Gliederung · 2 Hochkomplexe Medizin 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 d 1983-87 1988-92 1993-97 1998-02...
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Perspektiven der Krankenhaushygiene in den nächsten Jahren
M. Exner
Fotos: Fotolia/Visum
Gliederung
• Ausgangssituation
• Bisherige Strategien und Fehlentwicklungen
• Herausforderungen
• Ziele setzen
• Zukünftige Strategien
• Fazit
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Hochkomplexe Medizin
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1983-87 1988-92 1993-97 1998-02 2003-07 seit 2008
FDA-Zulassungen neuer
antimikrobieller Substanzen
Infectious Diseases Society of America. Bad Bugs, No Drugs. July 2004; Spellberg, Clin Infect Dis. 2004;38:1279-1286; New antimicrobial
agents. Antimicrob Agents Chemother. 2006;50:1912; New antimicrobial agents. Antimicrob Agents Chemother. 2010;54:4033-4035
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Bedrohliche Zunahme der Antibiotikaresistenzen
Durch die weltweite dramatische Zunahme hochresistenter Mikroorganismen, insbesondere der Gram-negativen Erreger, ohne Verfügbarkeit neu entwickelter Antibiotikawirkstoffe wird die Gefahr immer akuter, dass die Erfolge, die in den letzten Jahrzehnten in der modernen Medizin erreicht wurden, wieder verloren gehen und die medizinische Versorgung nachhaltig gefährdet wird.
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Medienwirksame Ausbrüche
• Fulda 2007 Salmonellenausbruch
• Mainz 2010 Todesfälle bei Säuglingen ( Enterobacter )
• Siegen 2011 Todesfälle bei Säuglingen ( u.a.Klebsiella )
• Leipzig Klebsiella pneumoniae Infektionen und Todesfälle
• Serratia marcescens Häufungen Berlin
• Klebsiella pneumoniae Infektionen Berlin
Mittlerweile ist erstmals in einer großen Region in Deutschland wie in
Sachsen ein endemisches Vorkommen von Gram- negativen Erregern wie
den KPC 2 produzierenden Klebsiellen zu beobachten
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Gliederung
• Ausgangssituation
• Bisherige Strategien und Fehlentwicklungen
• Herausforderungen
• Ziele setzen
• Zukünftige Strategien
• Fazit
Strategien 1997 der KRINKO
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Prämissen der Krankenhaushygiene
• 1. Schutz von Patient und Mitpatienten(Patientenschutz) vor
vermeidbarer Gesundheitsgefährdung, insbesondere Infektionsrisiken;
• 2. Schutz des medizinischen Personals (Personalschutz) und von
Beschäftigten sowie Besuchern vor vermeidbaren
Gesundheitsschäden, insbesondere Infektionsrisiken im medizinischen
Bereich;
• 3. Schutz des patientennahen Umfeldes
(Flächen,Instrumente,Geräte) vor vermeidbarer Kontamination mit
Infektionserregern und Sicherstellung einer validierten Asepsis,
Antisepsis, Reinigung, Desinfektion und Sterilisation, insbesondere von
Flächen und Instrumentenmenten, die direkt oder indirekt Kontakt mit
Patient oder Personal haben;
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Prämissen der Krankenhaushygiene
• 4.Ableitung von Evidenz-basierten Empfehlungen, wo
dies möglich ist;
• 5. Berücksichtigung von Effizienz, Effektivität und
Praktikabilität der Empfehlungen und deren Akzeptanz
beim medizinischen Personal;
• 6. Berücksichtigung ökonomischer Aspekte (Aufwand
an Personal,Material und baulich-funktionellen
Bedingungen);
Prämissen der Krankenhaushygiene
• 7. Berücksichtigung ökologischerAspekte und des
Ressourcenschutzes;
• 8. Gewährleistung der Vereinbarkeit mit gesetzlichen
Bestimmungen,Verordnungen sowie Empfehlungen in
Deutschland und der Europäischen Union, die den
krankenhaushygienischen Bereich berühren.
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• „Die hygienisch-medizinischen Fachgesellschaften haben sich
• • wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Flächendesinfektion als
Teil eines Multibarrierensystems zur Prävention von Infektionen im
Krankenhaus und anderen medizinischen Einrichtungen,
• • wegen der Gefahr einer zunehmenden Ausbreitung
nosokomialer Infektionserreger, insbesondere solcher mit erhöhter
Antibiotika-Resistenz und der damit verbundenen, zum Teil
lebensbedrohliche Gefährdung von Patienten sowie
• • wegen der entstandenen Rechtsunsicherheit für Krankenhäuser
und andere medizinische Einrichtungen
• entschlossen, nachfolgende Stellungnahme abzugeben.
• Die Fachgesellschaften verwahren sich nachdrücklich dagegen, diese
Angelegenheit als „Expertenstreit“ abzutun
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Händedesinfektion
• Präventionspotential 30 %
• Surveillance und Benchmarking Denken
• hygienisch-mikrobiologische
Umgebungsuntersuchungen als Qulalitätskriterium zur
Verifizierung und Validierung von Hygienemaßnahmen als
überflüssig deklariert.
• Forschung zur Ökologie von Krankheitserregern und zu
deren Persistenz und Tenazitätsverhalten in der Umwelt
sowie insgesamt die experimentelle Hygieneforschung
vernachlässigt
• Abbau der Anzahl von universitären Hygiene- Instituten
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Trends in MRSA in % in different European
Countries reported by EARSS
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Year 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
France
Germany
United Kingdom
Netherland
Exner- DGHM Kongress 2009
Bedeutung nosokomialer Infektionen in der
medizinischen Versorgung
• Hohe epidemiologische Relevanz
• Eskalation der Bedeutung von Antibiotika Resistenzen bei
gram-positiven und jetzt auch bei gram- negativen
Erregern
• Neue Antibiotika werden nicht mehr entwickelt.
• Eskalation der Bedeutung nosokomialer Infektionen
insbesondere für Risikogruppen
• Fazit: hohes Risiko für die medizinische Versorgung
• Prävention und Kontrolle ist Gesamtgesellschaftliche
Aufgabe
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Perzeption in Öffentlichkeit und Politik
• Wandel in der Risikoperzeption der persönlichen
Bedrohung: von Umweltschutz zu Gesundheitsschutz
• Hohe Medien- und Presse Öffentlichkeit
• Hohe Handlungsbereitschaft in der Politik
• Erwartungshaltung, dass alles zur Verhütung getan werde
bei abnehmender Bereitschaft nosokomiale Infektionen als
schicksalhaft hinzunehmen
Zunahme und Verdichtung der Leistung
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Zunahme und Verdichtung der Leistung
• Höhere Aufnahmerate bei gleichzeitiger höherer
Entlassungsrate
• Verdichtung pflegerischer und ärztlicher Arbeiten
• Erhöhtes Risiko bei gleichem Personalschlüssel zu
Hygienedefiziten insbesondere bei Risikogruppen wie
• - Intensivmed. Patienten
• - Frühgeborene
• - Onkologischen Patienten
Pflegeschlüssel ( Personal : Patient )
• Intensivstationen
• - Holland: 1 : 1
• - Deutschland: 1 : 3,3 – 3,7
• Immer komplexere Hygiene sensible Tätigkeiten bei invasiven Eingriffen bzw. Infusionen
• „Burning out“ Phänomene
• Personal- ausfall und – wechsel
• Politisch dringender Handlungsbedarf in Aufwertung und Finanzierung von ausreichendem Personal – Mittel Allokation
• Leistungsausweitung ist ohne zusätzliches Personal mit Hygiene nicht vereinbar.
• Ansonsten führt Infektionsschutzgesetz zu dramatischen Konsequenzen und nicht gerechtfertigten Schuldvorwürfen an medizinisches Personal
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Wie gut ist die Grundausbildung unserer
zukünftigen Ärztinnen und Ärzte im
Medizinstudium • Achillesferse
• Nur noch an 12 Universitäten eigenständige Lehrstühle für
Hygiene
• An manchen Universitäten nur 2 Stunden insgesamt
Hygiene während Medizinstudium
• Hierdurch Verantwortliche Ausbildung in moderner
Krankenhaushygiene nicht möglich
• Machen wir uns an Universitäten nicht strafbar ?
• Änderung der Approbationsordnung dringend notwendig !!!
Ausbildungssituation
• Schließung oder Nichtexistenz von Hygiene- Lehrstühlen
• Generationen von Ärzten nicht in der modernen Hygiene
ausgebildet
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• 1. Allgemeine Epidemiologie und Pathogenese der nosokomialen Infektionen
• 2. Wichtigste Transmissionswege
• 3. Prävention von Gefäßkatheter-assoziierten Infektionen (Maßnahmen beim Legen von peripheren und zentralen Gefäßkathetern sowie bei Manipulationen an ihnen)
• 4. Prävention von Atemweginfektionen (Maßnahmen beim Umgang mit Beatmungszubehör, Prävention der postoperativen Pneumonien)
• 5. Prävention von postoperativen Wundinfektionen (präoperative Vorbereitung des Patienten, Verhalten im OP, intraoperatives Management, postoperativer Verbandswechsel)
Pflegekräftemangel
• hohe Belastung und Einsatzbereitschaft
• hohe Verantwortung
• unterfinanziert
• Pflegekräftemangel, insbesondere in Spezialbereichen
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Relevante Erreger und deren Charakteristika
Infektionsreservoir
Freisetzung
Übertragung
Aufnahme
Immunologische
Auseinandersetzung
Hygienekaskade
gram- negative
Stäbchenbakterien
Martin Exner Erkrankung
über
direkten und indirekten
Kontakt
Direkte Übertragung:
Kontakt Wasser, Lösungen, Reinigungsmittel
Infusionslösung
Indirekte Übertragung:
Hände
Hohe Persistenz in
Feuchtbereichen und Biofilm
Keine Sanierung wie bei MRSA möglich
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Clearance von ESBL-produz. Enterbacteriaceen G. Birgand et al. / American Journal of Infection Control 41 (2013) 443-7
Präventionspotential
• Nur 30% aller nosokomialen Infektionen sind vermeidbar
• Stattdessen tatsächlich deutlich höheres
Präventionspotential ( z.T. bis zu 100 % ), da wo klare
Regeln der Hygiene umgesetzt werden.
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Gliederung
• Ausgangssituation
• Bisherige Strategien und Fehlentwicklungen
• Herausforderungen
• Ziele setzen
• Zukünftige Strategien
• Fazit
Targeting Sero Tolerance Konzept der APIC
• Targeting Zero encourages all organizations to set the goal of
elimination rather than remain comfortable when local or national averages or benchmarks are met.
• Every single HAI impacts the life of a patient and family—even one HAI should feel like too many.
• APIC also believes that willful nonadherence by health care workers with proven infection prevention and control measures should be unacceptable.
• References to ‘‘zero tolerance’’ today are generally intended as a response to unsafe behaviors and practices that place patients and health care workers at risk.
• In the context of HAIs, zero tolerance does not mean that people or organizations should be penalized for infections that may not be preventable, but this language may be used to stress the need for accountability and a culture built on inquiry and learning as opposed to punishment.
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Wir brauchen eine neue Kultur der Hygiene und
Infektionsprävention, die sich das Ziel setzt, nicht nur
zu messen und nach Benchmarking Kriterien sich bei
dessen Erreichen zufrieden zu geben, sondern die soviel
wie möglich an verhütbaren nosokomialen Infektionen
vermeiden will.
Positive Entwicklung
• Gute gesetzliche Verankerung IfSG
• Gute Codifizierung ( KRINKO, DGKH Leitlinien,
Desinfektionsprüfung und Listung )
• Ausbildung Hygienefachpersonal ( Hygienfachpflegekräfte,
Krankenhaushygieniker )
• Politische Unterstützung
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Gliederung
• Ausgangssituation
• Bisherige Strategien und Fehlentwicklungen
• Herausforderungen
• Ziel
• Zukünftige Strategien
Ausbildung
Der Stellenwert von Hygiene und insbesondere
Krankenhaushygiene im Medizinstudium wie auch in
der Ausbildung von Pflegeberufen aber auch in der
Administration, für das Reinigungs- und
Desinfektionspersonal sowie technisches Personal
muss konsequent erhöht werden.
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Forschung und experimentelle Hygiene
• Robert Koch – Pionier der experimentelle Hygiene
• Aufgrund fehlender Hygiene Institute wir nur noch an
wenigen Instituten experimentelle Hygieneforschung
betrieben
Leitlinienarbeit
• Integration der Patientenvertretung
• neben reiner wissenschaftlicher Evidenzbetrachtung
stärkere Integration der Erfahrung aus der guten
medizinischen Praxis und nicht erst, wenn die letzten
Wiesen der medizinischen Erkenntnis erschlossen sind.
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Verantwortlichkeit
Hygiene ist Führungsaufgabe
Betrieblich-organisatorische Kriterien
• Personal
• Umgang mit invasiven Systemen
• Reinigung und Desinfektion
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Personalausstattung
• Ausreichende Zahl von qualifizierten Mitarbeitern
• KRINKO 1993 Empfehlung
• Verbindliche Leitwerte
• Pflegemangel politisch angehen -
• Bündelstrategie insbesondere bei invasiven Systemen und
operativen Eingriffen
• Einbeziehung der Patienten in persönliche
Hygienemaßnahmen
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Baulich-funktionelle Kriterien
• In Leitlinien jahrelange Marginalisierung
• Ausreichend Platz, um reine und unreine Arbeitsvorgänge
zu trennen
• In Deutschland besteht erheblicher Investitionsstau
• Wasserführende Systeme Sanitärbereich als
Risikobereiche
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Auditierung
• Verifizierung, ob Hygienekriterien implementiert und richtig
und effizient umgesetzt wird zur Qualitätssicherung
• HACCP Konzept
• Hygieniker, Gesundheitsamt, Qualitätssicherer
• Handlungsanalyse und Handlungsabläufe (
Wundversorgung )
Screening und infektiologische Diagnostik
• Welche Patienten sind mit welchen Erregern kolonisiert
oder infiziert.
• Daten sind wichtig, um Maßnahmen zur Verhütung der
Weiterübertragung sicher zu stellen.
• Zeitnahe Analyse und Maßnahmeveranlassung
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Objektivierung von unzureichender Hygiene und
Konsequenzen
• Chefarztverträge an guter Hygiene koppeln
• Bei objektivierter unzureichender Hygienestruktur Konsequenzen für
das Patientenversorgungssystems
• In den Niederlanden und Frankreich viel weitergehende Sanktionen als
in Deutschland
• In Deutschland erfolgen Konsequenzen erst wenn Ausbrüche auftreten.
Ausbruchmanagement
• Erkenntnisse entscheidend für Ursachenklärung und
Haftung sowie Rückversicherung
• Derzeit unzureichend
• Möglichkeiten sind grundsätzlich vorhanden, werden
jedoch nicht richtig genutzt.
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Ausbruchmanagement in Bremen
Nachweis von
Klebsiella pneumoniae
Akteure beim Ausbruchmanagement:
-Klinikum Bremen
-Gesundheitsamt mit RKI
-Gesundheitsbehörde
--Staatsanwaltschaft mit Gutachter
-Parlamentarischer Untersuchungsausschuss
Legionellen Ausbruch in neu eröffneter ReHa
Klinik mit 11 Legionellosen ( 4 letal )
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Auftreten einer einzelnen Serratia liquefaciens Sepsis
nach Gabe einer Infusion durch Heilpraktiker
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Spur Orig.-Nr. RKI-Nr.
1 360 00-00527
2 368 00-00528
3 550 00-00529
4 551 00-00530
S Standard S. Typhimurium LT2
1 2 3 4 S
800
[kb]
365
457
275
90
225
PFGE - Vergleich von vier Serratia
liquefaciens - Stämmen
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Netzwerk von universitären Hygieneinstituten
• Regionale Infrastruktur
• Koordination auf regionaler Ebene u.a der MRE Netzwerke
• Unterstützung der Gesundheitsämter und Krankenhäuser
sowie medizinischer Einrichtungen
• Modernes Ausbruchsmanagment
• Forschung zur experimentellen Hygiene
Gliederung
• Ausgangssituation
• Bisherige Strategien und Fehlentwicklungen
• Herausforderungen
• Ziele setzen
• Zukünftige Strategien
• Fazit
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Fazit
• Nosokomiale Infektionen Gefahr für die medizinische
Versorgung.
• Zunahme der Antibiotika Resistenz ist manifestes Risiko für
Öffentliche Gesundheit
• Präventionspotential nosokomialer Infektionen ist deutlich
höher als 30 %
• Strategien sind vorhanden, die umgesetzt werden können.
Fazit
• Wir brauchen dann den Optimismus nicht zu verlieren,
wenn es gelingt, die Kultur der Hygiene wieder in
Forschung, Lehre und medizinischer Versorgung im
Interesse des Patientenschutzes und des
Mitarbeiterschutzes fest und nachhaltig zu verankern.
• Die DGKH wird aus ihrem Selbstverständnis heraus ihren
Beitrag hierzu leisten.
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Robert Koch
( 1843 – 1910 ) - Aufdeckung der bakteriellen Ätiologie von Infektionen,
- Prämisse: ohne Mikroorganismen keine Infektion
- Integration der damals modernsten Methoden
( Kulturverfahren, Fotographie, Mikroskopie,
Epidemiologie, Geomedizin, ) um Infektionen
zu erforschen und zu bekämpfen,
Ökologie zu erforschen und Infektionsketten zu
unterbrechen,( Search and destroy )
- Entwicklung der Grundlagen der Desinfektion,
- Grundlagen des Nachweises von MO. in
Wasser, Boden, Luft
- Trinkwasserhygiene( Indikatorkonzept und
Trinkwasserfiltration )
-Begründung der experimentellen mikrobiologischen
Hygiene
- Kontrolle und Eradiktion der klassischenSeuchen
( Cholera, Typhus, Shigellenruhr, TBC )
- Ausbau des Öffentliches Gesundheitswesens als
koordinierende Institution der Infektionskontrolle
Perspektiven der Krankenhaushygiene in den nächsten Jahren
Vielen Dank
Fotos: Fotolia/Visum