in Sauve qui peut (la vie), in der sich der Sachkundeunterricht auf die Stellungen bezieht, zu denen die Pro­stituierte vom Kunden angehalten wird, und - davon wohlunter­schieden - der Wortkundeunterricht auf die Laute, die sie aussto­ßen soll. Auf dieser pädagogischen Grundlage entsteht die neue Ordnung 'äesEiICI'eS:"WiFhä15en bereits gesehen, ;a�eses neueSystem�aus:

��er und Sequenzen sind nicht mehr nach Maßgabe ra­tionaler Schnitte verkettet, die die erste Sequenz beenden und die zweite beginnen lassen, sondern ihre Verkettung folgt irrationalen Schnitten, die weder zur ersten noc,;h zur zweiten Sequenz gehö­ren, sondern (als Zwischenräume) einen eigenständigen Wert an­nehmen. Die irrationalen Schnitte haben somit einen disjunktiven, aber keinen konjunktiven Wert mehr.49 In dem komplexen Fall, en wir jetzt betrachten, stellt sich die Frage: wo kommen diesL s;hnitte zustaQdS-l...��n sie, w�:

'nornie voraussetzen? Wie im ersten Stadium des Tonfilms haben wir es mit�sten Bildfolge aus akustischen und visuellen Komponenten zu tun ; doch sie bewegen sich auf eine Grenze zu, die weder zu dieser ersten noch zur zweiten Folge gehört. Folglich kann diese Grenze, dieser irrationale Schnitt, sehr unterschiedli�

"'CIie:Yisuelle Gestalt annenmen :entweaet�ln" aer ";:;�b�';�giich�� -GestäIte;!l�Lei��'�;;öhriTiC1ien;7anö;:maren�droIie, w�I�he -cife-;;:;;-;:;:;;le Verk;tt?;;g�z�er EQ[gi:n::unte�(:;r..i,;k1;�0der-;n.Qer-ef:-' weitertenG-estalt eines Stücks schwarzer oder weißer Leinwand GllcrlTirerÄ�anal§"e< A�er je!:�etzt .. �c:!J!:'a.!i?�.3:Ie.. �euf!.5.!adium_deLI.0!7JJ.'!!:!..'E0ra!:ß-;;:;e 1J2J1!!.13:gur' de�. Akustischen. Es kann sich um einen Akt der Stille handeln, insO­'fern erst sprache und Musik die Stille erfinden. Genausogut kann es ein Sprechakt sein, in diesem Fall jedoch nicht in seiner " klassi­schen« Rolle, sondern als fabulierender oder fundierender. In der nouvelle vague wurden diese Möglichkeiten häufig durchgespielt:

beispielsweise gibt es in Truffauts Tirez sur le pianiste einen eigen­tümlichen Sprechakt, der die Fortführung der Motorik unter­bricht und dabei um so seltsamer wirkt, als er den Anschein eines bloßen Zufalls gesprächs bewahrt; gleichwohl entwickelt dieses Verfahren erst bei Godard seine ganze Kraft, denn der irrationale Schnitt, auf den sich eine normale Folge hinbewegt, ist das Genre oder die personifizierte Kategorie, die genaugenommen den Sprechakt als begründenden oder fabulierenden verlangt (die ein­geschobene Szene mit Brice Parain in Vivre sa vie beziehungsweise mit Devos in Pierrot le lou). Es kann sich aber auch um einen musi- '{ kalisehen Akt handeln, etwa dann, wenn die Musik ihren natürli­chen Ort auf der flimmernden schwarzen Leinwand findet, welche die Bildfolgen voneinander trennt und dieses In tervall ausfüllt, um die Bilder auf zwei immer wieder abgeänderte Serien zu verteilen: das ist der Aufbau von Resnais' L 'Amour Ci mort, ein Film, in dem die Mu.ills,.von Henze ledigl�bJ!l del1 Intervallen vernehmbar wird 111fa<fabei - als �aR-g-V0rn4'�:;Rm:re:Q��ü�jpm ,reDen" zum �n���jEi\!I1ktiv:�J:�flJ<!i()n zwisch�� ,fell heiden @en anninm:u. Noch komplexer ist der Fall, wenn sich die Bil­derserie nicht nur auf eine musikalische GrenZe als Schnitt oder Kategorie hinbewegt - wie etwa in Godards Sauve qui peut (la vie), wo die Frage mitschwingt, was ist das für eine Musik? -, son­dern wenn dieser Schnitt, diese Grenze selbst eine Serie bildet, die J sich de�n überlagert (zum i'klspi"er,l'ieventkäI"C"I(:c)'n:struktinn v;n PrbiömCa;men�'6ei der sich die Bilder des Quartetts in einer Serie entwickeln, die sich über andere Serien lagert, deren Schnitte sie garantieren). Godard gehört sicher zu denjenigen Autoren, die den Beziehungen zwischen Bild und Ton die größte Aufmerksam­keit gewidmet haben. Doch sein Bestreben, das Akustische wieder ins Visuelle einzubringen, mit dem letzten Ziel, beide (wie Daney formulierte) dem Körper, dem sie »abgenommen« wurden, »wie­der zurückzugeben«, hat ein System von Entkopplungen oder Mikro-Schnitten in jeglicher Hinsicht zur Folge: die Schnitte brei­ten sich au�ie verlaufen nicht mehr zwischend;;;-Xku�tT�chen u��gJ�::.yisu!!I���I�:�_�\l:s!i.����i1�ti@jii}§l::� vielfältigen Kon!1_�.Jfi.<2..�:n. 50 Was aber geschieht, wenn der irratio-' fiale $"'J;nitt, der Zwische--nraum oder das Intervall zwischen einem , V�Jlen und Aku§Ji�

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,_,t:!!�Ai.eJ2cids:"g�jnigJ;,".ill�I�EE:1I ���1!�ngilL�LI!9?

Kehren wir zu einer beweisführenden Pädagogik zurück. Eusta­ches Film Les Photos d'Alix reduziert das Visuelle auf die Phatos und die Stimme auf einen Kommentar, doch zwischen Kommen-

I.� tar und Photo macht sich zunehmend ein Abstand breit, ohne daß walk sich der Zeuge über diese wachsende Heterogenität zu wundern Hw� begänne. In L 'Annee derniere a Marienbad und in seinem Ge­sa�tw.erk bringt Robb�-Grillet ei�e neua�tige ���ins

I1 Spiel, m der das Sprachliche und Visuelle mcht mehr zusammen":.-"· kleben und mlt�Kö'i'respona'lCren, sondern sich wider:"' streiten und widersprechen, ohne daß man dem einen mehr als dem anderen » recht« geben kann : es entsteht etwas Unentscheid­�.t:es zwischen beiden (in Anlehnung an Gardies kö"rinte man � gen, daß das Visuelle nicht über ein Mehr an Authentizität verfügt und nicht weniger Unwahrscheinlichkeiten mit sich führt als die Rede). Und die Widersprüche verleiten uns nicht mehr dazu, das Gehörte und das Gesehene immer wieder Punkt für Punkt in päd­agogischer Absicht miteinander zu konfrontieren; ihre Rolle be­steht darin, zu einem System von Entkopplungen u!1� Verknüp-�. "

Jungen hinzuführen, �a&r_ß.m�tion �eTi1artder'dleverschtea�egenwarten in einem direkten

eu-Bi 5eSti"mmen oaer, uriter"aemZ�iChffi-;Ies"iläfscIien�-'eine (/J Serie von retroa�n--;;d;;;'progressiven Mächten einrichteri.51

1Jas"-�lrsueIre'-un(r5praclificlie-Konnen-dleun terscheidu;gzwi­schen Realem und Imaginärem (oder auch die Alternative zwi­schen Wahrem und Falschem) zum Ausdruck bringen und bald den einen, bald den anderen Bereich übernehmen. Doch eine Folge von audiovisuellen Bildern macht das Unterschiedene

_.�angiliJilig.J!!Lunt�rs,ch�idEar u:nT�;��i�§ch�La::.:-. bar. Das erste Merkmal dieses neuen Bildes besteht darin, daß die

--» Asynchronie« nun nicht mehr das ist, was das sowjetische Mani-fest und insbesondere Pudovkin darunter verstanden. �eh!. ,��n undIönevernehmbaI zu E1a�hel1:.�.(:I�r,�Il. Quelle sich in einem relativen hors-champ befindet und die sich fo�-;Jd;;";i;�ifJ beziehen, (re�sC";; Gegebe�heiten'�i� nicht bloß verdoppeln. Genausowenig handelt es sich um ein�QfL �as als ?bsolutes hors,-champ einen Bezug zu�"J!!etilGanze;; heE: � einen Bezug, der selbst noch zum visuellen Bild gehört. In­dern das Off zu den visuellen Bildern in ein Konfrontationsver­hältnis oder eine Heterogenitätsbeziehung tritt, verliert es die '--�=--=--'''_�=M��<�

3 20

!ft�.���schrei�a��i� im_Y�_��lt.n�s :u Ihren Grenzen definierte: es hat seme Allmacht verloren, dlC es noch im'ersten Stadium de;-Thnfi'Im k�nn;;T;;hn;t;-E�-�I;ht';;idit 'mehr alles, :�, .. �i!!.��ii�!bA:1:!D�iShEL���r;;�rdeutig wie bei­spielsweise in Robbe-Grillets L 'Homme q7irmentöaetin Mar-guerite Duras' India Son

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l-i len Bildern zerschnitten hat,Cliei11iTIaleAJlmacht verliehen, die ·HeS�. D9ch m�V;rT;;td�'�Ali;;;;;:chü�� winnt das Off seine Autonomie. Diese Transformation, der Mi­ehe! Chion eine profunde Analyse gewidmet hat, veranlaßte Bo­nitzer, von einem »Off-Off« [voix off offJ zu sprechen. 52

.

D ... i, md,,, N,uh,j< (ud" Wd,mn,widJung 1�'�"!! .. L���!,.�.�t 1 däriii:;ääl'l man überhaupt nicht mehr von einem hors-champ oder vOii:elliem QH sprechen kann. Einerseits haben aas Sprachliche

und das AkustiSChe insgesamt eine Autonomie erreicht : sie konn­ten dem Vorwurf Balizs' entgehen (es gibt kein akustisches Bild .. . ); sie sind kein Bestandteil des visuellen Bildes mehr, wie dies im ersten Staa�all war; sie sind-ZU eIne;; voll­wertigen und gleichberechtigten Bild geworden. Das akustische Bild ist aus seinem Bruch mit dem visuellen Bild in diesem Bruch entstanden. Wir haben es nicht mehr, wie bei Rossellini, mit zwei aUtonomen Bestandteilen ein und '�r;;�';;Il;;;-;;;;Ii�-;;;�'clre;; Biides Zutun, sondern mi��» heautonomen« Bildern --ci��;;;�;i���l: Te-n und einem akustische;BTId,Ji;d7;��h-ci;;;� sp'�it,��;��� z;i-sCIienraum, einen irrationalen Schnitt voneinander getrennt sind?3 ÜEe�i:TäFe;:;;;ne(Ju (jangeheTßt e;bei :iVr;;g���Tt�D�ras : ;>Es sind zwei Filme, der Film des Bildes und der Film der Stimmen . . . Beide Filme sind da, und zwar in vollkommener Autonomie . . . Die Stimmen sind nicht mehr Stimmen aus dem Off im gewöhnli­chen Sinne: sie erleichtern nicht den Ablauf des Films, sondern stören und beeinträchtigen ihn. Sie lassen sich mit dem Film des Bildes nicht mehr y..el'k!.;t ern.«54 Zum anderen wird aber auch der zweite Votw�-� Baläzs' mfällig : er erkannte die Existenz aku­stischer Großau n men, Überblendungen und derglei�he�; sc!llöß-j'e'dö:C11 äie:��:gJicllk�ir�i'ileEälÜjstiscnen Kadi:i�r1Jl1g atls, daaerloll kejne R�ggJ:!.ah.!;�.55 GI.�ohl bestimmt sich die vi­suelle Kadrierung weniger nach Maßgab� ei;:;es schon zuv"Or eXI­Stierenden Rands des sichtbaren Gegenstands als vielmehr durch die Erfindung eines Blickwinkels, der die Ränder voneinander ab-

32 1

löst oder zwischen ihnen eine Leere entstehen läßt, und zwar so, daß aus dem Raum, den die gegebenen Objekte einnehmen, ein reiner oder beliebiger Raum hervortritt. Eine akustische Kadrie­rung wird dann �E!!�r��.htmLilL&kL�!1.IH11!nK eines re{;;-� 1 ...

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hors-champ �nd die korrespondierenden akustischen Verteilun­gen noch an das visuelle Bild gebUnden waren. Das visuelle Bild h�ber sei� Äußerlichkeit abgestreift, es �er-·· ��� -es hat seme KehrseiteCrschTossen'UndSlcFlaa: bei von dem freigemacht, was von ihm abhing. Parallel hierzu hat das akustische Bild seine eigene Abhängigkeit abgeschüttelt, 1st autonom geword��d zu seiner eigenen Kadrierung vorgedrun­gen. Die Äußerlichkeit des visuellenBTIaes;oas�al1ein eine Kadr.ie-

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mem s ernsehen entstanden, es wurde durch das Fern­sehen allererst möglich !). Da jedoch das Fernsehen auf die meisten seiner Möglichkeiten verzichtete und sie nicht begriff, mußte das Kino auf den Plan treten und ihm eine pädagogische Lektion ertei­len, und es mußten zudem große Filmregisseure auf den Plan tre­ten, um zu zeigen, was es kann, was es könnte ; und wenngleich es zutrifft, daß das Fernsehen das Kino tötet, wird das Fernsehen andererseits vom Kino ständig wiederbelebt: nicht nur weil es ihm seine Filme zufließen läßt, sondern auch weil die großen Filmre­gisseure das audiovisuelle Bild erfinden, das sie dem Fernsehen be­reitwillig "liefern « , wenn man sie nur läßt - wie sich dies. am Spätwerk Rossellinis, an den Eingriffen Godards, an den fortwäh­renden Bemühungen Straubs oder auch bei Renoir, Antonioni und anderen zeigt). Wir stehen nun vor zwei Problemen. Zum einen : Wenn es zutrifft, daß die aklJstiscbe Kadrieumg, unter den schöpferischen Bedin­gungen des Kinos, darin besteht;�_!�i!l!:.!L�I'xs<;h.akLoder 322

einen reinen musikalischen Akt herauszuarbeiten � worin besteht �!1'\:kttw'lrkönnen ihn .. al;crre��1ichen.Sinn�Jufiema-

"to��o�er Äuß�ung« �fich!l7n. Doch�gIelCh-:: zeitig geht die Fragestellung augenscheinlich über das Kino hin-' aus. Die Soziolinguistik hat sich sehr stark den Sprechakten urd den Möglichkeiten ihrer Klassifikation zugewandt. Gelangt nicht der Tonfilm in seiner Geschichte unbeabsichtigt zu einer solchen Klassifikation, die an anderer Stelle hervortreten und von philoso­phischer Bedeutung sein könnte? Das Kino führt uns dazu, zwi­schen dialogischen Sprechakten (dfe sich vorflehml�him »Ofl« unCfiii1ferative�;abs�n),�fl§�eEIp��!1��!'i��@��vor altenli"iTIäbSoluten Off anzutreffen sindl,.und schließlich Fabtili'er"-akten zu un terscheiQ.�Q�Ü�l1�lLg�hi!iQ1J1j§.igll���F'te-n:ae';�L;geIi':: cr�bildun�agranti�..die...des.w..eg.e.tLrci!LZJLn.�Qner_gnd, w�1 ��jg�l1md niili!!ls;hLQ§J.!l,yi§'lI�ILen !3ik1.!?E��r,�!lt56 Das erste Problem besteht also in der Aufdeckung der Beschaffen'­heit dieser rein kinematographischen Akte. Das zweite Problem wäre folgendes : Wenn wir die Sprechakte als rein voraussetzen, wenn sie also nicht mehr Bestandteile oder Dimensionen des visu­ellen Bildes ausmachen, dann ändert sich der Status des Bildes, weil das Visuelle und Akustische zu zwei autonomen Bestandtei­len desselben wahrhaft audiovisuellen Bildes geworden sind (etwa bei Rossellini). Diese Bewegung läßt sich nicht aufhalten: das Visuelle und Akustische führen zu zwei heautonomen Bildern: zu einem auditiven und einem optischen B il'd,di;;t�dig�d;;�h einen irrationalen Schnitt getrennt, entzweit oder entkoppelt sind (Robbe-Grillet, Straub, Marguerite Duras). Und dennoch fällt das audiovisu�ewordene Bild nicht auseinander, � ge���t e;nen� Dich�d-;;;;�em �Banddes visueIleil'" und d;;-;kustischen Bildes abhängt. Marguerite Duras� Erklärung zu La Femme du Gange weckt ge­wisse Zweifel, wenn sie sagt, die beiden Bilder seien nur durch eine »materielle Konkomitanz« verbunden, da beide auf dasselbe Film­band geschrieben sind und gleichzeitig erblickt werden. Dies ist eine humorvolle oder auch provokante Erklärung, die im übrigen gerade verkündet, was sie zu bestreiten vorgibt, da sie j edem der beiden Bilder das Vermögen des anderen zuschreibt. Andernfalls gäbe es keine dem Kunstwerk eigene Notwendigkeit, es gäbe nur Zufall und Willkür, Beliebigkeit zwischen Beliebigem, wie man an

der großen Masse der schlechten ästhetisierenden Filme sehen kann oder (wenn Mitrys Kritik berechtigt ist) an Marguerite Duras selbst. Die Heautonomie det beiden Bilder unterdrückt nicht, sonder��dle"äi.iCIiOvis;erre�BeS'Chäfren1ieTt&sBlTcI(ts,�sle "t�cl1ertaleErscEilieBung des Audiovisuellen. D;;�z��i;-ProbTe� bet"nITtaemnach das -kOmpTexeB��dde;:-b�.ü;k!Ll:t��l2$���n, nichtkorresJ2ondiersmden, di�araten Bilder, die neue Verknüp� f�ng als7pezifische Neu�Verk_�--�-�-Der erste Aspekt der Arbeit von Jean-Marie Straub und Daniele Huillet besteht in der Freilegung des reinen Sprechakts, der rein kinematographischen A�öder des akustisc1i�Bildes: dieser Akt muß der gelesenen Grundlage, dem Text, dem Buch, den Brie­fen oder Dokumenten entrissen werden. Dieses Losreißen kann jedoch nicht durch Gemütsä'Tw�lr;:mg-ö�Pässlon'geschehen; es setzt einen gewissen Widerstand des Textes voraus sowie ein gehö­riges Maß an Respekt gegenüber dem Text, in beiden Fällen aber eine besondere Anstrengung, um aus dem Text den Sprechakt ge­winnen . zu können�n ITer-ehrbntlrder J1nnli-MagdalenCl' Bach 'sp'r;chtdr;Stlmn1'e Anna Magdalenas die Briefe Bachs und die Zeugnisse eines Sohns ; das heißt, sie' spricht so, wie Bach schrieb und sprach, und gelangt dadurch zu einer Art freier indirekter Rede. In I Cani deI Sinai ist das Buch sichtbar, die Seiten, die

, Hände, die sie umblättern, der Autor Fortini, der die nicht selbst ;'7ausgewä.·hlten Seiten liest, doch all dies geschieht zehn Jahre später,

reduziert auf ein »Sich-Sprechen-Hören«, von Erschöpfung, ge-" !Zeichnet, während die Stimme zwischen Erstaunen, Betroffenheit oder Zustimmung wechselt, aber auch Nicht-Wiedererkennen

'7 oder Vertrautheit. Gewiß zeigt Othon weder den Text noch die ( Theateraufführung, impliziert beide aber um so mehr, als die mei­,':' sten der Schauspieler die Sprache nicht beherrsahen (italienisc\;ler, 1/ englischer, argentinischer Akzent) : sie entreißen der Aufführung einen kinematographischen Akt, dem Text einen Rhythmus oder

"""lein Tempo und der Sprache eine »Aphasie« .57 In Dalla nube alla { resistenza befreit sich der Sprechakt aus den Mythen (»nein, ich 7 will nicht . . . « ), und möglicherweise gelingt es ihm nur in dem mo­I dernen, zweiten Teil, den Widerstand des Textes und der ewigen '7Sprache der Götter zu brechen. Stets���ieht es unter deEßedin-, • gun gen von Fremdqe�t.:.Jaß crerre;ne SEJi'ilZtf�legt oder 1-w1eNiarguerite Duras sagt, »kadriert« wir�� Moses ist entweder _.�---_._-��----""""�

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der Herold eines unsichtbaren Gottes oder reines Wort, das den Widerstand der alten Götter bricht und sich nicht einmal auf sei­nen eigenen Tafeln festhalteh läßt. Vielleicht liegt die Nähe Straubs zu Kafka darin, daß Kafka ebenfalls annahm, wir hätten lediglich einen Sprechakt, um den Widerstand der herrschenden Texte, der seit je bestehende.n Gesetze und der bereits gefällten Urteile zu brechen. Doch wenn dies zutrifft, für Moses und Aron, für Klas­senverhältnisse, dann genügt, es nicht zu sagen, daß �i\;h . dn' Sprechak

. t von dem losreißen muß, was ihm widerste�

.t :

.uelh�, ��WL.üt d� d�!!l!f!!1sÜ!.,Mani kann den Sprechakt nicht von dem ablösen, was ihm widersteht,

ol1neJl1'i1C{abel selbst, gegen das ihnlkclroIien(fe,wurer;tändig-;'� machen. Er selbst ist die Gewalt, die nur hilft, »wo Gewalt herrscht« : Bachs Hinaus ! Wird hiermit nicht der Sprechakt schon zum musikalischen Akt ':"

. in Moses' »sp

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echgesang« , 'aber a. uch in l

Bachs musikalischem Vortrag, der sich von den Partituren los-reißt, mehr noch, als die Stimme der Anna Magdalena sich von den Briefen und Dokumenten losriß? Der Sprechakt ebenso wie der musikalische Akt ist ein Kam f, der��h, knapp und rcit ' unen ic er Geduld geführt we�den muß, um sich gegenüber dem ihm Widerstehenden durchzusetzen - jedoch mit äußerster Ge­walt, um selbst ein Widerstand, ein Widerstandsakt zu sein. 59 Un­widerstehlich steigt er auf. In Nicht versöhnt ist es der Sprechakt der Alten, der - diesmal eher schizophren als aphatisch - bis zum akustischen Bild des Revol­verschusses am Schluß aufsteigt: »Ich bemerkte, wie die Zeit ver­strich. Es gärte, man kämpfte und bezahlte eine Million für ein Bonbon und hatte schließlich keine drei Pfennig mehr für ein Brötchen. « Der Sprechakt leg� sich quer über alle visuellen B'ilder, die er durchzieht und die sich ihrerseits wie geologische Profile, wie archäologische Schichten anordnen, je nach ihren Brüchen und Lücken : Hindenburg, Hitler, Adenauer, 1 9 1 0, 19 14, 1 942, 1945 . . . J2erart verhalten sich bei den Straubs akustisches undvisu­elles Bild zueinander: die �Menschen -sprechen m emein Teeren IG;�ä�ire(feäürstelgt; versenkt-sichde�'R�um , inaie Erde. DIeser Raum macht nichts SiChtIJar:-m:acm'aW'ihre) ...

< ar�Fiäologischen Verschüttungen und ihre stratigraphische Dichte lesbar; er bezeugt, wie viele Arbeiten und Opfer notwendig wa­ren, um ein Feld fruchtbar zu machen; er bezeugt den Verlauf der

Kämpfe und die vergeudeten Menschenleben (Dalla nube alld resi­stenza, 1 Cani deI Sinai). Die Geschichte ist untrennbar von der Erde, der Klassenkampf liegt unter der Erde, und will man ein Er­eignis erfassen, dann ist es nicht erforderlich, es zu zeigen, und auch nicht, es in seiner Gesamtheit durchlebt zu haben, sondern allein, sich in es zu versenken und alle geologischen Schichten zu durchqueren, die seine innere Geschichte ausmachen (und nicht nur eine mehr oder weniger ferne Vergangenheit). Ich glaube nicht an die großen Ereignisse der Geschichte, sagte Nietzsehe. Ein Er­eignis zu erfassen bedeutet, es an die stummen\Schichten der Erde ' zurückzubinden, die seine wahrhafte Kontinuität bilden oder die es in den Klassenkampf einschreiben. Es gibt etwas Bäuerliches in der Geschichte. Jetzt ist es also das visuell�J�jl9.dii� stratigraphi­sche Lands�aft�die���2��S�P���;;11akt widerstehtJl,tl<l ,ihn /' ei'nerschwe,�g�!}<i��,M�ss(! �l1tgegel1�etzt. Sogar die Briefe, B�cher ii�mente, von denen sich der Sprechakt losreißt, gehen in die Landschaft über - gemeinsam mit den Denkmälern, den Ossa­rien, den Steininschriften. Das W'2E.L!Wigerstalli���,�t�J:..Q.�i�en Straubs eine gewichtige Bedeutung, und nun sind es die ErdE!, der Ba� Gestein, die aem "SPrechakt und Moses widerste-hen. Moses ist der Sprechakt oder das akustische Bild, während Aron das visuelle Bild ist: er »macht sichtQar_«'�':,urnlwas er zeigt, ist die der Erde entstammend� Kontin�itäeoses,l§i> d�r neue Nomade, der außer G\l,lli:s eWig umhenrrendeff:t"'-Wort keine an­dere Erde haben wilv.A';;;-�i}doch will ein Territorium, und er will das » Lager« bereits ili'zefder Bewegung. Zwischen beiden befin­det sich die Wüste, aber'auch das Volk, das » noch fehlt« und den­noch schon da ist. Aron widersteht Moses, und das Volk wider­steht Moses. Was wird das Volk wählen, das visuelle oder das akustische Bild, den SErechakt oder die Erde?60 Moses versenkt Aron in die Erde, do;hohne'�e;::"KeTnen Bezug zum Volk und zur Erde. Man könnte sagen, Moses und Aren seien diebei­den Teile der Idee ; gleichwohl werden diese Teile niemals ein Gan­zes bilden, sondern eine Widerstands-Disjunktion, die die Rede daran hindern sollte, despotisch zu sei;;';dl�ch verhindern sollte, daß die Erde zum Besitz wird, der letzten Schicht unterge­ordnet. Ähnlich verhält es sich bei Cezanne, dem Vorbild der Straubs : einerseits die » starrsinnige Geometrie« des visuellen Bil­des (die Zeichnung), die sich eingräbt und die » geologischen Stu-

fen« lesbar macht; und andererseits die Wolke, die » ätherische Lo-gik« (Farbe und Licht, wie es bei Cezanne heißt), aber auch der Sprechakt, der von der Erde zur Sonne hinaufsteigt.61 Die zwei , ' tA Bahnen: »die Stimme kommt v212Aer�ü�k�"�!!,.�,::])ildes« . Die(l/o 0 eine widerSt�deren, doch in dieser stets neu gesct1'affenen Disjunktion nimmt die unterirdische Geschichte einen ästheti-schen Ausdruckswert an, während der zur Sonne aufsteigende Sprechakt einen starken politischen Wert erhält. Die Sprechakte des Nomaden (Moses), des Bastards (Dalla nube alla ;:;;;'stenzar des Auswanderers (K!assenverhältnisse) sind politische Akte und deshalb von vornherein Widerstandsa� Wer;-� Sträü5SdeiTI nach Kafka gedfeIit-;;"n Fil; den Namen K!assenverhältnisse geben, dann deswegen, weil von Beginn an der Held die Verteidigung des Heizers, des Mannes, der unter der Erde arbeitet, übernimmt und danach sich dem Ränkespiel der oberen Klasse entgegenstellen muß, die ihn von seinem Onkel trennt (die Übergabe des Briefes) : der Sprechakt, das akustische Bild, ist ein Widerstandsakt; desglei-chen bei Bach, der die Auf teilung zwischen dem Profanen und Heiligen erschüttert; desgleichen bei Moses, der die Auf teilung zwischen Priestern und Volk verändert. ,llimge��ber , entfal�t das visuelle Bild, die tellurische Landschaft, eine ästhetisc�ft, ClleC!ie Schicht�cl;te'ün(rde'r polioschen Kämpfe auf­deCkt,aurden�n_S1e'slcFi 'ernebi.Iil-To�ie ;ev-�Tr:eti�� �;t-�'rI co�p de'des-;eziti�-';:i�'d;e Personen auf dem Friedhofshügel, dort, wo die Leichen der Kommunarden verscharrt wurden, das Gedicht Mallarmes: sie verteilen untereinander die Elemente des Gedichts nach Maßgabe ihrer typographischen Eigenschaften, ähnlich einer Menge ausgegrabener Gegenstände. Man muß gleichzeitig beden-ken, daß die Rede das Ereignis erschafft und es emporhebt und daß das schweigende Ereignis unter der Erde verborgen ist. Das Ereig-

�"""',," • .fr>""' __ • _� nis ist immer der Wide!:�S<:I?:<i.d.fLSich '!P1',RÜ,!�,��i§c,;b.t;!1 geIJ:l, was �li:'äK'fTntrellrt, und dem, was die Erde b�.!:.��"�. Dies ist ein Kreislauf zwischen Himmel und Erde, äußerem Licht und un­terirdischem Feuer, aber auch zwischen Akustischem und Visuel­lern : ein Kreislauf, der niemals mehr ein Ganzes bildet, sondern jedesmal die Disjunktion der beiden Bilder - gleichzeitig mit dem neuen Typus ihres Bezugs - hervorbringt : also ein sehr präzises Inkommensurabilitätsverhältnis, nicht etwa das Fehlen eines Ver­hältnisses.

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R as audiovisuelle Bild wird somit konstituiert von einer Disjunk­ion, einer Trennung des heautonomeri Visuellen und Akusti­ehen, aber zur gleichen Zeit von einem inkommensurablen oder

» irrationalen« Verhältnis, das beide miteinander verbindet, ohne ein Ganzes zu bilden, ohne im geri�uf ein Ganzes abzuzie­len. Es wird konstitui;;:r von emem Widerstand, der aus dem LU:'

'"sam�bruch des sensomotorisehen Schemas hervorgegangen ist und der das visuelle vom akustischen Bild trennt, sie aber nun erst recht in ein nicht�totalisierbares Verhältnis setzt. Marguerite Du­ras geht noch darüber hinaus : In dia Song, der Mittelpunkt einer Trilogie, errichtet ein außergewöhnliches metastabiles Gleichge­wicht zwischen einem akustischen Bild, das uns sämtliche Stim­men vernehmen läßt (aus dem » On« und aus dem » Off« , aus dem relativen und aus dem absoluten Off; Stimmen, die sich zuordnen lassen oder auch nicht; Stimmen, die miteinander rivalisieren und sich gegeneinander verschwören, sich ignorieren, sich vergessen, ohne daß einer von ihnen die Allmacht oder das letzte Wort zu­käme), und einem visuellen Bild, das uns eine stumme Stratigra­phie lesen läßt (Figuren, die ihren Mund selbst dann geschlossen halten, wenn sie von der anderen Seite her sprechen, so daß ,das, was sie sagen, sogleich in einer Vergangenheitsform erscheint, während der Ort und das Ereignis, der Botschaftsball, die tote Schicht bilden, die eine ehemals glühende Schicht, den anderen Ball an einem anderen Ort, überdeckt).62 Im visueUen Bild ent­deck.l I11:!lll-.daB-·bebm·unter'der Asche oder hinter den Spiegeln, so wie �+Hl�m·:rktrsti"sdrefrBild'·einen·reinen, aber vielstim­migen sPfif�Kt-gew:;flfl-i;:::aet::sicnvom'Theater absondert, und von derl.Schrift losreißt. Die » zeitlosen« Stimmen sind gleichsam die vier Fluchtlinien einer akustischen Entität, die sich der yisuel­len Entität entgegensetzt: das Visuelle und Akustische sind die Blickrichtungen auf eine im Unendlichen gelegene Liebesge­schichte, dieselbe und doch eine andere. La, Ferrime du Gange hatte bereits vor lndia Song die HeautonomftesaKustlscllen Eile des gegenüber den beiden zeitlosen Stimmen begründet und als das E�<:k�.o.rru:nlootim.mt,i.I} . .d.emgi!§."Ak.l!§.tis.s:�� und das Visuelle den Punkt im UDendli.c.heu-».er.r.eich.e.n«�Lill:n Sfe?erspektivisch gerishtet sind und in d�'!p_i�e..Le""eilige.nEblch.t: hOlen zusammenlaufen.63 Der darauffolgende Film San nam de Venise dan; Calcutta desert beharrt auf der Heautonomie eines

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zertrümmerten visuellen Bildes und entdeckt eine noch ältere Schicht, wie einen Mädchennamen unter dem Namen der verhei­rateten Frau, bleibt aber stets auf ein Ziel gerichtet, jenen Punkt im Unendlichen, in dem sich die beiden Bilder b�rühren (als ob das Visuelle und Akustische mit dem Taktilen endeten und eins würden). Le Camion vermag im Fond den Stimmen einen Körper zurückzugeben, doch nur in dem Maße, wie das Sichtbare körper­los wird oder sich leert (das Führerhaus, die Fahrt, die Erscheinun­gen des Geister-Lastwagens) : » es gibt nur noch Orte einer Ge­schichte, die nicht mehr statthat. « 64 Die ersten Filme von Marguerite Duras waren geprägt durch sämt-liche Mächte des Hauses, von der Gesamtheit von Haus und Park, Angst und Begierde, Sprechen und Schweigen, Kommen und Ge-hen, Erschaffen und Verschütten des Ereignisses usw. Marguerite Duras war eine große Filmautorin des Hauses. Dieses Thema des Hauses ist für den Film nicht nur deswegen wichtig, weil die Frauen, in jeder Bedeutung des Wortes, die Häuser » bewohnen« , sondern weil die Passionen die Frauen » bewohnen« ; man denke an Dhruire dit-elle, vor allem aber an Nathalie Granger und spä-ter an Baxter, Vera Baxter. Was mag sie aber dazu verleitet haben, in Baxter, Vera Baxter einen Rückschritt in ihrem Werk und in Nathalie Granger eine Vorstufe der nachfolgenden Trilogie zu se-hen? Es ist nicht das erste Mal, daß ein Künstler meint, das, was ihm vollends gelungen ist, sei - gemessen an einem weitergesteck-ten Ziel - allenfalls ein Schritt nach vorn oder auch ein Schritt zu-rück. Für Marguerite Duras verlor da�aus zllnehmelJ...d... .;ln !Io Interesse] ��.�Je�ig!is.h.e..1ne Allmlliimie.deuis.uellen.uncLakWiti - rtur scnenBestandteile,Jür ein und dasselbe audiovisuelle Bild gagn-

"'t1erenk��(d�s Haus ist noch ein_ O:�"h.f�.,J.lTI dQ.)?)?.d�n "Sinn von "Rede una �ull!l. Doch im Darüber-hinaus-Gehen, im Erreichen der Heautonomie eines akustischen und visuellen Bil­des, in der Verwandlung der beiden Bilder in Blickrichtungen auf einen im Unendlichen gelegenen gemeinsamen Punkt kann sich diese neue Konzeption des irrationalen Schnitts nicht mehr inner­halb des Hauses und ebensowenig mit ihm verwirklichen. Zwei­fellos hatten Haus und Park schon die Mehrzahl der Eigenschaften eines beliebigen Raums: die Leere und die Abtrennungen. Aber man müßte das Haus verl s n es b ·ß,en,.damit.sich.ded5el:ie:.· Ige aum au er Flucht - und nirgendwo sonst - errichten kann,

' �_" ' _'��" �' �' .�' "'"'�"'�--"""_�."�.--.O_""_ . . __ " ._ ,

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während slei<:h?&i!ig der S�akt':ZJ!m »Fortgehen uudJ:!iehen« J?ezwunsen i.�inzig auf der Flucht dürften sich die Figur�­ein:gen und aufeinander antworten. � gilt, das UDEewohn�re, den un bewohDp..e,[t01Lßel!nLTI:i�sü;Iz.\Jgt;!J?�ul,St!:andL,�:te.er <l9S.t�le

_Jo�H�'§�IPa�1_j_an:Ü .. er eint.Heautolt9J�2i�.����ich!; �ie ve�� 5jfeichbar ist mit dem Sprechakt, der durch keine Zuordnung mehr ��estimm� .. <:��: eine_Gesc�.,ilif..k"irI�,!1.Qn,{ak1J.sJisches,B.ild;, ..

�1���i���'���1�;�:�;��f:�f���Y;;:�T��j:���h(�}:��I��: neue Weise, ihn zu betrachten, die den audiovisuellen B.ezug her­vorbringt. Was unterscheidet das CEuvre Mareuerite Dliras' von dem der

. _��-�-�_ .... __ ., ... -_.,� .. _-,. .:>trauDS, wenn wir von der D!sJtlE1�i.<?J:u;lf5..l:111!l.reinen Sprec!1akt �geWOrdenen akustischen "B"jldes und vom lesbar �ratlgia­phisch gewordenen visuellen Bild ausgehen? Ein�:�::)nter­

f fAP schied liegt dar!n, daß b;:i I?_tl.l2l�er ��,�r,r��h��?eSprechak: �ie t)vA � un�� L!.:,!:e o,?eL91:. _a�solute Begierde IS�. Erkariri- zum /' --3cl1welgen, aber auch zum Gesang oder zum Schrei werden, wie , etwa der Schrei des Vizekonsuls in India Song.66 Er kann des wei­

teren das Gedächtnis und das Vergessen, das Leiden und die Hoff-nung lenken. Und vor allem ist er das kreative Fabulieren, das den ganzen Text, von dem er sich losreißt, überdeckt und eine unendli­che Schrift bildet, die tiefer reicht als die Schrift, und .ein unbe-...• ,� grenzte Lektüre, die tiefer geht als die Lektüre. De zweite titer-schied besteht in der »Liquidität«, die in zunehmen aße das .Yi�.pelIeJllii)ei Miil!W"te Duras pdgi?:';;:;;" isi: "C!ie"tropische Feuchtigkeit Indiens, die vom Fluß aufsteigt oder sich auf dem Strand oder im Meer ausbreitet; aber auch die Feuchtigkeit der Normandie, die bereits Le Camion von der Beauce bis zum Meer zog; und der leerstehende Saal in Agatha ist weniger ein Haus als ein Phantomschiff, das langsam auf den Strand zusteuert> während der Sprechakt seinen Verlauf nimmt (woraus L'H amme atlantique als natürliche Fortsetzung folgt). Daß bei Marguerite Duras das maritime Element einen derartigen Stellenwert beansprucht, führt zu wichtigen Konsequenzen. Sie gründen nicht nur darin, daß sie an dem bedeutendsten Merkmal der französischen Schule an­knüpft: dem Grau des Tages, der besonderen Bewegung des Lichts, dem Wechsel von Sonne und Mond, der im Wasser unter­gehenden Sonne, der flüssigen Wahrnehmung. Sondern auch

3 3°

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lassen : einer Mach't:--crieFUrcfas'Ew"ige-steni:; "(fie 'Scnichten ver­IüiScl1t uncrdleStatuen-m;-tsrai- zielit:'Nlchi:'de;:Erae, sönder� demMeerwero-ert wirzurucKgege5en. Im Wechsel der Gezeiten verlieren die Dinge ihre Umrisse, statt unter der trockenen Erde verschüttet zu werden. ,Der Anfang von Aurelia Steiner scheint den Vergleich zu Dalla 'nube alla resistenza nahezulegen : es gilt, den Sprechakt dem Mythos und den Fabulierakt der Fabel zlient­reißen ; doch die Statuen weichen der Aufnahme aus dem fahren­den Auto, dann einem Lastkahn und schließlich den starren Einstellungen der Wellen.67 Wir können also sagen, daß die Les­barkeit des visuelle_l2..13ild:s el1�r.�E�:'�._4>..J:�llurisih '§Cl strätlgrap�his<;,h._�i!sLßgatha et les lectures illimites verweist die Lektüre auf diese maritime Wahrnehmung, die tiefer geht als die der Dinge, während sie gleichzeitig die Schrift auf diesen Sprechakt verweist, der tiefer geht als ein Text. Im kinematogra­phischen Sinne läßt sich Marguerite Duras mit einem großen Ma­ler vergleichen, der etwa sagte : Wenn ich nur einmal eine Welle erfassen könnte, weiter nicJ:JLals eine Welle oder etwas nassen Sand . . . Es gibt noch eindd�O�)EsSb.i�g:, der zweif�llos an die 2:?rangeh�..J;

.ek�1 defl"Strau�:?s�ellt sH�h der

KlassenKaiili?f als def)eOlge �E!lL4!lr.>..del::o:nmrfnQrliclu;:\y,l�.<;h�n de; zwei inkommensurablen Bildern .. dem visuellen und dem . aKus"flsclleillJira�wkür;'e;:t;" de;;'TuSi:lschen Bild, das den sprechaKt-nur CIü'rcE d;;-i5;�;ischentreten einer Figur, die man als " Klassenverräter« bezeichnen kann (Fortini, aber in gleichem Maße auch Bach, Mallarme und Kafka), der Rede der Götter oder der Herren entreißt; und dem visuellen Bild, das seine stratigra­phischen Werte nur dann annlmmf,-'Wei1ild�r,J�osrel1-vQn d�Q Ka'inpfen derArberteruncrvor-aJ:Ie;;'derB-;;e;n, all diesen groß(!n Wi(rerstänCi�l1;·. �·esätiigt.

,

·. lst':'68 ' Aus· d;es·en; -Gr��de'kÖnne-� die Straubs ihr CEu�re, das sogar den Bastard und den Exilierten mit einbezieht (nämlich in das reinste Klassenverhältnis, das sich in Klassenverhältnisse mil�: estiert), als zutiefst marxistisch darstel­len. Doch Marguerit . Du.ras egnügt sich in ihrer Entfernung vom Marxismus nicht mit ' en:cIie man arsVeriater" lh';:e';:'elge;;�� Ktisse -bezeiChnen Konnie,s;eTüh;:i: ��elmehr die Deklas;ierten, }..,_.,_�'" ," ., • . "",. " '�"" '_'"n' .,,���,,_��_ •.•• _., _._"_._ '�_'" � _

3 3 1

einem freien indirekten Bezug. In der Tat befinden wir uns nicht mehr in jeriem klassischen System, in dem ein Ganzes die :Bilder in sich aufnahm und sich in den Bildern veräußerlichte, indem es eine indirekte Repräsentation der Zeit hervorbrachte und dabei von der' Musik eine direkte Darstellung empfangen konnte. Jetzt

{ dagegen ist das Zeit-Bild selbst direkt ewor!:kll.!B� seinen zwei . . d� nlC t totalisierbaren Seiten, die im Mömenrin-�' 11 -rerBerünrung sterben: §E�J!!tmLil:iL�:�1Etf�rl1t}Je&t-'ars'­

I ����E!e!lle; �nn�� .. as tiefer lieg: als alles.lnnere, hi

.er.,: .

1 wo slClielne muslKaTlsene Rede erhebt und Sich losreißt, dört, wo i�ch �:�������0��-'--� -"-

3 34

ZEHNTES KAPITEL Schlußfolgerungen

Das Kino ist weder universales oder ursprüngliches Sprachsystem [fan ue] nocl1eme-spraclre-Ltzmgngtj."fwtOrtlerreine int�lligTbJe� :�terie zutag2,. le g elc erma en alsVofatiss"efiüng'; itTs Bedin- 1 gung und als notwendiges Korrelat aufzufassen ist, mittels dessen die Sprache [langage] ihre eigenen » Gegenstände« (signifikante Einheiten und Operation�n) hervorbringt. Doch dieses untrenn­bare Korrelat ist durchaus spezifisch: es besteht aus Denkbewe­gQg�l!!!d -prozessen �v�chl@i\LJNSrcrT�uniL.�YLfI1�ie Bewegungen und .!roze?se gericht�Blickwirikein (p.riisignifi­käirte Zelcnenl. Es bildet eine ganze »Psychomechanik«, den � �en, das Aussagbare einer Sprache [langue], das seine eigene Logik besitzt. Das Sprachsystem gewinnt hieraus die Aussagen der Sprache zusammen mit signifikanten Einheiten und Operationen; doch das Aussagbare selbst, seine Bilder und seine Zeichen, sind anderer Art. Wir haben es hier mit einer, wie Hjelmslev sagen würde, außersprachlich geformten »Materie« zu tun, während die Sprache [langue] mit Form und Substanz arbei­tet. Wir können auch sagen, es sei das vor jeder Bedeutsamkeit [signifiance 1 liegen.ge erste _ ]3ezeicl1eilbar� [sjg!l.ifiik7i'JiiJiiiiFiJ"; das für Gustave Guillaume die Bedingung- der Linguistik d��­stellt.! Damit wird die Ambiguität deutlich, von der Semiotik und Semiologie durchzogen wurden: die an der Linguistik orientierte Semiologie zielt darauf ab, den »Signifikanten« in sich abzuschlie- ' ßen und die Sprache von den Bildern und Zeichen, welche deren Rohstoff ausmachen, abzuschneiden.2 Demgegenüber nennt man Semi?ti� diejen�ge DisziP!i?, welche die .Sprache [�a

. ngageJ nur i� \

Verhaltnls zu dieser speZifischen Matene, den Bildern und Zel�( chen, bet�achtet. Gewiß, wenn sich die Sprache erst einmal deZ Materie odel' des Aussagbaren bemächtigt hat, macht sie aus ihne im eigentlichen Sinne sprachliche Aussagen, die nicht mehr als Bil der oder Zeichen erscheinen. Doch andererseits g=!:�_t:! .. gi� A��agen selbst wieder in Bilder und

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