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GK III INTERNATIONALE POLITIK PROZESSE : FRIEDEN

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GK III INTERNATIONALE POLITIK

PROZESSE : FRIEDEN

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FRIEDENFRIEDEN

Frieden ist mehr als kein Krieg

ein Wert [wie Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlfahrt]

ein Prozess politisch-ökonomisch-gesellschaftlich [Reduzierung des gewaltsamen Konfliktaustrags, zunehmende Gleichverteilung menschlicher Entfaltungschancen]

ein Zustand [gerechter und gewaltfreier Interessenausgleich zwischen Konfliktparteien]

eine Vision [Gemeinsamkeit der Überlebensbedingungen im nuklearen Zeitalter Friede der Menschen mit sich selbst und mit der gesamten Schöpfung]

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FRIEDENSBEGRIFF : PROBLEME

→ INHALTLICHE Füllung der Leerformeln in politischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht

→ Friede als ZUSTAND vs. Friede als PROZESS

Geschichtlichkeit des Friedens und Offenheit für die Zukunft

Grundbedingung : Überleben der Menschheit

Indikatoren friedensfördernder Prozesse

Abbau von Not Aufhebung von NOT

Minderung von NOT

Bewahrung der Natur

Soziale Gerechtigkeit

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Vermeidung von Gewalt Prinzipieller Gewaltverzicht: Gewalt kein Mittel zum Frieden

Lehre vom gerechten Krieg: unter bestimmten Bedingungen Gewaltanwendung zur Herstellung

von Frieden nötig

Verminderung von Unfreiheit : Überwindung von Unterdrückung und Entrechtung, Menschenrechte

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Grundbedingung: Überleben der Menschheit Die Grundbedingung des Friedens ist mit dem Überleben der

Menschheit gegeben. Von Frieden zu reden, ist sinnlos, wenn das Leben auf diesem Planeten zerstört wird. Unfrieden zeigt sich dann aber vor allem in denjenigen Vorgängen, in denen das Leben auf der Erde bedroht, zerstört oder aufs Spiel gesetzt wird. Dies geschieht vor allem in drei Formen: in der Ausbeutung und Zerstörung der außermenschlichen Natur, im täglichen und massenhaften Hungertod von Millionen von Menschen und in der Gefährdung des Lebens durch militärische Mittel. Naturzerstörung, Hunger und Krieg sind diejenigen Vorgänge, von denen gelten muss, dass sie mit der Grundbedingung des Friedens: dem Überleben der Menschheit unvereinbar sind.

Schon aus dieser elementaren Bedingung des Friedens lassen sich die Indikatoren ableiten, an denen wir friedensfördernde von friedenshemmenden oder friedensgefährdenden Prozessen unterscheiden. Frieden ist mehr und anderes als die Sicherung menschlichen Lebens. Diese Qualität beschreiben wir durch die drei Indikatoren: Abbau von Not, Vermeidung von Gewalt, Verminderung von Unfreiheit.

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Indikator: Abbau von NotIndikator: Abbau von Not

In der Menschengeschichte war Not immer wieder ein auslösender Faktor gewaltsamer Auseinandersetzungen. Der Streit um knappen Lebensraum und knappe Ressourcen ist eine der wichtigsten Wurzeln kriegerischer Konflikte. Sich am Frieden zu orientieren heisst, nach der Vermeidung solcher Konflikte und nach dem Abbau der Not zu fragen. Vielen Weltreligionen ist gemeinsam, dass sie die geschichtliche Wirklichkeit aus der Perspektive der Armen, der Hungernden, der Rechtlosen, also derer ansehen, die im massivsten Sinn von Not betroffen sind. Die Aufhebung ihrer Not ist der Inhalt messianischer Verheißungen; die Minderung von Not und Unterdrückung ist das deutlichste Zeichen für eine Veränderung, die den Namen des Friedens verdient.

Der Indikator „ Abbau von Not“ enthält heute notwendigerweise zwei Momente in sich. Zum einen setzt er voraus, dass es gelingt, die natürlichen Ressourcen zu bewahren, auf die Menschen um ihres Lebens willen angewiesen sind. Die Bewahrung der Natur ist damit eine Voraussetzung für den Abbau von Not. Zum anderen kann dieser nur in dem Mass gelingen, in dem die Ungerechtigkeit in der Verteilung materieller Güter und des Zugangs zu ihnen verringert wird; soziale Gerechtigkeit ist damit ein notwendiger Maßstab des Friedens.

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Indikator : Vermeidung von GewaltIndikator : Vermeidung von Gewalt

Kann die Drohung mit Gewalt oder gar ihr Einsatz heute noch dem Frieden dienen? Das ist einer der wichtigsten Streitpunkte, mit denen sich jede Friedensethik auseinanderzusetzen hat. Die Tradition der christlichen Friedensethik lässt sich so beschreiben, dass ihre repräsentativen Grundpositionen genau an dieser Frage auseinander treten. Während die Position des prinzipiellen Gewaltverzichts behauptet, dass Gewalt nie als Mittel zum Frieden verantwortet werden kann, beruht die Lehre vom gerechten Krieg auf der Überzeugung, dass unter bestimmten Bedingungen die Gewaltanwendung um des Friedens willen unausweichlich und gerechtfertigt sein kann. Doch beide Positionen stimmen darin überein, dass die Vermeidung und die Verminderung von Gewalt einen entscheidenden Indikator des Friedens bilden. ...

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Indikator: Verminderung von Unfreiheit Indikator: Verminderung von Unfreiheit

Die Verminderung von Unfreiheit bildet den dritten Indikator des Friedens. Er muss

deshalb genannt werden, weil Frieden nicht nur das faktische Überleben, sondern eine

bestimmte Qualität menschlich-mitmenschlichen Lebens meint. Das lässt sich schon

sprachgeschichtlich zeigen. Im Indogermanischen gehen die Worte „Frieden“ und

„Freiheit“ auf die gleiche Wurzel „ pri“ zurück; zu ihrem Bedeutungsumkreis gehört :

lieben, schonen, freundsein. Beide Worte bezeichnen also die besondere Qualität

gelingenden gemeinsamen Lebens. Freiheit hat in dieser engen sprachgeschichtlichen

Verbindung mit Frieden nicht jenen abgrenzenden, auf das vereinzelte Individuum

bezogenen Ton, der aus der neuzeitlichen Entwicklung vertraut ist. Freiheit meint ein

gegen Gewalt und Unterdrückung geschütztes Leben, in dem Menschen von ihren

Möglichkeiten und Fähigkeiten kraft eigener Entscheidung gemeinschaftlichen

Gebrauch machen können.

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Demgegenüber hat der neuzeitliche Freiheitsbegriff die Selbständigkeit der

einzelnen wie der Staaten als nebeneinander, ja gegeneinander

existierender Einheiten hervorgehoben. Der kommunikative Aspekt der

Freiheit trat unter den Bedingungen des sich entwickelnden Kapitalismus

und eines ihm entsprechenden Besitzindividualismus in den Hintergrund.

Gerade der kommunikative Charakter der Freiheit aber wird in Erinnerung

gerufen, wenn der enge Zusammenhang von Frieden und Freiheit in

reflektierter Weise zum Thema wird. Die Verminderung von Unfreiheit als

Indikator des Friedens meint nicht eine Relativierung der Friedensaufgabe,

wie sie in vielen Verwendungsweisen der Formel „Frieden in Freiheit“

mitschwingt und in der Aussage, es gebe Wichtigeres als den Frieden,

entlarvend zum Ausdruck kam. Dass die Verminderung von Unfreiheit als

Indikator des Friedens anzusehen ist, bedeutet vielmehr, dass an der

Überwindung von Unterdrückung und Entrechtung der friedensfördernde

Charakter politischer Prozesse abzulesen ist. Damit aber werden die

politischen wie die sozialen Menschenrechte zu wichtigen Kriterien einer

Friedensethik

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Friede als natürlicher Zustand Gestifteter Friede als Kulturprodukt

PAX als kosmisches Ordnungsprinzip

Friede resultiert aus Teilhabe an der Gnade Gottes: pax christiana

universalis perpetua mit deutlich eschatologischem Charakter

PAX SPIRITUALIS

Pax et justitia als gesellschaftliches Ordnungsprinzip

Friede als Nichtstörung der Rechtsordnung, Waffenruhe in der

Fehde (tranquillitas pacis) oder Befriedung besonderer Rechtsbezirke

(securitas pacis)

PAX CIVILIS

Säkularisierung : Emanzipation der Politik von der Ethik

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Friede als natürlicher vorgesellschaftsvertraglicher Zustand

BELLUM RUPTURA PACIS

rationalistisch-naturrechtliche Begründung aus der

Vernunftbegabung des Menschen

Friede als Ergebnis des gesellschaftsvertraglich begründeten

Gewaltmonopols des Staates; pax civilis effectiva als innere und Rechtssicherheit

PAX ABSENTIA BELLI

gesellschaftsvertragliche Stiftung

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GEWALTBEGRIFF

Gewalt als universell vorhandener sozialer Sachverhalt, der an Zwang grenzt.

Menschen werden von anderen Menschen (und/oder menschengeschaffenen Umständen) übermächtigt.

Gewalt-Ausdruck von Ohnmacht.

Gewaltmittel sind so geartet, dass ein Ungleichgewicht entsteht: zwischen den Gewalt Ausübenden und den Gewalt Erleidenden.

Gegenbegriff Integrität

• körperliche

• geistige

• psychische

• ökonomische

• soziale

Unversehrtheit und ihre jeweiligen notwendigen Voraussetzungen

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Überwindungsstrategie

GEWALTGEWALT GEGENGEWALTGEGENGEWALT

GEWALTGEWALT GEWALTFREIHEITGEWALTFREIHEIT

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GEWALTBEGRIFF1. Legitimiertes soziales Phänomen mit unterschiedlichen

Handlungsinhalten

2. Interessendurchsetzung, auch gegen andere Interessen, mittels in Aussicht gestellten oder angewandten Zwangsmitteln ggfs. auch inhumaner psychischer oder physischer Art

3. Gewalt ist dann anwesend, wenn der physische, materielle und/oder geistige Status eines Menschen niedriger ist, als er aufgrund der in der gegebenen Situation beeinflussbaren Faktoren sein könnte

Überleitung zum strukturellen Gewaltbegriff bei GALTUNG

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GRUNDBEGRIFFE

MACHT

DIREKTE GEWALT

HERRSCHAFT

EINFLUSS ABHÄNGIGKEIT

STRUKTURELLE GEWALT

militärische Gewaltanwendung

(insbes. ökonomische) Vor- und Nachteile

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Die erweiterten begriffe von Gewalt und Frieden nach Galtung

GEWALTGEWALT

FRIEDEN FRIEDEN

personale (direkte)

Abwesenheit von personaler Gewalt oder negativer Frieden

strukturelle (indirekte)

Abwesenheit von struktureller Gewalt oder positiver Frieden

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NEGATIVER / POSITIVER FRIEDE

Friede als Zustand der politischen Ordnung beendet den Krieg, wird aber zugleich seinerseits durch kriegerische Auseinandersetzungen beendet. Krieg stellt eine von Zeit zu Zeit unausweichliche und funktional auf das Ziel des Friedens bezogene Form politischer Auseinandersetzung dar.

NEGATION

Friede als Nicht-Krieg (oder als Zwischenzeit zweier Kriege)

Ordnung des internationalen Systems bestimmt durch die Abwesenheit direkter Gewaltanwendung

Zustand innerhalb eines Systems grösserer Gruppen von Menschen, besonders von Nationen, in dem keine organisierte kollektive

Anwendung von oder Drohung mit Gewalt stattfindet

Friede: Gegenbegriff zu Krieg und organisierter Gewaltanwendung

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NEGATIVER / POSITIVER FRIEDE

AusgangspositionAusgangsposition

Kriegerische Gewalt

Hunger in der Welt

Ausbeutung der Natur

a) Rüstungsdynamik bindet Ressourcen und Energie, die dem Kampf gegen Hunger und Ungerechtigkeit entzogen werden.

Friede im Sinne von pax et iustitia

Verknüpfung von Friede und Gerechtigkeit

b) Friede unter den Menschen ist nicht ohne Versöhnung mit der Natur zu gewinnen.

Zukunftsaspekt des Friedens

Orientierung an den Lebens- und Entscheidungsmöglichkeiten

künftiger Generationen

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Friede als Integration konfligierender Parteien in eine kooperative, assoziative und gerechte Ordnung des internationalen Systems

Friede ist nicht nur die Organisation einer politischen Herrschaftsordnung, sondern das gelingende Zusammenleben unter den Menschen wie die

Versöhnung zwischen Mensch und Natur

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fünfziger undsechziger Jahre

siebziger und frühe achtziger Jahre

späte achtziger und neunziger Jahre

negativer Friede positiver Friede Friede als Zivilisierungsprojekt

Friedensbegriff Abwesenheit direkter, insbesondere organisierter

militärischer Gewaltanwendung

Abwesenheit direkter und struktureller Gewalt

institutionalisierte gewaltfreie politische und soziale

Interaktion

Merkmal raumzeitlicher Zustand gesellschaftlicher Prozeß

Ansatzebene internationale Beziehungen in der machtkonkurrenzgeprägten

Staatenwelt des Ost-West-Konflikts

Individuen als Grundeinheit inner- und

zwischengesellschaftlicher Beziehungen

transnationale Vernetzung politischer, sozioökonomischer,

kultureller und ökologischer Beziehungen, interaktive Verflechtung inner- und

zwischengesellschaftlicher Lebensbereiche

Ansatzschwerpunkt national, regional; Einhegung und Verhinderung

militärischer Konflikte

transnational, global;Identifikation mit den Opfern

struktureller Gewalt

Transformation des Verhaltens von Kollektiven in

Konfliktsituationen in Richtung auf zunehmend gewaltfreie

Konfliktbearbeitung

Gegenbegriff Krieg Gewalt gewaltförmiger Konfliktaustrag

Entwicklungsphasen der Prädizierung des Friedenbegriffs

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Die Ausdifferenzierung des Friedensbegriffs

Kriegsverhütung gesellchsftl. Strukturänderung komplexe ganzheitliche Modelle

Abwesenheit militärischer Gewaltanwendung

Gleichgewicht der Macht/der Mächte

Abwesenheit

struktureller

Gewalt

Geschlechterfrieden Interkultureller Friede

Friede mit der Natur

Spiritueller innerer Friede

Umwelt

Kultur

Transnational

Zwischenstaatlich

Innerstaatlich

Innergesellschaftlich

Familie/Individuum

Innerer Friede

FRIEDEFRIEDE

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Nachhaltiger Friede

• Gewaltfreiheit

• Selbserhaltung

• Innere/Äussere Legitimation

• Konstruktive Konfliktransformation

• politische Demokratisierung

• Wirtschaftl. Wiederaufbau

• Wiederherstellung des

Rechtsstaats

• Erziehung und Ausbildung, Gesundheitswesen/-vorsorge Ökologisches Gleichgewicht

Änderung des moralisch-politischen Klimas

Verheilung der Wunden der Vergangenheit

Engagement für die Zukunft

Versöhnung der Werte

Entwicklung eines Wir-Gefühls und multipler Loyalitäten

Mediation,

Verhandlung,

Schlichtung,

Streitbegleitung

Versöhnung

Sicherheit

Rüstungskontrolle

Abrüstung

PRÄVENTION

Wiederaufbau Versöhnung

(Reconstruction) (Reconciliation)

Friedensschaffung (Peace Building)

Friedenswahrung (robustes) Peace Keeping

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Realismus Rationalismus Liberaler Internationalismus

Akteure Nationalstaaten Nationalstaaten individuelle, gesellschaftliche, nationalstaatliche Akteure

Prozesse Nullsummenspielartige Konkurrenz um Macht, Einfluß und Ressourcen

Konflikt und Kooperation im Rahmen gemeinschaftlich anerkannter Verhaltensregeln und (informeller wie formeller) Institutionen

internationale Arbeitsteilung und funktionale Vernetzung als Ergebnis wie als Voraussetzung wissenschaftlicher, technischer, ökonomischer und politischer Modernisierung

Strukturprinzip Sicherheitsdilemma Kontrolle des Machtstrebens und der Machtausübung der Akteure in der internationalenAnarchie

Kooperation und Interdependenz

Milieu Staatenwelt als internationaler anarchischer Naturzustand

Staatenwelt als rechtlich verfaßte internationale Staatengesellschaft

Staaten- und Gesellschaftswelt als Friedensgemeinschaft liberaler Demokratien

Friedenskonzept Sicherheit des Akteurs (als Voraussetzung seines Überlebens)

Garantie der Erwartungsverläßlichkeit des Akteurshandelns in der internationalen (Rechts-)Ordnung („pacta sunt servanda“)

Fortschreitende Verwirklichung von Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlfahrt als menschliche Existenzbedingungen plus Intensivierung der internationalen Kooperation plus Förderung der Moderni-sierung als Bedingung moralischer Perfektibilität wie zunehmender Wohlfahrt der Menschheit

(Erklärungs-)Ansatzebene

(außengerichtetes) Aktions-/Inter-aktionsverhalten der Akteure („unit-level-explanation“)

Vergesellschaftung/ Systembildung der Ak-teure; Phänomen der „governance without government“

Politische/ sozioökonomische Binnenstruktur der Akteure („inside-out-explanation“)

Mittel Machtakkumulation, (gewaltsame) Selbsthilfe zur Durchsetzung von Eigeninteressen, Abschreckung, Gleichgewichtspolitik

Ausbildung eines Konsenses der Akteure über gemeinschaftliche Interessen, (selbstbindende Verhaltens-)Regeln und Institutionen; insbes. Anerkennung/ Befolgung von Verhaltensre-geln, die die Gewaltausübung in der Staaten-gesellschaft einhegen, beschränken, reduzie-ren

Freihandel, Förderung der internationalen Orga-nisation und kollektiven Sicherheit, Demokratisierung der Akteure im Lichte von Rechtsstaat-lichkeit und Menschenrechtsverwirklichung, Aufklärung über gemeinsame (Menschheits-) Interessen und Erziehung zu kompromißhafter, interessenausgleichender Konfliktbearbeitung

Schlagwort Abschreckungsfriedenunter Anarchie

(Rechts-)Ordnungsfriedenunter regulierter Anarchie

Demokratischer Friedenunter Kooperation

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Struktureller Friede Demokratischer Friede

System Zivilisierung des Konfliktaustragsinstitutionalisiertes Netzwerk kooperativer, berechenbarer, transparenter, wechselseitig erwartungsverläßlicher Akteursbeziehungen als Voraus-setzung anhaltender friedlicher Koexistenz und konstruktiver Konfliktbearbeitung

Durch Interdependenz hochverdichtete Kooperation in internationalen Organisationen als Voraussetzung einer pluralistischen Sicherheits- bzw. Friedensgemeinschaft gekennzeichnet durch Vertrauen, Symmetrie, Gerechtigkeit als Voraussetzungen integrativer Regulierung von Konflikten zwischen liberalen Demokratien

Akteur 1.Entprivatisierung der Gewaltanwendung: Gewaltmonopol 2.Kontrolle des Gewaltmonopols: Rechtsstaatlichkeit3.Herausbildung großflächig angelegter Verflechtungen: Interdependenz und Affektkontrolle

1.Demokratisierung2.Gewaltenteilung3.Rechtsstaatlichkeit4.Pluralismus5.Demokratische politische Kultur

Individuum 1.Demokratische Partizipation2.soziale Gerechtigkeit3.Empathie, kompromißorientierte Konfliktfähigkeit, Verinnerlichung von Spielregeln: konstruktive politische Konfliktkultur bzw. Konfliktbearbeitung

1.Integration2.Gemeinschaftssinn3.Lösung sozialer Probleme durch Prozeduren friedlichen Wandels4.Gewaltfreiheit: Konfliktbearbeitung mit Hilfe institutionalisierter Prozeduren im Geist gegenseitiger Kompromißbereitschaft

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Frieden bedeutet im alltäglichen Verständnis die Abwesenheit von Krieg. Die Friedens- und

Konfliktforschung fasst den Begriff jedoch weiter. Sie unterscheidet zwischen dem negativen Frieden

als der Abwesenheit direkter, personaler, durch ein Subjekt - Objekt - Verhältnis gekennzeichneter

Gewaltanwendung und dem positiven Frieden als der Abwesenheit indirekter, struktureller, d. h. in

politischen, ökonomischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen wurzelnder Gewalt. In strukturellen

Gewaltverhältnissen lassen sich zwar noch die Objekte, in aller Regel aber nicht mehr die (Einzel-)

Subjekte der Gewaltausübung konkret benennen; Gewalt - als Macht der gesellschaftlichen

Verhältnisse - zeigt sich in Abhängigkeit, Unterdrückung, Ausbeutung.

Friede als Zustand - Friede als Prozeß

Das Kennzeichen beider Friedensbegriffe ist zunächst ihre Orientierung auf einen politisch-

gesellschaftlichen (Ideal-) Zustand, der - ähnlich wie der Begriff der Gesundheit in der Medizin -

durch das Nichtvorhandensein wie auch immer im einzelnen definierter Störfaktoren beschrieben

wird. Über diese Störfaktoren - etwa Gewalt, Not, Unfreiheit - lässt sich in Politik wie Wissenschaft

Konsens relativ einfach herstellen. Die positiv - inhaltliche Definition dessen, was den (Ideal-)

Zustand des Friedens ausmacht, trifft hingegen auf erhebliche Schwierigkeiten. Sie hängt ab von den

moralisch-ethischen Grundannahmen und Normen, von den gesellschaftlichen und politischen

Wertvorstellungen des Einzelnen oder der Gruppe, die sich mit dem Inhalt des Friedensbegriffs

jeweils auseinandersetzen. Folglich gibt es im Prinzip so viele positiv-inhaltlichen Umschreibungen

von Frieden, wie es Gesellschafts- und Politikmodelle, Weltanschauungen, Glaubensbekenntnisse

gibt.

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Gleichwohl lassen sich idealtypisierend - vereinfachend in der Entwicklung des

Friedensgedankens zwei Argumentationsstränge herausschälen. Friede wird entweder

begriffen als kosmisches Ordnungsprinzipkosmisches Ordnungsprinzip, als überhistorischer, gleichsam konzentrierter

Ausdruck einer Weltordnung. Diese findet ihren letzten Flucht- und Legitimationspunkt erst

in Gott, dann als Folge der Säkularisation des politischen Denkens nach der Reformationszeit

in der allen Menschen natürlich gegebenen Vernunft. Oder Friede wird begriffen als

Ausdruck der menschlichen Willensüberzeugung, als ein rational begründbares politisches politisches

KulturproduktKulturprodukt. Dieses bedarf der ausdrücklichen Stiftung durch vertragliche

Vereinbarungen (Landfriedenseinungen, Gesellschaftsvertrag) ebenso wie des Schutzes durch

die öffentliche Gewalt. Mit dieser dualen Argumentationsstruktur verbunden ist die Frage

nach dem Verhältnis von Frieden und Gerechtigkeit, pax und iustitia: Entweder ist die

Gerechtigkeit dem Frieden vorgeordnet, gilt Friede als ihre naturwüchsige Frucht. Oder die

gesellschaftlich-politische Friedensordnung ist durch die Herrschaft der öffentlichen Gewalt

erst herzustellen und zu sichern. Dann ist die Gerechtigkeit als Legitimationsprinzip einer

gegebenen gesellschaftlichen Ordnung, die jedem das Seine zuteilt, dem Frieden

nachgeordnet, auch ohne Frieden nicht zu verwirklichen. Schließlich: im Kontext des ersten

Argumentationszuges erscheint der Krieg als Unterbrechung, als Störung des

naturwüchsigen Friedens. In der zweiten Traditionslinie ist der Krieg - Folge menschlichen

Verfehlens und sündhafter Willensfreiheit - gleichsam der inner- und

zwischengesellschaftliche Normalzustand. Friede ist Nicht-Krieg.

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Schon diese unterschiedlichen Positionen in der dualen Argumentationskette zeigen, daß es eine

geschichtliche Epochen übergreifende, vom jeweiligen ethisch - normativen und / oder politisch-

philosophischen Kontext losgelöste Allgemeindefinition von Frieden nicht gibt. Wenn überhaupt,

läßt sich der Positivgehalt von Frieden nur im Rückgriff auf ein je bestimmtes Politik- und

Gesellschaftsverständnis festlegen. Statt allgemeinverbindlich, wird der Begriff Frieden damit

notwendigerweise politisch, fordert den Benutzer zur Überprüfung der eigenen Position, zu

Zustimmung oder Ablehnung heraus.

Diesem Dilemma sucht die Friedens- und Konfliktforschung neuerdings dadurch zu entgehen, daß

sie Frieden weniger als (Ideal-) Ziel oder Zustand gesellschaftlichen Handelns begreift, sondern als

einen in der Geschichte sich entwickelnden Prozess. In diesem Prozess geht es um die

Institutionalisierung dauerhafter, gewaltfreier Formen der Konfliktbearbeitung, nicht allerdings -

manch landläufigem Verständnis zuwider - um die Abschaffung des Konfliktes als einer

gesellschaftlichen Verhaltensweise an sich. Vielmehr soll die Bearbeitung von Konflikten durch

kontinuierliche Verrechtlichung ihrer Austragungsweise zivilisiert werden. Durch zunehmende

Gewaltfreiheit des Konfliktaustrags eröffnet sich die Chance zum Abbau von Gewaltsamkeit

zunächst im Binnenverhältnis der Einzelgesellschaften, sodann aber auch in der internationalen

Politik, im Verhältnis der staatlich verfassten Einzelgesellschaften untereinander.

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Zumindest im europäisch-atlantischen Raum läßt sich der Prozeß der Zivilisierung des Konfliktaustrags

zweifach beispielhaft fassen: Einmal in der Entwicklung des Staates zum unbedingten Friedensverband.

Zum anderen in der Entwicklung des Völkerrechts als Mittel zur Einhegung und Verrechtlichung des

Krieges: Voraussetzung der Wandlung des Friedens von einem labilen Zustand vorübergehend ruhender

zwischenstaatlicher Gewalttätigkeit zum Ergebnis eines Prozesses, in dem sich zunehmend von der

Anwendung organisierter militärischer Gewalt befreite Formen internationaler Konfliktbearbeitung

durchsetzen.

Die Entwicklung des (früh-) neuzeitlichen Staates zum Friedensverband steht in enger Verbindung zur

gebietsrechtlichen Verfestigung politischer Herrschaft, wie sie im Wandel des feudalen

Personenverbandsstaates des hohen Mittelalters zum institutionellen Flächenstaat der frühen Moderne

greifbar wird. Mit der Delegitimierung der mittelalterlichen Fehde als Mittel rechtlicher Selbsthilfe, dem

Aufbau eines landesherrlichen Gerichtswesens, dem Abschluß von Landfriedenseinungen und der

Durchsetzung der Verkehrswegesicherheit bilden die Fürsten seit dem 14. / 15. Jahrhundert ihre

Landesherrschaft als Friedensraum aus und setzen in den Grenzen ihrer Territorien öffentliche Sicherheit

und Rechtsfrieden durch.

Friede als Zivilisierung des Konfliktaustrags

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Erst dieser innere Friede garantiert die Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums, damit

aber auch die rationale Planbarkeit und Berechenbarkeit des Wirtschaftshandelns.

Territorialherrschaft und Sicherheitsgarantie, Rechtssicherheit und innerer Friede legitimieren

Existenz und Handeln des modernen Staates. Fassbar im Anspruch auf Souveränität und in der

erfolgreichen Behauptung des Monopols legitimer physischer Gewaltsamkeit im Staatsinnern,

schließt sich der territoriale Friedensverband seit dem 17. Jahrhundert gegen andere

gleichartige räumlich - politische Einheiten durch feste Grenzen ab. Damit wird nicht nur die

begriffliche Scheidung von ‘innen’ und ‘außen’, von Innen- und Internationaler Politik ermöglicht.

Vielmehr wird auch deutlich, dass der innere Frieden mit dem äußeren Unfrieden

notwendigerweise Hand in Hand geht: Denn die Staaten erkennen aufgrund ihres

Souveränitätsanspruchs im Außenverhältnis keine ihnen übergeordnete, Recht, Ordnung und

Frieden in der Staatengesellschaft vermittels eines Gewaltmonopols durchsetzende Autorität an.

Für die internationale Politik wird damit zur Gestaltungsaufgabe, in Analogie das nachzuholen,

was die Staaten der Moderne im Binnenverhältnis bereits hinter sich haben: die Entwicklung

institutionalisierter Verfahren immer gewaltärmerer, schließlich dann gewaltfreier

Konfliktbearbeitung. Mit Blick auf das Kriegsvölkerrecht ist dieses größtenteils gelungen: der

Delegitimierung der Fehde als Mittel der Selbsthilfe entspricht die Einschränkung der legitimen

Gründe zum, dann die Kodifizierung des Rechts im Kriege, schließlich das völlige Verbot

zwischenstaatlicher Gewaltanwendung durch Art. 2 Abs. 4 der Satzung der Vereinten Nationen.

Mit Blick auf die zentrale Leistung des territorialen Friedensverbands jedoch - Garantie der

(Rechts-) Sicherheit durch Behauptung des Monopols legitimer physischer Gewaltsamkeit - wird

zugleich deutlich, welch weiten Weg die internationale Politik bis zur analogen Verwirklichung

eines solchen (Friedens-) Zieles noch zu gehen hat.

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Literaturhinweise (zur eingehenderen Diskussion der inhaltlichen Bestimmungen von ‘Frieden’):

• Czempiel, Ernst-Otto: Friedensstrategien. Systemwandel durch Internationale Organisationen, Demokratisierung und Wirtschaft, Paderborn 1986.

• Meyers, Reinhard: Begriff und Probleme des Friedens, Opladen 1994.

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