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DEUTSCHES UND EUROPÄISCHES RECHT GEGEN UNLAUTEREN WETTBEWERB PROF. DR. ANSGAR OHLY WS 2020/21 Gliederung I. Einführung 1. Begriff des Lauterkeitsrechts und Stellung im deutschen Rechtssystem 2. Historische Entwicklung 3. Unionsrechtlicher Rahmen (Überblick) II. Grundlagen 1. Systematik und Methodik des Lauterkeitsrechts 2. Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts (§ 1) 3. Grundbegriffe (§ 2) 4. Die Generalklausel (§ 3) III. Unlautere geschäftliche Handlungen 1. Schutz der Verbraucher und sonstigen Abnehmer a) Unionsrechtlicher Rahmen, insb. die UGP-Richtlinie b) Irreführende Handlungen (§ 5) c) Informationspflichten (§ 5a) d) Aggressive Handlungen (§ 4a) e) Unzumutbare Belästigung (§ 7) 2. Schutz der Mitbewerber a) Vergleichende Werbung (§ 6) b) Schutz des Geschäftsrufs (§ 4 Nr. 1, 2) c) Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz (§ 4 Nr. 3) d) Unlautere Behinderung (§ 4 Nr. 4) 3. Rechtsbruch (§ 3a) IV. Rechtsfolgen 1. Zivilrechtliche Ansprüche a) Unterlassung und Beseitigung (§ 8) b) Schadensersatz (§ 9) c) Gewinnabschöpfung (§ 10) d) Weitere Ansprüche 2. Strafrechtliche Sanktionen V. Wettbewerbsverfahrensrecht 1. Überblick 2. Abmahnung und Unterwerfung (§ 12 I) 3. Gerichtliche Durchsetzung a) Zuständigkeit (§§ 13, 14) b) Anträge und Streitgegenstand c) Einstweilige Verfügung (§ 12 II) d) Hauptsacheverfahren 4. Einigungsstellen (§ 15)

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DEUTSCHES UND EUROPÄISCHES RECHT GEGEN

UNLAUTEREN WETTBEWERB

PROF. DR. ANSGAR OHLY

WS 2020/21

Gliederung

I. Einführung

1. Begriff des Lauterkeitsrechts und Stellung im deutschen Rechtssystem

2. Historische Entwicklung

3. Unionsrechtlicher Rahmen (Überblick)

II. Grundlagen

1. Systematik und Methodik des Lauterkeitsrechts

2. Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts (§ 1)

3. Grundbegriffe (§ 2)

4. Die Generalklausel (§ 3)

III. Unlautere geschäftliche Handlungen

1. Schutz der Verbraucher und sonstigen Abnehmer

a) Unionsrechtlicher Rahmen, insb. die UGP-Richtlinie

b) Irreführende Handlungen (§ 5)

c) Informationspflichten (§ 5a)

d) Aggressive Handlungen (§ 4a)

e) Unzumutbare Belästigung (§ 7)

2. Schutz der Mitbewerber

a) Vergleichende Werbung (§ 6)

b) Schutz des Geschäftsrufs (§ 4 Nr. 1, 2)

c) Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz (§ 4 Nr. 3)

d) Unlautere Behinderung (§ 4 Nr. 4)

3. Rechtsbruch (§ 3a)

IV. Rechtsfolgen

1. Zivilrechtliche Ansprüche

a) Unterlassung und Beseitigung (§ 8)

b) Schadensersatz (§ 9)

c) Gewinnabschöpfung (§ 10)

d) Weitere Ansprüche

2. Strafrechtliche Sanktionen

V. Wettbewerbsverfahrensrecht

1. Überblick

2. Abmahnung und Unterwerfung (§ 12 I)

3. Gerichtliche Durchsetzung

a) Zuständigkeit (§§ 13, 14)

b) Anträge und Streitgegenstand

c) Einstweilige Verfügung (§ 12 II)

d) Hauptsacheverfahren

4. Einigungsstellen (§ 15)

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Literaturauswahl

Gesetzestexte

• Förster/Uhrich/Zech (Hrsg.), Geistiges Eigentum: Vorschriftensammlung zum gewerb-

lichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. (2019) (Mohr Sie-

beck)

• Textsammlung „Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Kartellrecht“, 41. Aufl. (2020)

(Beck-Texte im dtv)

• Eckardt/Klett (Hrsg.), Textsammlung „Wettbewerbsrecht, Gewerblicher Rechtsschutz

und Urheberrecht“, 6. Aufl. (2019) (C.F. Müller)

Lehrbücher

• Alexander, Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. (2019)

• Beater, Unlauterer Wettbewerb (2011)

• Berlit, Wettbewerbsrecht, 10. Aufl. (2017)

• Boesche, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. (2016)

• Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 10. Aufl. (2018)

• Ekey, Grundriss des Wettbewerbs- und Kartellrechts, 5. Aufl. (2016)

• Emmerich/Lange, Unlauterer Wettbewerb, 11. Aufl. (2019)

• Jänich, Lauterkeitsrecht (2019)

• Köhler/Alexander, Fälle zum Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. (2016)

• Lettl, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. (2016, Neuaufl. angekündigt)

• Peifer, Lauterkeitsrecht, Das UWG in Systematik und Fallbearbeitung, 2. Aufl. (2016)

• Sosnitza, Fälle zum Wettbewerbs- und Kartellrecht, 6. Aufl. (2011)

Kommentare und Handbücher (UWG)

• Büscher, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (2019)

• Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht, 2 Bde., 3. Aufl. (2016)

• Gloy/Loschelder/Erdmann (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl. (2010,

Neuaufl. angekündigt)

• Götting/Nordemann (Hrsg.), UWG, 3. Aufl. (2016)

• Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, 4. Aufl. (2016)

• Heermann/Schlingloff (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2 Bde., 3.

Aufl. (2020, für Bd. 2 erst angekündigt)

• Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. (2020)

• Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. (2016)

• Teplitzky/Peifer/Leistner (Hrsg.), Großkommentar UWG, 3 Bde., 2. Aufl. (2013/14)

• Ullmann (Hrsg.), juris-Praxiskommentar UWG, 4. Aufl. (2016)

Kommentare und Handbücher (Wettbewerbsprozessrecht)

• Ahrens (Hrsg.), Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl. (2017, Neuaufl. angekündigt)

• Teplitzky (Begr.), Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. (2019)

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Zeitschriften

• Computer und Recht (CR), bei juris

• Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), bei BeckOnline

• Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (GRUR Int.), bei

BeckOnline

• Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungsreport (GRUR-RR), bei

BeckOnline

• Kommunikation und Recht (K & R)

• Multimedia und Recht (MMR), bei BeckOnline

• Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), bei juris

• Zeitschrift für Geistiges Eigentum (ZGE)

• Zeitschrift für Wettbewerbsrecht (ZWeR)

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Bearbeitungsstand: 04.11.2020 14:47 Uhr

Referentenentwurf

des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wett-bewerbs- und Gewerberecht

A. Problem und Ziel

Im Rahmen einer umfassenden Eignungsprüfung des Verbraucher- und des Marketing-rechts in der Europäischen Union durch die Europäische Kommission wurde festgestellt, dass mehrere Verbraucherinnen und Verbraucher schützende Rechtsakte der Europäischen Union der Modernisierung bedürfen und zudem die Möglichkeiten zur Durch-setzung des Verbraucherschutzrechts verbessert werden müssen. Zu diesem Zweck wurde die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. No-vember 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7) erlassen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union in ihrem Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 1, bis zum 28. November 2021 die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen und zu veröffentlichen, um den Vorgaben der Richt-linie nachzukommen.

Die Richtlinie sieht unter anderem Änderungen der Richtlinie 2005/29/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäi-schen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22; L 253 vom 25.9.2009, S. 18), die durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7) geändert worden ist, vor. Ziel dieser Änderungen ist insbesondere eine effektivere Sanktionierung grenzüberschreitender Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften, der Zugang von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehel-fen sowie die Verbesserung der Transparenz im Online-Handel. Zudem ermöglicht die Richtlinie den Mitgliedstaaten über eine Öffnungsklausel in der vollharmonisierenden Richt-linie 2005/29/EG weitergehende Regelungen zur Bekämpfung von aggressiven und irre-führenden Vermarktungs- und Verkaufspraktiken im Zusammenhang mit Verkaufsfahrten (so genannten Kaffeefahrten) vorzusehen.

Unabhängig von diesen europäischen Entwicklungen haben eine Reihe divergierender Ent-scheidungen der nationalen Gerichte aus der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass ge-setzgeberischer Klarstellungsbedarf im Hinblick auf die Frage besteht, unter welchen Vo-raussetzungen Inhalte im Internet einem kennzeichnungspflichtigen kommerziellen Zweck dienen. Bedeutung hat dies vor allem im Hinblick auf neuere Formen der kommerziellen Kommunikation und des Marketings im Internet, wie dem Influencer-Marketing.

B. Lösung

Die Umsetzung der die Richtlinie 2005/29/EG betreffenden Teile der Richtlinie (EU) 2019/2161 erfolgt durch entsprechende Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wett-

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bewerb (UWG). Dadurch wird der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor un-lauteren geschäftlichen Handlungen insbesondere im Kontext digitaler Geschäftsmodelle verbessert und eine wirksamere Durchsetzung des Verbraucherrechts ermöglicht.

Der Entwurf enthält hierfür Regelungen zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei Rankings und Verbraucherbewertungen. Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten zu-dem einen Anspruch auf Schadensersatz bei schuldhaften Verstößen von Unternehmern

gegen verbraucherschützende Vorschriften des UWG. Bei weitverbreiteten Verstößen in mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegen Vorschriften, die die Richtlinie 2005/29/EG umsetzen, erhalten die zuständigen Behörden die Möglichkeit, im Rahmen von gemeinsamen Durchsetzungsmaßnahmen ein umsatzabhängiges Bußgeld zu verhängen. Die neue Öffnungsklausel wird für Verschärfungen der für Kaffeefahrten geltenden Rege-lungen über Wanderlager genutzt. Darüber hinaus sieht der Entwurf Klarstellungen zum Anwendungsbereich des UWG vor, insbesondere zur Abgrenzung von privater Meinungs-äußerung und kommerzieller Kommunikation im Internet.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht voraussichtlich ein einmaliger Erfüllungsaufwand von rund 699 000 Euro.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Der zu erwartende einmalige Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 699 000 Euro geht ins-gesamt auf die Einführung von vier Informationspflichten zurück.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Durch das Gesetz entsteht allenfalls ein geringfügiger Erfüllungsaufwand der Verwaltung.

F. Weitere Kosten

Kosten für die Wirtschaft und für die sozialen Sicherungssysteme werden nicht erwartet. Auch sind keine Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucher-preisniveau, ersichtlich.

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Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht1)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 18. Ap-ril 2019 (BGBl. I S. 466) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die §§ 1 und 2 werden wie folgt gefasst:

㤠1

Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zu-gleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen im Fall unterschiedlicher Rechtsfolgen den Regelungen dieses Ge-setzes vor.

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

1. „geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonsti-gen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Ge-schäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden;

1) Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richt-linien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besse-ren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7).

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2. „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen o-der eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleis-tungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienst-leistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen;

3. „Marktteilnehmer“ neben Mitbewerbern und Verbrauchern auch alle weiteren Per-sonen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind;

4. „Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;

5. „Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausge-tauscht oder weitergeleitet wird; nicht umfasst sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlich-keit weitergeleitet werden, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können;

6. „Online-Marktplatz“ ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwen-dung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwen-dung, Fernabsatzverträge (§ 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen;

7. „Ranking“ die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Wa-ren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln;

8. „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlun-gen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vor-nimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt;

9. „unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berück-sichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält;

10. „Verhaltenskodex“ Vereinbarungen oder Vorschriften über das Verhalten von Un-ternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtun-gen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben;

11. „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andern-falls nicht getroffen hätte.

(2) Für den Verbraucherbegriff ist § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anwend-bar.“

2. § 5 wird wie folgt geändert:

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a) Absatz 1 Satz 2 wird Absatz 2.

b) Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3 und wird wie folgt gefasst:

„(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn

1. sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder

2. mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt bereitgestellten Ware ver-marktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ih-ren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.“

c) Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die Absätze 4 und 5.

3. § 5a wird durch die folgenden §§ 5a bis 5c ersetzt:

㤠5a

Irreführung durch Unterlassen

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilneh-mer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Um-ständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Markt-teilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andern-falls nicht getroffen hätte.

(2) Als Vorenthalten gilt auch

1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen,

2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie

3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.

(3) Bei der Beurteilung, ob Informationen vorenthalten wurden, sind zu berück-sichtigen:

1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie

2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise als durch das Kommunikationsmittel nach Nummer 1 zur Verfügung zu stellen.

(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umstän-

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den ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer ge-schäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Bei einer Handlung ausschließlich zugunsten eines fremden Unternehmens ist nur dann ein kommerzieller Zweck anzunehmen, wenn der Handelnde ein Entgelt oder eine ähn-liche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält.

§ 5b

Wesentliche Informationen

(1) Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so an-geboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, so gelten die folgenden Informationen als wesentlich im Sinne des § 5a Absatz 1, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben:

1. alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem der Ware oder Dienstleistung und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Um-fang,

2. die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und An-schrift desjenigen Unternehmers, für den er handelt,

3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaf-fenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können,

4. Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, soweit diese von den Erfordernis-sen unternehmerischer Sorgfalt abweichen,

5. das Bestehen des Rechts auf Rücktritt oder Widerruf und

6. bei Waren oder Dienstleistungen, die über einen Online-Marktplatz angeboten werden, die Information, ob es sich bei dem Anbieter der Waren oder Dienstleis-tungen nach dessen eigener Erklärung gegenüber dem Betreiber des Online-Marktplatzes um einen Unternehmer handelt.

(2) Bietet ein Unternehmer Verbrauchern die Möglichkeit, nach Waren oder Dienstleistungen zu suchen, die von verschiedenen Unternehmern oder von Verbrau-chern angeboten werden, so gelten unabhängig davon, wo das Rechtsgeschäft abge-schlossen werden kann, folgende allgemeine Informationen als wesentlich:

1. die Hauptparameter zur Festlegung des Rankings der dem Verbraucher als Ergeb-nis seiner Suchanfrage präsentierten Waren oder Dienstleistungen sowie

2. die relative Gewichtung der Hauptparameter für das Ranking im Vergleich zu an-deren Parametern.

Die Informationen nach Satz 1 müssen von der Anzeige der Suchergebnisse aus un-mittelbar und leicht zugänglich sein. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Betreiber von Online-Suchmaschinen im Sinne des Artikels 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur För-derung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungs-diensten (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 57).

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(3) Macht ein Unternehmer Bewertungen zugänglich, die Verbraucher im Hinblick auf Waren oder Dienstleistungen vorgenommen haben, so gelten als wesentlich Infor-mationen darüber, ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistun-gen tatsächlich genutzt oder erworben haben.

(4) Als wesentlich im Sinne des § 5a Absatz 1 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation ein-schließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

§ 5c

Verbotene Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen

(1) Die Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen nach Absatz 2 ist verboten, wenn es sich um einen weitverbreiteten Ver-stoß gemäß Artikel 3 Nummer 3 oder einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Di-mension gemäß Artikel 3 Nummer 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 über die Zusam-menarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zustän-digen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 345 vom 27.12.2017, S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2019/771 (ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 28) geändert worden ist, handelt.

(2) Eine Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne des Absatzes 1 liegt vor, wenn

1. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 3 in Verbindung mit dem Anhang vorgenommen wird,

2. eine aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a Absatz 1 Satz 1 vorgenommen wird,

3. eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Absatz 1 oder § 5a Absatz 1 vorgenommen wird oder

4. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1 fortgesetzt vorgenom-men wird, die durch eine vollziehbare Anordnung der zuständigen Behörde im Sinne des Artikels 3 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2017/2394 oder durch eine vollstreckbare Entscheidung eines Gerichts untersagt worden ist, sofern die Hand-lung nicht bereits von den Nummern 1 bis 3 erfasst ist.“

4. § 7 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aa) Nummer 1 wird aufgehoben.

bb) Die Nummern 2 bis 4 werden die Nummern 1 bis 3.

b) In Absatz 3 in dem Satzteil vor Nummer 1 wird nach dem Wort „Nummer“ die An-gabe „3“ durch die Angabe „2“ ersetzt.

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5. § 9 wird wie folgt gefasst:

㤠9

Schadensersatz

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftli-che Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Hand-lung vornimmt, ist den Verbrauchern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6.

(3) Gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften kann der Anspruch auf Schadensersatz nach den Absätzen 1 und 2 nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.“

6. § 11 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird die Angabe „9 und 12“ durch die Wörter „9 Absatz 1 und § 12“ ersetzt.

b) In Absatz 3 werden nach dem Wort „Schadensersatzansprüche“ die Wörter „nach Absatz 1“ eingefügt.

c) In Absatz 4 werden nach dem Wort „Ansprüche“ die Wörter „nach Absatz 1“ ein-gefügt.

d) Folgender Absatz 5 wird angefügt:

„(5) Die übrigen Ansprüche nach diesem Gesetz verjähren nach der regelmä-ßigen Verjährungsfrist.“

7. § 19 wird wie folgt gefasst:

㤠19

Bußgeldvorschriften bei einem weitverbreiteten Verstoß und einem weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5c Ab-satz 1 Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne des § 5c Absatz 2 verletzt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden. Gegenüber einem Unternehmer, der in den von dem Verstoß be-troffenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr mehr als zweieinhalb Millionen Euro Jahresumsatz erzielt hat, kann eine höhere Geldbuße verhängt werden; diese darf 4 Prozent des Jahresumsatzes nicht übersteigen. Die Höhe des Jahresumsatzes kann geschätzt wer-den. Liegen keine Anhaltspunkte für eine Schätzung des Jahresumsatzes vor, so be-trägt das Höchstmaß der Geldbuße zwei Millionen Euro. Abweichend von den Sätzen 2 bis 4 gilt gegenüber einem Täter oder einem Beteiligten, der im Sinne des § 9 des

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Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für einen Unternehmer handelt, und gegenüber einem Beteiligten im Sinne des § 14 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswid-rigkeiten, der kein Unternehmer ist, der Bußgeldrahmen des Satzes 1. Das für die Ord-nungswidrigkeit angedrohte Höchstmaß der Geldbuße im Sinne des § 30 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist das nach den Sätzen 1 bis 4 an-wendbare Höchstmaß.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann nur im Rahmen einer koordinierten Durchset-zungsmaßnahme gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) 2017/2394 verfolgt werden.

(4) Verwaltungsbehörden im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind

1. das Bundesamt für Justiz,

2. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bei Verdacht eines Verstoßes, der sich auf die Tätigkeit eines Unternehmens im Sinne des § 2 Nummer 2 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes bezieht, und

3. die nach Landesrecht zuständige Behörde bei Verdacht eines Verstoßes, der sich auf die Tätigkeit eines Unternehmens im Sinne des § 2 Nummer 4 des EU-Ver-braucherschutzdurchführungsgesetzes bezieht.“

8. § 20 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 1 wird nach dem Wort „Nummer“ die Angabe „2“ durch die Angabe „1“ ersetzt.

b) In Nummer 2 wird nach dem Wort „Nummer“ die Angabe „3“ durch die Angabe „2“ ersetzt.

9. Der Anhang wird wie folgt gefasst:

„Anhang (zu § 3 Absatz 3)

Folgende geschäftliche Handlungen sind stets unzulässig:

1. unwahre Angabe über die Unterzeichnung eines Verhaltenskodexes

die unwahre Angabe eines Unternehmers, zu den Unterzeichnern eines Verhal-tenskodexes zu gehören;

2. unerlaubte Verwendung von Gütezeichen und Ähnlichem

die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung;

3. unwahre Angabe über die Billigung eines Verhaltenskodexes

die unwahre Angabe, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt;

4. unwahre Angabe über Anerkennungen durch Dritte

die unwahre Angabe, ein Unternehmer, eine von ihm vorgenommene geschäftli-che Handlung oder eine Ware oder Dienstleistung sei von einer öffentlichen oder

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privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden, oder die unwahre An-gabe, den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung werde entsprochen;

5. Lockangebote ohne Hinweis auf Unangemessenheit der Bevorratungsmenge

Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5b Absatz 1 zu einem be-stimmten Preis, wenn der Unternehmer nicht darüber aufklärt, dass er hinrei-chende Gründe für die Annahme hat, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in an-gemessener Menge zum genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu las-sen; ist die Bevorratung kürzer als zwei Tage, obliegt es dem Unternehmer, die Angemessenheit nachzuweisen;

6. Lockangebote zum Absatz anderer Waren oder Dienstleistungen

Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5b Absatz 1 zu einem be-stimmten Preis, wenn der Unternehmer sodann in der Absicht, stattdessen eine andere Ware oder Dienstleistung abzusetzen,

a) eine fehlerhafte Ausführung der Ware oder Dienstleistung vorführt,

b) sich weigert zu zeigen, was er beworben hat, oder

c) sich weigert, Bestellungen dafür anzunehmen oder die beworbene Leistung innerhalb einer vertretbaren Zeit zu erbringen;

7. unwahre Angabe über zeitliche Begrenzung des Angebots

die unwahre Angabe, bestimmte Waren oder Dienstleistungen seien allgemein oder zu bestimmten Bedingungen nur für einen sehr begrenzten Zeitraum verfüg-bar, um den Verbraucher zu einer sofortigen geschäftlichen Entscheidung zu ver-anlassen, ohne dass dieser Zeit und Gelegenheit hat, sich auf Grund von Informa-tionen zu entscheiden;

8. Sprachenwechsel für Kundendienstleistungen bei einer in einer Fremdsprache ge-führten Vertragsverhandlung

Kundendienstleistungen in einer anderen Sprache als derjenigen, in der die Ver-handlungen vor dem Abschluss des Geschäfts geführt worden sind, wenn die ur-sprünglich verwendete Sprache nicht Amtssprache desjenigen Mitgliedstaats der Europäischen Union ist, in dem der Unternehmer niedergelassen ist; dies gilt nicht, soweit Verbraucher vor dem Abschluss des Geschäfts darüber aufgeklärt werden, dass diese Leistungen in einer anderen als der ursprünglich verwendeten Sprache erbracht werden;

9. unwahre Angabe über die Verkehrsfähigkeit

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, eine Ware oder Dienstleistung sei verkehrsfähig;

10. Darstellung gesetzlicher Verpflichtungen als Besonderheit eines Angebots

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar;

11. als Information getarnte Werbung

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der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt;

11a. verdeckte Werbung in Suchergebnissen

die Anzeige von Suchergebnissen aufgrund der Online-Suchanfrage eines Ver-brauchers, ohne dass etwaige bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen, die dazu dienen, ein höheres Ranking der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen im Rahmen der Suchergebnisse zu erreichen, eindeutig offengelegt werden;

12. unwahre Angabe über Gefahren für die persönliche Sicherheit

unwahre Angaben über Art und Ausmaß einer Gefahr für die persönliche Sicher-heit des Verbrauchers oder seiner Familie für den Fall, dass er die angebotene Ware nicht erwirbt oder die angebotene Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt;

13. Täuschung über betriebliche Herkunft

Werbung für eine Ware oder Dienstleistung, die der Ware oder Dienstleistung ei-nes bestimmten Herstellers ähnlich ist, wenn dies in der Absicht geschieht, über die betriebliche Herkunft der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu täuschen;

14. Schneeball- oder Pyramidensystem

die Einführung, der Betrieb oder die Förderung eines Systems zur Verkaufsförde-rung, bei dem vom Verbraucher ein finanzieller Beitrag für die Möglichkeit verlangt wird, eine Vergütung allein oder zumindest hauptsächlich durch die Einführung weiterer Teilnehmer in das System zu erlangen;

15. unwahre Angabe über Geschäftsaufgabe

die unwahre Angabe, der Unternehmer werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen;

16. Angaben über die Erhöhung der Gewinnchancen bei Glücksspielen

die Angabe, durch eine bestimmte Ware oder Dienstleistung ließen sich die Ge-winnchancen bei einem Glücksspiel erhöhen;

17. unwahre Angaben über die Heilung von Krankheiten

die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten, Funkti-onsstörungen oder Missbildungen heilen;

18. unwahre Angabe über Marktbedingungen oder Bezugsquellen

eine unwahre Angabe über die Marktbedingungen oder Bezugsquellen, um den Verbraucher dazu zu bewegen, eine Ware oder Dienstleistung zu weniger günsti-gen Bedingungen als den allgemeinen Marktbedingungen abzunehmen oder in Anspruch zu nehmen;

19. Nichtgewährung ausgelobter Preise

das Angebot eines Wettbewerbs oder Preisausschreibens, wenn weder die in Aus-sicht gestellten Preise noch ein angemessenes Äquivalent vergeben werden;

20. unwahre Bewerbung als kostenlos

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das Angebot einer Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen, wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind; dies gilt nicht für Kosten, die im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Waren- oder Dienstleis-tungsangebot oder für die Abholung oder Lieferung der Ware oder die Inanspruch-nahme der Dienstleistung unvermeidbar sind;

21. Irreführung über das Vorliegen einer Bestellung

die Übermittlung von Werbematerial unter Beifügung einer Zahlungsaufforderung, wenn damit der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt;

22. Irreführung über Unternehmereigenschaft

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Un-ternehmer sei Verbraucher oder nicht für Zwecke seines Geschäfts, Handels, Ge-werbes oder Berufs tätig;

23. Irreführung über Kundendienst in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, es sei im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als dem des Warenverkaufs oder der Dienstleistung ein Kundendienst verfügbar;

23a. Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen

der Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucher, wenn der Unternehmer diese Eintrittskarten unter Verwendung solcher automatisierter Verfahren erworben hat, die dazu dienen, Beschränkungen zu umgehen in Bezug auf die Zahl der von einer Person zu erwerbenden Eintrittskarten oder in Bezug auf andere für den Verkauf der Eintrittskarten geltende Regeln;

23b. Irreführung über die Echtheit von Verbraucherbewertungen

die Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich erworben oder genutzt haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Überprüfung ergriffen wurden, ob die Bewertungen tatsächlich von solchen Verbrauchern stammen;

23c. gefälschte Verbraucherbewertungen

die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern sowie die falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfeh-lungen von Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung;

24. räumliches Festhalten des Verbrauchers

das Erwecken des Eindrucks, der Verbraucher könne bestimmte Räumlichkeiten nicht ohne vorherigen Vertragsabschluss verlassen;

25. Nichtverlassen der Wohnung des Verbrauchers trotz Aufforderung

bei persönlichem Aufsuchen des Verbrauchers in dessen Wohnung die Nichtbe-achtung seiner Aufforderung, die Wohnung zu verlassen oder nicht zu ihr zurück-zukehren, es sein denn, das Aufsuchen ist zur rechtmäßigen Durchsetzung einer vertraglichen Verpflichtung gerechtfertigt;

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26. unzulässiges hartnäckiges Ansprechen über Fernabsatzmittel

bei hartnäckigem und unerwünschtem Ansprechen des Verbrauchers mittels Te-lefonanrufen, unter Verwendung eines Faxgerätes, elektronischer Post oder sons-tiger für den Fernabsatz geeigneter Mittel der kommerziellen Kommunikation, es sei denn das Verhalten ist zur rechtmäßigen Durchsetzung einer vertraglichen Ver-pflichtung gerechtfertigt;

27. Verhinderung der Durchsetzung vertraglicher Rechte im Versicherungsverhältnis

Maßnahmen, durch die der Verbraucher von der Durchsetzung seiner vertragli-chen Rechte aus einem Versicherungsverhältnis dadurch abgehalten werden soll, dass

a) von ihm bei der Geltendmachung seines Anspruchs die Vorlage von Unterla-gen verlangt wird, die zum Nachweis dieses Anspruchs nicht erforderlich sind, oder

b) Schreiben zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs systematisch nicht beantwortet werden;

28. Kaufaufforderung an Kinder

die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen;

29. Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Waren oder Dienstleistungen

die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber gelieferter Waren oder er-brachter Dienstleistungen oder eine Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbe-wahrung nicht bestellter Waren;

30. Angaben über die Gefährdung des Arbeitsplatzes oder des Lebensunterhalts

die ausdrückliche Angabe, dass der Arbeitsplatz oder der Lebensunterhalt des Un-ternehmers gefährdet sei, wenn der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung nicht abnehme;

31. Irreführung über Preis oder Gewinn

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Ver-braucher habe bereits einen Preis gewonnen oder werde ihn gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis gewinnen oder einen sonstigen Vorteil erlangen, wenn

a) es einen solchen Preis oder Vorteil tatsächlich nicht gibt oder

b) die Möglichkeit, einen Preis oder sonstigen Vorteil zu erlangen, von der Zah-lung eines Geldbetrags oder der Übernahme von Kosten abhängig gemacht wird.“

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Artikel 2

Änderung der Gewerbeordnung

Die Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 222 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 56a wie folgt gefasst:

„§ 56a Wanderlager“.

2. § 56a wird wie folgt gefasst:

㤠56a

Wanderlager

(1) Ein Wanderlager veranstaltet, wer außerhalb seiner Niederlassung und au-ßerhalb einer Messe, Ausstellung oder eines Marktes von einer festen Verkaufsstätte aus

1. Waren feilhält oder Bestellungen auf Waren aufsucht oder

2. Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht.

(2) Der Veranstalter eines Wanderlagers hat dieses vier Wochen vor Beginn der für den Ort des Wanderlagers zuständigen Behörde nach Maßgabe des Absatzes 3 anzuzeigen, wenn auf das Wanderlager durch öffentliche Ankündigung hingewiesen werden soll und die An- und Abreise der Teilnehmer zum und vom Ort des Wanderla-gers durch die geschäftsmäßig erbrachte Beförderung durch den Veranstalter oder von Personen im Zusammenwirken mit dem Veranstalter erfolgen soll. Sofern das Wander-lager im Ausland veranstaltet werden soll, ist die Anzeige nach Satz 1 bei der für den Ort der Niederlassung des Veranstalters zuständigen Behörde abzugeben.

(3) Die Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 muss enthalten

1. den Ort, das Datum und die Uhrzeit des Wanderlagers,

2. den Namen des Veranstalters sowie desjenigen, für dessen Rechnung die Waren oder Leistungen vertrieben werden, einschließlich die Anschrift, unter der diese Personen niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechts-form und die Vertretungsberechtigten,

3. Angaben, die eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Veranstalter ermöglichen, einschließlich einer Telefonnummer und einer E-Mail-Adresse,

4. die Angabe des Handelsregisters, Vereinsregisters oder Genossenschaftsregis-ters, in das der Veranstalter eingetragen ist, und die entsprechende Registernum-mer,

5. den Wortlaut und die Form der beabsichtigten öffentlichen Ankündigung und

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6. den Namen des schriftlich bevollmächtigten Vertreters des in der Anzeige genann-ten Veranstalters des Wanderlagers, der dieses an Ort und Stelle für den Veran-stalter leitet.

(4) Der Veranstalter eines Wanderlagers hat sicherzustellen, dass in der öffentli-chen Ankündigung eines Wanderlagers folgende Informationen enthalten sind

1. die Art der Ware oder Leistung, die im Rahmen des Wanderlagers vertrieben wird,

2. der Ort des Wanderlagers,

3. der Name des Veranstalters, die Anschrift, unter der er niedergelassen ist, sowie Angaben, die eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Veranstalter ermöglichen, einschließlich einer Telefonnummer und einer E-Mail-Adresse, und

4. in leicht erkennbarer und deutlich lesbarer oder sonst gut wahrnehmbarer Form darüber, unter welchen Bedingungen dem Verbraucher bei Verträgen, die im Rah-men des Wanderlagers abgeschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht.

In der öffentlichen Ankündigung eines Wanderlagers dürfen unentgeltliche Zuwendun-gen in Form von Waren oder Leistungen einschließlich Preisausschreiben, Verlosun-gen und Ausspielungen nicht angekündigt werden.

(5) Das Wanderlager darf an Ort und Stelle nur durch den in der Anzeige genann-ten Veranstalter geleitet werden. Der Veranstalter darf sich durch eine von ihm schrift-lich bevollmächtigte Person vertreten lassen.

(6) Es ist verboten, anlässlich eines Wanderlagers Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes oder Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des § 1 Absatz 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung zu vertreiben. § 56 bleibt unberührt.

(7) Die zuständige Behörde kann die Veranstaltung eines Wanderlagers untersa-gen, wenn die Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 nicht rechtzeitig, nicht wahrheitsgemäß oder nicht vollständig erstattet wurde oder wenn die öffentliche Ankündigung nicht den Vorschriften des Absatzes 4 entspricht.“

3. § 145 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 3 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 1 werden nach der Angabe „§ 55c“ die Wörter „oder § 56a Ab-satz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2,“ eingefügt.

bb) Die Nummern 6 bis 9 werden aufgehoben.

cc) Nach Nummer 2 werden folgende Nummern 3 bis 7 eingefügt:

„3. entgegen § 56a Absatz 4 Satz 1 nicht sicherstellt, dass in der öffentlichen Ankündigung die dort genannten Informationen enthalten sind,

4. entgegen § 56a Absatz 4 Satz 2 eine Zuwendung ankündigt,

5. entgegen § 56a Absatz 5 Satz 1 ein Wanderlager leitet,

6. entgegen § 56a Absatz 6 Satz 1 ein Medizinprodukt oder ein Nahrungser-gänzungsmittel vertreibt,

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7. einer vollziehbaren Anordnung nach § 56a Absatz 7 zuwiderhandelt,“.

dd) Die bisherigen Nummern 3 und 4 werden die Nummern 8 und 9.

b) In Absatz 4 werden nach den Wörtern „fünfzigtausend Euro,“ die Wörter „in den Fällen des Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro,“ eingefügt, die Wörter „fünftausend Euro,“ durch die Wörter „fünftausend Euro und“ ersetzt und nach den Wörtern „zweitausendfünfhundert Euro“ das Komma und die Wörter „in den Fällen des Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro“ gestri-chen.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 28. Mai 2022 in Kraft.

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Begründung

A. Allgemeiner Teil

Mit dem Entwurf wird der Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor unlauteren geschäftlichen Handlungen entsprechend unionsrechtlicher Vorgaben verbessert. Zudem wird der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor aggressiven oder irreführenden Praktiken bei Kaffeefahrten sowie die Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunikation von geschäftlichen Handlungen gestärkt.

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Der Entwurf setzt die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parla-ments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucher-schutzvorschriften der Union (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7, im Folgenden: Richtlinie (EU) 2019/2161) um, soweit sie die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen ge-genüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22, L 253 vom 25.9.2009, S. 18), die durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7) geändert worden ist, be-treffen. Die Umsetzung muss bis zum 28. November 2021 erfolgen (Artikel 7 Absatz 1 Un-terabsatz 1 Richtlinie (EU) 2019/2161).

Die bestehenden rechtlichen Regelungen reichen für eine Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2161 nicht aus, so dass eine Änderung des Gesetzes gegen den un-lauteren Wettbewerb (UWG) notwendig ist. Dies betrifft insbesondere die in der Richtlinie vorgesehenen Transparenzpflichten von Online-Marktplätzen sowie die Transparenzpflich-ten bei der Darstellung von Rankings und Verbraucherbewertungen. Zudem sieht die Richt-linie (EU) 2019/2161 vor, dass die Vermarktung einer Ware als identisch mit Waren in an-deren Mitgliedstaaten der Europäischen Union unzulässig ist, wenn sich die Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden. Darüber hinaus müssen nach der Richtlinie (EU) 2019/2161 Geldbußen als Sanktionen bei bestimm-ten grenzüberschreitenden Verstößen verhängt werden können. Außerdem müssen Rechtsschutzmöglichkeiten von Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Beseitigung der Folgen unlauterer Geschäftspraktiken vorgesehen werden. Über eine 1:1-Umsetzung hin-ausgehend sieht der Entwurf zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor ag-gressiven und irreführenden Vermarktungs- und Verkaufspraktiken bei Kaffeefahrten eine Verschärfung der Gewerbeordnung vor.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

1. Regelungen zu Online-Marktplätzen, Ranking und Verbraucherbewertungen

Werden Verbraucherinnen und Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen über Online-Marktplätze angeboten, so ist für diese nicht immer ersichtlich, ob es sich bei dem Anbieter um einen Unternehmer handelt. Daher werden Betreiber von Online-Marktplätzen verpflich-tet, darüber zu informieren, ob es sich nach der eigenen Erklärung des Anbieters um einen Unternehmer handelt (§ 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG in der Entwurfsfassung – UWG-E).

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Eine bessere Position im Ranking oder eine hervorgehobene Platzierung von Angeboten in den Ergebnissen einer Online-Suchanfrage hat erhebliche Auswirkungen auf die geschäft-lichen Entscheidungen von Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Entwurf sieht daher vor, dass Unternehmer, die Verbraucherinnen und Verbrauchern Online-Suchanfragen nach Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbieter ermöglichen, über die Hauptpa-rameter für die Festlegung des Rankings und die Gewichtung dieser Parameter im Ver-gleich zu anderen Parametern informieren müssen (§ 5b Absatz 2 Satz 1 UWG-E). Ran-kings in Suchergebnissen dürfen nicht durch versteckte Werbung oder versteckte Zahlun-gen beeinflusst werden (Nummer 11a des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG).

Verbraucherinnen und Verbraucher stützen sich bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend auf Bewertungen und Empfehlungen von anderen Verbraucherinnen und Verbrauchern. Um eine Irreführung über die Authentizität solcher Bewertungen zu vermeiden, sieht der Entwurf vor, dass Unternehmer, die Verbraucherbewertungen zugänglich machen, darüber informieren müssen, ob und wie sie sicherstellen, dass die Bewertungen tatsächlich von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen (§ 5b Absatz 3 UWG-E). Außerdem sieht der Entwurf auch hierzu besondere Unlauterkeitstatbestände vor (Nummer 23b und 23c des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG). So dürfen Unternehmer nicht behaupten, dass Be-wertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, wenn sie keine angemes-senen und verhältnismäßigen Schritte unternommen haben, um zu überprüfen, dass dies auch der Fall ist. Auch dürfen sie keine gefälschten Verbraucherbewertungen abgeben oder andere hierzu beauftragen.

2. Verbot der Vermarktung wesentlich unterschiedlicher Waren als identisch

Identisch gekennzeichnete und vermarktete Waren können in unterschiedlichen Mitglied-staaten der Europäischen Union eine unterschiedliche Beschaffenheit haben. Der neu ein-gefügte Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 2005/29/EG stellt daher klar, unter welchen Voraussetzungen eine solche Vermarktungspraxis eine unzulässige Irreführung von Verbraucherinnen und Verbrauchern darstellt. Der Entwurf setzt dies mit einem neuen Unlauterkeitstatbestand um, der vorsieht, dass die Vermarktung einer Ware als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Merk-male wesentlich unterscheiden (§ 5 Absatz 3 Nummer 2 UWG-E). Damit wird es Unterneh-mern auch in Zukunft möglich sein, Waren, die unter derselben Marke auf dem Markt be-reitgestellt werden, in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in ver-schiedener Beschaffenheit anzubieten. Solche Unterschiede müssen, wenn sie für die Kaufentscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern wesentlich sind, lediglich klar erkennbar sein. Eine unlautere Irreführung liegt nicht vor, wenn die Abweichungen durch objektive und legitime Gründe gerechtfertigt sind.

3. Individuelle Rechtsbehelfe

Der neu in die Richtlinie 2005/29/EG eingefügte Artikel 11a sieht vor, dass Verbraucherin-nen und Verbrauchern, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen zu gewähren ist. Damit verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Verbraucherinnen und Verbrauchern individuelle Ansprüche und Rechte zur Verfügung zu stellen, durch die die Folgen unlaute-rer Geschäftspraktiken beseitigt werden können. Das bestehende bürgerliche Recht bietet hierzu bereits einen weitgehenden, aber nicht lückenlosen Schutz. Schutzlücken können aus Sicht der Richtlinie etwa dann bestehen, wenn Verbraucherinnen oder Verbrauchern durch fahrlässige irreführende geschäftliche Handlungen ein Schaden entstanden ist, aber zu dem Werbendem kein Vertragsverhältnis oder vorvertragliches Schuldverhältnis bestan-den hat. Ebenfalls kann es im geltenden deutschen Recht an Ansprüchen und Rechten von Verbraucherinnen und Verbrauchern fehlen, wenn diese durch psychisch vermittelten Zwang im Rahmen einer aggressiven geschäftlichen Handlung im Sinne von § 4a UWG zu

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einer wirtschaftlich nachteiligen Handlung veranlasst worden sind, hierbei aber keine Dro-hung im Sinne von § 123 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgelegen hat. Um solche Lücken zu schließen, ergänzt der Entwurf das UWG um einen Schadensersatz-anspruch von Verbraucherinnen und Verbrauchern (§ 9 Absatz 2 UWG-E), die durch eine vorsätzliche oder fahrlässige unlautere geschäftliche Handlung kausal geschädigt worden sind. Dieser Anspruch tritt neben bestehende Rechte und Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Damit wird ein klarer und umfassender Rechtsrahmen zur Beseitigung der individuellen Folgen unlauterer geschäftlicher Handlungen geschaffen. Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unlauteren geschäftlichen Handlungen, wie er in der Schutzzwecktrias des § 1 UWG niedergelegt wird, wird auf diese Weise vervollständigt, indem das UWG in der Zukunft auch den Ausgleich der individuellen Nachteile von unlau-teren geschäftlichen Handlungen bei der einzelnen Verbraucherin oder dem einzelnen Ver-braucher sicherstellt. Dagegen soll diese Ergänzung des UWG um einen Schadensersatz-anspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher in § 9 Absatz 2 UWG-E nichts daran än-dern, dass die §§ 8 bis 10 UWG die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche aufgrund von Wett-bewerbsverstößen abschließend regeln und die Vorschriften des UWG (mit Ausnahme der Strafnorm des § 16 UWG) daher grundsätzlich keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB sind, wie es auch bisherigem Verständnis entspricht (vergleiche Bundes-tagsdrucksache 15/1487, S. 22).

4. Sanktionen

Durch die Änderungen soll eine einheitlichere und wirksamere Sanktionierung von Verstö-ßen gegen Verbraucherrechte innerhalb der Europäischen Union erreicht werden. Das deutsche Recht sieht bereits heute grundsätzlich geeignete Instrumente vor, Verstöße ge-gen die in Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG erlassenen Vorschriften angemessen zu sanktionieren. Dabei handelt es sich in erster Linie um eine zivilrechtliche Rechtsdurchset-zung. Kernbestandteil dieser zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung ist der in § 8 Absatz 1 UWG geregelte Unterlassungsanspruch gegen nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlungen, welchen die in § 8 Absatz 3 UWG genannten Stellen über Abmahnungen und Klagen geltend machen können. Zusätzlich wird durch den in § 9 Absatz 2 UWG-E neu geschaffenen individuellen Schadensersatzanspruch von Verbraucherinnen und Verbrau-chern ein weiterer ökonomischer Anreiz zur Einhaltung der bestehenden wettbewerbsrecht-lichen Regelungen gesetzt. Zur Sicherstellung einer reibungslosen Zusammenarbeit der europäischen Verbraucherschutzbehörden sieht der neu eingefügte Artikel 13 der Richtlinie 2005/29/EG ergänzend vor, dass bei Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen von koordi-nierten Aktionen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durch-setzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhe-bung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 345 vom 27.12.2017, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, zur Ahn-dung weitverbreiteter Verstöße oder weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimension auch Geldbußen verhängt werden können. Dieser Richtlinienvorgabe zur einheitlichen Ahndung weitverbreiteter Verstöße oder weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimension gegen die Richtlinie 2005/29/EG wird mit der Möglichkeit der Verhängung eines Bußgeldes im Rah-men koordinierter Aktionen in dem neu eingefügten § 19 UWG-E nachgekommen.

5. Änderung der Gewerbeordnung zur Bekämpfung aggressiver und irreführender Verkaufspraktiken bei Kaffeefahrten

Die Regelungen zur Änderung der Gewerbeordnung nutzen die durch Artikel 3 Nummer 2 der Richtlinie (EU) 2019/2161 in Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie 2005/29/EG eingefügte Öffnungsklausel. Nach dieser können die Mitgliedstaaten Regelungen zum Schutz von Ver-braucherinnen und Verbrauchern vor aggressiven oder irreführenden Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit unerwünschten Hausbesuchen oder Verkaufsfahrten vorsehen. Die neu in die Gewerbeordnung eingeführten Regelungen betreffen die auf Kaffeefahrten an-wendbaren Vorschriften über Wanderlager (§ 56a GewO). Sie verschärfen und erweitern

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die bisher bestehenden Anzeigepflichten für Veranstalter von Kaffeefahrten, indem sie diese zum Beispiel verpflichten, der zuständigen Behörde zur Kontaktaufnahme auch eine Anschrift sowie Telefonnummer und E-Mail-Adresse mitzuteilen. Finden Wanderlager an-lässlich einer Kaffeefahrt im Ausland statt, muss die Veranstaltung künftig bei der Behörde angezeigt werden, die für den Ort der gewerblichen Niederlassung des Veranstalters zu-ständig ist. In der öffentlichen Ankündigung, also bei der Bewerbung solcher Veranstaltun-gen, müssen die Veranstalter Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft unter anderem auch ihre Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse mitteilen und sie darüber informie-ren unter welchen Bedingungen ihnen bei Verträgen, die im Rahmen des Wanderlagers geschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht. Zum vorsorgenden Schutz der Verbrau-cherinnen und Verbraucher wird der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Medi-zinprodukten bei Kaffeefahrten verboten. Verstöße gegen diese Vorschriften sind mit einer Geldbuße bewehrt. Gleichzeitig wird der Bußgeldrahmen von bisher eintausend auf zehn-tausend Euro erhöht.

6. Regelungen zur Klarstellung des Anwendungsbereichs des UWG und sonstige Än-derungen zur Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunikation von geschäftlichen Handlungen

Über die Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 hinausgehend enthält der Entwurf weitere Änderungen, welche den Anwendungsbereich des UWG klarstellen. Diese Änderungen haben insbesondere Bedeutung für neuere Formen der Kommunikation und des Marketings im Internet, wie das Influencer-Marketing. Für solche Formen des Mar-ketings können sich Kennzeichnungspflichten nicht nur aus dem UWG, sondern auch aus anderen Gesetzen ergeben. Hier stellt der Entwurf in § 1 Absatz 2 UWG-E klar, dass Vor-schriften, die besondere Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen regeln, dem UWG vorgehen, wenn sie abweichende Rechtsfolgen vorsehen. Zudem kann in sozialen Medien oder Blogs die Abgrenzung von kommerzieller Kommunikation und privater Meinungsäu-ßerung mitunter schwierig sein. Daher wird die Definition der geschäftlichen Handlung in § 2 Nummer 2 UWG-E dahingehend ergänzt, dass diese nicht mehr nur in einem objekti-ven, sondern auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Absatzförderung ste-hen muss. Außerdem wird in § 5 Absatz 4 Satz 2 UWG-E klargestellt, dass bei einer Hand-lung zugunsten eines fremden Unternehmens kein kommerzieller Zweck anzunehmen ist, wenn der Handelnde hierfür kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung von dem frem-den Unternehmen erhält. Diese Änderungen sollen insbesondere einen sicheren Rechts-rahmen für Handlungen von Bloggern und Influencern bieten, wenn diese Waren und Dienstleistungen empfehlen, ohne selbst davon im Wege eines Entgelts oder einer ähnli-chen Gegenleistung finanziell zu profitieren.

Darüber hinaus werden einige Vorschriften im Sinne einer besseren Verständlichkeit rechtstechnisch überarbeitet.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die in Artikel 1 und 2 enthaltenen Regelun-gen ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 des Grundgesetzes (GG; Recht der Wirtschaft). Die dort enthaltenen Bestimmungen betreffen den wirtschaftlichen Wettbewerb und den Verbraucherschutz. Solche Bestimmungen fallen unter das Recht der Wirtschaft im Sinne des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 11 GG (BVerfGE 26, 246, 254). Hinsichtlich der Bußgeldvorschriften in Artikel 1 und 2 des Entwurfs ergibt sich die Gesetzgebungskompe-tenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Strafrecht).

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Für die in Artikel 1 und 2 des Entwurfs geregelte Materie ist zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung im Sinne des Artikels 72 Absatz 2 GG erforderlich. Handlungsgebote und -verbote für ge-schäftliche Handlungen zur Wahrung eines lauteren Wettbewerbs und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes sowie Handlungsgebote und -verbote für bestimmte Gewerbe-treibende, die typischerweise bundesweit tätig sind, wie zum Beispiel Veranstalter von Wanderlagern, bedürfen einer bundesweit einheitlichen Regelung. Demgegenüber würde eine Gesetzesvielfalt auf Länderebene den Rechtsverkehr dazu zwingen, sich auf eine Viel-zahl unterschiedlicher Regelungen einzustellen. Eine solche Rechtszersplitterung würde zu erheblichen Störungen der Rechtssicherheit führen. Unterschiedliche Regelungen in diesen Bereichen könnten zugleich zu unzumutbaren Behinderungen für den länderübergreifen-den Rechtsverkehr führen und wären von Nachteil für die Funktionsfähigkeit des Wirt-schaftsraumes der Bundesrepublik. Die bundesgesetzliche Regelung dient insoweit der einheitlichen rechtlichen Regelung für die wirtschaftliche Betätigung im gesamten Bundes-gebiet und einem wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet ohne Schranken oder Hinder-nisse.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen vereinbar, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat. Er setzt die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2161 und der Richtlinie 2005/29 und damit Recht der Europäischen Union in nationales Recht um.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Nationale Verwaltungsverfahren werden durch die Regelungen in Artikel 1 des Entwurfs nicht berührt, da die Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb überwie-gend zivilrechtlich ausgestaltet ist. Der neu geschaffene Bußgeldtatbestand zur Ahndung weitverbreiteter Verstöße sowie weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimension wird eine effektivere grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Netzwerk europäischer Verbraucher-schutzbehörden ermöglichen.

Die in Artikel 2 enthaltenen Regelungen werden im Ergebnis zu einer Verwaltungsverein-fachung führen. Zwar werden durch die Regelungen die bestehenden Anzeige- und Infor-mationspflichten der Veranstalter von Kaffeefahrten erweitert. Gleichzeitig wird der Adres-satenkreis dieser Pflichten aber im Vergleich zur bisherigen Rechtslage erheblich verklei-nert. Die bisher bestehenden Anzeige- und Informationspflichten galten gleichermaßen für alle Veranstalter von Wanderlagern. Nunmehr wird der Anwendungsbereich der Vorschrif-ten zielgenau auf den besonders missbrauchsanfälligen Bereich der Kaffeefahrten verengt, indem die Pflichten nur noch solche Wanderlager betreffen, bei denen die An- und Abreise der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum und vom Ort des Wanderlagers durch die ge-schäftsmäßig erbrachte Beförderung durch den Veranstalter des Wanderlagers oder von Personen im Zusammenwirken mit dem Veranstalter erfolgen soll. Veranstalter von Wan-derlagern, zu denen die Besucherinnen und Besucher selbstständig anreisen, werden nicht mehr betroffen sein.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, indem er eine EU-Richtlinie umsetzt und somit das Nachhaltigkeitsziel 16 der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwick-lung mit seinem Unterziel der Rechtsstaatlichkeit in 16.3. fördert.

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3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Gesetzesänderungen und ihr Vollzug führen weder bei Bund und Ländern noch bei den Gemeinden zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen.

4. Erfüllungsaufwand

a) Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

b) Wirtschaft

Die Wirtschaft wird durch neue Transparenzpflichten einmalig mit rund 699 000 Euro be-lastet. Der einmalige Erfüllungsaufwand entsteht aufgrund der Einführung oder Anpassung digitaler Prozessabläufe. Kein Mehraufwand entsteht der Wirtschaft dabei durch den in § 5 Absatz 3 Nummer 2 UWG-E enthaltenen Unlauterkeitstatbestand, wonach die Vermark-tung einer Ware als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Merkmale wesentlich unterscheiden. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Klarstellung der schon bisher geltenden Rechtslage, so dass keine zu-sätzlichen Pflichten für die Wirtschaft begründet werden.

Ebenfalls kein Erfüllungsaufwand entsteht der Wirtschaft durch die Änderungen in der Ge-werbeordnung. Veranstalter von Kaffeefahrten unterlagen schon nach bisheriger Rechts-lage einer Anzeigepflicht und besonderen Informationspflichten bei der öffentlichen Ankün-digung solcher Veranstaltungen (§ 56a GewO). Diese werden lediglich durch weitere leicht und mit geringen Aufwand zu übermittelnde Informationen wie die Anschrift, Telefonnum-mer und E-Mail-Adresse des Veranstalters ergänzt. Diese zusätzlich zu übermittelnden In-formationen fallen im Vergleich zu den schon bestehenden Pflichten nicht maßgeblich ins Gewicht. Diejenigen Veranstalter von Wanderlagern, deren Teilnehmerinnen und Teilneh-mer selbständig anreisen, werden zudem von ihren bisher bestehenden Anzeige- und In-formationspflichten sogar gänzlich entlastet.

Einmaliger Erfüllungsaufwand

Betreiber von Online-Marktplätzen müssen darüber informieren, ob die Anbieter von Waren und Dienstleistungen nach ihrer eigenen Erklärung Unternehmer sind (§ 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG-E).

Diese neu eingefügte Informationspflicht betrifft sowohl die Betreiber von Online-Marktplät-zen als auch Anbieter, die auf Online-Marktplätzen Waren und Dienstleistungen vertreiben. Die Nutzung eines Online-Marktplatzes als Vertriebsweg erfordert bereits heute eine Re-gistrierung und Anmeldung der Anbieter bei dem jeweiligen Online-Marktplatz. Es ist davon auszugehen, dass die zur Erfüllung der Informationspflicht nach § 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG-E notwendige Information darüber, ob es sich bei dem Anbieter der Waren und Dienstleistungen um einen Unternehmer handelt, bereits heute zwischen den Betreibern eines Online-Marktplatzes und den Anbietern ausgetauscht wird und dadurch kein zusätz-licher Aufwand für den Anbieter in Form der Weitergabe von Informationen an den Betreiber des Online-Marktplatzes entsteht. Unternehmern, die Online-Marktplätze anbieten, entsteht in der Umsetzung von § 5b Absatz 1 Nummer 6 ausschließlich Umstellungsaufwand. Denn es ist anzunehmen, dass die fallbezogen bereitzustellenden Informationen nach § 5b Ab-satz 1 Nummer 6 UWG-E bereits heute im laufenden Geschäftsprozess anfallen und auto-matisiert verarbeitet auch bei individuellen Suchanfragen bereitgestellt werden können.

Laut Bundesverband Onlinehandel (BVOH) gab es 2016 etwa 60 Online-Marktplätze in der Bundesrepublik Deutschland (https://bvoh.de/ranking-335-marktplaetze-in-ganz-europa-

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online-ist-vielfalt/). Einer Marktübersicht der Plattform „iBusiness“ ist für das Jahr 2018 eine Zahl von 73 Online-Marktplätze in der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen, was einen Zuwachs von 21,7 Prozent gegenüber 2016 darstellt (https://www.ibusiness.de/aktu-ell/db/785475SUR.632553SUR). Bei konstanter Wachstumsrate ist für das Jahr 2020 dem-nach von etwa 89 deutschen Online-Marktplätzen auszugehen. Eine weitere Studie der Unternehmensberatung ecom consulting und des Technologieunternehmens gominga e-Services GmbH aus dem Jahr 2020, die neben Online-Marktplätzen in der Bundesrepublik Deutschland auch solche in Österreich und der Schweiz in ihre Untersuchung einbezogen hat, weist auf eine höhere Fallzahl hin (https://gominga.com/wp-content/uplo-ads/2020/04/gominga-Marktplatzstudie2020.pdf). Aus diesem Grund wird nachfolgend von insgesamt 100 Online-Marktplätzen ausgegangen. Enthalten sind in dieser Zahl auch Ver-gleichsportale, auf denen direkt Vertragsabschlüsse mit Verbraucherinnen und Verbrau-chern erfolgen können.

Der durch die gesetzliche Änderung verursachte Mehraufwand für den einzelnen Betreiber eines Online-Marktplatzes entsteht in Form der Aufbereitung der vorhandenen Informatio-nen, ihrer Veröffentlichung über die Plattform und der hierzu erforderlichen technischen Im-plementierung. Für jeden der geschätzten 100 Online-Marktplätze entsteht so ein einmali-ger Aufwand in Höhe von 90 Minuten. Dabei wurde berücksichtigt, dass nur größere und professionell organisierte Unternehmer überhaupt einen Online-Marktplatz betreiben.

Es wird angenommen, dass für die Aufbereitung der Informationen sowie für deren Veröf-fentlichung und technische Implementierung eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter hohen Qualifikationsniveaus im Wirtschaftszweig „J – Information und Kommunikation“ mit einem Lohnsatz von 59,20 EUR zuständig ist.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Min)

gesamte Bearbei-tungszeit (Min)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Std)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

100 90 9 000 150 59,20 Euro 8 880 Euro

Unternehmer, bei denen Verbraucherinnen oder Verbraucher nach solchen Waren oder Dienstleistungen suchen können, die von verschiedenen Unternehmern oder Verbraucherinnen und Verbrauchern angeboten werden, müssen über die Hauptpa-rameter zur Festlegung des Rankings und über deren Gewichtung im Verhältnis zu anderen Parametern informieren (§ 5b Absatz 2 UWG-E).

Adressaten der Informationspflicht nach § 5b Absatz 2 UWG-E sind neben den 100 Online-Marktplätzen auch Betreiber sonstiger Online-Dienste, die es Verbraucherinnen oder Ver-brauchern ermöglichen, nach Waren oder Dienstleistungen von verschiedenen Unterneh-mern oder Verbraucherinnen und Verbrauchern zu suchen. Von der Informationspflicht er-fasst sind daher auch solche Vergleichs- und Vermittlungsdienste, die Verbraucherinnen und Verbrauchern zwar die Suche nach Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbie-ter ermöglichen, ihnen auf ihrem Dienst jedoch nicht auch den Abschluss von Verträgen mit den betreffenden Anbietern ermöglichen. Zu diesen Diensteanbietern zählen daher auch sogenannte Metasearcher, also Diensteanbieter, die auf die Suchanfrage ihrer Nutzerinnen und Nutzer Angebote aus anderen Vergleichsplattformen vergleichen und ihre Nutzerinnen und Nutzer sodann über Links auf die verglichenen Plattformen vermitteln. Nach Schätzung des Bundeskartellamts auf Grundlage seiner im April 2019 abgeschlossenen Sektorunter-suchung zu Vergleichsportalen beträgt die Zahl solcher Dienste in der Bundesrepublik Deutschland etwa 20 bis 30 (https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publika-tion/DE/Sektoruntersuchungen/Sektoruntersuchung_Vergleichsportale_Be-richt.pdf?__blob=publicationFile&v=7). Aus diesem Grund wird von 130 von der Informati-onspflicht betroffenen Diensten ausgegangen.

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Es ist davon auszugehen, dass auch die zur Erfüllung der Informationspflicht nach § 5b Absatz 2 UWG-E notwendigen Informationen über die wesentlichen Parameter zur Festle-gung des Rankings und ihrer relativen Gewichtung bereits bei den Betreibern vorhanden sind, so dass auch hier den betroffenen Unternehmen ausschließlich Umstellungsaufwand entsteht. Der durch die gesetzliche Änderung verursachte Mehraufwand für die Betreiber der betreffenden Dienste wird auch in diesem Zusammenhang in der Erstellung eines Kon-zepts zur Aufbereitung und Veröffentlichung der betreffenden Informationen und seiner an-schließenden technischen Implementierung bestehen. Für die hierfür erforderliche Einar-beitung in die Informationspflicht, für die Überprüfung und Analyse der firmeninternen IT-Infrastruktur sowie für die Aufbereitung und Darstellung der Informationen auf der Plattform ist von einem einmaligen Aufwand von 600 Minuten auszugehen.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Min)

gesamte Bearbei-tungszeit (Min)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Std)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

130 600 78 000 1300 59,20 Euro 76 960 Euro

Unternehmer, die Bewertungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern veröffentli-chen, müssen darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die veröffent-lichten Bewertungen von solchen Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben (§ 5b Ab-satz 3 UWG-E).

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) geht nach zuletzt im Jahr 2017 erhobenen Zahlen von rund 26 000 Unternehmen aus, welche als hauptsächlichen oder teilweisen Geschäftszweck den Online- oder Versandhandel nennen. Angesichts der Größenordnung der Zahl ist davon auszugehen, dass von dieser auch Un-ternehmen erfasst sind, deren Angebote sich ausschließlich an andere Unternehmer rich-ten. Auch werden Unternehmen enthalten sein, die ihre Waren und Dienstleistungen über Plattformen Dritter anbieten oder aber keine Bewertungen ihrer Angebote ermöglichen. Da-raus folgt, dass die Zahl der tatsächlich von der Informationspflicht betroffenen Unterneh-men deutlich geringer sein muss. Laut der oben genannten Studie von ecom consulting und gominga eServices GmbH richten sich rund 20 Prozent der Online-Marktplätze nur an Un-ternehmenskunden, von den verbleibenden Online-Marktplätzen, welche sich zumindest auch an Verbraucherinnen und Verbraucher richten, bieten rund 45 Prozent Bewertungs-systeme an (https://gominga.com/wp-content/uploads/2020/04/gominga-Marktplatzstu-die2020.pdf). Überträgt man diese Zahlen auf die oben genannte Gesamtzahl von 26 000, ergibt sich eine Zahl von rund 9 360 Unternehmen, die der Informationspflicht nachkommen müssen.

Diesen Unternehmen entsteht ein einmaliger Aufwand für die Bereitstellung der Information, ob und wenn ja, inwiefern sie sicherstellen, dass die veröffentlichten Bewertungen von sol-chen Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben. Da der Entwurf die Unternehmen nicht verpflich-tet, entsprechende Maßnahmen zur Überprüfung zu treffen, ist zu berücksichtigen, dass für solche Unternehmen, die gar keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen, die Informati-onspflicht lediglich darin besteht, über diesen Umstand zu informieren. Das heißt, für diese Unternehmen entsteht nur ein sehr geringer Zeitaufwand. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist daher im Durchschnitt pro Unternehmen von einem Zeitaufwand von 60 Mi-nuten für die Formulierung der Erklärung und die technische Implementierung zur Veröf-fentlichung auf der Plattform auszugehen.

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Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Min)

gesamte Bearbei-tungszeit (Min)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Std)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

9 360 60 561 600 9 360 59,20 Euro 554 112 Euro

Unternehmer müssen offenlegen, wenn ein Ranking bei Suchergebnissen bezahlte Werbung enthält oder Zahlungen das Ranking beeinflussen (Nummer 11a des An-hangs).

Von der Informationspflicht nach Nummer 11a des Anhangs sind dieselben Unternehmen betroffen, welche auch in den Anwendungsbereich der Informationspflicht nach § 5a Ab-satz 2 UWG-E fallen. Daher ist auch hier eine Anzahl von 130 Unternehmen zugrunde zu legen. Es kann davon ausgegangen werden, dass 80 Prozent bezahlte Werbung anzeigen oder das Ranking auf Grund von Zahlungen verändern, sodass rund 100 Plattformen von der Regelung betroffen sind. Diesen entsteht ein einmaliger Aufwand von rund 600 Minuten, um ihre Plattform entsprechend anzupassen, sodass auf den Einfluss der Werbung auf das Ranking hingewiesen wird.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Min)

gesamte Bearbei-tungszeit (Min)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Std)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

100 600 60 000 1000 59,20 Euro 59 200 Euro

c) Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Durch die Bußgeldbewehrung von grenzüberschreitenden Verstößen kann den zuständi-gen Behörden weiterer Erfüllungsaufwand entstehen. Dieser ist der Höhe nach nicht quan-tifizierbar, weil die Anzahl zukünftiger Verstöße nicht prognostiziert werden kann. Sie wird vermutlich unter 10 Fällen pro Jahr liegen, sodass der Erfüllungsaufwand der zuständigen Behörden allenfalls geringfügig ausfallen wird.

Auch durch die Änderungen in der Gewerbeordnung entsteht der Verwaltung kein Mehr-aufwand. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die Ver-anstalter von Kaffeefahrten lediglich bereits bestehende Anzeige- und Informationspflichten durch weitere leicht und mit geringem Aufwand zu überprüfende Informationen wie die An-schrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Veranstalters erweitert werden. Diesem allenfalls geringfügig höheren Erfüllungsaufwand steht eine erhebliche Entlastung der zu-ständigen Behörden dadurch gegenüber, dass nun diejenigen Veranstalter von Wanderla-gern, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbständig anreisen, von allen bisher beste-henden Anzeige- und Informationspflichten entlastet werden.

5. Weitere Kosten

Kosten für soziale Sicherungssysteme werden nicht erwartet. Auch sind keine Auswirkun-gen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, ersichtlich.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die neu geschaffenen Regelungen zu Online-Marktplätzen, Ranking und Verbraucherbe-wertungen verbessern den Verbraucherschutz bei digitalen Angeboten. Hiervon werden

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insbesondere Verbraucherinnen und Verbraucher in ländlichen Regionen profitieren, die keinen Zugang zu entsprechenden Angeboten im stationären Handel haben. Dadurch leis-tet der Entwurf einen Beitrag zur Angleichung der Lebensverhältnisse für Verbraucherinnen und Verbraucher in städtischen und ländlichen Regionen. Weitere Gesetzesfolgen, insbe-sondere gleichstellungspolitische und demografische Auswirkungen, sind nicht zu erwar-ten.

VII. Befristung; Evaluierung

Der Entwurf sieht zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 die Änderungen bestehen-der Gesetze vor. Diese sind auf Grund der unbefristeten Geltung der Richtlinie (EU) 2019/2161 für eine unbestimmte Zeit erforderlich. Daher ist eine Befristung nicht vorgese-hen.

Eine Evaluierung ist nicht notwendig. Der Gesetzesentwurf setzt die die Richtlinie 2005/29/EG betreffenden Regelungen der Richtlinie (EU) 2019/2161 weitestgehend 1:1 um. Durch die über eine 1:1-Umsetzung hinausgehenden Regelungen zur Änderung der Gewerbeordnung entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens am 28. Mai 2024 einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie vor. Grundlage des Berichts werden Erfahrungen der Europäi-schen Beobachtungsstelle und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sein. Die deut-schen Berichte werden dem nationalen Evaluierungsverfahren nach dem Staatssekretärs-beschluss der Bundesregierung gleichwertig sein. Die Berichterstattung wird auf Auswer-tungen der Justizstatistik sowie auf Länder- und Verbändebefragungen beruhen. Eine ge-sonderte nationale Evaluierung wird auch deshalb nicht notwendig sein.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb)

Zu Nummer 1 (§ 1 und 2 UWG-E)

Zu § 1 UWG-E

§ 1 UWG wird um eine Regelung zum Anwendungsbereich in Absatz 2 ergänzt. Dies setzt den bislang nicht ausdrücklich im deutschen Recht kodifizierten Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29/EG um. Die Frage der Abgrenzung zu anderen Vorschriften, die unlau-tere geschäftliche Handlungen betreffen, stellt sich in zahlreichen Zusammenhängen. Sie wird von der Rechtsprechung bereits überwiegend entsprechend Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29/EG gelöst. Dennoch sollte nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuel-len Diskussion über neue Formen der Kommunikation und des Marketings im Internet, wie zum Beispiel Influencer-Marketing, nunmehr eine ausdrückliche Klarstellung des Vorrangs von Vorschriften erfolgen, die besondere Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen re-geln. Solche Regelungen besonderer Aspekte unlauterer Handlungen enthalten zum Bei-spiel der Rundfunkstaatsvertrag und das Telemediengesetz, die im Einklang mit dem Uni-onsrecht spezielle medienrechtliche Wertungen für die Kennzeichnung von Werbung ent-halten.

Zu § 2 UWG-E

Die Überschrift wurde entsprechend vergleichbaren Gesetzen wie dem Telemediengesetz in „Begriffsbestimmungen“ geändert. In Absatz 1 wurden die Begriffe alphabetisch geord-net, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen. Der Begriff der geschäftlichen Handlung wurde erweitert sowie die Begriffe des „Online-Marktplatzes“ in Nummer 6 und des „Rankings“ in Nummer 7 ergänzt.

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In dem für das UWG zentralen Begriff der geschäftlichen Handlung in Nummer 2 wird er-gänzt, dass zu Waren auch digitale Inhalte und zu Dienstleistungen auch digitale Dienst-leistungen zählen. Dies setzt Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe a der Richtlinie (EU) 2019/2161 um, der damit an die entsprechenden Begriffe aus Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (ABl. L 136 v. 22.5.2019, S. 1) anknüpft. Bereits nach bisherigem Recht war der Begriff so weit gefasst, dass digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen erfasst wurden, die Änderung dient daher lediglich der Klarstellung. Digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen stellen dabei Unterkategorien von Waren und Dienstleistungen und keine eigenen Kategorien dar. Zudem wird ergänzt, dass es sich nicht nur um einen objektiven, sondern auch um einen unmittelbaren Zusammenhang mit einer Absatzförderung handeln muss. Dies entspricht der Definition der Geschäftspraktik in Artikel 2 Buchstabe d der Richt-linie 2005/29/EG. Zwar muss das Kriterium „objektiv“ auch derzeit bei Handlungen gegen-über Verbrauchern so ausgelegt werden, dass es „unmittelbar“ umfasst; aufgrund der Be-deutung dieser zentralen Begriffsbestimmung ist eine Klarstellung jedoch angebracht. So erscheint es möglich, dass bei bestimmten Formen der Förderung des eigenen Unterneh-mens kein unmittelbarer Zusammenhang zur Absatzförderung besteht, zum Beispiel, wenn ein Influencer Waren oder Dienstleistungen empfiehlt oder erwähnt und er hierfür kein Ent-gelt oder eine ähnliche Gegenleistung erhalten hat.

Nummer 6 enthält den neuen Begriff des „Online-Marktplatzes“ und setzt Artikel 3 Num-mer 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Auf Online-Marktplätze wird in § 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG-E Bezug genommen. Der Begriff des Online-Marktplatzes wurde durch Artikel 4 Nummer 1 Buchstabe e der Richtlinie (EU) 2019/2161 mit gleichlautender Definition auch in die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64, geändert durch die Richtlinie (EU) 2015/2302, ABl. L 306 vom 11.12.2015, S. 1) aufgenom-men. Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Umset-zung der Richtlinie (EU) 2019/2161 setzt diesen in § 312k Absatz 3 des Bürgerlichen Ge-setzbuches in der Entwurfsfassung (BGB-E) um.

Ein Online-Marktplatz ist ein virtueller Marktraum, der seinen Nutzerinnen und Nutzern den Abschluss von Fernabsatzverträgen über eine von dem Betreiber des Online-Marktplatzes oder in dessen Namen betriebene Software unmittelbar ermöglicht. Für den Begriff der Fernabsatzverträge verweist die Begriffsbestimmung auf die Definition in § 312c Absatz 1 BGB.

Der Begriff des Online-Marktplatzes ist bewusst technologieoffen formuliert. Auch der Be-griff der Software ist weit zu verstehen und schließt jede von einem Unternehmer oder in dessen Namen betriebene Website, eines Teils einer Website oder Anwendung ein. Erfasst werden Internet-Plattformen, auf denen Waren oder Dienstleistungen vertrieben werden, aber auch Bewertungs- und Vergleichsportale, auf denen Verbraucherinnen und Verbrau-cher unmittelbar Verträge abschließen können. Die Definition setzt voraus, dass der Betrei-ber des Dienstes, über diesen zumindest auch Dritten das Angebot von Waren oder Dienstleistungen an Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht. Keine Online-Markt-plätze sind Online-Shops von Unternehmern, in denen diese nur ihre eigenen Waren oder Dienstleistungen anbieten. Ebenfalls nicht erfasst werden Preisvergleichsseiten oder Be-wertungsportale, die auf Angebote hinweisen, bei denen die Verbraucherinnen und Ver-braucher aber für einen Vertragsschluss auf die Internetseite eines anderen Anbieters wei-tergeleitet werden.

Nummer 7 enthält den neuen Begriff des „Rankings“. Hierbei handelt es sich um die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen,

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unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln. Mit der Begriffsbestimmung wird Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 in sprachlich leicht an-gepasster Form umgesetzt. Der Begriff wird in § 5b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 UWG-E und Nummer 11a des Anhangs verwendet.

Nach Erwägungsgrund 19 der Richtlinie (EU) 2019/2161 bezieht sich der Begriff auf die relative Hervorhebung der Angebote von Unternehmern oder die Relevanz, die Suchergeb-nissen zugemessen wird, je nachdem, wie sie von den Anbietern von Online-Suchfunktio-nen, einschließlich der Verwendung von algorithmischer Sequenzierung, Beurteilungs- oder Bewertungsmechanismen oder von visueller Hervorhebung oder anderen Hervorhe-bungsinstrumenten oder einer Kombination davon, dargestellt, organisiert oder kommuni-ziert werden. Diese Definition entspricht inhaltlich weitgehend der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 57, im Folgenden: Verordnung (EU) 2019/1150). Entscheidend ist, dass Waren oder Dienstleistungen struk-turiert präsentiert werden.

Zu Nummer 2 (§ 5 UWG-E)

Zu § 5 UWG-E

Zu Buchstabe a

Der bisherige Absatz 1 Satz 2 wird zum neuen Absatz 2. Dies verbessert die Lesbarkeit der Vorschrift.

Zu Buchstabe b

Der neu gefasste Absatz 3 Nummer 1 enthält die Regelung des bisherigen Absatzes 2.

Der neue Absatz 3 Nummer 2 setzt Artikel 3 Nummer 3 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um und enthält die Regelungen zur so genannten Doppelqualität von Waren („Dual Quality“). Danach ist es irreführend, wenn eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt bereitgestellten Ware ver-marktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Fak-toren gerechtfertigt ist.

Der Anwendungsbereich der Regelung ist auf Waren begrenzt, auf Dienstleistungen ist die Vorschrift nicht anwendbar. Unternehmer können auch nach der Neuregelung weiterhin Waren unter derselben Marke in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit ei-ner unterschiedlichen Rezeptur oder abweichenden Zutaten in den Verkehr bringen. Eine unzulässige irreführende geschäftliche Handlung liegt nur dann vor, wenn solche Waren trotz wesentlicher Unterschiede in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen als iden-tisch vermarket werden. Ob dies der Fall ist, kann nur auf Grundlage einer Einzelfallprüfung festgestellt werden. Eine Irreführung ist ausgeschlossen, wenn die Unterschiede zwischen den Waren für Verbraucherinnen und Verbraucher leicht zu erkennen sind. So kann zum Beispiel durch das Etikett über bestehende Unterschiede informiert werden.

Eine unlautere Irreführung entfällt zudem auch, wenn zwischen den als identisch vermark-teten Waren zwar wesentliche Unterschiede bestehen, diese aber durch legitime und ob-jektive Gründe gerechtfertigt sind. Erwägungsgrund 53 der Richtlinie (EU) 2019/2161 nennt als mögliche legitime und objektive Gründe Vorgaben des nationalen Rechts, Verfügbarkeit oder Saisonabhängigkeit von Rohstoffen, freiwillige Strategien zur Verbesserung des Zu-gangs zu gesunden und nährstoffreichen Lebensmitteln sowie die Anpassung von Waren derselben Marke an unterschiedliche geografische Märkte. Unternehmer sollen zudem wei-

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terhin berechtigt sein, Waren derselben Marke in Packungen mit unterschiedlichem Ge-wicht oder unterschiedlicher Füllmenge auf verschiedenen geografischen Märkten anzubie-ten. Da die Richtlinie keine abschließende Auflistung der wesentliche Unterschiede recht-fertigenden Gründe enthält, kommen auch weitere, von der Richtlinie nicht ausdrücklich genannte Gründe in Betracht. Hierzu kann auch die Anpassung an eine unterschiedliche Verbraucherpräferenz gehören. Ob eine Irreführung aufgrund legitimer und objektiver Gründe ausgeschlossen werden kann, unterliegt ebenfalls einer Einzelfallprüfung.

Die Vorschrift verpflichtet vorrangig die Hersteller von Waren, da diese über Rezept und Eigenschaften der Waren sowie über deren Aufmachung oder Verpackung und Vermark-tung entscheiden. Händler, die lediglich Waren Dritter vertreiben, ohne durch eigene Ver-marktungsmaßnahmen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern den Anschein zu wecken, dass die Waren in ihrer Zusammensetzung und Merkmalen identisch mit in anderen Mit-gliedstaaten der Europäischen Union vermarktete Waren sind, handeln in aller Regel selbst nicht irreführend.

Zu Buchstabe c

Es handelt sich um durch die Änderungen zu Buchstabe a und b bedingte Folgeänderun-gen. Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die neuen Absätze 4 und 5.

Zu Nummer 3 (§§ 5a, 5b und § 5c UWG-E)

Zu § 5a UWG-E

Die Änderungen an § 5a UWG sind mit Ausnahme von Absatz 4 redaktionell. Absatz 1 wird aufgehoben, der bisherige Absatz 2 wird der neue Absatz 1. Der aufgehobene Absatz 1 enthält keinen eigenen Unlauterkeitstatbestand. Eigenständige Bedeutung kam der Rege-lung bisher vor allem im Verhältnis zwischen Unternehmern und sonstigen Marktteilneh-mern zu. Der Schutz der sonstigen Marktteilnehmer wird durch die Aufhebung nicht ver-kürzt, da diese nunmehr in den Anwendungsbereich des bisherigen Absatz 2 aufgenom-men werden, welcher bisher nur im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbraucherin-nen und Verbrauchern anwendbar war. Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden in den neuen § 5b UWG überführt.

Absatz 4 wird in dem neuen Satz 2 um eine Regelung ergänzt, wonach bei einer Handlung ausschließlich zugunsten eines fremden Unternehmens nur dann ein kommerzieller Zweck anzunehmen ist, wenn der Handelnde ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält. Die Richtlinie 2005/29/EG definiert zwar den Begriff der erfassten Geschäftspraktiken mit einer besonders weiten Formulierung. Diese Praktiken müssen jedoch gewerblicher Natur sein, das heißt von Gewerbetreibenden ausgeübt werden und unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung ihrer Produkte an Verbraucherinnen und Verbraucher zusammenhängen und somit der För-derung des eigenen Unternehmens dienen (EuGH, Urt. v. 17. 10. 2013 – C-391/12 (RLvS Verlagsgesellschaft) = GRUR 2013, 1245, Rn. 37). Handlungen, die ausschließlich zur För-derung von fremden Unternehmen führen, werden nicht erfasst, so dass insoweit Spielraum für Regelungen im deutschen Recht besteht. Die neue Regelung soll insbesondere einen sicheren Rechtsrahmen für Handlungen von Bloggern und Influencern bieten, wenn diese Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen empfehlen, ohne davon selbst unmit-telbar finanziell zu profitieren. Für solche Handlungen erscheint es unangemessen, eine Kennzeichnung als „kommerziell“ zu verlangen. Der Begriff der „ähnlichen Gegenleistung“ umfasst auch Provisionen, Produkte, die von dem fremden Unternehmen zugesandt wur-den und die der Handelnde nutzen oder behalten darf sowie Pressereisen, Stellung von Ausrüstung oder Kostenübernahmen. Die bloße Steigerung der eigenen Bekanntheit, zum Beispiel von Influencern, durch solche Handlungen kann hingegen nicht als Gegenleistung gewertet werden, weil das fremde Unternehmen die Bekanntheit der aus eigenem Antrieb

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Handelnden nicht beeinflussen kann. Die Gegenleistung muss nicht in unmittelbarem zeit-lichen Zusammenhang erfolgen und kann auch über Dritte gewährt werden. Die Hoffnung auf eine Gegenleistung alleine reicht jedoch nicht aus. Wenn Äußerungen weiterhin abruf-bar sind, kann auch eine später hinzugetretene Gegenleistung berücksichtigt werden. Als Ausnahme vom Anwendungsbereich des § 5a Absatz 4 UWG muss die Erfüllung der Voraussetzung im Streitfall von dem Handelnden nachgewiesen werden. Der Nachweis könnte zum Beispiel durch eine Bestätigung des Unternehmens erbracht werden, dass keine Gegenleistung für die Äußerung erfolgt ist. Als Nachweis für eine fehlende Gegen-leistung kommt auch eine eidesstattliche Versicherung des Handelnden in Betracht.

Zu § 5b UWG-E

Zu § 5b Absatz 1 UWG-E

§ 5b Absatz 1 enthält die Regelung des bisherigen § 5a Absatz 3 UWG.

In § 5b Absatz 1 Nummer 4 werden die Wörter „Verfahren zum Umgang mit Beschwerden“ gestrichen. Dies setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe a i) der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Die Streichung wird in Erwägungsgrund 40 damit begründet, dass diese Informationen nach den Ergebnissen der Eignungsprüfung des Verbraucher- und Marketingrechts in der vor-vertraglichen Phase am relevantesten sind und daher bei der Aufforderung zum Kauf in der Werbephase gemäß der Richtlinie 2005/29/EG entfallen können. Bei außerhalb von Ge-schäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen muss nach Arti-kel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Ge-setzbuche (EGBGB) über außergerichtliche Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren, de-nen der Unternehmer unterworfen ist, informiert werden.

Der neue § 5b Absatz 1 Nummer 6 setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe a ii) der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher eine informierte Entschei-dung darüber treffen können, ob sie die auf einem Online-Marktplatz angebotenen Waren oder Dienstleistungen erwerben möchten, bedarf es ausreichender Informationen über de-ren Anbieter, also den potentiellen späteren Vertragspartner. Hierzu gehört die Information darüber, ob es sich bei dem Anbieter um einen Unternehmer handelt. Denn nur, wenn dies der Fall ist, stehen den Verbraucherinnen und Verbrauchern die im Verbraucherschutzrecht der Europäischen Union vorgesehenen Ansprüche und Rechte zu. Daher wird durch den neuen § 5b Absatz 1 Nummer 6 die Liste der bei Angeboten zu einem Geschäftsabschluss wesentlichen Umstände beim Angebot von Waren oder Dienstleistungen über einen Online-Marktplatz entsprechend ergänzt. Der Betreiber des Online-Marktplatzes wird verpflichtet, von Anbietern von Waren oder Dienstleistungen zu verlangen, dass diese ihm gegenüber offenlegen, ob sie als Unternehmer oder Verbraucher im Sinne von §§ 13, 14 BGB tätig werden; Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dann durch den Betreiber des Online-Marktplatzes über die (Selbst-) Einstufung informiert werden. Im Einklang mit § 7 Absatz 2 des Telemediengesetzes sind Betreiber von Online-Marktplätzen nicht dazu verpflichtet, den Status von Anbietern anlassunabhängig zu überprüfen. Im vorvertraglichen Bereich soll Artikel 246d § 1 Nummer 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Entwurfsfassung (EGBGB-E) eine vergleichbare Funktion erfüllen.

Zu § 5b Absatz 2 UWG-E

Der neue § 5b Absatz 2 setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Das Ranking eines Angebotes in den Ergebnissen einer Online-Suchan-frage hat regelmäßig erhebliche Auswirkung darauf, ob die Verbraucherinnen und Verbrau-cher sich überhaupt näher mit dem betreffenden Angebot beschäftigen. Auch ist es Ver-braucherinnen und Verbrauchern nicht möglich, die Bedeutung der Stellung eines Angebots im Ranking zu beurteilen, wenn sie keine Informationen darüber haben, nach welchen Kri-terien die Angebote als Ergebnis ihrer Suchanfrage präsentiert werden. Bietet ein Unter-nehmer daher Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit, nach Waren oder

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Dienstleistungen verschiedener Anbieter zu suchen, dürfen ihnen Informationen dazu, nach welchen Hauptparametern das Ranking der Angebote in den Ergebnissen der Online-Such-anfrage festgelegt wird und wie deren relative Gewichtung im Vergleich zu anderen Para-metern ist, nicht vorenthalten werden. Flankierend zu dieser neuen Transparenzpflicht ent-hält die neue Nummer 11a des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG das Verbot ungekennzeich-neter Werbung oder verdeckter Zahlungen für eine Beeinflussung des Rankings bei Su-chergebnissen auf Grund der Online-Suchanfrage von Verbraucherinnen und Verbrau-chern.

Da der Anwendungsbereich der neuen Transparenzpflicht unabhängig davon eröffnet ist, wo der Abschluss des Rechtsgeschäfts über die angebotenen Waren erfolgt, sind nach Absatz 2 – anders als nach Absatz 1 Nummer 6 – nicht nur Online-Marktplätze von der Transparenzpflicht erfasst. Das heißt, die Vorschrift gilt auch für sonstige Vermittlungs-dienste wie Vergleichsplattformen, unabhängig davon, ob sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern auf ihrer Plattform die Möglichkeit zum Vertragsschluss mit dem Anbieter der Waren oder Dienstleistungen bieten. Erforderlich ist aber, dass die Suche nach Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbieter ermöglicht wird. Nicht von der Vorschrift erfasst sind Online-Shops von Unternehmern, die nur ihre eigenen Waren oder Dienstleistungen anbieten. Ebenfalls nicht vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst sind Betreiber von Online-Suchmaschinen im Sinne des Artikels 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2019/1150. Hintergrund ist, dass in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1150 be-reits eine Pflicht der Betreiber von Online-Suchmaschinen zur öffentlichen Information über die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings und deren relativer Gewichtung ent-halten ist.

Nach Erwägungsgrund 22 der Richtlinie (EU) 2019/2161 sind Parameter für das Ranking alle allgemeinen Kriterien, Prozesse und spezifischen Signale, die in Algorithmen einge-bunden sind, oder sonstige Anpassungs- oder Rückstufungsmechanismen, die im Zusam-menhang mit dem Ranking eingesetzt werden. Ausreichend ist die Bereitstellung einer all-gemeinen Beschreibung der wichtigsten Parameter für die Festlegung des Rankings, in der die vom Unternehmer voreingestellten Hauptparameter sowie ihre relative Gewichtung im Verhältnis zu anderen Parametern erläutert werden. Die Beschreibung muss nicht in einer jeweils auf die einzelne Suchanfrage zugeschnittenen Form bereitgestellt werden.

Die Pflicht zur Information über die Hauptparameter zur Festlegung des Rankings gilt un-beschadet der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinfor-mationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nut-zung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1). Die Unternehmer sind nicht ver-pflichtet, die Funktionsweise ihrer Ranking-Systeme, einschließlich der Algorithmen, im De-tail offenzulegen.

Die Informationen müssen von der Anzeige der Suchergebnisse aus unmittelbar und leicht zugänglich sein. Nach Erwägungsgrund 22 der Richtlinie (EU) 2019/2161 sollten diese In-formationen knapp gehalten, leicht verständlich und an gut sichtbarer Stelle verfügbar ge-macht werden.

Zu § 5b Absatz 3 UWG-E

Der neue § 5b Absatz 3 UWG-E setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe c der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Die Bewertungen und Empfehlungen anderer Verbraucherinnen und Ver-braucher stellen eine zunehmend wichtige Informationsquelle für die Kaufentscheidung dar. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten dabei zu Recht, dass solche Bewertungen auch tatsächlich von anderen Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen. Nach der Neuregelung gehören deshalb nunmehr auch Informationen darüber, ob und wie der Un-ternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, die die Waren tatsächlich genutzt oder erworben haben, zu den

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wesentlichen Informationen, die Verbraucherinnen und Verbrauchern vor einer geschäftli-chen Entscheidung nicht vorenthalten werden dürfen. Der Anwendungsbereich der Vor-schrift erfasst dabei nur solche Unternehmer, die selbst Verbraucherbewertungen zugäng-lich machen. Verweist der Unternehmer lediglich über einen Link auf Verbraucherbewer-tungen, die von Dritten über die von ihm angebotene Ware oder Dienstleistung veröffentlicht worden sind, besteht die Pflicht nicht.

Der Unternehmer muss darüber informieren, ob er vor Veröffentlichung der Verbraucher-bewertungen Maßnahmen zur Überprüfung ihrer Echtheit trifft. Ergreift er gar keine Maß-nahmen, muss er auch über diesen Umstand informieren. Wenn der Unternehmer entspre-chende Maßnahmen ergreift, muss er Informationen darüber bereitstellen, welche Pro-zesse und Verfahren er zur Prüfung der Echtheit der Verbraucherbewertungen ergreift. Bei-spielsweise kann der Unternehmer nur solche Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern zulassen, die die betreffenden Waren oder Dienstleistungen auch über seine Plattform erworben haben. Bereitgestellt werden müssen auch eindeutige Informationen dazu, wie mit Bewertungen im Rahmen dieses Prüfprozesses umgegangen wird, etwa nach welchen Kriterien Bewertungen aussortiert werden und ob alle Bewertungen — positive wie negative — veröffentlicht werden.

Ergänzt wird die neue Transparenzpflicht durch das in Nummer 23b des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG enthaltene Verbot der Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich genutzt oder erworben haben, ohne dass der Unternehmer durch angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen überprüft hat, ob dies tatsächlich der Fall ist. Stets unlauter ist nach der neuen Nummer 23c des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG zudem die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertungen oder Empfeh-lungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern sowie die falsche Darstellung von Bewer-tungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung.

§ 5b Absatz 4 enthält die Regelung des bisherigen § 5a Absatz 4 UWG.

Zu § 5c UWG-E

Zu § 5c Absatz 1 UWG-E

Der neu geschaffene § 5c UWG-E setzt Artikel 3 Nummer 6 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Durch diese Regelung wurde Artikel 13 der Richtlinie 2005/29/EG neu gefasst. In dem neuen Artikel 13 Absatz 3 werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nunmehr verpflichtet, sicherzustellen, dass sie bei der Verhängung von Sanktionen im Rahmen von koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 bei be-stimmten Verstößen gegen die Richtlinie 2005/29/EG auch Geldbußen verhängen können. Auf diese Weise soll eine europaweit einheitliche und damit effektivere Verbraucherrechts-durchsetzung gewährleistet werden. Absatz 1 normiert den sozialethischen Vorwurf, der die Bußgeldbewehrung rechtfertigt. Hierfür knüpft die Vorschrift an die Verletzung von Verbrau-cherinteressen durch in Absatz 2 näher bestimmte unlautere geschäftliche Handlungen an, welche einen weitverbreiteten Verstoß oder einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Di-mension nach Artikel 3 Nummer 3 oder Nummer 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 darstel-len. Das Vorliegen des Verdachts eines weitverbreiteten oder weitverbreiteten Verstoßes mit Unions-Dimension ist auch Voraussetzung für die Einleitung einer koordinierten Durch-setzungsmaßnahme.

Zu § 5c Absatz 2 UWG-E

Absatz 2 führt im Einzelnen auf, wann eine Verletzung von Handlungspflichten vorliegt, die in dem in Artikel 3 Nummer 3 und 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 festgelegten Ausmaß

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verboten ist. Nach dem neuen Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG muss grund-sätzlich bei allen Verstößen gegen die Richtlinie die Sanktionierung durch eine Geldbuße möglich sein. Aus verfassungsrechtlichen Gründen können die Mitgliedstaaten der Europä-ischen Union die Sanktionierung von Verstößen gegen die Generalklausel in Artikel 5 der Richtlinie 2005/29/EG auf Zweitverstöße des Unternehmens beschränken (Artikel 13 Ab-satz 3 Buchstabe b).

Absatz 2 Nummer 1 erfasst die Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere ge-schäftliche Handlungen nach § 3 Absatz 3 UWG in Verbindung mit dem Anhang. Die Re-gelungen setzen Artikel 5 Absatz 5 in Verbindung mit dem Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG um.

Absatz 2 Nummer 2 erfasst die Verletzung von Verbraucherinteressen durch aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a Absatz 1 Satz 1 UWG. Die Regelung setzt Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG um.

Absatz 2 Nummer 3 erfasst die Verletzung von Verbraucherinteressen durch irreführende geschäftliche Handlungen nach § 5 Absatz 1 oder nach dem neugefassten § 5a Absatz 1 UWG. Die Regelungen setzen Artikel 6 und 7 der Richtlinie 2005/29/EG um.

Absatz 2 Nummer 4 erfasst unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1, sofern die Handlung nicht bereits von Nummer 1 bis 3 erfasst wird. Durch diese Regelung wird von der durch den neu gefassten Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2005/29/EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Sanktionierung für Verstöße gegen das generelle Verbot unlauterer Geschäftspraktiken in Artikel 5 der Richtlinie 2005/29/EG nur für wiederholte Verstöße des Betroffenen vorzuse-hen. Das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot gebietet diese Einschränkung der Sanktio-nierungsmöglichkeit. Nach dem Bestimmtheitsgebot müssen mit einer Geldbuße bewehrte Handlungsverbote so klar formuliert sein, dass die Adressatin oder der Adressat der Norm deren Inhalt verstehen und ihr konkrete Handlungsanweisungen entnehmen kann. Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2005/29/EG, der durch § 3 Absatz 1 UWG umgesetzt wird, be-schränkt sich auf die Formulierung des generellen Verbots unlauterer Geschäftspraktiken. Auch durch die in Artikel 5 Absatz 2 enthaltene Konkretisierung, welche in § 3 Absatz 2 UWG umgesetzt wird, erfährt dieses Verbot keine für eine Bußgeldbewehrung hinreichende Konkretisierung. Nach § 3 Absatz 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und dazu geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern wesentlich zu be-einflussen. Daher ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich, von der durch Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu ma-chen und die Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen das generelle Verbot unlauterer Geschäftspraktiken auf Zweitverstöße zu beschränken.

Soweit daher Handlungen der oder des Betroffenen zwar eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1 UWG darstellen, jedoch nicht von den dieses Verbot konkre-tisierenden Unlauterkeitstatbeständen in den §§ 4a, 5 und 5a UWG oder durch den Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG erfasst sind, ist eine Sanktionierung des Verstoßes durch eine Geld-buße erst im Fall eines Zweitverstoßes möglich. Das heißt, dass der oder dem Betroffenen das gleiche Verhalten bereits zuvor durch eine vollziehbare Anordnung der zuständigen Behörde oder eine vollstreckbare Entscheidung eines Gerichts untersagt worden sein muss.

Zu Nummer 4 (§ 7 UWG-E)

Zu Buchstabe a

§ 7 Absatz 2 Nummer 1 UWG wird in Nummer 26 des Anhangs verschoben. Dies entspricht der Struktur der Richtlinie 2005/29/EG, nach der unzulässiges hartnäckiges Ansprechen über Fernabsatzmittel stets eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt.

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Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine durch Buchstabe a bedingte Folgeänderung.

Zu Nummer 5 (§ 9 UWG-E)

§ 9 Absatz 1 UWG-E enthält den bisherigen § 9 Satz 1 UWG, welcher den Schadenser-satzanspruch von Mitbewerbern regelt, die durch schuldhafte unzulässige geschäftliche Handlungen nach §§ 3 oder 7 UWG geschädigt worden sind.

Der neue § 9 Absatz 2 UWG-E setzt Artikel 3 Nummer 5 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Dieser ergänzt die Richtlinie 2005/29/EG um einen neuen Artikel 11a, welcher die Mitglied-staaten der Europäischen Union in Absatz 1 Satz 1 dazu verpflichtet, Verbraucherinnen und Verbrauchern Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des entstandenen Schadens sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendi-gung des Vertrages zu gewährleisten. Damit werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nunmehr erstmals dazu verpflichtet, bei Verstößen gegen die Richtlinie individuell im Klageweg durchsetzbare Ansprüche und Rechte für Verbraucherinnen und Verbraucher vorzusehen. Dies gilt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Ersatz des durch die betreffende unlautere geschäftliche Handlung kausal entstandenen Schadens ohne Einschränkung. Denn während die Aufzählung der weiteren Rechtsbehelfe in Artikel 11a Absatz 1 Satz 1 wie Preisminderung und Vertragsbeendigung mit der Einschränkung „gegebenenfalls“ ein-geleitet wird, steht die Verpflichtung zur Schaffung eines Anspruchs auf Schadensersatz nicht unter einem solchen Vorbehalt. Daraus folgt, dass für jeden Verstoß gegen die Richt-linie ein individueller Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Ersatz des ihnen entstandenen Schadens vorgesehen sein muss. Im Übrigen können die Mitgliedstaaten der Europäischen Union allerdings die Voraussetzungen für die Anwendung und die Rechtsfol-gen der Ansprüche frei bestimmen, solange die eingeräumten Ansprüche und Rechte Ver-braucherinnen und Verbraucher wirksam schützen.

Durch die nach der gegenwärtigen Rechtslage bestehenden Ansprüche und Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern aus dem bürgerlichen Recht, welche auch zur Besei-tigung der Folgen einer unlauteren geschäftlichen Handlung eingreifen können, besteht für Verbraucherinnen und Verbraucher bereits ein weitgehender, aber aus Sicht der Richtlinie nicht lückenloser Schutz. Insbesondere ist bisher nicht hinreichend sichergestellt, dass Ver-braucherinnen und Verbraucher gegen unlauter handelnde Unternehmer einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn zwischen ihnen kein Vertragsverhältnis entstanden ist. Dies gilt zum Beispiel im Hinblick auf die Frage, ob Verbraucherinnen und Verbraucher in den sogenannten „Anlockfällen“, also Irreführungen des Unternehmers über die Verfügbar-keit einer als besonders günstig beworbenen Ware, die der Unternehmer nicht in angemes-sener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorhält, Ersatz frustrierter Aufwendungen für das vergebliche Aufsuchen des Geschäfts verlangen können. Aber auch im Verhältnis zu irreführenden Herstellern haben Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn kein Vertragsverhältnis entstanden ist, aus dem bürgerlichen Recht nur Ansprüche bei vor-sätzlichem Handeln. Im Fall der aggressiven geschäftlichen Handlungen nach § 4a UWG bestehen nach den Regelungen des bürgerlichen Rechts vor allem dann Ansprüche und Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern, soweit diese durch eine Drohung im Sinne von § 123 Absatz 1 BGB zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sind. Der Tatbestand des § 4a UWG erfasst aber auch andere Zwangssituationen, in denen psychisch wirkender Zwang ausgeübt wird, Überrumpelungssituationen herbeigeführt wer-den, und Notlagen oder Gefühle ausgenutzt werden, um Verbraucherinnen und Verbrau-cher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen. Auch in solchen Konstellationen sind die nach geltendem Recht bestehenden Ansprüche der Verbraucherinnen und Ver-braucher auf Schadensersatz nicht lückenlos.

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Der neue § 9 Absatz 2 UWG-E schließt solche Lücken, indem er das UWG um einen indi-viduellen Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher ergänzt. Hier-durch wird sichergestellt, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern, denen durch schuld-hafte Verstöße von Unternehmern gegen die Richtlinie 2005/29/EG umsetzende Vorschrif-ten ein Schaden entstanden ist, auch ein Anspruch auf Ersatz dieses Schadens zusteht. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die unlautere geschäftliche Handlung von dem Ver-tragspartner ausgeht, sondern auch im Hinblick auf unlautere geschäftliche Handlungen Dritter. So haben Verbraucherinnen und Verbraucher, denen durch schuldhafte irrefüh-rende Werbeäußerungen des Herstellers ein Schaden entstanden ist, gegen diesen nun-mehr einen Anspruch auf Ersatz des durch die schuldhafte irreführende Werbeäußerung entstandenen Schadens. Damit wird ein klarer und umfassender Rechtsrahmen zur Besei-tigung der individuellen Folgen unlauterer geschäftlicher Handlungen geschaffen.

Der Schadensersatzanspruch steht in freier Anspruchskonkurrenz zu den bereits bestehen-den Ansprüchen des bürgerlichen Rechts. Das heißt, die Verbraucherinnen und Verbrau-cher können bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen frei entscheiden, ob sie gegen den Schädiger den Schadensersatzanspruch aus § 9 Absatz 2 Satz 1 UWG-E oder einen ebenfalls bestehenden Gewährleistungs- oder außervertraglichen Haftungsanspruch gel-tend machen. Die Ergänzung des UWG um einen individuellen Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher soll nichts daran ändern, dass die Vorschriften des UWG (mit Ausnahme der Strafnorm des § 16 UWG) grundsätzlich keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB sind, wie es auch bisherigem Verständnis entspricht (ver-gleiche Bundestagsdrucksache 15/1487, S. 22). Der Anspruch richtet sich regelmäßig nur auf das negative Interesse, das bedeutet, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vom Schädiger so zu stellen sind, als wäre die unlautere geschäftliche Handlung nicht vorge-nommen worden.

Um dem Grundsatz der „1:1-Umsetzung“ Rechnung zu tragen, erfasst der Schadensersatz-anspruch nur Verstöße gegen Vorschriften, die die Richtlinie 2005/29/EG umsetzen. Das gilt zum einen nicht für den neu gefassten § 7 UWG-E, soweit er Verbraucherinnen und Verbraucher betrifft, weshalb insoweit eine unzulässige geschäftliche Handlung nach § 7 UWG Verbraucherinnen und Verbrauchern keinen Schadensersatzanspruch nach § 9 Ab-satz 2 UWG-E eröffnet. Zum anderen fallen damit auch unlautere geschäftliche Handlun-gen nach §§ 3a, 4 und 6 UWG nicht in den Anwendungsbereich des neuen Schadenser-satzanspruchs.

Dadurch, dass die neu gefasste Nummer 26 des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG nunmehr gleichlaufend zu dem entsprechenden Verbotstatbestand aus der Richtlinie 2005/29/EG das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in Form von Werbung mittels Telefonanrufen erfasst, sind diese besonders gravieren-den Fälle unerlaubter Werbung in den Anwendungsbereich des Schadensersatzanspruchs einbezogen. Soweit Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund eines solchen Verstoßes zum Abschluss eines wirtschaftlich nachteiligen Vertrages veranlasst worden sind, kann im Wege der Naturalrestitution nach § 249 Absatz 1 BGB unter Umständen auch ein Anspruch auf Aufhebung des Vertrages bestehen.

§ 9 Absatz 3 UWG-E enthält das bisher in § 9 Satz 2 UWG geregelte „Presseprivileg“, also die Begrenzung der Schadensersatzhaftung der Presse auf vorsätzliche Handlungen. Die Privilegierung erstreckt sich nunmehr auch auf den neu geschaffenen Schadensersatzan-spruch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Da sich die wettbewerbsrechtliche Verant-wortlichkeit der Presse grundsätzlich auch auf fremdverfasste Inhalte, insbesondere Anzei-gen, bezieht, ist es auch im Verhältnis zu Verbraucherinnen und Verbrauchern sachgerecht, dass die Haftung auf vorsätzliche Verstöße beschränkt ist. Eine Einbeziehung fahrlässiger Verstöße würde einen unzumutbaren personellen und zeitlichen Mehraufwand bei der Überprüfung von Anzeigen und eine unzumutbare Reduzierung der regelmäßig existenz-notwendigen Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft bedeuten. Die Einschränkung des Schadensersatzanspruches ist daher zur Sicherstellung der in Artikel 5 Absatz 1 GG und

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in Artikel 11 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten Freiheit der Presse gerechtfertigt. Da die Regelung im Übrigen nicht Personen erfasst, wel-che den Inhalt der Anzeige gestaltet haben, bleibt es den Verbraucherinnen und Verbrau-chern unbenommen, Schadensersatzansprüche gegen diese geltend zu machen.

Zu Nummer 6 (§ 11 UWG-E)

Zu Buchstabe a

Durch die Änderungen in § 11 Absatz 1 UWG wird bestimmt, dass die in der Regelung vorgesehene besondere Regelung zur Verjährung zwar weiterhin für den Schadensersatz-anspruch der Mitbewerber nach § 9 Absatz 1 UWG-E, nicht jedoch für den neu geschaffe-nen Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher nach § 9 Absatz 2 UWG-E gilt. Stattdessen richtet sich die Verjährung dieses Anspruchs nach den allgemei-nen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das heißt, es gilt die regelmäßige Ver-jährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Die sechsmonatige Verjährungsfrist in § 11 Ab-satz 1 UWG ist für Verbraucherinnen und Verbraucher unangemessen kurz. Zudem steht die Dauer der Verjährungsfrist dann in Einklang mit der Dauer der Verjährung von delikti-schen Ansprüchen nach dem bürgerlichen Recht.

Zu Buchstabe b

Die Änderung stellt klar, dass sich der Absatz nur auf die in § 11 Absatz 1 UWG-E genann-ten Ansprüche bezieht.

Zu Buchstabe c

Die Änderung stellt klar, dass sich der Absatz nur auf die in § 11 Absatz 1 UWG-E genann-ten Ansprüche bezieht.

Zu Buchstabe d

Auch der angefügte Absatz 5 dient der weiteren Klarstellung, indem noch einmal ausdrück-lich erklärt wird, dass sich die Verjährung für die übrigen Ansprüche nach diesem Gesetz, also nach dem in § 11 Absatz 1 UWG-E nicht genannten § 9 Absatz 2 UWG-E nach den Regeln des bürgerlichen Rechts richtet.

Zu Nummer 7 (§ 19 UWG-E)

Zu § 19 Absatz 1 UWG-E

Absatz 1 der Bußgeldvorschrift legt den Tatbestand fest, dessen Verletzung mit einer Geld-buße geahndet werden kann. Gemäß den unionsrechtlichen Vorgaben, die keine Beschrän-kung auf eine bestimmte Schuldform vorsehen, wird sowohl vorsätzliches als auch fahrläs-siges Handeln erfasst.

Zu § 19 Absatz 2 UWG-E

Absatz 2 bestimmt den Bußgeldrahmen, innerhalb dessen Ordnungswidrigkeiten nach Ab-satz 1 geahndet werden können. Einer Umsetzung der in dem neugefassten Artikel 13 Ab-satz 2 der Richtlinie 2005/29/EG genannten Zumessungskriterien für die Höhe von Sankti-onen bedarf es nicht. Diese sind bereits nach § 17 Absatz 3 OWiG bei der Zumessung der Geldbuße zu berücksichtigen. Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip können sich weitere zumessungsrelevante Umstände ableiten lassen.

In Absatz 2 Satz 1 wird zunächst ein Sockelbetrag für die Bemessung des Bußgeldrahmens bestimmt. Dieser legt die Obergrenze für den Bußgeldrahmen auf bis zu 100 000 Euro fest.

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Der Bußgeldrahmen orientiert sich an ähnlichen Regelungen mit verbraucherschützendem Charakter, die Obergrenzen für den Bußgeldrahmen zwischen 25 000 Euro und 300 000 Euro normieren. So sieht beispielsweise § 3 Wirtschaftsstrafgesetz 1954 in Verbindung mit § 10 der Preisangabenverordnung für Verstöße gegen die Preisangabenverordnung einen Bußgeldrahmen von bis zu 25 000 Euro vor, das Gesetz über außergerichtliche Rechts-dienstleistungen sieht für Verstöße einen Bußgeldrahmen von bis zu 50 000 Euro vor. Die in § 20 Absatz 2 UWG normierte Bußgeldobergrenze für gemäß § 7 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 und Nummer 3 UWG unerlaubte Werbeanrufe beträgt 300 000 Euro. Die Bußgeldobergrenze von 100 000 Euro trägt auch dem besonderen Unrechtsgehalt Rechnung, der sich daraus ergibt, dass bei einem weitverbreiteten Verstoß oder einem weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension nach Artikel 3 Nummer 3 oder 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 die kollektiven Interessen einer großen Zahl von Ver-braucherinnen und Verbrauchern in mehreren europäischen Ländern gefährdet sein müs-sen.

Absatz 2 Satz 2 sieht für die Unternehmen, deren Jahresumsatz so hoch ist, dass 4 Prozent von diesem den Sockelbetrag von 100 000 Euro übersteigen, einen abweichenden Buß-geldrahmen vor. Dies betrifft Unternehmen mit einem Jahresumsatz in Höhe von mehr als 2 500 000 Euro. In diesen Fällen kann eine Geldbuße bis zu einer Obergrenze in Höhe von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes festgelegt werden. Damit setzt die Vorschrift auch für Unternehmer mit einem Jahresumsatz von mehr als 2 500 000 Euro die Vorgaben des neu gefassten Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG um, wonach der Höchstbetrag der Geldbuße auf mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmers in den betref-fenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union festzulegen ist. Eine Möglichkeit, vor dem Hintergrund des jeweiligen nationalen Ordnungswidrigkeitenrechts, diesen flexiblen Rah-men unberücksichtigt zu lassen, sieht die Richtlinie nicht vor. Das deutsche Recht kennt schon heute, zum Beispiel in § 81 Absatz 4 Satz 2 GWB und § 56 Absatz 3 GwG, Bußgeld-tatbestände, die für Unternehmen und Unternehmensvereinigungen flexible Bußgeldrah-men vorsehen. Der Bundesgerichtshof, der mit der Regelung des § 81 Absatz 4 Satz 2 GWB befasst war, hat zumindest im Hinblick auf an den Umsatzzahlen orientierte Sankti-onsgrenzen keine verfassungsrechtlichen Bedenken festgestellt (vergleiche BGH, Be-schluss vom 26.2.2013 - KRB 20/12).

Absatz 2 Satz 3 eröffnet die Möglichkeit, die Höhe des Jahresumsatzes zu schätzen. Im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung wird von dieser Möglichkeit regelmäßig nur dann Gebrauch zu machen sein, wenn der Jahresumsatz nicht ohne erhebliche Schwierig-keiten festgestellt werden kann. Je nach dem Ergebnis der Schätzung ergibt sich der Buß-geldrahmen aus Satz 1 oder aus Satz 2.

Absatz 2 Satz 4 setzt den neu gefassten Artikel 13 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29/EG um. Liegen keine Informationen über den Jahresumsatz vor, auch keine solchen, die eine Schätzung des Jahresumsatzes ermöglichen, ist von einem Bußgeldrahmen von bis zu zwei Millionen Euro auszugehen. Satz 1 und Satz 2 finden in diesen Fällen keine Anwen-dung. In den Fällen des Satzes 5 gilt auch dann der Bußgeldrahmen des Satzes 1, wenn der Umsatz des Unternehmers nicht geschätzt werden kann. Satz 4 findet insoweit keine Anwendung.

Absatz 2 Satz 5 regelt den Bußgeldrahmen für einen Täter oder Beteiligten, der nicht (selbst) Unternehmer ist, aber im Sinne des § 9 OWiG für einen Unternehmer handelt, und für einen Beteiligten im Sinne von § 14 Absatz 1 Satz 2 OWiG, der nicht (selbst) Unterneh-mer ist. Für diese Personen gilt nach der in Satz 5 getroffenen Regelung der in Satz 1 fest-gelegte Rahmen von 100 000 Euro, wobei die finanziellen Verhältnisse des jeweiligen Be-troffenen bei der konkreten Zumessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind. Da sich die aus Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG ergebende Vorgabe, ein umsatzabhän-giges Bußgeld vorzusehen, lediglich auf Unternehmer bezieht, kann für solche Personen, die nicht selbst das besondere persönliche Merkmal „Unternehmer“ erfüllen, ein abweichen-

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der Bußgeldrahmen festgelegt werden. Ein am Umsatz des Unternehmens orientierter Buß-geldrahmen wäre auch nicht sachgemäß. Durch die Regelung wird verhindert, dass bei-spielsweise der nach Absatz 1 ordnungswidrig handelnde Geschäftsführer einer GmbH, die ein Unternehmen betreibt, dem Bußgeldrahmen nach Satz 2 bis 4 unterliegt. Das Gleiche gilt für an der Ordnungswidrigkeit beteiligte „einfache“ Angestellte, die nicht unter § 9 OWiG fallen.

Absatz 2 Satz 6 ermöglicht, dass eine Geldbuße, die nach § 30 Absatz 1 OWiG gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung verhängt werden soll, im Höchstmaß nicht durch den Bußgeldrahmen der für sie handelnden natürlichen Personen begrenzt wird. Grundsätzlich koppelt § 30 Absatz 2 Satz 2 OWiG den für juristische Personen oder Perso-nenvereinigungen geltenden Bußgeldrahmen an den Bußgeldrahmen, welcher für die für sie handelnden natürlichen Personen gilt. Dies hätte zur Folge, dass auch für die juristische Person oder Personenvereinigung der nach Absatz 2 Satz 5 geltende Bußgeldrahmen von bis zu 100 000 Euro – unabhängig vom Jahresumsatz des Unternehmens – gelten würde. Dies würde aber im Hinblick auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 2 500 000 Euro der sich aus dem neuen Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG er-gebenen Vorgabe widersprechen, wonach der Höchstbetrag der Geldbuße auf mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmers in den betreffenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union festzulegen ist. Durch die Regelung in Absatz 2 Satz 6 wird daher si-chergestellt, dass sich der Bußgeldrahmen auch für juristische Personen oder Personen-vereinigungen nach den in Absatz 2 Satz 1 bis 4 geregelten Grundsätzen bestimmt. Begeht also etwa der Geschäftsführer einer GmbH eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1, richtet sich zwar der Bußgeldrahmen für diesen über Absatz 2 Satz 5 nach Absatz 2 Satz 1 (Geld-buße bis zu 100 000 Euro), die GmbH kann jedoch bei einem entsprechenden Jahresum-satz nach dem in Satz 2 bis 4 festgelegten Bußgeldrahmen belangt werden.

Zu § 19 Absatz 3 UWG-E

Absatz 3 regelt, dass die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 1 im Rahmen der koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 erfolgt. Der neu eingefügte Bußgeldtatbestand ermöglicht eine europaweit einheitliche und damit effektivere Verbraucherrechtsdurchsetzung bei Vorliegen eines weitverbreiteten Verstoßes oder eines weitverbreiteten Verstoßes mit Unions-Dimension im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/2394. Zur Beendigung solcher Verstöße sowie zur Ermöglichung einer Kompensation der durch den Verstoß geschädigten Verbraucherinnen und Verbrau-cher sieht die Verordnung (EU) 2017/2394 einen koordinierten Ermittlungs- und Durchset-zungsmechanismus vor, in dessen Rahmen die von dem weitverbreiteten Verstoß betroffe-nen Behörden alle erforderlichen Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um die Beendigung oder Untersagung des Verstoßes zu erreichen sowie eine Abhilfezusage des Unterneh-mens entgegen zu nehmen, das den Verstoß begangen hat. Mit der neu geschaffenen Bußgeldnorm wird nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland die erforderliche Rechts-grundlage für eine Verhängung der in Artikel 21 Absatz 1 Satz 2 CPC-Verordnung aufge-führten Sanktionen gegen den verantwortlichen Unternehmer, wie zum Beispiel Geldbußen oder Zwangsgelder, geschaffen.

Zu § 19 Absatz 4 UWG-E

Absatz 4 benennt die für die Festsetzung des Bußgeldes jeweils sachlich zuständige Ver-waltungsbehörde. Gemäß § 2 Nummer 1 EU- Verbraucherschutzdurchführungsgesetz ist das Bundesamt für Justiz für die Durchführung der Verordnung (EU) 2017/2394 unter an-derem dann zuständig, wenn der Verdacht auf weitverbreitete Verstöße oder weitverbrei-tete Verstöße mit Unions-Dimension gegen die zur Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG erlassenen Rechtsvorschriften besteht. Wenn solche Verstöße von Unternehmen im Sinne von § 2 Nummer 2 EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetz ausgehen, ist die Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zuständig. Handelt es sich um ein Unternehmen

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im Sinne von § 2 Nummer 4 EU- Verbraucherschutzdurchführungsgesetz, ist die nach Lan-desrecht zuständige Behörde zuständig. Entsprechend sind diese Behörden auch als die jeweils sachlich zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 OWiG zu benennen.

Zu Nummer 8 (§ 20 UWG-E)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung. Da der bisherige § 7 Absatz 2 Num-mer 1 UWG in Nummer 26 des Anhangs verschoben wurde, befindet sich der bisherige § 7 Absatz 2 Nummer 2 UWG, auf den § 20 Absatz 1 Nummer 1 UWG Bezug nimmt, nunmehr in § 7 Absatz 2 Nummer 1 UWG-E.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine Folgeänderung. Da der bisherige § 7 Absatz 2 Nummer 1 UWG in Nummer 26 des Anhangs verschoben wurde, befindet sich der bisherige § 7 Absatz 2 Num-mer 3 UWG, auf den § 20 Absatz 1 Nummer 2 UWG Bezug nimmt, nunmehr in § 7 Absatz 2 Nummer 2 UWG.

Zu Nummer 9 (Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG)

In die Auflistung der stets unlauteren Handlungen im Anhang zum UWG werden zur Ver-besserung der Orientierung Überschriften eingefügt und die Nummerierung an die des An-hangs zur Richtlinie 2005/29/EG angeglichen. Eine inhaltliche Änderung ist mit der Einfü-gung von Überschriften nicht verbunden.

Die neue Nummer 11a enthält das Verbot ungekennzeichneter Werbung oder verdeckter Zahlungen für eine Beeinflussung des Rankings bei Suchergebnissen auf Grund der On-line-Suchanfrage von Verbraucherinnen oder Verbrauchern. Hiermit wird Artikel 3 Num-mer 7 Buchstabe a der Richtlinie (EU) 2019/2161 umgesetzt. Online-Suchfunktionen kön-nen von unterschiedlichen Arten von Online-Anbietern bereitgestellt werden, darunter Ver-mittler wie Online-Marktplätze, Suchmaschinen und Vergleichswebsites. Der Verbotstatbe-stand richtet sich gegen die verdeckte Beeinflussung des Rankings durch erkaufte Platzie-rungen. Bezahlte Werbung in Rankings oder Zahlungen, die speziell dazu dienen, das Ran-king zu beeinflussen, sind nur dann zulässig, wenn sie eindeutig offengelegt werden. Die Information hierüber muss in kurzer, einfach zugänglicher und verständlicher Weise erfol-gen. Nach Erwägungsgrund 20 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird auch eine Bezahlung erfasst, die mittelbar zur Verbesserung der Position in dem Ranking führt, etwa indem der Unternehmer zusätzliche Verpflichtungen jeglicher Art gegenüber dem Anbieter der Such-funktion eingeht, die sich positiv auf die Position seiner Angebote im Ranking auswirken. Mittelbare Bezahlungen können auch die Zahlung einer erhöhten Provision pro Transaktion oder unterschiedliche Vergütungsregelungen zur gezielten Erreichung eines höheren Ran-kings sein. Keine mittelbaren Zahlungen stellen dagegen Zahlungen für allgemeine Dienst-leistungen wie Gebühren für die Listung oder Mitgliedsbeiträge dar, die eine breite Palette an Funktionen abdecken, die der Anbieter der Online-Suchmaschine für den Unternehmer erbringt, sofern diese Zahlungen nicht dazu bestimmt sind, ein höheres Ranking zu bewir-ken.

Nach der neuen Nummer 23a ist stets unlauter der Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn der Unternehmer diese Ein-trittskarten unter Verwendung von Software wie Bots erworben hat, die technische Be-schränkungen des Erstverkäufers in Bezug auf die Zahl der von einer Person zu erwerben-den Eintrittskarten oder andere für den Verkauf der Eintrittskarten geltende Regeln umge-hen. Damit wird Artikel 3 Nummer 7 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 umgesetzt. Bereits nach derzeitiger Rechtslage kann nach der Rechtsprechung ein Verstoß gegen § 4

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Nummer 4 UWG vorliegen, wenn eine Käuferin oder ein Käufer beim Ankauf von Eintritts-karten den Veranstalter, der die Eintrittskarten ausschließlich selbst vermarktet und vertrag-lich den gewerblichen Weiterverkauf verbietet, über die Wiederverkaufsabsicht täuscht (so genannter Schleichbezug). Diese Rechtsprechung ist umfassender als der neue Verbots-tatbestand in Nummer 23a, da sie nicht auf den Verkauf von Eintrittskarten gegenüber Ver-braucherinnen und Verbrauchern beschränkt ist und auch nicht-automatisierte Verfahren zur Umgehung der Beschränkungen erfasst. Da der Tatbestand des § 4 Nummer 4 UWG allein dem Mitbewerberschutz dient und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG fällt, wird dieser Tatbestand auch in Zukunft neben dem neu ergänz-ten verbraucherschützenden Verbotstatbestand in Nummer 23a anwendbar bleiben, so dass auch die oben erwähnte Rechtsprechung weiterhin fortgesetzt werden kann.

Nach der neuen Nummer 23b ist ebenfalls stets unlauter die Behauptung, dass Bewertun-gen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbraucherinnen und Verbrauchern stam-men, die diese Ware oder Dienstleistung genutzt oder erworben haben, ohne dass der Un-ternehmer durch angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen überprüft hat, ob dies auch tatsächlich der Fall ist. Die Vorschrift setzt Artikel 3 Nummer 7 Buchstabe b der Richt-linie (EU) 2019/2161 um. Unlauter ist lediglich die Behauptung ohne entsprechende Über-prüfung. Unterlässt der Unternehmer eine entsprechende Behauptung, besteht auch keine Pflicht zur Überprüfung von Verbraucherbewertungen. Als angemessene und verhältnismä-ßige Maßnahmen zur Überprüfung werden in Erwägungsgrund 47 der Richtlinie (EU) 2019/2161 technische Mittel genannt, die die Glaubwürdigkeit der die Bewertung veröffent-lichende Person überprüfen, beispielsweise indem Informationen darüber angefordert wer-den, ob eine Verbraucherin oder ein Verbraucher die Ware oder Dienstleistung tatsächlich verwendet oder erworben hat. Der neue Verbotstatbestand flankiert § 5b Absatz 3 UWG-E, wonach Unternehmer, die Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern zugäng-lich machen, darüber informieren müssen, ob und wie sie sicherstellen, dass die veröffent-lichten Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben.

Nach der neuen Nummer 23c ist stets unlauter die Übermittlung oder Beauftragung ge-fälschter Bewertungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern so-wie die falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung. Hiermit wird Ar-tikel 3 Nummer 7 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 umgesetzt. Empfehlungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern erfassen nach Erwägungsgrund 49 der Richtlinie (EU) 2019/2161 auch „likes“ in sozialen Medien. Eine falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern liegt vor, wenn selektiv nur posi-tive Bewertungen veröffentlicht, negative hingegen gelöscht werden. Zudem nennt Erwä-gungsgrund 49 der Richtlinie (EU) 2019/2161 das weitere Beispiel der Extrapolation von Empfehlungen. Eine solche liegt vor, wenn die positive Interaktion einer Nutzerin oder eines Nutzers mit einem bestimmten Online-Inhalt mit einem anderen – wenn auch in Zusam-menhang stehenden – Inhalt verknüpft oder auf diesen übertragen wird, und so der An-schein erweckt wird, die Nutzerin oder der Nutzer befürworte auch den anderen Inhalt.

Die neue Nummer 26 enthält nunmehr entsprechend Nummer 26 des Anhangs I der Richt-linie 2005/29/EG den bisherigen § 7 Absatz 2 Nummer 1 UWG, dessen Wortlaut stärker an den Wortlaut der Richtlinie angepasst worden ist. So wurde klargestellt, dass der Tatbe-stand nicht nur das Ansprechen zum Zweck der Werbung, sondern jede Art der hartnäcki-gen und unerwünschten Kontaktaufnahme erfasst. Dies wird durch die deutsche Sprach-fassung der Richtlinie, welche in Nummer 26 des Anhangs I ebenfalls den Begriff der Wer-bung verwendet, nicht hinreichend ausgedrückt. Hierfür spricht aber der Vergleich mit der englischen („persistent and unwanted solicitations“) und französischen Sprachfassung („se livrer à des sollicitations répétées et non souhaitées“), welche beide nicht auf Kontaktauf-nahmen zum Zwecke der Werbung beschränkt sind. Zudem wäre die ebenfalls aus dem Text der Richtlinie entnommene Einschränkung, dass das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen zur Durchsetzung vertraglicher Verpflichtungen gerechtfertigt sein kann, bei

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einer Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Werbemaßnahmen überflüssig, weil sol-ches Verhalten ohnehin nicht vom Tatbestand der Norm erfasst wäre. Der Verbotstatbe-stand erfasst neben Briefsendungen auch das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen mittels Telefonanrufen oder unter Verwendung von Faxgeräten oder elektronischer Post.

Die neue Nummer 31 enthält die bisherige Nummer 17.

Zu Artikel 2 (Änderung der Gewerbeordnung)

Durch die Änderungen in der Gewerbeordnung wird von der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 in Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie 2005/29/EG eingefügten Öffnungsklausel für Haustürgeschäfte und Verkaufsfahrten Gebrauch gemacht. Nach dieser Klausel können die Mitgliedstaaten Regelungen zum Schutz vor aggressiven oder irreführenden Ge-schäftspraktiken im Zusammenhang mit unerwünschten Hausbesuchen oder Verkaufsfahr-ten vorsehen. Diese Bestimmungen müssen verhältnismäßig, nicht-diskriminierend und aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sein. Missstände bei Verkaufsveran-staltungen im Reisegewerbe (Wanderlager), insbesondere im Zusammenhang mit Kaffee-fahrten, sind nach wie vor zu beobachten. In der Praxis werden bei diesen Veranstaltungen immer wieder vor allem älteren Menschen mit teilweise irreführenden und aggressiven Ver-kaufsmethoden vielfach überteuerte Produkte angeboten. Trotz zahlreicher Aufklärungs-maßnahmen sind unseriöse Anbieter mit dieser Methode nach wie vor erfolgreich tätig. Mit den Verschärfungen des § 56a GewO wird auf diese Missstände reagiert und dadurch der Verbraucherschutz in diesem Bereich weiter verbessert.

Zu Nummer 1 (Inhaltsverzeichnis)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 2 (§ 56a GewO-E)

§ 56a GewO wird insgesamt neu gefasst.

Zu § 56a Absatz1 GewO-E

Der Begriff des Wanderlagers wird erstmalig gesetzlich definiert. Die Definition entspricht derjenigen in Rechtsprechung und Literatur.

Zu § 56a Absatz 2 GewO-E

Die Frist für die Anzeige eines Wanderlagers wird von bisher zwei auf vier Wochen verlän-gert (Satz 1). Damit steht der zuständigen Behörde künftig ein längerer Zeitraum zur Ver-fügung, um die Anzeige zu prüfen. Im Zusammenhang mit den zusätzlichen Angaben, die die Anzeige in Zukunft enthalten muss (siehe Absatz 3), besitzt die Behörde die Möglichkeit, den Veranstalter im Vorhinein noch wirksamer zu überprüfen und somit die Verbraucherin-nen und Verbraucher frühzeitig vor unseriösen Veranstaltern und Verkaufsveranstaltungen zu schützen.

Von der Anzeigepflicht nach Satz 1 sind Veranstaltungen ausgenommen, die von Verbrau-cherinnen und Verbrauchern selbständig erreicht und verlassen werden. Denn erst wenn sie auf die Organisation des Veranstalters angewiesen sind, um den Ort der Veranstaltung nach Belieben verlassen zu können, geraten sie in eine Situation der Abhängigkeit. Die dadurch geschaffene Situation kann sodann vom Veranstalter zum Verkauf seiner Waren oder Leistungen ausgenutzt werden. Ist hingegen eine selbständige An- und Abreise vor-gesehen, geraten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in ein solches Abhängigkeits-verhältnis. Die Ausnahme setzt voraus, dass der Veranstalter weder selbst noch durch jed-wedes Zusammenwirken mit privaten Transportunternehmen die An- und Abreise der Ver-braucherinnen und Verbraucher organisiert, sondern dass diese selbst zum Beispiel mit

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einem eigenen PKW oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Entscheidend ist da-bei, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre An- und Abreise zum Veranstaltungs-ort selbständig organisieren und nicht auf den Veranstalter und einen mit diesem zusam-menwirkenden Dritten angewiesen sind, um den Veranstaltungsort zu verlassen.

Wenn ein Wanderlager im Ausland stattfinden soll, muss die Veranstaltung künftig bei der Behörde angezeigt werden, die für den Ort der gewerblichen Niederlassung des Veranstal-ters zuständig ist (Satz 2). Damit wird zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher eine Regelungslücke geschlossen. Denn nach bisherigem Recht konnten Wanderlager, die im Ausland stattfinden sollten, nicht angezeigt werden, da nur abgestellt wurde auf die An-zeigeerstattung bei der Behörde, die für den Ort der Veranstaltung zuständig ist.

Diese Anzeigepflicht gilt allerdings nicht, wenn der Veranstalter in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat niedergelassen ist (§ 4 Absatz 1 Satz 2 GewO).

Zu § 56a Absatz 3 GewO-E

Absatz 3 gibt den Inhalt der Anzeige vor. Mit der erweiterten Formulierung der Nummer 2 soll klargestellt werden, dass die Angabe einer Postfachadresse nicht ausreichend ist. Dies entspricht einem Anliegen der Länder, die dadurch in die Lage versetzt werden, im Vollzug wirksamer gegen unseriöse Veranstalter vorzugehen. Nummer 6 enthält die bisher in § 56a Absatz 1 Satz 4 2. Halbsatz GewO enthaltene Pflicht des Veranstalters, den Namen seines schriftlich bevollmächtigten Vertreters zu benennen, wenn er das Wanderlager an Ort und Stelle nicht selbst leitet. Die bisherige Vorgabe, dass die Anzeige in zwei Stücken einzu-reichen ist, wird aufgehoben, da sie bei elektronischer Anzeigeerstattung entbehrlich ist. Im Übrigen entspricht dieser Absatz dem geltenden § 56a GewO.

Zu § 56a Absatz 4 GewO-E

Absatz 4 legt den Inhalt der öffentlichen Ankündigung fest. Gerade bei den so genannten Kaffeefahrten verwenden die Veranstalter ganz überwiegend öffentliche Ankündigungen (Postwurfsendungen), um Verbraucherinnen und Verbraucher auf die geplante Veranstal-tung aufmerksam zu machen. Der Inhalt der öffentlichen Ankündigung ist daher von we-sentlicher Bedeutung für den Informationsstand der Verbraucherinnen und Verbraucher über die geplante Veranstaltung. Unseriöse Veranstalter von Kaffeefahrten informieren die Verbraucherinnen und Verbraucher in ihren öffentlichen Ankündigungen oft nur unzu-reichend über den Veranstalter, seine Kontaktdaten sowie Art und Ort der geplanten Ver-anstaltung. Verbraucherinnen und Verbraucher werden so über den Charakter der Veran-staltung irregeführt und die spätere Kontaktaufnahme zum Veranstalter, zum Beispiel zur Geltendmachung von Widerrufs- und Gewährleistungsrechten, erschwert. Daher werden die Veranstalter von Wanderlagern in Absatz 4 dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass be-stimmte Mindestinformationen in der öffentlichen Ankündigung des Warenlagers enthalten sein müssen.

Nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 muss die öffentliche Ankündigung Angaben enthalten, die eine schnelle Kontaktaufnahme mit dem Veranstalter ermöglichen. Die Vorgaben entspre-chen den Anforderungen des § 5 des Telemediengesetzes. Insbesondere die Verpflichtung in Nummer 3, wonach der Veranstalter unter anderem seine Telefonnummer anzugeben hat, kann einen Beitrag dazu leisten, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, ihre Rechte wirksam durchzusetzen.

Nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 4 muss in der öffentlichen Ankündigung zudem künftig dar-über informiert werden, unter welchen Bedingungen Verbraucherinnen und Verbrauchern bei Verträgen, die im Rahmen des Wanderlagers geschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht. Denn in der Praxis treten Missstände insbesondere bei so genannten Kaffeefahrten auf, bei denen den Verbraucherinnen und Verbrauchern immer wieder überteuerte Waren, zum Beispiel Medizinprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel, angeboten werden. Zwar

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steht Verbraucherinnen und Verbrauchern in der Regel ein Widerrufsrecht nach § 312g Ab-satz 1 BGB zu, über das sie vor Vertragsschluss zu informieren sind, § 312d Absatz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246a § 1 Absatz 2, § 4 Absatz 1 EGBGB. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass diese Information vor Vertragsschluss während der Veranstaltung nicht erfolgt oder die Verbraucherinnen und Verbraucher die Information nicht wahrnehmen. Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wird der Veranstalter deshalb verpflichtet, bereits in der öffentlichen Ankündigung darauf hinzuweisen, unter welchen Bedingungen gesetzliche Widerrufsrechte bei den anlässlich des Wanderlagers geschlossenen Verträ-gen bestehen. Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Kaffeefahrt die Ankündi-gung (Postwurfsendung) in der Regel während der Veranstaltung mit sich führen, werden sie somit nicht nur vor, sondern auch während der Veranstaltung durch die Ankündigung auf ihre Rechte aufmerksam gemacht. Die vorgeschriebene Form dieses Hinweises ent-spricht den allgemeinen Anforderungen des Verbraucherschutzrechts (zum Beispiel § 1 Ab-satz 7 Preisangabenverordnung) an Erkennbarkeit, Lesbarkeit und Wahrnehmbarkeit. Die den Verbraucherinnen und Verbrauchern nach dem BGB zustehenden Rechte und die ent-sprechenden Pflichten des Veranstalters (Verkäufers) bleiben daneben weiter bestehen.

Im Übrigen werden die Vorgaben des geltenden § 56a GewO übernommen.

Zu § 56a Absatz 5 GewO-E

Die Regelung entspricht dem geltenden § 56a Absatz 1 Satz 4 1. Halbsatz GewO. Die Mit-teilungspflicht aus dem bisherigen § 56a Absatz 1 Satz 4 2. Halbsatz GewO ist nun in Ab-satz 3 Nummer 6 enthalten.

Zu § 56a Absatz 6 GewO-E

Im Rahmen von Wanderlagern werden den teilnehmenden Personen in der Praxis häufig Medizinprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel zu überhöhten Preisen angeboten, wobei oftmals zusätzlich mit nicht zutreffenden bzw. nicht belegten Wirkungen und damit in der Regel unzulässigen gesundheitsbezogenen bzw. irreführenden Angaben geworben wird. Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes ist daher ein generelles Verbot des Vertriebs von Medizinprodukten oder Nahrungsergänzungsmitteln anlässlich der Veranstal-tung von Wanderlagern erforderlich. Das Vertriebsverbot erfasst Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes (MPG). Dies sind Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen, der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologi-schen Vorgangs oder der Empfängnisregelung zu dienen bestimmt sind und deren Wirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wir-kende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch sol-che Mittel unterstützt werden kann. Dazu gehören auch den Medizinprodukten gleichge-stellte Produkte nach § 3 Nummer 2 und 3 MPG.

Ein Nahrungsergänzungsmittel ist nach § 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) ein Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung darstellt und in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern in den Verkehr gebracht wird.

Zwar ist es nach § 4 MPG bereits verboten, Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen, die Sicherheit und Gesundheit der Patienten gefährden oder die mit irreführender Bezeichnung,

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Angabe oder Aufmachung versehen sind. Für Medizinprodukte darf außerhalb von Fach-kreisen nicht mit Werbeaussagen geworben werden, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte (§ 11 Absatz 1 Satz 2 des Heilmittelwerbegesetzes). Auch ent-halten verschiedene allgemeine lebensmittelrechtliche Vorschriften wie die Verordnung (EG) Nr. 178/2002, die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 sowie das Lebensmittel-, Bedarfs-gegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) Vorgaben zum Täuschungsschutz.

Diese Regelungen sind jedoch nicht ausreichend, um Verbraucherinnen und Verbraucher, die an Wanderlagern teilnehmen, hinreichend zu schützen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf solche Produkte häufig ein individueller Beratungsbedarf besteht, wel-cher in der besonderen Verkaufssituation eines Wanderlagers nicht geleistet werden kann. Die Wirkweise von Medizinprodukten oder die inhaltliche Zusammensetzung von Nah-rungsergänzungsmitteln können für Verbraucherinnen und Verbraucher schwer zu durch-schauen sein; nachteilige Folgen der Anwendung können auch erst im Verlauf einer länge-ren Anwendung auftreten. Vor diesem Hintergrund ist ein solches Verbot auch im Hinblick auf die bestehenden Widerrufsmöglichkeiten zum Schutz von Verbraucherinnen und Ver-brauchern erforderlich. Die entsprechende Veranstaltungen richten sich zudem üblicher-weise an ältere Personen, die im Vergleich zur übrigen Bevölkerung häufiger und schwer-wiegender von gesundheitlichen Problemen betroffen sind oder in höherem Maße dem Ri-siko solcher Erkrankungen ausgesetzt sind. Bei diesen Teilnehmerinnen und Teilnehmern handelt es sich um eine besonders vulnerable Verbrauchergruppe. Besonders die Aussicht auf Linderung von Leiden erhöht für solche Gruppen den psychologischen Anreiz, welcher von solchen Produkten ausgeht und erleichtert die Manipulation der Kaufentscheidungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der besonderen Verkaufssituation eines Wan-derlagers. Denn in einem Wanderlager können sich Verbraucherinnen und Verbraucher der Einflussnahme des Veranstalters nicht einfach entziehen, indem sie den Veranstaltungsort ohne die Organisation des Veranstalters leicht jederzeit verlassen können.

Die eingeschränkte Beratung bei Wanderlagern kann gerade beim Verkauf von Medizin-produkten und Nahrungsergänzungsmitteln die besonders hohe Gefahr eines Gesundheits-schadens für Verbraucherinnen und Verbraucher begründen, zum Beispiel wenn diese sich im Vertrauen auf die versprochenen Wirkungen solcher Produkte, auch wenn diese den Fakten entsprechen, auf das Produkt allein verlassen und sich nicht in ärztliche Behandlung begeben. Es bestehen auch Gesundheitsrisiken, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher die Produkte wegen unzureichender, falscher oder nicht stattgefundener Beratung im Rah-men des Wanderlagers falsch verwenden. In Bezug auf diese Produkte ist es deshalb be-sonders wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bei Bedarf fachkundig und ohne Druck individuell beraten werden, was bei einem Verkauf anlässlich eines Wanderlagers nicht erfolgen kann. Entsprechend dürfen bereits nach jetziger Rechtslage Arzneimittel bei Wanderlagern nicht vertrieben werden. Im Übrigen sind gesundheitsbezogene Angaben nur nach erfolgreichem Durchlaufen eines Zulassungsverfahrens auf EU-Ebene zulässig.

Das Verbot des Vertriebs von Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln gilt nur für die Veranstaltung von Wanderlagern, nicht für andere Vertriebsformen im Reisege-werbe. Denn bei anderen Vertriebsformen im Reisegewerbe (Direktvertrieb) bestehen die dargestellten Gefährdungen für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht oder nicht in dem Maße wie bei Wanderlagern; entsprechende Erkenntnisse aus der Praxis sind nicht be-kannt.

Für die Veranstaltung von Wanderlagern gelten zusätzlich die Vertriebsverbote im Reise-gewerbe nach § 56 GewO, dies wird durch Absatz 6 Satz 2 klargestellt.

Zu § 56a Absatz 7 GewO-E

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Die Untersagung eines Wanderlagers ist künftig auch möglich, wenn in der öffentlichen Ankündigung nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form auf die Rechte der Verbrau-cherinnen und Verbraucher und die Informationspflicht des Veranstalters hingewiesen wurde. Diese Befugnis leistet einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der Einhaltung verbraucherschützender Regelungen bei Wanderlagern. Im Übrigen entspricht die Rege-lung dem geltenden § 56a Absatz 2 GewO.

Zu Nummer 3 (§ 145 GewO-E)

Zu Buchstabe a

Mit Buchstabe aa) erfolgt eine Anpassung an den neu gefassten § 56a Absatz 1 und 2 GewO-E. Entsprechend dem bisherigen § 145 Absatz 3 Nummer 6 GewO stellt nunmehr nach dem neuen Absatz 3 Nummer 1 die unterlassene oder nicht korrekte Anzeige des Wanderlagers eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies gilt auch für den Fall, dass das Wander-lager im Ausland stattfindet.

Mit den Buchstaben bb) bis dd) werden zunächst redaktionelle Anpassungen vorgenom-men. So werden die Bußgeldtatbestände in aufsteigender Reihenfolge nach ihren jeweili-gen verwaltungsrechtlichen Anknüpfungsvorschriften geordnet.

Nach dem neuen § 145 Absatz 3 Nummer 3 GewO-E liegt auch eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn der Veranstalter nicht sicherstellt, dass die öffentliche Ankündigung des Wander-lagers den Vorschriften des § 56a Absatz 4 Satz 1 GewO-E entspricht. Dies galt auch bis-her schon, wenn der Veranstalter es unterlassen hat, in der öffentlichen Ankündigung auf die Art der angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den Ort der Veranstaltung hin-zuweisen (bisheriger Absatz 3 Nummer 6). Nunmehr stellt auch die unterlassene Informa-tion über die Kontaktdaten des Veranstalters, der unterlassene oder nicht korrekte Hinweis auf das Widerrufsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Pflicht des Veran-stalters zur Information über dieses eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies entspricht der hohen Bedeutung der öffentlichen Ankündigung für die Information der Verbraucherinnen und Ver-braucher. Gerade die Sicherstellung der hinreichenden Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Veranstalters und ihre ihm gegen-über bestehenden Rechte ist dabei besonders wesentlich, damit Verbraucherinnen und Verbraucher in der Lage sind, ihre Rechte gegenüber dem Veranstalter zivilrechtlich durch-setzen zu können. Dies trägt maßgeblich zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes bei. Zwar besteht bei Verstoß gegen diese Vorschriften auch nach dem neuen § 56a Ab-satz 7 GewO eine Untersagungsbefugnis der zuständigen Behörde. Die Untersagung der gesamten Veranstaltung mag aber nicht in jedem Fall verhältnismäßig sein. Zudem ermög-lichen Geldbußen den Behörden eine Sanktionierung auch dann, wenn sie erst nach der Veranstaltung einen Verstoß gegen diese Pflichten feststellen.

Auch der Verstoß gegen das Verbot des Vertriebs von Medizinprodukten oder Nahrungs-ergänzungsmitteln anlässlich von Wanderlagern stellt nun eine Ordnungswidrigkeit dar (neue Nummer 6).

Zu Buchstabe b

Der Bußgeldrahmen in § 145 Absatz 4 GewO wird deutlich von bisher eintausend auf zehn-tausend Euro erhöht. Dies ermöglicht der zuständigen Behörde, im Einzelfall ein deutlich spürbareres Bußgeld gegen einen unseriösen Veranstalter festzusetzen. Allein die Erhö-hung des Bußgeldrahmens wird Veranstalter dazu anhalten, die verbraucherschützenden Vorgaben des § 56a GewO einzuhalten. Da unseriöse Veranstalter von Wanderlagern oft-mals erheblich überhöhte Preise verlangen, die entsprechend hohe Gewinne zur Folge ha-ben, ist die deutliche Anhebung des Bußgeldrahmens auf zehntausend Euro angezeigt. Zudem besteht der geltende Bußgeldrahmen unverändert seit vielen Jahren, so dass eine Anpassung ohnehin erforderlich ist. Die Anhebung des Bußgeldrahmens entspricht im Üb-rigen einem Anliegen der Länder.

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Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Dieses Gesetz tritt am 28. Mai 2022 in Kraft. Dies setzt die Anforderungen des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um.

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Gesetzentwurf

der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wett-bewerbs- und Gewerberecht

A. Problem und Ziel

Im Rahmen einer umfassenden Eignungsprüfung des Verbraucher- und des Marketing-rechts in der Europäischen Union durch die Europäische Kommission wurde festgestellt, dass mehrere Rechtsakte der Europäischen Union, die Verbraucherinnen und Verbraucher schützen, der Modernisierung bedürfen und zudem die Möglichkeiten zur Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts verbessert werden müssen. Zu diesem Zweck wurde die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7) erlassen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union in ihrem Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 1, bis zum 28. November 2021 die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen und zu veröffentlichen, um den Vorgaben der Richt-linie (EU) 2019/2161 nachzukommen.

Die Richtlinie (EU) 2019/2161 sieht unter anderem Änderungen der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Ge-schäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Än-derung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Ge-schäftspraktiken) (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22; L 253 vom 25.9.2009, S. 18), die durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7) geändert worden ist, vor. Ziel dieser Änderungen ist insbesondere eine effektivere Sanktionierung grenzüberschrei-tender Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften, der Zugang von Verbrauche-rinnen und Verbrauchern zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen sowie die Ver-besserung der Transparenz im Online-Handel. Zudem ermöglicht die Richtlinie (EU) 2019/2161 den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über eine Öffnungsklausel in der vollharmonisierenden Richtlinie 2005/29/EG Regelungen zur Bekämpfung missbräuchli-cher Praktiken im Zusammenhang mit Verkaufsfahrten vorzusehen.

Unabhängig von diesen europäischen Entwicklungen haben eine Reihe divergierender Ent-scheidungen deutscher Gerichte aus der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass im Hinblick auf das Influencer-Marketing gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf dazu besteht, in wel-chen Fällen Inhalte im Internet einem kennzeichnungspflichtigen kommerziellen Zweck die-nen.

B. Lösung

Die Umsetzung der die Richtlinie 2005/29/EG betreffenden Teile der Richtlinie (EU) 2019/2161 erfolgt durch entsprechende Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wett-bewerb (UWG). Die neue Öffnungsklausel wird für Verschärfungen der für Kaffeefahrten geltenden Regelungen über Wanderlager in der Gewerbeordnung (GewO) genutzt.

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Der Entwurf verbessert die Transparenz von Rankings und Verbraucherbewertungen. Ver-braucherinnen und Verbraucher erhalten zudem einen Anspruch auf Schadensersatz bei schuldhaften Verstößen von Unternehmern gegen Vorschriften des UWG. Bei bestimmten grenzüberschreitenden Verstößen gegen Vorschriften, die die Richtlinie 2005/29/EG um-setzen, erhalten die zuständigen Behörden die Möglichkeit, bei gemeinsamen Durchset-zungsmaßnahmen ein umsatzabhängiges Bußgeld zu verhängen. Darüber hinaus sieht der Entwurf Klarstellungen zum Anwendungsbereich des UWG vor, insbesondere zur Abgren-zung von privater Meinungsäußerung und kommerzieller Kommunikation im Internet.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine. Der in der Gesetzesbegründung unter A VI. Ziffer 4 Buchstabe c aufgeführte Erfül-lungsaufwand führt zu keinem finanziellen oder stellenmäßigen Mehrbedarf der Verwal-tung.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht voraussichtlich ein einmaliger Erfüllungsaufwand von rund 905 000 Euro.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Der zu erwartende einmalige Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 905 000 Euro geht ins-gesamt auf die Einführung von sechs Informationspflichten zurück.

Durch die Beschränkung der Anzeigepflicht für Wanderlager auf die Veranstalter von Kaf-feefahrten wird die Wirtschaft voraussichtlich um jährlich 1 100 000 Euro entlastet. Diese Entlastung von laufendem Erfüllungsaufwand unterfällt der „One in, one out“-Regel.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Durch das Gesetz entsteht dem Bund ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 58 400 Euro und den Ländern in Höhe von rund 17 400 Euro.

F. Weitere Kosten

Kosten für die Wirtschaft und für die sozialen Sicherungssysteme werden nicht erwartet. Auch sind keine Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucher-preisniveau, ersichtlich.

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Gesetzentwurf der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht1)2)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. No-vember 2020 (BGBl. I S. 2568) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die §§ 1 und 2 werden wie folgt gefasst:

㤠1

Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zu-gleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vor-liegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. „geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonsti-gen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Ge-schäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder

1) Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richt-linien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besse-ren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7).

2) Notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241vom 17.9.2015, S.1).

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Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden;

2. „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen o-der eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleis-tungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienst-leistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen;

3. „Marktteilnehmer“ neben Mitbewerber und Verbraucher auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist;

4. „Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;

5. „Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausge-tauscht oder weitergeleitet wird; nicht umfasst sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlich-keit weitergeleitet werden, soweit diese Informationen nicht mit dem identifizierba-ren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden kön-nen;

6. „Online-Marktplatz“ ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwen-dung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwen-dung, Fernabsatzverträge (§ 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen;

7. „Ranking“ die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Wa-ren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln;

8. „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlun-gen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vor-nimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt;

9. „unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berück-sichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält;

10. „Verhaltenskodex“ jede Vereinbarung oder Vorschrift über das Verhalten von Un-ternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtun-gen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben;

11. „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andern-falls nicht getroffen hätte.

(2) Für den Verbraucherbegriff ist § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anwend-bar.“

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2. § 5 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 2 wird Absatz 2.

b) Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3 und wird wie folgt gefasst:

„(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn

1. sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder

2. mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zu-sammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterschei-den, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.“

c) Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die Absätze 4 und 5.

3. § 5a wird durch die folgenden §§ 5a bis 5c ersetzt:

㤠5a

Irreführung durch Unterlassen

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilneh-mer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Um-ständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Markt-teilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andern-falls nicht getroffen hätte.

(2) Als Vorenthalten gilt auch

1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen,

2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie

3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.

(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:

1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie

2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunika-tionsmittel zur Verfügung zu stellen.

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(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umstän-den ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonsti-gen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er an-dernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zu-gunsten eines fremden Unternehmers nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhal-ten hat.

§ 5b

Wesentliche Informationen

(1) Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so an-geboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, so gelten die folgenden Informationen als wesentlich im Sinne des § 5a Absatz 1, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben:

1. alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem der Ware oder Dienstleistung und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Um-fang,

2. die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und An-schrift desjenigen Unternehmers, für den er handelt,

3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaf-fenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können,

4. Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, soweit diese von den Erfordernis-sen unternehmerischer Sorgfalt abweichen,

5. das Bestehen des Rechts auf Rücktritt oder Widerruf und

6. bei Waren oder Dienstleistungen, die über einen Online-Marktplatz angeboten werden, die Information, ob es sich bei dem Anbieter der Waren oder Dienstleis-tungen nach dessen eigener Erklärung gegenüber dem Betreiber des Online-Marktplatzes um einen Unternehmer handelt.

(2) Bietet ein Unternehmer Verbrauchern die Möglichkeit, nach Waren oder Dienstleistungen zu suchen, die von verschiedenen Unternehmern oder von Verbrau-chern angeboten werden, so gelten unabhängig davon, wo das Rechtsgeschäft abge-schlossen werden kann, folgende allgemeine Informationen als wesentlich:

1. die Hauptparameter zur Festlegung des Rankings der dem Verbraucher als Ergeb-nis seiner Suchanfrage präsentierten Waren oder Dienstleistungen sowie

2. die relative Gewichtung der Hauptparameter zur Festlegung des Rankings im Ver-gleich zu anderen Parametern.

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Die Informationen nach Satz 1 müssen von der Anzeige der Suchergebnisse aus un-mittelbar und leicht zugänglich sein. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Betreiber von Online-Suchmaschinen im Sinne des Artikels 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur För-derung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungs-diensten (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 57).

(3) Macht ein Unternehmer Bewertungen zugänglich, die Verbraucher im Hinblick auf Waren oder Dienstleistungen vorgenommen haben, so gelten als wesentlich Infor-mationen darüber, ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistun-gen tatsächlich genutzt oder erworben haben.

(4) Als wesentlich im Sinne des § 5a Absatz 1 gelten auch solche Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvor-schriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

§ 5c

Verbotene Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen

(1) Die Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen ist verboten, wenn es sich um einen weitverbreiteten Verstoß gemäß Ar-tikel 3 Nummer 3 der Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 345 vom 27.12.2017, S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2019/771 (ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 28; L 305 vom 26.11.2019, S. 66) geändert worden ist, oder einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension gemäß Artikel 3 Nummer 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 han-delt.

(2) Eine Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne des Absatzes 1 liegt vor, wenn

1. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 3 in Verbindung mit dem Anhang vorgenommen wird,

2. eine aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a Absatz 1 Satz 1 vorgenommen wird,

3. eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Absatz 1 oder § 5a Absatz 1 vorgenommen wird oder

4. eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1 fortgesetzt vorgenom-men wird, die durch eine vollziehbare Anordnung der zuständigen Behörde im Sinne des Artikels 3 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2017/2394 oder durch eine vollstreckbare Entscheidung eines Gerichts untersagt worden ist, sofern die Hand-lung nicht bereits von den Nummern 1 bis 3 erfasst ist.

(3) Eine Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne des Absatzes 1 liegt auch vor, wenn

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1. eine geschäftliche Handlung die tatsächlichen Voraussetzungen eines der in Ab-satz 2 geregelten Fälle erfüllt und

2. auf die geschäftliche Handlung das nationale Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union anwendbar ist, welches eine Vorschrift enthält, die der jeweiligen in Absatz 2 genannten Vorschrift entspricht.“

4. § 7 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aa) Nummer 1 wird aufgehoben.

bb) Die Nummern 2 bis 4 werden die Nummern 1 bis 3.

b) In Absatz 3 in dem Satzteil vor Nummer 1 wird die Angabe „Nummer 3“ durch die Angabe „Nummer 2“ ersetzt.

5. § 9 wird wie folgt gefasst:

㤠9

Schadensersatz

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftli-che Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Hand-lung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung ver-anlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen zum Ersatz des daraus ent-stehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlun-gen nach den §§ 3a, 4 und 6.

(3) Gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften kann der Anspruch auf Schadensersatz nach den Absätzen 1 und 2 nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.“

6. Dem § 14 wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 richtet sich die Zuständigkeit für bürger-liche Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch nach § 9 Absatz 2 Satz 1 geltend gemacht wird, nach den allgemeinen Vorschriften.“

7. § 19 wird wie folgt gefasst:

㤠19

Bußgeldvorschriften bei einem weitverbreiteten Verstoß und einem weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5c Ab-satz 1 Verbraucherinteressen verletzt.

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(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. Gegenüber einem Unternehmer, der in den von dem Verstoß be-troffenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr mehr als eine Million zweihundertfünfzigtausend Euro Jahresumsatz erzielt hat, kann eine höhere Geldbuße verhängt werden; diese darf 4 Prozent des Jahresumsatzes nicht übersteigen. Die Höhe des Jahresumsatzes kann geschätzt werden. Liegen keine Anhaltspunkte für eine Schätzung des Jahres-umsatzes vor, so beträgt das Höchstmaß der Geldbuße zwei Millionen Euro. Abwei-chend von den Sätzen 2 bis 4 gilt gegenüber einem Täter oder einem Beteiligten, der im Sinne des § 9 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für einen Unternehmer han-delt, und gegenüber einem Beteiligten im Sinne des § 14 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, der kein Unternehmer ist, der Bußgeldrahmen des Satzes 1. Das für die Ordnungswidrigkeit angedrohte Höchstmaß der Geldbuße im Sinne des § 30 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist das nach den Sät-zen 1 bis 4 anwendbare Höchstmaß.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann nur im Rahmen einer koordinierten Durchset-zungsmaßnahme nach Artikel 21 der Verordnung (EU) 2017/2394 geahndet werden.

(4) Verwaltungsbehörden im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind

1. das Bundesamt für Justiz,

2. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bei einer Zuwiderhandlung, die sich auf die Tätigkeit eines Unternehmens im Sinne des § 2 Nummer 2 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes bezieht, und

3. die nach Landesrecht zuständige Behörde bei einer Zuwiderhandlung, die sich auf die Tätigkeit eines Unternehmens im Sinne des § 2 Nummer 4 des EU-Verbrau-cherschutzdurchführungsgesetzes bezieht.“

8. In § 20 Absatz 1 Nummer 1 werden die Wörter „Nummer 2 oder 3“ durch die Wörter „Nummer 1 oder 2“ ersetzt.

9. Der Anhang wird wie folgt gefasst:

„Anhang (zu § 3 Absatz 3)

Folgende geschäftliche Handlungen sind gegenüber Verbrauchern stets unzulässig:

Irreführende geschäftliche Handlungen

1. unwahre Angabe über die Unterzeichnung eines Verhaltenskodexes

die unwahre Angabe eines Unternehmers, zu den Unterzeichnern eines Verhal-tenskodexes zu gehören;

2. unerlaubte Verwendung von Gütezeichen und Ähnlichem

die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung;

3. unwahre Angabe über die Billigung eines Verhaltenskodexes

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die unwahre Angabe, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt;

4. unwahre Angabe über Anerkennungen durch Dritte

die unwahre Angabe,

a) ein Unternehmer, eine von ihm vorgenommene geschäftliche Handlung oder eine Ware oder Dienstleistung sei von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden, oder

b) den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung werde ent-sprochen;

5. Lockangebote ohne Hinweis auf Unangemessenheit der Bevorratungsmenge

Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5b Absatz 1 zu einem be-stimmten Preis, wenn der Unternehmer nicht darüber aufklärt, dass er hinrei-chende Gründe für die Annahme hat, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in an-gemessener Menge zum genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu las-sen; ist die Bevorratung kürzer als zwei Tage, obliegt es dem Unternehmer, die Angemessenheit nachzuweisen;

6. Lockangebote zum Absatz anderer Waren oder Dienstleistungen

Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5b Absatz 1 zu einem be-stimmten Preis, wenn der Unternehmer sodann in der Absicht, stattdessen eine andere Ware oder Dienstleistung abzusetzen,

a) eine fehlerhafte Ausführung der Ware oder Dienstleistung vorführt,

b) sich weigert zu zeigen, was er beworben hat, oder

c) sich weigert, Bestellungen dafür anzunehmen oder die beworbene Leistung innerhalb einer vertretbaren Zeit zu erbringen;

7. unwahre Angabe über zeitliche Begrenzung des Angebots

die unwahre Angabe, bestimmte Waren oder Dienstleistungen seien allgemein oder zu bestimmten Bedingungen nur für einen sehr begrenzten Zeitraum verfüg-bar, um den Verbraucher zu einer sofortigen geschäftlichen Entscheidung zu ver-anlassen, ohne dass dieser Zeit und Gelegenheit hat, sich auf Grund von Informa-tionen zu entscheiden;

8. Sprachenwechsel für Kundendienstleistungen bei einer in einer Fremdsprache ge-führten Vertragsverhandlung

Kundendienstleistungen in einer anderen Sprache als derjenigen, in der die Ver-handlungen vor dem Abschluss des Geschäfts geführt worden sind, wenn die ur-sprünglich verwendete Sprache nicht Amtssprache desjenigen Mitgliedstaats der Europäischen Union ist, in dem der Unternehmer niedergelassen ist; dies gilt nicht, soweit Verbraucher vor dem Abschluss des Geschäfts darüber aufgeklärt werden, dass diese Leistungen in einer anderen als der ursprünglich verwendeten Sprache erbracht werden;

9. unwahre Angabe über die Verkehrsfähigkeit

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die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, eine Ware oder Dienstleistung sei verkehrsfähig;

10. Darstellung gesetzlicher Verpflichtungen als Besonderheit eines Angebots

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar;

11. als Information getarnte Werbung

der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt;

11a. verdeckte Werbung in Suchergebnissen

die Anzeige von Suchergebnissen aufgrund der Online-Suchanfrage eines Ver-brauchers, ohne dass etwaige bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen, die dazu dienen, ein höheres Ranking der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen im Rahmen der Suchergebnisse zu erreichen, eindeutig offengelegt werden;

12. unwahre Angabe über Gefahren für die persönliche Sicherheit

unwahre Angaben über Art und Ausmaß einer Gefahr für die persönliche Sicher-heit des Verbrauchers oder seiner Familie für den Fall, dass er die angebotene Ware nicht erwirbt oder die angebotene Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt;

13. Täuschung über betriebliche Herkunft

Werbung für eine Ware oder Dienstleistung, die der Ware oder Dienstleistung ei-nes bestimmten Herstellers ähnlich ist, wenn in der Absicht geworben wird, über die betriebliche Herkunft der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu täuschen;

14. Schneeball- oder Pyramidensystem

die Einführung, der Betrieb oder die Förderung eines Systems zur Verkaufsförde-rung, bei dem vom Verbraucher ein finanzieller Beitrag für die Möglichkeit verlangt wird, eine Vergütung allein oder zumindest hauptsächlich durch die Einführung weiterer Teilnehmer in das System zu erlangen;

15. unwahre Angabe über Geschäftsaufgabe

die unwahre Angabe, der Unternehmer werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen;

16. Angaben über die Erhöhung der Gewinnchancen bei Glücksspielen

die Angabe, durch eine bestimmte Ware oder Dienstleistung ließen sich die Ge-winnchancen bei einem Glücksspiel erhöhen;

17. unwahre Angaben über die Heilung von Krankheiten

die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten, Funkti-onsstörungen oder Missbildungen heilen;

18. unwahre Angabe über Marktbedingungen oder Bezugsquellen

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eine unwahre Angabe über die Marktbedingungen oder Bezugsquellen, um den Verbraucher dazu zu bewegen, eine Ware oder Dienstleistung zu weniger günsti-gen Bedingungen als den allgemeinen Marktbedingungen abzunehmen oder in Anspruch zu nehmen;

19. Nichtgewährung ausgelobter Preise

das Angebot eines Wettbewerbs oder Preisausschreibens, wenn weder die in Aus-sicht gestellten Preise noch ein angemessenes Äquivalent vergeben werden;

20. unwahre Bewerbung als kostenlos

das Angebot einer Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen, wenn für die Ware oder Dienstleistung gleichwohl Kosten zu tra-gen sind; dies gilt nicht für Kosten, die im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Waren- oder Dienstleistungsangebot oder für die Abholung oder Lieferung der Ware oder die Inanspruchnahme der Dienstleistung unvermeidbar sind;

21. Irreführung über das Vorliegen einer Bestellung

die Übermittlung von Werbematerial unter Beifügung einer Zahlungsaufforderung, wenn damit der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt;

22. Irreführung über Unternehmereigenschaft

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Un-ternehmer sei Verbraucher oder nicht für Zwecke seines Geschäfts, Handels, Ge-werbes oder Berufs tätig;

23. Irreführung über Kundendienst in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, es sei im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als dem des Warenverkaufs oder der Dienstleistung ein Kundendienst verfügbar;

23a. Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen

der Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucher, wenn der Unternehmer diese Eintrittskarten unter Verwendung solcher automatisierter Verfahren erworben hat, die dazu dienen, Beschränkungen zu umgehen in Bezug auf die Zahl der von einer Person zu erwerbenden Eintrittskarten oder in Bezug auf andere für den Verkauf der Eintrittskarten geltende Regeln;

23b. Irreführung über die Echtheit von Verbraucherbewertungen

die Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich erworben oder genutzt haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Überprüfung ergriffen wurden, ob die Bewertungen tatsächlich von solchen Verbrauchern stammen;

23c. gefälschte Verbraucherbewertungen

die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern sowie die falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfeh-lungen von Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung;

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Aggressive geschäftliche Handlungen

24. räumliches Festhalten des Verbrauchers

das Erwecken des Eindrucks, der Verbraucher könne bestimmte Räumlichkeiten nicht ohne vorherigen Vertragsabschluss verlassen;

25. Nichtverlassen der Wohnung des Verbrauchers trotz Aufforderung

bei persönlichem Aufsuchen des Verbrauchers in dessen Wohnung die Nichtbe-achtung seiner Aufforderung, die Wohnung zu verlassen oder nicht zu ihr zurück-zukehren, es sein denn, das Aufsuchen ist zur rechtmäßigen Durchsetzung einer vertraglichen Verpflichtung gerechtfertigt;

26. unzulässiges hartnäckiges Ansprechen über Fernabsatzmittel

hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen des Verbrauchers mittels Telefon-anrufen, unter Verwendung eines Faxgerätes, elektronischer Post oder sonstiger für den Fernabsatz geeigneter Mittel der kommerziellen Kommunikation, es sei denn, dieses Verhalten ist zur rechtmäßigen Durchsetzung einer vertraglichen Ver-pflichtung gerechtfertigt;

27. Verhinderung der Durchsetzung vertraglicher Rechte im Versicherungsverhältnis

Maßnahmen, durch die der Verbraucher von der Durchsetzung seiner vertragli-chen Rechte aus einem Versicherungsverhältnis dadurch abgehalten werden soll, dass

a) von ihm bei der Geltendmachung eines Anspruchs die Vorlage von Unterlagen verlangt wird, die zum Nachweis dieses Anspruchs nicht erforderlich sind, o-der

b) Schreiben zur Geltendmachung eines Anspruchs systematisch nicht beant-wortet werden;

28. Kaufaufforderung an Kinder

die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen;

29. Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Waren oder Dienstleistungen

die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber gelieferter Waren oder er-brachter Dienstleistungen oder eine Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbe-wahrung nicht bestellter Waren;

30. Angaben über die Gefährdung des Arbeitsplatzes oder des Lebensunterhalts

die ausdrückliche Angabe, dass der Arbeitsplatz oder der Lebensunterhalt des Un-ternehmers gefährdet sei, wenn der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung nicht abnehme;

31. Irreführung über Preis oder Gewinn

die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Ver-braucher habe bereits einen Preis gewonnen oder werde ihn gewinnen oder werde

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durch eine bestimmte Handlung einen Preis gewinnen oder einen sonstigen Vorteil erlangen, wenn

a) es einen solchen Preis oder Vorteil tatsächlich nicht gibt oder

b) die Möglichkeit, einen solchen Preis oder Vorteil zu erlangen, von der Zahlung eines Geldbetrags oder der Übernahme von Kosten abhängig gemacht wird.“

Artikel 2

Änderung der Gewerbeordnung

Die Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 9b des Gesetzes vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3334) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 56a wie folgt gefasst:

„§ 56a Wanderlager“.

2. In § 4 Absatz 1 Satz 2 werden die Wörter „56a und 57 Absatz 3“ durch die Wörter „56a Absatz 2, 3, 5 und 7 Nummer 1 sowie § 57 Absatz 3“ ersetzt.

3. § 56a wird wie folgt gefasst:

㤠56a

Wanderlager

(1) Ein Wanderlager veranstaltet, wer außerhalb seiner Niederlassung und au-ßerhalb einer Messe, einer Ausstellung oder eines Marktes von einer festen Verkaufs-stätte aus

1. Waren feilhält oder Bestellungen auf Waren aufsucht oder

2. Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht.

(2) Der Veranstalter eines Wanderlagers hat dieses spätestens vier Wochen vor Beginn der für den Ort des Wanderlagers zuständigen Behörde nach Maßgabe des Absatzes 3 anzuzeigen, wenn

1. auf das Wanderlager durch öffentliche Ankündigung hingewiesen werden soll und

2. die An- und Abreise der Teilnehmer zum und vom Ort des Wanderlagers durch die geschäftsmäßig erbrachte Beförderung durch den Veranstalter oder von Personen im Zusammenwirken mit dem Veranstalter erfolgen soll.

Sofern das Wanderlager im Ausland veranstaltet werden soll, ist die Anzeige nach Satz 1 bei der für den Ort der Niederlassung des Veranstalters zuständigen Behörde abzugeben.

(3) Die Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 muss enthalten:

1. den Ort, das Datum und die Uhrzeit des Wanderlagers,

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2. den Namen des Veranstalters sowie desjenigen, für dessen Rechnung die Waren oder Leistungen vertrieben werden, einschließlich die Anschrift, unter der diese Personen niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechts-form und die Vertretungsberechtigten,

3. Angaben, die eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Veranstalter ermöglichen, einschließlich einer Telefonnummer und einer E-Mail-Adresse,

4. die Angabe des Handelsregisters, Vereinsregisters oder Genossenschaftsregis-ters, in das der Veranstalter eingetragen ist, und die entsprechende Registernum-mer,

5. den Wortlaut und die Form der beabsichtigten öffentlichen Ankündigung und

6. den Namen eines schriftlich bevollmächtigten Vertreters des in der Anzeige ge-nannten Veranstalters des Wanderlagers, der dieses an Ort und Stelle für den Ver-anstalter leitet.

(4) Der Veranstalter eines Wanderlagers hat sicherzustellen, dass in der öffentli-chen Ankündigung eines Wanderlagers folgende Informationen enthalten sind:

1. die Art der Ware oder Leistung, die im Rahmen des Wanderlagers vertrieben wird,

2. der Ort des Wanderlagers,

3. der Name des Veranstalters, die Anschrift, unter der er niedergelassen ist, sowie Angaben, die eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Veranstalter ermöglichen, einschließlich einer Telefonnummer und einer E-Mail-Adresse, und

4. in leicht erkennbarer und deutlich lesbarer oder sonst gut wahrnehmbarer Form Informationen darüber, unter welchen Bedingungen dem Verbraucher bei Verträ-gen, die im Rahmen des Wanderlagers abgeschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht.

In der öffentlichen Ankündigung eines Wanderlagers dürfen unentgeltliche Zuwendun-gen in Form von Waren oder Leistungen einschließlich Preisausschreiben, Verlosun-gen und Ausspielungen nicht angekündigt werden.

(5) Wenn das Wanderlager nach Absatz 2 Satz 1 anzuzeigen ist, so darf es vor-behaltlich des Satzes 2 an Ort und Stelle nur durch den in der Anzeige genannten Ver-anstalter geleitet werden. Der Veranstalter darf sich durch eine von ihm schriftlich be-vollmächtigte Person vertreten lassen.

(6) Es ist verboten, anlässlich eines nach Absatz 2 Satz 1 anzeigepflichtigen Wanderlagers folgende Waren zu vertreiben:

1. Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinpro-dukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung;

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2. Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von § 1 Absatz 1 der Nahrungsergänzungs-mittelverordnung.

Satz 1 gilt nicht, wenn sich das Wanderlager ausschließlich an Personen richtet, die das Wanderlager im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes aufsuchen. § 56 bleibt unbe-rührt.

(7) Die zuständige Behörde kann die Veranstaltung eines Wanderlagers untersa-gen, wenn

1. die Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 nicht rechtzeitig, nicht wahrheitsgemäß oder nicht vollständig erstattet wurde oder

2. die öffentliche Ankündigung nicht Absatz 4 entspricht.“

4. § 145 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 3 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 1 werden nach der Angabe „§ 55c“ die Wörter „oder § 56a Ab-satz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2,“ eingefügt.

bb) Nach Nummer 2 werden die folgenden Nummern 3 bis 7 eingefügt:

„3. entgegen § 56a Absatz 4 Satz 1 nicht sicherstellt, dass in der öffentlichen Ankündigung die dort genannten Informationen enthalten sind,

4. entgegen § 56a Absatz 4 Satz 2 eine Zuwendung ankündigt,

5. entgegen § 56a Absatz 5 Satz 1 ein Wanderlager leitet,

6. entgegen § 56a Absatz 6 Satz 1 ein Medizinprodukt oder ein Nahrungs-ergänzungsmittel vertreibt,

7. einer vollziehbaren Anordnung nach § 56a Absatz 7 zuwiderhandelt,“.

cc) Die bisherigen Nummern 3 und 4 werden die Nummern 8 und 9.

dd) Die bisherigen Nummern 6 bis 9 werden aufgehoben.

b) In Absatz 4 werden nach den Wörtern „fünfzigtausend Euro,“ die Wörter „in den Fällen des Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro,“ eingefügt, werden die Wörter „fünftausend Euro,“ durch die Wörter „fünftausend Euro und“ ersetzt und werden nach den Wörtern „zweitausendfünfhundert Euro“ das Komma und die Wörter „in den Fällen des Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro“ gestrichen.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 28. Mai 2022 in Kraft.

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Begründung

A. Allgemeiner Teil

Mit dem Entwurf wird der Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor unlauteren geschäftlichen Handlungen entsprechend unionsrechtlicher Vorgaben verbessert. Zudem wird der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor aggressiven oder irreführenden Praktiken bei Kaffeefahrten sowie die Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunikation von geschäftlichen Handlungen gestärkt.

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Der Entwurf setzt die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parla-ments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucher-schutzvorschriften der Union (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7) um, soweit sie die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlau-tere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Ge-schäftspraktiken) (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22, L 253 vom 25.9.2009, S. 18), die durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 (ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7) geändert worden ist, be-treffen. Die Umsetzung muss bis zum 28. November 2021 erfolgen (Artikel 7 Absatz 1 Un-terabsatz 1 Richtlinie (EU) 2019/2161).

Die bestehenden rechtlichen Regelungen reichen für eine Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2161 nicht aus, so dass eine Änderung des Gesetzes gegen den un-lauteren Wettbewerb (UWG) notwendig ist. Dies betrifft insbesondere die in der Richtlinie vorgesehenen Transparenzpflichten von Online-Marktplätzen sowie die Transparenzpflich-ten bei der Darstellung von Rankings und Verbraucherbewertungen. Zudem sieht die Richt-linie (EU) 2019/2161 vor, dass die Vermarktung einer Ware als identisch mit Waren in an-deren Mitgliedstaaten der Europäischen Union unzulässig ist, wenn sich die Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden. Darüber hinaus müssen nach der Richtlinie (EU) 2019/2161 Geldbußen als Sanktionen bei bestimm-ten grenzüberschreitenden Verstößen verhängt werden können. Außerdem müssen Rechtsschutzmöglichkeiten von Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Beseitigung der Folgen unlauterer Geschäftspraktiken vorgesehen werden. Über eine 1:1-Umsetzung hin-ausgehend sieht der Entwurf zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor ag-gressiven und irreführenden Vermarktungs- und Verkaufspraktiken bei Kaffeefahrten eine Verschärfung der Gewerbeordnung vor.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

1. Regelungen zu Online-Marktplätzen, Ranking und Verbraucherbewertungen

Werden Verbraucherinnen und Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen über Online-Marktplätze angeboten, so ist für diese nicht immer ersichtlich, ob es sich bei dem Anbieter um einen Unternehmer handelt. Daher werden Betreiber von Online-Marktplätzen verpflich-tet, darüber zu informieren, ob es sich nach der eigenen Erklärung des Anbieters um einen Unternehmer handelt (§ 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG in der Entwurfsfassung – UWG-E).

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Eine bessere Position im Ranking oder eine hervorgehobene Platzierung von Angeboten in den Ergebnissen einer Online-Suchanfrage hat erhebliche Auswirkungen auf die geschäft-lichen Entscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Entwurf sieht daher vor, dass Unternehmer, die Verbraucherinnen und Verbrauchern Online-Suchanfragen nach Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbieter ermöglichen, über die Hauptpa-rameter für die Festlegung des Rankings und die Gewichtung dieser Parameter im Ver-gleich zu anderen Parametern informieren müssen (§ 5b Absatz 2 Satz 1 UWG-E). Ran-kings in Suchergebnissen dürfen nicht durch versteckte Werbung oder versteckte Zahlun-gen beeinflusst werden (Nummer 11a des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG).

Verbraucherinnen und Verbraucher stützen sich bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend auf Bewertungen und Empfehlungen von anderen Verbraucherinnen und Verbrauchern. Um eine Irreführung über die Authentizität solcher Bewertungen zu vermeiden, sieht der Entwurf vor, dass Unternehmer, die Verbraucherbewertungen zugänglich machen, darüber informieren müssen, ob und wie sie sicherstellen, dass die Bewertungen tatsächlich von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen (§ 5b Absatz 3 UWG-E). Außerdem sieht der Entwurf auch hierzu besondere Unlauterkeitstatbestände vor (Nummer 23b und 23c des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG). So dürfen Unternehmer nicht behaupten, dass Be-wertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, wenn sie keine angemes-senen und verhältnismäßigen Schritte unternommen haben, um zu überprüfen, dass dies auch der Fall ist. Auch dürfen sie keine gefälschten Verbraucherbewertungen abgeben oder andere hierzu beauftragen.

2. Verbot der Vermarktung wesentlich unterschiedlicher Waren als identisch

Identisch gekennzeichnete und vermarktete Waren können in unterschiedlichen Mitglied-staaten der Europäischen Union eine unterschiedliche Beschaffenheit haben. Der neu ein-gefügte Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 2005/29/EG stellt daher klar, unter welchen Voraussetzungen eine solche Vermarktungspraxis eine unzulässige Irreführung von Verbraucherinnen und Verbrauchern darstellt. Der Entwurf setzt dies mit einem neuen Unlauterkeitstatbestand um, der vorsieht, dass die Vermarktung einer Ware als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Merk-male wesentlich unterscheiden (§ 5 Absatz 3 Nummer 2 UWG-E). Damit wird es Unterneh-mern auch in Zukunft möglich sein, Waren, die unter derselben Marke auf dem Markt be-reitgestellt werden, in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in ver-schiedener Beschaffenheit anzubieten. Solche Unterschiede müssen, wenn sie für die Kaufentscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern wesentlich sind, lediglich klar erkennbar sein. Eine unlautere Irreführung liegt nicht vor, wenn die Abweichungen durch objektive und legitime Faktoren gerechtfertigt sind.

3. Individuelle Rechtsbehelfe

Der neu in die Richtlinie 2005/29/EG eingefügte Artikel 11a sieht vor, dass Verbraucherin-nen und Verbrauchern, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen zu gewähren ist. Damit verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Verbraucherinnen und Verbrauchern individuelle Ansprüche und Rechte zur Verfügung zu stellen, durch die die Folgen unlaute-rer Geschäftspraktiken beseitigt werden können. Das bestehende bürgerliche Recht bietet hierzu bereits einen weitgehenden, aber nicht lückenlosen Schutz. Schutzlücken können etwa dann bestehen, wenn Verbraucherinnen oder Verbrauchern durch fahrlässige irrefüh-rende geschäftliche Handlungen ein Schaden entstanden ist, aber zu dem Werbendem kein Vertragsverhältnis oder vorvertragliches Schuldverhältnis bestanden hat. Ebenfalls kann es im geltenden deutschen Recht an Ansprüchen und Rechten von Verbraucherinnen und Verbrauchern fehlen, wenn diese durch psychisch vermittelten Zwang im Rahmen einer aggressiven geschäftlichen Handlung im Sinne von § 4a UWG zu einer wirtschaftlich nach-teiligen Handlung veranlasst worden sind, hierbei aber keine Drohung im Sinne von § 123

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Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgelegen hat. Um solche Lücken zu schlie-ßen, ergänzt der Entwurf das UWG um einen Schadensersatzanspruch von Verbrauche-rinnen und Verbrauchern (§ 9 Absatz 2 UWG-E), die durch eine vorsätzliche oder fahrläs-sige unlautere geschäftliche Handlung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sind, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, und hierdurch geschädigt worden sind. Dieser Anspruch tritt neben sonstige etwaig bestehende Rechte und Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern aus dem bürgerlichen Recht. Damit wird ein klarer und umfassender Rechtsrahmen zur Beseitigung der individuellen Folgen unlauterer geschäft-licher Handlungen geschaffen. Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor un-lauteren geschäftlichen Handlungen, wie er in der Schutzzwecktrias des § 1 UWG nieder-gelegt wird, wird auf diese Weise vervollständigt, indem das UWG in der Zukunft auch den Ausgleich der individuellen Nachteile von unlauteren geschäftlichen Handlungen bei der einzelnen Verbraucherin oder dem einzelnen Verbraucher sicherstellt. Dagegen soll diese Ergänzung des UWG um einen Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Ver-braucher in § 9 Absatz 2 UWG-E nichts daran ändern, dass die §§ 8 bis 10 UWG die lau-terkeitsrechtlichen Ansprüche aufgrund von Wettbewerbsverstößen abschließend regeln und die Vorschriften des UWG (mit Ausnahme der Strafnorm des § 16 UWG) daher grund-sätzlich keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB sind, wie es auch bisheri-gem Verständnis entspricht (vergleiche Bundestagsdrucksache 15/1487, S. 22).

4. Sanktionen

Durch die Änderungen soll eine einheitlichere und wirksamere Sanktionierung von Verstö-ßen gegen Verbraucherrechte innerhalb der Europäischen Union erreicht werden. Das deutsche Recht sieht bereits heute grundsätzlich geeignete Instrumente vor, Verstöße ge-gen die in Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG erlassenen Vorschriften angemessen zu sanktionieren. Dabei handelt es sich in erster Linie um eine zivilrechtliche Rechtsdurchset-zung. Kernbestandteil dieser zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung ist der in § 8 Absatz 1 UWG geregelte Unterlassungsanspruch gegen nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlungen, welchen die in § 8 Absatz 3 UWG genannten Stellen über Abmahnungen und Klagen geltend machen können. Zusätzlich wird durch den in § 9 Absatz 2 Satz 1 UWG-E neu geschaffenen individuellen Schadensersatzanspruch von Verbraucherinnen und Ver-brauchern ein weiterer ökonomischer Anreiz zur Einhaltung der bestehenden wettbewerbs-rechtlichen Regelungen gesetzt. Zur Sicherstellung einer reibungslosen Zusammenarbeit der europäischen Verbraucherschutzbehörden sieht der neu eingefügte Artikel 13 der Richtlinie 2005/29/EG ergänzend vor, dass bei Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen von koordinierten Aktionen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 12. Dezember 2017 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 345 vom 27.12.2017, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, zur Ahndung weitverbreiteter Verstöße oder weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimen-sion auch Geldbußen verhängt werden können. Dieser Richtlinienvorgabe zur einheitlichen Ahndung weitverbreiteter Verstöße oder weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimension gegen die Richtlinie 2005/29/EG wird mit der Möglichkeit der Verhängung eines Bußgeldes im Rahmen koordinierter Aktionen in dem neu eingefügten § 19 UWG-E nachgekommen.

5. Änderung der Gewerbeordnung zur Bekämpfung aggressiver und irreführender Verkaufspraktiken bei Kaffeefahrten

Die Regelungen zur Änderung der Gewerbeordnung nutzen die durch Artikel 3 Nummer 2 der Richtlinie (EU) 2019/2161 in Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie 2005/29/EG eingefügte Öffnungsklausel. Nach dieser können die Mitgliedstaaten Regelungen zum Schutz von Ver-braucherinnen und Verbrauchern vor aggressiven oder irreführenden Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit unerwünschten Hausbesuchen oder Verkaufsfahrten vorsehen. Die neu in die Gewerbeordnung eingeführten Regelungen betreffen die auf Kaffeefahrten an-wendbaren Vorschriften über Wanderlager (§ 56a GewO). Sie verschärfen und erweitern

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die bisher bestehenden Anzeigepflichten für Veranstalter von Kaffeefahrten, indem sie diese zum Beispiel verpflichten, der zuständigen Behörde zur Kontaktaufnahme auch eine Anschrift sowie Telefonnummer und E-Mail-Adresse mitzuteilen. Finden Wanderlager an-lässlich einer Kaffeefahrt im Ausland statt, muss die Veranstaltung künftig bei der Behörde angezeigt werden, die für den Ort der gewerblichen Niederlassung des Veranstalters zu-ständig ist. In der öffentlichen Ankündigung, also bei der Bewerbung solcher Veranstaltun-gen, müssen die Veranstalter Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft unter anderem auch ihre Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse mitteilen und sie darüber informie-ren unter welchen Bedingungen ihnen bei Verträgen, die im Rahmen des Wanderlagers geschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht. Zum vorsorgenden Schutz der Verbrau-cherinnen und Verbraucher wird der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Medi-zinprodukten bei Kaffeefahrten verboten. Verstöße gegen diese Vorschriften sind mit einer Geldbuße bewehrt. Gleichzeitig wird der Bußgeldrahmen von bisher eintausend auf zehn-tausend Euro erhöht.

6. Regelungen zur Klarstellung des Anwendungsbereichs des UWG und sonstige Än-derungen zur Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunikation von geschäftlichen Handlungen

Über die Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 hinausgehend enthält der Entwurf weitere Änderungen, welche den Anwendungsbereich des UWG klarstellen. Diese Änderungen haben insbesondere Bedeutung für neuere Formen der Kommunikation und des Marketings im Internet, wie das Influencer-Marketing. Für solche Formen des Mar-ketings können sich Kennzeichnungspflichten nicht nur aus dem UWG, sondern auch aus anderen Gesetzen ergeben. Hier stellt der Entwurf in § 1 Absatz 2 UWG-E klar, dass Vor-schriften, die besondere Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen regeln, dem UWG bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, vorgehen. Zudem kann in sozialen Medien oder Blogs die Abgrenzung von kommerzieller Kommunikation und privater Meinungsäußerung mitunter schwierig sein. Daher wird die Definition der geschäft-lichen Handlung in § 2 Nummer 2 UWG-E dahingehend ergänzt, dass diese nicht mehr nur in einem objektiven, sondern auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Ab-satzförderung stehen muss. Außerdem wird in § 5 Absatz 4 Satz 2 UWG-E klargestellt, dass bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers kein kommerzieller Zweck anzunehmen ist, wenn der Handelnde hierfür kein Entgelt oder eine ähnliche Ge-genleistung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Diese Än-derungen sollen insbesondere einen sicheren Rechtsrahmen für Handlungen von In-fluencerinnen und Influencern bieten, wenn diese Waren und Dienstleistungen empfehlen, ohne selbst davon im Wege eines Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung zu profitie-ren.

Darüber hinaus werden einige Vorschriften im Sinne einer besseren Verständlichkeit rechtstechnisch überarbeitet.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die in Artikel 1 und 2 enthaltenen Regelun-gen ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 des Grundgesetzes (GG; Recht der Wirtschaft). Die dort enthaltenen Bestimmungen betreffen den wirtschaftlichen Wettbewerb und den Verbraucherschutz. Solche Bestimmungen fallen unter das Recht der Wirtschaft im Sinne des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 11 GG (BVerfGE 26, 246, 254). Hinsichtlich der

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Bußgeldvorschriften in Artikel 1 und 2 des Entwurfs ergibt sich die Gesetzgebungskompe-tenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Strafrecht).

Für die in Artikel 1 und 2 des Entwurfs geregelte Materie ist zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung im Sinne des Artikels 72 Absatz 2 GG erforderlich. Handlungsgebote und -verbote für ge-schäftliche Handlungen zur Wahrung eines lauteren Wettbewerbs und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes sowie Handlungsgebote und -verbote für bestimmte Gewerbe-treibende, die typischerweise bundesweit tätig sind, wie zum Beispiel Veranstalter von Wanderlagern, bedürfen einer bundesweit einheitlichen Regelung. Demgegenüber würde eine Gesetzesvielfalt auf Länderebene den Rechtsverkehr dazu zwingen, sich auf eine Viel-zahl unterschiedlicher Regelungen einzustellen. Eine solche Rechtszersplitterung würde zu erheblichen Störungen der Rechtssicherheit führen. Unterschiedliche Regelungen in diesen Bereichen könnten zugleich zu unzumutbaren Behinderungen für den länderübergreifen-den Rechtsverkehr führen und wären von Nachteil für die Funktionsfähigkeit des Wirt-schaftsraumes der Bundesrepublik. Die bundesgesetzliche Regelung dient insoweit der einheitlichen rechtlichen Regelung für die wirtschaftliche Betätigung im gesamten Bundes-gebiet und einem wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet ohne Schranken oder Hinder-nisse.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen vereinbar, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat. Er setzt die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2161 und der Richtlinie 2005/29 und damit Recht der Europäischen Union in nationales Recht um.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Nationale Verwaltungsverfahren werden durch die Regelungen in Artikel 1 des Entwurfs nicht berührt, da die Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb überwie-gend zivilrechtlich ausgestaltet ist. Der neu geschaffene Bußgeldtatbestand zur Ahndung weitverbreiteter Verstöße sowie weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimension wird eine effektivere grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Netzwerk europäischer Verbraucher-schutzbehörden ermöglichen.

Die in Artikel 2 enthaltenen Regelungen werden im Ergebnis zu einer Verwaltungsverein-fachung führen. Zwar werden durch die Regelungen die bestehenden Anzeige- und Infor-mationspflichten der Veranstalter von Kaffeefahrten erweitert. Gleichzeitig wird der Adres-satenkreis dieser Pflichten aber im Vergleich zur bisherigen Rechtslage erheblich verklei-nert. Die bisher bestehenden Anzeige- und Informationspflichten galten gleichermaßen für alle Veranstalter von Wanderlagern. Nunmehr wird der Anwendungsbereich der Vorschrif-ten zielgenau auf den besonders missbrauchsanfälligen Bereich der Kaffeefahrten verengt, indem die Pflichten nur noch solche Wanderlager betreffen, bei denen die An- und Abreise der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum und vom Ort des Wanderlagers durch die ge-schäftsmäßig erbrachte Beförderung durch den Veranstalter des Wanderlagers oder von Personen im Zusammenwirken mit dem Veranstalter erfolgen soll. Veranstalter von Wan-derlagern, zu denen die Besucherinnen und Besucher selbstständig anreisen, werden zu-künftig nicht mehr betroffen sein.

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2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, indem er eine Richtlinie der Europäischen Union umsetzt und somit das Nachhaltigkeitsziel 16 der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen mit seinem Unterziel der Rechtsstaatlich-keit in 16.3. fördert.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Gesetzesänderungen und ihr Vollzug führen weder bei Bund und Ländern noch bei den Gemeinden zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen. Der unter Ziffer 4 Buchstabe c auf-geführte Erfüllungsaufwand führt zu keinem finanziellen oder stellenmäßigen Mehrbedarf der Verwaltung.

4. Erfüllungsaufwand

a) Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

b) Wirtschaft

Das Regelungsvorhaben verursacht den nachfolgend dargelegten Umstellungsaufwand in Höhe von 905 000 Euro für die Wirtschaft. Das am 26. November 2019 vom Staatssekre-tärsausschuss Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau beschlossene Konzept zur Be-grenzung des Umstellungsaufwands wurde angewandt.

aa) Änderungen im Hinblick auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Arti-kel 1)

Die Wirtschaft wird durch neue Transparenzpflichten einmalig mit rund 699 000 Euro be-lastet. Der einmalige Erfüllungsaufwand entsteht aufgrund der Einführung oder Anpassung digitaler Prozessabläufe. Kein Mehraufwand entsteht der Wirtschaft dabei durch den in § 5 Absatz 3 Nummer 2 UWG-E enthaltenen Unlauterkeitstatbestand, wonach die Vermark-tung einer Ware als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Merkmale wesentlich unterscheiden. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Klarstellung der schon bisher geltenden Rechtslage, so dass keine zu-sätzlichen Pflichten für die Wirtschaft begründet werden.

Einmaliger Erfüllungsaufwand

Betreiber von Online-Marktplätzen müssen darüber informieren, ob die Anbieter von Waren und Dienstleistungen nach ihrer eigenen Erklärung Unternehmer sind (§ 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG-E).

Diese neu eingefügte Informationspflicht betrifft sowohl die Betreiber von Online-Marktplät-zen als auch Anbieter, die auf Online-Marktplätzen Waren und Dienstleistungen vertreiben. Die Nutzung eines Online-Marktplatzes als Vertriebsweg erfordert bereits heute eine Re-gistrierung und Anmeldung der Anbieter bei dem jeweiligen Online-Marktplatz. Es ist davon auszugehen, dass die zur Erfüllung der Informationspflicht nach § 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG-E notwendige Information darüber, ob es sich bei dem Anbieter der Waren und Dienstleistungen um einen Unternehmer handelt, bereits heute zwischen den Betreibern eines Online-Marktplatzes und den Anbietern ausgetauscht wird und dadurch kein zusätz-licher Aufwand für den Anbieter in Form der Weitergabe von Informationen an den Betreiber des Online-Marktplatzes entsteht. Unternehmern, die Online-Marktplätze anbieten, entsteht

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in der Umsetzung von § 5b Absatz 1 Nummer 6 ausschließlich Umstellungsaufwand. Denn es ist anzunehmen, dass die fallbezogen bereitzustellenden Informationen nach § 5b Ab-satz 1 Nummer 6 UWG-E bereits heute im laufenden Geschäftsprozess anfallen und auto-matisiert verarbeitet auch bei individuellen Suchanfragen bereitgestellt werden können.

Laut Bundesverband Onlinehandel (BVOH) gab es 2016 etwa 60 Online-Marktplätze in der Bundesrepublik Deutschland (https://bvoh.de/ranking-335-marktplaetze-in-ganz-europa-online-ist-vielfalt/). Einer Marktübersicht der Plattform „iBusiness“ ist für das Jahr 2018 eine Zahl von 73 Online-Marktplätze in der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen, was einen Zuwachs von 21,7 Prozent gegenüber 2016 darstellt (https://www.ibusiness.de/aktu-ell/db/785475SUR.632553SUR). Bei konstanter Wachstumsrate ist für das Jahr 2020 dem-nach von etwa 89 deutschen Online-Marktplätzen auszugehen. Eine weitere Studie der Unternehmensberatung ecom consulting und des Technologieunternehmens gominga e-Services GmbH aus dem Jahr 2020, die neben Online-Marktplätzen in der Bundesrepublik Deutschland auch solche in Österreich und der Schweiz in ihre Untersuchung einbezogen hat, weist auf eine höhere Fallzahl hin (https://gominga.com/wp-content/uplo-ads/2020/04/gominga-Marktplatzstudie2020.pdf). Aus diesem Grund wird nachfolgend von insgesamt 100 Online-Marktplätzen ausgegangen. Enthalten sind in dieser Zahl auch Ver-gleichsportale, auf denen direkt Vertragsabschlüsse mit Verbraucherinnen und Verbrau-chern erfolgen können.

Der durch die gesetzliche Änderung verursachte Mehraufwand für den einzelnen Betreiber eines Online-Marktplatzes entsteht in Form der Aufbereitung der vorhandenen Informatio-nen, ihrer Veröffentlichung über die Plattform und der hierzu erforderlichen technischen Im-plementierung. Für jeden der geschätzten 100 Online-Marktplätze entsteht so ein einmali-ger Aufwand in Höhe von 90 Minuten. Dabei wurde berücksichtigt, dass nur größere und professionell organisierte Unternehmer überhaupt einen Online-Marktplatz betreiben.

Es wird angenommen, dass für die Aufbereitung der Informationen sowie für deren Veröf-fentlichung und technische Implementierung eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter hohen Qualifikationsniveaus im Wirtschaftszweig „J – Information und Kommunikation“ mit einem Lohnsatz von 59,20 Euro zuständig ist.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Minuten)

gesamte Bearbei-tungszeit (Minuten)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Stunden)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

100 90 9 000 150 59,20 Euro 8 880 Euro

Unternehmer, bei denen Verbraucherinnen oder Verbraucher nach solchen Waren oder Dienstleistungen suchen können, die von verschiedenen Unternehmern oder Verbraucherinnen und Verbrauchern angeboten werden, müssen über die Hauptpa-rameter zur Festlegung des Rankings und über deren Gewichtung im Verhältnis zu anderen Parametern informieren (§ 5b Absatz 2 UWG-E).

Adressaten der Informationspflicht nach § 5b Absatz 2 UWG-E sind neben den 100 Online-Marktplätzen auch Betreiber sonstiger Online-Dienste, die es Verbraucherinnen oder Ver-brauchern ermöglichen, nach Waren oder Dienstleistungen von verschiedenen Unterneh-mern oder Verbraucherinnen und Verbrauchern zu suchen. Von der Informationspflicht er-fasst sind daher auch solche Vergleichs- und Vermittlungsdienste, die Verbraucherinnen und Verbrauchern zwar die Suche nach Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbie-ter ermöglichen, ihnen auf ihrem Dienst jedoch nicht auch den Abschluss von Verträgen mit den betreffenden Anbietern ermöglichen. Zu diesen Diensteanbietern zählen daher auch sogenannte Metasearcher, also Diensteanbieter, die auf die Suchanfrage ihrer Nutzerinnen und Nutzer Angebote aus anderen Vergleichsplattformen vergleichen und ihre Nutzerinnen

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und Nutzer sodann über Links auf die verglichenen Plattformen vermitteln. Nach Schätzung des Bundeskartellamts auf Grundlage seiner im April 2019 abgeschlossenen Sektorunter-suchung zu Vergleichsportalen beträgt die Zahl solcher Dienste in der Bundesrepublik Deutschland etwa 20 bis 30 (https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publika-tion/DE/Sektoruntersuchungen/Sektoruntersuchung_Vergleichsportale_Be-richt.pdf?__blob=publicationFile&v=7). Aus diesem Grund wird von 130 von der Informati-onspflicht betroffenen Diensten ausgegangen.

Es ist davon auszugehen, dass auch die zur Erfüllung der Informationspflicht nach § 5b Absatz 2 UWG-E notwendigen Informationen über die wesentlichen Parameter zur Festle-gung des Rankings und ihrer relativen Gewichtung bereits bei den Betreibern vorhanden sind, so dass auch hier den betroffenen Unternehmen ausschließlich Umstellungsaufwand entsteht. Der durch die gesetzliche Änderung verursachte Mehraufwand für die Betreiber der betreffenden Dienste wird auch in diesem Zusammenhang in der Erstellung eines Kon-zepts zur Aufbereitung und Veröffentlichung der betreffenden Informationen und seiner an-schließenden technischen Implementierung bestehen. Für die hierfür erforderliche Einar-beitung in die Informationspflicht, für die Überprüfung und Analyse der firmeninternen IT-Infrastruktur sowie für die Aufbereitung und Darstellung der Informationen auf der Plattform ist von einem einmaligen Aufwand von 600 Minuten auszugehen.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Minuten)

gesamte Bearbei-tungszeit (Minuten)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Stunden)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

130 600 78 000 1300 59,20 Euro 76 960 Euro

Unternehmer, die Bewertungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern veröffentli-chen, müssen darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die veröffent-lichten Bewertungen von solchen Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben (§ 5b Ab-satz 3 UWG-E).

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) geht nach zuletzt im Jahr 2017 erhobenen Zahlen von rund 26 000 Unternehmen aus, welche als hauptsächlichen oder teilweisen Geschäftszweck den Online- oder Versandhandel nennen. Angesichts der Größenordnung der Zahl ist davon auszugehen, dass von dieser auch Un-ternehmen erfasst sind, deren Angebote sich ausschließlich an andere Unternehmer rich-ten. Auch werden Unternehmen enthalten sein, die ihre Waren und Dienstleistungen über Plattformen Dritter anbieten oder aber keine Bewertungen ihrer Angebote ermöglichen. Da-raus folgt, dass die Zahl der tatsächlich von der Informationspflicht betroffenen Unterneh-men deutlich geringer sein muss. Laut der oben genannten Studie von ecom consulting und gominga eServices GmbH richten sich rund 20 Prozent der Online-Marktplätze nur an Un-ternehmenskunden, von den verbleibenden Online-Marktplätzen, welche sich zumindest auch an Verbraucherinnen und Verbraucher richten, bieten rund 45 Prozent Bewertungs-systeme an (https://gominga.com/wp-content/uploads/2020/04/gominga-Marktplatzstu-die2020.pdf). Überträgt man diese Zahlen auf die oben genannte Gesamtzahl von 26 000, ergibt sich eine Zahl von rund 9 360 Unternehmen, die der Informationspflicht nachkommen müssen.

Diesen Unternehmen entsteht ein einmaliger Aufwand für die Bereitstellung der Information, ob und wenn ja, inwiefern sie sicherstellen, dass die veröffentlichten Bewertungen von sol-chen Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben. Da der Entwurf die Unternehmen nicht verpflich-tet, entsprechende Maßnahmen zur Überprüfung zu treffen, ist zu berücksichtigen, dass für

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solche Unternehmen, die gar keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen, die Informati-onspflicht lediglich darin besteht, über diesen Umstand zu informieren. Das heißt, für diese Unternehmen entsteht nur ein sehr geringer Zeitaufwand. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist daher im Durchschnitt pro Unternehmen von einem Zeitaufwand von 60 Mi-nuten für die Formulierung der Erklärung und die technische Implementierung zur Veröf-fentlichung auf der Plattform auszugehen.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Minuten)

gesamte Bearbei-tungszeit (Minuten)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Stunden)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

9 360 60 561 600 9 360 59,20 Euro 554 112 Euro

Unternehmer müssen offenlegen, wenn ein Ranking bei Suchergebnissen bezahlte Werbung enthält oder Zahlungen das Ranking beeinflussen (Nummer 11a des An-hangs).

Von der Informationspflicht nach Nummer 11a des Anhangs sind dieselben Unternehmen betroffen, welche auch in den Anwendungsbereich der Informationspflicht nach § 5a Ab-satz 2 UWG-E fallen. Daher ist auch hier eine Anzahl von 130 Unternehmen zugrunde zu legen. Es kann davon ausgegangen werden, dass 80 Prozent bezahlte Werbung anzeigen oder das Ranking auf Grund von Zahlungen verändern, sodass rund 100 Plattformen von der Regelung betroffen sind. Diesen entsteht ein einmaliger Aufwand von rund 600 Minuten, um ihre Plattform entsprechend anzupassen, sodass auf den Einfluss der Werbung auf das Ranking hingewiesen wird.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Minuten)

gesamte Bearbei-tungszeit (Minuten)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Stunden)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

100 600 60 000 1000 59,20 Euro 59 200 Euro

bb) Änderungen im Hinblick auf die Gewerbeordnung (Artikel 2)

Die Wirtschaft wird durch die Erweiterung der Anzeigepflichten und der Informationspflich-ten bei der öffentlichen Ankündigung von Wanderlagern einmalig mit einem Mehraufwand von rund 206 000 Euro belastet. Der einmalige Erfüllungsaufwand entsteht aufgrund der erforderlichen Anpassung von Organisationsstrukturen. Dem einmaligen Mehraufwand steht aufgrund der gleichzeitig vorgesehenen Beschränkung der Anzeigepflicht für Wander-lager auf Kaffeefahrten eine jährliche Entlastung der Wirtschaft in Höhe von 1 100 000 Euro gegenüber.

Einmaliger Erfüllungsaufwand

Erweiterung der Anzeigepflicht für Veranstalter von Kaffeefahrten (§ 56a Absatz 2 und 3 der Gewerbeordnung in der Entwurfsfassung – GewO-E)

Durch die Änderungen in § 56a GewO wird die bisher allgemein für Veranstalter von Wan-derlagern geltende Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Behörde für bestimmte Arten von Wanderlagern, die so genannten Kaffeefahrten, erweitert. Dies betrifft nach § 56a Ab-satz 2 GewO-E solche Wanderlager, bei denen die An- und Abreise der Teilnehmerinnen

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und Teilnehmer zum Veranstaltungsort durch den Veranstalter oder mit ihm zusammenwir-kende Personen erfolgt. Die Anzeigepflicht dieser Veranstalter wird insoweit erweitert, als dass nunmehr in der Anzeige zusätzlich auch die Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Veranstalters, bei juristischen Personen zudem auch die Rechtsform und die Vertretungsberechtigten sowie Angaben zu Registereinträgen mitgeteilt werden müssen. Da es sich bei diesen Angaben um Grunddaten handelt, die sich nur selten ändern und deshalb von den Veranstaltern regelmäßig bei jeder Anzeige einer Veranstaltung unverän-dert übermittelt werden können, trifft die Veranstalter nur ein einmaliger Umstellungsauf-wand. Die Angaben müssen einmal zusammengestellt und für die Anzeige aufbereitet wer-den, damit sie im Fall einer entsprechenden Veranstaltung an die Behörden übermittelt werden können. Hierfür können die Veranstalter zum Beispiel auf die von den Behörden über das Internet bereitgestellten Vordrucke zurückgreifen, welche lediglich um die betref-fenden Daten ergänzt werden müssen. Für diesen einmaligen Umstellungsaufwand ist pro Veranstalter von einem Zeitaufwand von etwa 20 Minuten auszugehen.

Die Ermittlung der Zahl der Veranstalter von Kaffeefahrten ist aufgrund fehlender statischer Erhebungen schwierig. Auch im Rahmen einer vom Statistischen Bundesamt durchgeführ-ten Befragung von 16 Behörden in 10 Ländern konnten keine exakten Zahlen ermittelt wer-den. Die Verbraucherzentrale Hamburg geht von etwa 120 Veranstaltern von Kaffeefahrten aus (https://www.vzhh.de/sites/default/files/medien/134/dokumente/Kaffeefahrten-Liste_19-09-13.pdf). Diese Liste erfasst aber nur die als unseriös aufgefallenen Anbieter, deren Anteil im Fall der Kaffeefahrten allerdings vergleichsweise hoch sein dürfte. Nach Schätzungen der Länder nehmen bundesweit jährlich etwa 5 Millionen Personen an Kaf-feefahrten teil (Bundestagsdrucksache 19/399, S. 8). Rechnet man pro Bus mit durch-schnittlich 50 Personen, so ist von etwa 100 000 Kaffeefahrten im Jahr auszugehen. Nach Auskunft einzelner Veranstalter führen größere Veranstalter mehr als 500 Kaffeefahrten jährlich durch. Diese Zahl dürfte aber von Veranstalter zu Veranstalter stark variieren. Legt man pro Veranstalter etwa fünf Fahrten pro Woche zu Grunde, ist gerechnet auf 100 000 Veranstaltungen im Jahr von etwa 385 Veranstaltern auszugehen.

Für die Berechnung der Personalkosten ist anzunehmen, dass für die Zusammenstellung und Aufbereitung der Informationen eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mittleren Quali-fikationsniveaus im Wirtschaftszweig „J – Information und Kommunikation“ mit einem Lohn-satz von 44 Euro zuständig ist. Insgesamt ergibt sich damit ein Erfüllungsaufwand in Höhe von 5 632 Euro.

Fallzahl Bearbei-tungszeit pro Fall (Minuten)

gesamte Bearbei-tungszeit (Minuten)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Stunden)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

385 20 7 700 128 44 Euro 5 632 Euro

Erweiterung der Informationspflichten bei der öffentlichen Ankündigung von Wan-derlagern (§ 56a Absatz 4 GewO-E)

Die Informationspflichten aller Veranstalter von Wanderlagern, also nicht nur der Veranstal-ter von Kaffeefahrten, werden im Hinblick auf die öffentliche Ankündigung, also Bewerbung, von Wanderlagern erweitert. Veranstalter von Wanderlagern müssen nach § 56a Absatz 4 GewO-E zusätzlich zu den bisher für sie bestehenden Informationspflichten in der öffentli-chen Ankündigung auch eine Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse sowie Infor-

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mationen darüber angeben, unter welchen Bedingungen Verbraucherinnen und Verbrau-chern bei Verträgen, die im Rahmen des Wanderlagers abgeschlossen werden, ein Wider-rufsrecht zusteht. Auch hierbei handelt es sich um Informationen, die sich von Veranstal-tung zu Veranstaltung regelmäßig nicht ändern werden, so dass den Veranstaltern auch insoweit nur ein einmaliger Umstellungsaufwand entsteht. Die betreffenden Informationen müssen einmal zusammengestellt und so aufbereitet werden, dass die Veranstalter für jede öffentliche Bekanntmachung auf sie zugreifen können. Hierfür ist von einem Zeitaufwand von 60 Minuten auszugehen.

Die Zahl der insgesamt veranstalteten Wanderlager ist noch schwieriger zu beziffern als die Zahl der durchgeführten Kaffeefahrten, da es ebenfalls an entsprechenden statistischen Daten fehlt und eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Veranstaltungen unter diesen Begriff fällt. Jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass zu der Zahl von etwa 100 000 jährlich stattfindenden Kaffeefahrten noch einmal eine ebenso hohe Zahl von sonstigen Wanderla-gern hinzukommt, so dass die Zahl der jährlich stattfindenden Wanderlager auf etwa 200 000 Veranstaltungen (Kaffeefahrten und sonstige Wanderlager) geschätzt werden kann. Diese werden sich im Vergleich zu den Kaffeefahrten auch auf eine größere Anzahl von Veranstaltern verteilen, da ein größerer Anteil der Veranstalter Wanderlager nur wenige Male im Jahr als Nebengeschäft zu ihrem stationären Handel durchführen wird. Geht man deshalb bei einer Zahl von 100 000 sonstigen Wanderlagern davon aus, dass jeder Veran-stalter durchschnittlich etwa zwei Wanderlager im Monat veranstaltet, ergibt sich eine Zahl von etwa 4 167 Veranstaltern, welche zu den 385 Veranstaltern von Kaffeefahrten hinzu-treten, so dass insgesamt etwa 4 552 Veranstalter von dem einmaligen Erfüllungsaufwand durch die erweiterten Informationspflichten betroffen sind.

Auch hier ist für die Berechnung der Personalkosten davon auszugehen, dass für die Zu-sammenstellung und Aufbereitung der Informationen eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mittleren Qualifikationsniveaus im Wirtschaftszweig „J – Information und Kommunikation“ mit einem Lohnsatz von 44 Euro zuständig ist. Insgesamt ergibt sich damit ein Erfüllungs-aufwand in Höhe von 200 376 Euro.

Fallzahl

Bearbei-tungszeit pro Fall (Minuten)

gesamte Bearbei-tungszeit (Minuten)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Stunden)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Erfüllungsauf-wand

4 552 60 273 120 4 552 44 Euro 200 288 Euro

Entlastung der Wirtschaft durch die Beschränkung der Anzeigepflicht nach § 56a Ab-satz 2 und 3 GewO-E auf die Veranstalter von Kaffeefahrten

Anders als nach der bisherigen Rechtslage nach § 56a Absatz 1 GewO a.F. gilt die Anzei-gepflicht nach § 56a Absatz 2 GewO-E n.F. nicht mehr für alle Veranstalter von Wanderla-gern, sondern nur noch für die Veranstalter von Kaffeefahrten. Die 100 000 sonstigen Wan-derlager im Jahr müssen damit in Zukunft nicht mehr gegenüber den zuständigen Behörden angezeigt werden. Für die Zusammenstellung und Übermittlung der Anzeige an die Be-hörde ist pro angezeigter Veranstaltung von einem Zeitaufwand von etwa 15 Minuten aus-zugehen. Auch hier ist für die Berechnung der Personalkosten davon auszugehen, dass für die Anzeige eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mittleren Qualifikationsniveaus im Wirt-schaftszweig „J – Information und Kommunikation“ mit einem Lohnsatz von 44 Euro zustän-dig ist. Insgesamt ergibt sich damit eine jährliche Entlastung der Wirtschaft in Höhe von 1 100 000 Euro.

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Fallzahl

Bearbei-tungszeit pro Fall (Minuten)

gesamte Bearbei-tungszeit (Minuten)

gesamte Be-arbeitungs-zeit (Stunden)

Lohnkosten pro Stunde

Durchschnitt Wirtschaft

Entlastung

100 000 15 1 500 000 25 000 44 Euro 1 100 000 Euro

c) Erfüllungsaufwand der Verwaltung

aa) Änderungen im Hinblick auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Arti-kel 1)

Jährlicher Erfüllungsaufwand des Bundes und der Länder

Dem Bund entsteht ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 58 400 Euro und den Län-dern entsteht ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 13 600 Euro.

Mit § 19 UWG-E wird ein neuer Bußgeldtatbestand eingeführt. Dieser soll im Rahmen von koordinierten Aktionen nach Kapitel IV der Verordnung (EU) 2017/2394 die Verhängung von Bußgeldern bei weitverbreiteten Verstößen oder weitverbreiteten Verstößen mit Uni-ons-Dimension durch unlautere geschäftliche Handlungen ermöglichen. Zuständig für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten werden das Bundesamt für Justiz, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die nach Landesrecht zuständigen Behörden bei Un-ternehmen im Sinne von § 2 Nummer 4 EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetz sein. Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb werden bisher nur in weni-gen Fällen mit einem Bußgeld bewehrt. Dies betrifft insbesondere Verstöße im Hinblick auf unzumutbar belästigende Telefonwerbung. Hierbei handelt es sich aber um Verstöße in-nerhalb der Bundesrepublik Deutschland, deren Ahndung auch nicht im Rahmen des koor-dinierten Durchsetzungsmechanismus nach der Verordnung (EU) 2017/2394 stattfindet. Da sich zudem die Parameter für die Durchführung koordinierter Aktionen durch die Verord-nung (EU) 2017/2394 geändert haben, kann die Anzahl der Bußgeldverfahren aus heutiger Perspektive nur schwer – höchstens in einer ungefähren Größendimension – beziffert wer-den. Im Rahmen der Ex-ante-Schätzung des Erfüllungsaufwands, der durch das EU-Ver-braucherschutzdurchführungsgesetz entstehen wird, wurde – auf Grundlage der Erfahrun-gen mit der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 – die Anzahl sogenannter koordinierter Aktionen im Sinne der Artikel 17 bis 23 der CPC-Verordnung mit mindestens drei Fällen pro Jahr beziffert. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass erst durch den vorlie-genden Entwurf weitere Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung geschaffen werden. Man-gels weiterer Informationen und angesichts der unsicheren Entwicklung der Anzahl kom-mender Bußgeldverfahren wird vereinfacht davon ausgegangen, dass das Verfahrensauf-kommen den mittleren einstelligen Bereich nicht übersteigt. Hierfür spricht nicht zuletzt auch der Umstand, dass im Rahmen der gemeinsamen Durchsetzungsmaßnahmen der europä-ischen Verbraucherschutzbehörden oftmals einvernehmliche Lösungen mit den Unterneh-men gefunden werden, so dass auf die Erhebung von Bußgeldern verzichtet werden kann. Für die Kalkulation des Erfüllungsaufwands wird daher behelfsmäßig eine Fallzahl von vier Verfahren pro Jahr im Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung und einem Fall pro Jahr im Zuständigkeitsbereich der Landesverwaltung zu Grunde gelegt. Die Validierung der Grö-ßenordnung des tatsächlichen Aufwands für Bund und Länder kann erst im Rahmen der Nachmessung erfolgen.

Unter Berücksichtigung von vier Bußgeldverfahren ergibt sich ein jährlicher Mehraufwand der Bundesverwaltung von etwa 1 035 Stunden. Für die Ermittlung der Lohnkosten wurden die Standardlohnsätze aus dem Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungs-

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aufwandes in Regelungsvorhaben der Bundesregierung vom Dezember 2018 zugrunde ge-legt (vergleiche dort S. 56). Danach ergibt sich ein Mehraufwand, der sich auf unterschied-liche Laufbahngruppen wie folgt verteilt:

Laufbahn Bearbeitungs-zeit (in Stunden)

Lohnkosten pro Stunde in Euro/ Stunde)

Sachkosten (in Euro)

Erfüllungsauf-wand (in Euro)

höherer Dienst 611,4 65,4 0 39 985,56

gehobener Dienst 419,4 43,4 0 18 201,96

mittlerer Dienst 4 31,7 0 126,8

einfacher Dienst 0 27,8 0 0

Summe 1 034,8 58 314,32

Demnach entsteht der Bundesverwaltung durch die vorliegenden Gesetzesänderungen ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von gerundet 58 400 Euro.

Unter Berücksichtigung von einem Bußgeldverfahren ergibt sich ein jährlicher Mehrauf-wand der Länder von etwa 259 Stunden. Für die Ermittlung der Lohnkosten wurden auch in diesem Zusammenhang die Standardlohnsätze aus dem Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwandes in Regelungsvorhaben der Bundesregierung vom De-zember 2018 zugrunde gelegt (vergleiche dort S. 56). Danach ergibt sich ein Mehraufwand, der sich auf unterschiedliche Laufbahngruppen wie folgt verteilt:

Laufbahn Bearbeitungs-zeit (in Stunden)

Lohnkosten pro Stunde in Euro/ Stunde)

Sachkosten (in Euro)

Erfüllungsauf-wand (in Euro)

höherer Dienst 152,85 60,50 0 9 247,43

gehobener Dienst 104,85 40,80 0 4 277,88

mittlerer Dienst 1 31,40 0 31,40

einfacher Dienst 0 27,60 0 0

Summe 258,7 13 556,71

Demnach entsteht den Ländern durch die vorliegenden Gesetzesänderungen ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von gerundet 13 600 Euro.

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bb) Änderungen im Hinblick auf die Gewerbeordnung (Artikel 2)

Den Ländern entsteht ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 3 800 Euro.

Die zuständigen kommunalen Gewerbeämter in den Ländern müssen die Einhaltung der in den § 56a Absatz 2 und 3 GewO-E vorgesehenen erweiterten Anzeigepflichten für die Ver-anstalter von Kaffeefahrten prüfen. Da es sich bei den zusätzlich von den Veranstaltern der Kaffeefahrten zu leistenden Angaben um einfach überprüfbare Angaben wie Anschrift, Te-lefonnummer und E-Mail-Adresse sowie Angaben zu Registereintragungen handelt, fällt die Überprüfung der Einhaltung dieser zusätzlichen Pflichten nicht wesentlich ins Gewicht. Zu-dem werden die Behörden gleichzeitig entlastet, weil die bisher bestehende Anzeigepflicht für Veranstalter von Wanderlagern entfällt und deren Einhaltung von den Behörden damit nicht mehr zu prüfen ist. Jährlicher Mehraufwand entsteht den zuständigen Behörden aber voraussichtlich dadurch, dass sowohl Verstöße gegen die erweiterte Anzeigepflicht, als auch gegen die erweiterten Pflichten zur öffentlichen Ankündigung von Wanderlagern in § 56a Absatz 4 GewO-E und das neu in § 56a Absatz 6 GewO-E eingeführte Vertriebsver-bot für Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel jeweils in § 145 Absatz 3 GewO-E mit einem Bußgeld bewehrt werden. Bei Anhaltspunkten auf Verstöße gegen diese neu eingeführten Regelungen muss die zuständige Behörde daher die Ermittlungen aufnehmen und bei Feststellung eines Verstoßes ein Ordnungswidrigkeitenverfahren durchführen. Die Zahl der aufgrund der neu eingeführten Bußgeldtatbestände zusätzlich zu erwartenden Ordnungswidrigkeitenverfahren kann nur schwer beziffert werden. Nach einer vom Statisti-schen Bundesamt in 16 Behörden in zehn Ländern durchgeführten Befragung kommt es im Hinblick auf Wanderlager bisher nur vereinzelt überhaupt zur Einleitung von Ordnungswid-rigkeitenverfahren. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Zahl der Ordnungswid-rigkeitenverfahren durch die Erweiterung der mit einem Bußgeld bewehrten Pflichten sich leicht erhöhen, die Erhöhung aber 15 Fälle im Jahr nicht übersteigen wird. Pro Fall ist an-gesichts der vergleichbar überschaubaren Sachverhalte von einem Zeitaufwand von etwa 6 Stunden auszugehen. Hierdurch ergibt sich ein jährlicher Mehraufwand der Landesver-waltung von etwa 90 Stunden in der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes. Für die Ermittlung der Lohnkosten wurden auch hier die Standardlohnsätze aus dem Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwandes in Regelungsvorhaben der Bundesre-gierung vom Dezember 2018 zugrunde gelegt (vergleiche dort S. 56).

Laufbahn Bearbeitungs-zeit (in Stunden)

Lohnkosten pro Stunde in Euro/ Stunde)

Sachkosten (in Euro)

Erfüllungsauf-wand (in Euro)

gehobener Dienst 90 42,30 0 3 807

5. Weitere Kosten

Kosten für soziale Sicherungssysteme werden nicht erwartet. Auch sind keine Auswirkun-gen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, ersichtlich.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die neu geschaffenen Regelungen zu Online-Marktplätzen, Ranking und Verbraucherbe-wertungen verbessern den Verbraucherschutz bei digitalen Angeboten. Hiervon werden insbesondere Verbraucherinnen und Verbraucher in ländlichen Regionen profitieren, die keinen Zugang zu entsprechenden Angeboten im stationären Handel haben. Dadurch leis-tet der Entwurf einen Beitrag zur Angleichung der Lebensverhältnisse für Verbraucherinnen

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und Verbraucher in städtischen und ländlichen Regionen. Weitere Gesetzesfolgen, insbe-sondere gleichstellungspolitische und demografische Auswirkungen, sind nicht zu erwar-ten.

VII. Befristung; Evaluierung

Der Entwurf sieht zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 die Änderungen bestehen-der Gesetze vor. Diese sind auf Grund der unbefristeten Geltung der Richtlinie (EU) 2019/2161 für eine unbestimmte Zeit erforderlich. Daher ist eine Befristung nicht vorgese-hen.

Der Entwurf setzt die die Richtlinie 2005/29/EG betreffenden Regelungen der Richtlinie (EU) 2019/2161 weitestgehend 1:1 um. Spätestens zum 28. Mai 2024 wird die Richtlinie (EU) 2019/2161 einschließlich der hierzu in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union getroffenen Regelungen auf europäischer Ebene überprüft. Hierzu wird die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie vorlegen. Gegenstand des Berichts wird insbesondere auch die Bewertung der Bestimmungen im Hinblick auf Veranstaltungen außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers und ihre Umsetzung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sein. Damit werden auch die über eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 hinausge-henden Regelungen zur Änderung der Gewerbeordnung, die Kaffeefahrten betreffen, in die Evaluierung einbezogen sein. Einen Bericht, den die Europäische Kommission hierzu von der Bundesrepublik Deutschland anfordert, wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz so erstellen, dass in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland valide quantitative und qualitative Erkenntnisse dazu vorliegen, ob das Ziel der Richtlinie (EU) 2019/2161 – eine bessere Durchsetzung und Modernisierung des Verbraucherschutzrechts – erreicht wurde. Kriterien für die Bewertung werden sein, ob die neu eingeführten Bestim-mungen ein angemessenes Maß an Verbraucherschutz gewähren, die erforderlichen Grundlagen bestehen, damit die Bundesrepublik Deutschland an gemeinsamen Durchset-zungsmaßnahmen mit den Verbraucherschutzbehörden in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union teilnehmen kann und Verbraucherinnen und Verbraucher Zugang zu angemessenen Instrumenten zur Beseitigung der Folgen aggressiver und irreführender Praktiken erhalten haben. Die Berichterstattung wird auf Auswertungen der Justizstatistik sowie auf Länder- und Verbändebefragungen beruhen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb)

Zu Nummer 1 (§ 1 und 2 UWG-E)

Zu § 1 UWG-E

§ 1 UWG wird um eine Regelung zum Anwendungsbereich in Absatz 2 ergänzt. Diese setzt den bislang nicht ausdrücklich im deutschen Recht kodifizierten Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29/EG um. Die Frage des Verhältnisses zu anderen Vorschriften, die für spezielle Konstellationen Voraussetzungen für das Vorliegen einer unlauteren geschäftli-chen Handlungen bestimmen, stellt sich in zahlreichen Zusammenhängen. Sie wird von der Rechtsprechung bereits überwiegend entsprechend Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29/EG gelöst. Dennoch sollte nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Diskus-sion über neue Formen der Kommunikation und des Marketings im Internet, wie zum Bei-spiel Influencer-Marketing, nunmehr eine ausdrückliche Klarstellung des Vorrangs von Vor-schriften erfolgen, die besondere Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen regeln. Der Vorrang reicht dabei nur so weit, wie der betreffende Aspekt in der spezielleren Vor-

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schrift auch abschließend geregelt werden soll. Enthält die speziellere Vorschrift zum Bei-spiel nur ergänzende Informationsanforderungen, sind die allgemeinen Informationsanfor-derungen der §§ 5a und 5b weiter anwendbar. Regelungen besonderer Aspekte unlauterer Handlungen enthalten zum Beispiel der Medienstaatsvertrag und das Telemediengesetz, die im Einklang mit dem Unionsrecht spezielle medienrechtliche Wertungen für die Kenn-zeichnung von Werbung enthalten. Die Ergänzung dient allein der vorrangigen Berücksich-tigung der in spezielleren Regelungen getroffen Bewertungen zur Unlauterkeit eines Ver-haltens und hat keine Auswirkungen auf den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG. Liegt ein Verstoß gegen eine Vorschrift vor, die besondere Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen regelt, und ist diese als Marktverhaltensregelung einzuordnen, ist § 3a UWG grundsätzlich weiterhin anwendbar. Das UWG ist auf Regelungen zu besonderen Aspekten unlauterer Handlungen nur in Bezug auf diejenigen Aspekte anwendbar, die in den beson-deren Regelungen nicht adressiert werden. So soll nach Erwägungsgrund 82 der Richtlinie 2010/13/EU (AVMD-RL) die Richtlinie 2005/29/EG nur für irreführende und aggressive Praktiken in audiovisuellen Mediendiensten gelten, die nicht bereits von der Richtlinie 2010/13/EU geregelt werden. Die Ergänzung hat auch keine Auswirkungen darauf, dass nach dem neu gefassten § 5b Absatz 4 UWG-E (bisher: § 5a Absatz 4 UWG) auch weiter-hin bei der Beurteilung einer Information als wesentlich Informationspflichten zu berücksich-tigen sein werden, welche sich auf das Unionsrecht gründen. Insoweit entsprechen sich die Vorschriften in ihrer Wertung, indem sie jeweils festlegen, dass bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, jeweils Wertungen speziellerer Gesetze zu be-rücksichtigen sind.

Zu § 2 UWG-E

Die Überschrift wurde entsprechend vergleichbaren Gesetzen wie dem Telemediengesetz in „Begriffsbestimmungen“ geändert. In Absatz 1 wurden die Begriffe alphabetisch geord-net, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen. Der Begriff der geschäftlichen Handlung wurde erweitert sowie die Begriffe des „Online-Marktplatzes“ in Nummer 6 und des „Rankings“ in Nummer 7 ergänzt.

In dem für das UWG zentralen Begriff der geschäftlichen Handlung in Nummer 2 wird er-gänzt, dass zu Waren auch digitale Inhalte und zu Dienstleistungen auch digitale Dienst-leistungen zählen. Dies setzt Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe a der Richtlinie (EU) 2019/2161 um, der damit an die entsprechenden Begriffe aus Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (ABl. L 136 v. 22.5.2019, S. 1) anknüpft. Bereits nach bisherigem Recht war der Begriff so weit gefasst, dass digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen erfasst wurden, die Änderung dient daher lediglich der Klarstellung. Digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen stellen dabei Unterkategorien von Waren und Dienstleistungen und keine eigenen Kategorien dar. Zudem wird ergänzt, dass es sich nicht nur um einen objektiven, sondern auch um einen unmittelbaren Zusammenhang mit einer Absatzförderung handeln muss. Dies entspricht der Definition der Geschäftspraktik in Artikel 2 Buchstabe d der Richt-linie 2005/29/EG. Zwar muss das Kriterium „objektiv“ auch derzeit bei Handlungen gegen-über Verbraucherinnen und Verbrauchern so ausgelegt werden, dass es „unmittelbar“ um-fasst; aufgrund der Bedeutung dieser zentralen Begriffsbestimmung ist eine Klarstellung jedoch angebracht. So erscheint es möglich, dass bei bestimmten Formen der Förderung des eigenen Unternehmens kein unmittelbarer Zusammenhang zur Absatzförderung be-steht, zum Beispiel, wenn eine Influencerin oder ein Influencer Waren oder Dienstleistungen empfiehlt oder erwähnt und hierfür kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erhalten hat und die Erwähnung gegebenenfalls lediglich ihre oder seine eigene Bekanntheit fördert.

Nummer 6 enthält den neuen Begriff des „Online-Marktplatzes“ und setzt Artikel 3 Num-mer 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Auf Online-Marktplätze wird in § 5b Absatz 1 Nummer 6 UWG-E Bezug genommen. Der Begriff des Online-Marktplatzes wurde durch Artikel 4 Nummer 1 Buchstabe e der Richtlinie (EU) 2019/2161 mit gleichlautender

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Definition auch in die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64, geändert durch die Richtlinie (EU) 2015/2302, ABl. L 306 vom 11.12.2015, S. 1) aufgenom-men. Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Umset-zung der Richtlinie (EU) 2019/2161 setzt diesen in § 312k Absatz 3 des Bürgerlichen Ge-setzbuches in der Entwurfsfassung (BGB-E) um.

Ein Online-Marktplatz ist ein virtueller Marktraum, der seinen Nutzerinnen und Nutzern den Abschluss von Fernabsatzverträgen über eine von dem Betreiber des Online-Marktplatzes oder in dessen Namen betriebene Software unmittelbar ermöglicht. Für den Begriff der Fernabsatzverträge verweist die Begriffsbestimmung auf die Definition in § 312c Absatz 1 BGB.

Der Begriff des Online-Marktplatzes ist bewusst technologieoffen formuliert. Auch der Be-griff der Software ist weit zu verstehen und schließt jede von einem Unternehmer oder in dessen Namen betriebene Website, eines Teils einer Website oder Anwendung ein. Erfasst werden Internet-Plattformen, auf denen Waren oder Dienstleistungen vertrieben werden, aber auch Bewertungs- und Vergleichsportale, auf denen Verbraucherinnen und Verbrau-cher unmittelbar Verträge abschließen können. Die Definition setzt voraus, dass der Betrei-ber des Dienstes, über diesen zumindest auch Dritten das Angebot von Waren oder Dienstleistungen an Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht. Keine Online-Markt-plätze sind Online-Shops von Unternehmern, in denen diese nur ihre eigenen Waren oder Dienstleistungen anbieten. Ebenfalls nicht erfasst werden Preisvergleichsseiten oder Be-wertungsportale, die auf Angebote hinweisen, bei denen die Verbraucherinnen und Ver-braucher aber für einen Vertragsschluss auf die Internetseite eines anderen Anbieters wei-tergeleitet werden.

Nummer 7 enthält den neuen Begriff des „Rankings“. Hierbei handelt es sich um die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln. Mit der Begriffsbestimmung wird Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 in sprachlich leicht an-gepasster Form umgesetzt. Der Begriff wird in § 5b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 UWG-E und Nummer 11a des Anhangs verwendet.

Nach Erwägungsgrund 19 der Richtlinie (EU) 2019/2161 bezieht sich der Begriff auf die relative Hervorhebung der Angebote von Unternehmern oder die Relevanz, die Suchergeb-nissen zugemessen wird, je nachdem, wie sie von den Anbietern von Online-Suchfunktio-nen, einschließlich der Verwendung von algorithmischer Sequenzierung, Beurteilungs- oder Bewertungsmechanismen oder von visueller Hervorhebung oder anderen Hervorhe-bungsinstrumenten oder einer Kombination davon, dargestellt, organisiert oder kommuni-ziert werden. Diese Definition entspricht inhaltlich weitgehend der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 57). Entscheidend ist, dass Waren oder Dienstleistungen strukturiert präsentiert werden.

Zu Nummer 2 (§ 5 UWG-E)

Zu § 5 UWG-E

Zu Buchstabe a

Der bisherige Absatz 1 Satz 2 wird zum neuen Absatz 2. Dies verbessert die Lesbarkeit der Vorschrift.

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Zu Buchstabe b

Der neu gefasste Absatz 3 Nummer 1 enthält die Regelung des bisherigen Absatzes 2.

Der neue Absatz 3 Nummer 2 setzt Artikel 3 Nummer 3 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um und enthält die Regelungen zur so genannten Doppelqualität von Waren („Dual Quality“). Danach ist es irreführend, wenn eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt bereitgestellten Ware ver-marktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Fak-toren gerechtfertigt ist.

Der Anwendungsbereich der Regelung ist auf Waren begrenzt, auf Dienstleistungen ist die Vorschrift nicht anwendbar. Unternehmer können auch nach der Neuregelung weiterhin Waren unter derselben Marke in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit ei-ner unterschiedlichen Rezeptur oder abweichenden Zutaten in den Verkehr bringen. Eine unzulässige irreführende geschäftliche Handlung liegt nur dann vor, wenn solche Waren trotz wesentlicher Unterschiede in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen als iden-tisch vermarket werden. Ob dies der Fall ist, kann nur auf Grundlage einer Einzelfallprüfung festgestellt werden. Eine Irreführung ist ausgeschlossen, wenn die Unterschiede zwischen den Waren für Verbraucherinnen und Verbraucher leicht zu erkennen sind. So kann zum Beispiel durch das Etikett über bestehende Unterschiede informiert werden.

Eine unlautere Irreführung entfällt zudem auch, wenn zwischen den als identisch vermark-teten Waren zwar wesentliche Unterschiede bestehen, diese aber durch legitime und ob-jektive Faktoren gerechtfertigt sind. Erwägungsgrund 53 der Richtlinie (EU) 2019/2161 nennt als mögliche legitime und objektive Faktoren Vorgaben des nationalen Rechts, Ver-fügbarkeit oder Saisonabhängigkeit von Rohstoffen, freiwillige Strategien zur Verbesserung des Zugangs zu gesunden und nährstoffreichen Lebensmitteln sowie die Anpassung von Waren derselben Marke an unterschiedliche geografische Märkte. Unternehmer sollen zu-dem weiterhin berechtigt sein, Waren derselben Marke in Packungen mit unterschiedlichem Gewicht oder unterschiedlicher Füllmenge auf verschiedenen geografischen Märkten an-zubieten. Da die Richtlinie keine abschließende Auflistung der wesentlichen Unterschiede rechtfertigenden Faktoren enthält, kommen auch weitere, von der Richtlinie nicht ausdrück-lich genannte Faktoren in Betracht. Hierzu kann auch die Anpassung an eine unterschied-liche Verbraucherpräferenz gehören. Ob eine Irreführung aufgrund legitimer und objektiver Faktoren ausgeschlossen werden kann, unterliegt ebenfalls einer Einzelfallprüfung.

Die Vorschrift verpflichtet vorrangig die Hersteller von Waren, da diese über Rezept und Eigenschaften der Waren sowie über deren Aufmachung oder Verpackung und Vermark-tung entscheiden. Händler, die lediglich Waren Dritter vertreiben, ohne durch eigene Ver-marktungsmaßnahmen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern den Anschein zu wecken, dass die Waren in ihrer Zusammensetzung und Merkmalen identisch mit in anderen Mit-gliedstaaten der Europäischen Union vermarktete Waren sind, handeln in aller Regel selbst nicht irreführend.

Zu Buchstabe c

Es handelt sich um durch die Änderungen zu Buchstabe a und b bedingte Folgeänderun-gen. Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die neuen Absätze 4 und 5.

Zu Nummer 3 (§§ 5a, 5b und § 5c UWG-E)

Zu § 5a UWG-E

Die Änderungen an § 5a UWG sind mit Ausnahme von Absatz 4 redaktionell. Absatz 1 wird aufgehoben, der bisherige Absatz 2 wird der neue Absatz 1. Der aufgehobene Absatz 1

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enthält keinen eigenen Unlauterkeitstatbestand. Eigenständige Bedeutung kam der Rege-lung bisher vor allem im Verhältnis zwischen Unternehmern und sonstigen Marktteilneh-mern zu. Der Schutz der sonstigen Marktteilnehmer wird durch die Aufhebung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage weder erweitert noch verkürzt, da diese nunmehr in den Anwen-dungsbereich des bisherigen Absatz 2 aufgenommen werden, welcher bisher nur im Ver-hältnis zwischen Unternehmern und Verbraucherinnen und Verbrauchern anwendbar war. Dass für die Frage, ob eine Information für die betreffende geschäftliche Entscheidung be-nötigt wird oder geeignet ist, die geschäftliche Entscheidung zu beeinflussen, ein unter-schiedlicher Maßstab anzulegen sein kann, je nachdem ob sich die geschäftliche Handlung an andere Unternehmer oder Verbraucherinnen und Verbraucher richtet, kann im Rahmen der für die Anwendung des neuen Absatzes 1 erforderlichen Berücksichtigung der jeweili-gen Umstände auch weiterhin in die Beurteilung einbezogen werden. Die bisherigen Ab-sätze 3 und 4 werden in den neuen § 5b UWG überführt.

Absatz 4 wird in Satz 1 in seinem Anwendungsbereich auf sonstige Marktteilnehmer er-streckt. Zudem wird die Regelung um den neuen Satz 2 ergänzt, wonach bei einer Hand-lung zugunsten eines fremden Unternehmers nur dann ein kommerzieller Zweck vorliegt, wenn der Handelnde ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Die Richtlinie 2005/29/EG definiert zwar den Begriff der erfassten Geschäftspraktiken mit einer besonders weiten For-mulierung. Diese Praktiken müssen jedoch gewerblicher Natur sein, das heißt von Gewer-betreibenden ausgeübt werden und unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung ihrer Produkte an Verbraucherinnen und Verbraucher zusammenhängen (EuGH, Urt. v. 17. 10. 2013 – C-391/12 (RLvS Verlagsgesellschaft) = GRUR 2013, 1245, Rn. 37). Handlungen, die ausschließlich zur Förderung von fremden Unternehmen führen, werden somit nicht erfasst, so dass insoweit Spielraum für Regelungen im deutschen Recht besteht. Die neue Regelung soll insbesondere einen sicheren Rechtsrahmen für Handlun-gen von Influencerinnen und Influencern bieten, wenn diese Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen empfehlen, ohne davon selbst unmittelbar finanziell zu profitieren. Für solche Handlungen erscheint es unangemessen, eine Kennzeichnung als „kommerzi-ell“ zu verlangen. Der Begriff der „ähnlichen Gegenleistung“ umfasst auch Provisionen, Pro-dukte, die von dem fremden Unternehmen zugesandt wurden und die der Handelnde nut-zen oder behalten darf, sowie Pressereisen, Stellung von Ausrüstung oder Kostenübernah-men. Die Gegenleistung kann auch vorübergehender Natur sein. Die bloße Steigerung der eigenen Bekanntheit, zum Beispiel von Influencerinnen und Influencern, durch solche Handlungen kann hingegen nicht als Gegenleistung gewertet werden. Die Gegenleistung muss nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Die Hoffnung auf eine Ge-genleistung alleine reicht jedoch nicht aus. Die Gegenleistung muss von dem Unternehmer veranlasst worden sein, zugunsten dessen die Handlung erfolgt. Wird die Gegenleistung über beauftragte Dritte wie zum Beispiel eine Agentur gewährt, wird dies dem Unternehmer nach allgemeinen Grundsätzen zugerechnet. Eine nicht durch den Unternehmer veran-lasste Gegenleistung durch unabhängige Dritte wird dagegen nicht erfasst. Dies entspricht der allgemeinen Wertung bei Medienunternehmen, von denen Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter für die Erstellung von Beiträgen auch ein Entgelt beziehen.

Zu beachten ist allerdings, dass Satz 2 lediglich auf die Beurteilung der Frage anwendbar ist, ob eine Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers vorliegt. Die Frage, ob eine unentgeltlich abgegebene Empfehlung von Influencerinnen oder Influencern auch insofern eine geschäftliche Handlung darstellt, als dass sie den Zweck der Förderung des eigenen Unternehmens verfolgt, beurteilt sich allein nach § 5a Absatz 4 Satz 1 beziehungsweise der Definition der geschäftlichen Handlung in § 2 Absatz 1 Nummer 2. Beide Regelungen set-zen Vorgaben der Richtlinie 2005/29/EG um. Die Frage, ob eine Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens vorliegt, hängt nicht allein von dem Erhalt eines Entgelts ab, da auch Eigenwerbung grundsätzlich kennzeichnungspflichtig ist, wenn sie anders nicht er-kennbar ist. Bei unentgeltlich abgegebenen Empfehlungen von Influencerinnen und In-fluencern ist daher entsprechend der Ergänzung in § 2 Absatz 1 Nummer 2 zu berücksich-

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tigen, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zum Absatz von Produkten und Dienstleistun-gen vorliegt. Dabei wird ebenfalls der Tatsache Rechnung zu tragen sein, dass Influence-rinnen und Influencer in diesem Bereich wie Medienunternehmen einzuschätzen sein könn-ten, die sich regelmäßig auch über Werbeeinnahmen finanzieren und für ihre Auftraggeber auch dann besonders attraktiv sind, wenn sie viele Menschen erreichen. Bei der Beurteilung ist zudem die Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit aus Artikel 11 der Charta der Grund-rechte der Europäischen Union zu berücksichtigen, da das Bestreben zur Erzielung von Werbeeinnahmen nach einem Urteil des Kammergerichts nicht rechtfertigt, jede Äußerung mit einem Hinweis zu versehen, mit dem der Verkehr einen nachrangigen oder minderen Wert des Beitrags verbindet (KG, Urteil vom 08.01.2019, Az. 5 U 83/18).

Als Ausnahme vom Anwendungsbereich des § 5a Absatz 4 Satz 1 UWG muss die Erfüllung der Voraussetzungen des Satzes 2 im Streitfall von der oder dem Handelnden nachgewie-sen werden. Um zu verhindern, dass sich der oder die Handelnde durch das bloße Bestrei-ten des Erhalts einer Gegenleistung auf die Ausnahme berufen kann, sieht Satz 3 eine Ver-mutung vor, dass eine Gegenleistung gewährt oder versprochen wurde. Diese Vermutung kann die oder der Handelnde durch Glaubhaftmachung entkräften, dass sie oder er keine Gegenleistung erhalten hat. Eine solche Glaubhaftmachung könnte zum Beispiel durch Quittung über den Kauf des erwähnten Produkts oder eine Bestätigung des Unternehmers erbracht werden, dass keine Gegenleistung für die Äußerung erfolgt ist. Als Mittel der Glaubhaftmachung kommt auch eine eidesstattliche Versicherung der oder des Handeln-den in Betracht. Sofern eine Glaubhaftmachung erfolgt, entfällt die Vermutungswirkung und es obliegt nach den allgemeinen Grundsätzen der Klägerin oder dem Kläger, konkrete Tat-sachen für das Vorliegen einer Gegenleistung vorzutragen und gegebenenfalls zu bewei-sen.

Zu § 5b UWG-E

Zu § 5b Absatz 1 UWG-E

§ 5b Absatz 1 enthält die Regelung des bisherigen § 5a Absatz 3 UWG.

In § 5b Absatz 1 Nummer 4 werden die Wörter „Verfahren zum Umgang mit Beschwerden“ gestrichen. Dies setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe a i) der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Die Streichung wird in Erwägungsgrund 40 damit begründet, dass diese Informationen nach den Ergebnissen der Eignungsprüfung des Verbraucher- und Marketingrechts in der vor-vertraglichen Phase am relevantesten sind und daher bei der Aufforderung zum Kauf in der Werbephase gemäß der Richtlinie 2005/29/EG entfallen können. Bei außerhalb von Ge-schäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen muss nach Arti-kel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Ge-setzbuche (EGBGB) über außergerichtliche Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren, de-nen der Unternehmer unterworfen ist, informiert werden.

Der neue § 5b Absatz 1 Nummer 6 setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe a ii) der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher eine informierte Entschei-dung darüber treffen können, ob sie die auf einem Online-Marktplatz angebotenen Waren oder Dienstleistungen erwerben möchten, bedarf es ausreichender Informationen über de-ren Anbieter, also den potentiellen späteren Vertragspartner. Hierzu gehört die Information darüber, ob es sich bei dem Anbieter um einen Unternehmer handelt. Denn nur, wenn dies der Fall ist, stehen den Verbraucherinnen und Verbrauchern die im Verbraucherschutzrecht der Europäischen Union vorgesehenen Ansprüche und Rechte zu. Daher wird durch den neuen § 5b Absatz 1 Nummer 6 die Liste der bei Angeboten zu einem Geschäftsabschluss wesentlichen Umstände beim Angebot von Waren oder Dienstleistungen über einen Online-Marktplatz entsprechend ergänzt. Der Betreiber des Online-Marktplatzes wird verpflichtet, von Anbietern von Waren oder Dienstleistungen zu verlangen, dass diese ihm gegenüber offenlegen, ob sie als Unternehmer im Sinne von § 2 Absatz 1 Nummer 8 UWG-E oder

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Verbraucher im Sinne von § 2 Absatz 2 UWG-E tätig werden; Verbraucherinnen und Ver-braucher müssen dann durch den Betreiber des Online-Marktplatzes über die (Selbst-) Ein-stufung informiert werden. Im Einklang mit § 7 Absatz 2 des Telemediengesetzes sind Be-treiber von Online-Marktplätzen nicht dazu verpflichtet, den Status von Anbietern anlassun-abhängig zu überprüfen. Im vorvertraglichen Bereich soll Artikel 246d § 1 Nummer 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Entwurfsfassung (EGBGB-E) eine vergleichbare Funktion erfüllen.

Zu § 5b Absatz 2 UWG-E

Der neue § 5b Absatz 2 setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Das Ranking eines Angebotes in den Ergebnissen einer Online-Suchan-frage hat regelmäßig erhebliche Auswirkung darauf, ob die Verbraucherinnen und Verbrau-cher sich überhaupt näher mit dem betreffenden Angebot beschäftigen. Auch ist es Ver-braucherinnen und Verbrauchern nicht möglich, die Bedeutung der Stellung eines Angebots im Ranking zu beurteilen, wenn sie keine Informationen darüber haben, nach welchen Kri-terien die Angebote als Ergebnis ihrer Suchanfrage präsentiert werden. Bietet ein Unter-nehmer daher Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit, nach Waren oder Dienstleistungen verschiedener Anbieter zu suchen, dürfen ihnen Informationen dazu, nach welchen Hauptparametern das Ranking der Angebote in den Ergebnissen der Online-Such-anfrage festgelegt wird und wie deren relative Gewichtung im Vergleich zu anderen Para-metern ist, nicht vorenthalten werden. Flankierend zu dieser neuen Transparenzpflicht ent-hält die neue Nummer 11a des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG das Verbot verdeckter Wer-bung in Suchergebnissen. Danach müssen bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen zur Beeinflussung des Rankings bei Suchergebnissen gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern offengelegt werden.

Da der Anwendungsbereich der neuen Transparenzpflicht unabhängig davon eröffnet ist, wo der Abschluss des Rechtsgeschäfts über die angebotenen Waren erfolgt, sind nach Absatz 2 – anders als nach Absatz 1 Nummer 6 – nicht nur Online-Marktplätze von der Transparenzpflicht erfasst. Das heißt, die Vorschrift gilt auch für sonstige Vermittlungs-dienste wie Vergleichsplattformen, unabhängig davon, ob sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern auf ihrer Plattform die Möglichkeit zum Vertragsschluss mit dem Anbieter der Waren oder Dienstleistungen bieten. Erforderlich ist aber, dass die Suche nach Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbieter ermöglicht wird. Nicht von der Vorschrift erfasst sind Online-Shops von Unternehmern, die nur ihre eigenen Waren oder Dienstleistungen anbieten. Ebenfalls nicht vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst sind Betreiber von Online-Suchmaschinen im Sinne des Artikels 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2019/1150. Hintergrund ist, dass in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1150 be-reits eine Pflicht der Betreiber von Online-Suchmaschinen zur öffentlichen Information über die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings und deren relativer Gewichtung ent-halten ist.

Nach Erwägungsgrund 22 der Richtlinie (EU) 2019/2161 sind Parameter für das Ranking alle allgemeinen Kriterien, Prozesse und spezifischen Signale, die in Algorithmen einge-bunden sind, oder sonstige Anpassungs- oder Rückstufungsmechanismen, die im Zusam-menhang mit dem Ranking eingesetzt werden. Ausreichend ist die Bereitstellung einer all-gemeinen Beschreibung der wichtigsten Parameter für die Festlegung des Rankings, in der die vom Unternehmer voreingestellten Hauptparameter sowie ihre relative Gewichtung im Verhältnis zu anderen Parametern erläutert werden. Die Beschreibung muss nicht in einer jeweils auf die einzelne Suchanfrage zugeschnittenen Form bereitgestellt werden.

Die Pflicht zur Information über die Hauptparameter zur Festlegung des Rankings gilt un-beschadet der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinfor-mationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nut-

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zung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1). Die Unternehmer sind nicht ver-pflichtet, die Funktionsweise ihrer Ranking-Systeme, einschließlich der Algorithmen, im De-tail offenzulegen.

Die Informationen müssen von der Anzeige der Suchergebnisse aus unmittelbar und leicht zugänglich sein. Nach Erwägungsgrund 22 der Richtlinie (EU) 2019/2161 sollten diese In-formationen knapp gehalten, leicht verständlich und an gut sichtbarer Stelle verfügbar ge-macht werden.

Zu § 5b Absatz 3 UWG-E

Der neue § 5b Absatz 3 UWG-E setzt Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe c der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Die Bewertungen und Empfehlungen anderer Verbraucherinnen und Ver-braucher stellen eine zunehmend wichtige Informationsquelle für die Kaufentscheidung dar. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten dabei zu Recht, dass solche Bewertungen auch tatsächlich von anderen Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen. Nach der Neuregelung gehören deshalb nunmehr auch Informationen darüber, ob und wie der Un-ternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, die die Waren tatsächlich genutzt oder erworben haben, zu den wesentlichen Informationen, die Verbraucherinnen und Verbrauchern vor einer geschäftli-chen Entscheidung nicht vorenthalten werden dürfen. Der Anwendungsbereich der Vor-schrift erfasst dabei nur solche Unternehmer, die selbst Verbraucherbewertungen zugäng-lich machen. Verweist der Unternehmer lediglich über einen Link auf Verbraucherbewer-tungen, die von Dritten über die von ihm angebotene Ware oder Dienstleistung veröffentlicht worden sind, besteht die Pflicht nicht.

Der Unternehmer muss darüber informieren, ob er vor Veröffentlichung der Verbraucher-bewertungen Maßnahmen zur Überprüfung ihrer Echtheit trifft. Ergreift er gar keine Maß-nahmen, muss er auch über diesen Umstand informieren. Wenn der Unternehmer entspre-chende Maßnahmen ergreift, muss er Informationen darüber bereitstellen, welche Pro-zesse und Verfahren er zur Prüfung der Echtheit der Verbraucherbewertungen ergreift. Bei-spielsweise kann der Unternehmer nur solche Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern zulassen, die die betreffenden Waren oder Dienstleistungen auch über seine Plattform erworben haben. Bereitgestellt werden müssen auch eindeutige Informationen dazu, wie mit Bewertungen im Rahmen dieses Prüfprozesses umgegangen wird, etwa nach welchen Kriterien Bewertungen aussortiert werden und ob alle Bewertungen — positive wie negative — veröffentlicht werden.

Ergänzt wird die neue Transparenzpflicht durch das in Nummer 23b des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG enthaltene Verbot der Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich genutzt oder erworben haben, ohne dass der Unternehmer durch angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen überprüft hat, ob dies tatsächlich der Fall ist. Stets unlauter ist nach der neuen Nummer 23c des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG zudem die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertungen oder Empfeh-lungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern sowie die falsche Darstellung von Bewer-tungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung.

§ 5b Absatz 4 enthält die Regelung des bisherigen § 5a Absatz 4 UWG.

Zu § 5c UWG-E

Zu § 5c Absatz 1 UWG-E

Der neu geschaffene § 5c UWG-E setzt Artikel 3 Nummer 6 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Durch diese Regelung wurde Artikel 13 der Richtlinie 2005/29/EG neu gefasst. In dem

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neuen Artikel 13 Absatz 3 werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nunmehr verpflichtet, sicherzustellen, dass sie bei der Verhängung von Sanktionen im Rahmen von koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 bei be-stimmten Verstößen gegen die Richtlinie 2005/29/EG auch Geldbußen verhängen können. Auf diese Weise soll eine europaweit einheitliche und damit effektivere Verbraucherrechts-durchsetzung gewährleistet werden. Absatz 1 normiert den sozialethischen Vorwurf, der die Bußgeldbewehrung rechtfertigt. Hierfür knüpft die Vorschrift an die Verletzung von Verbrau-cherinteressen durch in Absatz 2 näher bestimmte unlautere geschäftliche Handlungen an, welche einen weitverbreiteten Verstoß oder einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Di-mension nach Artikel 3 Nummer 3 oder Nummer 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 darstel-len. Das Vorliegen des Verdachts eines weitverbreiteten oder weitverbreiteten Verstoßes mit Unions-Dimension ist auch Voraussetzung für die Einleitung einer koordinierten Durch-setzungsmaßnahme.

Zu § 5c Absatz 2 UWG-E

Absatz 2 führt im Einzelnen auf, wann nach den das jeweilige verbraucherschützende Uni-onsrecht umsetzenden deutschen Vorschriften eine Verletzung von Handlungspflichten vorliegt, die in dem in Artikel 3 Nummer 3 und 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 festgeleg-ten Ausmaß verboten ist. Nach dem neuen Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG muss grundsätzlich bei allen Verstößen gegen die Richtlinie die Sanktionierung durch eine Geldbuße möglich sein. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union können aber aus ver-fassungsrechtlichen Gründen die Sanktionierung von Verstößen gegen die Generalklausel in Artikel 5 der Richtlinie 2005/29/EG auf Zweitverstöße des Unternehmens beschränken (Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b).

Absatz 2 Nummer 1 erfasst die Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere ge-schäftliche Handlungen nach § 3 Absatz 3 UWG in Verbindung mit dem Anhang. Die Re-gelungen setzen Artikel 5 Absatz 5 in Verbindung mit dem Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG um.

Absatz 2 Nummer 2 erfasst die Verletzung von Verbraucherinteressen durch aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a Absatz 1 Satz 1 UWG. Die Regelung setzt Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG um.

Absatz 2 Nummer 3 erfasst die Verletzung von Verbraucherinteressen durch irreführende geschäftliche Handlungen nach § 5 Absatz 1 oder nach dem neugefassten § 5a Absatz 1 UWG. Die Regelungen setzen Artikel 6 und 7 der Richtlinie 2005/29/EG um.

Absatz 2 Nummer 4 erfasst unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1, sofern die Handlung nicht bereits von Nummer 1 bis 3 erfasst wird. Durch diese Regelung wird von der durch den neu gefassten Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2005/29/EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Sanktionierung für Verstöße gegen das generelle Verbot unlauterer Geschäftspraktiken in Artikel 5 der Richtlinie 2005/29/EG nur für wiederholte Verstöße des Betroffenen vorzuse-hen. Das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot gebietet diese Einschränkung der Sanktio-nierungsmöglichkeit. Nach dem Bestimmtheitsgebot müssen mit einer Geldbuße bewehrte Handlungsverbote so klar formuliert sein, dass die Adressatin oder der Adressat der Norm vorhersehen können soll, welches Verhalten verboten und mit Geldbuße bewehrt ist. Arti-kel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2005/29/EG, der durch § 3 Absatz 1 UWG umgesetzt wird, beschränkt sich auf die Formulierung des generellen Verbots unlauterer Geschäftsprakti-ken. Auch durch die in Artikel 5 Absatz 2 enthaltene Konkretisierung, welche in § 3 Absatz 2 UWG umgesetzt wird, erfährt dieses Verbot keine für eine Bußgeldbewehrung hinreichende Konkretisierung. Nach § 3 Absatz 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und dazu geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern wesentlich zu be-einflussen. Daher ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich, von der durch

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Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu ma-chen und die Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen das generelle Verbot unlauterer Geschäftspraktiken auf Zweitverstöße zu beschränken.

Soweit daher Handlungen der oder des Betroffenen zwar eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Absatz 1 UWG darstellen, jedoch nicht von den dieses Verbot konkre-tisierenden Unlauterkeitstatbeständen in den §§ 4a, 5 und 5a UWG oder durch den Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG erfasst sind, ist eine Sanktionierung des Verstoßes durch eine Geld-buße erst im Fall eines Zweitverstoßes möglich. Das heißt, dass der oder dem Betroffenen das gleiche Verhalten bereits zuvor durch eine vollziehbare Anordnung der zuständigen Behörde oder eine vollstreckbare Entscheidung eines Gerichts untersagt worden sein muss.

Zu § 5c Absatz 3 UWG-E

Absatz 3 erweitert die Fälle der nach Absatz 1 verbotenen Verletzungen von Verbraucher-interessen auf solche Fälle, in denen die in Absatz 2 aufgeführten tatsächlichen Vorausset-zungen erfüllt sind, auf die betreffende geschäftliche Handlung aber nicht das deutsche Recht Anwendung findet, sondern das Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäi-schen Union. So ordnet Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europä-ischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuld-verhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (ABl. L 199 vom 31.07.2007, S. 40) für außer-vertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten grundsätzlich die Geltung des Marktortprinzips an. Danach ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Ergibt sich danach für die betreffende geschäftliche Handlung die Geltung der Rechtsord-nung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, so liegt ein Verstoß gegen das Verbot nach Absatz 1 vor, wenn die geschäftliche Handlung bei Geltung des deutschen Rechts eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von Absatz 2 darstellen würde und das Recht des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union den in Absatz 2 in Bezug genommenen Normen entsprechende Vorgaben enthält. Auf diese Weise wird sicherge-stellt, dass auch grenzüberschreitende Verstöße von in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Unternehmen gegen Vorschriften anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die das betreffende verbraucherschützende Unionsrecht umsetzen, mit einer Geld-buße belegt werden können. Davon, dass die Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaa-ten der Europäischen Union dem deutschen Recht entsprechende Vorschriften enthalten, ist aufgrund der gemeinsamen Grundlage im Unionsrecht auszugehen. Die in Absatz 2 un-ter Bezugnahme auf das nationale deutsche Recht zugrunde gelegten Handlungs- und Un-terlassungspflichten gehen auf die Richtlinie 2005/29/EG zurück, die im Grundsatz vollhar-monisierend ist und es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union daher verwehrt, von den Vorgaben der Richtlinie abweichende Regelungen zu erlassen.

Die Ausweitung der verbotenen Verletzungen von Verbraucherinteressen auf die in Ab-satz 3 normierten Fälle ist notwendig, um der nach der CPC-Verordnung zuständigen nati-onalen deutschen Behörde die Möglichkeit zu verschaffen, gemäß den Vorgaben des Arti-kels 21 der CPC-Verordnung gerade auch in diesen Fällen in ihrem Zuständigkeitsbereich Geldbußen zu verhängen.

Zu Nummer 4 (§ 7 UWG-E)

Zu Buchstabe a

§ 7 Absatz 2 Nummer 1 UWG wird in Nummer 26 des Anhangs verschoben. Dies entspricht der Struktur der Richtlinie 2005/29/EG, nach der unzulässiges hartnäckiges Ansprechen über Fernabsatzmittel stets eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt.

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Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine durch Buchstabe a bedingte Folgeänderung.

Zu Nummer 5 (§ 9 UWG-E)

§ 9 Absatz 1 UWG-E enthält den bisherigen § 9 Satz 1 UWG, welcher den Schadenser-satzanspruch von Mitbewerbern regelt, die durch schuldhafte unzulässige geschäftliche Handlungen nach §§ 3 oder 7 UWG geschädigt worden sind.

Der neue § 9 Absatz 2 UWG-E setzt Artikel 3 Nummer 5 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Dieser ergänzt die Richtlinie 2005/29/EG um einen neuen Artikel 11a, welcher die Mitglied-staaten der Europäischen Union in Absatz 1 Satz 1 dazu verpflichtet, Verbraucherinnen und Verbrauchern Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des entstandenen Schadens sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendi-gung des Vertrages zu gewährleisten. Damit werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nunmehr erstmals dazu verpflichtet, bei Verstößen gegen nationale Vorschriften, mit denen die Vorgaben der Richtlinie umgesetzt werden, individuell im Klageweg durchsetz-bare Ansprüche und Rechte für Verbraucherinnen und Verbraucher vorzusehen. Dies gilt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Ersatz des durch die betreffende unlautere geschäft-liche Handlung kausal entstandenen Schadens ohne Einschränkung. Denn während die Aufzählung der weiteren Rechtsbehelfe in Artikel 11a Absatz 1 Satz 1 wie Preisminderung und Vertragsbeendigung mit der Einschränkung „gegebenenfalls“ eingeleitet wird, steht die Verpflichtung zur Schaffung eines Anspruchs auf Schadensersatz nicht unter einem sol-chen Vorbehalt. Daraus folgt, dass für jeden Verstoß gegen eine die Richtlinie umsetzende Vorschrift ein individueller Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Ersatz des ihnen entstandenen Schadens vorgesehen sein muss. Im Übrigen können die Mitgliedstaa-ten der Europäischen Union allerdings die Voraussetzungen für die Anwendung und die Rechtsfolgen der Ansprüche frei bestimmen, solange die eingeräumten Ansprüche und Rechte Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam schützen.

Durch die nach der gegenwärtigen Rechtslage bestehenden Ansprüche und Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern aus dem bürgerlichen Recht, welche auch zur Besei-tigung der Folgen einer unlauteren geschäftlichen Handlung eingreifen können, besteht für Verbraucherinnen und Verbraucher bereits ein weitgehender, aber mit Blick auf die Vorga-ben der Richtlinie nicht lückenloser Schutz. Insbesondere ist bisher nicht hinreichend si-chergestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gegen unlauter handelnde Unterneh-mer einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn zwischen ihnen kein Vertragsver-hältnis entstanden ist. Dies gilt zum Beispiel im Hinblick auf die Frage, ob Verbraucherinnen und Verbraucher in den sogenannten „Anlockfällen“, also Irreführungen des Unternehmers über die Verfügbarkeit einer als besonders günstig beworbenen Ware, die der Unternehmer nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorhält, Er-satz frustrierter Aufwendungen für das vergebliche Aufsuchen des Geschäfts verlangen können. Werden Verbraucherinnen oder Verbraucher nach einem Identitätsdiebstahl von einem Inkassounternehmen zur Bezahlung tatsächlich nicht bestellter Waren oder Dienst-leistungen aufgefordert, kann dies nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Absatz 1 Satz 2 Alternative 1 UWG darstellen (BGH, Urteil vom 6.6.2019 – I ZR 216/17). Der neu eingeführte Schadensersatzanspruch kommt in diesen Fällen schon bei einem fahrlässigen Handeln des Unternehmers als An-spruchsgrundlage für die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverteidigungskosten der Ver-braucherinnen und Verbraucher in Betracht. Im Verhältnis zu irreführenden Herstellern ha-ben Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn kein Vertragsverhältnis oder vorvertragli-ches Schuldverhältnis im Sinne von §§ 311 Absatz 2, 241 Absatz 2 BGB entstanden ist, aus dem bürgerlichen Recht nur Ansprüche bei vorsätzlichem Handeln. Im Fall der aggres-siven geschäftlichen Handlungen nach § 4a UWG bestehen nach den Regelungen des bür-gerlichen Rechts vor allem dann Ansprüche und Rechte von Verbraucherinnen und Ver-brauchern, soweit diese durch eine Drohung im Sinne von § 123 Absatz 1 BGB zu einer

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geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sind. Der Tatbestand des § 4a UWG er-fasst aber auch andere Zwangssituationen, in denen psychisch wirkender Zwang ausgeübt wird, Überrumpelungssituationen herbeigeführt werden, und Notlagen oder Gefühle ausge-nutzt werden, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen. Auch in solchen Konstellationen sind die nach geltendem Recht bestehenden Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Schadensersatz nicht lückenlos.

Der neue § 9 Absatz 2 Satz 1 UWG-E schließt solche Lücken, indem er das UWG um einen individuellen Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher ergänzt. Hierdurch wird sichergestellt, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern, denen durch schuldhafte Verstöße von Unternehmern gegen die Richtlinie 2005/29/EG umsetzende Vor-schriften ein Schaden entstanden ist, auch ein Anspruch auf Ersatz dieses Schadens zu-steht. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die unlautere geschäftliche Handlung von dem Vertragspartner ausgeht, sondern auch im Hinblick auf unlautere geschäftliche Handlungen Dritter. So haben Verbraucherinnen und Verbraucher, denen durch schuldhafte irrefüh-rende Werbeäußerungen des Herstellers ein Schaden entstanden ist, gegen diesen nun-mehr einen Anspruch auf Ersatz des durch die schuldhafte irreführende Werbeäußerung entstandenen Schadens. Damit wird ein klarer und umfassender Rechtsrahmen zur Besei-tigung der individuellen Folgen unlauterer geschäftlicher Handlungen geschaffen.

Der Schadensersatzanspruch besteht nur, wenn Verbraucherinnen oder Verbraucher durch die betreffende vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommene unzulässige geschäftliche Hand-lung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sind, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, und ihnen hierdurch ein Schaden entstanden ist. Der Begriff der geschäft-lichen Entscheidung ist in § 2 Nummer 1 UWG-E definiert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Begriff der geschäftlichen Entscheidung weit auszulegen und erfasst nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb einer Ware oder Dienstleistung, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie die Entscheidung über das Aufsuchen eines Geschäfts aufgrund einer irreführenden Wer-beaussage über die Verfügbarkeit einer als besonders günstig beworbenen Ware (EuGH, Urteil vom 19.12.2013 – C-281/12 (Trento Sviluppo/ Autorità Garante della Concorrenza e del Marcato)). Damit sind auch die oben angeführten „Anlockfälle“ von dem Anwendungs-bereich des Schadensersatzanspruchs erfasst. Das Tatbestandsmerkmal dient der Präzi-sierung des erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen der unzulässigen geschäftli-chen Handlung und dem den Verbraucherinnen und Verbrauchern entstandenen Schaden. Hierzu knüpft der Tatbestand an das Merkmal der geschäftlichen Relevanz der geschäftli-chen Handlung des Unternehmers für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher an. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich jeweils auch in der Definition der unlauteren geschäftlichen Handlung nach § 4a Absatz 1 Satz 1, § 5 Absatz 1 Satz 1 und in § 5a Ab-satz 1 Nummer 2 sowie in der Verbrauchergeneralklausel in § 3 Absatz 2 über die Definition einer „wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ in § 2 Nummer 11 wieder. In diesem Zusammenhang ist diese Voraussetzung allerdings jeweils abstrakt-generell formuliert, indem darauf abgestellt wird, dass die geschäftliche Handlung geeignet sein muss, Verbraucherinnen oder Verbraucher zu einer Entscheidung zu veran-lassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Für das Vorliegen des Schadensersatz-anspruchs muss sich dieses abstrakt-generelle Risiko in einem ihnen individuell entstande-nen Schaden realisiert haben, indem die betreffenden Verbraucherinnen oder Verbraucher durch die unlautere geschäftliche Handlung im konkreten Einzelfall zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sind, die sie andernfalls nicht getroffen hätten und ihnen hierdurch ein Schaden entstanden ist.

Der Schadensersatzanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher verjährt, wie auch der Schadensersatzanspruch der Mitbewerber nach § 9 Absatz 1 UWG-E, in sechs Mona-ten (§ 11 Absatz 1 UWG). Der Beginn der Verjährungsfrist richtet sich nach § 11 Absatz 2 UWG.

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Der Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher steht in freier An-spruchskonkurrenz zu den bereits bestehenden Ansprüchen des bürgerlichen Rechts. Das heißt, die Verbraucherinnen und Verbraucher können bei Vorliegen der jeweiligen Voraus-setzungen frei entscheiden, ob sie gegen den Schädiger den Schadensersatzanspruch aus § 9 Absatz 2 Satz 1 UWG-E oder einen ebenfalls bestehenden Gewährleistungs- oder au-ßervertraglichen Haftungsanspruch geltend machen. Die Ergänzung des UWG um einen individuellen Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher soll nichts daran ändern, dass die Vorschriften des UWG (mit Ausnahme der Strafnorm des § 16 UWG) grundsätzlich keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB sind, wie es auch bisherigem Verständnis entspricht (vergleiche Bundestagsdrucksache 15/1487, S. 22). Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruchs richten sich nach den allgemei-nen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB. Danach richtet sich der Anspruch regelmäßig nur auf das negative Interesse, das bedeutet, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vom Schä-diger so zu stellen sind, als wäre die unzulässige geschäftliche Handlung nicht vorgenom-men und die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu der jeweiligen geschäftlichen Ent-scheidung veranlasst worden.

Um dem Grundsatz der „1:1-Umsetzung“ Rechnung zu tragen, erfasst der Schadensersatz-anspruch nur Verstöße gegen Vorschriften, die die Richtlinie 2005/29/EG umsetzen. Das gilt zum einen nicht für den neu gefassten § 7 UWG-E, soweit er Verbraucherinnen und Verbraucher betrifft, weshalb insoweit eine unzulässige geschäftliche Handlung nach § 7 UWG Verbraucherinnen und Verbrauchern keinen Schadensersatzanspruch nach § 9 Ab-satz 2 UWG-E eröffnet. Zum anderen fallen damit auch unlautere geschäftliche Handlun-gen nach §§ 3a, 4 und 6 UWG nicht in den Anwendungsbereich des neuen Schadenser-satzanspruchs.

Dadurch, dass die neu gefasste Nummer 26 des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG nunmehr gleichlaufend zu dem entsprechenden Verbotstatbestand aus der Richtlinie 2005/29/EG das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in Form von Werbung mittels Telefonanrufen erfasst, sind diese besonders gravieren-den Fälle unerlaubter Werbung in den Anwendungsbereich des Schadensersatzanspruchs einbezogen. Soweit Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund eines solchen Verstoßes zum Abschluss eines wirtschaftlich nachteiligen Vertrages veranlasst worden sind, kann im Wege der Naturalrestitution nach § 249 Absatz 1 BGB unter Umständen auch ein Anspruch auf Aufhebung des Vertrages bestehen.

§ 9 Absatz 3 UWG-E enthält das bisher in § 9 Satz 2 UWG geregelte „Presseprivileg“, also die Begrenzung der Schadensersatzhaftung der Presse auf vorsätzliche Handlungen. Die Privilegierung erstreckt sich nunmehr auch auf den neu geschaffenen Schadensersatzan-spruch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Da sich die wettbewerbsrechtliche Verant-wortlichkeit der Presse grundsätzlich auch auf fremdverfasste Inhalte, insbesondere Anzei-gen, bezieht, ist es auch im Verhältnis zu Verbraucherinnen und Verbrauchern sachgerecht, dass die Haftung auf vorsätzliche Verstöße beschränkt ist. Eine Einbeziehung fahrlässiger Verstöße würde einen unzumutbaren personellen und zeitlichen Mehraufwand bei der Überprüfung von Anzeigen und eine unzumutbare Reduzierung der regelmäßig existenz-notwendigen Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft bedeuten. Die Einschränkung des Schadensersatzanspruches ist daher zur Sicherstellung der in Artikel 5 Absatz 1 GG und in Artikel 11 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten Freiheit der Presse gerechtfertigt. Da die Regelung im Übrigen nicht Personen erfasst, wel-che den Inhalt der Anzeige gestaltet haben, bleibt es den Verbraucherinnen und Verbrau-chern unbenommen, Schadensersatzansprüche gegen diese geltend zu machen.

Zu Nummer 6 (§ 14 UWG-E)

Abweichend von den Absätzen 1 bis 3, welche für sonstige bürgerlich-rechtliche Streitigkei-ten, mit denen ein Anspruch auf Grund des UWG geltend gemacht wird, abschließende Sonderregelungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der Gerichte treffen, richtet

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sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit für bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeiten, mit denen der individuelle Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher nach § 9 Absatz 2 Satz 1 UWG-E geltend gemacht wird, nach den allgemeinen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit. In Abhängigkeit des jeweiligen Streitwertes kann damit auch die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet sein. Zwar werden hierdurch in Zukunft gerichtliche Entscheidungen über Wettbewerbssachen nicht mehr nur bei den Landgerichten konzentriert sein, jedoch wird so verhindert, dass die Landgerichte mit einer Vielzahl von zu erwartenden Verfahren mit geringen Streitwerten belastet werden, für die sie andernfalls nicht zuständig wären. Dies erscheint insbesondere auch im Hinblick darauf nicht angemessen, dass bei Eröffnung der sachlichen Zuständigkeit der Landgerichte nach § 95 Absatz 1 Nummer 5 GVG die Kammern für Handelssachen funktionell zuständig sind. In diesem Fall also in der Besetzung eines Berufsrichters als Vorsitzenden und zweier eh-renamtlicher Richter entschieden würde. Zudem würde die Kammer für Handelssachen dann über einen Rechtsstreit entscheiden, an dem Verbraucherinnen oder Verbraucher be-teiligt sind. Auch dürfte gerade in den Fällen, in denen Unternehmer und Verbraucherinnen und Verbraucher durch einen Vertrag verbunden sind, für den gleichen Lebenssachverhalt neben dem Anspruch aus § 9 Absatz 2 Satz 1 UWG auch Ansprüche aus dem bürgerlichen Recht, zum Beispiel kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche, in Betracht kommen. Dies könnte ebenfalls dazu beitragen, dass die betreffenden Kammern für Handelssachen mit einer Vielzahl neuer Sachverhalte befasst wären, die ihrer eigentlichen Spezialisierung nicht entsprechen. Zudem könnte eine Zuständigkeit der Landgerichte mit dem hiermit ver-bundenen Anwaltszwang gerade bei kleineren Streitwerten Verbraucherinnen und Verbrau-cher davon abschrecken, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Der sowieso schon festzustellenden so genannten rationalen Apathie, solche Ansprüche wegen des damit ver-bundenen Aufwands nicht geltend zu machen, soll durch den neuen Anspruch aber gerade entgegengewirkt werden.

Zu Nummer 7 (§ 19 UWG-E)

Zu § 19 Absatz 1 UWG-E

Absatz 1 der Bußgeldvorschrift legt den Tatbestand fest, dessen Verletzung mit einer Geld-buße geahndet werden kann. Gemäß den unionsrechtlichen Vorgaben, die keine Beschrän-kung auf eine bestimmte Schuldform vorsehen, wird sowohl vorsätzliches als auch fahrläs-siges Handeln erfasst.

Zu § 19 Absatz 2 UWG-E

Absatz 2 bestimmt den Bußgeldrahmen, innerhalb dessen Ordnungswidrigkeiten nach Ab-satz 1 geahndet werden können. Einer Umsetzung der in dem neugefassten Artikel 13 Ab-satz 2 der Richtlinie 2005/29/EG genannten Zumessungskriterien für die Höhe von Sankti-onen bedarf es nicht. Diese sind bereits nach § 17 Absatz 3 OWiG bei der Zumessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Zur Anwendung bei der Bemessung der Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG siehe Karlsruher Kommentar/Rogall, 5. Auflage 2018, 30 Rn. 136, 140). Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip können sich weitere zumessungsrelevante Umstände ableiten lassen.

In Absatz 2 Satz 1 wird zunächst ein Sockelbetrag für die Bemessung des Bußgeldrahmens bestimmt. Dieser legt die Obergrenze für den Bußgeldrahmen auf bis zu 50 000 Euro fest. Der Bußgeldrahmen orientiert sich an ähnlichen Regelungen mit verbraucherschützendem Charakter, die Obergrenzen für den Bußgeldrahmen zwischen 25 000 Euro und 300 000 Euro normieren. So sieht beispielsweise § 3 Wirtschaftsstrafgesetz 1954 in Verbindung mit § 10 der Preisangabenverordnung für Verstöße gegen die Preisangabenverordnung einen Bußgeldrahmen von bis zu 25 000 Euro vor, das Gesetz über außergerichtliche Rechts-dienstleistungen sieht für Verstöße einen Bußgeldrahmen von bis zu 50 000 Euro vor. Die in § 20 Absatz 2 UWG normierte Bußgeldobergrenze für gemäß § 7 Absatz 1 in Verbindung

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mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 2 UWG-E (bisher Absatz 2 Nummer 2 und 3) uner-laubte Werbeanrufe beträgt 300 000 Euro. Die Bußgeldobergrenze von 50 000 Euro trägt auch dem besonderen Unrechtsgehalt Rechnung, der sich daraus ergibt, dass bei einem weitverbreiteten Verstoß oder einem weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension nach Artikel 3 Nummer 3 oder 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 die kollektiven Interessen einer großen Zahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern in mehreren europäischen Ländern gefährdet sein müssen.

Absatz 2 Satz 2 sieht für die Unternehmen, deren Jahresumsatz so hoch ist, dass 4 Prozent von diesem den Sockelbetrag von 50 000 Euro übersteigen, einen abweichenden Bußgeld-rahmen vor. Dies betrifft Unternehmen mit einem Jahresumsatz in Höhe von mehr als 1 250 000 Euro. In diesen Fällen kann eine Geldbuße bis zu einer Obergrenze in Höhe von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes festgelegt werden. Damit setzt die Vorschrift auch für Unternehmer mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 250 000 Euro die Vorgaben des neu gefassten Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG um, wonach der Höchstbetrag der Geldbuße auf mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmers in den betref-fenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union festzulegen ist. Eine Möglichkeit, vor dem Hintergrund des jeweiligen nationalen Ordnungswidrigkeitenrechts, diesen flexiblen Rah-men unberücksichtigt zu lassen, sieht die Richtlinie nicht vor. Das deutsche Recht kennt schon heute, zum Beispiel in § 81 Absatz 4 Satz 2 GWB und § 56 Absatz 3 GwG, Bußgeld-tatbestände, die für Unternehmen und Unternehmensvereinigungen flexible Bußgeldrah-men vorsehen. Der Bundesgerichtshof, der mit der Regelung des § 81 Absatz 4 Satz 2 GWB befasst war, hat zumindest im Hinblick auf an den Umsatzzahlen orientierte Sankti-onsgrenzen keine verfassungsrechtlichen Bedenken festgestellt (vergleiche BGH, Be-schluss vom 26.2.2013 – KRB 20/12).

Absatz 2 Satz 3 eröffnet die Möglichkeit, die Höhe des Jahresumsatzes zu schätzen. Im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung wird von dieser Möglichkeit regelmäßig nur dann Gebrauch zu machen sein, wenn der Jahresumsatz nicht ohne erhebliche Schwierig-keiten festgestellt werden kann. Je nach dem Ergebnis der Schätzung ergibt sich der Buß-geldrahmen aus Satz 1 oder aus Satz 2.

Absatz 2 Satz 4 setzt den neu gefassten Artikel 13 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29/EG um. Liegen keine Informationen über den Jahresumsatz vor, auch keine solchen, die eine Schätzung des Jahresumsatzes ermöglichen, ist von einem Bußgeldrahmen von bis zu zwei Millionen Euro auszugehen. Satz 1 und Satz 2 finden in diesen Fällen keine Anwen-dung. In den Fällen des Satzes 5 gilt auch dann der Bußgeldrahmen des Satzes 1, wenn der Umsatz des Unternehmers nicht geschätzt werden kann. Satz 4 findet insoweit keine Anwendung.

Absatz 2 Satz 5 regelt den Bußgeldrahmen für einen Täter oder Beteiligten, der nicht (selbst) Unternehmer ist, aber im Sinne des § 9 OWiG für einen Unternehmer handelt, und für einen Beteiligten im Sinne von § 14 Absatz 1 Satz 2 OWiG, der nicht (selbst) Unterneh-mer ist. Für diese Personen gilt nach der in Satz 5 getroffenen Regelung der in Satz 1 fest-gelegte Rahmen von 50 000 Euro, wobei die finanziellen Verhältnisse des jeweiligen Be-troffenen bei der konkreten Zumessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind. Da sich die aus Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG ergebende Vorgabe, ein umsatzabhän-giges Bußgeld vorzusehen, lediglich auf Unternehmer bezieht, kann für solche Personen, die nicht selbst das besondere persönliche Merkmal „Unternehmer“ erfüllen, ein abweichen-der Bußgeldrahmen festgelegt werden. Ein am Umsatz des Unternehmens orientierter Buß-geldrahmen wäre auch nicht sachgemäß. Durch die Regelung wird verhindert, dass bei-spielsweise der nach Absatz 1 ordnungswidrig handelnde Geschäftsführer einer GmbH, die ein Unternehmen betreibt, dem Bußgeldrahmen nach Satz 2 bis 4 unterliegt. Das Gleiche gilt für an der Ordnungswidrigkeit beteiligte „einfache“ Angestellte, die nicht unter § 9 OWiG fallen.

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Absatz 2 Satz 6 ermöglicht, dass eine Geldbuße, die nach § 30 Absatz 1 OWiG gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung verhängt werden soll, im Höchstmaß nicht durch den Bußgeldrahmen der für sie handelnden natürlichen Personen begrenzt wird. Grundsätzlich koppelt § 30 Absatz 2 Satz 2 OWiG den für juristische Personen oder Perso-nenvereinigungen geltenden Bußgeldrahmen an den Bußgeldrahmen, welcher für die für sie handelnden natürlichen Personen gilt. Dies hätte zur Folge, dass auch für die juristische Person oder Personenvereinigung der nach Absatz 2 Satz 5 geltende Bußgeldrahmen von bis zu 50 000 Euro – unabhängig vom Jahresumsatz des Unternehmens – gelten würde. Dies würde aber im Hinblick auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 250 000 Euro der sich aus dem neuen Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG er-gebenen Vorgabe widersprechen, wonach der Höchstbetrag der Geldbuße auf mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmers in den betreffenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union festzulegen ist. Durch die Regelung in Absatz 2 Satz 6 wird daher si-chergestellt, dass sich der Bußgeldrahmen auch für juristische Personen oder Personen-vereinigungen nach den in Absatz 2 Satz 1 bis 4 geregelten Grundsätzen bestimmt. Begeht also etwa der Geschäftsführer einer GmbH eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1, richtet sich zwar der Bußgeldrahmen für diesen über Absatz 2 Satz 5 nach Absatz 2 Satz 1 (Geld-buße bis zu 50 000 Euro), die GmbH kann jedoch bei einem entsprechenden Jahresumsatz nach dem in Satz 2 bis 4 festgelegten Bußgeldrahmen belangt werden.

Zu § 19 Absatz 3 UWG-E

Absatz 3 regelt, dass die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 1 im Rahmen der koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 erfolgt. Der neu eingefügte Bußgeldtatbestand ermöglicht eine europaweit einheitliche und damit effektivere Verbraucherrechtsdurchsetzung bei Vorliegen eines weitverbreiteten Verstoßes oder eines weitverbreiteten Verstoßes mit Unions-Dimension im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/2394. Zur Beendigung solcher Verstöße sowie zur Ermöglichung einer Kompensation der durch den Verstoß geschädigten Verbraucherinnen und Verbrau-cher sieht die Verordnung (EU) 2017/2394 einen koordinierten Ermittlungs- und Durchset-zungsmechanismus vor, in dessen Rahmen die von dem weitverbreiteten Verstoß betroffe-nen Behörden alle erforderlichen Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um die Beendigung oder Untersagung des Verstoßes zu erreichen sowie eine Abhilfezusage des Unterneh-mens entgegen zu nehmen, das den Verstoß begangen hat. Mit der neu geschaffenen Bußgeldnorm wird nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland die erforderliche Rechts-grundlage für eine Verhängung der in Artikel 21 Absatz 1 Satz 2 CPC-Verordnung aufge-führten Sanktionen gegen den verantwortlichen Unternehmer, wie zum Beispiel Geldbußen oder Zwangsgelder, geschaffen.

Zu § 19 Absatz 4 UWG-E

Absatz 4 benennt die für die Festsetzung des Bußgeldes jeweils sachlich zuständige Ver-waltungsbehörde. Gemäß § 2 Nummer 1 EU- Verbraucherschutzdurchführungsgesetz ist das Bundesamt für Justiz für die Durchführung der Verordnung (EU) 2017/2394 unter an-derem dann zuständig, wenn die Zuwiderhandlung die Voraussetzungen eines weitverbrei-teten Verstoßes oder weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimension gegen die zur Um-setzung der Richtlinie 2005/29/EG erlassenen Rechtsvorschriften erfüllt. Wenn solche Zu-widerhandlungen von Unternehmen im Sinne von § 2 Nummer 2 EU-Verbraucherschutz-durchführungsgesetz ausgehen, ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu-ständig. Handelt es sich um ein Unternehmen im Sinne von § 2 Nummer 4 EU- Verbrau-cherschutzdurchführungsgesetz, ist die nach Landesrecht zuständige Behörde zuständig. Entsprechend sind diese Behörden auch als die jeweils sachlich zuständige Verwaltungs-behörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 OWiG zu benennen.

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Zu Nummer 8 (§ 20 UWG-E)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung. Da der bisherige § 7 Absatz 2 Num-mer 1 UWG in Nummer 26 des Anhangs verschoben wurde, befindet sich die Regelungen des bisherigen § 7 Absatz 2 Nummer 2 und 3 UWG, auf die § 20 Absatz 1 Nummer 1 UWG Bezug nimmt, nunmehr in § 7 Absatz 2 Nummer 1 und 2 UWG-E.

Zu Nummer 9 (Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG)

Die Nummerierung des Anhangs wird an die des Anhangs zur Richtlinie 2005/29/EG ange-glichen. Zudem werden die Tatbestände des Anhangs nach dem Vorbild der Richtlinie nach irreführenden und aggressiven geschäftlichen Handlungen aufgeteilt und mit einer entspre-chenden Zwischenüberschrift versehen. Außerdem erhalten die jeweiligen Tatbestände ei-gene Überschriften zur Verbesserung der Orientierung. Eine inhaltliche Änderung ist mit der Einfügung von Überschriften nicht verbunden.

Die neue Nummer 11a enthält das Verbot ungekennzeichneter Werbung oder verdeckter Zahlungen für eine Beeinflussung des Rankings bei Suchergebnissen auf Grund der On-line-Suchanfrage von Verbraucherinnen oder Verbrauchern. Hiermit wird Artikel 3 Num-mer 7 Buchstabe a der Richtlinie (EU) 2019/2161 umgesetzt. Online-Suchfunktionen kön-nen von unterschiedlichen Arten von Online-Anbietern bereitgestellt werden, darunter Ver-mittler wie Online-Marktplätze, Suchmaschinen und Vergleichswebsites. Der Verbotstatbe-stand richtet sich gegen die verdeckte Beeinflussung des Rankings durch erkaufte Platzie-rungen. Bezahlte Werbung in Rankings oder Zahlungen, die speziell dazu dienen, das Ran-king zu beeinflussen, sind nur dann zulässig, wenn sie eindeutig offengelegt werden. Die Information hierüber muss in kurzer, einfach zugänglicher und verständlicher Weise erfol-gen. Nach Erwägungsgrund 20 der Richtlinie (EU) 2019/2161 wird auch eine Bezahlung erfasst, die mittelbar zur Verbesserung der Position in dem Ranking führt, etwa indem der Unternehmer zusätzliche Verpflichtungen jeglicher Art gegenüber dem Anbieter der Such-funktion eingeht, die sich positiv auf die Position seiner Angebote im Ranking auswirken. Mittelbare Bezahlungen können auch die Zahlung einer erhöhten Provision pro Transaktion oder unterschiedliche Vergütungsregelungen zur gezielten Erreichung eines höheren Ran-kings sein. Keine mittelbaren Zahlungen stellen dagegen Zahlungen für allgemeine Dienst-leistungen wie Gebühren für die Listung oder Mitgliedsbeiträge dar, die eine breite Palette an Funktionen abdecken, die der Anbieter der Online-Suchmaschine für den Unternehmer erbringt, sofern diese Zahlungen nicht dazu bestimmt sind, ein höheres Ranking zu bewir-ken.

Nach der neuen Nummer 23a ist stets unlauter der Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen an Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn der Unternehmer diese Ein-trittskarten unter Verwendung von Software wie Bots erworben hat, die technische Be-schränkungen des Erstverkäufers in Bezug auf die Zahl der von einer Person zu erwerben-den Eintrittskarten oder andere für den Verkauf der Eintrittskarten geltende Regeln umge-hen. Damit wird Artikel 3 Nummer 7 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 umgesetzt. Bereits nach derzeitiger Rechtslage kann nach der Rechtsprechung ein Verstoß gegen § 4 Nummer 4 UWG vorliegen, wenn eine Käuferin oder ein Käufer beim Ankauf von Eintritts-karten den Veranstalter, der die Eintrittskarten ausschließlich selbst vermarktet und vertrag-lich den gewerblichen Weiterverkauf verbietet, über die Wiederverkaufsabsicht täuscht (so genannter Schleichbezug). Diese Rechtsprechung ist umfassender als der neue Verbots-tatbestand in Nummer 23a, da sie nicht auf den Verkauf von Eintrittskarten gegenüber Ver-braucherinnen und Verbrauchern beschränkt ist und auch nicht-automatisierte Verfahren zur Umgehung der Beschränkungen erfasst. Da der Tatbestand des § 4 Nummer 4 UWG allein dem Mitbewerberschutz dient und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG fällt, wird dieser Tatbestand auch in Zukunft neben dem neu ergänz-ten verbraucherschützenden Verbotstatbestand in Nummer 23a anwendbar bleiben, so dass auch die oben erwähnte Rechtsprechung weiterhin fortgesetzt werden kann.

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Nach der neuen Nummer 23b ist ebenfalls stets unlauter die Behauptung, dass Bewertun-gen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbraucherinnen und Verbrauchern stam-men, die diese Ware oder Dienstleistung genutzt oder erworben haben, ohne dass der Un-ternehmer durch angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen überprüft hat, ob dies auch tatsächlich der Fall ist. Die Vorschrift setzt Artikel 3 Nummer 7 Buchstabe b der Richt-linie (EU) 2019/2161 um. Unlauter ist lediglich die Behauptung ohne entsprechende Über-prüfung. Unterlässt der Unternehmer eine entsprechende Behauptung, besteht auch keine Pflicht zur Überprüfung von Verbraucherbewertungen. Als angemessene und verhältnismä-ßige Maßnahmen zur Überprüfung werden in Erwägungsgrund 47 der Richtlinie (EU) 2019/2161 technische Mittel genannt, die die Glaubwürdigkeit der die Bewertung veröffent-lichende Person überprüfen, beispielsweise indem Informationen darüber angefordert wer-den, ob eine Verbraucherin oder ein Verbraucher die Ware oder Dienstleistung tatsächlich verwendet oder erworben hat. Der neue Verbotstatbestand flankiert § 5b Absatz 3 UWG-E, wonach Unternehmer, die Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern zugäng-lich machen, darüber informieren müssen, ob und wie sie sicherstellen, dass die veröffent-lichten Bewertungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben.

Nach der neuen Nummer 23c ist stets unlauter die Übermittlung oder Beauftragung ge-fälschter Bewertungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern so-wie die falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung. Hiermit wird Ar-tikel 3 Nummer 7 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/2161 umgesetzt. Empfehlungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern erfassen nach Erwägungsgrund 49 der Richtlinie (EU) 2019/2161 auch „likes“ in sozialen Medien. Eine falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfehlungen von Verbraucherinnen oder Verbrauchern liegt vor, wenn selektiv nur posi-tive Bewertungen veröffentlicht, negative hingegen gelöscht werden. Zudem nennt Erwä-gungsgrund 49 der Richtlinie (EU) 2019/2161 das weitere Beispiel der Extrapolation von Empfehlungen. Eine solche liegt vor, wenn die positive Interaktion einer Nutzerin oder eines Nutzers mit einem bestimmten Online-Inhalt mit einem anderen – wenn auch in Zusam-menhang stehenden – Inhalt verknüpft oder auf diesen übertragen wird, und so der An-schein erweckt wird, die Nutzerin oder der Nutzer befürworte auch den anderen Inhalt.

Die neue Nummer 26 enthält nunmehr entsprechend Nummer 26 des Anhangs I der Richt-linie 2005/29/EG den bisherigen § 7 Absatz 2 Nummer 1 UWG, dessen Wortlaut stärker an den Wortlaut der Richtlinie angepasst worden ist. So wurde klargestellt, dass der Tatbe-stand nicht nur das Ansprechen zum Zweck der Werbung, sondern jede Art der hartnäcki-gen und unerwünschten Kontaktaufnahme erfasst. Dies wird durch die deutsche Sprach-fassung der Richtlinie, welche in Nummer 26 des Anhangs I ebenfalls den Begriff der Wer-bung verwendet, nicht hinreichend ausgedrückt. Hierfür spricht aber der Vergleich mit der englischen („persistent and unwanted solicitations“) und französischen Sprachfassung („se livrer à des sollicitations répétées et non souhaitées“), welche beide nicht auf Kontaktauf-nahmen zum Zwecke der Werbung beschränkt sind. Zudem wäre die ebenfalls aus dem Text der Richtlinie entnommene Einschränkung, dass das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen zur Durchsetzung vertraglicher Verpflichtungen gerechtfertigt sein kann, bei einer Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Werbemaßnahmen überflüssig, weil sol-ches Verhalten ohnehin nicht vom Tatbestand der Norm erfasst wäre. Der Verbotstatbe-stand erfasst neben Briefsendungen auch das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen mittels Telefonanrufen oder unter Verwendung von Faxgeräten oder elektronischer Post.

Die neue Nummer 31 enthält die bisherige Nummer 17.

Zu Artikel 2 (Änderung der Gewerbeordnung)

Durch die Änderungen in der Gewerbeordnung wird von der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 in Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie 2005/29/EG eingefügten Öffnungsklausel für Haustürgeschäfte und Verkaufsfahrten Gebrauch gemacht. Nach dieser Klausel können die

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Mitgliedstaaten Regelungen zum Schutz vor aggressiven oder irreführenden Ge-schäftspraktiken im Zusammenhang mit unerwünschten Hausbesuchen oder Verkaufsfahr-ten vorsehen. Diese Bestimmungen müssen verhältnismäßig, nicht-diskriminierend und aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sein. Missstände bei Verkaufsveran-staltungen im Reisegewerbe (Wanderlager), insbesondere im Zusammenhang mit Kaffee-fahrten, sind nach wie vor zu beobachten. In der Praxis werden bei diesen Veranstaltungen immer wieder vor allem älteren Menschen mit teilweise irreführenden und aggressiven Ver-kaufsmethoden vielfach überteuerte Produkte angeboten. Trotz zahlreicher Aufklärungs-maßnahmen sind unseriöse Anbieter mit dieser Methode nach wie vor erfolgreich tätig. Mit den Verschärfungen des § 56a GewO wird auf diese Missstände reagiert und dadurch der Verbraucherschutz in diesem Bereich weiter verbessert.

Zu Nummer 1 (Inhaltsverzeichnis)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 2 (§ 4 GewO-E)

Für Veranstalter, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums niedergelassen sind und die in der Bun-desrepublik Deutschland Wanderlager veranstalten, ist die Anwendung des § 56a GewO bisher durch § 4 Absatz 1 Satz 2 GewO ausgeschlossen. Dies soll im Hinblick auf die Re-gelungen nach § 56a Absatz 2, 3, 5 und 7 Nummer 1 GewO-E, welche sich auf die Anzei-gepflicht beziehen, auch weiterhin gelten. Hintergrund für die Ausnahme ist, dass Regelun-gen, welche Anforderungen an die Aufnahme oder Ausübung der Dienstleistungstätigkeit stellen und primär eine ordnungsgemäße Gewerbeüberwachung gewährleisten sollen, wie im Fall der Anzeigepflicht, nur dann nach Artikel 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Euro-päischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36) auf Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums er-streckt werden können, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Umweltschutzes gerechtfertigt ist. Die An-zeigepflicht dient jedoch der Verbesserung des Verbraucherschutzes, welcher nicht zu den von der Richtlinie aufgeführten besonderen Rechtfertigungsgründen gehört.

Mit § 56a Absatz 4 und 6 GewO-E werden die Anforderungen an die öffentliche Ankündi-gung, also die Bewerbung von Wanderlagern, verschärft sowie erstmalig nur für Wanderla-ger nach § 56a Absatz 2 Satz 1 GewO-E geltende Vertriebsverbote für Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel eingeführt. Bei den Anforderungen an die öffentliche An-kündigung handelt es sich, anders als im Fall der Anzeigepflicht, nicht um vorrangig der Gewerbeüberwachung dienenden Anforderungen an die Aufnahme der Dienstleistungstä-tigkeit als solche, sondern um solche der Stärkung des Verbraucherschutzes dienende Be-dingungen für die Durchführung der Dienstleistungstätigkeit. Insoweit kommt der Richtlinie 2005/29/EG, welche dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmen dient und durch die neue Öffnungsklausel in Artikel 3 Absatz 5 den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter den dort genannten Voraussetzungen ausdrücklich entsprechende verbraucherschützende Bestimmungen erlaubt, ein Vorrang zu. Die Vertriebsverbote behindern ebenfalls nicht den Marktzutritt als solchen, sondern stellen lediglich Vertriebsmodalitäten dar. Aus Gründen des Verbraucherschutzes sollen diese Pflichten daher auch auf solche Veranstalter er-streckt werden, die grenzüberschreitend Wanderlager in der Bundesrepublik Deutschland durchführen.

Zu Nummer 3 (§ 56a GewO-E)

§ 56a GewO wird neu gefasst.

Zu § 56a Absatz1 GewO-E

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Der Begriff des Wanderlagers wird erstmalig gesetzlich definiert. Die Definition entspricht derjenigen in Rechtsprechung und Literatur.

Zu § 56a Absatz 2 GewO-E

Die Frist für die Anzeige eines Wanderlagers wird von bisher zwei auf vier Wochen verlän-gert (Satz 1). Damit steht der zuständigen Behörde künftig ein längerer Zeitraum zur Ver-fügung, um die Anzeige zu prüfen. Im Zusammenhang mit den zusätzlichen Angaben, die die Anzeige enthalten muss (siehe Absatz 3), besitzt die Behörde die Möglichkeit, den Ver-anstalter im Vorhinein noch wirksamer zu überprüfen und somit die Verbraucherinnen und Verbraucher frühzeitig vor unseriösen Veranstaltern und Verkaufsveranstaltungen zu schützen.

Die Anzeigepflicht nach Satz 1 gilt nicht für alle Wanderlager im Sinne von Absatz 1, son-dern nur für solche, bei denen die An- und Abreise der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum und vom Ort des Wanderlagers durch die geschäftsmäßig erbrachte Beförderung durch den Veranstalter oder von Personen im Zusammenwirken mit dem Veranstalter er-folgen soll. Damit gilt die Anzeigepflicht für die Veranstalter von so genannten Kaffeefahr-ten. Ausgenommen von der Anzeigepflicht sind dagegen Wanderlager, die von Verbrau-cherinnen und Verbrauchern selbständig erreicht und verlassen werden. Denn nur wenn sie auf die Organisation des Veranstalters angewiesen sind, um den Ort der Veranstaltung nach Belieben wieder verlassen zu können, befinden sie sich in einer Situation der Abhän-gigkeit. Die dadurch geschaffene Zwangslage kann vom Veranstalter zum Verkauf seiner Waren oder Leistungen ausgenutzt werden. Ist hingegen eine selbständige An- und Abreise vorgesehen, geraten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in ein solches Abhängig-keitsverhältnis. Die Ausnahme setzt voraus, dass der Veranstalter weder selbst noch durch ein Zusammenwirken mit privaten Transportunternehmen die An- und Abreise der Verbrau-cherinnen und Verbraucher organisiert, sondern dass diese selbst zum Beispiel mit einem eigenen PKW oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln an- und abreisen. Entscheidend ist da-bei, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre An- und Abreise zum Veranstaltungs-ort selbständig organisieren und nicht auf den Veranstalter und einen mit diesem zusam-menwirkenden Dritten angewiesen sind, um den Veranstaltungsort zu verlassen.

Wenn ein nach Absatz 2 Satz 1 anzeigepflichtiges Wanderlager im Ausland stattfinden soll, muss die Veranstaltung bei der Behörde angezeigt werden, die für den Ort der gewerbli-chen Niederlassung des Veranstalters zuständig ist (Satz 2). Damit wird zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher eine Regelungslücke geschlossen. Denn nach bisheri-gem Recht konnten Wanderlager, die im Ausland stattfinden sollten, nicht angezeigt wer-den, da nur auf die Anzeigeerstattung bei der Behörde, die für den Ort der Veranstaltung zuständig ist, abgestellt wurde.

Diese Anzeigepflicht gilt allerdings nicht, wenn der Veranstalter in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat niedergelassen ist (§ 4 Absatz 1 Satz 2 GewO).

Zu § 56a Absatz 3 GewO-E

Absatz 3 gibt den Inhalt der Anzeige vor. Mit der erweiterten Formulierung der Nummer 2 soll klargestellt werden, dass die Angabe einer Postfachadresse nicht ausreichend ist. Dies dient einem effektiveren Vollzug und ermöglicht ein wirksames Einschreiten gegen unseri-öse Veranstalter. Nummer 6 enthält die bisher in § 56a Absatz 1 Satz 4 2. Halbsatz GewO enthaltene Pflicht des Veranstalters, den Namen seines schriftlich bevollmächtigten Vertre-ters zu benennen, wenn er das Wanderlager an Ort und Stelle nicht selbst leitet. Die bishe-rige Vorgabe, dass die Anzeige in zwei Stücken einzureichen ist, wird aufgehoben, da sie bei elektronischer Anzeigeerstattung entbehrlich ist. Im Übrigen entspricht dieser Absatz dem geltenden § 56a GewO.

Zu § 56a Absatz 4 GewO-E

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Absatz 4 legt den Inhalt der öffentlichen Ankündigung fest. Anders als die Anzeigepflicht nach Absatz 2 ist diese Regelung auf alle Wanderlager im Sinne von Absatz 1 anwendbar und gilt somit nicht nur für die Veranstalter von so genannten Kaffeefahrten. Für die Bewer-bung von Wanderlagern verwenden die Veranstalter ganz überwiegend öffentliche Ankün-digungen (Postwurfsendungen), um Verbraucherinnen und Verbraucher auf die geplante Veranstaltung aufmerksam zu machen. Der Inhalt der öffentlichen Ankündigung ist daher von wesentlicher Bedeutung für den Informationsstand der Verbraucherinnen und Verbrau-cher über die geplante Veranstaltung. Unseriöse Veranstalter informieren die Verbrauche-rinnen und Verbraucher in ihren öffentlichen Ankündigungen oft nur unzureichend über den Veranstalter, seine Kontaktdaten sowie Art und Ort der geplanten Veranstaltung. Verbrau-cherinnen und Verbraucher werden so über den Charakter der Veranstaltung irregeführt und die spätere Kontaktaufnahme zum Veranstalter, zum Beispiel zur Geltendmachung von Widerrufs- und Gewährleistungsrechten, erschwert. Daher werden die Veranstalter von Wanderlagern in Absatz 4 dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass bestimmte Mindestinfor-mationen in der öffentlichen Ankündigung des Warenlagers enthalten sein müssen.

Nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 muss die öffentliche Ankündigung Angaben enthalten, die eine schnelle Kontaktaufnahme mit dem Veranstalter ermöglichen. Die Vorgaben entspre-chen den Anforderungen des § 5 des Telemediengesetzes. Insbesondere die Verpflichtung in Nummer 3, wonach der Veranstalter unter anderem seine Telefonnummer anzugeben hat, kann einen Beitrag dazu leisten, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, ihre Rechte wirksam durchzusetzen.

Nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 4 muss in der öffentlichen Ankündigung zudem künftig dar-über informiert werden, unter welchen Bedingungen Verbraucherinnen und Verbrauchern bei Verträgen, die im Rahmen des Wanderlagers geschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht. Denn in der Praxis treten Missstände insbesondere – aber nicht nur – bei so ge-nannten Kaffeefahrten auf, bei denen den Verbraucherinnen und Verbrauchern immer wie-der überteuerte Waren, zum Beispiel Medizinprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel, an-geboten werden. Zwar steht Verbraucherinnen und Verbrauchern in der Regel ein Wider-rufsrecht nach § 312g Absatz 1 BGB zu, über das sie vor Vertragsschluss zu informieren sind, § 312d Absatz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246a § 1 Absatz 2, § 4 Absatz 1 EG-BGB. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass diese Information vor Vertragsschluss wäh-rend der Veranstaltung nicht erfolgt oder die Verbraucherinnen und Verbraucher die Infor-mation nicht wahrnehmen. Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wird der Veranstalter deshalb verpflichtet, bereits in der öffentlichen Ankündigung darauf hinzuwei-sen, unter welchen Bedingungen gesetzliche Widerrufsrechte bei den anlässlich des Wan-derlagers geschlossenen Verträgen bestehen. Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Wanderlager die Ankündigung (Postwurfsendung) in der Regel während der Veran-staltung mit sich führen, werden sie somit nicht nur vor, sondern auch während der Veran-staltung durch die Ankündigung auf ihre Rechte aufmerksam gemacht. Die vorgeschrie-bene Form dieses Hinweises entspricht den allgemeinen Anforderungen des Verbraucher-schutzrechts (zum Beispiel § 1 Absatz 7 Preisangabenverordnung) an Erkennbarkeit, Les-barkeit und Wahrnehmbarkeit. Die den Verbraucherinnen und Verbrauchern nach dem BGB zustehenden Rechte und die entsprechenden Pflichten des Veranstalters (Verkäufers) bleiben daneben weiter bestehen.

Im Übrigen werden die Vorgaben des geltenden § 56a GewO übernommen.

Zu § 56a Absatz 5 GewO-E

Die Regelung entspricht dem geltenden § 56a Absatz 1 Satz 4 1. Halbsatz GewO, sie gilt jedoch nur für die nach Absatz 2 Satz 1 anzeigepflichtigen Wanderlager. Die Mitteilungs-pflicht aus dem bisherigen § 56a Absatz 1 Satz 4, 2. Halbsatz GewO ist nun in Absatz 3 Nummer 6 enthalten.

Zu § 56a Absatz 6 GewO-E

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Im Rahmen von Wanderlagern nach Absatz 2 Satz 1, den sogenannten Kaffeefahrten, wer-den den teilnehmenden Personen in der Praxis häufig Medizinprodukte oder Nahrungser-gänzungsmittel zu überhöhten Preisen angeboten, wobei oftmals zusätzlich mit nicht zu-treffenden bzw. nicht belegten Wirkungen und damit in der Regel unzulässigen gesund-heitsbezogenen beziehungsweise irreführenden Angaben geworben wird. Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes ist daher ein generelles Verbot des Vertriebs von Medizinprodukten oder Nahrungsergänzungsmitteln anlässlich der Veranstaltung von Wan-derlagern nach Absatz 2 Satz 1 erforderlich.

Das Vertriebsverbot erfasst Medizinprodukte im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Ver-ordnung (EU) 2017/745. Dies sind Instrumente, Apparate, Geräte, Software, Implantate, Reagenzien, Materialien oder andere Gegenstände, die dem Hersteller zufolge für Men-schen bestimmt sind und allein oder in Kombination einen oder mehrere der folgenden spe-zifischen medizinischen Zwecke erfüllen sollen. Dazu zählen die Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten; die Diagnose, Überwachung, Behandlung, Linderung von oder Kompensierung von Verletzun-gen oder Behinderungen; die Untersuchung, der Ersatz oder die Veränderung der Anatomie oder eines physiologischen oder pathologischen Vorgangs oder Zustands sowie die Ge-winnung von Informationen durch die In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper, auch aus Organ-, Blut- und Gewebespenden stammenden Proben. Maßgeblich ist, dass die bestimmungsgemäße Hauptwirkung solcher Produkte im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch er-reicht wird, dessen Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.

Ein Nahrungsergänzungsmittel ist nach § 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) ein Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung darstellt und in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern in den Verkehr gebracht wird.

Zwar ist es nach § 12 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG) bereits verboten, Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen, die die Sicherheit und Gesundheit der Patienten, Anwender oder Dritter gefährden. Nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2017/745 ist es zudem untersagt, Medizinprodukte mit irreführenden Angaben bei der Kennzeichnung, den Gebrauchsanweisungen, der Bereitstellung, der Inbetriebnahme und der Werbung zu versehen. Für Medizinprodukte darf außerhalb von Fachkreisen nicht mit Werbeaussagen geworben werden, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nicht-verwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert wer-den könnte (§ 11 Absatz 1 Satz 2 des Heilmittelwerbegesetzes). Auch enthalten verschie-dene allgemeine lebensmittelrechtliche Vorschriften wie die Verordnung (EG) Nr. 178/2002, die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 sowie das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) Vorgaben zum Täuschungsschutz.

Diese Regelungen sind jedoch nicht ausreichend, um Verbraucherinnen und Verbraucher, die an Wanderlagern nach Absatz 2 Satz 1 teilnehmen, hinreichend zu schützen. Grund-sätzlich sorgt bereits eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung für eine aus-reichende Nähstoffversorgung des menschlichen Körpers. Hiervon gibt es zwar in bestimm-ten Fällen Ausnahmen, in denen eine Ergänzung sinnvoll sein kann. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf solche Produkte häufig zumindest im Vorfeld eines Kaufs von Nahrungsergänzungsmitteln ein individueller Beratungsbedarf besteht, welcher in der besonderen Verkaufssituation eines Wanderlagers nicht geleistet werden kann. Die Wirkungsweise von Medizinprodukten oder die inhaltliche Zusammensetzung von Nah-rungsergänzungsmitteln können für Verbraucherinnen und Verbraucher schwer zu durch-schauen sein; nachteilige Folgen der Anwendung können auch erst im Verlauf einer länge-

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ren Anwendung auftreten. Vor diesem Hintergrund ist ein solches Verbot trotz der beste-henden Widerrufsmöglichkeiten zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern er-forderlich. Die entsprechenden Veranstaltungen richten sich zudem üblicherweise an ältere Personen, die im Vergleich zur übrigen Bevölkerung häufiger und schwerwiegender von gesundheitlichen Problemen betroffen sind oder in höherem Maße dem Risiko solcher Er-krankungen ausgesetzt sind. Bei diesen Teilnehmerinnen und Teilnehmern handelt es sich um eine besonders vulnerable Verbrauchergruppe. Besonders die Aussicht auf Linderung von Leiden erhöht den psychologischen Anreiz, welcher von solchen Produkten ausgeht, und erleichtert die Manipulation der Kaufentscheidungen von Verbraucherinnen und Ver-brauchern in der besonderen Verkaufssituation eines Wanderlagers nach Absatz 2 Satz 1. Denn während eines solchen Wanderlagers können sich Verbraucherinnen und Verbrau-cher der Einflussnahme des Veranstalters nicht einfach entziehen, indem sie den Veran-staltungsort ohne Rückgriff auf die Organisation des Veranstalters leicht und jederzeit wie-der verlassen können.

Das eingeschränkte Angebot und die produktorientierte Beratung bei Wanderlagern nach Absatz 2 Satz 1 kann gerade beim Verkauf von Medizinprodukten und Nahrungsergän-zungsmitteln die besonders hohe Gefahr eines Gesundheitsschadens für Verbraucherin-nen und Verbraucher begründen, zum Beispiel wenn diese sich im Vertrauen auf die ver-sprochenen Wirkungen solcher Produkte, auch wenn diese den Fakten entsprechen, auf das Produkt allein verlassen und sich nicht in ärztliche Behandlung begeben. Es bestehen auch Gesundheitsrisiken, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher die Produkte wegen unzureichender, falscher oder nicht stattgefundener Beratung im Rahmen des Wanderla-gers falsch verwenden. In Bezug auf diese Produkte ist es deshalb besonders wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bei Bedarf fachkundig und ohne Druck individuell be-raten werden, was bei einem Verkauf anlässlich eines Wanderlagers nach Absatz 2 Satz 1 nicht erfolgen kann. Entsprechend dürfen bereits nach jetziger Rechtslage Arzneimittel bei Wanderlagern nicht vertrieben werden. Im Übrigen sind gesundheitsbezogene Angaben nur nach erfolgreichem Durchlaufen eines Zulassungsverfahrens auf EU-Ebene zulässig.

Das Verbot des Vertriebs von Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln gilt nicht für Wanderlager, die sich ausschließlich an Personen richten, die im Rahmen ihres Ge-schäftsbetriebs an der Veranstaltung teilnehmen, also zum Beispiel Gewerbetreibende. Ob dies der Fall ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Wichtiger Anhalts-punkt ist der in der öffentlichen Ankündigung angesprochene Teilnehmerkreis. Im Gegen-satz zu Verbraucherinnen und Verbrauchern sind Gewerbetreibende nicht besonders schutzwürdig. Dafür spricht bereits § 55b Absatz 1 GewO, wonach der (Reise-)Gewerbe-treibende keine Reisegewerbekarte benötigt, wenn er andere Personen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs aufsucht. Für andere Vertriebsformen im Reisegewerbe gelten diese Vertriebsverbote nicht. Denn bei anderen Vertriebsformen im Reisegewerbe (Direktver-trieb) bestehen die dargestellten Gefährdungen für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht oder nicht in dem Maße wie bei Wanderlagern nach Absatz 2 Satz 1; abweichende Erkenntnisse aus der Praxis sind nicht bekannt.

Die Vertriebsverbote im Reisegewerbe nach § 56 GewO gelten für alle Wanderlager, nicht nur solche nach Absatz 2 Satz 1, weiterhin Dies wird durch Absatz 6 Satz 2 klargestellt.

Zu § 56a Absatz 7 GewO-E

Die Untersagung eines Wanderlagers nach Absatz 1 ist künftig auch möglich, wenn in der öffentlichen Ankündigung nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form auf die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher hingewiesen oder nicht den sonstigen Anforderungen nach § 56a Absatz 4 entspricht. Diese Befugnis leistet einen wichtigen Beitrag zur Gewähr-leistung der Einhaltung verbraucherschützender Regelungen bei Wanderlagern. Im Übri-gen entspricht die Regelung dem geltenden § 56a Absatz 2 GewO.

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Zu Nummer 4 (§ 145 GewO-E)

Zu Buchstabe a

Mit Buchstabe aa) erfolgt eine Anpassung an den neu gefassten § 56a Absatz 1 und 2 GewO-E. Entsprechend dem bisherigen § 145 Absatz 3 Nummer 6 GewO stellt nunmehr nach dem neuen Absatz 3 Nummer 1 die unterlassene oder nicht korrekte Anzeige des Wanderlagers eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies gilt auch für den Fall, dass das Wander-lager im Ausland stattfindet.

Mit den Buchstaben bb) bis dd) werden redaktionelle Anpassungen vorgenommen. So wer-den die Bußgeldtatbestände in aufsteigender Reihenfolge nach ihren jeweiligen verwal-tungsrechtlichen Anknüpfungsvorschriften geordnet.

Nach dem neuen § 145 Absatz 3 Nummer 3 GewO-E liegt auch eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn der Veranstalter nicht sicherstellt, dass die öffentliche Ankündigung des Wander-lagers den Vorschriften des § 56a Absatz 4 Satz 1 GewO-E entspricht. Dies galt auch bis-her schon, wenn der Veranstalter es unterlassen hat, in der öffentlichen Ankündigung auf die Art der angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den Ort der Veranstaltung hin-zuweisen (bisheriger Absatz 3 Nummer 6). Nunmehr stellt auch die unterlassene Informa-tion über die Kontaktdaten des Veranstalters, der unterlassene oder nicht korrekte Hinweis auf das Widerrufsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Pflicht des Veran-stalters zur Information über dieses eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies entspricht der hohen Bedeutung der öffentlichen Ankündigung für die Information der Verbraucherinnen und Ver-braucher. Gerade die Sicherstellung der hinreichenden Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Veranstalters und ihre ihm gegen-über bestehenden Rechte ist dabei besonders wesentlich, damit Verbraucherinnen und Verbraucher in der Lage sind, ihre Rechte gegenüber dem Veranstalter zivilrechtlich durch-setzen zu können. Dies trägt maßgeblich zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes bei. Zwar besteht bei Verstoß gegen diese Vorschriften auch nach dem neuen § 56a Ab-satz 7 GewO eine Untersagungsbefugnis der zuständigen Behörde. Die Untersagung der gesamten Veranstaltung mag aber nicht in jedem Fall verhältnismäßig sein. Zudem ermög-lichen Geldbußen den Behörden eine Sanktionierung auch dann, wenn sie erst nach der Veranstaltung einen Verstoß gegen diese Pflichten feststellen.

Auch der Verstoß gegen das Verbot des Vertriebs von Medizinprodukten oder Nahrungs-ergänzungsmitteln anlässlich von Wanderlagern stellt nun eine Ordnungswidrigkeit dar (neue Nummer 6).

Zu Buchstabe b

Der Bußgeldrahmen in § 145 Absatz 4 GewO wird deutlich von bisher eintausend auf zehn-tausend Euro ausgeweitet. Dies ermöglicht es der zuständigen Behörde, im Einzelfall ein deutlich spürbareres Bußgeld gegen unseriöse Veranstalter festzusetzen. Allein die Erhö-hung des Bußgeldrahmens wird Veranstalter dazu anhalten, die verbraucherschützenden Vorgaben des § 56a GewO einzuhalten. Da unseriöse Veranstalter von Wanderlagern oft-mals erheblich überhöhte Preise verlangen, die entsprechend hohe Gewinne zur Folge ha-ben, ist die deutliche Anhebung des Bußgeldrahmens auf zehntausend Euro angezeigt. Zudem besteht der geltende Bußgeldrahmen unverändert seit vielen Jahren, so dass eine Anpassung ohnehin erforderlich ist.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Dieses Gesetz tritt am 28. Mai 2022 in Kraft. Dies setzt die Anforderungen des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Ein Inkrafttreten dieses Gesetzes zum Ersten des auf seine Verkündung folgenden Quartals ist vor dem Hintergrund dieser europarecht-lichen Vorgaben nicht möglich.

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DEUTSCHES UND EUROPÄISCHES RECHT GEGEN

UNLAUTEREN WETTBEWERB

PROF. DR. ANSGAR OHLY

WS 2020/21

I. Einführung

1. Begriff des Lauterkeitsrechts und Stellung im deutschen Rechts-system

Das Recht gegen unlauteren Wettbewerb (Lauterkeitsrecht) regelt das Marktverhalten im

Interesse der Mitbewerber, der Abnehmer und der Allgemeinheit.

• Lauterkeitsrecht ist Marktverhaltensrecht. Es stellt „Spielregeln“ für das Verhalten auf be-

stehenden Märkten auf.

• Das Lauterkeitsrecht betrifft geschäftliche Handlungen (vgl. § 2 I Nr. 1), also Handlungen

zugunsten eines Unternehmens, die mit der Anbahnung, dem Abschluss oder der Abwick-

lung von Verträgen zusammenhängen.

• Zentrale Rechtsquelle des Lauterkeitsrechts ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbe-

werb (UWG) von 2004 (in wesentlichen Punkten 2008 und 2015 geändert). Ergänzende

Bestimmungen, vor allem Irreführungsverbote und Informationspflichten, finden sich in

deutschen Nebengesetzen, z.B. in der PreisangabenVO, dem Heilmittelwerbegesetz (HWG)

oder dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), und im EU-Recht.

• Das Lauterkeitsrecht schützt die Interessen der Abnehmer (Vertikalverhältnis), der Mitbe-

werber (Horizontalverhältnis) und der Allgemeinheit (Schutzzwecktrias, s. § 1 UWG) im

Gegensatz zum reinen Individualschutz des BGB. Außerdem dient es der zivilrechtlichen

Durchsetzung marktverhaltensregelnder Vorschriften des sonstigen Privatrechts, des Ver-

waltungsrechts und des Berufsrechts → UWG als untypischer Teil des Privatrechts.

­ Typische unlautere Handlungen, die Abnehmerinteressen (= Interessen von Verbrau-

chern und gewerblichen Abn3hmern) verletzen, sind in §§ 4a-5a geregelt: Irreführung

(§ 5), Irreführung durch Unterlassen = Verletzung von Informationspflichten (§ 5a), ag-

gressive Praktiken (§ 4a)

­ Typische unlautere Handlungen, die Mitbewerberinteressen verletzen sind in § 4 gere-

gelt: Herabsetzung (§ 4 Nr. 1), Anschwärzung (§ 4 Nr. 2), unlautere Produktnachah-

mung (§ 4 Nr. 3), Behinderung (§ 4 Nr. 4)

­ Daneben ist gem. § 3a die Verletzung von Marktverhaltensregeln unlauter („§ 823 II

BGB des Lauterkeitsrechts“). Sie können sowohl Verbraucher als auch Mitbewerber

schützen. Der Unterschied zu §§ 4-7 besteht darin, dass die eigentlichen Verhaltens-

pflichten außerhalb des UWG aufgestellt werden.

Das UWG …

schützt Abnehmer (Verbraucher und ge-werbliche Abnehmer), vor allem vor Irrefüh-rung, der Verletzung

von Informationspflich-ten und aggressiven Praktiken (§§ 4a-5a)

schützt Mitbewerber, vor allem vor Herabset-zung, Produktnachah-

mung und Behinderung (§ 4)

dient der zivilrechtli-chen Durchsetzung (vorwiegend verwal-

tungsrechtlicher) Marktverhaltensrege-

lungen (§ 3a)

Page 105: Gliederung - LMU

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 2

Übersicht:

Begriffe

• Der Begriff des Wettbewerbsrechts wird nicht einheitlich verwendet. Im deutschen

Sprachgebrauch bezeichnet er meist das Lauterkeitsrecht, das im UWG geregelt ist und

Gegenstand dieser Vorlesung ist. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch steht der Be-

griff „competition law“ aber häufig für das Kartellrecht, auch die kartellrechtlichen Vor-

schriften des AEUV (Art. 101 ff.) sind mit „Wettbewerbsregeln“ überschrieben. Wieder an-

dere sprechen vom „Wettbewerbsrecht“ als Oberbegriff des UWG, des Markenrechts und

des Kartellrechts.

• Das Lauterkeitsrecht regelt den Wettbewerb auf der Mikroebene: Es geht um das Verhal-

ten der einzelnen Wettbewerbsteilnehmer auf einem bestehenden Markt (Marktverhal-

tenskontrolle). Das Kartellrecht überwacht wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen

(z.B. Kartelle und abgestimmte Verhaltensweisen im Horizontalverhältnis oder Vertriebs-

beschränkungen im Vertikalverhältnis) und den Missbrauch marktbeherrschender Stellun-

gen. Geregelt wird der Wettbewerb auf der Makroebene: Das Kartellrecht soll sicherstel-

len, dass überhaupt ein Markt existiert, auf dem Wettbewerb stattfindet (Marktstruktur-

kontrolle). Im Rahmen dieser Vorlesung ist mit Wettbewerbsrecht immer das Wettbe-

werbsrecht i.e.S. gemeint.

• Gewerblicher Rechtsschutz (industrial property, propriété industrielle): Schutz des geisti-

gen Schaffens auf gewerblichem Gebiet, umfasst das Patent-, Gebrauchsmuster-, Ge-

schmacksmuster- und Markenrecht. Auch das UWG fällt traditionell unter diesen Begriff

(vgl. Art. 10bis PVÜ), obwohl es sich vom Immaterialgüterrecht unterscheidet, weil es keine

absoluten, eigentumsartigen Rechte zuweist.

• Immaterialgüterrechte / Rechte des geistigen Eigentums: subjektive, wirtschaftlich ver-

wertbare Rechte an immateriellen Gegenständen, umfassen das Patent, das Gebrauchs-

muster, das Design, die Marke und die übrigen Kennzeichenrechte sowie das Urheber-

recht unter Ausschluss der Urheberpersönlichkeitsrechte.

UWG Kartellrecht

Patentrecht, Designrecht, Kennzeichen-recht + UWG = Gewerblicher Rechtsschutz

Teil des Wirtschafts(privat)rechts

Immaterrial-güterrecht/

Geistiges Eigen-tum

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 3

Lauterkeitsrecht und Bürgerliches Recht

• Das Lauterkeitsrecht ist Teil des Privatrechts.

- Es geht um die Beziehungen zwischen Marktteilnehmern, die Sanktionen bei Rechts-

verletzung bestehen weitgehend in zivilrechtlichen Ansprüchen (vgl. §§ 8 ff.).

- Allerdings gibt es im UWG auch Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten (§§ 16,

20), die allerdings von untergeordneter praktischer Bedeutung sind.

• Ursprünglich galt das Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht zum Schutz der Gewerbe-

treibenden gegen Konkurrenten.

- Vorbild des § 1 UWG a.F. war § 826 BGB.

- Parallele zum Handelsrecht: Sonderdeliktsrecht mit besonderen Verhaltensvorschrif-

ten für Gewerbetreibende.

- Nach wie vor dient das UWG dem Konkurrentenschutz: Anspruchsberechtigung nicht

nur des verletzten Mitbewerbers, sondern jedes Mitbewerbers, der IHK’en und von

Verbänden von Gewerbetreibenden (§ 8)

• Seit 1930, verstärkt seit 1965 zunehmende Erkenntnis, dass das UWG auch Verbraucher

und die Allgemeinheit schützt („sozialrechtliches Verständnis“)

• Mittlerweile: UWG als wesentlicher Teil des Verbraucherschutzes.

- Folge: Möglichkeit der Verbandsklage (§ 8 III), aber keine individuellen Ansprüche

der Verbraucher aus UWG.

- Integrales Verständnis: Konkurrenten- und Verbraucherschutz lassen sich nicht von-

einander trennen.

- Andere Rechtsordnungen und die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken

unterscheiden zwischen Konkurrenten- und Verbraucherschutz.

• Verhältnis zu Vorschriften des BGB

- Grundregel: Das UWG schützt Interessen kollektiv, das BGB individuell. BGB-

Ansprüche können daher neben UWG-Ansprüchen bestehen.

- Sofern das UWG keinen Individualschutz bietet, bleiben die §§ 823 I ff. BGB anwend-

bar, Beispiel: Verletzung der Privatsphäre von Verbrauchern durch belästigende Wer-

bung – verboten durch § 7 UWG, dort aber keine individuelle Anspruchsberechtigung

der Verbraucher. Sie ergibt sich aus §§ 823 I, 1004 I analog BGB.

- Ausnahme: Vorrang des UWG vor dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Ge-

werbebetrieb (dessen Schaffung vor 1909 eine Verlegenheitslösung war, um das Feh-

len einer UWG-Generalklausel zu kompensieren).

- §§ 3-7 UWG als Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB? Dafür: § 1 UWG sieht den Schutz

der Verbraucher ausdrücklich als Schutzzweck vor. Dagegen (h.M.): Das Anspruchs-

system der §§ 8 ff. ist abschließend. Hätte der Gesetzgeber individuelle Ansprüche

von Verbrauchern zulassen wollen, so hätte er sie in § 8 vorsehen können. Im Übrigen

gerieten solche Ansprüche in Konflikt mit §§ 433 BGB.

- Verbraucherschutz im Vertragsrecht (§§ 312 ff. BGB) ist parallel zum UWG anwend-

bar. §§ 312g, 355 BGB gewährleisten das Widerrufsrecht des Verbrauchers, während

der Schutz des UWG schon im Vorfeld des Vertragsschlusses eingreift. Verstoß gegen

§§ 312 ff. BGB führt nur im Fall des § 3a UWG zur Unlauterkeit, umgekehrt schließt

das Bestehen eines Widerrufsrechts nicht die Unlauterkeit aus.

- Verstoß gegen § 3 I UWG führt nicht automatisch zur Nichtigkeit eines Vertrages

gem. §§ 134, 138 BGB.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 4

- Unlautere Handlungen können zivilrechtlich zu Ansprüchen aus §§ 280 I, 311 II BGB

bzw. §§ 437; 434 I 3 BGB führen oder zur Anfechtung (§ 123 BGB) berechtigen.

- Fallbeispiel: Telefonwerbung gegenüber einem Verbraucher ohne dessen Einwilli-

gung – Ansprüche von Mitbewerbern und Verbänden aus §§ 8 I, III; 7 II Nr. 2; 3

UWG; Ansprüche des betroffenen Verbrauchers aus §§ 823 I, 1004 I analog BGB und

Widerrufsrecht gem. §§ 312g I; 355 BGB bestehen parallel.

Verhältnis zum Recht des geistigen Eigentums (Immaterialgüterrecht)

• Ebenso wie das UWG ist das Immaterialgüterrecht Marktverhaltensrecht im weitesten

Sinne.

• Das UWG schafft allerdings nach h.M. keine subjektiven Rechte.

• Trotzdem kann es zu einer Überlagerung von UWG und geistigem Eigentum kommen, z.B.

im Bereich des UWG-Nachahmungsschutzes (§ 4 Nr. 3 UWG).

• Sondergesetzlich geregelte Grenzgebiete zwischen dem geistigen Eigentum und dem Lau-

terkeitsrecht sind:

- Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen, früher durch §§ 17 ff. UWG, mittlerweile durch

das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) → einerseits sind Geschäftsgeheimnisse

übertrag- und lizenzierbare Unternehmenswerte und das GeschGehG verschafft dem

Inhaber ein subjektives Recht, andererseits ist dieses Recht nur gegen unlautere Hand-

lungen (§ 4 GeschGehG) geschützt.

- Der Schutz geographischer Herkunftsangaben (§§ 126 ff. MarkenG und Unionsrecht):

einerseits sind gH als Herkunftshinweise und Träger guten Rufs mit Marken vergleich-

bar dar, andererseits stehen sie nicht nur einem Inhaber zu und sind nur gegen unlau-

tere Handlungen geschützt (§ 127 MarkenG).

• Wenn der Anwendungsbereich eines Rechts des geistigen Eigentums eröffnet ist, ist das

UWG subsidiär. Ansprüche aus UWG bestehen nur bei Hinzutreten besonderer unlauter-

keitsbegründender Umstände. Grund 1: bei Rechtsverletzung wäre die Verbandsklagebe-

fugnis (§ 8 III Nr. 2-4) unpassend, Grund 2: die Grenzen der Schutzrechte dürfen nicht

durch großzügigen ergänzenden Schutz unterlaufen werden.

• Beispiel (BGH GRUR 2012, 58 – Seilzirkus1): Die Nachahmung eines ästhetisch gestalteten

Klettergerüsts könnte das Urheberrecht- und das Designrecht verletzen. § 4 Nr. 3 UWG

greift daneben nicht schon deshalb ein, weil überhaupt nachgeahmt wurde. Es muss ein

zusätzliches Unlauterkeitselement vorliegen, z.B. eine Täuschung der Abnehmer über die

betriebliche Herkunft (§ 4 Nr. 3a UWG).

• Näher hierzu unten, III 2 c, d.

Verhältnis zum Kartellrecht

• Lauterkeits- und Kartellrecht regeln den Wettbewerb und dienen im weitesten Sinne beide

dem Ziel, einen funktionsfähigen Wettbewerb zu schützen und erhalten. Deshalb gehören

beide zum Wettbewerbsrecht im weiteren Sinne.

• Dem Kartellrecht (geregelt in Art. 101 ff. AEUV und dem GWB) geht es aber um die Siche-

rung wettbewerblicher Marktstrukturen (Marktstrukturkontrolle), dem Lauterkeitsrecht

um die Bekämpfung unlauterer Wettbewerbsmethoden (Marktverhaltenskontrolle).

1 Die unterstrichenen Entscheidungen werden zur Lektüre empfohlen. Tipp: Kopieren bzw. ausdrucken, durcharbeiten und bei diesen Unterlagen abheften!

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 5

• Kartellrecht und Lauterkeitsrecht entfalten gegenseitig keine Sperrwirkung. Nach Mög-

lichkeit sollten beide Gebiete zu gleichen Wertungen gelangen (grundlegend BGH GRUR

2006, 773 – Probeabonnement).

- Regel 1: Ein Kartellverstoß ist nicht per se unlauter, sondern nur, wenn zusätzliche

unlauterkeitsbegründende Umstände vorliegen. Daher auch keine Durchsetzung des

Kartellrechts (Ausnahme: Vergaberecht) über § 3a UWG, weil § 33 GWB die Aktivlegi-

timation anders als § 8 UWG regelt

- Regel 2: Wenn das GWB bestimmte Verhaltensweisen nur bei Marktmacht verbietet

(§§ 19, 20 GWB), darf das UWG dasselbe Verhalten unterhalb dieser Schwelle nur un-

tersagen, wenn im Kartellrecht nicht berücksichtigte unlauterkeitsbegründende Um-

stände vorliegen.

- Regel 3: Das Lauterkeitsrecht darf keine kartellrechtswidrigen Strukturen verfestigen

oder durchsetzen, daher z.B. Ansprüche bei Verletzung selektiver Vertriebssysteme

nur, wenn das System nicht kartellrechtswidrig ist.

• Überschneidungen in einigen Bereichen, Beispiele:

- Behinderung von Konkurrenten durch marktbeherrschende Unternehmen: § 4 Nr. 4

UWG und §§ 19 f. GWB; Art. 102 AEUV

- Boykottaufruf: §§ 4 Nr. 4 UWG, § 21 GWB

- Kopplungsangebote: §§ 5, 5a, 4a und §§ 19, 20 GWB

- Fallgruppe der „allgemeinen Marktstörung“ im UWG

Lauterkeitsrecht und Verfassungsrecht

• Potentiell freiheitsbeschränkender Charakter wettbewerbsrechtlicher Regulierung: Lau-

terkeitsrecht kann zu Grundrechtsbeschränkungen führen:

- Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) bzw. unternehmerische Freiheit (Art. 16 EU-

Grundrechtecharta)

- Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 I GG; Art. 10 EMRK; Art. 11 EU-

Grundrechtecharta)

• Verfassungsrechtliche Rechtfertigung durch Anliegen des Konkurrentenschutzes (Art. 12

GG, Art. 16 EUGRCh), des Verbraucherschutzes (Art. 2 I GG, Art. 38 EUGRCh) oder zum

Schutz des Leistungswettbewerbs denkbar, Gefährdung muss aber im Einzelfall begründet

werden.

• Im Bereich vollständig durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechts ist nur die EUGRCh

anwendbar, nicht das GG (das wird von Studenten gern übersehen!). Gilt im UWG für §§

4a-5a (näher dazu unten)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 6

- Beispiel: Verbot der Benetton-Schockwerbung durch den BGH wurde vom BVerfG als

Verstoß gegen die Meinungsfreiheit beanstandet (BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170

– Benetton I)

- Nach den Benetton-Fällen sind weitere Entscheidungen des BGH und anderer Zivilge-

richte wegen Verstoßes gegen Art. 5 GG aufgehoben worden, Beispiele: BVerfG GRUR

2002, 455 und BGH GRUR 2006, 75 – Artenschutz; BVerfG NJW 2003, 277 – JUVE-

Handbuch; vgl. auch BGH GRUR 2007, 247 – Regenwald-Projekt I)

• Seit der UWG-Reform von 2004 bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der UWG-

Bestimmungen und der wesentlichen Grundsätze der Rechtsprechung kaum noch Zweifel.

• Verbleibende Bedeutung der Grundrechte:

- Wenn unbestimmte Rechtsbegriffe Interessenabwägungen erfordern, muss der Grund-

rechtsschutz der jeweiligen Interessen berücksichtigt werden. Beispiel: Bei der Frage,

ob Onlinehändler für irreführende Kundenbewertungen haften, ist die Meinungs- unf

Informationsfreiheit (Art. 5 I GG) zu berücksichtigen (BGH GRUR 2020, 543 – Kunden-

bewertungen auf Amazon)

- Über § 3a dürfen keine verfassungs- oder unionsrechtswidrigen Normen angewandt

werden. Das kann bei restriktiven marktregelnden Normen, z.B. des anwaltlichen und

ärztlichen Berufsrechts oder des Glücksspielrechts problematisch sein.

2. Geschichtliche Entwicklung

Lit: Emmerich/Lange, § 1 II

1. Phase: Entstehung des Lauterkeitsrechts in Deutschland und Europa (1871 – 1920)

• Ausgangspunkt: Gewerbefreiheit (§ 1 GewO 1869) und zunehmende Industrialisierung

führen zur Entstehung einer modernen Marktwirtschaft.

• Frühe Rechtsprechung des RG nach 1871:

- Kein Schutz gegen unlauteren Wettbewerb (etwa auf der Grundlage des linksrhei-

nisch geltenden Code civil), Begründung: Gegenschluss aus Markengesetz v. 1874.

- Blick nach Europa: Schutz gegen unlauteren Wettbewerb auf Grundlage der delikts-

rechtlichen Generalklausel (Art. 1382 Code civil) in Frankreich, ähnliche Argumenta-

tion wie RG durch die englischen Gerichte.

• 1896: erstes UWG

- Spezialregelungen zur irreführenden Werbung, zur Rufschädigung und zu Betriebs-

und Geschäftsgeheimnissen

- Aber keine „große Generalklausel“

• 1909: UWG-Reform, Einführung der „großen Generalklausel“ (§ 1 UWG a.F.: „Wer im

geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen

die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch ge-

nommen werden.“), zurückhaltende Anwendung in den ersten Jahren

2. Phase: Ausbau des Lauterkeitsrechts (1920 – 1990)

• Zunehmende Dichte des Richterrechts unter § 1 UWG a.F.

• „Sozialrechtliches Verständnis“ des UWG (Ulmer, GRUR 1937, 772 ff.): UWG geht über

sonderdeliktsrechtlichen Konkurrentenschutz hinaus

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 7

• Mittelstandsschutz als ungeschriebener zusätzlicher Schutzzweck

• Folge: Restriktivere Handhabung des § 1 UWG und Erlass von Nebengesetzen

- Beispiel zur Rechtsprechung: grundsätzliches Verbot der vergleichenden Werbung

(RG GRUR 1931, 1299 – Hellegold)

- Zugabeverordnung (1932)

- Rabattgesetz (1933)

• Generalklausel des UWG als Einfallstor für nationalsozialistische Wertungen nach 1933

• 1965: Einführung der Klagebefugnis für Verbraucherverbände

• 1970er und 1980er Jahre: Verschärfung der wettbewerbsrechtlichen Kontrolle, dagegen

zunehmende Kritik des Schrifttums:

- Strenge Standards bei Beurteilung der irreführenden Werbung: Irreführung (+), wenn

10-15 % der Verbraucher irregeführt (Emmerich: „Schutz des an der Grenze zur De-

bilität verharrenden, unmündigen, einer umfassenden Betreuung bedürftigen, hilflo-

sen Verbrauchers“)

- Regelung zu Sonderveranstaltungen in §§ 6 a, b (1969) und §§ 6 c-e (1986) (Schri-

cker: „Horroralphabet der Gefährdungstatbestände“)

3. Phase: Liberalisierung und Europäisierung (seit 1990)

• Zunehmende Kritik an Restriktionen durch Lauterkeitsrecht (Beispiel: Sosnitza, Wettbe-

werbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung (1995))

• Liberalisierende Wirkung der EuGH-Rspr. zu Art. 34 AEUV und durch EU-Richtlinien:

- Richtlinie vergleichende Werbung (1997) führt zur Aufhebung des grundsätzlichen

Verbots der vergleichenden Werbung, Neufassung des § 2 UWG a.F. (= § 6 n.F.)

- Herkunftslandprinzip der E-Commerce (2000) führt zur Abschaffung von ZugabeVO

und Rabattgesetz

- Übergang zum Leitbild des mündigen, durchschnittlich informierten und verständi-

gen Verbrauchers (vgl. GRUR 2000, 619 – Orient-Teppichmuster)

- Liberalisierung der Beurteilung von Kopplungsangeboten (vgl. BGH GRUR 2002, 976

– Kopplungsangebot I)

- Liberalisierung der Rechtsprechung zum Rechtsbruch (vgl. BGH GRUR 2000, 1076 –

Abgasemissionen)

• Zunehmender Einfluss des Verfassungsrechts (s.o.)

• Abwanderung von Teilgebieten in das geistige Eigentum oder Sondergesetze

- Schutz bekannter Marken gegen Rufausbeutung und Schädigung durch die MarkenRL

und das MarkenG (1988 / 1995), Schutz von geschäftlichen Bezeichnungen durch das

MarkenG (1995)

- Schutz nicht eingetragener Designs durch die GemeinschaftsgeschmacksmusterVO

(2002)

- Schutz von Geschäftsgeheimnissen durch das GeschGehG (2019)

• UWG-Reform (2004): Liberalisierung und größere Transparenz der Rechtsanwendung

durch Einführung von Regelbeispielen (§ 4 UWG)

• Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL, 2005): erstmals unionsrechtliche

umfassende Regelung des Lauterkeitsrechts im B2C-Bereich, umgesetzt 2008

• Kleinere Änderungen (Verschärfung des Einwilligungserfordernisses in § 7 II Nr. 2 UWG

und neuer Bußgeldtatbestand, § 20 UWG) durch das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter

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Telefonwerbung vom 29.7.2009 und (erneute Änderung der §§ 7 II; 20, außerdem der §§

8 IV und 12) durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken von 2013.

• Die EU-Kommission hat die Umsetzung der UGP-RL von 2008 als unzureichend gerügt.

Daraufhin weitere Anpassung an die Richtlinie durch die Änderungen von 2015 (Überblick

bei Ohly, GRUR 2016, 3 ff.), insbesondere:

- Umbau des § 3

- Beschränkung des § 4 (früher: § 4 Nr. 1-11) auf Tatbestände des Mitbewerberschutzes

(§ 4 Nr. 1-4), Ausgliederung des Rechtsbruchtatbestands (§ 3a)

- Neue Vorschrift über aggressive Praktiken (§ 4a)

• Gesetz zur Bekämpfung unseriöser Geschäftspraktiken (2020, wird demnächst im BGBl.

verkündet): Auffächerung des § 8 in §§§ 8-8c, Änderung der §§ 13 und 14 mit dem Ziel,

den Abmahnmissbrauch zu bekämpfen

• Änderungen der UGP-RL, umzusetzen bis 2021

3. Unionsrechtlicher Rahmen (Überblick)

Lit: Henning-Bodewig, GRUR Int. 2010, 273; Köhler, WRP 2012, 251; Ohly/Sosnitza, Einf.

C, Rn. 8-61

Ausgangspunkt: unterschiedliche lauterkeitsrechtliche Modelle in Europa

• Im Völkerrecht verpflichtet Art. 10bis PVÜ zwar zum Schutz gegen unlauteren Wettbe-

werb, definiert ihn aber nur sehr allgemein und nennt nur drei Beispiele: Verwechslungs-

gefahr, Anschwärzung, Irreführung. Damit bleibt den Mitgliedstaaten ein weiter Gestal-

tungsspielraum

• Modell 1 (z.B. A, B, D, E, weitgehend PL): monistischer, zivilrechtlicher Ansatz

- Einheitliches Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

- Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit

- Ausschließlich (A, D) oder immerhin weitgehend zivilrechtliche Durchsetzung

• Modell 2 (z.B. DK, S): wie 1, aber starke Rolle des Verbraucherombudsmanns, der eigene

Aufsichtsbefugnisse hat und bei Gericht Unterlassung verlangen kann

• Modell 3 (z.B. F, I): dualistischer Ansatz

- Mitbewerberschutz gegen unlauteren Wettbewerb auf Grundlage des allgemeinen De-

liktsrechts

- Verbraucherschutzgesetz, das gesamten Verbraucherschutz vereint und straf- bzw.

verwaltungsrechtlich durchgesetzt wird (allerdings Möglichkeit der Adhäsionsklage)

• Modell 4 (z.B. H, LT): dualistischer Ansatz

- Wettbewerbsgesetz, das Lauterkeits- und Kartellrecht verbindet

- Aufsichtsbefugnisse der Wettbewerbsbehörde

- Daneben Verbraucherschutzgesetzgebung

• Modell 5 (GB, IRL)

- Skepsis gegenüber „unfair competition“: To draw a line between what is fais and unfair

passes the power of the courts“

- Kein allgemeines Verbot des unlauteren Wettbewerbs

- Deliktsrechtliche Tatbestände („economic torts“), die Unternehmer gegen bestimmte

Formen des unlauteren Wettbewerbs schützen, z.B. passing off: (1) Anspruchsteller ist

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Inhaber eines guten Rufs (Goodwill), regelmäßig in einem Zeichen verkörpert, (2) An-

spruchsgegner führt Abnehmer über Herkunft oder Qualität seiner Produkte irre und

(3) schädigt dadurch den Anspruchsteller

- Verbraucherschutzgesetzgebung, die straf- und verwaltungsrechtliche durchgesetzt

wird

- Starke Rolle der Freiwilligen Selbstkontrolle

Unterschiede in Europa

• Systematik: Monismus oder Dualismus?

• Gesetzgebungstechnik: konkrete Verbote oder Generalklauseln?

• Kontrolldichte im Wettbewerb

• Zivil- oder verwaltungsrechtliche Durchsetzung

• Bedeutung der Selbstkontrolle

• Fallbeispiel: BGH GRUR 1985, 876 – Tchibo/Rolex I: Verkauf einer nachgeahmten Rolex-

Uhr ohne Verletzung des Marken- oder Designrechts

- Deutschland: § 4 Nr. 3a (-) mangels Herkunftstäuschung, § 4 Nr. 3b (+) wegen Rufaus-

beutung

- Frankreich: unlauter gem. Art. 1240 Code civil wegen parasitären Wettbewerbs

- Irland (und früher GB): passing off (-), da keine Irreführung über Herkunft, Vertrieb der

Nachahmung daher erlaubt.

Primärrechtliche Kontrolle

• Primärrecht = Verträge, insb. EUV und AEUV

• Unterschiede können zu Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) und

der Dienstleistungsfreiheit (Art. 34 AEUV) führen. Bei Fehlen einer Rechtfertigung daher

Beschränkung exzessiver nationaler Regelungen durch Art. 34, 56 AEUV (negative In-

tegration).

Ziel: Binnenmarkt

Hindernis: unterschiedliche Lauterkeitsrechte

Möglichkeit 1: Koexistenz (Rechtsunter-

schiede bleiben bestehen) und

• Beschränkung exzessiver Regulierung

durch Primärrecht (Art. 34, 56 AEUV)

• Herkunftslandprinzip (RL über audio-

visuelle Mediendienste, E-Commerce-

RL)

Möglichkeit 2: Harmonisierung durch

Sekundärrecht

• Richtlinie, die Mindeststandard setzt

(RL gegen irreführende Werbung,

1984)

• Richtlinie mit Vollharmonisierung

(UGP-RL, 2005)

• Verordnung

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 10

• Wichtigste Schritte in der Rechtsprechung zu Art 34 AEUV:

- EuGH Rs. 8/74, GRUR Int. 1974, 467 – Dassonville: Jede Handelsregelung der Mitglied-

staaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittel-

bar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme kontingentgleicher

Wirkung anzusehen → weite Definition der Warenverkehrsfreiheit, potentiell alle

Marktregelungen erfasst.

- EuGH, Rs. 120/78, GRUR Int. 1979, 468 – Cassis de Dijon: mangels Harmonisierung

Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse möglich, sofern Verhältnismäßigkeits-

prinzip gewahrt. Beispiel zum Lauterkeitsrecht: EuGH, Rs. C-126/91, GRUR 1993, 747

– Yves Rocher

- EuGH, Rs. C-267 u. 268/91, GRUR 1994, 296 – Keck und Mithouard: Unterscheidung

zwischen produktbezogenen Regelungen und Verkaufsmodalitäten, erstere fallen unter

Art. 34 AEUV, letztere nur bei Diskriminierung. Beispiel zum Lauterkeitsrecht: EuGH,

Rs. C-315/92, GRUR Int. 1994, 231 – Clinique

- Weiterentwicklung in EuGH, Rs. C-110/05 – Kommission/Italien; Rs. C-456/10 –

ANNET: Art. 34 AEUV enthält die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der gegensei-

tigen Anerkennung von Erzeugnissen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig her-

gestellt und in den Verkehr gebracht wurden, und des freien Zugangs zu nationalen

Märkten. Art. 34 AEUV erfasst also Maßnahmen, die Waren aus anderen Mitgliedstaa-

ten diskriminieren, produktbezogene Vorschriften und andere Maßnahmen, die den

Zugang von Waren zum Markt eines Mitgliedstaats behindern.

- Also zweistufige Prüfung, s. Schema unten.

- Fallbeispiel (EuGH, C-148/15, GRUR 2016, 1312 – Deutsche Parkinson Vereinigung eV

gegen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs eV): Anspruch der Wettbe-

werbszentrale gegen die Parkinson-Vereinigung aus §§ 8 I, 3 I, 3a UWG i.V.m. § 78 I 4

AMG wegen Verstoßes gegen die Preisbindung für Versandapotheken. Unlauterkeit

gem. § 3a nur, wenn die betreffende gesetzliche Vorschrift nicht gegen das Unions-

recht verstößt. EuGH: (1) Art. 34 AEUV wegen Diskriminierung anwendbar, (2) keine

Rechtfertigung wegen Gesundheitsschutz

- Ist das Verbot an Apotheken aus §§ 3a, 7 HWG, 78 AMG, Brötchen-Gutscheine an Kun-

den auszugeben, deswegen unionsrechtswidrig? Nein, weil reine Inländerdiskriminie-

rung (BGH GRUR 2019, 1071 – Brötchen-Gutschein)

• Vor allem in den 1990er Jahren liberalisierender Einfluss der Rechtsprechung zur Waren-

verkehrsfreiheit auf das UWG.

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Rechtsangleichung durch Sekundärrecht

• Sekundärrecht = auf der Grundlage der Verträge erlassenes Recht = Verordnungen, Richt-

linien, Entscheidungen (Art. 288 AEUV)

• Verordnungen gelten unmittelbar, Richtlinien sind nur hinsichtlich ihres Zwecks verbind-

lich und richten sich an die Mitgliedstaaten

• Gebot der richtlinienkonformen Auslegung:

- Nationale Gerichte müssen Vorschriften, die zur Umsetzung ergangen sind, im Ein-

klang mit der RL (alle Sprachfassungen verbindlich!) und der Rechtsprechung des

EuGH auslegen.

- Aber nur, soweit es das nationale Recht zulässt: keine richtlinienkonforme Auslegung

contra legem

• Weitgehende Rechtsangleichung im Marken-, Design- und Urheberrecht

• Aber Probleme im Lauterkeitsrecht: rechtspolitische, methodische und systematische Un-

terschiede, Nähe zum BGB

• Daher später Beginn der Harmonisierung, nach wie vor keine vollständige Angleichung

• Zwei grundlegende Richtlinien:

- Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwi-

schen Unternehmern und Verbrauchern (UGP-RL) (2005) → umgesetzt in §§ 4a, 5, 4a

- Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung (WerbeRL)

(2006) = Kodifizierung der früheren RL über irreführende Werbung (1984) und verglei-

chende Werbung (1997) → umgesetzt in §§ 5, 6

- Näher zu beiden Richtlinien unten, III 1.

• Weitere Verordnungen und Richtlinien mit Auswirkung auf UWG

- Medienspezifische Vorschriften: regeln verschiedene Aspekte bestimmter Medien,

darunter auch Werbung. Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (2010, geändert

2019) und E-Commerce-Richtlinie (2000).

- Produktspezifische Vorschriften: z.B. TabakwerbeRL (2003) und RL über Tabaker-

zeugnisse (2014), Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (2001) und zahlreiche

weitere Richtlinien des Lebensmittel- und Arzneimittelrechts (z.B. Health-Claims-VO)

- Absatzbezogene Vorschriften: Preisangabenrichtlinie (1998), E-Datenschutz-

Richtlinie (2002, regelt unerwünschte E-Mail-, Fax- und Telefonwerbung, soll dem-

nächst durch eine VO ersetzt werden)

- Die EU-Verordnungen und die deutschen Vorschriften, die zur Umsetzung der EU-

Richtlinien ergangen sind, können über § 3a oder § 5a II, IV Bedeutung für das UWG

erlangen.

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II. Grundlagen

1. Systematik und Methodik des Lauterkeitsrechts

Systematik des UWG im Überblick

• Aufbau:

­ §§ 1, 2: Schutzzwecke und Definitionen

­ §§ 3-7: Tatbestände der Unlauterkeit

­ §§ 8-10: Rechtsfolgen, § 11: Verjährung

­ §§ 12 ff. Besonderheiten des Verfahrens

­ §§ 16, 20 Straf- und Bußgeldvorschriften

• Zentrale Vorschrift ist die Generalklausel des § 3

­ § 3 I ist Umschaltnorm zwischen §§ 3a-6 und §§ 8 ff.

­ § 3 I (Mitbewerberschutz, B2B) und II (Verbraucherschutz) dienen als Auffangnorm für

unvorhergesehene Fälle

­ § 3 III i.V.m. der „Schwarzen Liste“ verbietet (europaweit einheitlich) bestimmte Verhal-

tensweisen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern per se, ohne dass die Unlauter-

keit und die Spürbarkeit zu prüfen wäre

­ Nur § 7 (belästigende Werbung) verweist nicht auf § 3

• In aller Regel ergibt sich die Unlauterkeit aus Spezialtatbeständen, daher Prüfungsreihen-

folge vom Speziellen zum Allgemeinen (vergleiche die Prüfung der §§ 307 ff. im BGB).

- Schutz von Verbraucherinteressen:

(1) Verstoß gegen § 3 III i.V.m. Anh. zu § 3 III („schwarze Liste“)?

(2) Verstoß gegen §§ 4a-5a oder § 3a i.V.m. Marktverhaltensregel?

(3) Unlauterkeit gem. § 3 II?

- Schutz von Mitbewerberinteressen:

(1) Verstoß gegen §§ 4, 6 oder § 3a i.V.m. Marktverhaltensregel

(2) Unlauterkeit gem. § 3 I?

• Die Anspruchsgrundlage setzt sich (im „Baukastensystem“) zusammen aus (1) der Norm,

die die erstrebte Rechtsfolge begründet (§ 8, 9 oder 10); (2) dem verletzten Spezialtatbe-

stand bzw. Regelbeispiel und (3) der großen Generalklausel. Beispiel: Anspruch auf Unter-

lassung der weiteren Veröffentlichung einer irreführenden Werbeanzeige ergibt sich aus

§§ 8 I; 5 I, 5 I UWG.

• Anders nur bei § 7, der seit 2008 nicht mehr auf § 3 verweist. Hier nur Prüfung der Vo-

raussetzungen des § 7, Anspruchsgrundlage des Unterlassungsanspruchs ist hier §§ 8 I, 7

§§ 3-7: Tatbestand

§§ 8-10: Rechtsfolgen

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Prüfungsschema für den Unterlassungsanspruch

(zu weiteren Ansprüchen, zu den Voraussetzungen Nr. 4-8 und zur Rechtsfolge spä-

ter, vgl. auch Köhler/Alexander, S. 1 ff.)

I. Voraussetzungen

1. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Unzulässigkeit (hier kann sich auch eine Gliederung in a) Schutz der Verbrau-

cher und sonstigen Abnehmer und b) Mitbewerberschutz anbieten)

a) gem. § 3 III mit „Schwarzer Liste“ (nur B2C)

b) gem. § 3 I i.V.m. §§ 3a-6 (Regelfall!)

c) ausnahmsweise gem. § 3 II (Verbraucherschutz im B2C-Verh.) oder § 3 I

(Mitbewerberschutz oder B2B) „pur“

d) gem. § 7

3. Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr

4. Aktivlegitimation (§ 8 III)

5. Passivlegitimation

a) Verletzer

b) Teilnehmer (§ 830 II BGB), Zurechnung gem. § 8 II UWG, mittelbarer Ver-

letzer („Störer“)

6. Einwendungen und Einreden (sofern Anhaltspunkte vorliegen), insb. Rechtsmiss-

brauch oder Verjährung (§ 11)

II. Rechtsfolge

Anspruch auf Unterlassung der konkreten Verletzungsform und „kerngleicher“

Verletzungshandlungen

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Methodik des UWG

• Problem: Die Spezialtatbestände enthalten zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe. Der

Begriff der „Unlauterkeit“ in § 3 ist nicht der unmittelbaren Subsumtion zugänglich.

• Richtlinienkonforme Auslegung: sämtliche Tatbestände, die auf Unionsrecht beruhen (§§

3 II, III; 4a-6; 7 II, III) sind unionsrechtskonform auszulegen, also

­ im Einklang mit der zugrunde liegenden Richtlinie (dabei sind – zumindest theoretisch

– sämtliche Sprachfassungen relevant)

­ im Einklang mit den Entscheidungen des EUGH

• Bedeutung der Interessenabwägung: Häufig stehen sich die Interessen des Werbenden

und die Interessen der Konkurrenten bzw. der Verbraucher gegenüber. Kriterien:

- Bedeutung der Grundrechte

- Bei Interessenkonflikten zwischen Gewerbetreibenden: Schiedsrichterfunktion des

Verbrauchers

- Tipp: gegenläufige Interessen identifizieren und nach brauchbaren Abwägungskriterien

suchen.

• Bedeutung des Richterrechts

- Urteile des EUGH sind als verbindliche Auslegungen des vorrangigen Gemeinschafts-

rechts zu befolgen

- Für Urteile des BGH und der OLGe gilt eine Präjudizienvermutung:

(1) Wenn ein einschlägiges Präjudiz existiert, ist es zu zitieren.

(2) Wer von einem Präjudiz abweichen will, trägt die Begründungslast

- Im Laufe der Zeit verfestigen sich Einzelentscheidungen zu richterrechtlichen Normen,

denen gesetzesähnliche Bindungswirkung zukommt.

- Unter § 1 UWG 1909 haben Rechtsprechung und Literatur (Beispiel: die zu § 1 a.F.

UWG sehr einflussreiche Fallgruppenbildung von Hefermehl: Kundenfang, Behinde-

rung, Ausbeutung, Vorsprung durch Rechtsbruch, Marktstörung) Fallgruppen gebildet,

zu deren Beurteilung sich eine allgemeine Fallgruppennorm herausgebildet hat. Viele

der von der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen wurden 2004 ins Gesetz geschrie-

ben (inzwischen §§ 3a-7)

- Tipp: Grundlegende Präzedenzfälle (die in der Vorlesung besprochen werden) lesen

und – nach Möglichkeit – behalten. In Seminararbeiten muss auf einschlägige Fälle Be-

zug genommen werden, auch in der Klausur ist es von Vorteil, wichtige und einschlä-

gige Präzedenzfälle zu nennen.

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2. Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts (§ 1 UWG)

Lit.: Hetmank, GRUR 2014, 437 ff.

Die Schutzzwecktrias (§ 1)

• § 1 UWG kodifiziert die vor 2004 schon in der Rechtsprechung anerkannte Schutzzweck-

trias.

• Geschützt werden die Interessen

- der Mitbewerber (Horizontalverhältnis)

- der Verbraucher(innen) und sonstigen Marktteilnehmer (vgl. § 2 Nr. 2: alle Anbie-

ter oder Nachfrager, die weder Mitbewerber noch Verbraucher sind, insb. gewerbli-

che Abnehmer), also der Marktgegenseite (Vertikalverhältnis)

- der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

• „Integriertes Modell“ bzw. Monismus: keine Trennung von Verbraucher- und Konkurren-

tenschutz (so der Dualismus, dem einige ausländischen Rechtsordnungen folgen), Sinn des

integrierten Modells: Die Interessen sind untrennbar miteinander verwoben; auch bei Kon-

flikten zwischen Mitbewerbern kommt dem Verbraucher eine „Schiedsrichterfunktion“ zu.

• Problem: Die UGP-Richtlinie schützt nur Verbraucher, die WerbeRL schützt nur Unter-

nehmer

­ Da die UGP-RL den Mitgliedstaaten den Mitbewerberschutz erlaubt (s. Egrd. 8), konn-

te Deutschland bei der Umsetzung das integrierte Modell beibehalten

­ Aber Aufteilung in § 3: § 3 II, III gelten nur im B2C-Geschäftsverkehr

• Diese Interessen sind gleichwertig. Weder ist der Verbraucherschutz bloßer Schutzreflex,

noch ist das UWG in erster Linie Verbraucherschutzgesetz.

• § 1 ist bei der Auslegung des § 3 und der §§ 4-7 zu berücksichtigen.

• Seit 2015 deutlichere Trennung zwischen Mitbewerber- und Abnehmerschutz:

­ § 4 dient nur dem Mitbewerberschutz, auch bei § 6 steht der Mitbewerberschutz im

Vordergrund (str., dazu später mehr)

­ §§ 4a-5a dienen nur dem Abnehmerschutz, das gilt weitgehend auch für § 7

Mitbewerber

• Bedeutung des Begriffs:

- Die Tatbestände des § 4 setzen Mitbewerberbezug voraus, hier ist § 2 I Nr. 3 innerhalb

des Tatbestands zu prüfen. Vorsicht: Auch § 6 I verlangt einen Mitbewerberbezug, hier

ist der Begriff aber richtlinienkonform im Einklang mit Art. 2 lit. c WerbeRL auszulegen

→ ähnlich, aber der deutsche Mitbewerberbegriff ist weiter (s. unten), und selbst bei

gleichen Ergebnissen wäre es falsch, den (rein „deutschrechtlichen“) § 2 I Nr. 3 zu zi-

tieren.

- Dem konkret betroffenen Mitbewerber stehen individuelle Abwehr-und Schadenser-

satzansprüche zu (§§ 8 I, III Nr. 1; 9 I), hier ist § 2 I Nr. 3 im Rahmen der Aktivlegitima-

tion zu prüfen.

• Legaldefinition in § 2 I Nr. 3: jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unter-

nehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkre-

ten Wettbewerbsverhältnis steht.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 16

• Unternehmer (§ 2 I Nr. 6): Person, die geschäftliche Tätigkeit im Rahmen ihrer gewerbli-

chen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt und Personen, die in deren

Auftrag handeln

• Konkretes Wettbewerbsverhältnis:

- Liegt ohne weiteres (ähnlich wie bei der Bestimmung des relevanten Marktes im Kar-

tellrecht) dann vor, wenn die Produkte aus Verbrauchersicht substituierbar sind.

- Weil aber § 2 I Nr. 3 im Zusammenhang mit § 8 III Nr. 1 darüber entscheidet, wem

überhaupt Ansprüche zustehen, definiert die Rechtsprechung den Begriff sehr weit.

- Wettbewerbsverhältnis demnach (+), wenn zwischen den Vorteilen, die der eine Un-

ternehmer aus seiner Wettbewerbshandlung zieht, und die Nachteile des anderen ei-

ne Wechselbeziehung besteht.

• Absatzwettbewerb: Beide Unternehmer wenden sich an denselben Abnehmerkreis. Be-

deutung der Substituierbarkeit: Sind die Angebote beider Unternehmer aus Abnehmer-

sicht austauschbar?

- Einfaches Beispiel: Konkurrenten auf demselben Markt, z.B. Anbieter eines Original-

Dübels und Anbieter einer Nachahmung (BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne)

- Dabei weites Marktverständnis: Wettbewerbsverhältnis zwischen Rolex und Anbieter

nachgeahmter Billig-Uhren, obwohl niemand anstelle der Rolex eine Billiguhr kauft.

- Es kommt auf die konkreten Fallumstände und auf Substitutionsmöglichkeiten an, die

der Werbende selbst hervorhebt, Beispiel: BGH GRUR 1972, 553 – Statt Blumen On-

ko-Kaffee.

- Auch Anbieter unterschiedlicher Wirtschaftsstufen können Mitbewerber sein (mittel-

bares Wettbewerbsverhältnis), Beispiel: vergleichende Werbung eines Auto-

Vertragshändlers betrifft Hersteller des Konkurrenzfahrzeugs.

- Ebenso ein Lizenzgeber, der die Produkte nicht selbst herstellt, und der Hersteller ei-

nes konkurrierenden Produkts (BGH GRUR 2014, 1114 – nickelfrei)

• Nachfragewettbewerb: Beide Unternehmer wenden sich an denselben Anbieter(kreis),

z.B. alter und neuer Arbeitgeber bei Abwerbung eines Arbeitnehmers

• Darüber hinaus aber jede Wechselbeziehung zwischen Vorteil des einen und Nachteil des

anderen (inoffizieller Merksatz: „Des einen Freud, des anderen Leid“)

- Wettbewerbsverhältnis daher zwischen Betreiber einer webefinanzierten Website und

Anbieter eines Werbeblockers (BGH GRUR 2019, 1305 – Werbeblocker II)

- Ebenso zwischen Hotel und Betreiber eines Hotel-Bewertungsportals (BGH GRUR

2015, 1129 – Hotelbewertungsportal)

Verbraucher

• § 2 II verweist auf § 13 BGB

- Verbraucher = jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt,

die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätig-

keit zugerechnet werden können

- Allerdings greift schon im Vorfeld des Vertragsschlusses ein und schützt Verbraucher-

interessen auch noch nach Vertragsschluss. Daher nur sinngemäße Anwendung: Es

geht um das Verhalten des Verbrauchers, nicht um einen bestimmten Vertragsschluss.

- Bei doppeltem Zweck Verbraucher (+), wenn gewerblicher Zweck nicht überwiegt.

Problem: Das weiß man in der Werbung meist nicht. Dann muss die Handlung auch

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 17

den strengeren Voraussetzungen der verbraucherschützenden UWG-Normen entspre-

chen.

- Verbraucher können nur natürliche Personen sein. Juristische Personen ohne Unter-

nehmereigenschaft sind sonstige Marktteilnehmer.

• Das UWG schützt den Verbraucher nicht in jeder Hinsicht, sondern gerade in seiner Ei-

genschaft als Marktteilnehmer. Zentrales Schutzgut ist die „Fähigkeit des Verbrauchers,

sich aufgrund von Informationen zu entscheiden (§§ 3 II, 2 Nr. 8):

- Schutz der Entscheidungsgrundlage Schutz vor irreführenden Handlungen (§ 5 I),

Informationspflichten (§ 5a),

- Schutz des Entscheidungsprozesses Schutz vor Druck und unsachlichem Einfluss

(§ 4a)

• Abweichend aber § 7 und § 3a

- § 7 schützt vor unzumutbarer Belästigung Schutz der Privatsphäre

- § 3a schützt nach h.M. sämtliche Verbraucherinteressen (z.B. an Gesundheitsschutz,

Jugendschutz, kompetenter Rechtsberatung), näher hierzu unten bei § 3a

• Dem Verbraucher stehen keine individuellen Abwehr- und Schadensersatzansprüche

zu. Seine Interessen sind kollektiv geschützt (§ 8 III Nr. 3).

• Verbraucherleitbild

- Bedeutung: Wann Werbung irreführend ist (§ 5), wann die Entscheidungsfreiheit be-

einträchtigt ist (§ 4a), wann eine Belästigung unzumutbar ist (§ 7 I), hängt von der

Person des Verbrauchers ab. Soll das UWG vom Verständnis eines durchschnittlichen

Verbrauchers ausgehen oder auch Minderheiten schützen?

- Früheres UWG: Schutz auch einer Minderheit von unaufmerksamen oder unerfahre-

nen Verbrauchern.

- Änderung hin zum Leitbild des Durchschnittsverbrauchers durch Rechtsprechung des

EUGH (grundlegend EUGH, Rs. 210/96 = GRUR Int. 1998, 759 – Gut Springenheide)

- S. auch Egrd. 18 UGP-RL: angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerk-

samer und kritischer Durchschnittsverbrauchers (Egrd. 18 der Richtlinie über unlau-

tere Geschäftspraktiken)

• Berücksichtigung der situationsadäquaten Aufmerksamkeit: beim Kauf eines Autos ist man

aufmerksamer als beim Wochenendeinkauf im Supermarkt

• Berücksichtigung der angesprochenen Verbraucherkreise: alle oder Mitglied einer be-

stimmten Gruppe, die mehr / weniger weiß bzw. mehr / weniger aufmerksam ist?

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 18

Allgemeininteresse an unverfälschtem Wettbewerb

• Der Schutz der Konkurrenten und der Abnehmer dient mittelbar auch dem Allgemeininte-

resse an einem funktionierenden Wettbewerb.

• Geschützt ist aber nur das Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb,

nicht hingegen jedes beliebige Allgemeininteresse (z.B. Umweltschutz, Schutz vor Diskri-

minierung, Arbeitnehmerschutz, etc.). Insbesondere greift das Lauterkeitsrecht nicht hilfs-

weise zum Schutz der öffentlichen Ordnung ein. Fallbeispiele zur Diskussion:

- BGH GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen

- BGH GRUR 1995, 592 – Busengrapscher

- Werbung mit fremdenfeindlichen oder rechtsextremen Inhalten

• Selbständige Bedeutung des Allgemeininteresses neben Konkurrenten- und Abnehmer-

schutz? Beispiel: sexistische Werbung

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 19

3. Die geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1 UWG)

Lit.: Köhler, WRP 2009, 898 ff.; Henning-Bodewig, GRUR 2013, 26 ff.; Scherer, WRP 2014, 517

Übungsfall (nach OLG München GRUR 2020 – Blauer Plüschelefant und KG GRUR-RR

2019, 34 – Influencerin)

Kathi Kümmel (K) ist Internet-Influencerin. Auf ihrem Instagram-Account postet sie Fotos, die sie in verschiedenen Outfits oder an touristisch interessanten Orten zeigen. Die Kleidungsstü-cke oder touristischen Attraktionen sind mit Tags oder ausgeschriebenen Hyperlinks versehen, über die Nutzer auf die Webseiten der Anbieter gelangen. K bekommt von den Anbietern we-der ein Entgelt, noch werden ihr die Kleidungsstücke kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Verband Sozialer Wettbewerb, der in die Liste gem. § 4 UKlaG eingetragen ist, verlangt von K, es zu unterlassen, kommerzielle Inhalte vorzustellen, ohne den kommerziellen Zweck der Ver-öffentlichung zu verdeutlichen. Zu Recht?

Bedeutung

• Der Begriff der geschäftlichen Handlung bestimmt über den Anwendungsbereich des

UWG

- § 3 I verbietet unlautere geschäftliche Handlungen (ebenso für den Sonderfall der Be-

lästigung § 7)

- §§ 4 – 6 verweisen auf diese Voraussetzung des § 3 I.

• Damit wird das Lauterkeitsrecht von §§ 823 ff. BGB abgegrenzt: Es geht um eine markt-

bezogene geschäftliche Tätigkeit im Gegensatz zu privatem Handeln oder um Handeln zu

anderen als gewerblichen Zwecken

Legaldefinition (§ 2 I Nr. 1 UWG)

• Verhalten einer Person

- insoweit keine Beschränkung auf Verhalten eines Unternehmens, Förderung fremden

Wettbewerbs durch Privaten ist also denkbar (dazu Henning-Bodewig, s.o.)

- erfasst Handlungen und Unterlassungen (bei Rechtspflicht zum Handeln, z.B. § 5a)

- weiter als Begriff der „Werbung“, Beispiele: Boykottaufruf, Herabsetzung eines Kon-

kurrenten

• zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens (Unternehmensbezug)

- Zum Unternehmensbegriff s. oben, 2.

- unternehmerische Tätigkeit = auf Dauer angelegte, selbständige wirtschaftliche Be-

tätigung, die darauf gerichtet ist, Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt zu ver-

treiben

- Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich. Unternehmerisch i.S.d. UWG handeln

z.B. auch Idealvereine, die Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten.

- Gem. § 2 I Nr. 1 genügt ein Handeln zugunsten fremder Unternehmer, gem. Art. 2 lit.

d UGP-RL erfasst die UGP-RL aber nur das Handeln zugunsten des eigenen Unter-

nehmens oder zugunsten eines Auftraggebers (EUGH, C-391/12, GRUR 2013, 1245 –

RLvS Verlagsgesellschaft). Auswirkungen auf das deutsche Recht? Nein, weil das

deutsche Recht außerhalb des Anwendungsbereichs der RL frei ist.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 20

- Problem 1: Verkauf zahlreicher Waren von Privatpersonen bei eBay (Beispiel: BGH

GRUR 2009, 871 – Ohrclips: (+) bei Angebot von 51 Ohrclips „à la Cartier“ innerhalb

eines Monats)

- Problem 2: gesetzliche Krankenkassen, die Mitgliedern fehlerhafte Informationen

über Wechsel zu anderen Kassen geben, als „Unternehmer“? EUGH, C-59/12, GRUR

2013, 1159 – BKK Mobil Oil: ja

- Problem 3: handeln Influencer zugunsten des eigenen Unternehmens, weil sie kom-

merzielle Zielsetzungen verfolgen (z.B. Anbahnung künftiger Werbeverträge, Verdie-

nen an „Klicks“) und/oder zugunsten eines fremden Unternehmens, wenn sie im

Rahmen ihrer Online-Auftritte deren Produkte vorstellen? S. den Übungsfall und die

dort angegebenen Urteile.

• (objektiver) Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren

oder Dienstleistungen (Marktbezug)

- fehlt bei rein betriebsinternen Vorgängen, z.B. interne Anweisungen, Produktion von

Waren

- fehlt bei rein hoheitlichen Handlungen (dazu näher sogleich)

- fehlt bei rein privatem Verhalten (Beispiel: kein Verstoß gegen § 7 II Nr. 3 durch Wei-

terempfehlung eines Produkts per individueller E-Mail), sofern es nicht auch wirt-

schaftlichen Zwecken dient (Beispiele für Letzteres, UWG also anwendbar: Laienwer-

bung für Tupperware, Weiterempfehlung per E-Mail, für die Provision gezahlt wird)

• vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss

- bis 2008 war UWG auf Handlungen bei Geschäftsanbahnung beschränkt

- mittlerweile werden auch Handlungen bei Vertragsabwicklung erfasst

- Beispiel 1: Täuschung über Verbraucherrechte oder Ankündigung eines Haftungsaus-

schlusses, der gem. § 475 oder §§ 307 ff. BGB nichtig ist (BGH GRUR 2010, 1117 –

Gewährleistungsausschluss im Internet)

- Beispiel 2: Versuch, Verbraucher durch systematische Nichtbeantwortung von Anfra-

gen von Rechtsdurchsetzung abzuhalten (vgl. Nr. 27 Anh. zu § 3 III)

- Beispiel 3: Durchsetzung nicht berechtigter Forderungen durch Androhung des Be-

suchs eines „Inkasso-Teams“ (OLG München WRP 2010, 295)

Problem 1: Abgrenzung zur reinen Nicht-/Schlechterfüllung

• Auch der Käufer, der eine Ware mit einem verborgenen Mangel erhält, wird über die Ver-

tragsgemäßheit der Erfüllung getäuscht und sieht deshalb von der Geltendmachung von

Gewährleistungsansprüchen ab.

• Aber das Instrumentarium des § 8 III wäre hier unangemessen: Relativität der Schuldver-

hältnisse, jede Vertragspartei soll selbst über die Durchsetzung ihrer Rechte entscheiden.

• Außerdem Art. 3 II UGP-RL: Vertragsrecht bleibt unberührt.

• Ansatz 1: Einschränkung der „geschäftlichen Handlung“

- Reinen Vertragsverletzungen fehlt die objektive Eignung zur Beeinflussung geschäft-

licher Handlungen (vgl. Egrd. 7 UGP-RL) (BGH GRUR 2013, 945 – Standardisierte

Mandatsbearbeitung; Köhler, WRP 2009, 1175 ff.)

- Geschäftliche Handlung nur, wenn die Handlung eine gewisse Breitenwirkung oder

Systematik aufweist (Glöckner, WRP 2009, 1175 ff.)

- Irrtumsprivileg: rein fahrlässige Vertragsverletzungen fallen nicht unter § 2 I Nr. 1

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 21

• Ansatz 2: auch die Schlechterfüllung ist „geschäftliche Handlung“, aber Unlauterkeit nur

bei weiterer Einwirkung auf das wirtschaftliche Verhalten des Abnehmers, das über bloße

Schlechterfüllung hinausgeht, z.B. aktive Täuschung über Vertragsgemäßheit.

• Ansatz 2 ist m.E. zutreffend, weil Ansatz 1 geschäftliche Handlung und Unlauterkeit ver-

quickt. Aber Ansatz 1 ist einfacher und auch gut vertretbar.

• Daher m.E. zweistufige Prüfung:

- (1) Handelt es sich überhaupt um nachvertragliches Verhalten, oder beeinflusst das

Verhalten künftige Geschäftsabschlüsse?

- (2) Wenn nachvertragliches Verhalten: Wird über die bloße Schlechterfüllung hinaus

auf das Verbraucherverhalten Einfluss genommen.

• Testfrage: Wie sind die „Ausschank“-Fälle (BGH GRUR 1983, 451 und GRUR 1987, 180 –

Ausschank unter Eichstrich I, II) nach neuem UWG zu lösen?

Problem 2: Abgrenzung zu nicht kommerziell motivierten Meinungsäußerungen

• Nach § 2 I Nr. 1 UWG 2004 war zusätzlich die subjektive Absicht zur Förderung des Absat-

zes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen (Wettbewerbsabsicht) erforderlich. Sie

wurde bei unternehmerischem Handeln vermutet.

• Wichtige Filterfunktion für Handlungen in grundrechtsrelevanten Bereichen, die in erster

Linie anderen Zwecken dienen: redaktionelle Tätigkeit der Presse (Art. 5 I 2 GG), wissen-

schaftliche (Art. 5 III GG) oder religiöse Äußerungen (Art. 4 GG)

• Was tun, nachdem nach § 2 I Nr. 1 UWG 2015 ein objektiver Zusammenhang ausreicht,

der z.B. bei kritischen Meinungsäußerungen über Unternehmer oft vorliegt?

- Möglichkeit 1: Fortführung der bisherigen Rechtsprechung → Handeln zugunsten ei-

nes Unternehmens und objektiver Zusammenhang fehlen, wenn die Handlung in ers-

ter Linie anderen Zwecken dient

- Möglichkeit 2: Anwendung des UWG auf die genannten Handlungen, Berücksichti-

gung der Grundrechte bei der Subsumtion unter §§ 4 ff.

- Bei Möglichkeit 2 besteht die Gefahr, dass strenge lauterkeitsrechtliche Maßstäbe

grundrechtliche Freiheiten übermäßig beschränken, außerdem spricht in diese Rich-

tung geht auch EUGH RLvS Verlagsgesellschaft (s.o.) für Möglichkeit 1

• Daher sind schon bei der Feststellung der geschäftlichen Handlung die Wertungen der

Grundrechte (insb. Art. 5 I, 5 III, 4 GG) zu berücksichtigen. Keine geschäftliche Handlung

daher regelmäßig bei

- redaktioneller Berichterstattung in den Medien (Art. 5 I GG), Beispiele: BGH GRUR

1986, 812 – Gastrokritiker, s. auch die Vorinstanz, GRUR 1984, 366 mit Abdruck des

beanstandeten Artikels; BGH GRUR 2006, 875 – Rechtsanwalts-Ranglisten; (+) aber

bei Anzeigenwerbung oder Werbung um Abonnenten; ggf. auch bei übermäßig wer-

bender Herausstellung eines Unternehmens

- Handeln der Verbraucherverbände

- Äußerungen politischer Parteien und gesellschaftlicher Organisationen (Beispiel:

Bezeichnung der Müller-Milch als „Gen-Milch“ durch Greenpeace, BGH NJW 2008,

2110)

- Influencern, die keine Gegenleistung erhalten? Str.

- wissenschaftlichen Äußerungen (Art. 5 III GG)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 22

- religiösen Handlungen (Art. 4 I GG), Wettbewerbsabsicht aber (+) bei Mitgliederwer-

bung mit Erwerbszweck (Absatz von Büchern und Kursen) durch Scientology-Kirche

(OLG Düsseldorf, WRP 1986, 212)

- Äußerungen in Gerichtsverfahren und Äußerungen von Rechtsanwälten im Rahmen

ihrer Tätigkeit

• Es genügt ein Handeln zugunsten eines fremden Unternehmens, bei privaten Handlungen

der Zusammenhang mit der Förderung fremden Wettbewerbs, insoweit aber keine Ver-

mutung des Vorliegens einer geschäftlichen Handlung. Beispiele: Werbung durch Vertre-

ter oder Mitarbeiter, Laienwerbung, Werbung auf einem Internet-Portal. Gegenbeispiele:

Restaurantkritik in Zeitung, Empfehlung eines Produkts unter Privaten, Fall zur Diskussion:

Weiterempfehlung eines Buchs bei amazon.de.

Wettbewerb der öffentlichen Hand

• Problematik: einerseits kann sich öffentliche Hand nicht durch Wahl der Rechtsform dem

UWG entziehen, andererseits sollte das UWG nicht die Kompetenz des Verwaltungsrechts

usurpieren.

• Öffentliche Hand = Bund, Länder, Gemeinden, staatliche Unternehmen oder gemischte

Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden (= in der Regel (+), wenn

Staat über 50 % der Anteile hält, (-) bei der Deutschen Post, BGH GRUR 2012, 728 – Ein-

kauf Aktuell).

• Frage: Wann nimmt die öffentliche Hand „geschäftliche Handlungen“ vor?

• Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit: geschäftliche Handlung liegt unabhängig von Rechts-

form des Handelnden (Beispiel: Werbung einer Sparkasse) in der Regel vor.

• Daseinsvorsorge: geschäftliche Handlung (+) unabhängig von der Rechtsform, wenn die

öffentliche Hand Leistungen im Wettbewerb mit Privaten erbringt (Beispiel: Werbung für

öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, Stromversorgung), Beispiel: OLG München NJW-E

WettbR 2000, 177 – Münchener Trinkwasser).

• Soziale Vorsorge: geschäftliche Handlung (+), wenn mehrere Versicherungsträger im

Wettbewerb stehen und auf Verbraucher eingewirkt wird (EUGH, C-59/12, GRUR 2013,

1159 – BKK Mobil Oil), dagegen nicht, wenn zwingendes Sozialrecht ausgeführt wird

• Hilfsgeschäfte der Verwaltung: öffentliche Hand handelt regelmäßig als Endabnehmer

und damit nicht zur Förderung von Unternehmen.

• Hoheitliches Handeln:

− Keine geschäftliche Handlung bei Handeln in Erfüllung gesetzlicher Aufgaben, in die-

sem Fall unterliegen auch Hilfspersonen nicht dem UWG (BGH GRUR 2006, 428 - Ab-

schleppkosten-Inkasso)

− Schlicht-hoheitliches Handeln, z.B. Rat, Auskunft, Kritik: Wettbewerbsabsicht wird

nicht vermutet, kann aber im Einzelfall vorliegen, z.B. wenn öffentliche Hand bewusst

ein öffentliches Unternehmen begünstigt (BGH GRUR 2009, 1080 – Auskunft der IHK)

oder die Zusammenarbeit mit einem von mehreren Unternehmen ohne Grund betont

(BGH GRUR 2013, 301 – Solarinitiative).

− Beispiel 1 (BGH GRUR 2018, 186 – Eigenbetrieb Friedhöfe): Wenn sich Angehörige

nicht um die Bestattung von Angehörigen kümmern, ist die zuständige Behörde dazu

gesetzlich verpflichtet. Wenn sie den Auftrag an ihren Eigenbetrieb vergibt, ist das

hoheitliches Handeln und kein Fall für das UWG

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 23

− Beispiel 2 (BGH GRUR 2018, 622 – Verkürzter Versorgungsweg II): Bundesinnung

der Hörgeräteakustiker (= Körperschaft des öffentlichen Rechts) kritisiert „verkürzten

Versorgungsweg“, bei dem Patienten nicht mehr zum Hörgeräteakustiker müssen.

UWG (+), weil Äußerung zugunsten der Mitglieder, die im Wettbewerb zu Unterneh-

men stehen, die ohne Akustiker auskommen. Äußerung kann unter das UWG fallen,

aber die Innung kann sich trotzdem auf Art. 5 GG berufen, was bei der Auslegung der

§§ 3a-6 zu berücksichtigen ist.

• Zur Unlauterkeit des Handelns der öffentlichen Hand später unter III. Einige Fälle lassen

sich den §§ 3a-6 zuordnen (Beispiel: Missbrauch einer Autoritätsstellung durch einen Leh-

rer → § 4a), andere fallen unter die Generalklausel, vor allem § 3a (Beispiel: Touristenin-

formation im Rathaus empfiehlt bei Fragen nach einem Restaurant nur das staatliche Hof-

bräuhaus)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 24

4. Die Generalklausel (§ 3 UWG)

Lit.: Köhler, WRP 2015, 275 ff.; Ohly, GRUR 2014, 1137 ff.

a) Bedeutung und Funktion von Generalklauseln

Bedeutung

• Generalklausel = Norm, deren Text unbestimmt ist und die daher in ihrem gesamten An-

wendungsbereich der Ausfüllung durch zusätzliche Wertungen bedarf.

- § 1 UWG 1909: keine Definition der „guten Sitten im Wettbewerb“

- § 3 I UWG 2015: keine Definition der „Unlauterkeit“

- „große“ Generalklausel: erfasst gesamten Bereich des Wettbewerbsrechts

- „kleine“ Generalklausel: begrenzt auf bestimmte Form des unlauteren Wettbewerbs

(Beispiele: § 5 I; § 7 I)

• Warum gibt es eine lauterkeitsrechtliche Generalklausel?

- Flexibilität: unverzichtbar angesichts der Dynamik des Wettbewerbs

- Lückenfüllung: Der Gesetzgeber hat keine Chance, alle möglichen unlauteren Verhal-

tensweisen vorherzusehen

- Delegation: Die Gerichte haben weiten Spielraum um in Einzelfall zu entscheiden.

Wenn sich aus Einzelfällen Fallgruppen bilden, kann sich der Gesetzgeber daran spä-

ter orientieren (so geschehen bei § 4)

- Kohler, Recht des Markenschutzes (1884): „Die Unredlichkeit ist ein Proteus, der sich

in tausend Formen flüchtet und gerade die gesetzlich verpönten Gestalten vermeidet,

um in unzähligen Verkleidungen dem loyalen Verkehr die Früchte seiner redlichen

Bemühungen abzujagen.“

• Nachteil der Verwendung von Generalklauseln: Unbestimmtheit (Hedemann, 1933: Die

Flucht in die Generalklauseln als Gefahr für Recht und Staat), daher zunächst keine „gro-

ße“ Generalklausel im UWG 1896, Ablehnung einer Generalklausel im englischen Recht

Der Wandel der Generalklausel

• 1909: § 1 verbot Handlungen zu Wettbewerbszwecken, die gegen „die guten Sitten“ ver-

stoßen. Kein Beispielskatalog (wie heute § 4), damit § 1 als Grundlage erheblicher Teile

des UWG („Königsnorm“). Extreme Offenheit, erhebliche Bedeutung des Richterrechts.

• 2004

- Formulierung: Ersetzung der „guten Sitten“ durch „Unlauterkeit“, damit aber keine

wesentliche Änderung, da es schon bisher nicht um ethische Werturteile, sondern um

richterrechtliche Regulierung des Wettbewerbs ging.

- Konkretisierung: neuer Beispielskatalog des § 4, der die wesentlichen Fallgruppen er-

fasst. Auf § 3 wird verwiesen („Rahmennorm“), und § 3 kann als Grundlage für die

von § 4 nicht erfassten Fälle dienen („Auffangnorm“)

- Einführung der Bagatellklausel (nicht unwesentliche Beeinträchtigung der Mitbe-

werber- oder Abnehmerinteressen)

• 2008

- § 3 I: Ersetzung der „Wettbewerbshandlung“ durch „geschäftliche Handlung“ und

Umformulierung der Bagatellklausel zur Spürbarkeitsschwelle

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 25

- § 3 II: Umsetzung des Art. 5 II, III UGP-RL, Konkretisierung der Unlauterkeit für

Handlungen gegenüber Verbrauchern

• 2015

- Weil §§ 3a-6 direkt auf § 3 I verweisen und, soweit erforderlich, eigene Spürbarkeits-

schwellen enthalten, wird § 3 I weitgehend zur „Scharniernorm“

- Daneben bleibt § 3 I Auffangnorm, aber nur für nicht durch die UGP-RL erfasste Fälle

- Ausgliederung der Vorgaben zum Verbraucherleitbild in einen neuen § 3 IV.

b) § 3 als Scharniernorm

Das Zusammenspiel von §§ 3a-6 und § 3 I

• Das Verhältnis zwischen §§ 4-5a und § 3 I war unter dem UWG 2008 umstritten.

• Inzwischen Klärung: §§ 3a-6 verweisen auf § 3 I, der keine eigenen materiellen Vorausset-

zungen mehr enthält (insbesondere keine eigene Spürbarkeitsschwelle). Zu prüfen sind al-

so nur noch die VSS der §§ 3a-6, damit Unlauterkeit (+) und § 3 I verweist auf die Rechts-

folgen (§§ 8-10)

• In den Fällen „schwarzen Liste“ kein Verweis auf § 3 I, sondern Verweis durch § 3 III auf

die Rechtsfolgen aus §§ 8-10.

c) § 3 als Auffangnorm (§ 3 „pur“)

Zulässigkeit

• Die meisten Fälle werden inzwischen von §§ 3a-7 oder von § 3 III mit Anhang geregelt.

Wenn das nicht der Fall ist, kann grundsätzlich auf § 3 zurückgegriffen werden.

• Rückgriff auf § 3 aber gesperrt, wenn dem Spezialtatbestand eine Begrenzung innewohnt.

Beispiel: Wenn § 4 Nr. 3 das Angebot nachgeahmter Produkte bei Vorliegen zusätzlicher

Unlauterkeitsmerkmale verbietet, kann nicht gem. § 3 I jede Nachahmung unlauter sein.

• Außerdem Indizfunktion der §§ 3a-7: Der Gesetzgeber war der Ansicht, alle wesentlichen

Fallgruppen erfasst zu haben, Rückgriff auf § 3 daher nur, wenn die §§ 3a-7 eine Lücke

enthalten. Außerdem muss der gem. § 3 verbotene Fall vom Unwertgehalt den speziell ge-

regelten Fällen entsprechen.

• Im B2B-Verhältnis und bei Beeinträchtigung von Mitbewerberinteressen ist nur § 3 I zu

prüfen. Der Gesetzgeber der Reform von 2015 hat seinen ursprünglichen Plan, die Auf-

fangfunktion des § 3 I zu streichen, fallengelassen. In welchem Maße eine Spürbarkeit er-

forderlich ist, ist von Fall zu Fall zu prüfen.

• Im B2C-Verhältnis greift § 3 II, dabei zweistufige Prüfung:

- Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt (§ 2 I Nr. 7)

- Verbraucherrelevanz (§ 2 I Nr. 8)

• Wie wendet man eine Generalklausel an?

- Interessenabwägung = Benennung der betroffenen Interessen, Gewichtung, Abwägung

- Dabei Berücksichtigung der Wertungen der Grundrechte

- Besondere Bedeutung des Richterrechts

• § 3 kommt selten unmittelbar zur Anwendung, weil §§ 4-7 die wesentlichen Fälle der Un-

lauterkeit regeln. Bedeutung hauptsächlich für neuartige Praktiken, die der Gesetzgeber

nicht vorhersehen konnte.

• Beispiele für eine Anwendung des § 3 I und II „pur“ unten unter III.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 24

III. Unlautere geschäftliche Handlungen

1. Schutz der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer

a) Überblick und unionsrechtlicher Rahmen

aa) Verbraucherschutz

Schutz der Verbraucher gegen unlauteres Marktverhalten

Kein allgemeiner Verbraucherschutz im UWG (z.B. kein allgemeiner Schutz von Si-

cherheit und Gesundheit), sondern Schutz gegen unlauteres Marktverhalten

In erster Linie Schutz der Verbraucher „als Verbraucher“, also als Abnehmer / Nach-

frager von Waren und Dienstleistungen

- Schutz von Entscheidungsgrundlage (§§ 5, 5a) und Entscheidungsprozess (§ 4a)

- Dieser Teil des UWG wurde vollständig durch EU-Recht harmonisiert (dazu so-

gleich)

„Ausreißer“ = §§ 7 und 3a

- Schutz vor Belästigungen (§ 7) schützt den Verbraucher nicht als Marktteilnehmer,

sondern in seiner Privatsphäre im Unionsrecht nicht im Lauterkeitsrecht, son-

dern im Datenschutzrecht (als Teil des Persönlichkeitsrechts) geregelt

- Schutz gegen die Verletzung von Marktverhaltensnormen = Vorschriften außerhalb

der §§ 3-7 UWG, dabei nach h.M. Schutz sämtlicher Verbraucherinteressen, Bei-

spiel: Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel – gefährdet die Gesundheit der Ver-

braucher, aber jedenfalls dann nicht ihre Rolle als Marktteilnehmer, wenn sie über

die fehlende Zulassung informiert werden.

Auch wenn die §§ 4a-5a, 7 primär Verbraucher und andere Abnehmer schützen,

schützen sie mittelbar auch Mitbewerber, die auch in diesen Fällen anspruchsberech-

tigt sind (§ 8 III Nr. 1), denn wer unlauter auf Abnehmer einwirkt, verschafft sich einen

ungerechtfertigten Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern.

Verbraucherschutz im UWG

Entscheidungs-grundlage = zutreffende Information

Schutz sonstiger Ver-braucherinteressen

Schutz des Verbrauchers als Marktteilnehmer

Schutz der Pri-vatsphäre =

Schutz gegen Belästigung

(§ 7)

Schutz gegen Verletzung ver-braucherschüt-zender Markt-verhaltensnor-

men (§ 3a)

Entscheidungs-prozess = Ent-scheidungsfrei-

heit

Irreführungs-verbot: § 3 III i.V.m. Anh.

Nrn. 1-25, § 5

Informations-pflichten: § 5a

II-VI

Verbot aggressi-ver Praktiken: § 3 III i.V.m. Anh. Nrn. 26-30, § 4a

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 25

Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL)

Dient nur dem Verbraucherschutz (Art. 1)

- Abgrenzung 1: Regelungen, die „lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mit-

bewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreiben-

den beziehen“ nicht erfasst (Egrd. 6)

- Abgrenzung 2: Schutz vor Beeinflussung der Verbraucherentscheidung ↔ Prakti-

ken, die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen (z.B. reine Belästi-

gung, Angebot schlechter Waren oder DL ohne Irreführung)

Anwendungsbereich: geschäftliche Handlungen im B2C-Verhältnis

- Geschäftspraktiken = Handlungen vor, während oder nach Vertragsschluss, die

unmittelbar mit Absatzförderung, Verkauf oder Lieferung eines Produkts (Art. 2 d)

zusammenhängen (umgesetzt in § 2 I Nr. 1, dazu oben, II 3)

- B2C: von Unternehmern gegenüber Verbrauchern, aber Handlungen sowohl ge-

genüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern ausreichend

- Ausgenommen: Vertragsrecht (Art. 3 II), Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von

Produkten (Art. 3 III), spezifische Regelungen für reglementierte Berufe (Art. 3

VIII)

„Dreistufentest“ der Unlauterkeit:

Schwarze Liste = per se-Verbote, keine Prüfung der unlauteren Auswirkung auf Ver-

braucher

Art. 6-9: unlautere Praxis muss Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung ver-

anlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Fallbeispiel: EuGH, Rs. C-428/11, GRUR 2012, 1269 – Purely Creative/Office of Fair

Trading

Grundsatz der Vollharmonisierung: Die Mitgliedstaaten dürfen weder mildere noch

strengere Regeln vorsehen. Fallbeispiele: Vgl. EuGH, Rs. C-261, C-299/07, GRUR 2009,

599 – VTB-VAB/Total Belgium und Galatea/Sanoma: Unvereinbarkeit des belgischen

Kopplungsverbots mit der Richtlinie, weil Kopplung (a) nicht in der „schwarzen Liste“

verboten und (b) im belgischen Recht unabhängig von der konkreten Einwirkung auf

den Verbraucher verboten.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 26

Ebenso zu § 4 Nr. 6 UWG 2004 EuGH, Rs. C-304/08, GRUR 2010, 244 – Wettbewerbs-

zentrale/ Plus - „Millionen-Chance“.

Aber Spielraum der Mitgliedstaaten bei den Rechtsfolgen (Art. 11): Wahl zwischen zi-

vilrechtlicher Durchsetzung und verwaltungsrechtlichem Verfahren. Das schränkt die

harmonisierende Wirkung ein.

Änderungen der UGP-RL durch RL 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Moder-

nisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union („Omnibus“-RL , weil die RL

mehrere verbraucherschutzrechtliche Richtlinien ändert)

Ergänzung des Art. 7 und der Schwarzen Liste um Transparenzgebote im Zusammen-

hang mit Kundenbewertungen auf Verkaufs- und Vergleichsplattformen

Individualansprüche für Verbraucher (Art. 11a UGP-RL neu)

Verpflichtende Bußgelder (Art. 13 UGP-RL neu)

Referentenentwurf eines Umsetzungsgesetzes vom 4.11.2020 schlägt folgenden Ände-

rungen des UWG vor:

- Vorrang von Regelungen besonderer Aspekte unlauterer Handlungen (§ 1 II

UWG/RefE), problematisch, weil evtl. ungewollte erhebliche Einschränkung des §

3a

- Umstrukturierung des § 5a UWG in allg. VSS (§ 5a) und wesentliche Verbraucher-

information (§ 5b), dazu näher bei § 5a

- Neue Informationspflichten und Fälle der schwarzen Liste

- Versuch einer Regelung der Influencer-Werbung (§ 5a IV UWG/RefE), dazu näher

unten bei § 5a VI

- Schadensersatzanspruch für Verbraucher bei Verstoß gegen §§ 3 II, III, 3 I iVm 4a-

5a (§ 9 II UWG/RefE), problematisch wegen erheblicher Überschneidung mit BGB-

Rechtsbehelfen

- Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen §§ 3 III, 4a I 1, 5 I, 5a I UWG (§§ 5c, 19

UWG/RefE)

- Anpassung der “schwarzen Liste” an die UGP-RL und Streichung des § 7 II Nr. 1

UWG, also künftig wie in der RL 31 Fälle, nicht wie bisher 30 Fälle

b) Schutz sonstiger Abnehmer und Anbieter

Überblick

Verbraucher sind nur natürliche Personen, die zu privaten Zwecken handeln (§ 2 II

i.V.m. § 13 BGB)

Das UWG schützt aber auch „sonstige Marktteilnehmer“ (§ 1) – wer ist das?

- In erster Linie gewerbliche Abnehmer (z.B. Käufer eines Baggers): sie sind Unter-

nehmer, aber keine Mitbewerber

- außerdem gewerbliche Anbieter

- und juristische Personen, die nicht gewerblich handeln (z.B. ein Gesangsverein)

Die Trennlinie im UWG verläuft nicht zwischen Unternehmern und Verbrauchern oder

zwischen verbrauchergerichteten (B2C) und unternehmergerichteten (B2B) Handlun-

gen, sondern zwischen dem Mitbewerberschutz (Horizontalverhältnis) und dem Ab-

nehmer- (bzw. ausnahmsweise Anbieter-)schutz. Beispiel: Käufer eines Computers ha-

ben ein Interesse daran, nicht irregeführt zu werden. Insoweit kein Unterschied zwi-

schen privaten und unternehmerischen Abnehmern (nur beim Verbraucherleitbild, vgl.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 27

§ 3 IV, weil unternehmerische Abnehmer meist besser informiert und aufmerksamer

sind)

Die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (WerbeRL)

Schützt unternehmerische Interessen (Art. 1 WerbeRL)

Entstehungsgeschichte

- RL über irreführende Werbung (1984) = erste Harmonisierungsrichtlinie, enthielt

Schutzzwecktrias wie § 1 UWG, setzte nur Mindeststandard

- RL über vergleichende Werbung (1997), technisch Ergänzung der RL von 1984: De-

finition und Zulässigkeitsvoraussetzungen der vergleichenden Werbung, insoweit

Vollharmonisierung (umgesetzt in § 6 UWG)

- 2005 Änderung: RL schützt jetzt nur noch Interessen der Mitbewerber, Irrefüh-

rungsverbot auf B2B-Bereich beschränkt

Kein umfassender Schutz unternehmerischer Interessen, anders als der Verbraucher-

schutz ist der Schutz von Mitbewerbern und gewerblichen Abnehmern fragmentarisch

geregelt, weite Teile bleiben dem nationalen Recht überlassen

Schutzrichtung 1: Schutz vor Irreführung im B2B-Bereich (Art. 2b, 3, 5), nur Mindest-

standard, erheblich weniger detailliert als Art. 6 UGP-RL

Schutzrichtung 2: Schutz vor unlauterer vergleichender Werbung (Art. 2c, 4, 5), dazu

näher unter III 2

Damit vermischt die Richtlinie Abnehmerschutz (Art. 3) und Mitbewerberschutz (Art 4)

Blick in die Zukunft: Kommt eine allgemeine B2B-Richtlinie? Derzeit keine konkreten

Pläne der Kommission

Schutz sonstiger Marktteilnehmer (insb. gewerblicher Abnehmer)

Entscheidungs-grundlage = zutreffende Information

Schutz sonstiger Inte-ressen

Schutz als Marktteilneh-mer

Schutz der Un-gestörtheit be-trieblicher Vor-gänge = Schutz gegen Belästi-

gung (§ 7)

Schutz gegen Verletzung von Marktverhal-

tensnormen (§ 3a)

Entscheidungs-prozess = Ent-scheidungsfrei-

heit

Irreführungs-verbot: § 5

Informations-pflichten: § 5a I

Verbot aggressi-ver Praktiken:

§ 4a

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 28

b) Irreführende geschäftliche Handlungen (§ 5 UWG und Anh. zu § 3 III)

Lit.: Alexander, §§ 8, 9; Jänich § 12; Hofmann, Jura 2014, 926 ff. (Klausurfall)

Übungsfall (BGH GRUR 2015, 698 – Schlafzimmer komplett)

Das Möbelhaus Hofer (H) wirbt in einem Prospekt für das folgende Angebot:

Die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, ein Zusammenschluss von ca. 1.200 Unternehmen und ca. 800 Kammern und Wirtschaftsverbänden, hält diese Anzeige für irreführend, weil das Angebot Lattenroste und Matratzen nicht umfasst. Die H verweist auf das „Kleingedruckte“ links unten.

Kann die Wettbewerbszentrale von H Unterlassung verlangen?

aa) Grundlagen

Bedeutung

• Der Schutz vor Irreführung (Wahrheitsgebot) gehört zu den Grundanliegen des Lauter-

keitsrechts.

- Verbraucher- bzw. Abnehmerschutz: Der Verbraucher (oder gewerbliche Abnehmer)

soll seine Nachfrageentscheidung auf der Grundlage zutreffender Informationen tref-

fen. Fehlinformationen beeinträchtigen seine Entscheidungsgrundlage und erhöhen

seine Suchkosten.

- Mitbewerberschutz (historische Wurzel des § 5!): Wer irreführend wirbt, verschafft

sich vor seinen Konkurrenten einen unlauteren Vorsprung.

- Allgemeinheit: Der Markt funktioniert nur, wenn der Verbraucher seine Schiedsrich-

terfunktion sachgerecht wahrnehmen kann. Täuschungen führen zur Fehlallokation

von Ressourcen. Würde das Recht nicht gegen Irreführungen schützen, dann würden

sich Investitionen in Qualität nicht mehr lohnen, weil der Verbraucher sie nicht mehr

zuverlässig erkennen könnte.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 29

• Irreführungsschutz daher als „Pionier“ des Lauterkeitsrechts:

- Irreführungsverbot bereits im UWG von 1896

- Richtlinie über irreführende Werbung als erste EG-RL im Lauterkeitsrecht (1984), al-

lerdings geringe Auswirkungen, da nur vage Definition und lediglich Mindeststandard

- Inzwischen weitgehende Harmonisierung durch die UGP-RL

• Grundfragen des Irreführungsschutzes:

- Rechtliches Instrumentarium: Privatrecht oder Strafrecht/Ö-Recht? In D rein privat-

rechtlicher Ansatz, in vielen anderen europäischen Ländern Kontrolle durch Verwal-

tungsbehörde (z.B. F, I, H, teilweise GB) oder Selbstkontrolle (GB).

- Verbindung zwischen Unterlassungsklage im Allgemeininteresse und individuellen

Rechtsbehelfen des Verbrauchers: In D keine individuelle Klagemöglichkeit (nach

h.M. auch kein Anspruch aus § 823 II BGB) in anderen Ländern doch (z.B. A). Inzwi-

schen aber nach Art. 11a UWG-RL verpflichtend, so dass auch in Deutschland der Re-

ferentenentwurf des BMJV zur Umsetzung der Neufassung der UGP-RL (Entwurf ei-

nes Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerbe-

recht, im Folgenden RefE) die Einführung eines individuellen Schadensersatzan-

spruchs vorsieht.

- Maßstab: strenger Maßstab mit Minderheitenschutz oder Maßstab des durchschnittli-

chen Verbrauchers? Strenger Ansatz des früheren deutschen Rechts, anders jetzt das

europäische Verbraucherleitbild.

- Feststellung im Prozess: empirischer Ansatz (Meinungsumfrage) oder normativer An-

satz (richterliche Feststellung)? Praktisch meist richterliche Feststellung (dazu näher

unten), ausnahmsweise sind Meinungsumfragen aber möglich.

Systematik der Irreführungstatbestände

• Per-se-Verbote in Ziff. 1-24 der Schwarzen Liste (Anh. zu § 3 III), nach RefE künftig Nr. 1-

23c

• § 5 UWG als zentraler IrreführungsTB:

- I 1: allgemeiner Grundsatz („kleine Generalklausel“)

- I 2: Kriterien für Feststellung der Irreführung (in Anlehnung an UGP-RL), dabei Diffe-

renzierung zwischen unwahren und sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben

- II: Erstreckung auf vergleichende Werbung und bildliche Darstellungen

- IV: Vermutung der Irreführung bei Werbung mit Preissenkungen, wenn der alte Preis

nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert wurde

• Die Irreführung durch Unterlassen wird durch den Sondertatbestand des § 5a geregelt.

• wurde früher durch § 5 erfasst, seit 2008 besteht mit § 5a ein Sondertatbestand

• § 5 UWG wird durch zahlreiche Sondervorschriften ergänzt, insb. durch die Preisangaben-

verordnung (PAngV, dazu unten) und durch Vorschriften des Lebensmittelrechts (LFGB)

und des Heilmittelwerberechts (HWG) – anwendbar über § 5a II, IV oder § 3a

• Daneben auf Unionsebene zahlreiche Verordnungen über Produktkennzeichnungen, insb.

im Lebensmittel- und Arzneimittelbereich, z.B. die Health-Claims-Verordnung 1294/2006

über gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 30

Verbraucherleitbild

• Unionsrechtliches Verbraucherleitbild, das auch für § 5 UWG gilt: Leitbild des angemes-

sen gut unterrichteten, angemessen aufmerksamen und kritischen Verbrauchers (Egrd.

18 UGP-RL) bzw. des Durchschnittsverbrauchers (§ 3 IV 1 UWG)

• Dieser Durchschnittsverbraucher ist nicht allwissend, sondern situationsbedingt aufmerk-

sam. Dabei kommt es auf die Umstände des Kaufs (holt der Verbraucher vorher Informati-

onen ein oder kauft er flüchtig?) und die Art der Waren an.

• Stufenleiter des § 3 IV (Erinnerung!)

- Durchschnittsverbraucher (§ 3 IV 1, 1. Alt.)

- Bei Verhalten, das sich an bestimmte Gruppe richtet, durchschnittliches Mitglied dieser

Gruppe (§ 3 IV 1, 2. Alt.)

- Bei Verhalten, das nur eine besonders schutzwürdige Gruppe betrifft, Mitglied dieser

Gruppe (und damit strengere Standards) (§ 3 IV 2)

bb) Fälle der „schwarzen Liste“

Bedeutung

• Sind unter allen Umständen unzulässig, wenn sie gegenüber Verbrauchern vorgenommen

werden (§ 3 III UWG, Art. 5 V UGP-RL). Gemeinsamkeiten mit und Abweichungen von § 3

I, II:

- Es müssen geschäftliche Handlungen sein.

- Die Unlauterkeit darf nicht gesondert geprüft werden, sie ergibt sich aus Nr. 1-30

(nach RefE BMJV künftig Nr. 1-31).

- Spürbarkeit oder Relevanz (§ 3 II) sind nicht zu prüfen. Lösung extremer Fälle ggf.

über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (str.).

• Die UGP-RL nennt 31 Fälle, in der Neufassung 2019 wurden vier Fälle (Nr. 11a, 23a-c)

hinzugefügt. Der deutsche Gesetzgeber hat Nr. 26 Anh. I UGP-RL in § 7 umgesetzt und aus

Nr. 31 Anh. I UGP-RL Nr. 17 gemacht. Nr. 1-24 betreffen unwahre, Nr. 25-30 aggressive

Prüfungsschema (einzubauen in das allgemeine Prüfungsschema s. oben II 1)

1. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Bei B2C-Handlungen: § 3 III i.V.m. Anh. Nr. 1-24 (nach RefE künftig 1-23c) der

Schwarzen Liste

3. Unlauterkeit (§ 3 I) gem. § 5 I

a) Angabe

b) Irreführung

aa) Feststellung der maßgeblichen Verkehrskreise (vgl. § 3 IV)

bb) Verständnis des durchschnittlich informierten und angemessen aufmerk-

samen und verständigen durchschnittlichen Mitglieds dieser Verkehrs-

kreise

cc) Vergleich dieses Verständnisses mit der Realität

c) Relevanz

d) Interessenabwägung, nur bei besonderen Anhaltspunkten im Sachverhalt

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 31

Handlungen. Der aktuelle RefE des BMJV sieht eine Anpassung der deutschen Schrarzen

Liste an die

• Einige dieser Fälle sind praktisch nicht sehr relevant (vgl. etwa den „schrägen“ in Nr. 8

geregelten Fall), relativ eng begrenzt.

• Tipp 1 (wie immer im Verbraucherrecht): Text genau lesen, jedes Wort zählt!

• Tipp 2: eng auslegen, im Zweifel lieber über die allgemeineren Vorschriften §§ 5, 5a (bei

Irreführung) und § 4 Nr. 1, 2 (bei aggressiven Praktiken) gehen.

Die Fälle im Einzelnen

• Nr. 1, 3: Falsche Angaben zur Unterzeichnung oder Billigung von Verhaltenskodices (De-

finition in § 2 I Nr. 5, z.B. Corporate Responsibility Codes, sofern verbindlich vereinbart)

• Nr. 2: Verwendung von Gütezeichen ohne Genehmigung

• Nr. 4: Vortäuschen einer Billigung oder Genehmigung für Waren oder Dienstleistungen

• Nr. 5: Lockangebote = Werbung für ein Produkt ohne Hinweis auf zu niedrigere Vorrats-

menge – es geht nur um die Täuschung, nicht um das Vorhalten einer zu geringen Menge

selbst

• Nr. 6: Bait-and-switch-Taktik (praktisch eher selten)

• Nr. 7: Fehlerhaftes Hervorrufen von Zeitdruck

• Nr. 8: Kundendienstleistungen in anderer als der Vertragssprache (nicht sehr relevant)

• Nr. 9: unwahre Angabe oder unzutreffender Eindruck der Verkehrsfähigkeit, z.B. Wer-

bung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel – auch hier geht es nur um die Täuschung,

nicht um den Vertrieb des nicht verkehrsfähigen Produktes selbst. Angebot eines Pro-

dukts, dessen Vertrieb Gesetze des geistigen Eigentums verletzt als Fall der Nr. 9? (-), die

Vorschrift zielt auf Genehmigungserfordernisse (z.B. bei Arzneimitteln) oder Vertriebsbe-

schränkungen.

• Nr. 10: Herausstellen gesetzlicher Rechte als Besonderheit des Angebots, allerdings (-),

wenn der Verkäufer erklärt, dass die Rechte gesetzlich vorgesehen sind (BGH GRUR 2014,

1007 – Geld-Zurück-Garantie III)

• Nr. 11: Schleichwerbung, allerdings eingeschränkt darauf, dass ein Unternehmer redak-

tionelle Inhalte finanziert. Adressat ist nur der Unternehmer, nicht die Zeitung (EuGH

GRUR 2013, 1575 – GOOD NEWS)

• Künftig nach RefE Nr. 11a: Anzeige von Suchergebnissen, ohne dass offengelegt wird,

dass für die Platzierung bezahlt wurde

• Nr. 12: unwahre Werbung mit bestimmten Fällen der Angst

• Nr. 13: Absichtliche (!) Täuschung über betriebliche Herkunft durch Werbung für Pla-

giate

• Nr. 14: Schneeballsysteme

• Nr. 15: unwahre Ankündigung eines Räumungsverkaufs

• Nr. 16: unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Gewinnchancen erhöhen

• Falsche Gewinnmitteilung oder Irreführung über Kosten (Nr. 17, künftig nach RefE Nr.

31), dazu EuGH, Rs. C-428/11 – Purely Creative et al./ OFT: Es handelt sich um einen Tat-

bestand der aggressiven Praxis (daher war die „Korrektur“ des deutschen Gesetzgebers,

der aus Nr. 31 der EU-Liste Nr. 17 der deutschen gemacht hat, ein Fehler, eine „Neuein-

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 32

sortierung“ unter die aggressiven Praktiken steht bevor), es dürfen keinerlei Kosten ent-

stehen.

• Nr. 18 (künftig nach RefE Nr. 17): falsche Informationen über Heilungschancen bei Medi-

kamenten, daneben greifen Sondervorschriften des Heilmittelwerberechts ein

• Nr. 19 (künftig nach RefE Nr. 18): unwahre Angaben über Marktbedingungen oder Be-

zugsquellen

• Nr. 20 (künftig nach RefE Nr. 19): Angebot eines Wettbewerbs oder Preisausschreibens,

wenn gar keine Preise vergeben werden

• Nr. 21 (künftig nach RefE Nr. 20): falsche Behauptung, ein Produkt sei gratis

• Nr. 22 (künftig nach RefE Nr. 21): Irreführung über Vorliegen einer Bestellung durch Zah-

lungsaufforderung bei nicht bestellten Waren oder Dienstleistungen, greift neben § 7 I

(der die Zusendung selbst verbietet) und § 241a BGB ein

• Nr. 23 (künftig nach RefE Nr. 22): falsche Vorspieglung privaten Handelns

• Nr. 24 (künftig nach RefE Nr. 23): Irreführung über Verfügbarkeit von Kundendienst in

anderem EU-Staat

• Künftig nach RefE Nr. 23a: Wiederverkauf von Eintrittskarten, wenn beim Kauf Beschrän-

kungen umgangen wurden

• Künftig nach RefE Nr. 23b: Behauptung, dass Verbraucherbewertungen von Kunden

stammen, die das Produkt gekauft oder genutzt haben, ohne dass Prüfmaßnahmen ergrif-

fen wurden, ob das wirklich der Fall ist

• Künftig nach RefE Nr. 23c: Übermittlung gefälschter Verbraucherbewertungen

cc) Allgemeine Voraussetzungen

§ 5 I: Vorüberlegungen

• Die Prüfung des § 5 steht und fällt mit der genauen Benennung der möglicherweise irre-

führenden Angabe.

- Oft enthält der Sachverhalt mehrere irreführende Angaben, dann gilt: differenzieren,

differenzieren, differenzieren!

- Tipp: Schon im Obersatz die Angabe(n) benennen, sie auf die Liste des § 5 I 2 beziehen

und ggf. andeuten, worin die Irreführung liegen könnte. Beispiel: Die Angabe „Schlaf-

zimmer komplett“ könnte eine irreführende Angabe über die Merkmale der Ware (§ 5 I

2 Nr. 1) sein, weil das Angebot Matratzen und Lattenroste nicht umfasst.

• § 5 erfasst nicht nur objektiv falsche Angaben (§ 5 I 2, 1. Alt.), sondern auch objektiv wah-

re, aber missverständliche und daher irreführende Angaben (§ 5 I 2, 2. Alt.)

• § 5 I 2 differenziert zwischen unwahren und sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben

über die in einer Liste genannten Umstände. Wie geht man damit um?

- (1) Wohl noch h.M.: Die Differenzierung ist unerheblich. Auch bei unwahren Angaben

ist die Täuschungseignung zu prüfen („oder sonstige zur Täuschung geeignete Anga-

ben“). Die Liste des § 5 I 2 ist nicht abschließend, daher ist eine Subsumtion unter die

dort genannten Fälle nicht erforderlich.

- (2) Engere Auslegung am Wortlaut des § 5 und des etwas anders formulierten Art. 6

UGP-RL (Köhler, WRP 2013, 403, 407): objektiv unwahre Angaben sind per se irrefüh-

rend, allerdings ist noch die Verbraucherrelevanz zu prüfen. Prüfung der Täuschungs-

eignung nur bei „sonstigen“ Angaben, die in der Liste des § 5 I 2 genannt sind.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 33

- Stellungnahme: Praktisch dürfte es keine Unterschiede geben – unwahre Angaben sind

regelmäßig auch zur Täuschung geeignet, wenn nicht, dann fehlt die Auswirkung auf

das Verbraucherverhalten. Die Liste des § 5 I 2 dürfte ohnehin weitgehend alle relevan-

ten Fälle enthalten. Da die Formulierung des § 5 I 2 ein vertretbares Verständnis der

UGP-RL darstellt, sollte unter den Wortlaut des UWG subsumiert und die Täuschungs-

eignung jeweils geprüft werden. Um welchen Fall der Liste es sich handelt, kann im

Obersatz (s.o.) knapp erwähnt werden. Sollte kein Fall der Liste einschlägig sein, dann

sollte das nur im Fall des § 5 I 2, 2. Alt. problematisiert werden.

Angabe

• § 5 I erfasst unwahre oder sonst zur Täuschung geeignete Angaben. Angaben = Tatsa-

chenbehauptungen.

• Keine Beschränkung auf Werbung, auch wenn sie den Regelfall darstellt. In Betracht

kommen daher alle geschäftlichen Praktiken, neben irreführenden Werbeangaben also

Irreführung bei Nachfrage und Irreführung bei oder nach Vertragsschluss (z.B. über

Vertragsgemäßheit der Ware oder Verbraucherrechte).

• Klausurtipps: (1) Zu Beginn der Prüfung genau festhalten, worin die Angabe besteht.

(2) Wenn fraglos eine faktische Angabe vorliegt, dann nicht lange subsumieren, son-

dern kurz feststellen.

• Art. 6 UGP-RL verlangt keine Angabe („in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher

Umstände ihrer Präsentation“), Vereinbarkeit mit EU-Recht insoweit fraglich. Jeden-

falls ist „Angabe“ im weitesten Sinne zu verstehen, so schon immer die deutsche Rspr.

Altes Beispiel: BGH GRUR 1961, 544 – Hühnergegacker. S. auch § 5 III: auch bildliche

Angaben und Angaben im Rahmen vergleichender Werbung erfasst. Zu irreführenden

Werbevergleichen näher unter III 2 a.

• Abgrenzung 1: Werturteile. Sie können nicht wahr oder unwahr, sondern nur mehr

oder weniger überzeugend sein → Beurteilung nur nach § 4 Nr. 1. Soweit Werturteile

aber einen Tatsachenkern enthalten, kann er nach § 5 überprüft werden. P! Äußerung

einer Rechtsansicht: Erkennbare Äußerung einer möglicherweise umstrittenen Ansicht

ist Meinungsäußerung, Feststellung einer angeblich feststehenden Rechtslage kann

Angabe sein (BGH GRUR 2019, 754 – Prämiensparverträge)

• Abgrenzung 2: Marktschreierei. Allgemeine Werbeanpreisungen („Das beste Restau-

rant in München“, „Warsteiner – das einzig Wahre“) können nicht überprüft werden

und sind deshalb erlaubt. Anders, wenn Allein- oder Spitzenstellungswerbung über-

prüfbare Tatsachenbehauptungen enthält. Beispiel (BGH GRUR 2019, 631 – Das beste

Netz): Werbung „Bestes Netz“ nicht irreführend, wenn sich der Anbieter erkennbar auf

ein Testergebnis bezieht und dort Testsieger wurde.

Prüfung der Irreführungsgefahr in drei Stufen

(1) Wer sind die maßgeblichen Verkehrskreise?

• Es kann sich um alle Verbraucher, aber auch um bestimmte Segmente (Internet-User,

Sportler, Ärzte, usw.) handeln (§ 3 IV 1).

• Bei besonders schutzwürdigen Gruppen (z.B. Jugendliche) gelten besonders strenge

Maßstäbe (§ 3 IV 2)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 34

• Umgekehrt können spezialisierte Fachkreise auch besonders gut informiert sein (z.B.

Verkauf von Medizinprodukten an Ärzte oder von Sägen an Schreiner), so dass eine

Irreführungsgefahr unwahrscheinlicher wird.

(2) Wie versteht ein durchschnittlich informiertes, angemessen aufmerksames und ver-

ständiges durchschnittliches Mitglied dieser Verkehrskreise die Werbung?

• Entscheidend ist das Verständnis des durchschnittlichen Mitglieds, das situations-

bedingt aufmerksam und informiert ist.

• Bedeutung der konkreten Verkaufssituation.

• Im Prozess kann das Gericht dieses Verständnis aufgrund eigener Sachkunde feststel-

len, wenn die Richter den betreffenden Verkehrskreisen angehören (z.B. Werbung für

Mineralwasser) oder die Frage aufgrund ihrer richterlichen Sachkunde beurteilen

können (z.B. Verwechslungsgefahr bei Ähnlichkeit üblicher Verbrauchsgüter).

• Eine Meinungsumfrage ist aber erforderlich, wenn den Gerichten die eigene Sach-

kunde fehlt (Beispiel, BGH GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil: Verwechslungsgefahr

durch Nachahmung künstlicher Hüftgelenke)

(3) Stimmt dieses Verständnis mit der Realität überein?

• Einfachster Fall: objektiv unzutreffende Äußerungen (§ 5 I 2, 1. Alt.), die Verbraucher

für wahr hält

• Irreführung auch, wenn der Durchschnittsverbraucher die Aussage möglicherweise

missversteht (§ 5 I 2, 2. Alt.).

• Objektiv zutreffende, aber gleichwohl irreführende Äußerung können irreführend

sein, Beispiel: unvollständige Angaben oder Werbung mit Selbstverständlichkeiten.

• Die Darlegungs- und Beweislast trägt grundsätzlich der Kläger, Ausnahme in § 5 IV,

außerdem gem. § 242 BGB Beweislastumkehr möglich, wenn der Kläger den maßgeb-

lichen Geschehnissen fernsteht.

• Ist unklar, ob die Angabe stimmt, so besteht der Anspruch nicht, denn nach allgemei-

nen Regeln trägt der Kläger die Beweislast.

• Aber strenge Beurteilung bei Arzneimitteln, Kosmetika, etc.: Die Behauptung eines

Erfolgs kann auch dann irreführend sein, wenn der Erfolg nicht wissenschaftlich

nachgewiesen ist und die Werbung das nicht zum Ausdruck bringt.

Relevanz

• Die Irreführung muss geeignet sein, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu

einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte

(Relevanz der Irreführung).

• Regelmäßig ist die Irreführung geeignet, das Entscheidungsverhalten zu beeinflussen.

Daher (+), wenn keine abweichenden Anhaltspunkte. Vor allem ist ein Nachweis tatsächli-

cher Fehlkäufe nicht erforderlich. Beispiel (BGH GRUR 2016, 961 – Herstellerpreisemp-

fehlung bei Amazon): Die Angabe einer nicht mehr bestehenden Herstellerpreisempfeh-

lung ist relevant, weil Verbraucher den angegebenen Preis fälschlich für besonders güns-

tig galten und sich daran orientieren.

• Beispiele für fehlende Relevanz: BGH GRUR 2008, 442 – Fehlerhafte Preisauszeichnung:

zu hoher Preis am Supermarktregal, aber richtiger Preis an der Kasse, BGH GRUR 2012,

286 – falsche Suchrubrik: falsche Einstellung einer Auto-Verkaufsanzeige in Suchrubrik

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„bis 5.000 km“ beeinflusst durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher dann nicht, wenn

sich wirkliche Laufleistung von 113.000 km klar aus der Anzeige ergibt.

• Fall zur Diskussion (BGH GRUR 2018, 950 – Namensangabe): türkischer Mitarbeiter eines

Callcenters meldet sich am Telefon mit einem deutschen Namen (aber mit dem richtigen

Namen des Unternehmens), vgl. auch § 312a I BGB und § 5a II, IV UWG

Interessenabwägung

• Nach dem Wortlaut des § 5 I ist jede Irreführung unlauter. Es kann aber maßgebliche Ge-

geninteressen geben, aus denen eine geringfügige Irreführung hinzunehmen ist.

• Der Schutz des § 5 ist in diesen Fällen nicht absolut, vgl. Art. 11 II, 13 UGP-RL

• Leider ist im Wortlaut des § 5 von der Interessenabwägung nicht die Rede, sie ist aber als

ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal mitzulesen.

• Fall 1: Der Bekl. hat an der irreführenden Bezeichnung einen schutzwürdigen Besitzstand

aufgebaut (Beispiel: BGH GRUR 2003, 628 – Klosterbrauerei)

• Fall 2: Wertungen des Markenrechts gebieten eine markenrechtskonforme Wertung, dazu

unten unter § 5 II und Beispiel: BGH GRUR 2013, 1161 – Hard Rock Café).

• Fall 3: Deregulierung. Beispiel: Die Post muss rote Briefkästen von Konkurrenten dulden,

auch wenn viele Verbraucher sie der Post zurechnen (BGH GRUR 2011, 166 – Rote Brief-

kästen)

• Klausurtipp: Selten relevant – nur ansprechen bei Anhaltspunkten im Sachverhalt!

• Vertiefend: Ohly, Festschrift Bornkamm (2014), S. 507 ff.; Sack, GRUR 2014, 609 ff.

dd) Fallgruppen

Produktbezogene Angaben (§ 5 I 2 Nr. 1)

• Stoffliche Substanz: Irreführend sind z.B. falsche Angaben über die Zusammensetzung

(BGH GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu: Likörbezeichnung „Marulablu“ irrefüh-

rend, wenn der Likör keine Marula-Frucht enthält), Erwecken des Eindrucks, ein künstli-

ches Produkts sei natürlich (BGH GRUR 2016, 738 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II, aller-

dings zur EU-LebensmittelinfoVO: Bezeichnung eines Tees als „Himbeer-Vanille-

Abenteuer“ und Abbildung von Himbeer- und Vanillepflanzen irreführend, wenn künstliche

Aromen eingesetzt werden), Verstoß gegen gesetzlich geschützte Stoffbezeichnungen,

Verweis auf einen definierten Begriff (z.B. Advocaat, Scotch Whisky, Sacher-Torte), dessen

Voraussetzungen nicht vorliegen (selbst wenn der Verbraucher sie nicht kennt).

• Zusammenstellung bei Produktgesamtheiten, z.B. Angebot mit Lattenrost und Matratze bei

„Schlafzimmer komplett“ (zur Aufklärung durch Kleingedrucktes s. Übungsfall)

• Zinsstruktur und Risiken bei Kapitalanlage (BGH GRUR 2018, 320 – Festzins Plus, dabei,

anders als im Schlafzimmer-Fall, Aufklärung durch Kleingedrucktes nicht ausreichend,

weil komplexes Produkt und unübersichtlicher Hinweis)

Die Kasuistik zu § 5 ist kaum überschaubar (Die Kommentierung bei Köhler/Bornkamm umfasst ca. 300 Seiten). Tipp für Seminararbeiten (und die Praxis): Niemals die Irrefüh-rung prüfen, ohne dabei einen Blick in die gängigen Kommentare geworfen zu haben!

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• Menge und Größe, Fall zur Diskussion: Verpackung mit Abbildung eines Cremetiegels in

Originalgröße, aber doppeltem Pappboden, durch den die Packung größer erscheint, als

Irreführung? BGH GRUR 2018, 431 – Tiegelgröße

• Neuheit: „neues“ Produkt darf noch nicht lange auf dem Markt sein, fabrikneue Ware muss

noch unbenutzt sein.

• Behauptung der Vereinbarkeit mit Industrienormen (entspricht DIN-Norm …) muss zutref-

fen.

• Umwelt: „umweltfreundlich“ darf nur ein Produkt genannt werden, das nach derzeitigem

Kenntnisstand keine nennenswerten Schäden anrichtet; ökologisch, Öko-Produkt muss

Vorgaben der EG-ÖkoVO erfüllen

• Zwecktauglichkeit: strenge Kriterien bei Behauptung therapeutischer Wirkungen, dazu

enthält im Übrigen die Health-Claims-Verordnung nähere Angaben

• Merkmal eines Internet-Zugangs: Täuschung über die Geschwindigkeit (BGH GRUR 2020,

1226 – LTE-Geschwindigkeit)

• Merkmal einer Dienstleistung: Täuschung durch Amazon darüber, ob ein bestimmter Her-

steller auf Amazon anbietet (BGH v. 15.10.2020, I ZR 210/18 – Vorwerk)

• geographische Herkunft: Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen weitgehend

durch Sondervorschriften des Gemeinschaftsrechts und des Markenrechts (daher nähere

Behandlung in der Vorlesung „Markenrecht“)

- VO 1151/2012: unionsrechtlicher Schutz der geographischen Herkunftsangaben von

Lebensmitteln und Agrarerzeugnissen bei Eintragung in ein von der Kommission ge-

führtes Verzeichnis, dabei Unterscheidung zwischen Ursprungsangabe (Produkt ver-

dankt seine Qualität den geographischen Verhältnissen) und bloßen Herkunftsangaben.

- Parallel ist der Schutz von Weinbezeichnungen (VO 479/2008) und von Spirituosenbe-

zeichnungen (VO 110/2008) geregelt.

- Daneben zahlreiche bilaterale Abkommen.

- Schutz des deutschen Rechts früher nach UWG, mittlerweile nach § 126 ff MarkenG

- Nach früher h.M. verdrängen §§ 126 MarkenG den § 5 UWG, inzwischen unter Geltung

der UGP-RL fraglich, allerdings wenig relevant, weil § 128 MarkenG für die Rechtsfol-

gen ohnehin auf das UWG verweist.

- Jedenfalls liegt Beurteilung nach § 5 nahe, wenn es sich nicht um Zeichen („Champag-

ner“), sondern um Informationen im Werbetext handelt, Beispiel: BGH GRUR-RR 2015,

209 – Kondome made in Germany

• betriebliche Herkunft: Dopplung § 5 I 2 Nr. 1 und § 5 II, dazu unten.

• Werbung mit Testergebnissen: zulässig, wenn der Test von einer neutralen Institution

durchgeführt wurde und repräsentativ ist, irreführend können sein: Werbung mit Tester-

gebnis zu einer Vorgängerversion, Werbung mit Ergebnis „gut“, wenn alle anderen getes-

teten Produkte mit „sehr gut“ bewertet wurden, Werbung mit guter Teileigenschaft bei

schlechter Gesamtbewertung.

• Kundenbewertungen und Suchmaschinen:

­ Irreführend: Werbung mit gefälschten Bewertungen, Erwecken des Eindrucks, alle

Bewertungen würden angegeben, obwohl in Wirklichkeit negative herausgefiltert wer-

den (BGH GRUR 2016, 828 – Kundenbewertungen im Internet), Erwecken des Ein-

drucks, in einem Vergleichsportal würden alle Anbieter erfasst, während in Wirklichkeit

nur die gezeigt werden, die eine Provision gezahlt haben (BGH GRUR 2017, 1265 –

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Preisportal), allerdings möglicherweise Schwerpunkt bei der Verletzung von Aufklä-

rungspflichten (§ 5a), s. auch die neuen Fälle 23b und c der Schwarzen Liste

­ Aber nicht ohne weiteres Zurechnung irreführender Angaben in Bewertungen zum

Werbenden (BGH GRUR 2020, 543 – Kundenbewertungen auf Amazon), dazu näher

untern IV 1 a zum Unterlassungsanspruch)

Preisbezogene Angaben (§ 5 I 2 Nr. 2)

• Gebot der Preiswahrheit: Preis als zentrales Kriterium für die Nachfrageentscheidung,

besondere Bedeutung des Irreführungsschutzes in diesem Bereich

• Sondervorschriften der PreisangabenVO, Ziel: Preisklarheit im Geschäftsverkehr mit End-

verbrauchern, sanktioniert als OWi’en, Verstoß führt unter dem Gesichtspunkt des § 3a

(BGH) oder § 5a II, IV (m.E. richtig, s. unten) Unlauterkeit. Schwierige unionsrechtliche

Beurteilung: Die PAngV ist im Einklang mit der PreisangabenRL auszulegen, die die UGP-

RL verdrängt (EuGH GRUR 2016, 945 – Citroen/ZLW, BGH GRUR 2017, 286 – Hörgerä-

teausstellung, vertiefend Köhler, GRUR 2016, 891). Weil die PAngV teils von der RL ab-

weicht, besondere Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung. Wichtigste Bestim-

mungen:

- Angabe von Endpreisen (§ 1)

- Angabe des Grundpreises bei Verkauf von Gattungssachen nach Gewicht, Menge, Flä-

che, etc. (§ 2)

- Angabe des Preises je Mengeneinheit bei Versorgungsleistungen (Elektrizität, Wasser,

Gas) (§ 3)

- Pflicht zur Preisauszeichnung in Schaufenstern (§ 4), aber keine Verpflichtung zur

Preisangabe darüber hinaus

- Pflicht zum Aushang von Preislisten beim Angebot von Leistungen (§ 5)

- Pflicht zur Angabe des effektiven Jahreszinses bei Krediten (§ 6)

- Preisauszeichnungspflicht in Gaststätten (§ 7) und Tankstellen (§ 8)

• Spitzenstellungswerbung: Werbung mit „bestem“/“niedrigstem“ Preis muss stimmen (s.

oben bei „Angabe“)

• „Ab“-Preise können zulässig sein, wenn angesichts der Art der Ware oder DL Angabe ei-

nes festen Preises nicht möglich ist (EuGH, Rs. C-122/10 –Konsumentenombudsmannen/

Ving Sverige)

• Angaben über Rabatte müssen stimmen. Bei befristeten Sonderaktionen muss sich Unter-

nehmer an die zeitliche Grenze halten, wenn nicht während der Aktion unerwartete Um-

stände eintreten (BGH GRUR 2012, 208 – 10% Geburtstags-Rabatt)

• Irreführung über generelles Preisniveau: Werbung für „Dauer-Tiefstpreise“, „Preisknaller“

etc. nur erlaubt, wenn wirklich zahlreiche Waren zu Discount-Preisen angeboten werden.

• Irreführung über Bedingungen der Leistungserbringung, wenn eine Aufforderung zur

Adressüberprüfung für ein Branchenbuch sich bei Lektüre des „Kleingedruckten“ als kos-

tenpflichtiger Auftrag entpuppt (BGH GRUR 2012, 184 – Branchenbuch Berg)

Unternehmensbezogene Angaben (§ 5 I 2 Nr. 3)

• Alleinstellungs-/Spitzenstellungswerbung: Frage ist, ob eine reine Wertung oder eine

Tatsachenbehauptung vorliegt, s.o. Beispiel (BGH GRUR 2012, 1053 – Marktführer Sport):

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Bezeichnung als „Marktführer“ zutreffend, wenn kein einzelnes Unternehmen, sondern

nur eine Kette einen größeren Marktanteil hat

• Art und Größe des Geschäftsbetriebs: Begriff „Apotheke“ ist gesetzlich definiert, „Fabrik“

setzt eigene industrielle Herstellung voraus, „Zentrum“ muss (anders als „Center“) gewis-

se Größe und Bedeutung aufweisen, „Fachgeschäft“ muss fachkundige Beratung bieten.

• Inhaberschaft Beispiel (BGH GRUR 2012, 1273 – Stadtwerke Wolfsburg): „Stadtwerke“

suggeriert, dass Betrieb in kommunaler Hand ist

• Bei einem „Meisterbetrieb“ muss der Meister nicht bei unangekündigtem Erscheinen des

Kunden im Geschäft sofort anwesend sein (BGH GRUR 2013, 1056 – Meisterpräsenz)

• Zugehörigkeit zu einem Händlernetzwerk oder Vertriebssystem. Beispiel (BGH

GRUR 2011, 1050 – Ford-Vertragshändler): „Ford-Vertragspartner“ kann suggerieren, es

handle sich um einen Vertragshändler

• Alter und Tradition: Hinweis irreführend, wenn Tradition für lange Zeit unterbrochen oder

wenn nur andere Betriebe des Gebiets über die Tradition verfügen. Beispiel: GRUR 1992,

66 - Königlich-Bayerische Weiße

• Geographische Angaben: Frage des Verkehrsverständnisses, ob Abnehmer auf den Fir-

mensitz schließen oder ob es sich nur um eine Phantasiebezeichnung handelt (z.B. Pizzeria

Napoli)

• Geistiges Eigentum: Schutzrecht muss wirklich vorliegen, ® steht für wirklich bestehende

Marke, falsche Angabe des Schutzes für ein bestimmtes Erzeugnis fällt unter Nr. 1

Verwechslungsgefahr (§ 5 II)

• Problem: Schutz von Marken und Unternehmenskennzeichen durch das MarkenG.

• Unterschiede zum UWG:

- Klagebefugnis nur des Rechtsinhabers

- Abstraktere Prüfung der Verwechslungsgefahr anhand der Kriterien Zeichennähe, Pro-

duktnähe, Kennzeichnungskraft

- Prioritätsgrundsatz

- Schranken des Kennzeichenrechts

• Beispiel (BGH GRUR 2013, 1161 – Hard Rock Café): Das Hard Rock Café in Heidelberg hat

keine Lizenz zur Führung von Namen und Logo, wurde aber schon gegründet, als die Mar-

ke in Deutschland noch nicht geschützt war → Nach Markenrecht ist relevant, dass das

Heidelberger Café die älteren Rechte hat – wie geht das UWG damit um, dass sicherlich

viele Touristen das Café für „echt“ halten?

• Verhältnis zum UWG str.

- Früher „Vorrangthese“ der Rechtsprechung und h.M.: Subsidiarität des § 5 UWG, an-

wendbar nur bei qualifizierten Angaben über die betriebliche Herkunft, die neben der

bloßen Herkunftsangabe auch eine besondere Gütevorstellung hervorrufen.

- Die „Vorrangthese“ ist jedenfalls im Verhältnis zu § 5 mit dem EU-Recht nicht verein-

bar und daher insoweit vom BGH aufgegeben worden (BGH GRUR 2013, 1161 Rn. 60 –

Hard Rock Café).

- Deshalb sind § 5 II und das Markenrecht parallel anwendbar, aber unter § 5 sind die

Wertungen des Markenrechts zu berücksichtigen (BGH GRUR 2016, 965 – Baumann

II), zB über das Verbraucherleitbild, über die Interessenabwägung oder durch gleich-

laufende Grundsätze der Verwirkung.

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- Vertiefend dazu die Vorlesung MarkenR und Sosnitza, ZGE 2013, 176 ff.

Irreführende Preisherabsetzung (§ 5 IV)

• Grundsatz: Kläger muss Irreführung darlegen und beweisen.

• Umkehrung durch (widerlegliche) Vermutung in Abs. IV: Wenn Anspruchsteller unange-

messen kurze Zeit des ursprünglichen Preises nachweist, wird Irreführung vermutet.

• Relikt des früheren Verbots der Gegenüberstellung von früherem und heutigem Preis. Man

könnte § 5 IV auch streichen und die Fälle über § 5 I 2 Nr. 2 lösen.

• Hintergrund: Verhinderung von „Mondpreisen“ = Preisen, die niemals oder sehr kurz ge-

fordert wurden.

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c) Informationspflichten (§ 5a UWG)

Lit.: Alexander, §§ 10, 11 und WRP 2013, 716 ff.

Übungsfall (BGH GRUR 2016, 1076 – LGA tested)

Die A vertreibt in ihren Verbrauchermärkten ein Haarentfernungsgerät namens „Silk’n Pro“. Es entfernt nach den Angaben in der Werbung Haare besonders effektiv und schmerzfrei, in-dem es eine neuartige Lichttechnologie einsetzt. In der Werbung der A findet sich ein Logo mit der Aufschrift „LGA tested Quality“. LGA ist ein Prüfungsverfahren eines unabhängigen Instituts, bei dem der Hersteller die Geräte prüfen lässt. Allerdings wird weder in den Werbe-broschüren noch auf der Website der A erklärt, was „LGA tested Quality“ bedeutet und worin das Prüfverfahren besteht.

Die Verbraucherzentrale Bayern e.V., die in die Liste gem. § 4 UKlaG eingetragen ist, hält die-se Information für unzureichend. Die A hält dem entgegen, sie habe Verbrauchern keine In-formationen vorenthalten, weil sie das Verfahren selbst nicht kenne. Das Prüfunternehmen teile keine Einzelheiten mit, weil das Verfahren ein geschütztes Geschäftsgeheimnis darstelle. Daraufhin mahnt die Verbraucherzentrale die A ab.

1. Ist die Abmahnung berechtigt?

2. Variante: A ist bereit, auf ihrer Website das Prüfverfahren in zusammengefasster Form zu erklären. Die Verbraucherzentrale hält das für unzureichend, weil sich viele Kunden der A nach wie vor über Werbebroschüren informieren und weil sich das LGA-Logo auch auf der Verpackung befindet. Die A müsse daher auch in ihren Broschüren und auf den Produktverpackungen das Verfahren erklären. Wer hat Recht?

aa) Grundlagen

Bedeutung

• Nicht nur die Irreführung durch aktives Tun ist unlauter. Eine Irreführung kann auch durch

Unterlassen begangen werden, wenn eine Informationspflicht besteht.

• Problem: Information ist wie Medizin – in richtiger Dosierung ist beides heilsam, in Über-

dosierung ist beides Gift (Problem des „information overload“)

• Wandel von strikten Verboten zur Erlaubnis mit Informationspflicht

­ Rechtsprechung des EUGH: Vermarktungsverbote greifen in freien Warenverkehr

(Art. 34 AEUV) ein und können nicht durch zwingende Erfordernisse i.S.d. Cassis-

Rechtsprechung gerechtfertigt werden, wenn Verbraucherinformation ein milderes

Mittel wäre. Klassisches Beispiel: EUGH NJW 1987, 1133 – Reinheitsgebot für deut-

sches Bier. Mittlerweile Fülle von Informationspflichten im Gemeinschaftsrecht.

­ Deutsches Recht: frühere abstrakte Gefährdungsdelikte wurden 2004 durch Transpa-

renzgebote ersetzt, Beispiel: Information über Bedingungen einer Zugabe (§ 4 Nr. 4

UWG 2008) anstelle des früheren Verbots

Informationspflichten im UWG

• Überblick:

­ Fälle der Schwarzen Liste (die teils eher auf aktive Irreführung, teils auf das Vorent-

halten von Informationen zielen, beides lässt sich nicht immer klar abgrenzen)

­ § 5a UWG = Grundtatbestand der „Irreführung durch Unterlassen“

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­ Daneben Informationspflichten im EU-Recht und in Spezialgesetzen (z.B. Preisanga-

beVO), über § 5a IV bzw. § 3a UWG (zur Abgrenzung sogleich) für das Lauterkeits-

recht relevant.

• § 5a beruht auf Art. 7 UGP-RL, ist also richtlinienkonform auszulegen. Im Anwendungsbe-

reich der UGP-RL darf es nur noch Informationspflichten geben, die auf Unionsrecht be-

ruhen.

• Abgrenzungsproblem 1: Die Abgrenzung § 5 und § 5a kann in der Praxis und in der

Klausur Schwierigkeiten bereiten, vor allem bei unvollständigen Angaben. Beispiel: „ab“-

Preise bei Flugreisen (dazu unten näher) → Irreführung (§ 5), weil Verbraucher daraus auf

allgemein niedriges Preisniveau schließen oder Verletzung einer Informationspflicht (§

5a), weil keine genauen Preise oder Höchstpreise angegeben werden? Tipp: wenn sich Ir-

reführungsgefahr aus dem Fehlen zusätzlicher Angaben ergibt, dann eher auf § 5a abstel-

len, weil er die Wesentlichkeit der Information genauer regelt.

• Abgrenzungsproblem 2: Anwendung des § 5a IV, II oder des § 3a bei unionsrechtlich

begründeten Informationspflichten?

­ Rspr.: § 3a, der aber im Anwendungsbereich der UGP-RL der richtlinienkonformen

Auslegung (also insb. Prüfung der Verbraucherrelevanz!) bedarf (BGH GRUR 2019, 82

– Jogginghosen)

­ hL: Die UGP-RL ist vollharmonisierend, § 5a dient der Umsetzung des Art. 7 UGP-RL,

also geht der unionsrechtlich begründete § 5a dem deutschen § 3a vor. Klausurtipp:

Die h.L. ist nicht nur zutreffend, sondern auch praktischer, weil Sie für die Verbrau-

cherrelevanz nur unter § 5a II subsumieren und sie nicht erst aus der Richtlinie herlei-

ten müssen.

bb) Die Irreführung durch Unterlassen: Grundlagen

Struktur des § 5a

• § 5a besteht aus einer Vorschrift, die nur für den B2B-Verkehr gilt (§ 5a I) und speziellen

Verbraucherschutzvorschriften (§ 5a II-VI), die auf der UGP-RL beruhen

• § 5a II: allgemeine Norm und Auffangtatbestand: Vorenthalten wesentlicher Informationen

+ Beeinflussung der Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern = unlauter. Die Wesentlich-

keit kann sich aus § 5a III, IV ergeben, ansonsten direkte Subsumtion unter § 5a II 1 Nr. 1.

• § 5a III und IV bestimmen den Begriff „wesentliche Informationen“ näher, dabei Prü-

fung verbraucherschutzrechtlicher Informationspflichten vom Speziellen zum Allgemei-

nen

- § 5a IV: unionsrechtliche Informationspflichten (Beispiele: Art. 5, 10 E-Commerce-RL;

Vorschriften über Etikettierung von Lebensmitteln), nicht abschließende Aufzählung

in Anh. II der UGP-RL

- § 5a III: Liste relevanter Faktoren beim Angebot von Waren oder Dienstleistungen

- § 5a II: kleine Generalklausel

• § 5a V: weitere Kriterien dazu, wann eine Information vorenthalten wurde

• § 5a VI: Sonderfall der nicht als kommerziell erkennbaren Praktiken („Schleichwerbung“)

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Übersicht:

Die geplante Neuregelung des § 5a (laut RefE v. 4.11.2020)

• Streichung des § 5a I und Zusammenführung der Irreführung durch Unterlassen B2B und

B2C (wie jetzt schon bei § 5) in § 5a

­ § 5a I: Grundtatbestand (entspricht dem heutigen § 5a II 1)

­ § 5a II, III: Vorenthalten (entspricht den heutigen § 5a II 2, V)

­ § 5a IV: verdeckte Werbung (entspricht dem heutigen § 5a VI), etwas systemwidrig ist

dieser Absatz auf B2C beschränkt, Ergänzung durch SonderTB für Influencer geplant

• § 5b: Konkretisierung der Wesentlichkeit, gilt nur gegenüber Verbrauchern (B2C)

Prüfungsschema (einzubauen in das allgemeine Prüfungsschema s. oben II 1)

1. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Bei B2C-Handlungen: Fall der Nr. 1-24 der „schwarzen Liste“?

3. Unlauterkeit (§ 3 I) gem. § 5a: Irreführung durch Unterlassen

Var. 1: bei B2C-Handlungen (§ 5a II-IV)

a) wesentliche Information (§ 5a II 1)

aa) unionsrechtliche Informationspflichten (§ 5a IV i.V.m. Anh. II UGP-RL)

bb) Pflichten im Fall eines Angebots (§ 5a III)

cc) wesentliche Informationen, die der Verbraucher zu einer geschäftlichen

Entscheidung benötigt (§ 5a II 1 Nr. 1)

b) Vorenthalten einschl. zweideutiger Information bzw. nicht rechtzeitiger Infor-

mation (§ 5a II 2, V)

c) Relevanz (§ 5a II 1 Nr. 2)

3‘. Var. 2: bei B2B-Handlungen (§ 5a I)

a) Bedeutung der Tatsache für geschäftliche Entscheidung

b) Verschweigen

c) Relevanz

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 43

­ § 5b I entspricht dem heutigen § 5a III

­ § 5b IV entspricht dem heutigen § 5a IV

­ § 5b II, III: neue Sondervorschriften zum Ranking und zu Kundenbewertungen, Umset-

zung der Änderungen der UGP-RL

Übersicht zu §§ 5a, 5b in der Fassung des RefE

Prüfungsschema für §§ 5a, b i.d.F. des RefE (einzubauen in das allgemeine Prüfungs-schema s. oben II 1)

1. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Bei B2C-Handlungen: Fall der Nr. 1-23c der „schwarzen Liste“?

3. Unlauterkeit (§ 3 I) gem. § 5a: Irreführung durch Unterlassen

a) wesentliche Information im B2C-Verhältnis (§ 5b)

aa) unionsrechtliche Informationspflichten (§ 5b IV i.V.m. Anh. II UGP-RL)

bb) Internet-Sonderfälle des § 5b II, III

bb) Pflichten im Fall eines Angebots (§ 5b I)

cc) wesentliche Informationen, die der Verbraucher zu einer geschäftlichen

Entscheidung benötigt (§ 5a I 1 Nr. 1)

a‘) wesentliche Information im B2C-Verhältnis gem. § 5a I 1 Nr. 1

b) Vorenthalten einschl. zweideutiger Information bzw. nicht rechtzeitiger Infor-

mation (§ 5a II, III)

c) Relevanz (§ 5a I Nr. 2)

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§ 5a IV-II (künftig: § 5b): wesentliche Information

• Wesentliche Information gegenüber Verbrauchern Bestimmung durch die Stufenleiter

der §§ 5 IV-II (künftig: § 5b)

• § 5a IV (künftig § 5b IV): Wesentlichkeit unionsrechtlicher Informationspflichten

­ Einige davon sind in der nicht abschließenden Liste in Anh. II der UGP-RL aufgeführt

­ Beispiel 1 (EUGH GRUR 2016, 945 – Citroën Commerce, dazu Köhler, GRUR 2016,

891): Vorschriften der EU-PreisangabenRL, umgesetzt durch PAngV, sind wesentlich,

daher muss der Preis eines Kfz Überführungskosten enthalten

­ Beispiel 2 (BGH GRUR 2015, 1240 – Der Zauber des Nordens): Informationspflichten

der DienstleistungsRL, ebenfalls umgesetzt in PAngV, sind wesentlich, daher muss ein

Preis für eine Kreuzfahrt ein Trinkgeld enthalten, das jeder bezahlen muss, der keine

begründete Beschwerde hat

­ Beispiel 3: Informationspflichten aus der VerbraucherrechteRL und der E-Commerce-

RL, umgesetzt in Art. 246a-c EGBGB, zB über Identität, Anschrift, Kosten, etc.

- Problem: Wie ist es mit speziellen Informationspflichten des deutschen Rechts, die

nicht auf EU-Recht beruhen? Im Anwendungsbereich der UGP-RL sind sie unzulässig.

Außerhalb der UGP-RL fallen sie nach h.M. unter § 3a. Dagegen: Auch hier müssen die

allgemeinen Anforderungen des § 5 II gelten. Daher m.E. in diesem Fall § 5a IV analog,

sofern es sich um Informationspflichten handelt, die die Verbraucherentscheidung be-

treffen. Andere Informationspflichten können allenfalls (dazu näher unten) unter § 3a

fallen, Beispiel: Informationen über Risiken und Nebenwirkungen eines Medikaments.

• Künftig: neue Sonderfälle für Rankings und Kundenbewertungen (§ 5b II, III i.d.F. des

RefE)

­ Bei Rankings Hauptparameter und relative Gewichtung (§ 5b II neu)

­ Bei Kundenbewertungen Informationen über Maßnahmen, die Unternehmer trifft, um

sicherzustellen, dass die Bewertungen „echt“ sind (§ 5b III neu)

• § 5a III (künftig § 5b I): Spezielle Informationspflichten, die gelten, wenn Verbraucher

„das Geschäft abschließen kann“ (UGP-RL: „im Falle einer Aufforderung zum Kauf“)

­ Dazu EUGH, Rs. C-122/10, GRUR 2011, 930 – Ving Sverige: das ist schon der Fall,

wenn Werbung hinreichende Information für die geschäftliche Entscheidung gibt,

Kaufmöglichkeit an Ort und Stelle nicht erforderlich

­ Dafür müssen nicht schon sämtliche Informationen über das Produkt gegeben werden,

Beispiel: § 5a III anwendbar, wenn ein Auto in einer Zeitung mit Typenbezeichnung

und Preis beworben wird, auch wenn in der Anzeige noch nicht steht, ob es sich um

einen Diesel oder einen Benziner handelt (BGH GRUR 2018, 324 – Kraftfahrzeugwer-

bung)

­ Die in Nr. 1-5 genannten Informationspflichten erklären sich weitgehend von selbst.

­ Gem. Art. 3 IV UGP-RL gehen spezielle Regelungen unlauterer Verhaltensweise der

UGP-RL vor, das gilt insbesondere für Informationspflichten (so auch § 1 II i.d.F. des

RefE, der als allgemeine Vorrangregel aber problematisch ist, weil er den Anwen-

dungsbereich des § 3a beschneiden könnte). Anders aber, wenn sich aus den speziel-

len Regeln und § 5a dasselbe ergibt. Beispiel (BGH GRUR 2015, 1240 – Der Zauber des

Nordens): Die Pflicht zur Angabe des Komplettpreises (incl. obligatorisches Trinkgeld)

ergibt sich auch aus § 5a III Nr. 3

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­ Informationen sind nur erforderlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umstän-

den ergeben.

• § 5a I 1 Nr. 1: „kleine Verbrauchergeneralklausel“, wesentliche Informationen, die der

Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung benötigt.

­ Dazu grundlegend BGH GRUR 2016, 1076 – LGA tested (= Übungsfall):

(1) Kommt der Information für den Durchschnittsverbraucher (vgl. § 3 IV) erhebliches

Gewicht zu?

(2) Welche Belange des Unternehmers stehen der Informationspflicht entgegen?

(3) Überwiegen die Verbraucher- oder die Unternehmerinteressen? (Interessenabwä-

gung)

­ Für Verbraucherinteresse kann sprechen: Auswirkungen der Information auf die Preis-

würdigkeit des Produkts, außergewöhnliche Umstände, die der Verbraucher nicht er-

wartet, Unmöglichkeit für den Verbraucher, sich die Information selbst zu verschaffen,

besondere Risiken des Produkts

­ Für Unternehmerinteresse kann sprechen: zeitlicher und finanzieller Aufwand, mit der

Information verbundene Nachteile, Geheimhaltungsinteressen

­ Beispiele für wesentliche Informationen: Information darüber, dass in einem Preispor-

tal nur Anbieter berücksichtigt werden, die eine Provision gezahlt haben (BGH GRUR

2017, 1265 – Preisportal), Ausnahmen von einer Rabattaktion (BGH GRUR 2018, 199 –

19 % MWSt. GESCHENKT)

• Soll nach RefE verallgemeinert werden und auch im B2B-Verhältnis gelten, also:

­ B2C: Bestimmung der „Wesentlichkeit“ nach der Stufenleiter des § 5b, § 5a I Nr. 1 als

Auffangtatbestand

­ BsB: Bestimmung der „Wesentlichkeit“ nur nach § 5a I Nr. 1, dabei Berücksichtigung,

dass Unternehmer Profis sind und daher weniger Informationen benötigen

Vorenthalten (§ 5a II 2, V, künftig: § 5a II, III)

• Eine Information wird vorenthalten, wenn sie

­ zum Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört,

­ er über sie verfügt oder sie sich verschaffen kann (missverständlich die deutsche Fas-

sung – „vorenthalten“ kann man nach § 5a nicht nur das, was man schon hat)

­ wenn der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftli-

chen Entscheidung berücksichtigen kann.

• Das Vorenthalten umfasst (§ 5a II 1):

­ Verheimlichen

­ Bereitstellung in unklarer Weise

­ Verspätete Bereitstellung, Beispiel: BGH GRUR 2010, 248 – Kamerakauf im Internet:

Umsatzsteuer muss angegeben werden, bevor Kunde ein Produkt in den virtuellen Wa-

renkorb legt

• Beschränktheit des Kommunikationsmediums zu berücksichtigen (§ 5a V Nr. 1), Beispiel:

in Printwerbung eines Reisebüros darf mit ab-Preisen geworben werden, bei denen man

den genauen Preis erst im Internet erfährt (EUGH, Rs. C-122/10, GRUR 2011, 930 – Ving

Sverige), Gegenbeispiel: In einem sechsseitigen Werbeprospekt mit direkter Bestellmög-

lichkeit muss nicht nur auf das Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fernabsatz hingewie-

sen werden, sondern es muss auch das Muster-Widerrufsformular abgedruckt werden (§

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 46

246a § 1 II Nr. 1 EGBGB), selbst wenn es eine ganze Seite in Anspruch nimmt (BGH

GRUR 2019, 961 – Werbung mit Bestellpostkarte II)

Relevanz (§ 5a II 1 Nr. 2, künftig § 5a I Nr. 2)

• Auch wenn die Information wesentlich ist, sind trotzdem noch die Voraussetzungen des §

5a II 1 zu prüfen:

­ Der Verbraucher muss die Information je nach den Umständen benötigen, um eine in-

formierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

­ das Vorenthalten muss geeignet sein, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Ent-

scheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

• Wenn die Wesentlichkeit nach § 5a II bestimmt wird, müssen jedenfalls die Umstände des

§ 5a II 1 Nr. 1 schon bei der Interessenabwägung im Rahmen der Feststellung der We-

sentlichkeit berücksichtigt werden.

• Wichtig aber vor allem bei § 5a III und IV, weil dort die Wesentlichkeit schon aus dem

bloßen Bestehen der Informationspflicht folgt.

• Es genügt, wenn der Verbraucher zum Besuch des Geschäfts veranlasst wird (EUGH C-

281/12, GRUR 2014, 196 – Trento Sviluppo)

• Früher hat der BGH bei wesentlichen Informationen die Relevanz unwiderleglich vermutet

(„Was wesentlich ist, ist immer relevant“), hat das aber inzwischen modifiziert: Bei Vor-

enthalten einer wesentlichen Information ist die Relevanz indiziert, kann aber im Einzelfall

bei Vorliegen besonderer Umstände fehlen.

­ Beispiel 1 (BGH GRUR 2013, 1169 Rn. 19 – Brandneu von der IFA): Unternehmer gibt

bei Werbung für Elektronikgeräte entgegen § 5a III Nr. 2 die Rechtsform („eK“) nicht

an. BGH damals: Wesentlichkeit (+), also Relevanz (+). Inzwischen: Einzelfallprüfung,

wenn der Kunde Geräte sofort bezahlt und mitnimmt, ist die Rechtsform für ihn weni-

ger wichtig. Gegenbeispiel: Bei Angebot eines finanzierten Kfz-Kaufs kann die Rechts-

form zumindest die Entscheidung beeinflussen, ob der Kunde das Kfz ansieht und pro-

befährt (BGH GRUR 2018, 324 – Kraftfahrzeugwerbung)

­ Beispiel 2 (OLG Hamm GRUR-RS 2012, 230714): Auf dem Herd einer Musterküche

fehlt der nach der Energie-KennzeichnungsVO vorgeschriebene Energieeffizienzauf-

kleber – relevant? Das BGH hat entschieden, dass bei einem Angebot einer Komplett-

küche zum Festpreis die Typen der Elektrogeräte anzugeben sind (BGH GRUR 2017,

922 – Komplettküchen): Ist das dieselbe Situation oder lassen sich die Fälle unterschei-

den?

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 47

cc) Verdeckte Werbung (§ 5a VI UWG 2015) Fortsetzung des Übungsfalls oben, II 3, (nach OLG München GRUR 2020, 1096 – Blauer Plüschelefant und KG GRUR-RR 2019, 34 – Influencerin)

Angenommen, man bejaht im Übungsfall eine geschäftliche Handlung unter dem Gesichts-punkt des Handeln zugunsten des eigenen Unternehmens: Muss die Influencerin diesen Um-stand durch entsprechende Hinweise (z.B. „Werbung“) kennzeichnen? Grundsatz: Verbot der Verschleierung des Werbecharakters

• Schleichwerbung steht zwischen der Irreführung durch aktives Tun (Verschleierung) und

der Irreführung durch Unterlassen (fehlende Information über kommerziellen Kontext)

• Durch Art. 7 II UGP-RL und § 5a VI (künftig: § 5a IV) Zuordnung zur Irreführung durch

Unterlassen

• Spezialfälle der „Schwarzen Liste“:

- Nr. 11: als Information getarnte Werbung in den Medien

- Nr. 22: Zahlungsaufforderung mit unzutreffendem Eindruck, die Ware oder Dienstleis-

tung sei bestellt

- Nr. 23 unzutreffender Eindruck einer Privathandlung

• Über § 5a IV bzw. § 3a „Import“ unionsrechtlicher Transparenzgebote ins UWG:

- Art. 6 lit. a E-Commerce-RL, umgesetzt in § 6 I Nr. 1 TMG: Erkennbarkeit der kommer-

ziellen Kommunikation im Internet

- Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, umgesetzt in §§ 7, 44 RundfunkstaatsV:

Erkennbarkeit der Fernsehwerbung, Produktplatzierungen nur in bestimmten Fällen

mit Hinweis erlaubt

- Art. 89 I des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel, umgesetzt in § 3 Nr. 2 c

HWG

• Ausnahmsweise können Transparenzgebote auch aus dem nicht harmonisierten deut-

schen Recht folgen. Beispiel: Bestimmungen der Pressegesetze über die Kennzeichnung

von Werbung (nach EUGH, Rs. C-391/12, GRUR 2013, 1245 – RLvS Verlagsgesell-

schaft/Stuttgarter Wochenblatt GmbH nicht von UGP-RL erfasst, weil es sich nicht um ei-

gene Absatzförderung der Presse, sondern um die Förderung des Absatzes Dritter han-

delt). Nach m.E. in diesem Fall § 5 IV analog, nach h.M. § 3a.

• Im Übrigen § 5a VI

- kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung muss kenntlich gemacht werden,

sofern er sich nicht aus den Umständen ergibt

- Maßstab (wie immer): Durchschnittsverbraucher bzw. durchschnittliches Mitglied der

angesprochenen Verkehrskreise

Erscheinungsformen

• Trennung von redaktionellem Teil und Werbung in den Medien: Werbung ist als solche

kenntlich zu machen = Verbot der redaktionellen Werbung.

• Klarer Fall: Präsentation einer Werbung als redaktioneller Beitrag, für den der Werbende

bezahlt hat (Ziff. 11 der „schwarzen Liste“), allerdings haftet nach Ziff. 11 nur der Inserent

(s. EUGH aaO).

• Verlinkung aus redaktionellem Internet-Angebot auf Werbeseite, wenn werbender Charak-

ter nicht aus dem Link deutlich wird (KG GRUR 2007, 254 – Getarnte Link-Werbung)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 48

• Vortäuschen einer neutralen Berichterstattung bei Beeinflussung durch einen Anbieter.

• Vortäuschen einer persönlichen Bewertung eines Produkts auf sozialen Netzwerken, wenn

der Bewertende in Wirklichkeit eine Provision erhält.

• Unkritische Übernahme von Produktinformationen im redaktionellen Teil

• Verschleierung der Geschäftsanbahnung, z.B. im Rahmen von Freizeitveranstaltungen,

durch Laienwerbung, bei Hausbesuchen, deren geschäftlicher Charakter nicht offengelegt

wird (meist erfasst durch Nr. 23 der „schwarzen Liste“).

• Tarnung einer Werbung als wissenschaftliche oder gutachtliche Äußerung.

Sonderproblem: Kennzeichnungspflichten für Influencer?

• Problem 1: Liegt überhaupt eine geschäftliche Handlung vor?

• Problem 2: Wann ergibt sich das gem. § 5a VI aus dem Umständen?

• Zutreffend ist wohl eine Differenzierung:

­ Wenn die Influencerin für die Posts eine Gegenleistung erhält oder die Produkte kos-

tenlos bekommt, dann Handeln zugunsten eines fremden Unternehmens und Kenn-

zeichnungspflicht, weil diese Gegenleistung aus den Umständen nicht ohne weiteres

ersichtlich ist

­ Wenn sie keine Gegenleistung erhält, dann kein Handeln zugunsten eines fremden Un-

ternehmens. Dass Influencer immer auch die Absicht haben, das eigene Unternehmen

zu fördern (z.B. Eigenwerbung für Werbe- oder Model-Verträge) ist für die angespro-

chenen Verkehrskreise aus den Umständen ersichtlich (str., wie hier OLG München

GRUR 2020, 1096 – Blauer Plüschelefant, dagegen OLG Karlsruhe WRP 2020, 1467)

­ Geplante Neuregelung in § 5a IV 2 RefE: bei ausschließlichem Handeln zugunsten ei-

nes fremden Unternehmens Kennzeichnungspflicht nur bei Gegenleistung. Problem:

Influencer handeln meist (immer?) auch zugunsten des eigenen Unternehmens. Damit

liefe die Vorschrift leer.

Product Placement

• Unbedenklich sind: redaktionell-neutraler Bericht über Waren, Sichtbarkeit von Ban-

denwerbung bei Bericht über Sportereignisse.

• Product Placement in Rundfunk und Fernsehen: Verbot wurde 2007 gelockert, erlaubt ist

jetzt mit Hinweis (§§ 7, 44 RStV): (a) das Product Placement in Filmen und Serien, (b) da-

neben allgemein das Product Placement ohne finanzielle Gegenleistung. Weitere Locke-

rung durch Überarbeitung der RL über audiovisuelle Mediendienste, derzeit umzusetzen.

• Product Placement in Kinofilmen: großzügigerer Maßstab, bei übermäßiger Werbung kein

Verbot der Filmvorführung wegen Art. 5 III GG, aber Pflicht zum Hinweis auf die Werbung

(BGH GRUR 1995, 744 – Feuer, Eis und Dynamit I).

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 49

Informationspflichten bei Maßnahmen der Verkaufsförderung

• Maßnahmen der Verkaufsförderung sind Absatzmethoden, bei denen dem Abnehmer im

Vorfeld des Vertragsschlusses oder zusätzlich zum Vertragsgegenstand ein weiterer Vor-

teil versprochen wird. Unter dem früheren UWG war der Ausdruck „Wertreklame“ üblich,

im Anschluss an den Verordnungsentwurf der Kommission hat sich der Begriff „Verkaufs-

förderung“ (sales promotion) durchgesetzt.

• Erscheinungsformen: Rabatte, Zugaben, Kopplungsangebote, Werbegeschenke, Preis-

ausschreiben

• Früher strikte Regelungen: Verbote von Zugaben (ZugabeVO), Rabatten (RabattG) und

Kopplungsgeschäften ohne Angabe der Einzelpreise (durch die Rechtsprechung), Liberali-

sierung unter Einfluss des Unionsrechts ab ca. 2000 (vor allem nach Einführung des Her-

kunftslandprinzips durch die E-Commerce-RL von 2001).

• Vorschlag der Kommission für eine Verordnung (!) über Maßnahmen der Verkaufsförde-

rung im Binnenmarkt wurde zurückgezogen

• Mittlerweile keine Sonderregelungen mehr, sondern allgemeine Vorschriften: Informati-

onspflichten (§ 5a) über Art und Umstände der Vergünstigung, daneben Verbot der Aus-

übung von Druck (§ 4a)

• Einschlägig aus der Schwarzen Liste:

­ Nr. 17 (künftig 16): falsche Gewinnmitteilung

­ Nr. 20 (künftig 19): Angebot eines Wettbewerbs oder Preisausschreibens, wenn die

Preise nicht vergeben werden

­ Nr. 21 (künftig 20): Fälschliche Bezeichnung als „gratis“ etc.

• Außerdem über § 5a IV „Import“ von Sonderbestimmungen aus anderen Gesetzen, insb. §

6 TMG für den E-Commerce:

- Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke müs-

sen klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme

müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden.

- Preisausschreiben oder Gewinnspiele mit Werbecharakter müssen klar als solche er-

kennbar und die Teilnahmebedingungen leicht zugänglich sein sowie klar und un-

zweideutig angegeben werden.

• Ansonsten § 5a III Nr. 1 (wesentliche Merkmale der Ware) oder 4 (Leistungsbedingungen)

bzw. Rückgriff auf § 5a II, jeweils gekoppelt an Verbraucherrelevanz

­ Beispiel 1 (BGH GRUR 2011, 934 – Original Kanchipur): Bei Angabe von Einführungs-

preisen, die durchgestrichenen Preisen gegenübergestellt werden, muss deutlich wer-

den, ab wann der Normalpreis verlangt wird.

­ Beispiel 2 (BGH GRUR 2010, 649 – Preisnachlass nur für Vorratsware) Wenn deutlicher

Preisnachlass nur auf vorrätige Ware gewährt wird, muss das deutlich gemacht wer-

den.

• Neben § 5a kann bei unsachlichem Einfluss § 4a eingreifen. Allerdings wird der Durch-

schnittsverbraucher nicht schon durch jedes gute Angebot so magisch angezogen, dass er

die Fähigkeit zur rationalen Entscheidung verliert. Näher dazu bei § 4a.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 50

d) Aggressive Praktiken (§ 4a UWG u. Anh. zu § 3 III)

Lit: Alexander, §§ 12, 13; Jänich § 11; Fritzsche, WRP 2016, 1

Übungsfall (BGH GRUR 2014, 682 – Nordjob-Messe)

Die Nordjob-Messe in Kiel richtet sich vor allem an Schüler ab 15 Jahren, die sich über Aus-bildungsplätze und Studienangebote informieren wollen. Die V-Versicherung verteilt auf der Messe Teilnahmekarten für ein Gewinnspiel. Auf der Vorderseite sind fröhliche Jugendliche abgebildet, darunter der Slogan „Mitmachen und tolle Preise gewinnen“. Auf der Rückseite sind Name, Adresse, Handy- und E-Mail-Nummer anzugeben. Davon gesondert ist die geson-dert zu unterschreibende Erklärung abgedruckt: „Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten gespeichert werden und dazu genutzt werden können, mich telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder SMS über die Angebote der V zu informieren. Die Verbraucherzentrale Nord-rhein-Westfalen nimmt die V auf Unterlassung in Anspruch. Mit Aussicht auf Erfolg?

Bearbeiterhinweis: Vorschriften des Datenschutzrechts sind nicht zu prüfen. Die Zulässigkeit einer eventuellen Klage ist zu unterstellen.

aa) Grundlagen

Bedeutung

• Neben dem Wahrheitsgebot (§§ 5, 5a) ist der Schutz der Entscheidungsfreiheit der zweite

Pfeiler des UWG-Verbraucher- bzw. Abnehmerschutzes.

• Idee: der Abnehmer soll auf der Grundlage zutreffender Information eine möglichst unbe-

einflusste Entscheidung treffen. Er soll „die Freiheit haben, sich anders zu entscheiden als

vom Unternehmer gewollt“ (ÖOGH ÖBl 2016, 257 – Tankschlösser auf Flüssiggastanks).

• Allerdings ist nicht jede Werbung, die Emotionen weckt, unsachlich. Auch der verständige

Durchschnittsverbraucher trifft seine Entscheidung nicht nur auf der Grundlage von Fak-

ten. Insoweit hat seit den späten 1990er Jahren eine Liberalisierung der Rechtsprechung

stattgefunden, Vorsicht daher bei der Anwendung älterer Urteile.

Überblick über die Regelungen aggressiver Praktiken

• Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken erfasst neben der irreführenden auch die

aggressive Werbung, worunter nicht die reine Belästigung, sondern die Beeinträchtigung

der Entscheidungsfreiheit zu verstehen ist

- Schwarze Liste Nr. 24-31

- Art. 8: unlauteres Mittel (Belästigung, Nötigung, unzulässige Beeinflussung) + Relevanz

(Veranlassung zu einer geschäftlichen Entscheidung, die Verbraucher andernfalls nicht

getroffen hätte) = aggressive Praxis

- Art. 9: Kriterien

- Definition der „unzulässigen Beeinflussung“ in Art. 2 lit. j, dabei zwei problematische

Voraussetzungen: Ausnutzung einer Machtposition und Bezug auf „informierte Ent-

scheidung“, beides ist problematisch (dazu unten)

• Die TB‘e der „schwarzen Liste“ und § 4a sind also richtlinienkonform und in Einklang mit

der Rspr. des EUGH auszulegen

• Die bürgerlich-rechtliche Beurteilung gem. §§ 123, 138 BGB bzw. §§ 823 ff. BGB berührt

die lauterkeitsrechtliche Beurteilung nicht.

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bb) Die Vorschriften im Einzelnen

Fälle der Schwarzen Liste (Nr. 25-30 Anh. zu § 3 III, künftig Nr. 24-31)

• Praktisch wenig relevant: Nr. 25 („psychologisches Einsperren“), Nr. 26 (Nichtverlassen

der Wohnung), Nr. 30 (Ausnutzung des Mitleids bei Hinweis auf Arbeitsplatzverlust)

• Auch Nr. 27 (Vereitelung der Rechtsdurchsetzung bei Versicherungsverträgen) ist wegen

seines engen Anwendungsbereichs nicht sehr relevant, ist aber Ausdruck des allgemeine-

ren Gedankens, dass das systematische „Zeitspiel“ mit dem Ziel, den Verbraucher von der

Geltendmachung seiner Rechte abzuhalten, unlauter ist.

• Verschärfungen des Verbots der belästigenden Werbung (§ 7), näher zu diesen Fällen im

Zusammenhang mit der Belästigung, Idee: bei gesteigertem Maß an Belästigung wird

auch das Entscheidungsverhalten beeinflusst:

­ Vertreter verlässt Wohnung des Verbrauchers trotz Aufforderung nicht (Nr. 26)

­ Aufforderung zur Bezahlung oder Rücksendung unbestellter Ware (Nr. 29)

• Umstrittenster Fall: Kaufaufforderung an Kinder (Nr. 28), zu den offenen Fragen s. unten.

§ 4a: Überblick

• § 4a schützt Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer (Vertikalverhältnis), nicht aber

Mitbewerber

- Wichtigster Anwendungsfall: Verbraucherschutz

- Aber auch Schutz sonstiger Abnehmer, Beispiel (vorbehaltlich der anderen Vorausset-

zungen des § 4a, vor allem der Einschränkung der Fähigkeit zur rationalen Entschei-

dung): Unternehmen B ist von der Belieferung durch A abhängig. A droht mit Abbruch

der Vertragsbeziehung, wenn B nicht ungünstigeren Vertragsbedingungen zustimmt

- Abgrenzungsproblem zum Kartellrecht, dass derartige Fälle ggf. nur bei Marktmacht

verbietet. Allgemeine Regel: UWG-Verstoß ohne Marktmacht nur bei zusätzlichen, im

Kartellrecht nicht berücksichtigten Umständen. §§ 18, 20 I, II GWB gelten nicht für das

UWG.

- Vgl. auch BGH GRUR 2018, 1251 – Werbeblocker II: Betrieb eines Adblockers, von

dem sich geblockte Unternehmen „freikaufen“ können, verstößt nicht gegen § 4a (so

noch OLG Köln als Vorinstanz), weil sich die Maßnahme nicht gegen Websitebetreiber

(z.B. Zeitungsverlage), sondern gegen Werbende richtet und weil diese rational alle

Optionen abwägen können. Zur kartellrechtlichen Bewertung BGH GRUR 2019, 1305 –

Werbeblocker III.

- Aggressive Praktiken gegenüber einem Mitbewerber fallen nur unter § 4, vor allem § 4

Nr. 4.

• Die drei Fälle des § 4a I 2 werden ergänzt durch die Kriterien des § 4a II.

• Aus der Struktur des § 4a ergibt sich ein dreistufiges Prüfungsschema:

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 52

Belästigung

• Begriff der Belästigung in der UGP-RL oder dem UWG nicht definiert.

• Vornahme einer geschäftlichen Handlung gegenüber einem Adressaten, der erkennbar

nicht an ihr interessiert ist. Gegenüber Verbrauchern regelmäßig Eingriff in deren Pri-

vatsphäre.

• Problem: Abgrenzung zum Tatbestand der belästigenden Praktiken (§ 7)

- Anderer Schutzzweck: § 7 schützt die Privatsphäre und die Ungestörtheit betrieblicher

Abläufe, § 4a schützt die Entscheidungsfreiheit (BGH GRUR 2016, 831 – Lebens-Kost)

- Unter § 7 ist die Belästigung an sich (z.B. durch Anrufe, E-Mail-Spamming, etc.) unzu-

lässig, auf eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit kommt es, anders als unter

§ 4a, nicht an.

- Der Begriff der Belästigung in § 7 entstammt rein dem deutschen Recht, in § 4a I ist er

richtlinienkonform auszulegen. Daraus und aus den unterschiedlichen Schutzzwecken

können sich Abweichungen ergeben

• S. die Kriterien in § 4a II, z.B. Dauer der Handlung, Verwendung beleidigender Formulie-

rungen, Ausnutzung von Unglückssituationen

• Indiz immerhin Nr. 26 der Schwarzen Liste (vom deutschen Gesetzgeber systematisch

falsch in § 7 II Nr. 1 umgesetzt, soll durch RefE korrigiert und in die Schwarze Liste einge-

Prüfungsschema (einzubauen in das allgemeine Prüfungsschema s. oben II 1)

1. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Bei B2C-Handlungen: § 3 III i.V.m. Anh. Nr. 25-10 der „schwarzen Liste“

3. Unlauterkeit (§ 3 I) gem. § 3a

a) Einsatz eines der in § 4a I 2 Nr. 1-3 genannten Mittel (unter Berücksichtigung

der Kriterien des § 4 II)

b) Eignung zur erheblichen Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit (Trennung (a)

und (b) kann gerade bei unzulässiger Beeinflussung entbehrlich sein)

c) Relevanz (durch (b) indiziert)

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fügt werden): hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax-E-Mail →

Belästigung muss wohl gewisse Schwere erreichen

• Achtung: Im zweiten Schritt ist die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit zu prüfen.

Sie fehlt bei vielen Formen der Belästigung, z.B. dem E-Mail-Spamming.

• Beispiel: Das Ansprechen im öffentlichen Raum kann Belästigung sein, aber eine Beein-

trächtigung der Entscheidungsfreiheit wird aber in Anbetracht des Leitbildes des mündi-

gen Verbrauchers nur noch ausnahmsweise vorliegen (BGH GRUR 2004, 699 – Anspre-

chen in der Öffentlichkeit I).

Nötigung

• = Ausübung von Zwang oder Androhung empfindlicher Nachteile. Der strafrechtliche Be-

griff der Nötigung (§ 240 StGB) ist nicht entscheidend, weil § 4a richtlinienkonform aus-

zulegen ist, er bietet aber immerhin Indizien.

• Kriterien des § 4a II, z.B. Verwendung drohender Formulierungen, Ausnutzung von Un-

glückssituationen, Drohung mit rechtlich unzulässigen Handlungen

• Ungerechtfertigte Androhung eines empfindlichen Übels,

- Beispiel (BGH GRUR 2015, 1134 – Schufa-Hinweis): Drohung eines Mobilfunkunter-

nehmens mit Schufa-Hinweis, wenn nicht zugleich auf die Grenzen zulässiger Über-

mittlungen gem. § 28 I 1 Nr. 4 BDSG hingewiesen wird, insbesondere darauf, dass

durch Bestreiten der Forderung der Hinweis abgewendet werden kann.

- Gegenbeispiel (BGH GRUR 2018, 1063 – Zahlungsaufforderung): Androhung gerichtli-

cher Schritte durch Inkassounternehmen keine aggressive Praxis, wenn Möglichkeit

des Schuldners, sich im Gerichtsverfahren zu verteidigen, nicht verschleiert wird.

• Insbesondere Ausübung oder Androhung physischen Zwangs bzw. körperlicher Gewalt

(ausdrücklich in § 4a I 2 genannt)

- Beispiel: Ankündigung des Besuchs eines Inkasso-Teams (OLG München GRUR-RR

2010, 50)

- Gegenbeispiel: Anbringen von Schloss an einem Tank, um vertraglich untersagte Be-

tankung durch Dritte zu verhindern (ÖOGH ÖBl 2016, 257 – Tankschlösser auf Flüssig-

gastanks)

• Ausübung psychischen Zwangs, insbesondere dadurch, dass sich der Abnehmer zum

Geschäft veranlasst sieht, um sich nicht dem Vorwurf mangelnder Hilfsbereitschaft, Höf-

lichkeit, Solidarität oder Dankbarkeit auszusetzen (psychischer Kaufzwang). Vorsicht: In

der Rechtsprechung zum UWG 1909 wurde der „psych(olog)ische Kaufzwang“ schnell be-

jaht, nach neuem Recht kommt er nur in Ausnahmefällen in Betracht.

- Moralischer Druck, insb. durch Missbrauch einer Autoritätsstellung (Beispiel: BGH

GRUR 1979, 157 – Kindergarten-Malwettbewerb) oder Gruppenzwang (BGH GRUR

2008, 183 Rn. 19 – Tony Taler)

- Drohung mit einem Übel von einigem Gewicht, etwa mit Kündigung eines bestehenden

Vertrags für den Fall, dass kein Zusatzvertrag abgeschlossen wird.

- Gegenbeispiel: Ankündigung einer vertraglich vorgesehenen ordentlichen Kündigung

• § 4a geht über den B2C-Bereich hinaus, kann also auch die Ausübung von Druck gegen-

über „sonstigen Marktteilnehmern“, also gewerblichen Abnehmern erfassen (nicht jedoch

gegenüber Wettbewerbern, hier ist § 4 Nr. 4 einschlägig).

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Unzulässige Beeinflussung

• Definition in Art. 2 lit. j UGP-RL, umgesetzt in § 4a 1 2: Ausnutzung einer Machtposition

gegenüber dem Verbraucher / sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck (…) in

einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung we-

sentlich einschränkt

• Die „unzulässige Beeinflussung“ ist der Oberbegriff über alle Varianten des § 4a: auch

Belästigung und Drohung sind letztlich Formen der unzulässigen Beeinflussung.

• Leider ist dem EU-Gesetzgeber die Formulierung dieses Tatbestands aus mehreren Grün-

den gründlich misslungen.

• Ausnutzung einer Machtposition

- sicher (+), wenn die Machtposition schon vor der Handlung besteht, zB Autoritätsmiss-

brauch, Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses

- Aber das sind eher Ausnahmefälle. Wie im normalen Verhältnis zwischen Unternehmer

und Verbraucher, wenn erst die Werbung selbst Druck aufbaut, zB durch extremen

Zeitdruck oder durch Ausnutzung der Unerfahrenheit Minderjähriger? Str., einige Fälle

der „schwarzen Liste“ sprechen dafür, dass die Machtposition auch erst durch die

Werbung entstehen kann, ebenso zu Ziff. 31 der Schwarzen Liste (in der Zählung der

UGP-RL und des RefE!) EuGH GRUR 2012, 1269 – Purely Creative

­ Die bloße Informationsasymmetrie (Unternehmer hat mehr Informationen als der Ver-

braucher) reicht nicht aus, da hier die §§ 5, 5a genügen. Zweifelhaft daher inzwischen

BGH GRUR 2006, 953, Rn. 19 – Warnhinweis II: unsachliche Beeinflussung durch Ver-

harmlosung von Gefahren

• zur Ausübung von Druck

- insb. physischer, psychischer oder wirtschaftlicher Zwang

- nicht aber schon der Entscheidungsdruck, der von einem attraktiven Angebot ausgeht

- Problem: setzt Ausübung von Druck voraus, dass dem Verbraucher Nachteile in Aus-

sicht gestellt werden, wenn er das Angebot nicht annimmt, oder kann auch das bloße

Anbieten von Vorteilen ausreichen? Str. Aber da das Androhen von Nachteilen meist

schon Nötigung ist, genügt hier auch ein Vorteil, sofern er überhaupt geeignet ist, den

Abnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen

• Einschränkung der Fähigkeit des Verbrauchers zur informierten Entscheidung

­ Problem: „informierte Entscheidung“ klingt nach Irreführung, die von § 5 geregelt

wird. § 4a soll gerade die Fälle erfassen, in denen der Verbraucher alle Informationen

hat, aber nicht frei entscheidet. „Informierte Entscheidung“ heißt also wohl „freie Ent-

scheidung“ Str., nach der Gegenansicht insoweit Anwendung des § 3 II.

­ Formel der Rechtsprechung zum Recht vor 2015: (+) erst, wenn auch für einen durch-

schnittlich empfindsamen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung völ-

lig in den Hintergrund tritt. Kritik daran: diese Formel findet keine Stützte in der UGP-

RL und ist zu eng.

­ Besser (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4a Rn. 1.66): Fähigkeit des Abnehmers wird

eingeschränkt, die Vor- und Nachteile seiner Entscheidung zu erkennen und ge-

geneinander abzuwägen

­ Früher spielte die Fallgruppe bei Maßnahmen der Verkaufsförderung (Rabatte, Kopp-

lungsangebote, Gewinnspiele, etc.) eine wichtige Rolle. Mittlerweile ist schon die unzu-

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lässige Beeinflussung fraglich, weil der Druck von einem attraktiven Angebot ausgeht,

erst recht aber die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit.

• Vgl. auch den Kriterienkatalog des § 4a II

­ Ausnutzung von Unglückssituationen, zB Werbung am Unfallort

­ Hindernisse nicht-vertraglicher Art, um Geltendmachung vertraglicher Rechte zu verei-

teln, dazu BGH GRUR 2018, 1251 – Werbeblocker II: Gemeint ist Vertragspartner des

aggressiv Handelnden, nicht die Einwirkung auf Verträge zwischen Dritten

Problemfall § 4a II 2

• Relikt des alten § 4 Nr. 2 UWG 2004. Idee des Gesetzgebers: verbraucherpolitisches Sig-

nal, Vorschrift mit Appellcharakter.

• Inzwischen Verdopplung des § 3 IV.

• Die Richtlinie verbietet die Ausnutzung der Unerfahrenheit als solche nicht, sondern nur

die Irreführung und aggressive Praktiken, bei denen aber gem. § 3 IV auf die besondere

Verletzlichkeit der angesprochenen Gruppe zu berücksichtigen ist, daher halten Köhler

und andere § 4 II 2 für richtlinienwidrig

• Dagegen: Nr. 28 der „schwarzen Liste“ spricht dafür, dass auch die reine Ausnutzung der

Unerfahrenheit unlauter sein kann, daher handelt es sich um eine richtlinienkonforme

Ausgestaltung des § 4a II Nr. 3 (die aber unter dem Vorbehalt künftiger abweichender

EUGH-Urteile steht): unschädliche, aber überflüssige Doppelregelung. Jedenfalls Ausle-

gung im Einklang mit § 3 IV.

• Näher hierzu unten (zur Werbung gegenüber Kindern) und Scherer, WRP 2016, 1441

Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit

• Zweiter Prüfungsschritt: Nie vergessen!

• Vor allem in Fällen der Belästigung kann es daran fehlen. Beispiel (BGH GRUR 2016, 831

– Lebens-Kost): unerlaubter Werbeanruf, in dessen Verlauf der Angerufene freiwillig ei-

nem weiteren Anruf zustimmt → § 7 II Nr. 2 (+), § 4a (-)

• Hier ebenso wie schon oben zu § 4a I 2 Nr. 3: Beeinträchtigung Fähigkeit des Abnehmers

wird eingeschränkt, die Vor- und Nachteile seiner Entscheidung zu erkennen und gegen-

einander abzuwägen

• In den Fällen der Nr. 2, 3 ist diese Beeinträchtigung eigentlich schon Teil der Nötigung

bzw. unzulässigen Beeinflussung. Sie wird daher in diesen Fällen durch den Einsatz des

verpönten Mittels indiziert und braucht nicht doppelt geprüft zu werden.

• Nach der Rspr des EUGH kann eine geschäftliche Entscheidung (§ 2 I Nr. 9) schon darin

bestehen, ein Geschäft überhaupt zu betreten, Beeinflussung daher (+), wenn Kunde in

ein Geschäft „gezerrt“ wird, selbst wenn er dort frei über den Kauf entscheiden kann

Relevanz

• Wie immer muss der den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäft-

lichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte.

• Das wird durch die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit indiziert. Mir fällt kein

Beispiel ein, in dem die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird, aber die Relevanz fehlt.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 56

Sonderfall Dreiecksverhältnis

• Unternehmer U bietet Mittelsperson M einen materiellen Anreiz, damit dieser bei Ver-

braucher V für die Angebote des A wirbt.

• Fallkonstellationen:

­ Laienwerbung: M1, M2 und M3 sind Kunden, die von A im Rahmen einer „Kunden

werben Kunden“-Aktion Prämien erhalten. Dazu BGH GRUR 2006, 949 – Kunden wer-

ben Kunden: weder Laienwerbung noch Versprechen von Prämien sind per se unzuläs-

sig, Unlauterkeit aber (+), wenn Belästigung des Umworbenen (§ 7), Irreführung (§ 5),

Verdeckung des Prämieninteresses (§ 5a VI), Werbung für Heilmittel (§ 7 HWG i.V.m. §

3a), daneben wohl auch (vom BGH nicht erwähnt) Möglichkeit des psychischen Kauf-

zwangs bei Ausnutzung persönlicher Bindungen. Problem allerdings: Wann haftet A –

nur wenn B sich im konkreten Fall falsch verhält oder auch weil das Laienwerbesystem

abstrakt gefährlich ist?

­ Pflicht zur Wahrnehmung fremder Interessen: Wenn M aufgrund seiner beruflichen

Stellung die Interessen der Endabnehmer zu wahren hat, hat es der BGH als gem. § 4

Nr. 1 UWG 2004 (= Vorgänger des § 4a) unlauter angesehen, wenn U ihm Vergünsti-

gungen anbietet. Beispiele: Versprechen von Prämien an Ärzte (BGH GRUR 2005, 1059

– Quersubventionierung von Laborgemeinschaften I, BGH GRUR 2012, 1050 – Dental-

laborleistungen, vgl. auch das Zugabeverbot des § 7 HWG) oder Rechtsanwälte (BGH

GRUR 2009, 969 – Winteraktion).

­ M ist Mitarbeiter eines anderen Unternehmens, U verspricht absatzabhängige Prämie

bzw. Provision. Beispiel: Reiseveranstalter U bietet Mitarbeiter M eines Reisebüros ei-

ne Incentive-Reise, wenn er eine bestimmte Anzahl von U-Reisen vermittelt. Derzeit

unklar, ob die Grundsätze der Kunden werben Kunden-Entscheidung oder die Recht-

sprechung zur Wahrung fremder Interessen gilt.

­ M ist die öffentliche Hand, Beispiel: Fotograf U bietet der Schule M einen PC als Ge-

schenk, falls die Schule ihn eine Schulfoto-Aktion durchführen lässt. BGH GRUR 2006,

77 – Schulfotoaktion: zulässig (und nach §§ 331, 333 StGB unbedenklich, a.A. aber

BGH St WRP 2011, 1203), wenn die Schule eine Gegenleistung erhält und keinen

Druck auf die teilnehmenden Schüler ausübt.

• Der BGH hat diese Fälle früher unter § 4 Nr. 1 UWG 2004 (= Vorgänger des § 4a) subsu-

miert, wenn die Mittelsperson eine besondere Vertrauensstellung innehatte. Kritik daran:

Die Entscheidungsfreiheit der Mittelsperson wird nicht beeinträchtigt. Ob die Handlung

U M

V

bietet Anreiz (z.B. Prämie)

berät und verkauft

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 57

aber zu einer Irreführung oder unzulässigen Beeinflussung des Verbrauchers führt, muss

im konkreten Fall geprüft und darf nicht vermutet werden.

• Beurteilung unter § 4a bisher nicht geklärt. Vorzugswürdig wäre:

­ Anwendung des § 4a nur in Fällen, in denen die Rationalität der Entscheidung des M

beeinträchtigt wird

­ Ansonsten verstößt M gegen §§ 5, 5a, 4a, wenn konkrete Gefahr der unsachlichen Be-

einflussung von V besteht, U haftet als Anstifter oder mittelbarer Täter

­ Außerdem Normen außerhalb des UWG, die Werbezuwendungen an Ärzte etc. ein-

schränken, z.B. im HWG

cc) Insbesondere: Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen

Nr. 28 Anh. zu § 3 III

• Absolutes Verbot direkter Aufforderungen von Kindern, Produkte zu kaufen oder ihre El-

tern zu überreden

• Offene Fragen:

­ Wer ist Kind? (Altersgrenze bei 14 oder 18)? Bisher nicht von EUGH oder BGH ent-

schieden, hM: 14.

­ Muss sich die Werbung gezielt an Kinder richten? Eine Werbung an die Allgemeinheit,

die auch Kinder ansprechend finden, genügt nicht (BGH GRUR 2014, 686 – Goldbä-

renbarren), aber bei einer Werbung, die sich speziell an Kinder und Jugendliche richtet

und dabei auch Jugendliche über 14 erreicht, soll Nr. 28 anwendbar sein: BGH GRUR

2014, 298 – Runes of Magic.

­ Was ist eine direkte Aufforderung? (+) bei der Verwendung von Begriffen wie

„Schnapp dir…“, selbst wenn man im Internet zum Kauf noch einen Link anklicken

muss (BGH GRUR 2014, 298 – Runes of Magic), direkte, persönliche Ansprache nicht

erforderlich, (-) wenn nicht ein bestimmtes Produkt, sondern das ganze Warensorti-

ment beworben wird (BGH GRUR 2014, 1117 – Zeugnisaktion)

• Für eine enge Auslegung der Ziff. 28 der Schwarzen Liste spricht, dass das UWG ansons-

ten über das Ziel hinausschießt. Die flexiblen Grundsätze des § 4a ermöglichen eine le-

bensnahere Beurteilung.

• § 4a kann neben Nr. 28 in Betracht kommen, wenn Nr. 28 (+), dann regelmäßig auch § 4a

(+), andererseits geht § 4a über Nr. 28 hinaus und erfasst z.B. auch nicht „direkte Auffor-

derungen“

Ausnutzung der Unerfahrenheit (§ 4a I 1, II 2)

• Unter dem UWG 2004 eigener Tatbestand (§ 4 Nr. 2 UWG 2004). Inzwischen fällt die

Ausnutzung der Unerfahrenheit vor allem Jugendlicher (aber vielleicht auch anderer Be-

völkerungsgruppen) je nach Fall unter §§ 5, 5a oder 4a, wobei jeweils der Maßstab des §

3 IV gilt.

• Rspr. zu § 4 Nr. 2 UWG 2004: Werbung muss sich – zumindest auch – gezielt an Kinder

und Jugendliche richten (BGH GRUR 2014, 686 – Goldbärenbarren), das ist weiter als § 3

IV 2. Bisher unklar, ob das auch für § 4a II 2 gilt, ob also auch außerhalb der Fälle des § 3

IV 2 eine Ausnutzung der Unerfahrenheit vorliegen kann.

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• „Unerfahrenheit“ ist nicht abstrakt, sondern im Hinblick auf die beworbenen Produkte zu

bestimmen.

- Beispiele: Unerfahrenheit mit Telefontarifen führt zu strengem Transparenzgebot (§ 5a)

bei der Angabe der Kosten für das Herunterladen von Klingeltönen (BGH GRUR 2006,

776 – Werbung für Klingeltöne), ebenso bei Aufforderung an Jugendliche, vor Teil-

nahme an einem Gewinnspiel in die Verwendung personenbezogener Daten einzuwilli-

gen (BGH GRUR 2014, 682 – Nordjob-Messe)

- Gegenbeispiele: weibliche Teenager können den Wert einer Zeitschrift mit „Designer-

Sonnenbrille“ selbständig einschätzen (BGH GRUR 2006, 161 – Zeitschrift mit Sonnen-

brille) und Jugendliche können die Vorteile einer Sammelaktion von Aufdrucken auf

Schokoriegeln beurteilen, bei der ein Buchgutschein von 5 € winkt (BGH GRUR 2009,

71 – Sammelaktion für Schoko-Riegel).

• Indirekter Druck auf Eltern:

­ Durch Ziff. 28 der „schwarzen Liste“ verboten, soweit deren Anwendungsbereich

reicht.

­ Im Übrigen ist in diesen Fällen § 4a nur unter dem Aspekt der Nötigung / Beeinflus-

sung der Eltern anzuwenden.

­ Auch dabei abstellen auf „durchschnittliche“ Eltern, die nicht jedem Wunsch ihrer Kin-

der sofort nachgeben. Es müssen also besondere Umstände vorliegen, z.B. der Grup-

penzwang in Tony Taler.

Der BGH (GRUR 2008, 183, Rn. 17 – Tony Taler) schreibt Eltern zur Erziehung ihrer quengelnden Kinder Folgendes ins Stammbuch: „Es gehört zu den Grundlagen jeder Erziehung, Kindern verständlich zu machen, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Ein vernünftiger Erziehungsberechtigter ist im Allgemeinen in der Lage, Kaufwünschen, die von seinen Kindern an ihn herange-tragen werden, auch ablehnend zu begegnen. Dies entspricht dem für das Wettbe-werbsrecht maßgeblichen Leitbild des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der mit den Marktgegebenheiten vertraut ist. Die Tatsache allein, dass seine Kinder ihn mehr oder weniger intensiv mit Wünschen bedrängen, steht daher einer rationalen Entscheidung des Erziehungsberechtigten über den Kauf eines Pro-dukts grundsätzlich nicht entgegen.“

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 59

e) Unzumutbare Belästigung (§ 7 UWG)

Lit.: Köhler, WRP 2015, 1037 und WRP 2017, 1291

Übungsfall (Teil der SPB-Klausur 2016/2, nach BGH GRUR 2016, 946 – Freunde finden)

Die FriendsOnline AG (F) betreibt ein soziales Netzwerk. Nutzer, die sich auf F registrieren, können dort eine eigene Profilseite anlegen, anschließend mit anderen Nutzern Nachrichten austauschen sowie Fotos und Videos einstellen.

F bietet jedem Nutzer bei der Neuanmeldung an, vollautomatisch eine Einladungs-E-Mail an alle Personen zu versenden, die der Nutzer als Kontakte in seinem E-Mail-Programm (z.B. Out-look, Thunderbird, Apple Mail) gespeichert hat. Klickt der Nutzer das Dialogfeld „Freunde fin-den“ an, so erstellt und speichert die F vollautomatisch eine Liste aller Kontakte des Nutzers, unabhängig davon, ob diese Personen schon bei der F registriert sind. Anschließend erscheint ein Button mit der Aufschrift „Einladungen versenden“. Betätigt der Nutzer diese Funktion, so erhalten alle Personen, deren Adresse in der Liste enthalten ist, eine automatisch von F gene-rierte, vorformulierte E-Mail, als deren Absender der Nutzer erscheint. Der gesamte Vorgang wird dem Nutzer auf der Website der F in allen Einzelheiten deutlich erklärt. Der Text der E-Mail lautet:

„Ich habe ein F-Profil erstellt, in dem ich meine Bilder, Videos und Veranstaltungen posten kann und möchte dich als Freund/in hinzufügen, damit du diese sehen kannst. Zuerst musst du F beitreten! Sobald du dich registriert hast, kannst du ebenfalls dein eigenes Profil er-stellen. Grüße [Name des Absenders]“

Die Webchat GmbH (W), die ebenfalls ein soziales Netzwerk anbietet, hält diese Praxis für uner-laubtes E-Mail-Spamming, für eine unlautere Verwendung fremder Daten, für eine unzulässige Ausnutzung persönlicher Beziehungen zu Werbezwecken und für eine als private Nachricht getarnte Werbung. Daher mahnt die W die F wegen unlauteren Wettbewerbs ab.

Ist die Abmahnung der W berechtigt?

aa) Grundlagen

Bedeutung

• § 7 regelt die schon früher zu § 1 UWG 1909 anerkannte Fallgruppe der Belästigung.

• Praktisch regelt § 7 in erster Linie die Zulässigkeit des Direktmarketings, d.h. der Werbe-

formen, bei denen ein unmittelbarer, nicht durch Medien vermittelter Kontakt zwischen

Werbendem und Beworbenem hergestellt wird, Beispiele: Telefonwerbung, E-Mail-

Werbung, Werbung durch persönliches Ansprechen.

• § 7 schützt das Interesse der Verbraucher und Unternehmer an Ungestörtheit:

- Belästigung von Verbrauchern: Schutz der Privatsphäre

- Belästigung von Gewerbetreibenden: Schutz ungestörter Betriebs- und Geschäftsab-

läufe

- § 7 dient nicht dem Schutz der Entscheidungsfreiheit, hier ist § 4a einschlägig (BGH

GRUR 2016, 831 – Lebens-Kost). Der Tatbestand des § 7 ist bei bloßer Belästigung er-

füllt, eine Auswirkung auf das wirtschaftliche Verhalten des Adressaten ist nicht erfor-

derlich. Beide Fallgruppen können sich aber überschneiden und sind dann parallel ne-

beneinander anwendbar.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 60

- Folge: Die Belastung mit einem nach Telefonwerbung abgeschlossenen Vertrag ist

nicht gem. §§ 9, 7 I, II Nr. 2 ersatzfähig, weil die Beeinträchtigung der Entscheidungs-

freiheit nicht in den Schutzbereich des § 7 fällt (BGH GRUR 2016, 831 – Lebens-Kost).

• Gegenläufiges Interesse: Interesse des Werbenden an effektiver Werbung durch Direktkon-

takt mit dem Kunden, Vorteile:

- Gezielte Auswahl der Adressaten

- Möglichkeit, unmittelbar auf individuelle Bedürfnisse einzugehen

- Möglichkeit, unmittelbar von Werbung zu Vertragsverhandlungen überzugehen

- Geringe Kosten

• Gegen das Verbot des § 7 wird in der Praxis häufig verstoßen, vor allem ist Telefonwerbung

trotz § 7 II Nr. 2 an der Tagesordnung. Versuch der Abhilfe durch das Gesetz zur Bekämp-

fung der unerlaubten Telefonwerbung von 2009:

- Bußgeld bei Verstoß (§ 20 UWG, eigentlich ein Systembruch, da UWG-Vorschriften,

von § 16 abgesehen, nur zivilrechtlich durchgesetzt werden)

- Verbot der Rufnummernunterdrückung (§ 102 II TKG)

- Kontroverse Diskussion über die Nichtigkeit von Folgeverträgen, ggf. mit der Möglich-

keit der Konvaleszenz durch schriftliche Bestätigung des Verbrauchers, s. das Pro und

Contra von Fezer, GRUR-Prax 2011, 361 und Ohly, GRUR-Prax 2011, 366

• Weiteres Problem: Direktwerbung aus dem Ausland an deutsche Empfänger (vor allem per

E-Mail) ist zwar nach deutschem Recht zu beurteilen, aber schwer zu verfolgen

Unionsrechtlicher Rahmen

• Art. 13 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation von 2002 (EK-DSRL)

verpflichtet die Mitgliedstaaten

- zum Verbot unaufgeforderter E-Mail-, Fax-, Voice-Mail- und SMS-Werbung

- lässt Mitgliedstaaten Wahlmöglichkeit bei der Regelung der Telefonwerbung

- verpflichtet die Mitgliedstaaten aber nur dazu, individuelle Ansprüche der Betroffenen

und eine verwaltungsrechtliche Aufsicht vorzusehen.

• Vorschlag einer Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation

(COM/2017/010 final - 2017/03 (COD), dazu Köhler, WRP 2017, 1291)

- Soll die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ergänzen und tritt an die Stelle des

Art. 13 der EK-DSRL

- Verabschiedung aber schwierig: Ein neuer Entwurf vom 4.11.2020 fand wohl nicht die

Zustimmung der Mitgliedstaaten

- Art. 16 I des Vorschlags: Einwilligungserfordernis (→ bestimmt durch Art. 4 Nr. 11

DSGVO) bei Direktwerbung gegenüber natürlichen Personen

- Art. 16 II: Einwilligung wird vermutet, wenn E-Mail-Adresse im Rahmen eines Ge-

schäfts für ähnliche Produkte erlangt

- Rechtsfolgen bei Verstoß: individuelle Ansprüche und behördliches Verfahren, keine

Verbandsklage

- Folge, wenn der Vorschlag in Kraft tritt: § 7 II, III werden unionsrechtswidrig und

aufzuheben

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 61

• Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken:

- aggressive Werbung ist nicht schon die Belästigung per se (anders als unter § 7 UWG),

sondern die Belästigung, die zu einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit führt

(s. insb. Ziff. 26 der Schwarzen Liste: hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen

über Telefon, E-Mail, Fax, etc.)

- Idee: Trennung zwischen Schutz der Privatsphäre (nach unionsrechtlicher Konzeption

kein wettbewerbsrechtliches Anliegen) und Schutz der Entscheidungsgrundlage des

Verbrauchers.

- Die deutsche Umsetzung der Ziff. 26 durch § 7 II Nr. 1 ist systemwidrig und ein Fehler.

Korrektur durch den RefE: Streichung des § 7 II Nr. 1 (aus den bisherigen Nrn. 2-4

werden 1-3) vorgesehen

• Rechtspolitische Kritik

- § 7 ist mittlerweile ein Fremdkörper im UWG, weil er den Verbraucher nicht als Markt-

teilnehmer, sondern in seiner Privatsphäre schützt. Das ist Aufgabe anderer Rechtsbe-

reiche.

- Er wäre besser (und unionsrechtsnäher) im Datenschutzrecht aufgehoben. Dazu wird

es bei Verabschiedung der Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommuni-

kation möglicherweise kommen.

- Das Einwilligungserfordernis des § 7 II Nr. 3 ist zu streng geraten (dazu näher unten)

Systematik des § 7

• § 7 I

- Satz 1 verbietet unzumutbare Belästigungen im Allgemeinen (= „kleine General-

klausel“)

- Satz 2 erklärt bei Werbung (also fast immer) die Ablehnung des Beworbenen für maß-

geblich. Beispiel: Einwurf von Werbezetteln in Briefkasten ist unzulässig, wenn Aufkle-

ber dies untersagt.

- Kein Verweis auf § 3 I, insoweit große Ausnahme bei den Unlauterkeitstatbestän-

den. Anspruchsgrundlage also §§ 8 I, 7 I. § 3 zu zitieren wäre ein Fehler. Hintergrund:

Bei der Umsetzung der UGP-RL wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass § 7 nicht unter

die RL fällt und dass die früher in § 3 I UWG 2008 geregelte Spürbarkeitsschwelle nicht

gilt. Dieser Zweck hat sich mit Streichung der Spürbarkeitsschwelle in § 3 I 2015 über-

holt. Daher wäre es sinnvoll gewesen, wenn der Gesetzgeber 2015 die Ausnahmerege-

lung für § 7 aufgehoben hätte.

• § 7 II, III setzen Art. 13 der EK-DSRL und Ziff. 26 der Schwarzen Liste der UGP-RL um.

- § 7 II Nr. 1: Verbot der hartnäckigen Ansprache in nicht in Nr. 2 oder 3 geregelten Fäl-

len (Umsetzung der Ziff. 26, wäre entbehrlich gewesen, s. unten)

- § 7 II Nr. 2: Sonderregelung für (individuelle) Telefonwerbung

- § 7 II Nr. 3: Sonderregelung für E-Mail-, Fax-, Voice-Mail- und SMS-Werbung, dazu

begrenzte Ausnahme in § 7 III

- § 7 II Nr. 4: Informationspflichten für die in § 7 II 2 und 3 geregelten Fälle

• Nicht durch § 7 II, III erfasste Werbemethoden (z.B. persönliches Ansprechen, Hausbesu-

che, Zusendung unbestellter Waren) können unter § 7 I fallen, keine Sperre durch § 7 II

(„insbesondere“).

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 62

Verhältnis zu anderen Vorschriften

• § 7 betrifft die Belästigung, § 4a die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit. Beides

kann, muss aber nicht zusammenfallen und ist getrennt zu prüfen. Überlagerungen auch mit

§ 5 (Irreführung) und § 5a VI (getarnte Werbung) möglich.

• Vorschriften des BGB:

- §§ 823, 1004 BGB begründen individuelle Ansprüche von Verbrauchern (die unter §§

3, 7, 8 UWG nicht bestehen). Werbung, die gegen § 7 verstößt, verletzt zugleich das

APR (BGH GRUR 2018, 1178 – Kundenzufriedenheitsbefragung)

- Individuelle Ansprüche von Mitbewerbern unter dem Gesichtspunkt der Störung des

Gewerbebetriebs, soll nach BGH GRUR 2009, 980 – E-Mail-Werbung II schon bei ein-

maliger Spam-Mail eingreifen, das lässt sich mit den allgemeinen Voraussetzungen ei-

nes Eingriffs in den Gewerbebetrieb allerdings kaum vereinbaren.

- Widerrufsrechte nach §§ 312 ff. berühren die lauterkeitsrechtliche Beurteilung nicht.

- Gestattungen des Eigentümers privater Grundstücke (z.B. Flughafen) berühren die

wettbewerbsrechtliche Beurteilung insoweit nicht, als Interessen Dritter (= der Ver-

braucher oder sonstiger Abnehmer) betroffen sind.

bb) Die Fallgruppen des § 7 II

Vorüberlegungen

• Die Fallgruppen des § 7 II sind vorrangig zu prüfen. Liegen sie vor, dann ist eine unzumut-

bare Belästigung i.S.d. § 7 I 1 gegeben. Die „Unzumutbarkeit“ darf nicht mehr gesondert

geprüft werden, auch eine Interessenabwägung findet nicht statt.

• Gemeinsame Voraussetzung: geschäftliche Handlung (§ 7 I) und Werbung (§ 7 II). Doppel-

prüfung entbehrlich, denn jede Werbung ist geschäftliche Handlung.

• Keine Definition der „Werbung“ in § 2. Aber man kann auf die Definition in Art. 2 lit a Wer-

beRL zurückgreifen, auch wenn sie auf § 7 nicht direkt anwendbar ist, weil § 7 nicht in den

Anwendungsbereich der WerbeRL fällt. Demnach ist Werbung jede Äußerung bei der Aus-

übung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz

von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen (…) zu fördern.

• Eine Spürbarkeitsgrenze besteht nicht. Im Gegenteil betont § 7 II, dass schon die einmalige

Telefonwerbung, Spam-Mail, etc. unzulässig sind.

Prüfungsschema zu §§ 7

1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Unzumutbare Belästigung a) Kann sich durch Sondertatbestände des § 7 II Nr. 1 – 4 ergeben, wenn nicht: b) Belästigung c) Einwilligung, mutmaßliche Einwilligung oder Widerspruch des Adressaten d) Unzumutbarkeit = Abwägung zwischen Interessen des Adressaten und des

Werbenden

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 63

• § 7 I schützt alle Marktteilnehmer, also Verbraucher, sonstige Marktteilnehmer (= gewerbli-

che Abnehmer und Anbieter), aber auch (anders als § 4a) Mitbewerber, wie sich aus § 2 I

Nr. 2 ergibt.

­ Praktisch geht es aber in nahezu allen Fällen um den Schutz potentieller Kunden vor

aufgedrängter Direktwerbung, deshalb wird § 7 in der Vorlesung auch im Zusammen-

hang mit dem Abnehmerschutz besprochen. Vor allem die Kombination mit § 4a ist häu-

fig und auch in der Klausur im Auge zu behalten.

­ Denkbarer und von § 7 I erfasster Fall einer Belästigung eines Mitbewerbers: Anruf zum

Zweck der Abwerbung von Mitarbeitern.

Hartnäckige Ansprache mit Fernkommunikationsmitteln, aber nicht per Telefon, Fax, SMS

oder E-Mail (§ 7 II Nr. 1)

• Wurde vom Gesetzgeber zur Umsetzung der Ziff. 26 der Schwarzen Liste zur UGP-RL

(fälschlich) eingefügt und wird vermutlich demnächst gestrichen.

• Betrifft nicht die Telefon-, E-Mail-, SMS- oder Faxwerbung, die in Nrn. 2 und 3 geregelt

sind. Übrig bleibt nur die Werbung mit Briefen und Prospekten

- Briefwerbung = individuell adressierter Werbebrief

- Briefkastenwerbung = nicht adressierte Wurfsendungen

• Was heißt hartnäckig? Die französische Fassung („sollicitations répétées“) spricht für „wie-

derholt“

• Das ist aber letztlich egal, weil in allen übrigen Fällen auf § 7 I 2 zurückgegriffen werden

kann (str.).

• Brief- und Briefkastenwerbung sind also grundsätzlich zulässig, aber verboten, wenn der

Adressat erkennbar widerspricht.

- Widerspruch bei Briefwerbung: individuelle Mitteilung oder Eintrag in „Robinson-

Liste“ beim Deutschen Direktmarketing-Verband

- Widerspruch bei Briefkastenwerbung: Aufkleber („Bitte keine Werbung“). Davon wer-

den nach BGH WRP 2012, 938 aber keine Anzeigenblätter erfasst.

Telefonwerbung (§ 7 II Nr. 2)

• = Werbung mittels individueller, gezielter Anrufe (↔ Werbung mit automatischen Anrufma-

schinen, sie fällt unter § 7 II Nr. 3)

• § 7 Nr. 2 kodifiziert einen Grundsatz, der auf der Rechtsprechung zu § 1 a.F. beruht, grund-

legend BGHZ 54, 188 = GRUR 70, 523 – Telefonwerbung I. Begründung: Störung der Pri-

vatsphäre bzw. der Betriebsabläufe, Summeneffekt durch Nachahmungsgefahr.

• Zum Begriff der Werbung s.o.

­ darunter fällt auch die Nachfragewerbung (Beispiel: BGH GRUR 2008, 925 – FC Tro-

schenreuth, Anfrage, ob Fußballverein einen Werbebanner auf seiner Website platzie-

ren möchte)

­ dabei aber früher besondere Bedeutung der konkludenten Einwilligung (Beispiel: BGH

GRUR 2008, 923 – Faxanfrage im Autohandel, Angabe einer E-Mail-Adresse im Web-

auftritt eines Unternehmens ist normalerweise konkludente Einwilligung in E-Mail-

Anfrage). Problem: Seit der Änderung 2009 muss die Einwilligung ausdrücklich erfol-

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gen. Für Angebotswerbung ist Angabe einer Kontakt-E-Mail sicherlich keine Einwilli-

gung, aber für Nachfragewebung vielleicht doch?

• Wesentliche Bedeutung des § 7 II Nr. 2: Differenzierung zwischen Werbung gegenüber

Verbrauchern (§ 13 BGB) und sonstigen Marktteilnehmern.

• Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ist nur mit Einwilligung zulässig.

- Begriff der Einwilligung ist unionsrechtskonform auszulegen: Art. 4 Nr. 11 DSGVO

- Prinzipien: Die Einwilligung muss (1) freiwillig, (2) für den bestimmten Fall, (3) in in-

formierter Weise und (4) unmissverständlich erfolgen

- Nach § 7 II Nr. 2, 3 muss die Einwilligung ausdrücklich erfolgen, praktisch also z.B.

gegenüber einem Call-Center oder in AGB abgegeben werden.

- Problem 1: Einwilligung in AGB, BGH GRUR 2008, 1010 – Payback: wegen Verstoßes

gegen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung (§ 307 II Nr. 1) nichtig, anders,

wenn offene Wahlmöglichkeit (z.B. Kästchen zum Ankreuzen) gegeben.

- Problem 2: Einwilligung in Werbung durch zahlreiche Partnerunternehmen, die erteilt

werden muss, um an Gewinnspiel teilnehmen zu können, ist mangels Bezugs auf den

konkreten Fall unwirksam (BGH GRUR 2020, 891 – Cookie-Einwilligung II)

- Problem 3: Der Unternehmer muss die Einwilligung nachweisen, die Vorlage seiner ei-

genen Bestätigungs-E-Mail genügt nicht. Hat aber der Verbraucher daraufhin einen

Link aktiviert, muss er beweisen, dass er ursprünglich nicht eingewilligt hat (BGH

GRUR 2011, 936 – Double-opt-in-Verfahren)

• Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden ist auch mit deren mutmaßlicher Einwilli-

gung zulässig.

- Die „mutmaßliche Einwilligung“ entspricht aus zivilrechtlicher Sicht der Rechtfertigung

durch berechtigte GoA (vgl. § 683), Frage daher insbesondere nach objektivem Interes-

se des Adressaten.

- Strenge Beurteilung in der Rspr., insbesondere reichen bloße ständige Geschäftsver-

bindung oder allgemeiner Sachbezug nicht aus, anders bei besonderen Anhaltspunkten

- Zur Abgrenzung: Werbung für Zusatzeintrag in den „gelben Seiten“ bei Anruf, der zur

Datenpflege veranlasst ist, BGH GRUR 2004, 520, 522 – Telefonwerbung für Zusatzein-

trag, gegen Werbung für Eintrag in eine von vielen Internet-Suchmaschinen, BGH

GRUR 2008, 189 – Suchmaschineneintrag.

E-Mail-, Fax-, Voice-Mail- und SMS-Werbung (§ 7 II Nr. 3)

• Früher Beurteilung wie Telefonwerbung (eigentlich sinnvoll). Verschärfung des Verbots im

UWG 2004: mutmaßliche Einwilligung genügt auch bei Gewerbetreibenden nicht mehr. Kri-

tik: Schießt bei E-Mails, die durch Betreff als Werbung erkennbar sind, über das Ziel hinaus.

• „Elektronische Post“ sind auch SMS und Nachrichten innerhalb sozialer Medien

• „Automatische Anrufmaschinen“ umfassen SMS-Werbung, nicht aber werbefinanzierte Te-

lefongespräche oder Warteschleifen-Werbung.

• Spezielle Ausnahme für „elektronische Nachrichten“ (= E-Mail und SMS) in § 7 III: Ein-

willigung wird vermutet, wenn Unternehmer die E-Mail-Adresse des Kunden im Zusam-

menhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat und sie zur Direkt-

werbung für ähnliche Produkte nutzt

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• Sonderproblem: vom Unternehmer vorformulierte Weiterempfehlungen von Produkten per

E-Mail bzw. Einladung zu sozialen Netzwerken, etc. → Unternehmer formuliert im eigenen

Interesse, individueller Nutzer verschickt – Wer ist der Täter?

­ Der individuelle Nutzer handelt meist privat, nimmt also keine geschäftliche Handlung

vor, daher auch Anstiftung durch den Unternehmer (-), weil die Anstiftung eine rechts-

widrige Haupttat voraussetzt.

­ BGH GRUR 2016, 946 – Freunde finden für den Facebook-Freundefinder (ähnlich BGH

GRUR 2013, 1259 – Empfehlungs-E-Mail): werbender Charakter steht im Vordergrund,

Nutzer rechnen die Einladung Facebook, nicht ihrem privaten Freund zu, daher eigene

Täterschaft von Facebook

­ Das kann aber anders sein, wenn nach den Fallumständen der private Charakter im

Vordergrund steht oder aus Empfängersicht die Mail als private Nachricht erscheint →

wenn Täterschaft (-), dann Möglichkeit der Haftung des Unternehmers wegen Verlet-

zung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten, dazu unten. IV

Anonyme Direktwerbung (§ 7 II Nr. 4)

• § 7 II Nr. 4 beruht auf Art. 13 IV der EK-DSRL und soll dem Adressaten die Möglichkeit ver-

schaffen, sich elektronischer Werbung zu widersetzen und Ansprüche gegen den Absender

durchzusetzen.

• Oft ist gleichzeitig § 7 II Nr. 3 erfüllt.

• Nachricht: Legaldefinition in § 2 I Nr. 4, also Individualkommunikation mit elektronischen

Kommunikationsmitteln

• Pflichten des Werbenden:

­ keine Verschleierung der Identität (Nr. 1)

­ Informationspflichten des § 6 TMG (Nr. 2)

­ Angabe einer Adresse für den Widerspruch gegen weitere Werbung (Nr. 3)

cc) Die verbleibenden Fälle des § 7 I

Allgemeine Voraussetzungen des § 7 (vgl. Schema)

• Geschäftliche Handlung, in § 7 I 1 keine Beschränkung auf Werbung, auch wenn regelmäßig

Werbung vorliegt.

• Belästigung = Handlung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer

Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird.

• Bedeutung des Adressatenwillens

- Stärkste Form: Verbot mit Einwilligungsvorbehalt (= Opt-in-Lösung), so § 7 II Nr. 2

für Telefonwerbung gegenüber Privaten und Nr. 3, Einwilligung = Willenserklärung,

mit der Adressat gegenüber dem Werbenden seine Zustimmung erklärt

- Mittlere Form: Möglichkeit der mutmaßlichen Einwilligung (= Soft Opt-in-Lösung),

deren Kriterien im deutschen Recht der berechtigten GoA (§ 683 BGB) entsprechen

- Schwächste Form: Erlaubnis mit Widerspruchsvorbehalt (= Opt-out-Lösung), Adres-

sat muss ausdrücklich widersprechen. Der Widerspruch des Adressaten ist immer be-

achtlich (§ 7 II Nr. 1).

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 66

- Welche Art der Willensäußerung vorausgesetzt ist ergibt sich aus § 7 II oder Richter-

recht.

• Unzumutbarkeit = Abwägung zwischen Interessen des Adressaten und denjenigen des

Werbetreibenden.

Fallgruppen des § 7 I

• Brief- und Briefkastenwerbung, falls demnächst § 7 II Nr. 1 gestrichen werden sollte

• Ansprechen in der Öffentlichkeit: Differenzierung

- Überrumpelungsgefahr ist nur nach § 4a zu beurteilen und angesichts des modernen

Verbraucherleitbilds unerheblich.

- Aber Störung (= Verstoß gegen § 7 I) bleibt, insb. in Anbetracht des Summen- bzw.

Nachahmungseffekts.

- Ausnahme 1: Werbender ist von vornherein als solcher erkennbar und es ist möglich,

ihm auszuweichen.

- Ausnahme 2: Ansprechen bei Jahrmärkten, Messen, innerhalb von Geschäften erlaubt.

- Gegenausnahme: Werbung am Unfallort insgesamt verboten.

• Haustürwerbung = unangekündigter Besuch durch Vertreter / Verkäufer, Beurteilung str.

- Bisherige Rechtsprechung: Grundsätzlich zulässig, sofern Adressat nicht widerspricht

- Beurteilung in der Lit. str. Die Ungleichbehandlung zur Telefonwerbung ist augenfällig.

Fazit der wohl h.L.: grundsätzliches Verbot, da Haustürwerbung ebenso störend, da

Widerspruch durch schriftlichen Hinweis („Betteln und Hausieren verboten“) unzu-

mutbar und da mittlerweile diese Absatzmethode nicht mehr üblich ist.

• Scheibenwischerwerbung: Beurteilung bisher durch BGH nicht geklärt. Nach einem älte-

ren Urteil des OLG Hamm grundsätzlich erlaubt, nach inzwischen h.M. in der Lit. unlauter.

• Zusendung unbestellter Waren

- Regelung in § 241a BGB in Umsetzung der Fernabsatz-Richtlinie.

- Aufforderung zur Bezahlung oder Verwahrung ist unlauter gem. Ziff. 29 der Schwarzen

Liste

- Außerdem Verstoß sowohl gegen § 7 I als auch gegen § 4a, Gründe: Störung, da Über-

legungen zur Rücksendung bzw. Lagerung angestellt werden, Beeinträchtigung der

Entscheidungsfreiheit, weil Verbraucher § 241a BGB vielleicht nicht kennt.

• Belästigungen im Internet und im Zusammenhang mit Telekommunikation

- Ungefragte Umstellung eines Telefonanschlusses auf einen neuen Anbieter („Slam-

ming“)

- Exit-Pop-Up-Fenster, die sich nicht schließen lassen (LG Düsseldorf MMR 2003, 486)

- Überlange Pre- oder Insterstitials?

- Nicht: Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals für Dritte auf durch TK-Unternehmen

bereitgestelltem Router, wenn der Kunde widersprechen kann und der Internet-Zugang

nicht beeinträchtigt wird (BGH GRUR 2019, 750 – WifiSpot)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 67

f) Verbleibende Fälle der Verbrauchergeneralklausel (§ 3 II)?

Lit.: Alexander, WRP 2016, 411

Übungsfall (nach EuGH GRUR 2016, 1180 – Deero-Blanquart/Sony)

Der Jurastudent Justus (J) benötigt einen neuen Laptop. Nachdem er sich eingehend informiert hat, erscheint ihm das Modell XYZ des japanischen Herstellers Tanaka als am besten geeignet. Als er das Gerät im Elektronikmarkt „Orion“ der O-GmbH kaufen möchte, stellt er fest, dass der Laptop dort zum Preis von 500 Euro mit vorinstalliertem Windows-Betriebssystem angeboten wird. J fragt an, welchen Wert Laptop und Software einzeln haben und ob er den Laptop für 400 Euro ohne das Betriebssystem bekommen kann, doch weder wird ihm die erwünschte Auskunft erteilt noch wird sein Angebot angenommen. Weil sich herausstellt, dass in allen vergleichbaren Geschäften der Laptop ebenfalls nicht ohne die Software erhältlich ist, hält J die Praxis für eine unlautere Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit. Zu Recht?

Die Auffangfunktion der Generalklausel

• Fast alle Fälle der Unlauterkeit fallen entweder unter die „schwarze Liste“ oder unter die

Sondertatbestände der §§ 3a-7. Hier liegt auch der Schwerpunkt der Fallbearbeitung

• Aber Erinnerung an oben II, 4: Der Markt ist dynamisch, der Gesetzgeber kann nicht alle

Fälle der Unlauterkeit vorhersehen, so dass ein starrer Normenkatalog (nach straf- oder

steuerrechtlichem Vorbild) unangemessen wäre

• Tipps für die Fallbearbeitung:

­ Erst die „schwarze Liste“ (bei B2C-Fällen) und die §§ 3a-7 prüfen

­ § 3 II oder I nur dann gesondert prüfen, wenn sich der Unlauterkeitsvorwurf auf Aspekte

gründet, die in Anh. zu § 3 III und §§ 3a-7 noch nicht berücksichtigt wurden

­ Praktisch ist in 95 % aller UWG-Fälle eine zusätzliche Prüfung der Generalklausel ent-

behrlich

• Rückgriff auf die Generalklausel nur, wenn die Sondertatbestände keine Sperrwirkung ent-

falten und wenn der Unlauterkeitsgehalt mit den Spezialtatbeständen vergleichbar ist. Bei-

spiel: keine Unlauterkeit durch Vorenthalten unwesentlicher Informationen gem. § 3 II, weil

Generalklauseln des UWG

§ 3 II: Verbrauchergeneraklausel

• Schutz nur von Verbraucherin-teressen

• Schutz nur im B2C-Verhältnis

• Im Anwendungsbereich der UGP-RL abschließend

• Unlauterkeits- und Relevanz-kriterium

§ 3 I: Unternehmergeneraklausel

• Schutz der Interessen von Mitbe-werbern und sonstigen Marktteil-nehmern

• Unerheblich ob B2B- oder B2C-Handlung

• Nur außerhalb der UGP-RL

• Unlauterkeit + Spürbarkeit als ungeschriebene Voraussetzung

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 68

§ 5a II mit der Wesentlichkeitsschwelle zugleich regelt, dass bei unwesentlichen Informatio-

nen kein Verstoß vorliegt

• Zwei Generalklauseln:

­ § 3 II = Verbrauchergeneralklausel, beruht auf Art. 5 II UGP-RL, schützt nur Verbrau-

cherinteressen, besteht aus einem Unlauterkeitskriterium (Verstoß gegen die unterneh-

merische Sorgfalt) und einem Relevanzkriterium (Beeinflussung des wirtschaftlichen

Verhaltens

­ § 3 I = Unternehmergeneralklausel, schützt die Interessen von Mitbewerbern und sons-

tigen Marktteilnehmern

• Abgrenzung

­ § 3 II ist im Anwendungsbereich der UGP-RL abschließend und vorrangig, also für den

Schutz von Verbraucherinteressen im B2C-Verhältnis (Anwendung des § 3 I wäre theore-

tisch in Bereichen denkbar, die von der UGP-RL ausgenommen sind, z.B. Produktsicher-

heit)

­ § 3 I kann außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-RL eingreifen, also zum Schutz

von Mitbewerberinteressen oder zum Schutz gewerblicher Abnehmer und Anbieter (=

sonstiger Marktteilnehmer)

­ Auch in B2C-Fällen kann § 3 I anwendbar sein, wenn es nicht um den Schutz der Ver-

braucher, sondern um den Schutz der Mitbewerber geht

Die Voraussetzungen des § 3 II

• Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1) gegenüber Verbrauchern

• Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt → Standard an Fachkenntnissen und Sorg-

falt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem

Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung

der anständigen Marktgepflogenheiten einhält (§ 2 I Nr. 7)

­ Berücksichtigung dessen, was in der betreffenden Branche üblich ist

­ Aber Vorsicht: übliche Praktiken können auch Unsitten sein, Prüfung also immer, ob die

Praxis Treu und Glauben entspricht und anständig ist

­ Dabei erhebliche Bedeutung der Interessenabwägung

• Eignung zur wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens → die Vornah-

me einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte

Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer

geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 2 I

Nr. 8)

­ Also regelmäßig kein Schutz nicht marktbezogener Interessen unter § 3 II, Beispiel: Ver-

kauf von im Ausland durch Kinderarbeit hergestellten Produkten mag den „anständigen

Gepflogenheiten“ widersprechen, beeinflusst aber das wirtschaftliche Verhalten des

Verbrauchers nicht, wenn er weder irregeführt wurde (§ 5) noch ihm wesentliche Infor-

mationen vorenthalten wurden (§ 5a).

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 69

Anwendungsfälle des § 3 II?

• Wenn die Entscheidungsgrundlage stimmt (§§ 5, 5a) und keine aggressive Handlung vor-

liegt (§ 4a) ist schwer zu erkennen, wie das wirtschaftliche Verhalten beeinflusst werden

soll.

• Kategorie 1: § 3 II als Auffangtatbestand bei enger Auslegung der Voraussetzungen des §

4a, z.B. des Ausnutzens einer „Machtposition“ oder der „informierten Entscheidung“. M.E.

ist eine weitere Auslegung des § 4a vorzuziehen – die Beeinflussung des wirtschaftlichen

Verhaltens muss ohnehin in beiden Fällen geprüft werden.

• Kategorie 2: Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit Minderjähriger, wenn man § 4a

II 2 für unionsrechtswidrig hält. Ist er m.E. aber nicht. Die Ausnutzung der Unerfahrenheit

geschieht immer durch Irreführung oder unzulässige Beeinflussung. Wenn keins von bei-

den (unter Berücksichtigung des § 3 IV) vorliegt, ist schwer ersichtlich, woraus sich die Un-

lauterkeit ergeben soll.

• Kategorie 3: Kopplung von Angeboten ohne Fehlinformation oder Nötigung? Vgl. den

Übungsfall

• Kategorie 4: Die Rspr. hat gelegentlich die Haftung der Intermediäre wegen der Verletzung

von Verkehrspflichten (z.B. Haftung von eBay für irreführende Angaben eines individuellen

Verkäufers) unter § 3 II bzw. I in unmittelbarer Anwendung. Ich halte das für falsch. Näher

dazu unter IV 1 a.

• Fazit: Mir fällt es schwer, einen Fall zu finden, in dem § 3 II „pur“ eingreift.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 70

2. Schutz der Mitbewerber

a) Überblick und unionsrechtlicher Rahmen

Mitbewerberinteressen im Überblick

• Während das UWG im Vertikalverhältnis Entscheidungsgrundlage und -freiheit, also die

Rationalität des Nachfrageverhaltens schützt, geht es beim Mitbewerberschutz darum,

dass die Marktstellung des Unternehmers und seine Handlungsfreiheit auf dem Markt

nicht durch unlauteres Verhalten der Mitbewerber beeinträchtigt werden

• Drei zentrale Mitbewerberinteressen:

­ Schutz des guten Rufs gegen Schädigung und Ausbeutung (§§ 6, 4 Nr. 1, 2)

­ Schutz der immateriellen Werte gegen unbefugte Übernahme (§ 4 Nr. 3, bisher auch

§§ 17, 18)

­ Schutz der Handlungsfreiheit vor Behinderung (§ 4 Nr. 4)

• Dabei allerdings erhebliches Überschneidungspotential mit benachbarten Rechtsgebieten.

Die Abgrenzung ist nicht immer leicht, im Zweifel sind beide Gebiete zu prüfen.

­ Schutz des guten Rufs durch das zivilrechtliche Äußerungsrecht: allgemeines Persön-

lichkeitsrecht (§ 823 I BGB) und Tatbestand der Kreditschädigung → Das UWG schützt

gerade das wirtschaftliche Interesse am Erhalt der Marktposition und setzt eine ge-

schäftliche Handlung voraus, das BGB schützt in erster Linie den Geltungsanspruch

der Person und setzt keine geschäftliche Handlung voraus

­ Schutz von Immaterialgütern durch das geistige Eigentum und künfrig das Geschäfts-

geheimnisG → Das Immaterialgüterrecht verbietet die unbefugte Nutzung (z.B. des

Werks, der Erfindung) als solche, das UWG verlangt zusätzliche Unlauterkeitsmerkma-

le, z.B. eine Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3a)

­ Schutz der Wettbewerbsfreiheit durch den kartellrechtlichen Missbrauchstatbestand

(Art. 102 AEUV, §§ 19, 20 GWB) → das Kartellrecht setzt bei der marktbeherrschenden

Stellung an, für den Missbrauch sind die Marktauswirkungen von zentraler Bedeutung

Interessen der Mitbewerber

Schutz des guten Rufs gegen Schä-digung und Aus-

beutung (§§ 6, 4 Nr. 1, 2)

Schutz immateri-eller Werte (§ 4 Nr. 3)

Schutz der Hand-lungsfreiheit (§ 4 Nr. 4)

Sicherung glei-cher Bedingun-

gen für alle? (§ 3a, auch § 8

III)

Äußerungsrecht des BGB (§§ 823

I, 824 BGB)

Geistiges Eigen-tum, Schutz von

Geschäftsge-heimnissen

Kartellrecht: Missbrauch einer

marktbeherr-schenden Stel-

lung

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 71

• Näher zur Abgrenzung bei den einzelnen Tatbeständen. Allgemeine Regel: Wertungs-

gleichklang – Grenzen der Nachbargebiete dürfen nicht durch das UWG unterlaufen wer-

den.

• Schutz des Interesses an gleichen Bedingungen auf dem Markt (par conditio concurrenti-

um), also gegen Rechtsverletzungen durch Mitbewerber?

­ Die Aktivlegitimation des § 8 III Nr. 1 beruht auf dieser Idee: Selbst wenn unmittelbar

nur Verbraucherinteressen beeinträchtigt werden, sind mittelbar auch die Mitbewerber

betroffen. Daher Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers M, wenn Unternehmer U

den Verbraucher V irreführt

­ Rechtsbruchtatbestand des § 3a, aber Vorsicht: eine allgemeine Rechtmäßigkeitskon-

trolle würde das UWG überdehnen. Beispiel: Steuerhinterziehung fällt nicht unter das

UWG, obwohl sie dem Täter einen ungerechtfertigten Vorsprung verschafft. Näher da-

zu unter § 3a.

Unionsrechtlicher Rahmen

• Anders als beim Verbraucherschutz keine vollständige Harmonisierung

• Die UGP-RL schützt unmittelbar nur Verbraucherinteressen, auch wenn damit mittelbar

auch Mitbewerberinteressen geschützt sein können (Egrd. 8)

• Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung von 1984/2007, inzwischen RL

2006/114/EG (WerbeRL)

­ Verbot der irreführenden Werbung (Art. 3 WerbeRL), setzt nur Mindeststandard und

schützt nicht Mitbewerber, sondern gewerbliche Abnehmer

­ Regelung der vergleichenden Werbung (Art. 4 WerbeRL), schützt den guten Ruf gegen

Angriffe von Mitbewerbern

• Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

• Weitgehende Harmonisierung des Immaterialgüter- und Kartellrechts

• Die zentralen Tatbestände des Mitbewerberschutzes in § 4 beruhen aber nicht auf Unions-

recht.

Verhältnis Mitbewerber- / Verbraucherschutz

• Monistischer Ansatz des deutschen UWG: ein Gesetz zum Schutz der Interessen aller

Marktteilnehmer (dagegen Dualismus in vielen anderen EU-Staaten)

• Keine klare Trennung unter § 1 UWG 1909, auch beim Verbraucherschutz stand oft der

ungerechtfertigte Vorsprung des unlauteren Mitbewerbers im Vordergrund

• Inzwischen deutlichere Trennung:

­ §§ 4a-5a, 3 II, III dienen unmittelbar nur dem Schutz der Abnehmer

­ § 4 dient nur dem Mitbewerberschutz

­ Einordnung der §§ 6, 7 nicht ganz klar, aber in § 7 geht es in erster Linie um den Ab-

nehmer-, in § 6 in erster Linie um den Mitbewerberschutz.

• Prinzip der Doppelkontrolle: eine Handlung kann Mitbewerber- und Verbraucherinteres-

sen verletzen, daher parallele Prüfung der §§ 4a-5a und des § 4. Beispiel: Verkauf eines

nachgeahmten Produkts unter Täuschung über die betriebliche Herkunft: § 4 Nr. 3a und §

5 I 2 Nr. 1, II

• Die Unterscheidung B2B / B2C fällt nicht mit der Unterscheidung Mitbewerber-/ Verbrau-

cherschutz zusammen. Viele Fälle des Mitbewerberschutzes betreffen Handlungen ge-

genüber Verbrauchern, die aber Mitbewerberinteressen schädigen. Beispiel: Beleidigung

(§ 4 Nr.1) eines Mitbewerbers in der Verbraucherwerbung

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 72

b) Vergleichende Werbung (§ 6 UWG)

Lit.: Jänich, § 13; Alexander, § 17; Köhler, GRUR 2013, 761; Ohly, Trademark Law and Adlvertising Law in the European Union: Conflicts and Convergence, in Calbo-li/Ginsburg (Hrsg.), The Cambridge Handbook of International and Comparative Trademark Law (2020), S. 323, 331 ff. (wird bei den Materialien bereitgestellt)

Übungsfall

Die Nordseeinsel S erreicht man als entweder mit dem Zug (über einen Damm) oder mit einer Fähre. Beide transportieren auch Autos. Der Betreiber der Fähre wirbt mit dem Slogan „See-luft statt Zugluft“. Zulässig?

aa) Grundlagen

Interessenlage und Lösungsmöglichkeiten

• Bei der vergleichenden Werbung zeigt sich ein für das Lauterkeitsrecht typisches Interes-

sendreieck.

• Interessenlage:

- Für den Werbenden kann der Vergleich nützlich sein, um ein weniger bekanntes Pro-

dukt zum Marktführer in Beziehung zu setzen. Gefahr aber, dass der Mitbewerber zu-

rückschlägt.

- Ein Werbevergleich beeinträchtigt regelmäßig die Interessen des Mitbewerbers: Der

kritisierende Vergleich schädigt seinen Ruf, der anlehnende Vergleich beutet seinen

Ruf aus.

- Aus Verbrauchersicht ist der zutreffende, informative Vergleich nützlich, der irrefüh-

rende Vergleich schädlich, der nichtssagende Vergleich neutral.

- Ähnlich aus Sicht der Allgemeinheit: Der zutreffende, informative Vergleich erhöht

die Markttransparenz, der irreführende vergleich verzerrt den Wettbewerb.

• Lösungsmöglichkeiten:

- Vergleichende Werbung ist grundsätzlich verboten, denn der Vergleich ist unzuver-

lässig („Niemand kann Richter in eigener Sache sein“) und benutzt den Mitbewerber

als Vorspann für die eigene Werbung (so die deutsche Rechtsprechung vor 1997,

grundlegend RG GRUR 1931, 1299 – Hellegold)

- Vergleichende Werbung ist grundsätzlich erlaubt, solange sie nicht irreführt (so das

US-Recht, z.B. Pizza Hut v Papa Johns International, 227 F 3d 489, 56 USPQ 2d 1246

(5th Cir., 2000)

- Vergleichende Werbung muss einem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen. Sie ist er-

laubt, wenn sie (1) dem Verbraucher nützliche Informationen bietet und (2) nicht

stärker in die Interessen des Mitbewerbers eingreift als zur Verbraucherinformation

nötig (so die Lösung der EG-Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung

2006/114/EG, die § 6 UWG zugrunde liegt).

Unionsrechtlicher Rahmen

• Richtlinie 97/55/EG, formal als Ergänzung der Richtlinie über irreführende Werbung von

1984, inzwischen kodifiziert als Richtlinie 2006/114/EG (WerbeRL)

• Einfügung des jetzigen § 6 UWG als § 2 a.F. im Jahre 2000, § 6 ist richtlinienkonform

auszulegen. Probleme:

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 73

- Keine Umsetzung des Art. 4 lit. a WerbeRL (irreführende vergleichende Werbung),

nur Verweis auf allgemeine Grundsätze in § 5 III. Beispiel: Vergleich zwischen Flug-

preisen von und nach Frankfurt kann irreführend sein (§§ 5 I, III), wenn er sich auf ei-

nen 120 km entfernten Flughafen bezieht (OLG Hamburg VuR 2003, 106, 107 – Frank-

furt-Hahn). Bisher ungeklärt: Reichweite von Informationspflichten unter § 5a (auf den

§ 5 III richtlinienkonform zu beziehen ist), näher hierzu Köhler, GRUR 2013, 761 ff.

Daher bei irreführenden Angaben über Produkt A, B oder eine irreführende Gegen-

überstellung nur § 5 prüfen (und § 5 III zitieren)!

- Doppelte Regelung der Herabsetzung in § 6 II Nr. 4 und 5

- Keine Umsetzung des (ärgerlichen) Art. 4 lit. e („Champagner-Klausel“)

bb) Definition der vergleichenden Werbung (§ 6 I UWG)

Werbung, die einen Mitbewerber oder seine Produkte erkennbar macht

• Werbung = Äußerung zur Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen (Art.

2 lit. a WerbeRL, enger als Begriff der geschäftlichen Handlung in § 2 I Nr. 1)

- Äußerungen gegenüber einzelnen Abnehmern (z.B. gegenüber Kunden im Laden) er-

fasst

- Neutrale Warenvergleiche (z.B. durch Stiftung Warentest) sind keine Werbung, fallen

aber unter § 6 I, wenn sie vom Testsieger in die eigene Werbung eingebunden wer-

den.

- Vergleiche in den Medien („Die besten Anwälte“ etc.) sind keine Werbung (BGH

GRUR 2006, 875, Rn. 22 f. – Rechsanwaltsranglisten)

• Mitbewerber: konkretes Wettbewerbsverhältnis erforderlich

- Definition des § 2 I Nr. 3 nicht unmittelbar anwendbar, da § 6 I im Gegensatz zu § 2 I

Nr. 3 auf Unionsrecht beruht, daher vor allem keine Anwendung der „Wechselwir-

kungsformel“: Handlung, die dem einen einen Vorteil, dem anderen einen Nachteil

bringt

- EuGH, Rs. C-381/05, GRUR 2007, 511 – De Landtsheer/CIVC: erforderlich ist ein ge-

wisser Grad an Substituierbarkeit der angebotenen Waren, dabei sind Merkmale und

Image der Ware, der augenblickliche Marktzustand und Entwicklungsmöglichkeiten

(älteres Beispiel: BGH GRUR 1972, 553 – Statt Blumen Onko Kaffee) zu berücksichti-

gen

- Werbung mit Angaben Dritter: Wettbewerbsverhältnis (+), wenn Dritter nicht Mitbe-

werber ist, Werbender sich dessen Äußerungen aber zu eigen macht, Beispiel: Wer-

bung mit Testergebnissen. Gleiche Handelsstufe ist nicht Voraussetzung, Beispiel:

BMW-Vertragshändler vergleicht BMW und Mercedes, § 6 I (+).

- Werbung durch Dritte, zB durch eine Verkäuferin, die gegenüber Kunden Produkte

verschiedener Hersteller vergleicht? Mitbewerbereigenschaft (-), wenn unvoreinge-

nommen verglichen wird und der Dritte eine neutrale Position einnimmt, aber (+),

wenn der Dritte ein bestimmtes Produkt bevorzugt (zB aus Provisionsinteresse). Nach

diesen Grundsätzen lässt sich auch beurteilen, ob Internet-Plattformen vergleichende

Werbung betreiben.

• Unmittelbare Erkennbarkeit (+), wenn Mitbewerber oder seine Produkte namentlich ge-

nannt werden.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 74

• Mittelbare Erkennbarkeit, wenn angesprochene Verkehrskreise auf Identität des bzw. der

Mitbewerber schließen können

- Anspielung auf Namen, typisches Erscheinungsbild der Produkte, Werbeslogans (zB

„Schraubst du noch oder lebst du schon“)

- Bezugnahme auf eine Gruppe von Mitbewerbern fällt dann unter § 6 I, wenn darin

zugleich Bezugnahme auf bestimmtes Unternehmen liegt (EuGH, De Landts-

heer/CIVC, s.o.), dabei Bedeutung der Marktstruktur: Je kleiner die Zahl der Mitbe-

werber, desto eher mittelbare Bezugnahme, regelmäßig (+) bei oligopolistischen

Märkten. Beispiel: BGH GRUR 1987, 40 – Cola-Test. Gegenbeispiel: Vergleich mit al-

len Gebrauchtwagenhändlern von München.

Weitere Voraussetzungen?

• Erfordernis eines Vergleichs?

- Problem: nach Wortlaut des § 6 I genügt die bloße Identifizierung, z.B. in reiner Kritik

ohne Vergleich („Konkurrent B verletzt das Patent von X“) bei Ortsangabe („Unser

Geschäft befindet sich gegenüber von Karstadt“) oder sogar bei einem Produktplagi-

at.

- Wortlaut des § 6 II („wer vergleichend wirbt“) hat keine Parallele in der Richtlinie.

- EuGH Rs. C-112/99 = GRUR 2002, 354 – Toshiba/Katun: Bezugnahme eines Ersatzteil-

lieferanten auf OEM-Nummern des Originalherstellers ist vergleichende Werbung,

unklar ist aber, ob das der Fall ist, weil inzident ein Vergleich enthalten ist („und un-

sere Produkte sind ebenso tauglich für Toshiba-Geräte wie die Originalersatzteile“)

- BGH GRUR 2002, 75 – Coaching-Newsletter: Herabsetzung eines Mitbewerbers ohne

erkennbare Gegenüberstellung mit dem eigenen Angebot fällt nicht unter § 6, son-

dern nur unter § 4 Nr. 7

- Nach (umstrittener) Ansicht des BGH muss sich der Vergleich direkt aus der Wer-

bung, nicht erst aus den Begleitumständen ergeben.

- Fall zur Diskussion: Anzeige von Konkurrenzprodukten bei Amazon im Fall der Suche

nach Produkten einer bestimmten Marke (BGH GRUR 2018, 924 – ORTLIEB)

• Wird der rein personen- bzw. unternehmensbezogene Vergleich erfasst? Dafür spricht §

6 I, dagegen aber § 6 II Nr. 1, da in diesem Falle jede nicht produktbezogene Werbung per

se verboten wäre. Lösung: (1) Oft enthält der unternehmensbezogene Vergleich inzident

auch einen Produktvergleich (Ein schlechter Bäcker backt schlechte Brötchen). (2) Im Üb-

rigen § 6 I (+), aber teleologische Reduktion des § 6 II Nr. 1, 2: entsprechende Anwendung

der Kriterien des § 6 II auf unternehmensbezogene Vergleiche (str.).

cc) Zulässigkeitskriterien (§ 6 II UWG)

Allgemeines

• Die Kriterien des § 6 II sind kumulativ einzuhalten – der Verstoß gegen auch nur eines der

Kriterien führt zur Unlauterkeit i.S.d. § 3 I

• § 6 II ist Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgebots: Werbevergleiche dürfen im Inte-

resse der Markttransparenz die Interessen der Mitbewerber beeinträchtigen, aber nur so-

weit sie (a) geeignet, (b) erforderlich und (c) angemessen zur Verbraucherinformation

sind.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 75

Ausprägungen des Gebots objektiver und informativer Werbevergleiche

• § 6 beruht auf der Annahme, dass nur der objektive und informative Werbevergleich zuläs-

sig sein soll (Idealbild: „Stiftung Warentest“!). Hintergrund: Rein subjektive Vergleiche

sind zur Verbraucherinformation nicht geeignet.

• § 6 II Nr. 1: Vergleich muss sich auf Produkte beziehen, die den gleichen Bedarf decken

oder die gleiche Zweckbestimmung aufweisen. Es muss sich nicht um gleiche Produkte

handelt, entscheidend ist die individuell-konkrete Substituierbarkeit aus Verbrauchersicht

(EuGH aaO – De Landtsheer/CIVC)).

Zulässig daher etwa:

- Vergleich zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt (EuGH GRUR 2003, 533 –

Pippig Augenoptik/Hartlauer)

- Preisvergleich zweier Warensortimente (EuGH, Rs. C-356/04, GRUR 2007, 69 –

LIDL/Colruyt und EuGH, Rs. C-159/09, GRUR 2011, 159 – Lidl/Vierzon)

- Vergleich zwischen zwei 120 km auseinander liegenden Flughäfen (OLG Hamburg

VuR 2003, 106, 107 – Frankfurt-Hahn), sofern der Vergleich nicht irreführt (§ 5)

• § 6 II Nr. 2: Werbung muss objektiv eine oder mehrere wesentliche, relevante, nach-

prüfbare und typische Eigenschaften vergleichen.

- ausdrückliche Erlaubnis des Preisvergleichs

- Weites Verständnis des Begriffs „Eigenschaft“: alles, was dem Verbraucher nützliche

Informationen vermitteln kann

- Kriterium der Objektivität und Nachprüfbarkeit führt zu weitgehendem Ausschluss

des Image-Vergleichs (wie etwa in der US-Werbung für Pepsi Cola)

- Wesentlichkeit bestimmt sich aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise. Bei

Nachfrage durch einen individuellen Verbraucher kann ein objektiv unwesentliches

Merkmal wesentlich werden.

- Nachprüfbarkeit durch den angesprochenen Verbraucher nicht erforderlich, dem

Verbraucher muss aber, soweit möglich, die Nachprüfung ermöglicht werden, Bei-

spiel (EuGH, Rs. C-356/04 – Lidl/Colruyt): Werbung mit niedrigerem Preisniveau als in

Konkurrenzunternehmen ist auch ohne genaue Angabe der verglichenen Produkte zu-

lässig, Preise der verglichenen Produkte müssen aber auf Anfrage zur Verfügung ge-

stellt werden.

• § 6 II Nr. 3: Der Vergleich darf keine Verwechslungsgefahr hervorrufen

- Kann vor allem beim anlehnenden Vergleich („… so gut wie Chanel No. 5“) vorkom-

men.

- In diesem Fall liegt zugleich eine Markenverletzung vor (EuGH, Rs. C-533/06, GRUR

2008, 698 – O2/Hutchison 3G)

- Eigentlich bereits durch § 5 II erfasst – ebenso wie beim irreführenden Vergleich hät-

te der deutsche Gesetzgeber von einer Regelung in § 6 II absehen können.

Ausprägungen des Gebots möglichster Schonung des Mitbewerbers

• (Fast) jeder Werbevergleich beeinträchtigt die Interessen des identifizierten Mitbewerbers.

Das hat dieser hinzunehmen, soweit seine Interessen nicht stärker beeinträchtigt werden,

als zur Verbraucherinformation erforderlich (Verhältnismäßigkeitsprinzip).

• § 6 II Nr. 4, 1. Alt.: Verbot der unlauteren Rufusnutzung

Page 181: Gliederung - LMU

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 76

- Gegenstand = Kennzeichen, nicht nur Kennzeichen i.S.d. MarkenG, sondern jedes

Zeichen, dass Verbraucher als von einem Unternehmen stammend identifizieren, Bei-

spiel (BGH GRUR 2011, 1158 – Teddybär): Teddybären, Badeentchen oder Sonnen-

schirme, die Tonerpatronen als zu einem bestimmten Drucker gehörig identifizieren

- Ausnutzung = Imagetransfer (BGH), Übertragung des guten Rufs vom Vergleichsob-

jekt auf das beworbene Produkt

- Dagegen verwendet der EuGH dieselbe (m.e. ungenauere) Formel wie unter § 14 II

Nr. 3 MarkenG, dort bedeutet Rufausbeutung den Versuch „sich in den Bereich der

Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und

ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne da-

für eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen

des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke

auszunutzen“ (EuGH, Rs. C-487/07, GRUR 2009, 756, Rn. 49 – L’Oréal/Bellure)

- Nicht jede Rufausnutzung ist unlauter, denn jede anlehnende Gegenüberstellung

nutzt in gewisser Weise den Ruf eines fremden Kennzeichens aus. Daher zusätzliche

Prüfung, ob die Rufausnutzung unlauter ist.

- Nr. 4 ist Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips: unlautere Ausbeutung nur,

wenn Anlehnung bzw. Schädigung über das zur Information erforderliche Maß hin-

ausgeht.

- Beispiel 1 (EuGH, Rs. C-59/05, GRUR 2006, 345 – Siemens/VIPA): teilweise Über-

nahme der OEM-Bestellnummern zulässig, weil sie den Abnehmern die Identifikation

passender Teile erleichtert, aber nur, sofern die Übernahme beim OEM-Hersteller

nicht zum Verlust eines Kennzeichenrechts führt.

- Beispiel 2 (BGH GRUR 2011, 1158 – Teddybär): Übernahme einer aus Teddybären,

Badeentchen oder Sonnenschirmen bestehenden Kennzeichnung ist zulässig, weil die

Richtlinie (anders als das Markenrecht) nicht die Verwässerung verbietet und weil die

Zeichen als Hinweis auf die Zubehöreigenschaft der Toner verwendet wird.

- Beispiel 3 (BGH GRUR 2015, 136 – Staubsaugerbeutel im Internet): Anzeige ver-

gleichbarer Staubsaugerbeutel mit dem Hinweis „ähnlich wie Swirl“ in der Suchma-

schine eines Online-Shops als Ergebnis für Suche nach „Swirl“ ist keine Rufausbeu-

tung

- Die Richtlinie enthält zusätzlich die Vorgabe, dass Produkte mit Ursprungsangabe nur

untereinander verglichen werden dürfen. Diese „Champagner-Klausel“ wurde vom

deutschen Gesetzgeber nicht umgesetzt, ist aber bei richtlinienkonformer Auslegung

anzuwenden, am ehesten durch entsprechende Auslegung des § 6 II Nr. 4. Restriktive

Auslegung in EuGH aaO – De Landtsheer/CIVC: Vergleich zwischen Bier und Cham-

pagner zulässig, weil das Bier gar keine Ursprungsangabe aufweist.

• § 6 II Nr. 4, 2. Alt.: Verbot der unlauteren Beeinträchtigung des Rufs eines Kennzeichens

­ Problem: in der WerbeRL gibt es nur Art. 4 lit. d, der § 6 II Nr. 5 entspricht – Herabset-

zung oder Verunglimpfung von Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten und

Verhältnissen eines Mitbewerbers

­ Daher richtlinienkonforme Auslegung des § 6 II Nr. 4, 2. Alt.: erforderlich ist immer ei-

ne Herabsetzung oder Verunglimpfung, eine bloße Verwässerung (wie unter § 14 II Nr.

3 MarkenG reicht nicht (BGH GRUR 2011, 1158, Rn. 21 – Teddybär)

­ Damit läuft § 6 II Nr. 4, 2. Alt. weitgehend mit Nr. 5 parallel, oft sind beide nebenei-

nander anwendbar

Page 182: Gliederung - LMU

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 77

­ Auch hier ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip wichtig, s. unten, § 6 II Nr. 5

• § 6 II Nr. 5: Schutz des guten Rufes des Mitbewerbers

­ § 6 II Nr. 5 hat Vorrang vor dem ähnlichen § 4 Nr. 1 UWG, weil § 5 auf Unionsrecht be-

ruht.

­ Auch hier ist nur eine Rufschädigung unlauter, die über das erforderliche Maß hinaus-

geht (Verhältnismäßigkeitsprinzip)

­ Humor und Satire sind auch auf Kosten eines Konkurrenten zulässig (vgl. Art. 11

EUGRCh., Art. 5 I GG), wenn sie auf einem zutreffenden Tatsachenkern beruhen und

den Betroffenen nicht unverhältnismäßig verletzen. Beispiel (BGH GRUR 2010, 161 –

Gib mal Zeitung): humorvoller Spott der TAZ über die Bildzeitung ist hinnehmbar,

wenn die Aussagen deutlich als humoristisch überzeichnet erkennbar sind (ebenso zu-

letzt BGH GRUR 2019, 631 – Das beste Netz).

• § 6 II Nr. 6: Verbot der Imitationswerbung

- Problem 1: Muss das nachahmende Produkt ausdrücklich als „Imitation“ bezeichnet

werden oder genügt es, wenn der Verbraucher es als Imitation erkennt? EuGH, Rs. C-

487/07, GRUR 2009, 756 – L’Oréal/Bellure: ausdrücklicher Hinweis auf Nachahmung

einer Eigenschaft (z.B. Duft) genügt. BGH GRUR 2011, 1153 – Creation Lamis: Um-

stände außerhalb der Werbung und außerhalb des präsenten Wissens der Werbead-

ressaten genügen nicht.

- Problem 2 = rechtspolitisches Problem: Entweder verbieten das geistige Eigentum

oder § 4 Nr. 3 UWG die Imitation, oder die Werbung sollte erlaubt sein, vertiefend

Kur/Bently/Ohly, Sweet Smells and a Sour Taste (im Internet unter

http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1492032)

Rechtsfolgen (Überblick)

• Aktivlegitimation wie in § 8 III geregelt oder Beschränkung auf den betroffenen Mitbewer-

ber (teleologische Reduktion des § 8 III)? Für normale Anwendung des § 8 III BGH GRUR

2011, 1153 – Creation Lamis. Dagegen: Weil der irreführende Vergleich nach § 5 beurteilt

wird, dient § 6 II nur dem Schutz der Mitbewerber. Deshalb sollte wie bei § 4 die An-

spruchsberechtigung teleologisch reduziert werden.

• Die Benutzung einer Marke in vergleichender Werbung kann markenmäßige Benutzung

sein und die Marke verletzten, wenn der Vergleich gem. § 6 II unzulässig ist. (so inzwi-

schen ausdrücklich § 14 III Nr. 7 MarkenG). Allerdings müssen die normalen Vorausset-

zungen der Markenverletzung vorliegen. Daraus folgt e contrario, dass die Verwendung in

zulässiger vergleichender Werbung keine Verletzung ist.

Page 183: Gliederung - LMU

TW

19

Trademark Law and Aclvertising Law in the European UnionConflicts ancl Convergence

Ansgar Ohly"

I TRADE\4ARK LAW AND UNFAIR COMPETITION LAW IN THE EUROPEAN

UNION: A.IALE OF TWO REALMS

Traclemark law ancl unfair corrpetition lar.v share comnlorl pur?oses. Causing a likelihood of

confusion rvith another trader's n'rark is tlie classical and q'pical case of trademark infringenent.

At the same tin-ie, creating corrfnsior-r is one of the examples of unfair competition listed

in Article roåis of tl-re Paris Convention for the Protection of Inclustrial Property (Paris Conven-

tion). Irr recent decades, tradenark law has extendecl beyond this core area. In both the United

States ancl the European Union, rvell-knor,vn nrarks are now protected against dilution, and in

the EU well-knor.vn marks are also protected against n'risappropriation. Before tradenark law

enterecl this field, protection against denigration ancl n'risappropriation was mainly provided via

unfair competition law, although national larrys cliffer in this respect, particuìarly as regards

nisappropriation. It thus comes as no snrprise that US law considers both fields of law as closell,

related.' They both protect traders and consumers, and the Lanham Act not or-rly protects

registerecl traclemarks l¡ut also prohibits misleading advertising and acts rvhich are likel1'to cause

cor¡ft¡sion.'Son-re of the leading treatises cover botl-r traclen'iark and unfair competition la'"v.3

In the EU, there is a wider gulf betr,veen both fields of law. There are four reasons for tliis. First,

the law of registered trademarks has been full1, l1¿¡n-rortised, rvhereas unfail competition lail,

renainecl almost entirely cìomestic until ihe turn of the miÌlennium. Wrile tlie Unfair Comuer-

cial Practices Directive of zoo5 (UCPD)4 hamonised national provisions on ttnfair practices in

relations behveen businesses and consuners (BzC), and while the Directive on lVlisleacling ancl

Conrparative Acivertising of ryg7, re-enacted in zoo6 (MCAD),5 introduced comn'ron European

provisions or-r comparative advertising, significant areas of substantive law and ren'redies against

o Professor of Prir¡ate Larv, Intcìlechral Propcrg and Competition Laq, at the Luch.vig Maximilian Unir¡e rsig of Munich,

Visiting Prolcssor ¿t the Unive¡sity of Oxford.

' See Chapter zo by Rcbecca Tushnct in this volume.

' r5 USC $ nz5(a)þ) (zotz).r Søø J. Trrovls McC,qvlrry, IVIcC¡m'r'ry oN Trlqu¡:rvl¡Rrs ¡No UNr¡rt CortPEl'IrIoN (5th ccl. zorT); Louts Arrlt¡N &

M,tt-r-¡ Porr¿cr, c¡llu¡NN oN uXn¡rn covr,¡tt.rroN, Tn¡lr¡:l.r¡nxs ¡uo Moxopolrris (zot6).

+ l)i¡ective zoo5/zgß,C of thc ììuropean Parliament an<'l of thc CounciÌ of May l, zoo5 concerning unf¿lir business-to-

cor'rsqlllcr co¡1mcrci;.rl practiccs in tl.re internal nrarkct ¿tû(l an-rencìing Cor-rnciì l)irective 8,y'a5oÆliC, Dircctives 9717/

F.C, g|lzTlF,C and zoozl65lùC of the Europear.r Parliament ancl of ihe Council and Regulatìon (EC) No. zoo6lzoo4 of

tlre Errropean P¿rli¿rment ancl of the Council, zoo5 Oj (L 49) zz.

5 Directive zoo6ÂrliC ol the liuropean Parliame r¡t ancl of tlic Council of Dec. rz, zoo6 concerning misleadirrg ancì

corrrparattive advcrtising, zoo6 O| (L 376) *

32)

Page 184: Gliederung - LMU

)'"t Ansgar Ohþ

unfair cornmercial practices remain unharmonised. Tl"re links betureen trademark law and unfair

competition law were not least severed because the Court of )ustice of the European Union

(CJEU), in its role as chief interpreter of EU law, shaped an autonomous European trademark

policy, whereas the national approaches to unfair competition law in general and to misleading

pru.ti"., in particular still differ considerably.6 Second, this difference is mirrored by instihrtional

co*pete¡rces in the EU. While trademark law, as a part of intellectual property law, falls withirr

the åompete¡ce of the Directorate-General GROW (Internal Nlarket, Industry, Entrepreneur-

ship and SMEs), the UCPD follows the logic of BU consumer protection law, which, in the

Euiopea., Commission, is administered by the Directorate-General JUST ()ustice and Con-

,,,r-r-r.r9. Third, BU traclemark law has, for better or worse, gone through â Process of "emanci-

pation and expansion."T EU trademark law has developed into a full intellectual properly right.

This has impacted the scope of trademark rights as well as rernedies. Consumer protection is

advanced as a purpose of tradernark law to a lesser extent in the EU than in the United States.

Some continental European jurisdictions have a long tradition of protecting goodwill against

misappropriation, whereas the economic analysis of the law, in particular the search cost

,atiorrale, has only recently received attention in Europe. Fourth, one in'rportant connection

between both areas, narnely provisions which protect traders against passing off, is missing in EU

law. Despite some similarities in principle, there are significant differences in detail between the

.o*n1o¡, law tort of passing off, the French notion of "confusion" and the German tort of causing

confusion by sale of inlitatecl articles.s

This c¡apter will give an outline of how EU trademark law and unfair competition law have

cleveloped åt'rd llot this development has, at first, led to an estrangement behveen both areas

(Section II). But it will also try to show that there l-ras been a significant recent trend towards

ào.,u.rg.rr".. Analysis of trademark confusion has arguably becorne less formal and more

context-sensitive and has, hence, adopted some characteristics of unfair competition method-

ology (section III). Comparative advertising is governed by the MCAD, which set out to

liberalise the law of co¡-rparative aclvertising. But for reasons explored below, this attempt

backfired, and the MCAD became unduly protective of the reputation of luxury goods' The

directive has had a strong impact on trademark law, such that both areas of law have converged

in this respect (Section IV).

II THE PIONEER AND THE LATECOMER OF HARMONISATION

Trademark law is one of the pioneers of European harmonisation. The Trade Mark Directive

of rg3g,e meanwhile newly enacted in zor5 (TMD),'" is the first directive which harmonised

subítantial parts of intelleciual property law; tl-re Community Trade Mark Regulation of 1993,"

6 8.g., Case C.6 6t/¡,MartinY PazDiffusíonSAv.Deþuydt,zor3 ECR I-577, $$_54-62, where defendant was preventecl

froï relying on national doct¡ines of unfair compctition against cìaim for trademark infringement.

7 As Andreas Sattler shows in his historicaì analysii. See generally, ANonnm Sarrlrn, þlr,reNzrp¡tIoN UN¡ BXpeNStO¡¡

uts MenxeNnr:cHls (zor5).t i*¡".grtOlr.ly,'t'he'Freíâo oflmitationandltsLinlits-A\uroþeanPersþective,4rlNr'rRnv.orlNt¿I-t.Pnop'&

CoupnrntoN Lew 5o6 (zoro).e First Counciì Direátive 8g/ro4lEEC of Dec. zr, rgBB to approximate the laws of the n-rembe¡ states relating to

hademarks, r99B Ol (L 4o) r'

'o Di¡ective ,ot5it46 o,f the European Parliament and of the Council of Dec. 16, zor5 to approximate the laws of tÌre

member states relating to trademarks, zor5 OJ [ 336) r.

" Council Regulation Jolga ol Dec. zo, t991 o" iú" Community trademark, 1993 ol (L ou) r (EC) [hereinafter

TMR 19931.

re-enâcted

which

interPretedof

Unfairtime'intellectual

approach.

dualistlaw.'s The

of general

in the EU,

as passing

relatedlY,

by the

importantSupreme

countrtes

bodies.

marketandresearch

ences

BzCcategory

'3 See

'a See

Vot-.

's See

'6 See

L¡w

thatN

t7

¡--

Page 185: Gliederung - LMU

rk law a¡-rd trnfairiuropean Ulrionopean tracìemark

rrd to rlisleadingd by irstitutional

'lar,v, falls rvithiny, Entrepreneur-çv, which, in the

ustice and Con-¡cess of "eûIanci-

al property right.

ner protection isre United States.

goodwill against

the search cost

rtant connectionis missing in EU:tail between the

an tort ofcausing

>etition law have

r,veen both areas

nt trend towardsrrmal and moreretition method-,hich set ont torw, this attemptxury goods. Thehave converged

Mark Directiverich harmonised

-rlation of r993,"

nclant was prevented:nt.

roN UND Exl'rNsroN

ol lxL'lirr. Pnot'. &

rer states relating to

mate the larvs of the

r (nC) lhereinafter

ON

'frademark Law and Adtertising Luw itt lhe EU 325

re-enacted in zorT as the EU Trade Mark Regulation (EUT'MIì)," creâted the Office for

Harmonisation in the Interr-ral Market, now renâmed the EU Intelleclual Property Office,

which grants EU-wide trademarks. The TMD and the EUTMR in{luence each other. The

infringement provisions in l¡oth instrurnents are worcled almost iclentically, and they are

i¡terpretecl similarly by the CJEU.'r The TMD airns at firll harmonisation. Tìrus, the conditions

of infringen-rent, in particular, are the same in all rnember states.

Unfair competition law, on the other hand, was the orphan on EU harmonisation for a long

ilme. There are several reasons why harmonisation in this area provecl to be more difficuìt than ir-r

intellectual property law. First, the systematic approaches betlveen the member states differ

significantly.'a Some states, for example Germany, Spain and Sweden, follow a n-ronistic

approach. They have enacted singìe-rnarket pmctices or unfair competitior-r acts rvhicl-r protect

cornpetitors, consumers and the general public. Other states, for example Frarrce and ltaly, have

clualist rnodels in that they distinguish behveen consurner protection law and unfair cornpetition

law.'5 The former l-ras been consolidatecl in consumer protection âcts, whereas the latter is a part

of general civil responsibility. In the common law counhies, of which rrow only lreland lemains

in ihe EU, "unfair colnpetition" is not conrnonly usecl as a technical term.'6 Econor-nic torts sucl-r

as passing off protect traders and separate legislation protects cor^lsLuìlers, but self-regttlation ofadvertising practices plays ¿ s¡torrter role than in most corìtineutal European states. Second, ancl

relatedly, the rneans of enlorcerrent differ. German lar.v largely relies on enforcement throug}r

competitors, trade and consunler organisations, lvhich are providecl u'ith a civil right of action

by the Act agair-rst Unfair Competition. In consequence, unfair competition ìaw is a practically

important brancl-r of corrmercial lar,v, and there is much litigation. In zor7, the Gern-ran Federal

Snprerne Court decided forb¡fe¡¡ unfair competition cases. In contrast, in France consuner

protection law is largely irr-rplemerrted by means <¡[ crirninal sanctions. In the common lalv

countries seltregulation plays an important role; rnany cases of misleading or comparâtive

aclvertising which woulcl trigger litigation in Gennany are clealt with by the self-regulatory

bodies. Tl'rird, unfair conpetition law is closely related to general tort law, which has not l¡een

harmonised in the EU. Fourth, legal policies as to the right arnount of judicial intewention into

n'rarket processes differ significantly behveen countries with a high level of ¡¡arket regulation

and more liberal systen-rs. In short, European unfirir competition la',1, is a fascinating field of

research for corrparative lawyers, btrt a nightrnare for hannonisation. Due to prevailing cliffer-

ences betrveen member states, European unfair cornpetition law lacks the teleological coherence

that advertising law has in the United States and in other comrnon larv countries.

Nevertheless, important progress was made in the early rnillennium years. h.r zoo5, the

Directive on Unfair Commercial Practices (Ucen¡'z wâs pâssed. The UCPD is limited to

BzC relations and protects consurners from misleading and aggressive practices. This sub-

category of unfair competition law will l¡e referred to as "unfair conmercial practices law."

" Regrrlation zorTltoot of thc Europcan Parliamcr.rt and of thc Council of func r4, zorT on thc lìttropean Union

hadcr¡ark, zorT O| (L t54) r.

'3 S¿¿ Graemc B. l)inr.voodie, 'lhe Euroþeanization of Trade Mark Law, ir-r 'lìr¡ Eunopti¡,\t'zdrloN ot, INtnttnclu¡rPnoprnrt Lew 75, 8G9o (Ansgar Ohly & Justinc Pila ecìs., zor3).

'+ SeeAnsgarOlìy,LlnfairContþetition(BasicPrinciþles),inl\{¡xPu"r¡cxìfNcvclopr.;¡Ino¡'Eunopn¡NPuvertLew,Vor-. II, at rTrz-r5 fltirgcn Basedow, Klaus J. Hopt, Rcinhard Zirnnlennann & Ancìrc¿rs Sticr eds., zorz).

'5 Søø Sylvie Nérissor.r, France,irt lNlnn¡¡xrro¡r¡tr H¡,,1¡noor oN UNI,¡ltt CoulmutoN, $ rr, par:rs. 5, z4-5r (lìraukc

Hcnr rir rg-Bodcwig cd., zor3).

'6 See generall¡, Rich¡rd Arnoìd, EnglishLlnfair Contþetition l¿t¿,,44 l¡r'r'r R¡v. or Ivruu. Ptop. ¡No Cor'tp¡rrrloNLel 63 (zor3).

'7 McCenurv, suþra note 3.

Page 186: Gliederung - LMU

326Ansgar Ohly

At its heârt is what could be callecl a "three-step test."'8 A practice is unfair under

Article 5 UCPD whe¡ it is (r) proscribecl by a "black list" of thirty-one cases, (z) misleading or

"ggr.rrí. as defined in A¡ticles 6 to g UCPD or (3) unfair according to the general prohibition

oi"urrf^i, practices, clefined as acts rvhich are contrary to the requiretnents of professional

diligence and materially distort the economic behaviour of consumers.'e Conditions of unfair-

,r"rl ^r.

fully hannonised. Member states are precluded fron setting either lower or higher

standards.'o Br.rt the UCPD leaves it to the rnember states to decide about the rneans of

enforcement. They can choose behveen criminal and administrative enforcement or private

rernedies, or combine the two."The other importa¡t directive, the Directive on Misleading Advertising of 1984, was amer-rded

in rggT to encompass compârative advertising. In zoo6 it was re-enacted as the Directive on

MisÍeáing a¡d Comparative Aclvertising." Its initial purpose was the protection of traders,

"o,rr.rn'r.rJ r,-,d the public, but since the enactment of the UCPD, EU law has rather followed

the French r¡oclel and distinguished between consumer protection and protection of traders, to

which tlie MCAD *as ,.d.,c"d ir-r zoo5. While the MCAD onìy sets a minimum standard with

respect to misleading aclvertising, the conditions of comparative advertising, analysed in more

detail below, have fully harmonised.

III TRADEMARK LAW AND MISLEADING PRACTICES

A The Stantory Framework

The infringen'rent provisions in the EUTMR and the TMD are similar. According to Articles

9(z) EUTùR, rolti TMD, there are three kinds of in{ìingement: (a) the use of a sign which is

identical with the trademark for identical goods or services ("double identity"), (b) the use of a

sign which is iclentical with or similar to the trademark for at least sin'rilar goods or services_where

,,i"1,,,r" causes a likelihood of confusion ("likelihood of confusion"), and (c) the use of a sign

which is identical with or similar to the trademark for any kinds of goods or services where such

use takes u¡fair advantage or causes detriment to the reputation or the distinctiveness of the

trademark ("dilution and misappropriation").

I. unfair commercial practicàs law, Article 6 UCPD prohibits misleacling practices, clefined

as commercial practices lwhich either contain false information or wl-rich are likely to cleceive

the average consllrner, even if the information is factually correct, and lvhich are likely to cause

"or-,r.rrr-ta6 to take a transactional decision that they would not l'rave taken otherwise'"

Accordi.g to Article 6(z) UCPD, creating confusion is also regarded as a n'risleading practice'

So, at first ,i!1,t, Uott-t areas of law seem to live ir-r perfect harmony, as tìrey both prohibit causing

a likelihood of co¡ftrsion. But a closer analysis discloses significant differences, which harbour

potential for co¡flicts. First, the UCPD does not provide for arry defences' It is inspired by the

goal of strong consurner protection and does not take scenarios into account in wl'rich

Iorn. d"gr." of "orrr.,nl.r

confusion may be inevitable. Thus, in countries which allow

enforcenrint by civil actions, trademark owners who fail to enforce their right may be terr-rpted

to rely on the

result in

Section III'2,

stronglY

The unfair

of the case. Botll

C)EU is

confusion, as

Until recendY'r

was not a

without aexactly known

time when the

name "Hard

internationallYcafé owner

Eademark law,

had not taken

favourr

of the marks

destinations

the café's

favour ofThis

that theFederal

competitionadvertising

applied the

this basis, the

unfairwebsite and

trademark

'r After a

'a The ratings

l-reacllir'¡es of"Americans,

Pxop. ¡NP

Decídes

'r' Thc Fedcral

mercl.randise

the

,8 This at¡thor has, of course, misappropriated this te¡m f¡orn internatronal copyright law.

'e UCPD, suprd note 4, atl 5.," CaseC-z6tlo7 andC,tgg/o7,\/lB VAB NV v.TotalBelgíum lW, zoog BCR I-244. $ 5z; Case C-3o4/oB, 7'entrøle zur

BeÞampftLng']ur unlautáruiWuttbewerbs eY v. PlusWarenhandelsgesellschaft mbH, zoto ECR u, $ 4'" UCPD, suPrd note 4, art. u.

" Supra, r-rotc 5.

Page 187: Gliederung - LMU

is unfair uncler

z) misleading orreral prol"ribition; of professional

litions of unfair-lower or higherrt the rneans of:rnent or private

i4, rvas amended

he Directive on

ction of traders,

; rather followedion oftraclers, to

m standard r,vith

nalysed in more

rding to Articìes

F a sign which is

(b) the use of a>r services where

lhe use of a sign,ices r.vhere such

rctiverress of the

râctices, clefined

likely to cleceive'e likely to cause

rrwise-"

eacling practice.prohibit causing

, which harbour; inspired by the

:ount in wl.¡ich

es rvhich allorv

nray be terlptecl

3o4/o9,Zentrale nr,, $ 4'.

Tradentark Law ancl Adtertising Latv in tlrc EU )'/

to rely on the provisions agair.rst n'risleacling practices to avoid tr¿rclernark exceptions. This can

result in conflicts with trademark policy, as the Genlla n Hard Rock Café case, disclrssed below at

Section III.z, illustrates. Seconcl, the classical test of tradenark confr¡sion is rather forn-ral and

sfiongly reminiscent of the determinatiou of scope in other âreâs of inte]lectr-ral propertl, larar.

The unfair competition ar-ralysis is mo¡e fact-sensitive. A court rvill look at all the circttmstances

of the case. Both perspectives can lead to clifferent results, althougl-r there are indications that the

CJEU is rroving toward a more competition- or market-oriented assessment of traden'rark

confusion, as the Google France and Specsave,rs cases, discussed belorv at Section III.3, indicate.

B Hard Rock Café: Conflictíng Policies

Until re centlf3 there was a Hard Rock Café in tl're nain pedestrian zone of Heidelberg, r,vhich

was not a member of the Hard Rock Group and rvl-rich used the Hard Rock name and logo

rvithorrt a licence from the traden-rark owner. This is surprising, given that Gennany is not

exactly known as a connterfeiters' haverr. The reason is that the l{eidelberg café rvas opened at a

time when the Harcl lìock Café in London was the only one in Europe, and long before tl-re

rrame "I-Iard Rock Café" was registered as a traclema¡k in Genlany or, for that matter, became

internationalìy well-known. Since the UK trademark was territorially restricted, the Heidelberg

câfé orvner had the earlier rights for Germanl'. Tl-re conflict is evident. Under the logic of

trademark larv, the olner of tl're earlier rights prevails. Moreover, since the Hard Rock Group

had not taken any action for a long tin're, the doctrine of laches also worked in the café owner's

favonr. Consumer protection lalv, on the other liand, is ahistorical. It does not look at the genesis

of the marks unless consumers knolv about it. Heidelberg being one of Gern'rany's top tourist

destinations, most visitors, many of them from the United States or Aia, dicl not know about

the café's history and tended to think that it was genuine.'4 Thus consulner policy militated in

lavour of granting a remedy.

This conflict is difficult to solve, mainly because the UCPD does not take account of the fact

that the advertiser may þ¿ys a justification for engaging in misleading condttct. The German

Federal Supreme Court first acknowleclged a parallel application of trademark law and unfair

cornpetition law, ihereby giving up its earlier theory that trademark laq,took Prececlence over

advertising law rvhen the clain-i was based on a likelihood of confusion. Second, the court

applied the trademark law doctrine of laches and extendecl it to unfair competition law.'5 On

this basis, the court allorved the defendant to continue operating the restaurant, but held that

unfair cornpetition lalv inposed a duty or-r hin'l to inform consumers b), disclaimers on itslvebsite and in its offlir-re advertising about the fact that the establishment was r-rot related to the

traclernark o\\¡ner, in order to dispel confusion as effectively as possible without closing down

the restarrrant.'6

'r After a settlcnrcnt u'ith the Fla¡cl Rock Group, thc café closed in March zor7.

'1 The ratings at rvrvrv.tripaclvisor.com provide anccclot¿ì evidcr.rce. WÌren ] chcckcd thc rvebsitc on Nor,. 23, zotB,

Ìreacllir¡cs of some of the first posts were: "Not a Rcal HRC"; "Fake!! Bacl scrvice, poor quality food, long waiting tin're";

"Amcricans, you agrcc thai this ter¡ible place be callcd HRCZtz"

" Bunclesgcrichtshof IBGH] [Fedcraì Cou* of Justice], Aug. r5, zor3, I ZR rB8/rr, translatcd in 45 lvr'l Rnv. ot' IN'rcrr.

Pnop. ¡N¡ CovprrrrloN Llw 484 Qo4). See a/so Birgit Clark , Behveen a Rock and a Hard Place? Bundesgenchßhof'Decídes

Hard Rock Café'|'rade l,4a¡l< Disþute,9 J. INrrr-r-. Pnop. L. & Pn¡c. 544 Qot4).'6 The Fecleral Suprcn.re Court distinguishecl behteen opcration of the rest¿r¡¡ant, rvhich it cor-rsiderecl to be a srngle,

ongoing infringement, ancl sale of merchandisc, r.vith respcct to lvhrch thc court considered each sale to be a separatc

infringing act. Thus, the cloct¡ine of ìaches appliecl u,ith respect to operation of the restauran! whereas the saÌe of

nerchandisc rvas for¡nd to bc infrirging. Sevcral cônûlent¿rtors havc criticised this distinction, Se¿ \4ichacl

Page 188: Gliederung - LMU

328 Ansgar Ohly

TheHard Rocå case ilìustrates why the internal logics of both areas differ in sorne respects.

Modern EU trademark law has many of the hallmarks of intellectual property larv. First, itmainly serves the trademark owner's interests, whereas competitor and consumer interests in thefree use of signs only enter the equation as limiting factors. Second, it is historical in the sense

that priority is one of the main criteria for resolving collisions between two signs. Thirdly, inbilateral relations between the trademark owner and the potential infringer it seems fair to apply

a doctrine of laches: the right owner cân be expected to enforce their rights within a reâsonâble

time, and after that period the interests of the potential infringer in using the sign may prevail.

EU unfair commercial practices law, on the other hand, is informed by the logic of consumer

protection law. It mainly protects consumers, although Recital B to the UCPD acknowledges

that it may indirectJy also benefit competitors. Second, the main benchmark for resolving

disputes is the perception of the average consumer at the time at which the offer is rnade.

Considerations of priority are immaterial, as long as they do not have an impact on how the

consumer understands a particular advertisement. Thirdly, the doctrine of laches makes much

less sense in multi-person scenarios. While the Hard Rock Group can be blamed for not having

sued the Heidelberg publican earlier, Arnerican, Chinese or fapanese tourists who are deceived

about the affiliation of the Heidelberg café cannot.

The law is called upon to create a reasonable equilibrium between all interests. To borrow a

phrase from German constitutional law, "practical concordance" should be achieved between

trademark larv and unfair practices law. The German Federal Supreme Court's iudgment at

least partly achieves this goal. While its reasoning on the doctrine of laches can be criticised,

the result makes sense, the owner can continue operating the café, as dictated by trademark

law logic, whereas he rnust take all reasonable steps to inform consumers about his lack of a

commercial connection with the Hard Rock Group, as the logic or consumer protection

law requires.

C Google France ønd Specsavers: From an IP to an Unfair Comþetítion þproach?

The traditional approach to assessing the likelihood of confusion in EU trademark law is rather

formal. The court will look at the similarity of signs, the similarity of goods or services, and the

distinctiveness of the mark. These three criteria form a flexible system in which the strength ofone criterion cân compensate the weakness of ar-rother one.'7 Assessment of confusion is thus

mainly an abstract and normative exercise,'8 which is reminiscent of the methodology in other

areas of intellectual property, where one of the key elernents of the infringement analysis is the

determination of scope. When the sign is highly similar to the registered trademark, the court

is likely to find infringement. What is more, Articles 9(z)(a) EUTMR, ro(z)(a) TMD prohibit the

r¡se of an identical sign for identical goods and services per se; proof of a likelihood of confusion

is not required.

Tlris can be illustrated by the Arsenal case. A trader had sold fan articles which bore the name

and the logo of the English Premier League football club FC Arsenal. The name and the logo

had been registered as trademarks by the club. The trader made it sufficiently clear that he was

Goldmann, Zur VenoirÞung nach $ zç BCB beim Schutz geschafllicher Bezeichnungen und im Lauterkeitsrecht, in

rr9 Gnwrnulrcrrpn Recutsscuutz uNo Unu¡nurnrcllr 657 (zor7).

'7 Case C3g/g7, Canon Kabushiki Kaisha v. Metro-Golclwyn-Mayer Inc., r99B ECR l-55o7; ANNrrrn Kut & M¡nrlNSnNnrrnnrN, Eunopnrx Tuoe M¡nr l,e'w, $$ 4.328-29,5.rc6 (zoq).

'B S¿¿ Kun & SBNrrr.EsnN, suþr(t note 27, $$ 5.165*65.18r; IÌanah Fhina,lntrcducingRealíty ínto'[rade Mark Law,9

J. INrnrr. Pnop. L. & Pxlc. 684,686 (zorQ.

not selling anY

that there was

of "post-sale

or shirts had

RecentlY,

tendencY can

operator who

the Atlantic

requirementCourt, the

investment,

advertising

transparencY

which are a

held drat the

commercial

the national

3" There is no

Annette Kur,

36 Unlike the

when theAND

"double

different

both the

CJBU

allow theThere are

But the

information

FÜR

3' Case

Exhaustion:Function,

33 Case3a Directive

35 Case

judicial

used as

articles

ing had a

confusion

on the

'9 Case

Ruiz-Picassrl

Confusion?,

t' See t{,ooStandards vs.

f.L. & Atrs

Rnv. on

Page 189: Gliederung - LMU

n sollre resPects.

:rty laiv. First, it:r' interests in tl-re

:ical in the sense

igns. Thirdly, in:erns fair to app\,.hin a reasonable

;ign rnay prevail.rgic of consr-rmer

D acknowledges

rrk for resolving

e offer is made.

pact oÌ-ì horv tl.re

res nakes much:d fo¡ not having

i,ho are cleceivecl

:sts. To borrow a

:hieved behveen

Lrt's judgment at

:an be criticisecl,

ecì by trademark

out his lack of a

Lrrner protection

Approach?

rark lar,v is rathersen'ices, ancl the

h the strength of,onfusion is thus

oclology in otl.rer

nt ar-raìysis is the

:mark, the courtMD prohibit the

rod ofconfusion

h bore tl.re name

me ancl tire logo

rlear that he was

t Lauterþeítsrecht, ín

rt'¡: Kur & M¡rrrN

'frade tr[ark Law, g

Trødenrcrk Law cutd Advertisirtg Law in tlrc Ell 329

rrot selling any official rnerchandise. Laddie J thought that the name and the logo r.vere not

rlsecl âs trademarks but as "baclges of support" ancl asked the CIEU whether tlre offer of the fan

articles amounted to trademark infringernent. The CIEU ap¡:lied Article q(txa)llMD and held

that there was infringement because the signs ancl the goods were identical.'e Because of the

"double identiÇ" provision, the court clid not even have to discuss whether there rvas a cloctrine

of "post-sale confLrsion" in EU law.3" An unfair colÌlpetition analysis mâ), lvsll have led to a

diflerent result. Consumers knew what they were buying and clid not care r,vl'rether their scarves

or shirts had been officially autl'rorised.

Recer-rtly, however, there l.rave been signs of convergence. The first group of cases rvhere this

te¡dency can l¡e observecl are the kelnvord advertising cases. They present a challenge because

botli the advertiser who registers a thircl person's trader.¡rark as a ke¡vord ancl the search er-igine

operator who sells it use the trademark in an aþical way. Thus, confts on ì¡oth sides of

the Atlantic hacì to modify their infringement tests in order to factor in context of the use.i'T'l-re

CfEU mitigatecl the rigour of tl-re double identi$ infringer.r'rent provision by adding tl.re ttnw¡itten

requirernent that the use must interfere with the lunctions of tl"re traclernark. According to the

Court, tl-re main frlrrction is the origin function, but other functions such as the aclvertising,

investment, commnnication alcl quality function are protectecl as well.l' In its leading keyword

advertising judgment of zoro, Coogle France, the CIFìU thus enquired whether keyrvord advertis-

ing had a negative impact on the origin function, arÌcl thus essentially introduced a likelihood of

confllsion anall'5i5. Holever, the court did not apply the traclitìonal criteria, but rather dren on

transparency obligations,ii whicl-r are set up by the EU Directive on electronic commerce34 and

which are a part of advertising ancl media law rather tl"ran traden'rark law. On this basis, the CfììUhelcl that the origin fi-urction was affected when either the adi,ertisen'rent r¡isled constlners as to a

commercial relation betlveen the advertiser and the traden.¡ark owner or was unclear and clicl not

allow the consuûrer to determine whether such a relation existed.ss

There are several reåsolls why this approach can be criticised: the transparency obligations

on the acìvertiser are possibly too strict, the CJEU clid not provide sufficient guidance to

the national collrts, ancl national courts have since reached starkly clivergent iudgrnents.36

Btrt the Coogle France case shows a departure from ¿r lornlalist approach to a more

'e Case C-zo6/o 4 Arsenal Footbdl CIub plc v. Reød, zooz lìCR I-roz73.r" There is no rvell-cntrcnched or cstablished doctrine of post-salc confitsion in [ÌU t¡aclcnrark larv. S¿¿ Casc C-36r/o4 P,

Ruíz-Picasso v. OIJIÀ4, zoo6 ECR z5; Kuu & S¡:N¡-rrns¡rN, sùpz, note 27, $$ 5.13r*35.146; Ansgar Ohlv, PosrS¿/e

Confusion?, in M,rnrlxon¡l'ruNrKA'r'roN zwrscrrEN G¡:Isrrctlt lìtcr:Nlu¡,I uNn Vansn¡ucrtERscIItl'lz, þ-ns'tscllnn't

nùR K¡R¡--HBIlrz þ-¡ztn zuvl 7o. Gnnunrsr.lc 6o3, 6o7-o9 (Wolfgang Büschcr et al. cds., zo16).3' S¿¿ ¡-Boo Contacts, Inc. v. Lens.cont, lnc., 7zz F.3d rzz9, tz4z, t244-45 (roth Cir. zor3); Staccy Dogan, Princiþled

Stu¡ndardsvs. Boundlessl)iscretion:A'faleof'IwoApproachestolnternrcdittry'lradennrkLiabilityOnline,sT Colu¡'t.

|.L. & Ams 5o7,5zr-zz (zo4).3' Casc C-487lo 7, L'Oréal SA v. Bellttre NV, zoog ECR I-5r58, g 58. Iror a critical arralysis of thc "functions theory," søe

Annette Krrr, 'I'rade Nlarks i'urtction, Don't'l'hey? CIEU lurßþru<lence and Unfair Conþetitíott Practíces,45 INr'rRnv. or, I¡lr'¡:r-1. PRor.. nN¡ Col,rpurnroN Lnw 034 Qorù; Martin Scnftìeben, Þ-unctiott'[heory and Intentationd

Exlnustíon: Wlry lt Is Wise to Confitrc tl'p Double ldentity Rtile in EU '|'rade NIark Law to Cases t\fl'ecting tlrc Origitt

Function, Euno. Iwrtll. Pnop. R¡:v. 5rB (zo4).3r Case C-236loB and C-z3B/oB, Coogle France SARL v. LnuisYuitto¡tNlalletier SA, zoro liCR l-oz4r7 r59, $ 86.3a Directivc zoooþtlF',C, of the Europcan Parliamcnt ancl of thc CoLrncil of June B, zooo on certain lcgaì aspccts of

jnform¿tion socic\' scwices, in particnlar electror.ric conûlerce, iri tltc I¡ttcrnal Market ("|)irectrve on clcctronic

couuncrce"), art. ó, zooo OJ (L r7B) r.15 Case C-236loB ancl C-238/oB, Coogle lîrance.SARL v. IøuisVuittc¡nNlalletier SA, $$ 8¡go.¡6 Unlike thc lirench Cour clc cassation Á Coogle lìrance v. CNRRH (seø Cour tle cassation fCass.] [strpremc cottrt for

jtrclicial nrattersl rc civ., July 13, 2oro, Cooglelìrance v. CNRRH (lir.), tLanslatccl in ç lNr'l Rnv. on I¡¡L'¡:ll. Pnop.

¡t¡o Co,nrnrrrroN Lnr,v 737 (zol)) the Gerrran courts l.ravc repcatcdly ìrclcl that the origir-r function is not affcctccl

wl¡cn the aclvertisemcnts displayed on thc GoogÌe rvel¡site are clcarly labclled as sttch. S¿¿ BCH, Dec. rz, zorz,

Page 190: Gliederung - LMU

330 Ansgar Ohly

fact-sensitive and consumer information-oriented approach, albeit for an unusual category oftrader¡ark uses, narnely the use in algorithnrs. Another exarnple is a recent German decisio¡ inan action brought against Amazon, which is reminiscent of the jr-rdgment of the Ninth Circuitin Multí-Time Machíne v. Amaz,on.}7 When users entered the claimant's trademark into theArnazon search engine, the list of results also contained advertisernents for cornpeting products.The Munich Court of Appeal had considered this practice as tradenark use ancl had give¡judgrnent for the claimant on the basis of the fact that both the signs and the products wereidentical.rs The Federal Suprerne Court, however, applied tl"te Google France criteria. Itreferred the case back to the Court of Appeal but ordered it to take into account the perspective

of aø average internet user who is familiar with search engines and capable of detecting thedifferences behveen clearly labelled products.le

Anotlrer tendency becomes apparent in the Sþecsayers case. The claimant was a UK companywhich sells glasses and operates under the name "Specsavers." It was the owner of a word mark,but also of a device mark which consisted of a stylised pair of glasses, consisting of nothing morethan two white oval shapes on a black ground. The claimant used this logo in a green colourwith the word "Specsavers" superimposed on it. The defendants were a chain of retail shops

which also sold glasses. They used a similar shape in green ar-rd white with the word "ASDA"sr-rperimposed. Under traditional trademark law principles, a court could have asked whether theclaimants had used their logo "as a trade mark" and n'right have con'rpared the trademark as

registered, i.e. in black and rvhite and without âny writing, witli the defendant's sign. The CIEUin its judgment of zor3, however, pointed out that all circumstances of the case liad to be

taken into account for the analysis of confusion and tl'rat the court had to compare the mark inthe colour in which it was actually used with the defendant's sign,a" thereby factoring market

reality into the analysis of confusion.a' This approach is in line with the speech of Kitchin LJ, as

he then wâs, in his reference to the CJEU, in r.vhich he advocated a context-specific approach.#Both in the referer-rce and in the final decision, which largely concerned the question of"genuine use," Kitchirl Lf attached importance to factors such as the quantity of use of tl-re logo

by the claimant, logos used by other competitors, the fact that defendants had deliberatelyadopted a similar logo, and witness statements that confirmed consumers relied on the device to

identify the cìaimant.+3

Is the pendulum swinging back frorn an intellectual property approach to an unfair competi-tion approach, a¡rd toward analysing trademark confusion? It is probably too early to tell.The algorithm cases are very specific, because tl"re trademarks are used in an atypical way. Ifjudges applied traditional criteria, they would almost always find infrir-rgernent, as the sign used

in the algorithm is identical to the trademark for technical reasons. This result would conflictwith trademark policy, as consumers can often tell the difference and benefit frorn information

I ZR zqlro - Most-Pralinen ["Most'' chocolates], u5 GnwrnBLrcnER R¡cnrsscnurz uNn Unl¡Eurnnncn'r' 29o

!i$ zG3o (zor3).37 Multi:fime Machine, lnc. v. Antozon.con4 Inc., Bo4 F.3d 93o (9th Cir. zor5).38 OLG Nliincllen, May n,zo16,zgIJ 35oo/r5 - O*ìieb, 16 G¡wrruucurn R¡cr.rrssclrurz uNn UnrrrsnRRncrìî-

Rncrnspnrcuulcs-lìnponr 4q þot6).3e BGH, Þ-eb. r5, I ZR 38/ú - Ortlieb I, rzo G¡wunurtc¡rn¡. R¡cnt-ssc¡rurz uND Uurtnrnn¡icur, 924 (zor8).4" Case C-z5zln, Specsavers lntemational Healthcare Ltd. v. Asda Stores Ltd., zor3 ECR 497, $$ ¡+-+,+ Kun & SENrrm¡nN, suþra notc 27, $ 5n7.+ Gn¡nu¡: B. DtNwoo¡rn & Dnv S. GaNc¡rr, 'i'he Inøge of the Consumer in EU 'frade Marþ Law, in Tsn L\.r.ccns oR

tlrn CoNsulrlnn rN BU l,¡w 359-6o (Dorota Leczykiewicz & Stephen Weatherill eds., zo16); h.lNeu Frrr¡,r¡ & Dnv S.

GeNc¡ru, Tun CoxrusroN Trsr lN Eunop¡eN Tneor M¡nr Law, rBB-r94 (zor9).a3 Specsavers Int'l Healthcare Ltd. v. Asila Stores Ltd,fzor4] IiWCA Ci\'. 1294, $$ ,:-¡2.

take account of

fact-sPecific or

colours, which

account. And

word has been

analysis ofbothright to use the

the sign does

of a sign that

comparison ofby courts and

Whereas free

comParative

general and

states.4o Unsu

French unfair

Second, no

This second

competitior-r

tance against

4 Case C-rzo/o4,at S¿ø Chaptera6 Seø opinion

conditions asa7 S¿¿ Pnrlrppn' N,lurr, TnerrÉs Reichsgericht

ae Søe Andreas

AOf

about

to classical

many

the overall

infringerwill always

The courtcause"

provided

zoor BCR Bo,

Euroþean

ation ofSupreme

States we¡e

comparative

Page 191: Gliederung - LMU

usrral categoly ofrmân decisioD ir¡

he Ninth Circuittdenlar-k into thenpeting products,

e and had giver.r

re products rvere

rance criteria. ltrt the perspective

of detecting the

ls a UK compânyr of a word mark,

of rrothing n-rore

n a green colourrn of retail shops

re worcl "ASDA"sked lvl-rether tl-re

the trademark as

sign. The CJEU: case had to be

pare tl-re n'rark infactoring rrrarket

of Kitchin LJ, as

:cific approach.+the question of

rf use of tlre logo

had deliberateiyon the device to

r unfair con-rpeti-

oo early to tell.

' atypical r,vay. Ifas tl-re sign nsed

[t rvoulcl conflictrorn information

UnurunnRncrrr zgo

vn UnH¡:gnnn¡crrr-

.r', 924 (uor8)

i4-4r.

¡, in Trrn ll.l,rccs ot¡¡u Fnn¡e & lhv S-

'fradetnark Law and Adt,ertisíttg Law in tlrc EU 331

about competing proclucts, which in tnrn enhances competition. Trademark law can either

takeaccountofthesePolicyconcernsbyrnakingtheana\'sisoflikelihoodofconfnsioni-norefact-specific or by provicling a robust deferrce of referential use. The Specsavers scenario is closer

to classicai trademark cases, bnt ii can also be explairrecl on the basis of traditional doctrirre. In

narry jurisclictions, the registration of zr sigr.r in l¡lack and wl-rite is considered to cover all types of

colonrs, which aliows taking the colotrr in which the owner uses the sign in practice into

acconnt. And even the traditional analysis of conflicts betrveen signs composed of a logo and a

worcl has been more fact-specific, zrs the CJEU has ah,r,ays adr,ised the national courts to look at

the overall impression of l¡oth signs from â consumers' perspective.# Also, a context-specific

a'alysis of both signs n'ray turn out to be too nattow, as traden-rark registration gives the owner the

right to use the sign in differer-rt contexts. Indeed, pursuant to Articles 16 TMD ancl iB EUTMR,

the sign does not need to be usecl right alvay, but only within a period of five 1re¿¡5. So evetr ttse

of a sign that has not been used at all n-ray be infringing. At least in classical cases rvhere tl-re

infri¡rger attaches a sign to products or Llses the sign in their oln advertising, parts of the context

will ahvays have to be left out of account. Probably, the question of which facts be1'ond n'rere

comparison of the registered mark and tl-re sign as used by the inlringer will remain to be decided

by cor-rrts and discussed in legal literature for years to cone.

IV TRADEMARKS AND COMPARATIVE ADVERTISING

A Of Euroþean Legacy and of Anti-Parasítísm Protection throtLgh tlrc Back Door

Whereas free speech concerns played an instrunental role in shaping US law's treatment of

co¡rpârative advertising,+s there is a traditiorr of granting protection against n'risappropriation in

general ancl against cor-nparative advertising ir-r particular in several continental European

states.46 Unsuqrrisingly, for a country home to some of the world's n'rost cherished luxury goods,

French unfair corlpetition lalv has traditionally granted strong protection against n"risappropri-

ation of reputation or, in French legal terminology, against "parasitisme."aT The German

Suprer.ue Court helcl in r93r that comparative adveitising an-rour-rtecl to unfair corlpetition'a8

The co¡rt advanced trvo reasons for tl-ris clecision. First, "nobody could be a fudge in his own

cause": comparative aclvertising rvas notorionsly unreliable and therefore potentially misleacling.

Seconcl, no trader had to accept being instrumentalised for a con'rpetitor's aclvertising efforts.

This seconcl argumertt is essentially a misappropriation atgun-rent that blends into a line of unfair

corlpetition cases r.vhich at that tirlie protected rvell-known marks against dilution+e and rvhich

proviclecl protection against slavisl'r irnitation. Even UK larv was less penr-rissive thar-r its reluc-

tance zrgainst the notion of unl¿rir competition rr-right suggest. Wrile, unlike in Gern-rany, there is

i+ Case C-rzo/o 4, Medion AG v.'l'hontsott CntbH, zoo5 IiCR lS55r, $ zB'

1t See Chaptcr zo in this voìume, by Rebecca Tushnet.{r' Sae opirrion of Aclvocate Gcncraì Légcr in Casc C-rrz/gg,'l-oshiba Etrope CmhH v. Katu¡t Cemnny Cn$H,

,oo, ÉCR Bo, $ r: "The conccpt of con-rpa¡:rtír,e advc¡tising is new to Conlmunity larv. þ-or a ìong tinc the Men-rl¡e¡

Statcs u,ere hostile to it. On\,-rccentìy, follor.ving thc adoption of l)irective 97/55lEC, (z) was the introduction of

comparative aclvertising into thc natio¡¡aì legal systems acceptcd as a mattcr of principlc, but only subject to vcry strict

conditions as to the circunstânccs in which it is ¡:ermittcd."+7 S¿¿ PlllLrppr Ln TounNu¡u, Lu P¡n¡srlrsrvn¿ (1998); ANnnÉ Luc¡s, AcNts Luc¡s-SctIr-otlrsn & C¡nINE BEn-

Neurr, TnetrÉ ¡t r¡ pnopnlÉrÉ lrn'Én¡.lnli ET AR't'lsrIQUE, $ zr (5th ed. zotT).a8 Rciclrsgericlrt (Gclran Supreme Court r¡ntil 1945), Oct. 6, r93r, II 4%/3o * Hellegold, 36 Gnwrnur-tcttrn

Rrcllrsscuurz uNu Un¡rt¡ntRtcÍt't, Lzg9, r3or (r93r).'|e S¿¿ Ancl¡eas Sattìe¡, Di/ufion of Well,Krcwn'l'raden:ørks - An Analysis of lts Þ'outdatíons in ()ernnny artd the

Euroþean lJnion,3 Z¡ttrsctlnt¡r ruR cl'llsrlclìs EtNc¡:N'lul"t 3o4 (zou).

Page 192: Gliederung - LMU

held that Article

comparlsons' t.

even if theY do

This can be

both a musical

"Pomp and C

shows a faguar

comparlson,

affects BMWcomposer and

(Wagner and

even work inconsumer and

outcome is

sumers, but

The MCAD is

time after its

particular, at

product and

against unfairtraders can sue

the only way

infringement.This is how

law reached

well-knownwith a table

Case

Case

C-441o4,1

i8

59

6o

B L'Oréal

only if all

strates the

year, most

homes ofI asked

different

obtaininstrument

smell-alike

The Business

Although of

nrent by thethese powers

to use the

case with

)t- Ansgar Ohly

no unfair competition law rernedy against truthful and non-confusing comparative advertising,Section 4(r) of Trade Marks Act 1938, which was repealed in 1994, protected n'rarks registered inPart A of the bipartite UK register against "irnporting a reference," which essentially meant thatthe use of such a mark in a comparison amounted to a trademark infringement.s" This is not tosay that these national approaches are correct in principle, but it lielps to explain why EU lawdeveloped against a backdrop of scepticism toward comparative advertising.

The directive of ryg7 is nevertheless a puzzling piece of legislation, because it is a primeexample of a compromise solution which cloaked a fundamental dispute. The express purpose ofthe directive is to liberalise comparative advertising, which at that time was still prohibited inseveral Member States, inter alia in France and Gern'rany.s' Recital z stresses the positive impactsof comparative advertising on consumer information and on competition.5' In this vein,Article 4 MCAD provides that comparative advertising, which is defined in broad terms byArticle z(c) MCAD "shall be perrnitted" under eight conditions.5l These conditions combine themodel of rational consumer decision making and the principle of proportionality. Con-rparative

advertising is permitted if it provides reasonable information to consumers and if it does notinterfere with the interests of the competitor that is identified in the advertisement to a greaterextent than necessary for the purpose of inforn'ring consumers.54 Read from this perspective, theeight conditions stated in Article 4 MCAD are coherent. First, comparative advertising is

permitted when it (a) is not misleading, (b) compares products intended for the same purpose,

and (c) objectively compares material, relevant, verifiable and representative features. When thisis the case, a comparison provides useftil information, whereas comparisons befu¡een unrelatedproducts, subjective comparisons, or unrepresentative cornparisons are at best neutral from theconsumer's perspective. Comparisons that (d) discredit the competitor, (f ) take unfair advantage

of the reputation, or (h) create confusion, interfere with the con-rpetitor's interests more thannecessary. Even from this perspective, however, conditions (e) according to which products

with designations of origin may only be compared to products with identical designations, and

(g) according to which products must not be presented as irnitations, are hard to iustify. As far as

can be gleaned from the genesis of the directive, these conditions were not part of the initialproposal, but were later inserted as the result of national lobbying in favour of the wine and the

perfume industries.55

Had Article 4 MCAD been interpreted in this purely permissive way, it would have allowedmore liberal approaches while initiating a libeLalisation in countries like Gennany. But it seems

that there was no consensus behveen the member states about the flipside, namely about the

question of whether comparisons would be prohibited which did not meet the criteria. Thisquestion was left open, although some recitals support interpretation of Article 4 as not onlyliberalising but also proscriptive.s6 Soon after the directive's entry in force, the CJEU indeed

5" Binnag Ltd. v. Amblíns (Chemists) Ltd., 57 RPC zog (r94o); ANscm Onrv & Mrcn¿¡r Spnucr, THE L.qw oF

Coup¡n¡rIvn All'ntrIsINc, r8-zz (zooo).5' S¿¿ Osry & SrnNcn, suþro rrole So, ^l 42.5' Recital z to TMR Lgg7, suþra note rr; Recitals to the consolidated version are shorte¡ and address comparative

advcrtising in much les detail.53 "Any advertising which explicitly or by implication identifies a competitor or goods o¡ services offered by a compcti-

tor." This definition is odd, because it does not even require a conparison. The C)EU has neve¡ decided whethc¡there is an unwritten requirement that the advertisement be "comparative," aìdrough some national courts have done

so. Se¿ BGH - Coaching-Newsløúfer, Gewrnnrrcntn Rncn'rsscnurz uND UnHpsnnn¡cur 74þorz).ta OHI-y & SpnNcs, suþrd rrote So, at .'7-9.g.5t ld. aT 44.56 Søø Recitals 7-9, rr, ry of TMR tg97, suþra nôte ù.

Page 193: Gliederung - LMU

rl

'ative advertising,

alks registered inrtially rneant thatt.5" This is not tolain why EU law

use it is a prirnexpress purpose oftill prohibitecl inI positirre impacts

.5' In this vein,

broad tern'rs by

ons con'rbine the

ity. Cornparativend if it does notnent to a greater

; perspective, the

ve advertising is

re sanìe Pllrpose,tures. Whcr-r this

:hveen unrelatecl

neutral from the

unfair aclvantage

:rests lrore thar-l

which products

lesignations, and

r lustify. As far as

rart of the initialhe wine and the

rlcl have alloivecl

rny. But it seems

amellz aþ6¡¡¡ ¡l1s

he criteria. Thisle 4 as not onlyLe CJEU incleeci

nNc¡r, Tlr¡ L¿w or.

aclclress compartrtive

,fferccl by a compcti-ver decidccl rvhelhcrnal corrrts have donc

Traclennrk L,aw and A<h,ertising Law in tlæ ELI ))t

helcl that Article 4 airnecl at ftrll harrnonisation5T ancl that comparative aclvertising wàs Permitted

only if all conclitio's vvere met'58 The restllt is far fro'r satisfactory' n'rair-rl1i because neutral

cornparisons, i.e. cornparisons that do not serve consurners' inforrnation iuterests, are prohibited

e'e¡ if they do not lìave a negative impact orr tlle corn¡>clitor's interests.

This can be illustrated by an example which never went to cottrt, but u'hich nicely cìer-non-

strates the poir"rt. The Royal Albert l-lall Proms end with tlte Last Night of the Pror.ns, rvhich is

both a musical spectacle and a friendly celebration of Britislness. Some pieces are played ever1,

year, most importantìy Flenry Wood's "Fantasia on British Sea-Songs" ancl Iidwarcl Elgar'sl,pon1p and Circumstance." An advertisement publishecl in a Pron'r programme of the rggos

shows a faguar on a German motorway rvhile passing a sign towarcls Munich and Stuttgart, the

lronres of Jaguar's rnaìn competitors, BN4Wand Mercedes. The captiou says' "'Wly aJagLtar?'

I asked. 'Because' he said, 'l've always preferred Elgal to Wagner."' This is a ptrrely subiective

comparison, which falls for-ll of Article 4(c) MCAD, btrt neither- hartns consurllers nor seriously

affects BMW and Mercecles, wl.rich can happily poirlt out that Wagrler is the n'rore famotts

composer and that the comparison between elegant playftrlness (Elgar and faguar) ancl porver

(Wagner and Mercedes) rr-ray not even be far-fetched. For botl-r reasons, ll-re con'rparison may

eve¡ work in tl-re Gern-ran proclucers' favour. Most importantly, þe¡þ the average Ettlopean

consurìler and the average Eulopean trader can be expectecl to read this frienclly allusion to

clifferent national characters with a sense of hullour.59 The reasol-r for this unsatisfactory

ontconre is that ¡\rticle 4(c) MCAD aptly circumscril>es adr,crtisemcnts rvhicl-r benefit con-

sumers, l¡ut that the corresponding ban on neutral advertisements is harcl to iustif,.

B L'Oréal y. Belìure: Tradennrk L,atv and Comþarative Advertising Law Slmchronised

The MCA,D is a cornparative advertising directive. It is not a part of trademark lalv. So for some

tirne after its enactment, its relationship to lraclemark law remained ttnclear. German cottrts in

particular, at that time, applied â narrow concept of trademark use which recprired the infringer

to use the traclemark as a designation of origin for their own ptoducts. This is usualll, not tlie

case with cornparisons, since their entire point is to distinguish clearly betr'veen the advertisecl

product and the referenced product. In those EU rnember states providing civil lar.i, remecìies

against unfair courpetitior-r, the question does not l.uatter much. Itt Germany, for example,

traclers cân slle competitors for unfair comparative aclvertising under unlair competition law ancl

obtain injunctions ancl dan'rages. But in UK law the issue is more relevant, as the -statr-rtory

instrument implernenting ttr. ttlC,tn into UK law cloes not provide for civil renedies.6" Hence

the only way of enforcing the MCAD in a civil court is by ureans of a claim lor traclemard

ir.rfringernent.'l'his is how the leading câse on the relationship between trademark ancl unfair competition

law reacl-recl the CJEU. L'Oréal and other perfume houses sued prodì-¡cers of lookalike and

smell-alike perfumes for trademark infrir-rgement. The packaging of the lookalikes alludecl to the

well-k¡own brands, but the names \,vere sufficiently clifferent. Resellers, hot'tever, r,vere provicled

witl"r a table whicìr listed the respective trademarks ancl which conPared sn-rells of b¡ancl

Case C-44loi, Piþþíg Augenoþtík CntbH 6 Co. v. Hartlauer HantlelsgeselLscltaft núL| zoo3 LìCR I-;o9;, $ ++.

Casc C-487/o7, L' OréaI SA v. Bellure NY, zoog ECR I-5r58, $ 67.

Although of course, this nray change in tines of inc¡easirg nationalism.

Thc B¡sincss Protcctior.l from Mislcacling Marketing Regulations zoo8, SI zooS No. 1276, only providcs for cnforce-

mcnt by thc Office of Fair Trzrcling and the local weights ancl uÌeâstlres authoritics. \Vith the closttlc of thc OlìT,

these powers passccl on to the Conipctition and lVlarkcts Authority.

57

5u

59

6o

.id

r

Page 194: Gliederung - LMU

334Ansgar Ohþ

perftimes with imitations. The CIEU hekl that use of a trademark in comparative advertising was

a ootential infrinsernent but that Article 4 MCAD effectively provided a defence in the case of

pËrmitted .o-p"iironr.6' Sir-,.. Article 4(g) prohibits the presentation of goods as in'ritations, the

iables of corr"rpo,rd.n". amounted to infringen'rents.6' When tle case rettlrned to the Court of

Appeal, Jacob i) did not mince words ancl strongly criticised the judgment as overprotective and

preventative of truthful advertising'ól

But systematically the judgment makes perfect sense, as far as tl're relationship between

trademark law and the MCAó is concernecl. It is entirely consistent with the broad notion of

use, which tlie CIEU applies, to regard ttse of a competitor's mark in a comparison as potentially

infringing. And once tio C]pU had interpreted Article 4 MCAD as prohibiting cornparisons

whiclido not meet the critelia, ít follows consistently that use of a competitor's mark which falls

foul of the conditions arnounts to an infringement'

Tl.re crux is that Article a(g) MCAD is a n'risguiclecl piece of legislation at odds with intellec-

tual property policy: *l-,.n iÈ l^* prohibits imitations it provides sufficient remedies' but when

IP law alìows the imitation, both the interest of consun'rer information and the freedom of

expression militate in favour of allowing the inforn'ration' The CfEU implemented the legisla-

tive intent faithftrlly. The CJEU's only alternative would have been to rebel against a bad

provision and to restrict it to narror.v circumstances, for exan-rple by requiring an explicit clain'r

of imitation as opposecl to the implicit information in the comparative list, although there was

evidence that Artlcle ak) MCAD specifically targeted con'rparative lists in the perfume business'

The real damage o""rrlr.d *h.r, ihe EU Council and Parliament passed Article a(g) MCAD

without sufficient consideration of the conseq.r..r".r.6* It ren-rains to be seen what the C)Etl

will do if it ever has to decide a traclemark action brought by the owner of a trademark for

drugs against a manufacturer of generics after tl're term of patent Protection has expired'

nrg;r"bù an advertisement for a gãr,"ri" drug which points out the therapeutic equivalence

*iít *,á original product would be a "claim of imitation," but prohiSiti.g the information

would undermine the policy of patent protection ancl seriously interfere with health policy' The

CJEU wouìd probably nr,â *"yr of distinguishing, but a drugs case would plainly exPose

the flaws of A*icle a(g) MCAD'Meanwhile, the

"pproach the clEU adopted has been codifietl in EU trademark lar'v'

Articles q(¡Xf) nUfff¿n ancl ro(3)(f) TMD provide that the trademark owner can prohibit

use of their trademark if the comparison is unfair accorcling to the criteria of the MCAD

It follows a contrario that the use of the traclemark in "fair" comparisons is justified' It

shoulcl be added that the CJEU also applies the criteria of Article 4 MCAD when applying

the fair use exceptions of EU trademark law. Article r4 TMD and EUTMR allow use of

non-distinctive or descriptive elements as well as referential use, but the use must comply with

ho.est practices. fne ClnU has repeatedly lield that a practice is dishonest when it is mislead-

ir-rg, when it denigrates n competìtor, o, then it takes unfair advanlage of a competitor's

reputation.65

6' Case C,4B7lo 7, L'Oréal SA v. BellureN z, $ ;+, refening to Casc C-533lo 6, Oz HoldiTtgs Ltd' v' Hutchison 3C UK

Ltd., zoo9 ECR I-o4z3r, $ 45.6' Case C-487lo7,L'OréalSAv.Bellure NV' $$ ç¡' Zç-zS'6t L'oréal v. BøIIure [zoro] BWCA (Civ.) 535 fra]-fzol (Eng.)'

¿ ,t ^^^:^:6a S¿¿ Annene Kur, Lione'l n. r. gÀ,ry & Ar;g;; oily, srrur Snells ancl a Sour'I'aste - The ECI'I L'oréal Decísion

(Nov. 3o, zoog), https://papers.ssrn'com/sol3/paperrcfm?abstrâct-id=Ì492032'ut òrr" ó-rrsø í, c¡ùtt 'cà. v. L'A'Løboratües Ltd., zoo5 ECR 2363' $$ +-s; Kun & SnN¡-r'rnBÈN' suprd note z7'

$ 6.zr

L'Oróal v.

that tlie h

\4CAD gives

comParative

reputation of

as B" çe, A

mation, the

Althoughwith these

manufacttt

numbers i

CIEU he

ant's Parts

C

66 BcH,

lent to

relevant

ofofiGermar-t

by

the more

bags do

This

directive

InProvlso

ls

truthful

Swirl M5At first

right to a

of the pu

with the

greaterout of

6? It sl-roulcl

MCAD,woulduncler

Page 195: Gliederung - LMU

e advertising was

ce in the case of¡s imitations, tl're

I to tl're Court ofierprotective âncl

onship betrveen

broad l'rotion of;on as poterrtiallying cornparisor-rs

mark which falls

lds with intellec-reclies, but whenthe freedom of

:nted the legisìa-

el against a bad

rn explicit clain'r

hough there was

crfumc business.

icle 4(g) MCADrvhat tlie CJEUa trademark for

on has expirecl.

,rtic eqr-rivalence

the infonnation:alth policy. TheI pìainly expose

trademark l¿rw.

ler can prohibitof the MCAD.

s is justified. It) when applying

{R allow use ofrust cornpl)¡ withren it is mislead-

f a con'rpetitor's

v. Hutclúson 3C UK

)l's L'Oréal Decísío¡t

EBEN, sultrd nole 27,

'lradetnark Law and Adt,ertising Law ítt the EU 315

C Sien-rens arzd Swirl: Const-Lmer Infomwtíon Tnnnþing Mísctþþroþriation

L'Oréal v, BelhLre is an nnusnal câse because Article a(g) MCAD is cast in sttch specific tenns

that the hands of the CIEU wâre arguâbly tied. The more general provisior-r of Article 4(f )

MCAD gives the courts more roorn to balance the conflicting interests. It provides that

conparati\¿e advertising ìs orrly pern'ritted rvhen "it does not take unfair advantage of tl.re

reputation of a trade mark, tracle narrte or other distinguishing marks of a con-rpetitor."

This provision is not easy to apply be6¿s5e, arguably, in a comparison of the "A is as goocl

as B" type, A always takes acìvantage of B's reputation rvhere B is better known than ,4. Since the

clirective aims ât allowing comparâtive advertising to provide consLlmers with reasonable infor-

n1ation, the consumer interest llust be taken into account when applying the "unfairness"

proviso. In this context, the principle of proportionality, which rvas initially cleveloped in

constitutional law, is helpftrl. Under this principle, â state interference with fundan-rental rights

is proportionate, when (r) itsenes a legitin'rate purpose, (z) does not interfere with the citizen's

right to a greater extent than necessâry, and (3) is reasonable in the light of the respective weight

of the public interest and of the citizen's right. Applied to con-iparative advertising, irrterference

with the competitor's reputatior-r is justified when (r) corr-rparison provides consttners witl-r

truthftrl infonnation, (z) comparison does not interfere rvith the con-rpetitor's reputation to a

greater extent than necessary to inform consumers, and (3) dan'rage done to the competitor is not

out olpropoltion to the inlornlrlion interest.

Although the CfEU has never expressll, applied this test, most of its judgments are in line

with these elen-rents. The Síentens judgment of zooT is an exarrple in point. The defendant

manufactured computer conlponents wlrich n,ere exchangeable with the original Siemens

components. Defendant not only clistLibuted lists of comparison but also adopted serial

numbers including those serial nnmbers of Sien-rens corllponents. So the compottent equiva-

lent to "siemens gzB-3UBzr" would be sold r,rnder the serial nttmber "VIPA 9zB-3UBzr." The

CJEU held that this practice did not amount to unfair conparative advertising. First, the

relevant consumers were traclers who knerv the difference between original parts ar-rd clefend-

ant's parts. Secorrdly, there lvas no unfair n'risappropriation. Serial nttmbers are weak carriers

of reputation anyway, but tlie defendant's use of serial nttmbers nas also the ntost efficient r.l,ay

of inforrning consllnlers that both products \,vere interchangeable. In the same vein, the

German Federal Supren'ie Court allolved ar-r online shop to advertise vacurlrrl cleaner bags

by reference to tl-re market leader "Swirl" and to offer its own bags with the reference "like

Srvirl M5o."66At first sight, these judgmer-rts seem difficult to reconcile ivith the L'OréaI case. The only

clistinguishing factor seenìs to be that perfumes enjo1, ¿ cachet of luxr-rry rvhile vacuum cleaner

bags do not. But tl-re deeper reason is tl'rat Article a(g) MCAD is a protectionist exception from

the more general rule of Article a(f ) MCAD.67 U,,de, Article a(f ) MCAD, conslrmer interest in

informatior-r arguably could have iustified tl.re con-rparative list of smells.

66 BGH, Apr. z, zor5, I ZR Á71ry - Staubsaugcrbeutel im Inte¡net [Varcuun'r cleaner btrgs on tlie lntcrnet], u7

Gnli'!:RDLrcrrpR R¡cu't sscnurz uNu Unrl¡sliRt¡Fìcllr, u36 (zor5).67 It shor¡ìcl be acknoivledged, though, that tìre CllìU also lound the con.rparrrtivc pcrfrtmc tables to havc falìen foul of

MCAD, art. 4(l). This conclrrsion is undcrstanclablc, givcr that art. 4(g) is a speciaì case of n-risappropriation, ancì itwor¡lcl lrave l¡ccn <'lifÈcult nretliodologicaìly to find infringement r¡ncler the special ntle rvhile dcnying infringcmer.rt

runcler its generalisation- Without ¡rt. 4(Ð, tÌre result may well l.ravc been cliffc¡cnt, although this rs, of colrrsc, â

spcculation.

Page 196: Gliederung - LMU

-

336 Ansgar Ohly

v c o N c L u s r o N : c oN v E R c

åi i;_äüi1ä ;iiï, ^r, o N AN D rH E

EU trademark law and unfair competition law are converging. When assessing a likelihood ofconfusion, the GJEU is arguably moving from a formal, scope-oriented appáach to u -läcontext-sensitive approach where the perception of the average consumer plays a stronger role.The CJEU relies on EU law of comparative advertising when determining scope of t.u'd..nu.kprotection and when inteqpreting BU fair use exceptions. Meanwhile, both the fiUD and tieEUTMR explicitly provide that use of a trademark in unfair comparative advertising ,rnountr-toa trademark infringement, which also means that, in contrast, use of a trademark in

"o*p"rironipermissible under Article 4 IVICAD does not infringe.From a methodological standpoint and with the aim of an effective implementation of BU

law ("effet utile") in mind, the CJEU's atternpt to construe EU law as a coherent *hole make,perfect sense. But it also increases the importance of the MCAD, which is partly oue.prote.tiveand, with respect to Article 4(g) MCAD, openly annoying. Article 5 MCADr gives coÅsiderablediscretion to member states when choosing the methocl of enforcement. In particular, memberstates are not under an obligation to provide for a civil action. While Germany, in line with itstradition, incoqporated the directive into the Act against Unfair Competition - which is enforcedby competitors, trade associations and consumer organisations - the United Kingdom did noiprovide for civil law claims against unfair comparative advertising. Practically, ÙK provisionsimplementing the MCAD have had very limited effect. The United Kingáom's attempt to"restrict the harm" done by MCAD was thwarted when the CfEU incorporated the directiveinto trademark law. The United Kingdom may be able to solve this problãm by abolishing theBusiness Protection from Misleading lVlarketing Regulations after Brexit, depending of

"Jurr.on the extent to which the United Kingdom will still be bound by EU law in its future relationswith the EU. The remaining EU member states should muster the strength to revise Article 4MCAD, although politicall¡ the EU law's protectionist trend may not diminish after thewithdrawal of the United Kingdom.

Both

The

competition,in tle market

often.ùo make

gther

is required to

trademark

good on some

separate

than Brand

allows themthat aren't

The

otheralwa¡n

hæ thepresence oruseful

approach that

II

General hlsecomparative

federal and

* F¡ank Stanton

Page 197: Gliederung - LMU

The Cambridge Handbook of International and

ComParative Trademark Law

Edited by

IRENE CALBOLI

Texas A&l\4 University School of Law

JANE C. GINSBURG

Columbia Law School

ffiliffit¡J.¡t,¡,¡¡lqø CanvrsnrDGE

UNIVERSITY PRESS

Page 198: Gliederung - LMU

C¡.unnrDcEUNIYERSITY PRESS

University Printing House, Cambridge clz Bns, United Kingdom

One Liberty Plaza, zotli F-loor, New York, Nv rooo6, usa

477 Wiìliamstown Road, Port Melbourne, vtc 32o7, Aust¡alia

3t4_32t, yd Floor, Plot 3, Splendor Forum, |asola District centre' Nerv Delhi - rrooz5' lndia

79 Anson Road, #o6-o4lo6, Singapore o799o6

Cambridge University Press is part of the University of Canbridge

It furthe¡s the University's mission by disseminating knowledge in the pursuit of

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www.cambridge.orgInfonnation on this titìe: www.cambridge . orgl 979rro& ç3o9ooo I : ro.rorTl978rro8399456

O Cambridge Universif Press zozo

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and to tìe provisions of reÌevant collective licensing âgreemÔnts,

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pe rmission ol Cambridge Universib' Press.

First published zozo

Printed in the United Kingdom by Tf International Ltcl, Padstow Cornwall

A catalogue record for this þublicatíon is available from the Britísh Libtary'

Library of Congress Cataloging'in'Publication Data

N¡n¡s: Calboli, Irene, editor. I Ginsburg, Jane C., editor.

l.rrLE: The Cambridge hanclbook of intÃational and comparative trademark law / edited by Irene Calboli, Texas A&M

School of Law [and] Jane C. Ginsburg, Columbia University Schooì of Law

DpscRrprroN: Cambridge, United Kingclom ; Ncw York, NY, USA : Can-rbridge UniveisiÇ Press, zozo l

snnrrs: can-rbridge law handbools I Includes bibliographical references and index.

TDENTIFTERS: LccN 2o2ooro2r7 (print) | r"ccN roroãro218 (ebook) | rsrN 978rro84:3o9o (harclback) |

rsnN 978rro8399456 (ebook)

suBlB;rs: ¡-óÁir,-Tt^d"*.¡ks-Law and legislation. lTrademarks (lnternational law)

cLAssIFIcArIoN: LCC Kr555 .ca6 zozo (print) | lcc rr555 (ebook) | llc a46 o4l88*dcz3

LC reco¡d avaiìable at https: //lccn.lo c.gov I zozoorozrT

LC ebook record available at htþs://lccn.ìoc.gov/zozoorozr8

rsuN 978-r-ro8-423o9-o Hardback

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Page 199: Gliederung - LMU

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 78

c) Schutz des Geschäftsrufs (§ 4 Nr. 1, 2 UWG)

Lit.: Brammsen/Apel, WRP 2009, 1464 ff.; Sakowski, GRUR-Prax 2017, 179 ff.

Übungsfall

Die Bio-Molkerei Oberland e.G. fordert Verbraucher auf Werbeplakaten auf, die Milchprodukte des Unternehmens Meier GmbH zu meiden, weil Meier „Gen-Milch“ verwende. Tatsächlich verarbeitet die Meier GmbH Milch von Kühen, die mit gene-tisch verändertem Futter ernährt werden. Hingegen ist wissenschaftlich nicht erwie-sen, dass der Verzehr der so hergestellten Milch nachteilige Folgen für die Gesundheit hat. Ansprüche der GmbH?

Flussdiagramm zu § 4 Nr. 1, 2

Ausgangspunkte

• Der Schutz des guten Geschäftsrufs gehört zu den wesentlichen durch das UWG geschütz-

ten Mitbewerberinteressen.

• Gemeinsame Voraussetzungen:

- Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1): fehlt bei privaten oder politischen Äußerungen,

die daher nur nach §§ 823 I, 1004 analog (wegen Verletzung des APR oder des Rechts

(-)

(+)

(+)

(-)

(-)

Äußerung über einen Mitbewerber? Nur § 3 I „pur“, §§ 823 I, 1004 ana-log BGB

Tatsachenbehauptung? Keine vergleichende

Werbung? Nur § 6

§ 4 Nr. 2 § 4 Nr. 1

Eignung zur Kreditschädigung Herabsetzung oder Verunglimpfung

nicht erweislich wahr (s. aber 2. HS) Unlauter? → umfassende Interes-senabwägung

Rechtsfolgen gem. §§ 3 I, 8 ff., dabei teleologische Reduktion des § 8 III (str.): nur Betroffener anspruchsbe-

rechtigt

Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)? §§ 823 I, 1004 analog BGB

Rechtsfolgen gem. §§ 3 I, 8 ff., dabei teleologische Reduktion des § 8 III (str.): nur Betroffener anspruchsbe-

rechtigt

(-)

(-)

(+)

(+)

(+)

(+) (+)

(+) (+)

(+)

Page 200: Gliederung - LMU

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 79

am Gewerbebetrieb) zu beurteilen sind. Beispiel für § 2 I Nr. 1 (-): Anti-Genmilch-

Kampagne von Greenpeace, Gegenbeispiel: Anti-Genmilch-Kampagne von Biobauern.

- Mitbewerberbezug (§ 2 I Nr. 3): kann z.B. bei Ansprüchen eines Unternehmers gegen

eine Bewertungsplattform wegen Herabsetzung fehlen (sehr interessanter Fall, aber

aus dem genannten Grund zu §§ 823, 824 BGB BGH GRUR 2020, 435 – www.yelp.de,

dazu Schaub GRUR 2020, 498; herabsetzende Bewertungen auf Plattformen bei pau-

schaler Herabsetzung ohne Bezug auf individuellen Mitbewerber bestehen nur Ansprü-

che aus §§ 8 ff. i.V.m. § 3 I „pur“ und aus allgemeinem Zivilrecht (str.)

• Abgrenzung § 4 Nr. 1 ↔ Nr. 2

- § 4 Nr. 2 erfasst unwahre (genauer: nicht erweislich wahre) Tatsachenbehauptungen,

z.B. die falsche Behauptung, ein Mitbewerber stehe kurz vor der Insolvenz

- § 4 Nr. 1 erfasst in erster Linie Werturteile, z.B. ein Konkurrent sei notorisch unzuver-

lässig, daneben auch die herabsetzende Behauptung wahrer Tatsachen, die allerdings

regelmäßig zulässig ist

• Unionsrechtlicher Rahmen:

- § 6 beruht auf der WerbeRL. Daher ist der (in Deutschland „hausgemachte“) § 4 Nr. 1

gegenüber § 6 subsidiär → wegen des weiten Anwendungsbereichs von § 6 und des

auch bei § 4 Nr. 1 erforderlichen Mitbewerberbezugs kommt § 4 Nr. 1 nur selten zur

Anwendung

- § 4 Nr. 1 schützt ausschließlich Mitbewerberinteressen und wird daher von der UGP-

RL als solches nicht erfasst, anders aber, wenn zugleich die Entscheidungsfreiheit des

Verbrauchers betroffen ist

- § 4 Nr. 2 regelt eigentlich einen Sonderfall der Irreführung. Es bleibt dem deutschen

Gesetzgeber aber überlassen, speziell konkurrentenschützende Tatbestände zu schaf-

fen. Daher fällt § 4 Nr. 2 UGP-RL nicht in den Anwendungsbereich der UGP-RL (str.).

Sieht man das anders, so wäre die in Nr. 2 vorgesehene Beweislastumkehr aber aus-

drücklich erlaubt (Art. 12 UGP-RL), außerdem würde auch unter § 4 Nr. 2 das Verbrau-

cherleitbild der UGP-RL. Da es aber ohnehin im deutschen Recht gilt, kommt es auf die

Frage letztlich nicht an.

Herabsetzung und Verunglimpfung (§ 4 Nr. 1)

• § 4 Nr. 1 erfasst in erster Linie Werturteile, daneben auch wahre Tatsachenbehauptungen

(für unwahre oder nicht erweislich wahre ist Nr. 2 einschlägig), die geeignet sind, den Ruf

eines Mitbewerbers zu schädigen.

• § 6 ist vorrangig, weil er auf Unionsrecht beruht (s.o.). Daher § 4 Nr. 1 selten anwendbar,

weil die Herabsetzung oft in einem Vergleich erfolgt. Aber Beispiel für das Fehlen eines

Vergleichs: Bericht darüber, dass Konkurrent Sekten nahesteht (BGH GRUR 2012, 74 –

Coaching-Newsletter).

• Verhältnis zu §§ 14 II Nr. 3; 15 III MarkenG str., die Schutz vor Herabsetzung nur bekann-

ten Kennzeichen bieten. Problem: § 4 Nr. 1 erwähnt ausdrücklich Kennzeichen, Schutzun-

tergrenze der §§ 14 II Nr. 3; 15 III MarkenG würde aber unterlaufen, wenn jede Art der

Herabsetzung von § 4 Nr. 1 erfasst wird. Da dieser Widerspruch aber im EU-Recht ange-

legt ist, ist er wohl hinzunehmen.

• Zweistufige Prüfung: (1) Herabsetzung, die (2) unlauter sein muss.

• Herabsetzung

- = Verringerung der Wertschätzung in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise,

ausschlaggebend ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Kontextab-

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hängig: Anlass und Situation, ggf. auch humorvolle Überspitzung sind zu berücksichti-

gen.

- Verunglimpfung = Gesteigerte Form der Herabsetzung. Trennscharfe Abgrenzung we-

der möglich noch erforderlich.

- Gegenstand der Herabsetzung: Kennzeichen (kann wie unter § 6 II Nr. 4 MarkenG

über § 1 MarkenG hinausgehen und auch einfache Unterscheidungszeichen erfassen),

Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder Verhältnisse.

- Betroffener = Mitbewerber (§ 2 Nr. 3), s.o.

• Unlauterkeit:

- Kritik an den Leistungen eines Konkurrenten ist dem Wettbewerb immanent, § 4 Nr. 1

muss daher im Licht von Art. 5 I GG eng ausgelegt werden. Ebenso wie § 6 UWG ist § 4

Nr. 1 Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips: Kritik ist erlaubt, soweit sie sich

im Rahmen des Erforderlichen hält.

- Immer gegen § 4 Nr. 1 verstoßen Schmähkritik, die einen Konkurrenten ohne hinrei-

chenden sachlichen Grund pauschal abwertet (Beispiel, ÖOGH, ÖBl. 1991, 64 – Kro-

nenzeitung: Zeitung des Konkurrenten tauge nur als Toilettenpapier) und Formalbelei-

digungen (Beispiel, OLG München WRP 1996, 925: Konkurrenzerzeugnis als „Scheiß

des Monats“).

- Im Übrigen ist eine umfassende, einzelfallbezogene Interessenabwägung erforderlich,

in deren Rahmen insbesondere (wie im Rahmen des § 6 II) das Informationsinteresse

des Verbrauchers ausschlaggebend ist.

- Beispiel 1 (BGH GRUR 2012, 74 – Coaching-Newsletter): Bericht über schwarze Schafe

im Coaching-Gewerbe ist unlauter, wenn die Kritik nur vage und pauschal erfolgt und

keine Einzelheiten mitgeteilt werden, aus denen sich die Berechtigung der Kritik

ergibt.

- Beispiel 2 (BGH GRUR 2018, 622 – Verkürzter Versorgungsweg II): Handwerksinnung

kann sich trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Verfasstheit auf Art. 5 I GG berufen, unter-

liegt einem Sachlichkeitsgebot, das aber bei Äußerungen zur Wahrnehmung der Inte-

ressen ihrer Mitglieder gelockert ist.

- Beispiel 3 (OLG Karlsruhe GRUR-RR 2020, 429 – Fakt-Check): Wenn ein von Facebook

beauftragter Faktenprüfer den Beitrag eines Nachrichtenmagazins mit dem Hinweis

„Behauptungen teils falsch“, ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden, wohl aber

dann, wenn die Fehlbehauptung in einem offenen Brief aufgestellt wird, den der betref-

fende Bericht nur referiert, aber der Eindruck erweckt wird, das Nachrichenmagazin

habe selbst „fake news“ verbreitet.

Anschwärzung (§ 4 Nr. 2)

• Behaupten oder Verbreiten: Weitergabe an Dritte, bei der sich der Behauptende die Aus-

sage zu eigen macht.

• Problem: Haftet der Betreiber einer Internet-Bewertungsplattform gem. § 4 Nr. 2, wenn

dort ein Nutzer eine falsche Behauptung einstellt?

- BGH GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal: Kein „Behaupten“, wenn sich der Be-

treiber die Äußerung nicht zu eigen macht, aber „Verbreiten“. Begriff des „Verbrei-

tens“ ist aber im Lichte der §§ 7, 10 TMG auszulegen, so dass der Betreiber nur haftet,

wenn er beanstandete Inhalte nicht entfernt.

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- Dagegen: täterschaftliches Handeln immer nur bei Verbreiten + Zueigenmachen, an-

sonsten nur mittelbare Haftung (zu dieser näher unten, IV 1)

• Rufschädigende Tatsachen:

- Tatsachenbehauptungen sind dem Beweis zugänglich und können richtig oder falsch

sein (Wertungen nur vertretbar oder unvertretbar).

- Entscheidend ist, ob nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise zu-

mindest ein nachprüfbarer Tatsachenkern vorliegt. Bei Mischung aus Tatsache und

Wertung ist die Tatsachenbehauptung nach § 4 Nr. 2, die Wertung nach Nr. 1 zu beur-

teilen.

- Problem: Ist die rechtliche Subsumtion eine Tatsachenbehauptung? Nur, sofern darin

Tatsachen behauptet werden (Beispiel: A hat einen Gegenstand aus einem Supermarkt

mitgenommen, ohne zu bezahlen = Tatsachenbehauptung. Also hat A einen Diebstahl

begangen = Wertung). Daher erfüllt die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung („A hat

mein Patent verletzt“, näher dazu unter § 4 Nr. 4) nach h.M. nur insoweit die Voraus-

setzungen des § 4 Nr. 2 UWG, als Tatsachen (z.B. Patent wurde erteilt) behauptet wer-

den, während die eigentliche Subsumtion unter die Tatbestände des Immaterialgüter-

rechts ein Werturteil ist (zumal die Beweislastumkehr für diese Fälle zu weitgehend

wäre).

• Beweislastumkehr (Ausnahme: vertrauliche Mitteilungen): Unlauterkeit schon (+), wenn

Aussage nicht erweislich wahr, d.h. der Behauptende trägt das Risiko des Wahrheitsbewei-

ses.

• Str. ist, ob § 8 III Nr. 2-4 für die Anschwärzung teleologisch zu reduzieren sind (so im

früheren UWG § 14 a.F.). Dafür: Der Unternehmensinhaber sollte selbst entscheiden, ob er

eine Rufbeeinträchtigung als erheblich empfindet und sich dem Risiko eines prozessualen

Wahrheitsbeweises aussetzen möchte. Irreführungen der Verbraucher lassen sich über § 5

I erfassen. Anders aber inzwischen der BGH zu § 6.

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d) UWG-Nachahmungsschutz (§ 4 Nr. 3 UWG)

Lit.: Ohly, GRUR 2010, 487 ff.; Quadvlieg, WRP 2020, 159; Sack, WRP 2017, 7 ff., 132 ff.

Übungsfall (nach BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne m. Anm. Nemeczek)

D. Übel (D) stellt Befestigungselemente für Kunststoffrohre und Leitungen her, die mittels einer besonderen Stecktechnik ohne weitere Hilfsmittel direkt in einem Bohrloch verankert werden können. Die Produkte werden an Großhändler und Elektroinstallateure verkauft. Die Zähne an der Außenseite der Elemente waren patentgeschützt, aber die Schutzfrist des Patents ist im Jah-re 2014 abgelaufen. Ab Januar 2016 produziert und vertreibt N. Nachmeier (N) Befestigungs-elemente, die exakte Kopien der Produkte des D sind. Ansprüche des D gegen N?

Produkte des D Produkte des N

aa) Überblick

Die Konzeption des § 4 Nr. 3 UWG

• Grundsätzlich ist der Schutz von Immaterialgütern Aufgabe des Immaterialgüterrechts bzw.

Rechts des geistigen Eigentums

­ Schutz technischer Innovation → Patent- und Gebrauchsmusterrecht

­ Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst, von Computerprogrammen

und Datenbanken → Urheberrecht

­ Schutz ästhetischer Gestaltungen → Designrecht

­ Kennzeichenschutz → Markenrecht

• Außerhalb des Schutzbereichs dieser Rechte ist das Nachahmen fremder Leistungen ist

grundsätzlich erlaubt (Grundsatz der Nachahmungsfreiheit).

• Einschränkung: Die Nachahmung ist unlauter, wenn (a) das nachgeahmte Produkt über

wettbewerbliche Eigenart verfügt und (b) zusätzliche unlauterkeitsbegründende Faktoren

vorliegen. Das UWG schützt also nicht gegen das Ob, sondern nur gegen das Wie der Nach-

ahmung.

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• Unterschied:

­ Mittelbarer Nachahmungsschutz = Schutz nicht gegen die Nachahmung als solche,

sondern gegen die Umstände des Angebots → § 4 Nr. 3

­ Unmittelbarer Nachahmungsschutz = Schutz gegen die Nachahmung selbst ohne die

Notwendigkeit unlauterkeitsbegründender Umstände → jedenfalls nicht in § 4 Nr. 3 ge-

regelt (BGH GRUR 2011, 436 – hartplatzhelden.de), str., ob auf der Grundlage der Gene-

ralklausel (§ 3 I) möglich (dazu unten, cc).

• Nach Rspr. steht hier der Individualrechtsschutz so sehr im Vordergrund, dass § 8 III teleo-

logisch zu reduzieren ist: Nur der betroffene Mitbewerber und der allein Vertriebsbe-

rechtigte sind aktivlegitimiert, wenn nicht besondere Anzeichen für eine Beeinträchtigung

von Abnehmerinteressen sprechen.

Unionsrechtlicher Rahmen und Verhältnis zu anderen UWG-Bestimmungen

• Der Nachahmungsschutz wurde auf Unionsebene bisher nicht harmonisiert, Frage daher

nach dem Verhältnis zum vorrangigen Schutz durch die UGP-RL und die WerbeRL.

• Der Verbraucherschutz gegen Verwechslungsgefahr wird umfassend durch § 5 I 2 Nr. 1, II

gewährleistet (vgl. auch den Sonderfall des Nr. 13 der „Schwarzen Liste“).

• Nach h.M. wird § 4 Nr. 3 wird aber durch die UGP-RL nicht berührt, weil er die Interessen

des Originalherstellers schützt und weil das nationale Recht Unternehmen unabhängig von

der RL schützen kann (BGH GRUR 2010, 80, Rn. 17 – LIKEaBIKE) → Mitbewerberschutz

über § 4 Nr. 3, Verbraucherschutz gegen Verwechslungsgefahr über § 5 I 2 Nr. 1, II. Beide

Normen sind parallel anwendbar, unter § 5 sind die Wertungen des § 4 Nr. 3 zu berücksich-

tigen (z.B. kein Verbot einer „unvermeidbaren“ Herkunftstäuschung über § 5).

• Die Werbung für nachgeahmte Produkte kann unter § 6 fallen, der auf Unionsrecht beruht

und daher vorrangig ist. Das bloße Angebot eines nachgeahmten Produktes fällt aber man-

gels Vergleichs noch nicht unter § 6 I (s. oben, a).

• Die Nachahmung kann auch eine Behinderung eines Mitbewerbers (§ 4 Nr. 4) darstellen,

etwa durch systematische Nachahmung seiner Waren (BGH GRUR 2019, 196 – Industrie-

nähmaschinen).

- Vorsicht: Eine Nachahmung stellt nicht schon deshalb eine Behinderung dar, weil der

Nachahmer die Preise des Originalherstellers unterbietet oder weil das Angebot der

Nachahmung möglicherweise Kunden des Originalherstellers „abfängt“, weil ansonsten

der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit ins Gegenteil verkehrt würde (BGH GRUR 2017,

79 – Segmentstruktur, dazu vielleicht interessant die Anm. Ohly, GRUR 2017, 90).

- Deshalb ist auch die Rspr. zur systematischen Nachahmung zweifelhaft: Warum soll eine

legale Nachahmung illegal werden, nur weil sie systematisch erfolgt?

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bb) Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 4 Nr. 3

Nachahmung, Angebot, Mitbewerberbezug

• Es muss sich um eine Nachahmung handeln, der Anbieter muss die Vorlage also gekannt

haben. Insoweit aber prima-facie-Beweis, wenn große Ähnlichkeit zu einem Produkt mit Ei-

genart vorliegt.

• Erscheinungsformen der Nachahmung:

­ unmittelbare Leistungsübernahme (= 1:1-Kopie) durch technische Verfahren

­ nahezu identische Nachbildung

­ nachschaffende Übernahme

• Wechselwirkung: Je unmittelbarer die Nachahmung, desto geringer die Anforderungen an

die übrigen Kriterien und umgekehrt (s. dazu die Grafik nächste S.)

• Die Nachahmung selbst (= Herstellung des nachgeahmten Produkts) ist noch nicht unlau-

ter, das Produkt muss auch angeboten werden.

• Originalhersteller bzw. -anbieter und Anbieter des nachgeahmten Produkts müssen Mitbe-

werber (§ 2 I Nr. 3) sein. Mitbewerbereigenschaft (+) zwischen Unternehmen unterschied-

licher Wirtschaftsstufen (Hersteller v. Händler). Grenzfall: BGH GRUR 1983, 247 – Rolls

Royce – Wettbewerbsverhältnis zwischen RR und Whiskyhersteller, der RR-Kühlergrill in

Werbeanzeige nutzt?

Wechselwirkungslehre

Prüfungsschema:

1. Voraussetzungen der §§ 3, 4 Nr. 3 UWG

a) Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1 UWG)

b) Unlauterkeit (§ 3 I) gem. § 4 Nr. 3 UWG

aa) Angebot nachgeahmter Waren oder Dienstleistungen

bb) Originalhersteller = Mitbewerber (§ 2 I Nr. 3)

cc) Wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts

dd) Unlauterkeitsgründe gem. § 4 Nr. 3 lit. a-c UWG

2. Aktivlegitimation: nach h.M. Einschränkung auf Mitbewerber (§ 2 Nr. 3 UWG), Aus-

schluss der Verbandsklage (§ 8 III Nr. 2-4 UWG)

3. Rechtsfolgen: weitgehend denjenigen bei Verletzung von Immaterialgüterrechten an-

geglichen

a) Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch (§ 8 UWG)

b) Bei Verschulden Schadensersatz (§ 9 UWG), dabei dreifache Schadensberech-

nung

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Die wettbewerbliche Eigenart

• Nicht jede Durchschnittsware soll gegen Nachahmung geschützt sein, erforderlich ist ein

gewisses Maß an Originalität.

• Daher Nachahmungsschutz nur, wenn das Produkt besondere Merkmale aufweist, die ge-

eignet sind, auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen.

• Diese Kriterien sind letztlich immaterialgüterrechtlicher Natur:

­ Die Eignung, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu dienen, wird im Markenrecht

als Unterscheidungskraft bezeichnet (vgl. §§ 3; 8 MarkenG).

­ Die durch Gestaltungselemente begründete Eigenart ist die zentrale Schutzvorausset-

zung im Designrecht.

­ Kritik (vgl. auch Sambuc, GRUR 1986, 130: „Die Eigenart der wettbewerblichen Eigen-

art“): Der Begriff „wettbewerbliche Eigenart“ ist das ungenauere und „weichere“ Ge-

genstück zu diesen gesetzlich definierten Begriffen und erscheint daher besonders für

Juristen attraktiv, die sich mit dem Immaterialgüterrecht nicht so genau auskennen.

• Mögliche Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart begründen:

­ Gestaltung des Produkts (z.B. BGH GRUR 1998, 830 – Les-Paul-Gitarren; BGH GRUR

2006, 79 – Jeans I)

­ Gestaltung und Zusammensetzung einer Sachgesamtheit (BGH GRUR 2012, 1155 –

Sandmalkasten)

­ Kennzeichnung (z.B. BGH GRUR 2003, 973 – Tupperwareparty / Leifheit Top Party),

zweifelhaft: Auch wenn es keinen allgemeinen „Vorrang des Markenrechts“ gibt, er-

scheint für den Schutz eines Kennzeichens gegen Nachahmung das MarkenG vorran-

gig. Mögliches Gegenargument: Das Markenrecht erfasst nicht die Benutzung unähnli-

cher Zeichen, die aber auf die bekannte Marke anspielen und deren Ruf ausnutzen

(Beispiel aus der älteren Rspr vor 2004: Benutzung der Bezeichnung „Kräutermeister“

für einen Kräuterlikör – keine Zeichenähnlichkeit mit „Jägermeister“, aber eben doch

eine klare Anspielung)

­ Technische Merkmale dann nicht, wenn sie zwingend übernommen werden müssen,

denn insoweit sind die technischen Schutzrechte (Patent- und Gebrauchsmusterrecht)

regelmäßig abschließend und der Stand der Technik ist frei. Sie können aber die wett-

bewerbliche Eigenart begründen, wenn die technische Wirkung auch anders erzielt

werden kann. Beispiele: BGH GRUR 2010, 80 – LIKE aBIKE; BGH GRUR 2012, 58 –

Seilzirkus; BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne. Dann kann allerdings unter § 4 Nr.

3a die Herkunftstäuschung unvermeidbar sein.

­ Nicht schon reine Produktidee, etwa die Idee, Barbie-Puppen mit bestimmten Ausstat-

tungen (Babysitterin, Krankenschwester, etc.) anzubieten (BGH GRUR 2005, 166 –

Puppenausstattungen).

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 86

• Neuheit im patentrechtlichen Sinne oder Individualität im urheberrechtlichen Sinne sind

nicht erforderlich.

• Wechselwirkung zwischen Eigenart und Unlauterkeitskriterien: Je höher die Eigenart, desto

geringer die Anforderungen an die zusätzlichen Unlauterkeitsmerkmale.

Unlauterkeitskriterien (§ 4 Nr. 3 a-c)

• Vermeidbare Herkunftstäuschung (lit. a):

­ Produktgestaltung oder -kennzeichnung muss die Gefahr hervorrufen, dass ein durch-

schnittlich aufmerksames und informiertes Mitglied der angesprochenen Verkehrskrei-

se das Produkt zum Kaufzeitpunkt dem Anspruchsteller zuordnet.

­ Das Produkt muss eine gewisse Bekanntheit haben und es müssen gerade die unter-

scheidungskräftigen Komponenten nachgeahmt worden sein (BGH GRUR 2005, 600,

603 – Handtuchklemmen).

­ Maßgeblich ist das Leitbild des angemessen aufmerksamen und informierten Verbrau-

chers.

­ Problem: Aufgrund des Wechselwirkungsprinzips neigt die Rechtsprechung dazu, bei

identischer Übernahme origineller Produkte die Herkunftstäuschung zu vermuten und

damit de facto Designschutz zu bieten. Beispiele: BGH GRUR 2006, 79 – Jeans I: Nach-

ahmung einer Jeans (links das Original, rechts die Nachahmung).

Gegenbeispiel: BGH GRUR 2007, 795 – Handtaschen, keine Herkunftstäuschung bei

Nachahmung einer Luxushandtasche, die sich vom Original sichtbar unterscheidet.

­ Vermeidbarkeit: Der Nachahmer muss alle Erforderliche unternehmen, um Herkunfts-

täuschungen auszuschließen. Oft reicht eine hinreichend deutliche abweichende Kenn-

zeichnung (Beispiele: BGH GRUR 2001, 443 – Viennetta). Wenn aber Abnehmer trotz

der abweichenden Kennzeichnung getäuscht werden können, lässt sich die Herkunfts-

täuschung möglicherweise nur durch abweichende Produktgestaltung vermeiden (Bei-

spiel: der Jeans-Fall).

­ Die Übernahme von Merkmalen, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehö-

ren und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, kann nicht ohne

weiteres als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Der Nachahmer muss

das Produkt ausreichend kennzeichnen, eine verbleibende Herkunftstäuschung ist hin-

zunehmen (Beispiel: BGH GRUR 2012, 58 – Seilzirkus, BGH GRUR 2017, 1135 –

Leuchtballon). Allerdings ist die Rspr. bei identischen oder fast identischen Nachah-

mungen strenger (BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne, BGH GRUR 2017, 734 – Bo-

dendübel). Problematisch, weil so technische Gestaltungen nach Ablauf des Patents

monopolisiert werden. Auch hier sollte eine angemessene Kennzeichnung ausreichen.

• Unlautere Rufausnutzung (lit. b, 1. Alt.):

- Bestehen eines guten Rufs: Das nachgeahmte Produkt muss bei den angesprochenen

Verkehrskreisen bekannt sein und Wertschätzung genießen. Beispiele: Image von Qua-

lität oder Luxus,

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 87

- Ausnutzung = Imagetransfer: Transfer des positiven Images auf das nachgeahmte

Produkt, etwa indem nach dem Kauf die Allgemeinheit glaubt, das Produkt sei „echt“

(post-sale confusion). Beispiel: Verkauf von Rolex-Nachahmungen bei Tchibo (BGH

GRUR 1985, 876 – Tchibo/Rolex I). Gegenbeispiel: keine Rufausnutzung, wenn sowohl

Käufer als auch die Allgemeinheit die Unterschiede zwischen Original und Nachah-

mung deutlich erkennen (BGH GRUR 2007, 795 – Handtaschen).

- Unlauterkeit: (+) wenn die Anlehnung dem Nachahmer dazu dient, eigene Kosten zu

sparen, (-) wenn die Nachahmung erforderlich ist, um auf einem bisher von einem Mo-

nopolisten beherrschten Markt tätig zu werden, um eine optimale technische Gestal-

tung zu übernehmen oder weil die Nachbildung wegen der Art der Produkte erforder-

lich ist (Beispiel: maßstabsgetreue Nachahmung bei Modellauto)

• Rufschädigung (lit. b, 2. Alt.): Gefahr, dass Wertschätzung des Produkts durch die Nach-

ahmung beeinträchtigt wird, etwa durch Imitat schlechterer Qualität, durch geschmacklosen

Zusammenhang (BGH GRUR 1994, 808 – Markenverunglimpfung I) oder durch Verwässe-

rungsgefahr (= Gefahr, dass exklusives Image auf Dutzendware transferiert wird; darf aber

nicht vorschnell aus dem naturgemäß niedrigeren Preis der Nachahmung gefolgert werden).

• Unredliche Erlangung der Vorlage oder Kenntnisse (lit. c), Beispiel: Ausspähen von Kon-

struktionszeichnungen. Problem: Das GeschäftsgeheimnisG, das auf der Geschäftsgeheim-

nisRL beruht, ist vorrangig. Deshalb wäre § 4 Nr. 3b besser gestrichen worden, ist jeden-

falls im Einklang mit der GeschäftsgeheimnisRL auszulegen und darf deshalb zu keinen an-

deren Ergebnissen führen als die Anwendung von §§ 2-5 GeschGehG

• Die Aufzählung der lit. a-c ist abschließend. Der BGH die frühere Rspr. aufgegeben, nach

der es noch weitere Fälle der Unlauterkeit gibt, und vor allem folgende Fallgruppen aufge-

hoben (BGH GRUR 2017, 79 – Segmentstruktur):

- „Einschieben in eine fremde Serie“ bei der Nachahmung von Teilen von Modulsyste-

men (z.B. Legosteinen: BGH GRUR 1965, 544 – Klemmbausteine I, schon stark ein-

schränkend BGH GRUR 2005, 349 – Klemmbausteine III)

- Saisonschutz von Modeerzeugnissen gegen Nachahmung (dazu näher unten)

• Aber neben § 4 Nr. 3 können § 4 Nr. 4 und § 5 eingreifen, außerdem im Ausnahmefall § 3 I

(näher unten)

Schutzdauer und Rechtsfolgen

• Keine klare Begrenzung der Schutzdauer:

­ Grundsätzlich besteht Schutz, solange das Unlauterkeitsmerkmal besteht

­ Nach h.M. keine Auswirkung der immaterialgüterrechtlichen Schutzfristen, dagegen:

wenn ein Recht des geistigen Eigentums abgelaufen ist, sollten an die „Vermeidbar-

keit“ der Herkunftstäuschung oder die „Unangemessenheit“ der Ausnutzung strengere

Anforderungen gestellt werden.

• Die Rechtsfolgen bei unlauterer Nachahmung sind weitgehend an diejenigen des Immateri-

algüterrechts angeglichen:

­ nur Originalhersteller oder Nehmer einer ausschließlichen Lizenz aktivlegitimiert (tele-

ologische Reduktion des § 8 III)

­ dreifache Schadensberechnung

­ Auskunftsansprüche über § 242 BGB

­ Grundsatz der Erschöpfung

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 88

cc) Unmittelbarer Leistungsschutz (§ 3 I)?

Verhältnis zum Immaterialgüterrecht

• Über §§ 4 Nr. 3; 3 I UWG dürfen Wertungen des Immaterialgüterrechts nicht überspielt

werden. Beispiel: Kein UWG-Nachahmungsschutz technischer Erzeugnisse nach Ablauf der

Schutzdauer eines Patents.

• Die Rechtsprechung beherzigt das aber nur eingeschränkt.

­ Technische Schutzrechte: selbst früherer Patentschutz schließt Anspruch aus § 4 Nr. 3

nicht aus, bei nahezu identischer Nachahmung wird die Herkunftstäuschung vermutet

(BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne).

­ Markenrecht: Zwar wurde der frühere „Vorrang des Markenrechts“ als allgemeiner

Grundsatz aufgegeben, §§ 14 II Nr. 3; 15 III bleiben aber gegenüber dem UWG vorran-

gig, darüber hinaus unklar, in welchem Maße Kennzeichen, die nicht den Voraussetzun-

gen der §§ 3-5 MarkenG genügen, wettbewerbsrechtlichen Schutz genießen können.

­ Designrecht: trotz Möglichkeit des Schutzes als nicht eingetragenes Gemeinschaftsge-

schmacksmusters nach Ansicht des BGH keine Subsidiarität (BGH GRUR 2006, 79 –

Jeans I). Theoretisch richtig, aber die Vermutung der Herkunftstäuschung bei (fast) iden-

tischer Nachahmung führt zu „Designschutz durch die Hintertür“.

• Der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit und die Konzeption des § 4 Nr. 3 UWG sind aus

verschiedenen Gründen problematisch:

­ Der angebliche Wesensunterschied zwischen UWG-Nachahmungsschutz und Immate-

rialgüterrecht besteht kaum, da die Rechtsprechung wesentliche Elemente des Immate-

rialgüterrechts übernommen hat (Klagebefugnis nur des Verletzten, dreifache Scha-

densberechnung, etc.).

­ Das Dogma, es werde „nur“ UWG-Schutz geboten, birgt die Gefahr, dass die Subsidia-

rität gegenüber dem Marken- und Designrecht nicht strikt geprüft wird.

­ Bei schutzwürdigen Leistungen hat die Rechtsprechung immer wieder Unlauterkeits-

merkmale vorgeschoben.

Leitlinien für eine sachgerechte Abgrenzung

• Geistiges Eigentum immer zuerst prüfen!

• Wenn Verletzung (+),

­ dann jedenfalls kein UWG-Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (§ 3a,

dazu näher unten) wegen der bloßen Schutzrechtsverletzung, weil das Immaterialgü-

terrecht Voraussetzungen und Rechtsfolgen abschließend bestimmt.

­ Bei Vorliegen zusätzlicher Begleitumstände trotzdem § 4 Nr. 3 zusätzlich prüfen.

• Wenn Verletzung (-): Gründe für die Versagung immaterialgüterrechtlichen Schutzes dür-

fen nicht unterlaufen werden.

­ Kein Schutz der technischen Lehre nach Ablauf des Patents, aber evtl. Schutz des äu-

ßeren Erscheinungsbilds, auch wenn technisch veranlasst, dabei aber Prüfung der

Vermeidbarkeit in § 4 Nr. 3a und der Unangemessenheit in § 4 Nr. 3b im Lichte der

Freiheit des Standes der Technik

­ Kein reiner Schutz des Erscheinungsbilds nach Ende der Design-Schutzfrist → Her-

kunftstäuschung bzw. Rufausnutzung müssen wirklich vorliegen und dürfen nicht auf-

grund der Nachahmung vermutet werden

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 89

­ Nicht aus § 2 II UrhG wettbewerbliche Eigenart und aus Vervielfältigung unlautere

Nachahmung ableiten.

• Leitlinie für § 4 Nr. 3 UWG (str.): Der Vertrieb des nachgeahmten Produktes muss in laute-

rer Weise möglich bleiben

­ § 4 Nr. 3a: Etikettierung

­ § 4 Nr. 3b: Vermeidung der Rufausnutzung

Unmittelbarer Leistungsschutz?

• § 4 Nr. 3 gewährt mittelbaren Nachahmungsschutz: kein Schutz gegen die Nachahmung als

solche, Anknüpfung an Unlauterkeitsmerkmale

• Frage: Kann auch die Nachahmung als solche auf der Grundlage des § 3 I verboten werden?

Spannungsverhältnis zwischen Grundsatz der Nachahmungsfreiheit und intuitivem Gefühl,

dass das „Pflügen mit fremdem Kalbe“ (Lobe, MuW XVI (1916-17) 129) unlauter ist.

• Rechtsprechung vor 2004: Auf der Grundlage der Generalklausel können Lücken des geisti-

gen Eigentums geschlossen werden. Diese Lückenfüllung hat die Rechtsprechung teilweise

offen vorgenommen (Paradebeispiel: BGH GRUR 1973, 478 – Modeneuheit), teils mit Unlau-

terkeitsmerkmalen wie der Herkunftstäuschung kaschiert.

• Meinungsstand zum UWG 2004/2008

­ Ansicht 1: Rspr. (BGH GRUR 2011, 436 – hartplatzhelden.de; BGH GRUR 2016, 725 –

Pippi-Langstrumpf-Kostüm II) unmittelbarer Leistungsschutz auf der Grundlage des

§ 3 I kommt in Betracht, aber nur, wenn das geistige Eigentum nicht hinreichenden

Schutz bietet und andernfalls ein Marktversagen droht.

­ Ansicht 2 (wohl h.L.): Die Regelung des mittelbaren Nachahmungsschutzes in § 4 Nr.

3 schließt einen unmittelbaren Nachahmungsschutz aus. Doch können die Voraus-

setzungen des § 4 Nr. 3 großzügig ausgelegt werden.

­ Ansicht 3: Wie 1, aber strenge Auslegung des § 4 Nr. 3, damit weitgehender Aus-

schluss des Nachahmungsschutzes, wenn die Unlauterkeitsmerkmale nicht wirklich

vorliegen.

­ Ansicht 4 (etwa Fezer GRUR 2009, 451): Der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit ist

ungerechtfertigt, jeder Ausbeutung fremder Leistungen haftet etwas Unlauteres an.

UWG und geistiges Eigentum stehen unabhängig nebeneinander.

­ Stellungnahme: Der BGH hat Recht, allerdings sollten zusätzlich die Voraussetzun-

gen des § 4 Nr. 3 nicht erweiternd ausgelegt werden. Insbesondere sollte sich die

Herkunftstäuschung nach dem unter § 5 geltenden Verbraucherleitbild richten. Au-

ßerdem ist eine erlaubte Nachahmung für sich genommen noch keine Behinderung.

­ Fall zur Diskussion: BGH GRUR 2016, 725 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II.

­ Weiterführend: Ohly, GRUR 2010, 487.

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e) Unlautere Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG)

Lit.: Beater, WRP 2011, 7 ff.

Übungsfall (nach BGH GRUR 2009, 173 m. Anm. Heermann – bundesligakarten.de)

Der FC Bayern München verbietet Käufern seiner Bundesligatickets per AGB den Weiterver-kauf. B betreibt die Website www.bundesligakarten.de. Auf dieser Website sind u.a. Karten für FCB-Heimspiele zu Preisen erhältlich, die weit über den offiziellen Eintrittspreisen liegen. Diese Karten erwirbt B entweder direkt vom FC Bayern, ohne sich als gewerblicher Käufer zu erken-nen zu geben, oder von Privatpersonen, die er mit Hilfe von Zeitungsannoncen ermittelt. An-sprüche des FC Bayern?

aa) Allgemeine Grundsätze

Behinderung und freier Wettbewerb

• Ursprung: Benrather Tankstellenfall (1930), im Anschluss an Nipperdey unterscheidet das

RG zwischen Leistungs- und Behinderungswettbewerb. Hintergrund: Erfolg im Wettbewerb

soll Ergebnis der eigenen Leistung sein, nicht der Behinderung von Konkurrenten. Sportme-

tapher: Den Wettlauf soll gewinnen, wer am schnellsten läuft, nicht, wer anderen ein Bein

stellt.

• Problem: Eine Beeinträchtigung der Erfolgsaussichten von Mitbewerbern ist dem Wettbe-

werb immanent. Beispiel: Wer seinem Konkurrenten Kunden abwirbt, behindert ihn (mög-

licherweise sogar gezielt), tut aber genau das, was er als Unternehmer tun muss und soll.

Der Begriff der „Behinderung“ ist also wenig trennscharf und bedarf zusätzlicher Wertun-

gen

Voraussetzungen

• § 4 Nr. 4 konkretisiert die Unlauterkeit i.S.d. § 3 I, daher muss eine geschäftliche Handlung

vorliegen. § 4 Nr. 4 erfasst nur die Behinderung, die eine geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr.

1) darstellt, nicht hingegen Handlungen zu gesellschaftlichen oder politischen Zwecken,

Beispiel: politisch motivierter Boykottaufruf.

Prüfungsschema (einzubauen in das allgemeine Prüfungsschema, s. oben II 1)

1. Voraussetzungen der §§ 3, 4 Nr. 4 UWG

a) Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1 UWG)

b) Unlauterkeit (§ 3 I) gem. § 4 Nr. 4 UWG

aa) Betroffener = Mitbewerber (§ 2 I Nr. 3)

bb) Behinderung

cc) Unlauterkeit, wenn entweder

(1) Behinderungs-/Verdrängungszweck oder

(2) Betroffener eigene Leistungen nicht mehr angemessen zur Geltung

bringen kann + Interessenabwägung

2. Aktivlegitimation: nach h.M. Einschränkung auf Mitbewerber (§ 2 Nr. 3 UWG), Aus-

schluss der Verbandsklage (§ 8 III Nr. 2-4 UWG)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 91

• Problem: Der Wortlaut ist äußerst unbestimmt, daher ist hier die Rechtsprechung von be-

sonderer Bedeutung.

• Betroffener = Mitbewerber (§ 2 I Nr. 3). Der BGH hat soeben (I ZR 234/19, Rn. 51 –

Zweitmarkt für Lebensversicherungen) noch einmal klargestellt, dass der Mitbewerberbe-

griff des § 2 I Nr. 3 überall im UWG gleichermaßen gilt (Ausnahme: § 6 I, der auf der Wer-

beRL beruht)

• Behinderung = Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mit-

bewerber, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und

bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist.

• Unlauterkeit

­ Abgrenzung über den Begriff „gezielt“? Der Wortlaut scheint dafür zu sprechen, dass

Absicht erforderlich ist. Anders aber Rspr. und h.M.: Neben der absichtlichen Behinde-

rung ist auch eine Handlung unlauter, bei der der Betroffene seine Leistungen nicht

mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann + Interessenabwägung.

­ Begründung: § 4 Nr. 4 sollte bei Einführung des § 4 Nr. 10 UWG 2004 lediglich die

frühere Rechtsprechung kodifizieren sollte (historische Auslegung), außerdem wollte der

Gesetzgeber alle wesentlichen Fallgruppen des Mitbewerberschutzes in § 4 zu regeln

(systematisches Argument).

­ Also Vorsicht: Der Begriff „gezielt“ ist sehr irreführend. Der BGH spricht inzwischen

nicht mehr von der „gezielten“, sondern von der „unlauteren“ oder „unangemesse-

nen“ Behinderung.

­ Daher gilt ein 2-Stufen-Test der Rechtsprechung (Vorsicht, das verkennen viele Studie-

rende!). Unlauterkeit, wenn

(1) Zweck verfolgt wird, Mitbewerber zu behindern oder zu verdrängen, oder

(2) Mitbewerber die eigene Leistung nicht mehr angemessen zur Geltung bringen kann

und eine Interessenabwägung die Unlauterkeit ergibt.

• Mögliche Kriterien im Rahmen der Interessenabwägung

­ Wertungen der Grundrechte

Wichtige Ergänzung zum nichtssagenden Wortlaut des § 4 Nr. 4 ist diese Standardformel des BGH (zuletzt BGH v. 5.11.2020, I ZR 234/19, Rn. 51 – Zweitmarkt für Lebensversiche-rungen, Hervorhebung hinzugefügt)

Nach § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert.

Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern setzt eine Beeinträchtigung der wettbe-werblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerk-male aufweist.

Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Ge-samtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen.

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­ Erheblichkeit der Nachteile

­ Wettbewerbskonformität der Praxis

­ Möglichkeiten des Betroffenen, sich selbst zu helfen

• § 4 Nr. 4 ist generalklauselartig formuliert und damit der abstrakteste Beispielstatbestand

in § 4 → erhebliche Bedeutung der Konkretisierung durch Rechtsprechung

- Schwierigkeit: In der Rechtsprechung wird häufig zunächst betont, dass eine bestimmte

Handlung grundsätzlich nicht unlauter ist. Die anschließend geprüften Unlauterkeitskri-

terien beruhen aber oft auf dem jeweiligen Einzelfall und sind schlecht auf allgemeine

Prinzipien zurückzuführen.

- Keine allgemein anerkannte Fallgruppensystematik. Mögliche Einteilung: Betriebsstö-

rung (greift in den Bestand des Betriebes ein) oder Absatzbehinderung (beeinträchtigt

Werbung und Absatz). Die hier aufgeführten Fallgruppen sind nur einige Beispiele von

vielen. Tipp für Seminararbeiten und die Praxis: Fallgruppen der Rechtsprechung im

Kommentar nachlesen!

• Methodischer Tipp:

- Wenn es eine einschlägige Fallgruppe gibt: „Fallgruppennorm“, also vom BGH entwi-

ckelten Grundsatz anwenden

- Wenn es keine Fallgruppe, aber verwandte Fälle gibt: Fälle vergleichen und Wertung

ggf. übertragen

- Wenn es keins von beiden gibt (oder Ihnen in der Klausur keins von beiden bekannt ist):

Direkt unter den Zweistufentest des BGH subsumieren

- Fallbezogen argumentieren, dabei alle Umstände des Einzelfalls auswerten, Interessen

der Parteien benennen, gewichten und abwägen.

• Rechtsfolge über § 3 I: Unterlassung / Beseitigung (§ 8) und Schadensersatz (§ 9). Weil § 4

Nr. 4 nur dem Mitbewerberschutz dient, ist § 8 III nach h.M. teleologisch zu reduzieren: Ak-

tivlegitimiert ist nur der betroffene Mitbewerber.

Unionsrechtlicher Rahmen

• Da § 4 Nr. 4 dem Mitbewerberschutz dient, wird er von der UGP-RL nicht unmittelbar be-

rührt.

• Müssen immerhin die Wertungen der UGP-RL so berücksichtigt werden, dass eine Hand-

lung gegenüber Verbrauchern nur dann als Behinderung des Konkurrenten gilt, wenn auch

unlauter auf den Verbraucher eingewirkt wird (Beispiel: Verleitung eines Verbrauchers zum

Vertragsbruch)?

- Dagegen (Ohly/Sosnitza, § 4 Rn. 4/5, 28a): UGP-RL lässt Mitbewerberschutz unberührt.

Viele Schädigungen von Mitbewerberinteressen resultieren aus verbrauchergerichteten

Handlungen.

- Dafür (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4 Rn. 4.36a, Scherer, WRP 2009, 518 ff.): Mit-

telbar geht es doch um Verbraucherschutz, z.B. um den Schutz des Verbrauchers vor

Schadensersatzforderungen. Sind die Wertungen der UGP-RL zu berücksichtigen.

Verhältnis zum Kartellrecht

• Die Behinderung kann auch einen kartellrechtlich relevanten Missbrauch einer marktbe-

herrschenden Stellung darstellen (§§ 19 II Nr. 1 GWB; Art. 102 I AEUV).

• Grundsätzlich sind GWB und §§ 4 Nr. 4, 3 I UWG parallel anwendbar.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 93

• § 4 Nr. 4 setzt keine marktbeherrschende Stellung voraus, ist aber außerhalb der kartell-

rechtlichen Tatbestände restriktiv anzuwenden, damit die Wertungen des Kartellrechts nicht

unterlaufen werden: Unlauterkeit nur, wenn zusätzliche, im Kartellrecht nicht berücksichtige

Umstände vorliegen.

bb) Betriebsstörung

Grundsatz

• Zerstörung oder Beschädigung der Betriebsmittel (Gebäude, Waren Daten) eines Konkur-

renten ist unlauter.

• Auch der Geschäftsruf genießt den Schutz des UWG, vorrangig sind aber Spezialnormen:

gegen Beeinträchtigung §§ 6 II; 4 Nr. 1, 2; gegen Ausbeutung das MarkenG und § 4 Nr. 3.

• Meist ist die Störung eines fremden Betriebs Nebenfolge des Strebens nach eigenem Vor-

teil. Nach dem „Zweistufentest“ ist daher in diesem Fall eine umfassende Interessenabwä-

gung erforderlich.

• Beispiel: Ein Testkauf ist grundsätzlich erlaubt, Grenze zur Unlauterkeit ist aber überschrit-

ten, wenn erhebliche Belästigung (BGH GRUR 2007, 802 – Testfoto III), z.B. wenn Kunden

abgewimmelt werden oder der Testkäufer als agent provocateur Mitarbeiter hereinlegt.

Abwerben von Mitarbeitern

• Grundsätzlich ist das Abwerben von Mitarbeitern eines Konkurrenten (auch das systemati-

sche) erlaubt, ausnahmsweise kann es aber eine unlautere Behinderung darstellen. Der be-

troffene Mitbewerber kann sich durch die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten schüt-

zen.

• Mögliche Unlauterkeitskriterien:

- Abwerben von Beschäftigten, die gar nicht benötigt werden.

- Abwerbung mit dem Zweck, Betriebsgeheimnisse auszuspähen, dabei aber schwierige

Abgrenzung zwischen der erlaubten Nutzung von Erfahrungswissen und dem Ausspä-

hen von Geheimnissen.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 94

- Gezieltes Verleiten zum Vertragsbruch (nicht jedoch: bloßes Ausnutzen eines Vertrags-

bruchs, BGH GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter), doch ist mittlerweile str., ob

diese Fallgruppe noch berechtigt ist (s. zum Meinungsstand Köh-

ler/Bornkamm/Feddersen, § 4 Rn. 4.36a, Scherer, WRP 2009, 518 ff)

- Darf ein Headhunter einen Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz anrufen? Differenzie-

rend (Anruf nur zur ersten Kontaktaufnahme zulässig) in BGH GRUR 2004, 696 – Direk-

tansprache am Arbeitsplatz I.

Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung

• Die (vorprozessuale, vgl. § 12) Abmahnung von Mitbewerbern oder die Verwarnung von

Kunden eines Mitbewerbers wegen der angeblichen Verletzung von Rechten des geistigen

Eigentums (Patente, Kennzeichenrechte, Urheberrechte, etc.) ist einerseits legitime Verfol-

gung eigener Rechte, setzt aber andererseits den Mitbewerber einem Dilemma aus: Einstel-

lung der Produktion oder Gefahr eines Prozesses mit der Folge von Schadensersatzansprü-

chen. Daher Verteilung des Risikos: Die berechtigte Schutzrechtsverwarnung ist erlaubt, die

unberechtigte kann Schadensersatzansprüche auslösen.

• Erscheinungsformen:

- Verwarnung des Konkurrenten selbst (Herstellerverwarnung)

- Verwarnung von dessen Kunden (Abnehmerverwarnung), gefährlicher als die Herstel-

lerverwarnung, weil der Geschäftsruf in der Öffentlichkeit leidet und Abnehmer mög-

licherweise die Bezugsquelle wechseln.

• Aus historischen Gründen wendet der BGH § 823 I BGB (Verletzung des eingerichteten und

ausgeübten Gewerbebetriebs) an. Dagegen: Vorrang des UWG bei bestehen eines Wettbe-

werbsverhältnisses. Es besteht selbst bei der Abnehmerverwarnung, weil zwischen Unter-

nehmen verschiedener Vertriebsstufen ein Wettbewerbsverhältnis bestehen kann. Deshalb

nach h.L Fall des § 4 Nr. 4.

• Voraussetzungen:

- Schutzrechtsverwarnung (moderner: Abmahnung wegen Verletzung geistigen Ei-

gentums) = bestimmte Aufforderung an anderen Unternehmer, behauptete Verletzung

eines Immaterialgüterrechts zu unterlassen (Gegenbegriff: Berechtigungsanfrage), da-

gegen ist die Abmahnung wegen eines UWG-Verstoßes grundsätzlich nicht unlauter

- unberechtigt = Verletzung liegt nicht vor (z.B. Schutzrecht unwirksam, Verletzungstat-

bestand nicht erfüllt, Schranken greifen ein).

- Zusätzliche Voraussetzung einer Interessenabwägung (wie unter § 4 Nr. 4 UWG und

beim Eingriff in den Gewerbebetrieb unter § 823 BGB regelmäßig erforderlich)? Nach

der Rechtsprechung (-). Daran Kritik: Die Schutzrechtsverwarnung kann auch berech-

tigte Rechtsdurchsetzung sein. Während eine unberechtigte Abnehmerverwarnung re-

gelmäßig unzulässig ist, streiten sich bei einer Herstellerverwarnung zwei Parteien auf

Augenhöhe – das spricht für eine Interessenabwägung.

- Verschulden (erforderlich für Schadensersatzanspruch): Vorsatz oder Fahrlässigkeit,

dabei gehört Einholen fachkundigen Rats zur Sorgfaltspflicht. Unterschiedliche Recht-

sprechung des I. Zivilsenats (Marken) und des X. Zivilsenats (Patente) zur Frage, ob

man sich auf den Bestand eines geprüften Schutzrechts verlassen darf.

• Rechtsfolge

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 95

- Unterlassung (§ 8 I, III Nr. 1), aber nur gegen vorprozessuale Abmahnung, nicht gegen

Klageerhebung (Recht zur prozessualen Geltendmachung eigener Rechte darf nicht

genommen werden)

- Schadensersatz (§ 9): Kosten der Rechtsverteidigung, aber auch Gewinnausfall, wenn

Produktion oder Vertrieb unterbrochen wurden.

Ausbeutung fremder Leistungen als Fallgruppe des § 4 Nr. 4?

• Während unter § 1 UWG 1909 teilweise die Ausbeutung fremder Leistungen als eigene

Fallgruppe angesehen wurde, fehlt sie im Katalog des § 4.

• Mögliche Fälle: Nachahmung von Produkten oder Kopie von Werken außerhalb des § 4

Nr. 3, Nutzung fremder Kennzeichen außerhalb des Markenrechts

• „Rettung“ als Fallgruppe des § 4 Nr. 4?

- Ansicht 1 (tendenziell Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4 Rn. 4/82): Wer fremde Leis-

tungen ausbeutet, behindert den betroffenen Konkurrenten, weil er dessen Leistun-

gen ohne eigene Anstrengungen übernimmt und daher billiger anbieten kann.

- Ansicht 2 (z.B. Ohly, GRUR 2010, 487, 494): Die Nutzung fremder Leistungen ist

nicht per se unlauter, sondern grundsätzlich wettbewerbskonform, sofern keine

Rechte des geistigen Eigentums verletzt werden und keine besonderen Unlauter-

keitsmerkmale vorliegen (vgl. § 4 Nr. 3). Vor allem ein Schutz gegen Produktnach-

ahmung auf der Basis des § 4 Nr. 4 droht den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit

und die Grenzen des geistigen Eigentums zu unterlaufen.

- Der BGH hält § 4 Nr. 4 auch in Fällen der Produktnachahmung für anwendbar, lässt

aber die reine Ausnutzung fremder Leistungen oder die Nachahmung fremder Pro-

dukte auch bei Preisunterbietung nicht ausreichen (BGH GRUR 2017, 79 – Segment-

struktur m. Anm. Ohly). Allerdings soll eine Behinderung beim systematischen

Nachbau von Produkten in Betracht kommen (BGH GRUR 2019, 196, Rn. 32 – In-

dustrienähmaschinen). Kritik: Das unterläuft den Grundsatz der Nachahmungsfrei-

heit – wenn die Nachahmung erlaubt ist, warum darf sie dann nicht systematisch er-

folgen?

cc) Absatzstörung

Abwerben von Kunden

• Klassisches Beispiel des für § 4 Nr. 4 typischen Regel- Ausnahmeverhältnisses: Grundsätz-

lich ist das Abwerben von Kunden erlaubt (darum geht es im Wettbewerb ja gerade!), aus-

nahmsweise kann es aber eine Behinderung darstellen.

• Häufig Differenzierung zwischen Abfangen (Werbender drängt sich zwischen Kunden und

Mitbewerber, z.B. durch Werbung vor dem Geschäftsbetrieb des Konkurrenten) und Abwer-

ben (Bemühen um vertraglich bereits gebundene Kunden).

• Unlauter ist die Einwirkung auf Kunden, die gegen §§ 4a, 5, 5a, 7 verstößt, str., ob daneben

noch § 4 Nr. 4 zur Anwendung kommt, um speziell den Aspekt der Mitbewerberbehinde-

rung zu betonen. Beispiel (BGH GRUR-RR 2012, 312 – Parkplatzservice): Betreiber eines

Parkplatzservice gibt sich bei Kunden, die im Internet gebucht haben, fälschlich als Konkur-

rent aus.

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• Werbung in räumlicher Nähe zum Konkurrenten: Frühere strenge Beurteilung ist liberale-

rer Haltung gewichen, Beispiel: Verteilung von Handzetteln vor Geschäft des Konkurrenten

nicht per se unlauter (BGH GRUR 1986, 547 – Handzettelwerbung). Keine wettbewerbsfreie

Zone außerhalb des eigenen Geschäftsbetriebs, sofern nicht §§ 4a, 5, 7 (Letzteres etwa beim

persönliches Ansprechen von Kunden, BGH GRUR 2004, 699 - Ansprechen in der Öffent-

lichkeit) eingreifen.

• Verboten ist das Verleiten zum Vertragsbruch (inzwischen str., s.o.), nicht hingegen die

Hilfe bei erlaubter Kündigung (BGH GRUR 2005, 603, 604 – Kündigungshilfe) oder die Aus-

nutzung eines Vertragsbruchs.

• Abfangen von Kunden im Internet und im Bereich der Telekommunikation?

- Keyword Advertising (z.B. bei Google Adwords) ist nicht gem. § 4 Nr. 4 unlauter, weil

die Kunden Anzeigen als solche erkennen und frei entscheiden können, ob sie sie an-

klicken (BGH GRUR 2011, 828 – Bananabay II)

- Typosquatting (= Nutzung von Tippfehler-Domains) ist unlauter (BGH GRUR 2014, 393

– wetteronline.de), wenn der Kunde nicht sogleich und unübersehbar auf den Umstand

aufmerksam gemacht, dass er sich nicht auf der Internetseite befindet, die er aufrufen

wollte. Daneben kommen markenrechtliche Ansprüche in Betracht.

- Anmeldung generischer Second-Level-Domains ist kein unlauteres Abfangen von Kun-

den, sondern nur erlaubte Nutzung eines sich bietenden Wettbewerbsvorteils im Inter-

net, kann aber im Einzelfall als irreführende Alleinstellungsbehauptung gegen § 5 I

verstoßen (BGH GRUR 2001, 1036 – mitwohnzentrale.de).

- Ungenehmigte Rufumleitung oder Portierung (Kündigung unter Mitnahme der Num-

mer) nach Widerruf durch den Kunden ist unlauter (BGH GRUR 2018, 317 – Portie-

rungsauftrag)

Werbebehinderung

• Die gezielte Behinderung fremder Werbung ist unlauter, zB Abreißen von Plakaten, Störung

des Internet-Auftritts.

• Aber Abwägung mit den Interessen des Handelnden. Beispiel: Die Einlösung von Rabatt-

gutscheinen eines Konkurrenten mag dessen Werbung beeinträchtigen, sie ist aber Folge

des legitimen Leistungswettbewerbs (BGH GRUR 2017, 92 – Fremdcoupon-Einlösung)

• Beispiel 1: Vertrieb eines Online-Werbeblockers ist keine eine unlautere Behinderung. In-

teresse der Kunden an Vermeidung aufdringlicher Werbung fällt ins Gewicht, Betroffene

können sich im Internet durch technische Mittel wehren (BGH GRUR 2018, 1251 – Werbe-

blocker II)

• Beispiel 2: Der Betrieb eine Meta-Website (zB Websites, die alle Flugangebote im Internet

auswerten) zielt nicht auf eine Behinderung des Wettbewerbers ab, im Rahmen der Interes-

senabwägung ist das Informationsinteresse des Kunden zu berücksichtigen (BGH GRUR

2014, 785 – Flugvermittlung im Internet m. Anm. Kianfar)

Produktbehinderung

• Die Einwirkung auf Produkte eines Mitbewerbers kann eine unlautere Behinderung darstel-

len. Die Einordnung unter die Fallgruppen „Betriebs-“ oder „Absatzstörung“ fällt schwer,

ist aber auch nicht entscheidend.

• Unmittelbare Einwirkung → regelmäßig unlauter.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 97

- Beispiel 1: Beschädigung von Waren mit Absicht der Rufschädigung

- Beispiel 2: Entfernung einer fremden Marke und Anbringung der eigenen (nach bisher

hM mangels Benutzung keine Markenverletzung, anders jetzt aber EuGH GRUR 2018,

917 – Mitsubishi/Duma)

- Beispiel 3: Beseitigung von Kontrollnummern (dazu näher unten beim selektiven Ver-

trieb)

• Bei mittelbaren Eingriffen besondere Bedeutung der Interessenabwägung

- Beispiel: Unlautere Einwirkung auf ein Produkt des Konkurrenten durch Angebot von

Bots, die ein Computerspiel beeinflussen dazu Schutzvorkehrungen unterlaufen, weil sie

das Produkt unattraktiver machen (BGH GRUR 2017, 397 – World of Warcraft II)

Behinderung durch Kennzeichenverwendung

• Kennzeichenrecht ist weitgehend im MarkenG geregelt, s. insb. das absolute Schutzhinder-

nis der bösgläubigen Markenanmeldung, § 8 II Nr. 10 MarkenG

• Ergänzendes Eingreifen von § 4 Nr. 4 bei Behinderung eines Mitbewerbers durch Marken-

registrierung und/oder -benutzung im Ausnahmefall

- Anmelden von Sperrzeichen, etwa Anmeldung einer im Ausland bekannten Marke, de-

ren Inhaber sie im Inland bisher weder genutzt noch angemeldet hat? Grundsätzlich

keine Markenanwartschaft, ausnahmsweise aber Unlauterkeit dann, wenn inländische

Nutzung durch den Berechtigten beabsichtigt und der Anmelder das weiß oder wissen

muss (BGH GRUR 2008, 621 – AKADEMIKS)

- Anmeldung einer Marke zu Spekulationszwecken, sofern die Anmeldung ohne eigene

Benutzungsabsicht und nur zu dem Zweck erfolgt, einen Dritten durch Abwehransprü-

che zum Kauf der Marke zu bewegen (BGH GRUR 2001, 242 – Classe E)

- Domain-Grabbing = Anmelden einer Internet-Domain, die dem Anmelder offensichtlich

nicht zu steht, zum Zweck, den Berechtigten zum Kauf der Domain zu bewegen.

Selektive Vertriebssysteme

• Selektives Vertriebssystem = Vertrieb nur über ausgewählte Händler, die i.d.R. bestimmte

Vorgaben erfüllen müssen. Beispiel: selektiver Vertrieb von Markenparfums durch Parfüme-

rien, die bestimmten Anforderungen an Verkaufsfläche, Präsentation, Beratung, etc. erfül-

len.

• Kartellrechtliches Problem: möglicher Verstoß gegen Art. 101 AEUV, §§ 1, 20 GWB

• Lauterkeitsrechtliches Problem: Schutz des Vertriebssystems gegen Verletzungen → An-

spruch des Herstellers oder der vertragstreuen Händler gegen „Außenseiter“ = vertraglich

nicht gebundene Dritte. Früher weitgehender Schutz bei gedanklicher und praktischer Lü-

ckenlosigkeit des Vertriebssystems, mittlerweile Anspruch nur noch bei Vorliegen besonde-

rer Unlauterkeitskriterien.

• Voraussetzungen eines Anspruchs gegen den „Außenseiter“ aus §§ 8 I, 3 I, 4 Nr. 4:

(1) kartellrechtliche Zulässigkeit des selektiven Vertriebssystems, insbesondere berechtig-

tes Interesse und diskriminierungsfreie Realisierung und Durchführung

(2) Unlauterkeit des Außenseiterhandelns wegen

- Schleichbezug = Täuschung der Händler über Kaufberechtigung oder

- Verleitung zum Vertragsbruch oder

- Beseitigung von Kontrollnummern

• Daneben kann die Beseitigung von Kontrollnummern Ansprüche auslösen wegen

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- Verletzung von Aufklärungspflichten (§ 5a II)

- Verstoß gegen gesetzliche Verpflichtung zu Kontrollnummern (z.B. aus Gründen der

Produktsicherheit) (§ 3a i.V.m. Spezialnorm)

- Markenverletzung wegen Weitervertriebs – keine Erschöpfung wegen § 24 II MarkenG!

Preisunterbietung

• Grundsätzlich ist die Preisunterbietung erlaubt (Grundsatz der Preisbildungsfreiheit), aus-

nahmsweise kann sie aber eine Behinderung darstellen.

• Insbesondere außerhalb des § 20 III GWB kein Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis

(= Preis für die Beschaffung der Ware).

• Mögliche Unlauterkeitskriterien:

- Preisunterbietung in Verdrängungsabsicht (vgl. RGZ 134, 342 – Benrather Tankstellen-

fall)

- Preisunterbietung durch Einsatz unlauterer Mittel (z.B. Täuschung der Kunden) ist re-

gelmäßig nicht gem. § 4 Nr. 4, sondern nach dem jeweiligen Spezialtatbestand (bei

Täuschung z.B. § 5) unlauter

- Markenschädigung durch Preisunterbietung, hier ist aber meist § 14 II MarkenG vor-

rangig.

Boykottaufruf

• Konstellation: Der Auffordernde (Verrufer) fordert andere Unternehmen (Ausführer) zum

Boykott eines Mitbewerbers (Verrufener/Boykottierter) auf.

• Überschneidung mit § 21 GWB, dabei besteht Anspruchskonkurrenz.

• Erste Frage: Wettbewerbshandlung? Fehlt z.B. bei Boykottaufruf durch Politiker, Gewerk-

schaften, Kirchen.

• Grundsatz: Boykottaufruf zu Wettbewerbszwecken ist unlauter, sofern nicht rechtfertigen-

den Umstände vorliegen.

• Rechtfertigung durch Art. 5 I GG bei Boykottaufruf wegen Anliegens von öffentlicher Bedeu-

tung und Verhältnismäßigkeit des Boykottaufrufs, Beispiel: Aufruf einer Konzertagentur an

andere Agenturen, eine rechtsradikale Band nicht auftreten zu lassen (LG Köln GRUR 1994,

741)

dd) Anhang: Die allgemeine Marktstörung

Bedeutung

• Die allgemeine Marktstörung war als Fallgruppe unter § 1 UWG 1909 anerkannt.

• Sie fällt nicht unter § 4 Nr. 4 UWG, weil die Zielrichtung auf einen bestimmten Mitbewerber

fehlt, soll nach der Gesetzesbegründung aber unter § 3 UWG fortbestehen.

• Trotzdem Parallelen zur gezielten Behinderung: Verdrängung anderer Mitbewerber vom

Markt ist nicht per se unlauter. Unlauterkeit nur bei Gefährdung des Wettbewerbsbestandes

und aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände feststellbar.

• Wesentliche Fallgruppen:

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 99

- Verschenken von Waren und Dienstleistungen, insbesondere: Verschenken von Presse-

erzeugnissen, inzwischen stark eingeschränkt durch BGH GRUR 2004, 602 – 20 Minu-

ten Köln

- systematische Verkäufe unter Einstandspreis, die zur Gefährdung des Wettbewerbs

führen (BGH GRUR 1990, 685 – Preiskampf, für „Preiskrieg“ auf dem Kölner Schall-

plattenmarkt, fraglich, ob diese Rechtsprechung fortgilt)

• Problem: Kriterien unklar, angesichts einer Liberalisierung der Rechtsprechung ist schwer

zu sagen, inwieweit die früheren Präjudizien noch gelten.

• Daher verbreitete (m.E. zutreffende) Kritik in der Literatur: Die Fallgruppe sollte aufgegeben

werden, da frühere wesentliche Anwendungsbereiche mit der Liberalisierung des Lauter-

keitsrechts nicht mehr vereinbar sind und da die Fallgruppe zu Zeiten eine Lückenbüßer-

funktion erfüllte, als das Kartellrecht noch nicht den heutigen Stand aufwies. Der BGH hält

zwar an der Fallgruppe fest (BGH GRUR 2010, 455 – Stumme Verkäufer II), hat aus ihr aber

seit 2004 keiner Klage mehr stattgegeben.

• Parallele zu §§ 19, 20 GWB. Es herrscht Anspruchskonkurrenz.

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f) Die „große“ Generalklausel (§ 3 I UWG)

Lit.: Alexander, WRP 2016, 411; Köhler/Bornkamm, § 3 Rn. 2.7 – 2.39

Grundlagen

• Zur Bedeutung von Generalklauseln im UWG s.o., II 4

• Im Referenten- und Regierungsentwurf zur UWG-Reform 2015 war ursprünglich neben dem

§ 3 II eine eigene Unternehmergeneralklausel (§ 3 III) vorgesehen, § 3 I sollte auf die Schar-

nierfunktion (Verweis auf §§ 8 ff.) reduziert werden.

• Problem: Im Entwurf sollten § 3 II und III nach der Zielrichtung des Handelns (B2C oder

B2B, ähnlich wie im Verbraucherrecht des BGB) abgegrenzt werden. Das wäre aber unan-

gemessen gewesen, weil Mitbewerberinteressen auch durch B2C-Handlungen betroffen sein

können. Beispiel: eine Beleidigung (§ 4 Nr. 1) oder Rufausbeutung (§ 4 Nr. 3b) geschieht in

der Regel gegenüber Verbrauchern (B2C), betrifft aber den Konkurrenten.

• Man hätte trotzdem eine eigene Mitbewerbergeneralklausel verfassen können, die nicht auf

die Zielrichtung, sondern auf die geschützten Interessen abstellt (Ohly, WRP 2015, 1443).

• Aber letztlich blieb es bei § 3 I, der neben der Scharnier- auch eine Auffangfunktion hat.

• § 3 II ist im Anwendungsbereich der UGP-RL vorrangig, im Übrigen kann § 3 I verschiedene

Interessen schützen:

­ Interessen gewerblicher Abnehmer oder Anbieter

­ Interessen der Mitbewerber

­ Interesse der Allgemeinheit an unverfälschtem Wettbewerb

­ § 3 I ist also auch Mitbewerbergeneralklausel: § 4 Nr. 1-4 sind nicht weit auszulegen,

sondern auf ihren Anwendungsfall beschränkt. Beispiel: die Fälle des unmittelbaren

Leistungsschutzes sind keine Fälle der Behinderung (§ 4 Nr. 4)

Voraussetzungen

• Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

• Kein Vorrang von Spezialregelungen

­ S. oben, II 4 und III 1 f: § 3 „pur“ kann neben §§ 3a-7 anwendbar sein, aber einige dieser

Vorschriften können im Einzelfall eine Sperrwirkung entfalten. Z.B. ist eine vergleichen-

de Werbung, die nicht gem. § 6 II unlauter ist, erlaubt.

­ Auch § 3 II geht im Anwendungsbereich der UGP-RL § 3 I vor (s. oben III 1 f)

• Unlauterkeit = Generalklausel. Der Begriff der Unlauterkeit erfordert zusätzliche Wertun-

gen:

­ Grundrechte

­ Systematik des UWG, vor allem Handlung von vergleichbarer Schwere wie die speziell in

§§ 3a-7 verbotenen

­ Systematik der Rechtsordnung im Übrigen

­ Interessenabwägung

­ Präjudizien

• Spürbarkeit: keine ausdrückliche Spürbarkeitsschwelle, aber die betreffende Handlung

muss die Interessen der Mitbewerber, der sonstigen Marktteilnehmer oder der Allgemein-

heit (§ 1) spürbar beeinträchtigen – gesonderte Prüfung, wenn nicht schon in der Interes-

senabwägung berücksichtigt.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 101

Fallgruppen des § 3 I „pur“

• Vergleichende Werbung bzw. pauschale Herabsetzung ohne Vergleich, der sich nicht auf

bestimmte Mitbewerber, sondern auf anonyme Gruppen von Mitbewerbern bezieht (vom

Mitbewerberbegriff des § 6 I und des §§ 4, 2 I Nr. 3 nicht erfasst). Aber Unlauterkeit frag-

lich, weil die Interessen der „pauschal Beleidigten“ oft nicht spürbar betroffen sind.

• unmittelbarer Leistungsschutz (s. oben, III 2 d, str.)

• allgemeine Marktstörung (s. oben, III 2 e, str.)

• Wettbewerb der öffentlichen Hand, soweit er nicht durch §§ 4-6 erfasst ist, vor allem

schlicht-hoheitliches Handeln

­ einseitige Auskünfte, Kritik, etc., Beispiel: Gemeinde wirbt in amtlichem Mitteilungsblatt

für bestimmten Unternehmer (BGH GRUR 2013, 301 – Solarinitiative)

­ Verquickung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Tätigkeit, Beispiel: Gemeinde richtet

im Gebäude der Kfz-Zulassungsstelle einen eigenen Schilderprägebetrieb (in Konkurrenz

zu Privaten) ein (BGH GRUR 2003, 167 – Kommunaler Schilderprägebetrieb)

­ Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse (Art. 5 I 2 GG), Beispiel: Gemeinde

gibt ein Stadtblatt heraus, das den Kommunalseiten der Zeitungen gleicht (BGH v.

20.12.2018, I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II)

­ Einige dieser Fallgruppen sind problematisch, weil es eigentlich eher um die öffentlich-

rechtliche Frage geht, inwieweit sich der Staat in die Wirtschaft einmischen darf.

• menschenverachtende Werbung (s. oben II 2), z.B. sexistische oder fremdenfeindliche Wer-

bung?

­ Für Anwendung des § 3 I: Wertungen der Grundrechte, UWG als einzige Möglichkeit,

ein Mindestmaß an Anstand in der Werbung zu gewährleisten

­ Gegen Anwendung des § 3 I: es geht nicht um das Allgemeininteresse an „unverfälsch-

tem Wettbewerb“, sofern Werbung nicht strafbar ist (dann braucht man das UWG nicht),

sollte das Recht geschmacklose Werbung nicht verbieten, sondern dem Urteil der Markt-

teilnehmer überlassen

• Haftung der Intermediäre wegen der Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten (s.

dazu unten, IV)?

­ Der BGH zieht § 3 I „pur“ heran, sofern es nicht um den Verbraucherschutz geht (dann §

3 II)

­ m.E. ist der jeweilige Unlauterkeitstatbestand anzuwenden. Beispiel: Angebot nachge-

ahmter Ware auf eBay → §§ 4 Nr. 3, 3 I, nicht § 3 I „pur“

• Also kaum praktisch relevante Fälle. Klausurtipp: Vor unmittelbarer Anwendung des § 3 I

genau fragen:

­ Habe ich vorrangige Spezialregelungen übersehen?

­ Ist § 3 II vorrangig?

­ Ist ein Verbot wirklich gerechtfertigt, obwohl der Gesetzgeber keinen Bedarf für speziel-

le Verbote gesehen hat?

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 102

3. Rechtsbruch (§ 3a UWG)

Lit.: Ohly/Sosnitza, § 3a Rn. 1-30g; Glöckner, GRUR 2013, 568 ff.

Übungsfall (nach BGH GRUR 2019, 1071)

Die Adler-Apotheke (A) bietet ihren Kunden bei jedem Kauf eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Semmelgutschein im Wert von 30 Cent an, den sie in einer örtlichen Bäcke-rei, mit der die A eine Vereinbarung getroffen hat, einlösen können. Die Zentrale zur Bekämp-fung des unlauteren Wettbewerbs hält diese Aktion wegen Verstoßes gegen §§ 7 I 1 Nr. 1 HWG, 78 II, III für unlauter. Die A sieht den Gutschein als erlaubte geringwertige Zuwendung an. Die Ausnahme für preisgebundene Arzneimittel sei nicht anwendbar, weil der EUGH in Rs. C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung e.V./Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wett-bewerbs die Festsetzung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises für Arzneimittel als Ver-stoß gegen den Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) angesehen habe.

aa) Allgemeines

Bedeutung

• In § 4-6 wird der Unlauterkeitsgehalt der betreffenden Handlungen autonom lauterkeits-

rechtlich bestimmt.

• Es gibt aber auch außerlauterkeitsrechtliche Normen, die das Marktverhalten regeln, Bei-

spiele: Ladenschlussgesetze, Heilmittelwerberecht, verbraucherschützende Auskunftspflich-

ten in §§ 312 d ff. i ff. BGB.

• Der Unrechtsgehalt wird von der außerwettbewerbsrechtlichen Norm bestimmt, das UWG

entscheidet lediglich darüber, ob dem Verstoß wettbewerbsrechtliche Relevanz zukommt.

• § 3a als „§ 823 II des UWG“ = Blankettnorm, die die Rezeption von außerhalb des Gesetzes

liegenden Normen erlaubt. In beiden Fällen sind zwei Aspekte zu prüfen:

(1) Rezeption in das betreffende Gesetz (in § 823 II BGB Prüfung des Schutzgesetzcharak-

ters, in § 3a UWG Regelung des Marktverhaltens als Zweck) und

(2) Voraussetzungen der verletzten Norm

§ 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) (Auszug)

(1) 1Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass

1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauer-hafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider ge-kennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arz-neimittelgesetzes gelten; …

§ 78 Arzneimittelgesetz (AMG) (Auszug)

(1) …

(2) 1 … 2Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außer-halb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. 3 …

(3) Für Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 2, für die durch die Verordnung nach Absatz 1 Preise und Preisspannen bestimmt sind, haben die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen; … .

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 103

+

Entwicklung

• Rechtsbruch als Fallgruppe des § 1 a.F. UWG anerkannt.

• Rechtsprechung bis 2000: Unterscheidung zwischen wertbezogenen und wertneutralen

Normen:

- Wertbezogene Norm = Norm, die sittlich fundiert ist und/oder dem Schutz wesentlicher

Gemeinschaftsgüter (Gesundheit, Umwelt) dient → Verstoß gegen diese Norm indiziert

Unlauterkeit

- Wertneutrale Norm = Norm, die nur aus ordnender Zweckmäßigkeit erlassen wurde →

Verstoß führt nur dann zur Unlauterkeit, wenn der Verstoß dem betreffenden Wettbe-

werber einen unlauteren Vorsprung verschafft (Vorsprungsgedanke), wenn also gegen

die „par conditio concurrentium“ verstoßen wird.

• Probleme dieses Ansatzes:

- Verfolgung zahlreicher Bagatellverstöße

- Wettbewerbsrichter verfolgte (als „Ersatzpolizist“) unabhängig von der eigentlichen

Zuständigkeitsordnung zahlreiche Normverstöße, etwa gegen verwaltungsrechtliche

Verbote.

• Gegenmodell = Lehre vom Schutzzweck der Norm (Schricker): entscheidend ist nicht, ob die

Norm werthaltig ist, sondern ob sie einen wettbewerbsregelnden Zweck verfolgt.

• Änderung in der Entscheidung Abgasemissionen (BGH GRUR 2000, 1076): Produktion

unter Verstoß gegen immissionsrechtliche Vorschriften führt nicht zur Unlauterkeit, da § 1

a.F. UWG „nicht als Grundlage für Klagen herangezogen werden kann, mit denen - ver-

gleichbar einer Popularklage - Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen im Vorfeld des

Wettbewerbshandelns verfolgt werden, die zwar in irgendeiner Weise Auswirkungen auf die

Wettbewerbschancen der Mitbewerber haben, die aber selbst nicht als Wettbewerbsverhal-

ten zu qualifizieren sind und auch nicht geeignet sind, dem eigentlichen Wettbewerbsver-

halten den Charakter eines gerade in wettbewerblicher Hinsicht unlauteren Handelns zu ge-

ben.“

• Folge: Aufgabe der Unterscheidung zwischen wertbezogenen und wertneutralen Normen,

stattdessen Frage nach dem Schutzzweck der verletzten Norm: Unlauterkeit nur, wenn die

Norm zumindest auch den Zweck verfolgt, das Marktverhalten zu regeln.

Rezeptionskriterium - § 823 II BGB: Schutzgesetz

- § 3a UWG: Marktverhaltensregelung

Tatbestand der rezipierten Norm - z.B. § 263 StGB bei § 823 II BGB

- z.B. § 3 LadenschlussG (gilt in Bayern noch!) bei § 3a UWG

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 104

• Weiterer Schritt in der Entscheidung BGH GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten: Verstoß ge-

gen Marktzutrittsregeln (im Fall das Verbot der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Ge-

meinden gem. Art. 87 BayGO), die keinen verhaltensregelnden Charakter haben, führt nicht

zur Unlauterkeit.

• Trotz teilweiser Kritik in der Lit. Kodifizierung in § 4 Nr. 11, seit 2015 § § 3a.

Rechtspolitische Kritik

• In den letzten Jahren wieder weite Auslegung des § 3a durch die Rechtsprechung, die prak-

tisch dazu führt, dass die Verletzung jeder Norm mit Marktbezug zur Unlauterkeit führt.

• Praktisch hat sich § 3a von den Schutzrichtungen der §§ 4-6 weitgehend gelöst, und dient

u.a. dem Gesundheitsschutz und dem Schutz vor schlechter Rechtsberatung oder schlechter

ärztlicher Behandlung. § 3a dient vor allem im Verbraucherschutz dazu, an Normen jeder

Art die lauterkeitsrechtlichen Rechtsfolgen anzuhängen („Verbraucherschutznormendurch-

setzungsvorschrift“)

• Deshalb ist § 3a in der Praxis die wahrscheinlich wichtigste Vorschrift des UWG (2020 nicht

weniger als 12 BGH-Urteile zu § 3a, verglichen mit 6 zu § 5 und 2 zu § 4) und gerade bei

Rechtsanwälten sehr beliebt.

• Dagegen: nicht in jedem Fall sind Konkurrenten- und Verbandsklagen (§ 8 III) angemessen,

es gibt Gründe dafür, dass im Verwaltungsrecht das Opportunitätsprinzip (= Durchsetzung

einer Norm nur dann, wenn die Behörde es für zweckmäßig hält) gilt. § 3a führt zu einer er-

heblichen Behinderung gerade kleiner und mittlerer Unternehmen, die ständig damit rech-

nen müssen, wegen Kleinigkeiten (z.B. falsche Impressumsangabe im Internet) kostenpflich-

tig abgemahnt zu werden.

• Radikaler Vorschlag de lege ferenda: Abschaffung des § 3a. Alles, was der Verbraucherin-

formation dient, sollte unter § 5a fallen, bei anderen Schutzrichtungen (Produktsicherheit,

Schutz vor schlechter Rechtsberatung, Jugendschutz, Datenschutz) muss sich der Gesetzge-

ber die Mühe machen, über die richtigen Rechtsfolgen nachzudenken und sie im jeweiligen

Gesetz zu regeln.

• De lege lata bedürfen unter § 3a die Verletzung der Interessen und die Spürbarkeit, die im

Tatbestand ausdrücklich geregelt ist, in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung.

Unionsrechtlicher Rahmen

• Die rezipierten Normen müssen mit dem Unionsrecht in Einklang stehen, sonst sind sie

nicht unter § 3a anwendbar. Zweifel an der Vereinbarkeit bestehen z.B. (a) bei einigen Vor-

schriften der PAngV (dazu Köhler, WRP 2013, 723), die möglicherweise nicht der UGP-RL

entsprechen, (b) bei Werbe- und Vermarktungsbeschränkungen für freie Berufe und Apo-

theken (s. Übungsfall), (c) beim Glücksspielrecht, das wegen des staatlichen Glücksspiel-

monopols möglicherweise teilweise gegen die Grundfreiheiten verstößt.

• Soweit die rezipierte Norm dem Verbraucherschutz dient, ist grundsätzlich die UGP-RL

anwendbar, daher Verstoß nur, wenn die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers betrof-

fen ist. Praktisch also Anwendung des § 3a + § 3 II

• Aber keine Begrenzung auf den Schutz der Entscheidungsfreiheit, wenn die UGP-RL gar

nicht eingreift. Ausnahmen vom Anwendungsbereich der RL:

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 105

- Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten (Art. 3 III)

- Vorschriften für reglementierte Berufe (z.B. Ärzte und Anwälte) (Art. 3 VIII)

- Beschränkungen zum Schutz von Sitte und Anstand (Egrd. 7)

- Glücksspielwesen (Egrd. 9)

• Früher Subsumtion zahlreicher Informationspflichten unter § 4 Nr. 11 UWG 2004 = § 3a

UWG 2015. Unter der RL aber:

- Eigene Vorschrift für Informationspflichten: Art. 7 = § 5a UWG

- Unzulässigkeit nationaler Informationspflichten, die nicht durch Unionsrecht vorgegeben

sind (sofern Anwendungsbereich der UGP-RL eröffnet)

- Daher sollten jedenfalls unionsrechtlich begründete Informationspflichten nur noch un-

ter § 5a subsumiert werden. Es wäre der Rechtsklarheit zuträglich, wenn alle anderen In-

formationspflichten auch nur noch unter § 5a fielen

- Anders nach wie vor die Rspr: häufig Anwendung des § 3a, der aber im Anwendungsbe-

reich des Art. 7 UGP-RL in dessen Licht ausgelegt wird (BGH GRUR 2019, 82 – Jogging-

hosen). § 5a direkt wäre einfacher!

bb) Voraussetzungen des § 3a UWG

Voraussetzungen des § 3a UWG

• Zuwiderhandlung gegen die außerlauterkeitsrechtliche Norm = Prüfung der Voraussetzun-

gen der gesetzlichen Vorschrift, der Tatbestand muss vollständig erfüllt sein (auch der sub-

jektive Tatbestand, wenn ein solcher vorausgesetzt wird)

- Klausurtipp: die Reihenfolge der Schritte „Verletzung der Norm“ und „Marktverhal-

tensregelung i.S.d. § 3a“ ist nicht zwingend

• Gesetzliche Vorschrift = jede inländische Rechtsnorm (Gesetze, Verordnungen, Satzun-

gen), nicht hingegen Verträge, Rechtsprechung, Verwaltungsvorschriften, DIN-Normen,

Standesrecht

• Regelung des Marktverhaltens

Prüfungsschema (einzubauen in das allgemeine Prüfungsschema s. oben II 1)

1. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Unlauterkeit (§ 3 I) gem. § 3a i.v.m. § ◼ (z.B. § 1 LadenschlussG)

a) Verstoß gegen die betreffende Norm

b) Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a

aa) Gesetzliche Vorschrift

bb) Regelung des Marktverhaltens als Schutzzweck

cc) Im Interesse der Marktteilnehmer

dd) Sanktionen der Norm nicht abschließend

c) Spürbarkeit

aa) Außerhalb der UGP-RL: nur nach § 3a

bb) Im Anwendungsbereich der UGP-RL: § 3a i.V.m. § 3 II

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 106

- Marktverhalten = geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1 UWG), Beispiele: Werbung, Maß-

nahmen der Verkaufsförderung, Verbraucherinformation.

- Dabei muss es sich nicht um den einzigen oder primären Zweck handeln, eine sekun-

däre Schutzfunktion genügt.

- Abgrenzung 1: Marktverhaltensregelung Norm, die das Vorfeld des Marktverhal-

tens betrifft, z.B. die Entwicklung und Herstellung von Produkten. Keine Marktverhal-

tensregeln sind: Steuerrecht, Umweltrecht, Arbeitsrecht, Straßenverkehrsrecht

- Abgrenzung 2: Marktverhaltensregelung Marktzutrittsregelung. Marktverhal-

tensregeln betreffen das Wie der unternehmerischen Tätigkeit, Marktzutrittsregeln

(Beispiel: Art. 87 BayGO) das Ob. Grund: Das UWG regelt die Lauterkeit auf dem

Markt, nicht die Frage, wer auf diesem Markt tätig werden darf. Letzteres ist Aufgabe

des Kartellrechts oder des öffentlichen Rechts (z.B. Gewerberecht, Kommunalrecht,

Sozialrecht). Allerdings genügt eine sekundäre marktverhaltensregelnde Funktion, da-

her sind nach h.M. Zugangsregelungen zu reglementierten Berufen (z.B. § 3 RDG =

Rechtsberatung nur durch Rechtsanwälte, § 2 BundesärzteO = ärztliche Tätigkeit nur

nach Approbation) auch Marktverhaltensregelungen, weil sie auch Verbraucher „vor

Quacksalbern“ schützen.

• Interesse der Marktteilnehmer = Interessen der Verbraucher, der sonstigen Abnehmer und

der Mitbewerber, nicht hingegen Allgemeininteressen, die nicht marktbezogen sind (z.B.

Umweltschutz, staatliche Haushaltsinteressen im Fall der Steuerhinterziehung)

- Geschützte Interessen der Mitbewerber: Schutz des Goodwill, Schutz der unternehme-

rischen Leistung, Schutz vor Behinderung, nach Rspr. auch Schutz gleicher Verhältnis-

se auf einem Markt – das ist problematisch, weil man damit letztlich jede Norm unter §

3a subsumieren könnte. Beispiel: LadenschlussG.

- Geschützte Interessen der Verbraucher: Entscheidungsgrundlage und -prozess (vgl. § 3

II). Beispiele (die aber inzwischen eher unter § 5a fallen): Informationspflichten der §§

312 ff. BGB, PreisangabeVO

- Streitfrage: Schützt § 3a jedes Verbraucherinteresse (Schutz des Verbrauchers „als

Mensch“, z.B. Gesundheit, Produktsicherheit, ordentliche Rechtsberatung, Diskriminie-

rungsschutz) oder nur marktbezogene Verbraucherinteressen (Schutz des Verbrau-

chers als Marktteilnehmer, z.B. Schutz der Entscheidungsgrundlage und des Entschei-

dungsprozesses)? Rspr. und h.M. nehmen ohne klare Begründung Ersteres an (grund-

legend BGH GRUR 2010, 754 – Golly Telly), das widerspricht m.E. der Funktion des

UWG, das nach §§ 1 und 3 nur marktbezogene Interessen schützt. Beispiele: BGH

GRUR 2007, 978 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer (Verstoß gegen RDG),

BGH GRUR 2008, 534 – ueber18.de (unzureichende Sicherung einer Porno-Website)

- Weil nach der Rspr. jedes Verbraucher- und Mitbewerberinteresse geschützt ist, läuft

dieser Prüfungspunkt in der Praxis leer

• Keine Unlauterkeit, wenn die betreffende Sanktionenregelung abschließend ist, Beispiele:

- Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums: hier soll der Rechtsinhaber selbst

entscheiden, ob er gegen die Verletzung vorgeht

- Kartellrechtsverstoß (BGH GRUR 2006, 773, Rn. 13 ff. – Probeabonnement), anders

nur für das Kartellvergaberecht (vgl. § 104 II GWB)

Page 228: Gliederung - LMU

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 107

- AGB-Kontrolle? Nach h.M. Anwendbarkeit des § 3a (BGH GRUR 2010, 1117 – Ge-

währleistungsausschluss im Internet, GRUR 2012, 949 – Missbräuchliche Vertragsstra-

fe, Köhler, GRUR 2012, 1475) nach der Gegenansicht (OLG Köln NJW 2007, 3647; Ohly

LMK 2011, 312950) ist das UKlaG insoweit anschließend.

- Datenschutzrecht: Die Rechtsfolgen der DSGVO (behördliche Aufsicht, individuelle

Rechtsbehelfe der Betroffenen) sind abschließend (dazu im Detail Ohly, GRUR 2019,

686, sehr str.), daher insb. keine Abmahnung von Datenschutzverstößen durch Mitbe-

werber (str.)

• Spürbarkeit = Eignung, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder

Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen → Filter zum Ausschluss von Trivialverstößen.

Kriterien:

- Gewicht des betroffenen Rechtsguts

- Schwere des Verstoßes

- Bei Informationspflichten (nach Rspr § 3a anwendbar, nach a.A. weitgehender Vorrang

des § 5a) ergänzende Anwendung des § 3 II bei Anwendbarkeit der UGP-RL, im Übri-

gen Bedeutung der Information für den Verbraucher und Möglichkeit, sich anderweitig

zu informieren

- Auswirkung auf den Markt (vor allem bei der Beeinträchtigung von Mitbewerberinte-

ressen)

cc) Beispiele

Überblick

• Die Kasuistik zu § 3a ist kaum überschaubar. Tipp für Seminararbeiten und die Praxis: Nie §

3a anwenden, ohne zuvor einen Kommentar konsultiert zu haben!

• Tipp für Klausuren: § 3a kann i.V.m. einer Norm anwendbar sein, die nicht in der Vorlesung

besprochen wurde, die aber entweder einfach zu finden ist oder auf die im Sachverhalt hin-

gewiesen wird. Natürlich muss der Aufgabensteller sicherstellen, dass die Norm entweder in

den zugelassenen Gesetzessammlungen abgedruckt ist oder sie im SV angegeben wird. Hier

kann die Fähigkeit abgeprüft werden, unter den Normtext einer unbekannten Vorschrift zu

subsumieren. In diesem Fall keine Panik: Vorschrift genau lesen und sauber subsumieren!

Berufszugangs- und -ausübungsregeln

• Erhebliche Bedeutung des Rechts der Anwälte und Heilberufe (und anderer Berufsgruppen)

unter § 3a

• Keine Anwendbarkeit der UGP-RL (Art. 3 VIII UGP-RL), aber Art. 24 DienstleistungsRL (RL

2006/123/EG): keine absoluten Werbeverbote und Verhältnismäßigkeitsgebot

• Berufszugangsregeln, z.B. Erfordernis der Zulassung als Rechtsanwalt nach RDG oder Ap-

probationserfordernis nach BundesärzteO), fallen nach h.M. unter § 3a, weil Interesse der

Verbraucher an guter Rechtsberatung / medizinischer Behandlung geschützt, Hilfserwä-

gung: Irreführung, weil Verbraucher davon ausgeht, dass entsprechende Zulassung vorliegt.

M.E. § 3a (-), da kein Schutz marktbezogener Interessen.

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 108

• Werberecht der freien Berufe (Beispiel: § 7 BORA – als Fachanwalt darf sich nur bezeich-

nen, wer über die entsprechende Qualifikation verfügt), m.E. nur dann von § 3a erfasst,

wenn der Verbraucherinformation dienend, weiter die h.M.

Produktspezifische Vorschriften

• Zulassungspflichten, z.B. Verbot des Vertriebs nicht zugelassener Arzneimittel (§ 21 AMG),

m.E. zweifelhaft, da Schutz nicht marktbezogener Interessen

• Kennzeichnungs- und Informationspflichten und Irreführungsverbote (z.B. EG-Health

Claims-VO, § 7 II EichG = Verbot von „Mogelpackungen“)

- mittlerweile unter Geltung der UGP-RL m.E. unter §§ 5, 5a zu subsumieren

- erhebliche Bedeutung der Spürbarkeitsprüfung, weil es vor allem im EU-Recht eine

kaum übersehbare Fülle teils kleinlicher Informationspflichten gibt

- Beispiel: Registrierungspflicht und Kennzeichnungspflichten für Elektrogerätehersteller

in §§ 6, 9 ElektroG, dazu BGH GRUR 2015, 1021 Rn 15 ff – Kopfhörer-Kennzeichnung

• Werberegelungen, z.B. des Heilmittelwerberechts (HWG) oder § 5 GlücksspielstaatsV

• Insbesondere: HeilmittelwerbeG (HWG)

- Irreführungsverbot (§ 3 HWG)

- Pflichtangaben (§ 4 HWG)

- Zugabeverbot (§ 7 HWG, vgl. Übungsfall)

- Sachliche Beschränkungen der Publikumswerbung (§§ 10, 12 HWG)

- Inhaltliche Beschränkungen der Publikumswerbung (§§ 10, 12 HWG)

Vertriebsbezogene und sonstige Vorschriften

• PreisangabenVO, mittlerweile Vereinbarkeit mit der UGP-RL gesondert zu prüfen, außerdem

m.E. Fall des § 5a. Beispiel: BGH GRUR 2015, 1240 – Der Zauber des Nordens (§ 1 I 1

PAngV mit der UGP-RL und der DienstleistungsRL vereinbar, Angabe eines Gesamtpreises

für Kreuzfahrt ohne Angabe des verpflichtenden Serviceentgelts als Verstoß, der die Unlau-

terkeit begründet)

• allgemeine Informationspflichten, z.B. gem. §§ 312 d-f, i, j BGB, mittlerweile m.E. Fall des §

5a

• Verwendung gem. §§ 307 ff. oder 475 BGB unwirksamer AGB (BGH GRUR 2010, 1117 –

Gewährleistungsausschluss im Internet), dagegen: die Folgen der Verwendung unwirksamer

AGB sind abschließend im BGB und im UKlaG (Verbraucherverbandsklage gegen AGB vor-

sieht) geregelt

• LadenschlussG (Länderkompetenz, in Bayern gilt nach wie vor das LadenschlG des Bundes),

Beispiel: Das Urteil des BGH zur Frage, ob Backwaren „zubereitete Speisen“ i.S.d. § 7 II Nr.

1 GastG sind (BGH GRUR 2020, 307 – Sonntagsverkauf von Backwaren).

• Jugendschutz? Die Rechtsprechung subsumiert Vorschriften des Jugendschutzes, etwa das

Verbot der Prostitutionswerbung (§§ 119, 120 OWiG) oder die Bestimmungen über den Zu-

gang zu Porno-Seiten im Internet unter § 3a (BGH GRUR 2008, 534 - ueber18.de). Kritik:

Hier geht es nicht um Verbraucherschutz, sondern um den Schutz der Allgemeinheit. Das

UWG sollte nicht eine (vermeintliche) Lücke im Ordnungsrecht schließen.

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IV. Rechtsfolgen

Lit.: Emmerich/Lange, §§ 21- 24; zur Haftung von Intermediären Hofmann, JuS 2017, 713 ff.; Ohly, GRUR 2017, 441 ff.

Übungsfall (nach BGH GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal)

F betreibt das Reisebewertungsportal „ferienratgeber.de“. H ist Inhaberin des Hotels „Zum gol-denen Hirschen“ in Waldhapfing. Am 20.1.2019 erscheint auf dem Portal eine unter dem Pseu-donym „pistensau25“ veröffentlichte Bewertung dieses Hotels unter der Überschrift „7 Tage reinster Horror“. Dort heißt es, das Bad sei verschimmelt und das Essen miserabel gewesen. H, die beides bestreitet, fragt nach ihren Ansprüchen gegen F.

1. Zivilrechtliche Ansprüche

a) Überblick

Allgemeines zum lauterkeitsrechtlichen Sanktionensystem

• Im Vordergrund des deutschen Lauterkeitsrechts stehen zivilrechtliche Ansprüche. Anders

einige ausländische Rechtsordnungen, in denen strafrechtliche Verbote (z.B. Frankreich)

oder die freiwillige Selbstkontrolle der Werbewirtschaft (z.B. Großbritannien) eine wichtige

Rolle spielen.

• Die Anspruchsgrundlage setzt sich zusammen aus der Norm, die die erstrebte Rechtsfolge

anordnet (§§ 8-10 UWG), § 3 I und dem konkreten Unlauterkeitstatbestand (§§ 4-6 UWG),

Ausnahme: § 7 verweist direkt auf §§ 8-10 UWG, hier ist § 3 UWG unanwendbar (und daher

nicht zu zitieren).

• Besonderheit der UWG-Ansprüche gegenüber dem Immaterialgüterrecht und dem allge-

meinen Zivilrecht ist deren kollektivrechtlicher Einschlag

− Erweiterte Aktivlegitimation für Unterlassungsansprüche (nicht aber für Schadenser-

satzansprüche!) in § 8 III

− Gewinnabschöpfungsanspruch (§ 10) als Anspruchsform sui generis

• Kurze Verjährung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche (§ 11): 6 Monate.

• Prozessuale Besonderheiten (§§ 12 ff.), näher dazu unten, V.

• Individuelle Ansprüche der Verbraucher?

− Bisher in §§ 8 ff. UWG nicht vorgesehen

− § 3 UWG als Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB? Str., dafür: Wortlaut des § 1 UWG, da-

gegen: Instrumentarium der §§ 8 ff. UWG abschließend.

− Aber in Umsetzung des neuen Art. 11a URG-RL Schadensersatzanspruch des Verbrau-

chers in § 9 II n.F. vorgesehen. Problem: Konkurrenz mit dem Vertragsrecht. Hierzu

vertiefend und brandaktuell Köhler, WRP 2021, 129

b) Der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (§ 8 I UWG) Bedeutung

• Der Unterlassungsanspruch ist mit Abstand der bedeutendste UWG-Anspruch

• Er erlaubt es Konkurrenten und Verbänden, das unlautere Verhalten für die Zukunft zu un-

terbinden.

Page 231: Gliederung - LMU

LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 111

• Dagegen ist ein Schaden (§ 9) oft nicht nachweisbar und wird daher selten geltend gemacht.

• Der Unterlassungsanspruch wird üblicherweise durch vorprozessuale Abmahnung (§ 12 I 1)

geltend gemacht, durch die der Gegner zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungser-

klärung aufgefordert wird. Wenn sie erteilt wird, entfällt die Wiederholungsgefahr. So wird

ein großer Teil aller UWG-Streitigkeiten schnell und unkompliziert beigelegt. Allerdings be-

steht Missbrauchsgefahr, die soeben zu Änderungen in §§ 8 ff., 13 f. UWG geführt hat. Die

Änderungen des § 8 III treten aber erst am 1.12.2021 in Kraft.

Allgemeine Voraussetzungen

• Aktivlegitimation (§ 8 III, dazu näher sogleich)

• Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch sind verschuldensunabhängig.

• Beseitigungsanspruch setzt nur Verstoß gegen § 3 I oder § 7 I UWG voraus. Gerichtet auf

Beseitigung einer fortbestehenden Störungsquelle. Beispiele: Widerruf einer rufschädigen-

den Tatsachenbehauptung, Beseitigung eines irreführenden Werbeplakats, Veröffentlichung

einer Richtigstellung. Überschneidung mit dem Unterlassungsanspruch beim Anspruch auf

Beseitigung rechtsverletzender Inhalte im Internet.

• Meinungsstreit derzeit: Geht der Unterlassungsanspruch auch auf Rückruf von Produkten

aus der Vertriebskette? Ja, sagen BGH GRUR 2017, 208 – Rescue-Tropfen; GRUR 2018, 292

– Produkte zur Wundversorgung (zum MarkenG) nein, sagt die h.M., dazu lesenswert das

Pro und Contra von Ahrens und Lubberger, GRUR 2018, 374 ff., 378 ff.

• Weitere Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs:

− Wiederholungsgefahr (§ 8 I 1), wird bei Vorliegen eines Verstoßes widerleglich ver-

mutet, Ausschluss aber bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- (auch: Unter-

werfungs-) -erklärung

− Vorbeugender Unterlassungsanspruch bei Erstbegehungsgefahr (§ 8 I 2), für die tat-

sächliche Anhaltspunkte sprechen müssen, z.B. Vorbereitungshandlungen, Berühmung

Aktivlegitimation (§ 8 III UWG): Wer ist Anspruchsgläubiger?

• Mitbewerber (Nr. 1, s. § 2 I Nr. 3): konkretes Wettbewerbsverhältnis erforderlich, aber wei-

ter Mitbewerberbegriff des BGH (s.o., II 3), künftig (ab 1.12.2021) Einschränkung auf Mit-

Unter-

lassung

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 112

bewerber, die „in nicht unerheblichem Maße ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertrei-

ben oder nachfragen“

• Wirtschaftsverbände (Nr. 2) z.B. Verbände bestimmter Branchen, Berufsverbände, Kam-

mern, Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs

­ bisher unter den (kumulativen) Voraussetzungen der Nr. 2, insb. Wettbewerbsverhält-

nis der Mitglieder zum Anspruchsgegner erforderlich

­ künftig (am 1.12.2021) Umstellung auf Listensystem (wie jetzt schon unter Nr. 3), also

Eintragung durch das Bundesamt für Justiz unter den Voraussetzungen des § 8b n.F.

• Verbraucherverbände (Nr. 3), hier gilt das Listensystem (vgl. § 4 UKlG): nur Verbände, die

in die vom Bundesverwaltungsamt geführte Liste (www.bundesjustizamt.de, Menüpunkte

„Handels- und Wirtschaftsrecht“/„Verbraucherschutz“) eingetragen sind, sind aktivlegiti-

miert, die Eintragung ist also konstitutiv

• IHKen und Handwerkskammern (Nr. 4)

• Allerdings ist bei den mitbewerberschützenden Tatbeständen des § 4 (nach einer M.M.

auch bei § 6 II Nr. 4-6) nur der betroffene Mitbewerber aktivlegitimiert → teleologische Re-

duktion des § 8 III

• Einschränkung bei missbräuchlicher Geltendmachung (§ 8c, früher § 8 IV), Beispiele in §

8c II. In diesem Fall Gegenanspruch des Abgemahnten auf Erstattung der Rechtsverteidi-

gungskosten (§ 8c III).

Passivlegitimation = Wer ist Anspruchsschuldner?

• Verletzer, dabei gilt der Einheitstäterbegriff (§ 830 BGB): Verletzer = Täter, Mittäter, Anstif-

ter oder Gehilfe

• Unterlassungsanspruch gegen Unternehmensinhaber besteht auch Zuwiderhandlungen

durch Mitarbeiter und Beauftragte (§ 8 II), dabei (anders als unter § 831 BGB) keine Ex-

kulpationsmöglichkeit. Achtung: Gilt (anders als im Markenrecht) nicht für den Schadenser-

satzanspruch (§ 9), hier bleibt es bei §§ 31; 831 BGB

• Vorstände einer AG bzw. Geschäftsführer einer GmbH haften nicht automatisch nach außen

(BGH GRUR 2014, 883 – Geschäftsführerhaftung), sondern nur

- bei Sorgfaltswidrigkeit im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft

- nach außen, wenn sie die unlautere Handlung selbst begehen

- oder wenn sie lauterkeitsrechtliche Verkehrspflichten (zB durch Organisationsverschul-

den oder Ingerenz) verletzen

• Außerdem haften Intermediäre, wenn sie lauterkeitsrechtliche Verkehrspflichten verletzen

(dazu sogleich)

Intermediärshaftung: Grundlagen

• Ebenso wie im Recht des geistigen Eigentums gibt es vor allem im Internet viele Mittelsper-

sonen (Foren- und Plattformbetreiber, Zugangsvermittler, Inhaber von Internetanschlüssen),

die selbst keine unlautere Handlung begehen, aber eine Ursache setzen, indem sie die Mög-

lichkeit zur Verletzung bereitstellen. Allerdings sind die Tätigkeiten an sich legal und er-

wünscht, man kann sie daher nicht verbieten.

• Lösung im geistigen Eigentum und früher auch im UWG: Störerhaftung (analog § 1004

BGB)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 113

- abzugrenzen von der täterschaftlichen Handlung,

- sollte auch eingreifen, wenn der Störer selbst (z.B. wegen Fehlens einer Wettbewerbs-

handlung) nicht Normadressat war,

- nur Unterlassungs- kein Schadensersatzanspruch.

• Dogmatische Neuausrichtung in BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei

eBay: Grundlage ist nunmehr die täterschaftliche Verletzung lauterkeitsrechtlicher Ver-

kehrspflichten (Parallele zur Haftung des mittelbaren Verursachers unter § 823 I BGB). Of-

fene Fragen:

- Besteht gegen den mittelbaren Verletzer jetzt auch (anders als früher) ein Schadenser-

satzanspruch? Wohl (+)

- Muss der Intermediär geschäftlich handeln (§ 2 I Nr. 1)? Ja, denn die Haftung ist täter-

schaftlich. Unter § 3a muss der Intermediär außerdem die Täterqualifikation aufweisen,

die von der verletzten Norm verlangt wird.

- Muss der unmittelbar Handelnde (im Übungsfall der pseudonyme Bewerter) geschäft-

lich handeln? Nach Rspr nicht, es genügt eine (konkrete) Gefährdung lauterkeitsrecht-

lich geschützter Interessen, das erscheint zweifelhaft.

- Gilt die Neuausrichtung auch für das geistige Eigentum? Nach der Rspr. (-), nach h.L.

(+)

• Rechtsgrundlage? Str.

- Rspr. früher: § 3 I bzw. im B2C-Verhältnis § 3 II in direkter Anwendung, dabei unklar,

ob der vom unmittelbar Handelnden verwirklichte Tatbestand zu prüfen ist.

- A.A. (m.E. zutreffend): Rechtsgrundlage ist der konkrete Unlauterkeitstatbestand (z.B. §

4 Nr. 1 oder 2 im Übungsfall), der vom unmittelbar Handelnden komplett verwirklicht

werden muss. Die Frage, ob der Intermediär wegen Verletzung von Verkehrspflichten

haftet, ist Zurechnungsfrage. Daher (ggf. inzident) immer auch Prüfung der unmittelba-

ren Verletzung, ebenso wie bei der Anstiftung. So möglicherweise jetzt auch BGH

GRUR 2020, 543 – Kundenbewertungen auf Amazon

• Trotz der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen (täterschaftliche Haftung im UWG, § 1004

BGB analog im geistigen Eigentum) gelten inhaltlich dieselben Grundsätze. Weil die Störer-

haftung im Urheberrecht am wichtigsten ist, sollte das Skript „Einführung ins geistige Ei-

gentum“, Teil VIII, ergänzend gelesen werden.

• Daneben Haftung bei unzureichender Sicherung eines eBay-Accounts. Hier soll der Inhaber

unabhängig von der Verletzung von Prüfungspflichten haften: BGH GRUR 2009, 597 – Halz-

band.

Intermediärshaftung: die Privilegierung von Internet-Dienstleistern (§§ 7-10 TMG)

• Internet-Dienstleister wie Zugangsvermittler (z.B. T-Online), Marktplätze (z.B. eBay), Porta-

le (z.B. Tripadvisor) oder soziale Netzwerke können nicht alle Informationen auf Rechtmä-

ßigkeit überprüfen.

• Differenzierung: Zugangsvermittler (z.B. Telekom, W-LAN-Betreiber) können Informationen

nicht im Einzelfall prüfen, sondern allenfalls den Zugang sperren, von Plattformbetreibern

kann erwartet werden, dass sie auf eine Nachricht hin den rechtswidrigen Inhalt sperren

(„notice and takedown“) und Vorkehrungen gegen gleichartige Verletzungen treffen

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• Daher Art. 12-15 E-Commerce-RL, umgesetzt in § 7-10 TMG (Details in der Vorlesung „Ein-

führung in das geistige Eigentum, VIII):

­ Haftung für eigene Informationen nach allgemeinen Gesetzen (§ 7 I TMG)

­ Bei fremden Informationen keine allgemeine Prüf- und Überwachungspflicht (Art. 15

ECRL = § 7 II TMG)

­ Zugangsvermittler (Art. 12 ECRL, § 8 I TMG): keine Prüfpflichten, aber Möglichkeit von

Sperranordnungen im Einzelfall (§ 7 IV TMG)

­ Hosts (z.B. Plattformen, Sharehoster): nur “notice and takedown”, aber nach EuGH

GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay muss der Host auch dafür sorgen, dass gleichartige

Handlungen nicht mehr vorfallen, praktisch also „notice and action“ bzw. „notice and

staydown“

• §§ 7-10 TMG gelten nur für passive, rein technische und automatische Tätigkeiten (EUGH

GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay), das ist bei Portalen mit weitgehendem Service für Nut-

zer (eBay, YouTube) zweifelhaft

• Verhältnis zu den deutschen Grundsätzen über die Verletzung von Verkehrspflichten?

- Frühere Rspr: §§ 7-10 TMG sind auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar

- Inzwischen stellt § 8 I für Zugangsvermittler klar, dass auch Unterlassungsansprüche er-

fasst sind, ebenso wohl für § 10 TMG

- Wo baut man §§ 7-10 TMG in die Prüfung ein? Unklar und teilweise str. § 8 TMG

schließt die Haftung nach §§ 3 I, 8 UWG völlig aus, es bestehen nur noch Ansprüche

gem. § 7 IV TMG → bei Zugangsvermittlern Prüfung gleich am Anfang. Bei Hosts besser

bei Bestimmung der Verkehrspflichten prüfen.

• Änderung der Art. 12-15 ECRL im Digital Services Act der EU geplant.

Intermediärshaftung: Voraussetzungen

• Abgrenzung zur Täterschaft: wer eigene Inhalte anbietet oder sich fremde Inhalte zu eigen

macht, haftet als Täter. Entscheidend ist der Gesamteindruck des Web-Angebots aus Sicht

des durchschnittlichen Nutzers (BGH GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal; BGH

GRUR 2020, 543 – Kundenbewertungen auf Amazon). Täterschaft auch bei Verletzung von

Kennzeichnungspflichten, die den Plattformbetreiber treffen (z.B. § 5b III, Nr. 23b der

Schwarzen Liste nach dem RegE eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes).

• Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1), weil der Intermediär sonst nicht zu den Adressaten

des UWG gehören würde

• Unmittelbare Verletzung durch einen Dritten, er braucht nach Rspr nicht geschäftlich zu

handeln, nach a.A. muss der Dritte den kompletten UWG-Tatbestand verwirklichen (s.o.)

• Kausalität zwischen dem Verhalten des Intermediärs und der Verletzung und Möglichkeit

der Abhilfe

• Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten, in der Regel Pflicht zur Beseitigung

rechtsverletzender Inhalte nach entsprechendem Hinweis und Vorsorge gegen gleichartige

Verletzungen. Reichweite dieser Pflicht unterschiedlich – Kriterien:

- Wertungen der §§ 7-10 TMG, vor allem des § 10 TMG beim Hosting, m.E. hier einzu-

bauen (s.o.)

- aktiver Störer (der Verletzungen Dritter herausfordert) oder neutraler Störer?

- Bedeutung der Tätigkeit für das Allgemeininteresse

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- Kosten und Wirksamkeit möglicher Prüfungs- oder Abhilfemaßnahmen

- Gewicht der gefährdeten Interessen

- Möglichkeit des Selbstschutzes

- Möglichkeit, gegen den unmittelbaren Verletzer vorzugehen

• Fallgruppen

- Medien: im Anzeigengeschäft wegen Art. 5 I 2 GG Beschränkung auf die Entdeckung

unschwer erkennbarer Verstöße

- Domainnamen: die DENIC ist nur zur Sperrung verpflichtet, wenn ihr ein rechtskräftiger

Titel vorliegt oder der Fall ganz eindeutig ist

- Internet-Portale: Pflicht zur Beseitigung rechtswidriger Inhalte nach Hinweis und zur

Vorbeugung gegen künftige Verstöße („notice and staydown“)

- Access Provider (zB T-Online): keine Überwachungspflichten, aber nach der urheber-

rechtlichen Rspr des BGH Möglichkeit von Sperranordnungen

- Hyperlinks: Pflicht zur Löschung bei Hinweis auf rechtswidrige Inhalte (Beispiel: irrefüh-

render Inhalt entgegen § 5), bisher fraglich was gilt, wenn die Rechtswidrigkeit umstrit-

ten ist, näher BGH GRUR 2016, 209 – Haftung für Hyperlink

• Weiterführend: Ohly, GRUR 2017, 441 ff.

c) Schadensersatz und Gewinnabschöpfung (§§ 9, 10 UWG) Schadensersatz (§ 9 UWG)

• Zusätzliche Voraussetzung = Vorsatz oder Fahrlässigkeit, Beschränkung auf Vorsatz im Fall

des § 9, 2 (Presseprivileg)

• Aktivlegitimation:

­ Mitbewerber (§ 9 I), dabei nach BGH keine Beschränkung auf Verletzung mitbewerber-

schützender Normen

­ Nach dem RegE eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes künftig auch

Verbraucher bei Verstößen gegen §§ 4a-5a (§ 9 II), dazu Köhler, WRP 2021, 129

• Anspruchsinhalt: §§ 249 ff. BGB, Problem: Auswirkungen einer unlauteren Handlung sind

schwer zu beziffern und nachzuweisen, daher bisher geringe praktische Bedeutung des

SchE’anspruchs. Praktische Bedeutung des künftigen Schadensersatzanspruchs für Ver-

braucher schwer abzuschätzen.

• Anders in den Fällen des § 4 Nr. 3 UWG und der §§ 17 ff. UWG (ebenso künftig gem. § 10

GeschGehG) weil hier nach Rspr. und h.L. die Möglichkeit der dreifachen Schadensberech-

nung besteht (näher dazu die Vorlesung „Einführung in das geistige Eigentum“, Teil VIII)

- konkreter Schaden oder

- angemessene Lizenzgebühr (Lizenzanalogie) oder

- Herausgabe des Verletzergewinns

• Das ist aber eine Ausnahme, die ihre Rechtfertigung in der Nähe des Nachahmungs- und

Geheimnisschutzes zum Immaterialgüterrecht findet. Grundsätzlich steht die dreifache

Schadensberechnung im UWG nicht zur Verfügung.

Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG)

• Hintergrund: Durchsetzungsdefizite bei Streuschäden

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• Lösung in ausländischen Rechtsordnungen: straf- oder ordnungsrechtliche Sanktionen

• § 10 kombiniert zivil- und strafrechtliche Elemente und weist damit Verwandtschaft mit den

punitive damages des US-Rechts auf.

• Voraussetzungen:

- Vorsätzlicher Verstoß gegen § 3

- Gewinnerzielung zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern

- Aktivlegitimation: die gem. § 8 III Nr. 2-4 sachbefugten Verbände und Kammern

• Folge: Gewinnherausgabe an den Bundeshaushalt, dabei Anrechnung sonstiger Schadens-

ersatzleistungen und Strafen (§ 10 II), Anspruchsteller kann Erstattung seiner Kosten ver-

langen (§ 10 IV). Die Einschaltung eines Prozessfinanzierers ist auch unzulässig (BGH

GRUR 2018, 1166 – Prozessfinanzierer).

• § 10 läuft wegen des Vorsatzerfordernisses und der Pflicht zur Abführung an den Bundes-

haushalt weitgehend leer und hat sich als „bunter Papiertiger“ (Micklitz) erwiesen. Daher

Forderungen nach einer strengeren Ausgestaltung.

2. Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten

Überblick

• Geringe Bedeutung des Strafrechts im UWG

• § 16 I UWG: Strafbarkeit bei vorsätzlicher irreführender Werbung, könnte im VW-

Dieselskandal von Bedeutung sein

• § 16 II UWG: Strafbarkeit der progressiven Kundenwerbung („Schneeballsystem“)

• § 20 UWG: 2009 eingeführter Bußgeldtatbestand für unerlaubte Telefonwerbung

• Künftig gem. §§ 5c, 19 UWG nach dem RegE eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucher-

schutzes Bußgelder bei grenzüberschreitenden Verstößen gegen verbraucherschützende

Vorschriften

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V. Wettbewerbsverfahrensrecht

Lit.: Emmerich/Lange, §§ 25- 27; vertiefend (z.B. für Seminararbeiten) Teplitzky, Wettbe-werbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. (2019)

1. Überblick

Wettbewerbsverfahren = Verfahren zur Durchsetzung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche

• Regelungsgegenstand i.e.S. ist das Verfahren zur Durchsetzung der Ansprüche aus §§ 8 –

10 UWG

• Aber enge Verwandtschaft mit dem immaterialgüterrechtlichen Verletzungsverfahren =

Verfahren wegen der Verletzung gewerblicher Schutzrechte (Patent, Gebrauchsmuster, Ge-

schmacksmuster, Kennzeichenrechte) oder des Urheberrechts, viele Grundsätze gelten für

beide Gebiete

• Ebenfalls gewisse Verwandtschaft mit dem Verfahren zur zivilrechtlichen Durchsetzung

kartellrechtlicher Ansprüche (§ 33 GWB), dagegen ist das eigentliche Kartellverfahren ein

Verwaltungsverfahren.

• Der Wettbewerbsprozess ist eine Form des Zivilprozesses, es gelten die Vorschriften der

ZPO. Kein Verwaltungsverfahren im Verbraucherschutz (anders als in vielen anderen EU-

Staaten).

• Aber es gibt verschiedene Besonderheiten, die sich aus der Eigenart des Lauterkeitsrechts

ergeben und die häufig richterrechtlich entwickelt wurden.

2. Abmahnung und Unterwerfung

Abmahnung: Begriff

• Mitteilung eines Anspruchsberechtigten an einen Verletzer,

• dass er sich durch eine im Einzelnen bezeichnete Handlung wettbewerbswidrig verhalten

habe,

• verbunden mit der Aufforderung, das Verhalten in Zukunft zu unterlassen

• und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

• Synonym (vor allem im Immaterialgüterrecht): Verwarnung.

Bedeutung der Abmahnung

• Soll vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens erfolgen (§ 13, früher § 12 I 2)

• Vorteil für den Mahnenden:

- Warnung des Abgemahnten, der Wettbewerbswidrigkeit möglicherweise nicht kennt

(Parallele: Mahnung im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse)

- Folge: ab Zugang zumindest Fahrlässigkeit bei Fortsetzung des Verhaltens, damit sind

Schadensersatzansprüche begründet

- durch Vertragsstrafe abgesicherte Unterwerfungserklärung ist fast so gut wie ein voll-

streckbarer Titel

- Vermeidung der Kostenfolge des § 93 ZPO

• Vorteil für den Abgemahnten:

- kann gerichtliches Verfahren abwenden

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 118

- kann sich durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage oder Einreichung einer

Schutzschrift wehren

• Keine Rechtspflicht zur Abmahnung und keine Prozessvoraussetzung, bloße Obliegenheit.

• Doppelnatur: vorprozessuale Verfahrenshandlung und Angebot zum Abschluss eines Un-

terwerfungsvertrags.

• Praktische Bedeutung: Abmahnung erfolgt regelmäßig, nach Schätzungen erledigen sich 90

– 95 % aller Streitigkeiten nach Abmahnung und Unterwerfungserklärung. Erhebliche Be-

deutung auch im Immaterialgüterrecht, insb. im Kennzeichenrecht.

Form und Inhalt der Abmahnung

• Keine vorgeschriebene Form, praktisch aber regelmäßig Schriftform (Fax oder E-Mail ge-

nügt), schon wegen der Erfordernisse des § 13 II

• Zugangsbedürftig (str.), Vorlage einer Vollmacht nicht erforderlich: § 174 BGB nicht an-

wendbar, wenn (wie regelmäßig) zugleich ein Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungs-

vertrags abgegeben wird.

• Inhalt (§ 13 II)

- Name oder Firma des Abmahnenden und Informationen zur Anspruchsberechtigung (§

8 III)

- Bezeichnung des Abgemahnten: Täter, Beteiligter, Störer (näher dazu unter III 2)

- Angaben zum Aufwendungsersatz bzw. Hinweis auf dessen Ausschluss

- genaue Beschreibung der wettbewerbswidrigen Handlung, Angabe von Beweismitteln

nicht erforderlich (strenger die immaterialgüterrechtliche Rechtsprechung)

- Unterlassungsverlangen mit Setzung einer angemessenen Frist, Länge abhängig von

Schwere des Verstoßes und Dringlichkeit (praktisch oft 2-7 Tage), Folge bei zu kurzer

Frist: Wenn Verwarner klagt, tritt die Kostenfolge des § 93 ZPO ein.

- Angabe der Vertragsstrafe (dazu sogleich)

- Androhung gerichtlicher Schritte bei Verweigerung der Unterwerfung

- Höhe des geforderten Aufwendungsersatzes

• Vertragsstrafe (§ 339 BGB) bei Verstoß

- Sichert den Anspruchsteller ab, wenn es zu einem erneuten Verstoß kommt

- Praktisch meist zwischen 2.000 und 10.000 €

- Problem der missbräuchlich hohen Vertragsstrafenandrohung, gerade gegenüber KMU

- Lösung seit 2020: Ausschluss- und Begrenzungstatbestände in § 13a II, III, Beschrän-

kung unangemessen hoher Vertragsstrafe auf angemessene Höhe (§ 13a IV, dazu die

Bemessungskriterien des § 13a I)

Entbehrlichkeit der Abmahnung

• Hintergrund: Abmahnung soll erfolgen (§ 13), ausnahmsweise kann eine Veranlassung des

Beklagten zur Klageerhebung (§ 93 ZPO) auch ohne Abmahnung vorliegen.

• Abmahnung voraussichtlich erfolglos

• Abmahnung unzumutbar, z.B. wegen „Gefahr im Verzug“, besonderer Eilbedürftigkeit,

wiederholter Verletzung oder Verzögerungstaktik des Abgemahnten

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• Problem für Vorgerückte: die Abgabe einer notariellen Unterlassungserklärung reicht nicht

(BGH GRUR 2016, 1316).

Rechtsfolgen

• Unterwerfungserklärung (dazu sogleich) schließt Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsge-

fahr aus, damit entfällt der Unterlassungsanspruch.

• Kostenerstattungsanspruch bei UWG-Abmahnung (§ 13 III), Voraussetzungen:

- Berechtigung der Abmahnung = UWG-Verstoß liegt vor, fehlt im Fall des Missbrauchs

(§ 8c UWG), insb. bei Abmahnung zum Zweck der Gebührenerzielung, s. im Übrigen die

in § 8c II genannten Fallgruppen

- Erforderlichkeit der Kosten, fehlt bei anwaltlicher Abmahnung etwa, wenn Abmahner

über eigene Sachkenntnis verfügt (z.B. Verband im Fall des § 8 III UWG, Rechtsabtei-

lung eines Unternehmens)

- Ausschluss des Kostenerstattungsanspruchs bei Verstoß gegen Kennzeichnungspflich-

ten im elektronischen Geschäftsverkehr und bei Verstößen gegen Datenschutzrecht,

insb. die DSGVO (hier aber nach verbreiteter Ansicht schon kein Verstoß gegen § 3a we-

gen abschließender Regelung der Rechtsfolgen), § 13 IV

• Kostenerstattungsanspruch bei Abmahnung wegen der Verletzung von Immaterialgüter-

rechten: im Urheberrecht Spezialnorm (§ 97a), ansonsten Schadensersatzanspruch nach

dem jeweiligen Schutzgesetz (§ 14 VI MarkenG; § 97 II UrhG; § 139 PatG) oder GoA, dabei

ebenfalls nur Ersatz der erforderlichen Kosten

• Reaktionsmöglichkeiten des Abgemahnten:

- Abgabe der Unterwerfungserklärung

- Ignorieren der Abmahnung (mit Gefahr eines anschließenden Verfahrens und von

SchE‘ansprüchen, weil nach hM die Abmahnung ein gesetzliches Schuldverhältnis be-

gründet)

- Einreichung einer Schutzschrift (dazu unten, 3)

- Erhebung einer negativen Feststellungsklage (nach h.M. ohne Gegenabmahnung)

• Ansprüche wegen ungerechtfertigter wettbewerbsrechtlicher Abmahnung?

- Bei missbräuchlicher Abmahnung Anspruch auf Ersatz der Rechtsverteidigungskos-

ten aus § 8 V.

- Die Grundsätze über die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung (s.o. bei § 4 Nr. 4) gel-

ten nach h.M. nicht uneingeschränkt für die Abmahnung wegen unlauterer Handlungen

- Bei falschen Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten kann ein Anspruch aus §§ 4 Nr.

8; 3; 8 f UWG bestehen, nicht jedoch bei falscher Subsumtion

- Anspruch aus §§ 4 Nr. 4; 3; 8 f UWG bzw. § 826 BGB nach h.M. nur bei positiver Kennt-

nis der fehlenden Wettbewerbswidrigkeit

Die Unterwerfungserklärung

• Unterwerfungserklärung = uneingeschränkte, unwiderrufliche und bedingungslose Erklä-

rung des Verletzers unter Übernahme einer Vertragsstrafe (§ 13a) für den Fall der Zuwi-

derhandlung künftige Verletzungen zu unterlassen.

• Wirkung:

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- Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr entfällt, Schuldner hat damit die Möglichkeit,

auch Inanspruchnahme durch Dritte zu vermeiden

- Abmahner erhält durch Versprechen der Vertragsstrafe (= vertraglicher Anspruch im Fall

der Zuwiderhandlung) Sicherheit

- Notwendigkeit für einen Prozess entfällt.

• Zivilrechtlich handelt es sich um ein abstraktes Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB), das

durch Angebot und Annahme geschlossen wird.

Die Schutzschrift

• Schutzschrift = Schriftsatz, in dem der Angemahnte dem Gericht vorsorglich seine

Sicht der Dinge darstellt.

• Hintergrund:

- In der Abmahnung droht der Mahnende gerichtliche Schritte an. Die Schutzschrift be-

ruht auf der Befürchtung, dass was angedroht wird auch tatsächlich erfolgt.

- In dringenden Fällen kann die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung er-

gehen (§ 937 II ZPO), der Antragsgegner wird also überrascht.

- richterrechtlich entwickelt, Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG)

• keine gesetzliche Formvorschrift, praktisch aber Schriftform (Überschrift „Schutzschrift“

hilfreich)

• Antrag:

- Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

- hilfsweise Entscheidung nach mündlicher Verhandlung

• Problem: Der Abgemahnte weiß oft nicht, bei welchem Gericht die eV beantragt wird. Pra-

xis: Schutzschrift wird bei mehreren Gerichten eingereicht, insb. beim gem. § 14 I UWG

(vgl. § 14 II 2!) zuständigen Gericht und einigen LG‘en, die üblicherweise in UWG-Sachen

angerufen werden.

• Zustellung an den Gegner mit Eingang des Antrags auf Erlas der eV (str.)

• Gericht ist aus Art. 103 GG verpflichtet, die Schutzschrift zu berücksichtigen.

• Kosten:

- Wenn der Antrag nicht gestellt wird, dann allenfalls materiell-rechtliche Erstattungsan-

spruch wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung

- Wenn Antrag gestellt und zurückgewiesen oder zurückgenommen wird, Kostenerstat-

tungsanspruch gem. § 91 ZPO (str.)

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 121

3. Gerichtliche Durchsetzung

a) Zuständigkeit

Überblick

• Zuständigkeiten:

- sachlich: ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für Ansprüche aus UWG (§ 14

I), Markenrecht (§ 140 I MarkenG) und Patentrecht (§ 143 I PatG), im Urheberrecht gel-

ten die allgemeinen Vorschriften (§§ 21, 71 f. GVG: Abhängigkeit vom Streitwert).

- örtlich: § 14 II UWG (dazu gleich mehr), im Immaterialgüterrecht gelten die allgemei-

nen Vorschriften (§§ 12 ff. ZPO).

• Konzentrationsermächtigung = Ermächtigung der Landesregierung, durch VO die Zu-

ständigkeit bei einem oder mehreren LGen zu konzentrieren (§§ 14 III UWG; 105 UrhG; 143

II PatG; 140 II MarkenG). Sinn: Spezialmaterie lässt Streitentscheidung durch spezialisierte

Gerichte sinnvoll erscheinen. Wurde im Immaterialgüterrecht weitgehend genutzt (für Bay-

ern: LGe München I und Nürnberg-Fürth), im UWG bisher nur in Sachsen und Mecklen-

burg-Vorpommern.

Örtliche Zuständigkeit

• Grundsätzlich Wahlmöglichkeit des Klägers zwischen Gericht, in dessen Bezirk der Bekl.

seine Niederlassung oder seinen Wohnsitz hat (§ 14 II 1 UWG im Lauterkeitsrecht, § 12

ZPO im geistigen Eigentum) und Gerichtsstand des Begehungsortes (§ 14 II 2 UWG bzw. §

32 ZPO)

• Begehungsort ist da, wo zumindest eine Teilhandlung der Verletzungshandlung begangen

wurde, also auch dort, wo Werbung oder Verletzungsexemplare bestimmungsgemäß ver-

breitet werden.

• Besonderheit im Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht: unlautere Werbung oder Gegen-

stände, die ein Immaterialgüterrecht verletzen, werden oft an vielen Orten verbreitet (Bei-

spiele: unlautere Werbung in Presse, Rundfunk oder Internet, Verkauf rechtsverletzender

Gegenstände in verschiedenen Filialen einer Handelskette). Daher ist ein Gerichtsstand

Prüfungsschema zu § 8 UWG: Zulässigkeit

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit

a) sachlich: Landgericht (§ 14 I)

b) örtlich: Niederlassung oder Wohnsitz des Beklagten (§ 14 II 1), Be-

gehungsort (§ 14 II 2 UWG, beachte die Ausnahme in § 14 II 3!)

2. Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253 II Nr. 2 ZPO)

3. allgemeine Prozessvoraussetzungen

II. Begründetheit: (+), wenn ein Anspruch aus §§ 3 I, 8 ff. bzw. §§ 7, 8 ff. besteht, s.

dazu oben, II 1.

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gem. §§ 14 II 1 UWG bzw. § 32 ZPO an zahlreichen Orten eröffnet („fliegender Ge-

richtsstand“). Der Kläger hat also eine Wahlmöglichkeit.

• Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands im UWG wurde mehrfach diskutiert (so bereits

im UrhG für Verfahren gegen Private, § 104a UrhG). Nachteil: Benachteiligung des Beklag-

ten, Möglichkeit des forum shopping, Vorteil: Bündelung bei besonders erfahrenen Gerich-

ten (Hamburg, Frankfurt, Köln, München), während bei Abschaffung unerfahrene Gerichte

mit komplexen UWG-Fragen zu kämpfen hätten.

• Ausnahmen:

- Verstöße im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien (§ 14 II 2 Nr. 1), Bei-

spiel: Anspruch aus §§ 5a II, IV, 5 TMG wegen fehlender Impressumsangaben

- Ansprüche der gem. § 8 III Nr. 2-4 Anspruchsberechtigten = Verbände und IHK’en (§ 14

II 2 Nr. 2)

- Richterrechtliche Einschränkung: Fehlen von wirtschaftlichen Auswirkungen im Bezirk

des Gerichts. Beispiel: Kein Gerichtsstand in Hamburg, wenn Münchener Frisör mit loka-

lem Kundenkreis im Internet mit irreführenden Angaben ein markenverletzendes Sham-

poo ohne Versandmöglichkeit anbietet.

• Medien im Einzelnen:

- Presse: Gerichtsstand überall dort begründet, wo das Presseerzeugnis bestimmungsge-

mäß verbreitet wird

- Rundfunk, Fernsehen: sämtliche Orte, an denen das Programm bestimmungsgemäß zur

Kenntnis genommen wird (übliches Sendegebiet, bei Möglichkeit des Online-Radios al-

lerdings wohl auch gesamtes Bundesgebiet), daneben auch der Sendeort

- Internet: grundsätzlich gesamtes Bundesgebiet, Einschränkung aber im elektronischen

Geschäftsverkehr (bisher unklare Frage: gibt es geschäftliche Handlungen im Internet,

die nicht im elektronischen Geschäftsverkehr erfolgen?) oder bei rein lokalen Angebo-

ten, s.o.

- Angebot verletzender Erzeugnisse: überall dort, wo das Angebot tatsächlich erfolgt, bei

Werbung auch überall dort, wo Werbung bestimmungsgemäß zur Kenntnis genommen

wird.

• § 14 II ist ein ausschließlicher Gerichtsstand, daher keine Zuständigkeit kraft rügeloser

Verhandlung (§ 39 ZPO), anders im Immaterialgüterrecht. Bei Anspruchskonkurrenz mit

kennzeichenrechtlichen Ansprüchen gilt § 14 UWG nicht, s. § 141 MarkenG.

Internationale Zuständigkeit

• Im Immaterialgüter- und Lauterkeitsrecht wegen der ubiquitären Natur der Immaterialgü-

terrechte und des häufig grenzüberschreitenden Charakters der Werbung von besonderer

Bedeutung.

• Regelung durch Europäische Gerichtsstands- und VollstreckungsVO (EuGVVO oder Brüs-

sel Ia-VO), im Verhältnis zur Schweiz das Abkommen von Lugano (LugÜ), beide sind weit-

gehend mit der EuGVVO inhaltsgleich. Wichtigste Gerichtsstände im Wettbewerbs- und

Immaterialgüterrecht: Geschäfts- bzw. Wohnsitz des Beklagten (Art. 4 I) und Tatort (Art. 7

Nr. 2).

• Wenn EuGVVO nicht einschlägig, gelten die §§ 14 II UWG, 12 ZPO, die in diesem Fall nicht

nur die örtliche, sondern auch die internationale Zuständigkeit regeln.

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• Die internationale Zuständigkeit ist von Amts wegen zu prüfen.

• Problem bei Handlungen im Internet: Begründet die weltweite Abrufbarkeit die internatio-

nale (Tatort-) Zuständigkeit jedes beliebigen Gerichts weltweit? Beispiel: BGH GRUR 2005,

431 – Hotel Maritime. Antwort: Erforderlich für die Rechtsverletzung ist eine wirtschaftli-

che Auswirkung auf den deutschen Markt str. ist aber, ob sie bereits im Rahmen der Zu-

ständigkeit von Amts wegen zu prüfen ist.

- Dafür: Zuständigkeitsinteressen des Beklagten, dem nicht angesonnen werden kann,

sich weltweit auf Prozesse einzulassen.

- Dagegen: Tatsachen, die sich in gleicher Weise auf Zuständigkeit und Begründetheit

auswirken („doppelrelevante Tatsachen“) werden erst im Rahmen der Begründetheit ge-

prüft, im Rahmen der Zuständigkeit genügt die schlüssige Behauptung.

- Lösung: Wenn sich schon aus dem Klägervortrag Fehlen jeglicher Auswirkung ergibt,

fehlt es an der internationalen Zuständigkeit. Wenn eine Beweiserhebung oder ausführ-

lichere Erörterung erforderlich ist, genügt die Abrufbarkeit zur Begründung der Zustän-

digkeit, das Auswirkungsprinzip ist dann im Rahmen der Verletzung zu prüfen.

b) Anträge

Bedeutung

• „Der Unterlassungsantrag ist das Kernstück eines jeden Wettbewerbsprozesses. Seine

Formulierung gehört zu den wichtigsten, aber auch schwierigsten Aufgaben des Anwalts

und daneben auch des Gerichts.“ (Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, Rn. 22/1)

• Ausgangspunkte:

- prozessuales Bestimmtheitsgebot (§ 253 II 2 ZPO): Der Klageantrag muss bestimmt sein.

Ist er es nicht, so ist die Klage unzulässig.

- materiellrechtliches Konkretisierungsgebot: Der Kläger muss die Rechtsverletzung dar-

legen und ggf. beweisen. Tut er das nicht, so ist die Klage unbegründet.

• Problem: Abstraktion – wird nur Unterlassung der konkret erfolgten Verletzung verlangt, so

kann der Verletzer das Unterlassungsgebot einfach umgehen. Aber: Je abstrakter, desto

unbestimmter.

• 3 typische Fehler (Teplitzky/Schwippert, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Rn. 51/5 ff.):

- Formulierung zu vage, Klage daher unzulässig.

- Formulierung zu weit, Klage daher (teilweise) unbegründet (Kostenfolge: § 92 ZPO)

- Formulierung verfehlt die konkrete Verletzungsform, Klage daher insgesamt unbegrün-

det.

Bestimmtheitsgebot (§ 253 II Nr. 2 ZPO)

• Der Klageantrag muss hinreichend bestimmt sein.

- Der Antrag legt den Streitgegenstand fest und definiert daher, worüber das Gericht zu

entscheiden hat.

- Der Urteilstenor bildet die Grundlage für das Vollstreckungsverfahren.

• Prüfung von Amts wegen.

• § 139 I ZPO: Das Gericht hat auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken.

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• Folge fehlender Bestimmtheit: Klage ist durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.

• Verallgemeinerungen sind zulässig, wenn ihre Reichweite bei objektiver Auslegung aus

Sicht der angesprochenen Verkehrskreise erfassbar ist.

- zu unbestimmt beispielsweise: „Anzeigen ähnlich wie die veröffentlichte“, „Beiträge, die

inhaltlich Werbung sind“, „üblicher Marktpreis“, „herabsetzende Äußerungen“, „zu ei-

ner den privaten Rahmen überschreitenden Veranstaltung einzuladen“. „deutlich her-

vorgehobener Hinweis“

- hinreichend bestimmt hingegen: „wörtlich oder sinngemäß“, „Sportartikel“, „Geräte der

Unterhaltungselektronik“

Konkretisierungsgebot

• Der Kläger muss formulieren, was genau er am Verhalten des Gegners beanstandet.

• Der Klageantrag darf nur Verhaltensweisen umfassen, die der Kläger beanstanden kann

und soll nur Verhaltensweisen umfassen, die der Kläger beanstanden will.

• Kein prozessuales Erfordernis, aber Gefahr der Klageabweisung wegen Unbegründetheit.

• Ausgangspunkt ist die erfolgte oder befürchtete Verletzungsform. Wenn verallgemeinert

wird, muss dennoch das „Charakteristische“ bzw. der „Kern“ der Verletzung zum Ausdruck

kommen („Kerntheorie“).

• Beliebt ist der „insbesondere“-Antrag, möglich etwa: Verallgemeinerung, gefolgt von kon-

kreter Verletzungsform, die mit „insbesondere“ eingeführt wird (Beispiel nach BGH GRUR

1984, 593: Unterlassung der Werbung für adidas-Sportartikel, insbesondere den adidas

Sportschuh „Rom“)

c) Einstweilige Verfügung Bedeutung der einstweiligen Verfügung in Wettbewerbssachen

• Im Lauterkeitsrecht ist die einstweilige Verfügung der vorrangige Rechtsbehelf, auch im

Immaterialgüterrecht ist sie von erheblicher Bedeutung.

Voraussetzungen: I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (Gericht der Hauptsache: §§ 937, 919 ZPO)

2. Bestimmtheit des Antrags (§ 253 II Nr. 2 ZPO) 3. Behauptung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund 4. Allgemeine Prozessvoraussetzungen, kein Anwaltszwang (§§ 936, 920, 78 V

ZPO) 5. Rechtsschutzbedürfnis

II. Begründetheit: Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) von … 1. Verfügungsanspruch = materiell-rechtlicher Anspruch

2. Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) = Dringlichkeit, wird gem. § 12 II UWG vermutet

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• „Durch die Unterlassungsverfügung wird das gewährt, worauf es im Wirtschaftsleben am

meisten ankommt: eine den Interessen des Augenblicks angepasste schnelle und durchgrei-

fende Entscheidung, die weitere Verstöße unterbindet. Ein schneller vorläufiger Titel ist in

aller Regel mehr wert als das beste Endurteil nach mehreren Jahren.“ (Ahrens/Jestaedt, Der

Wettbewerbsprozess, Rn. 43/2)

• Oft führt die einstweilige Verfügung, insb. in Verbindung mit einer Abschlusserklärung, zur

endgültigen Beilegung des Verfahrens.

Zulässigkeit

• Zur Zuständigkeit und zur Bestimmtheit des Antrags s.o.

• Rechtsschutzbedürfnis, entfällt, wenn der Antragsteller bereits über einen vollstreckbaren

Titel verfügt, hingegen ist der Missbrauch der Klagebefugnis (§ 8 IV UWG) eine Frage der

Aktivlegitimation und das Vorliegen einer Unterwerfungserklärung eine Frage der Wieder-

holungsgefahr.

• Keine Voraussetzung ist die vorherige Abmahnung. Daher kann eine Partei das Kostenrisi-

ko in Kauf nehmen und ohne vorherige Abmahnung eine einstweilige Verfügung erwirken.

Begründetheit: bei Vorliegen von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund

• Verfügungsanspruch ist der materiell-rechtliche Anspruch. Würde in einer Klausur nach

den Erfolgsaussichten eines Antrags auf Erlass einer eV gefragt, wäre das Bestehen des

Anspruchs hier zu prüfen.

• Verfügungsgrund = Dringlichkeit (§§ 935, 940 ZPO)

- wird gem. § 12 I UWG in Wettbewerbssachen vermutet.

- analoge Anwendbarkeit auf Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums? str., da-

gegen: im Markenrecht fehlt an einer Regelungslücke, denn bei Neuregelung des Mar-

kenrechts 1994 war die Vorgängerbestimmung von § 12 I UWG dem Gesetzgeber be-

kannt, im Patentrecht ist die Interessenlage wegen der Komplexität patentrechtlicher

Sachverhalte nicht vergleichbar

- Widerlegung, wenn Dringlichkeit aufgrund der Fallumstände ausscheidet, z.B. bei perio-

disch wiederkehrenden Verstößen („jedes Jahr zum Oktoberfest“)

- Wann ist die Vermutung bei Zuwarten des Antragstellers widerlegt? Unterschiedliche

Praxis der OLGe, schwankt zwischen 1 Monat (OLGe München, Nürnberg-Fürth) und bis

zu 6 Mo (OLG Hamburg)

• Verfügungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen. Mittel der Glaubhaftmachung

(§ 294 ZPO): alle präsenten Beweismittel

Verfahren

• Die einstweilige Verfügung ergeht aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil oder –

in dringenden Fällen (§ 937 II ZPO) – ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss.

Gründe für besondere Dringlichkeit: Notwendigkeit des Überraschungseffekts, kurze Zeit-

spanne (z.B. bis zum Erscheinen einer Zeitung), dabei allerdings Beachtung des Grundsat-

zes der prozessualen Waffengleichheit, dessen Verletzung das BVerfG jüngst mehrfach ge-

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rügt hat (z.B. BVerfG GRUR 2020, 1236, dazu Bornkamm, GRUR 2020, 715), insb. wenn der

Antrag nicht einer unmittelbar zuvor ausgesprochenen Abmahnung entspricht

• Kosten: §§ 91 ff. ZPO, insb. § 93 ZPO, wenn keine vorherige Abmahnung erfolgt ist.

• Rechtsbehelfe des Antragstellers:

- gegen Beschlüsse: Beschwerde (§§ 567 ff ZPO)

- gegen Urteile: Berufung, nicht jedoch Revision (§ 542 II 1 ZPO)

- Folge: Verfügungsverfahren enden nicht beim BGH, daher keine höchstrichterliche Klä-

rung bei Divergenzen zwischen der Rechtsprechung mehrerer OLGe

• Rechtsbehelfe des Antragsgegners:

- Schutzschrift (kein eigentlicher Rechtsbehelf, eher Vorbeugung)

- gegen Beschlüsse: Widerspruch (§§ 936, 924 I ZPO), führt zur mündlichen Verhandlung,

auch isolierter Kostenwiderspruch möglich

- gegen Urteile: Berufung, nicht aber Revision

- Antrag auf Fristsetzung zur Klageerhebung (§ 926 I ZPO)

- Antrag auf Aufhebung der eV wegen veränderter Umstände (Wegfall des Verfügungsan-

spruchs oder -grundes oder bei Vollziehung)

• Die eV ist ein vollstreckbarer Titel.

• Sie ist innerhalb eines Monats zu vollziehen (§§ 936, 929 II ZPO), das bedeutet:

- Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen bzw.

- bei Unterlassungsverfügung Parteizustellung (§ 191 ff. ZPO) in vollständiger Form

- Wegen der Parteizustellung kann der Kläger vorläufig auf die Zustellung verzichten und

warten, ob der Anspruchsgegner sich einer Abmahnung unterwirft („Schubladenverfü-

gung“). Unterwirft er sich nicht, so erlaubt die „Schubladenverfügung“ einen Überra-

schungsangriff (in Anwaltskreisen auch als „Pearl Harbour“-Variante bezeichnet).

Abschlussverfahren

• Die eV regelt nur vorläufig. Häufig sind die Parteien aber an einem Hauptsacheverfahren

nicht mehr interessiert. Durch das Abschlussverfahren wird der Rechtsstreit beendet.

• Vorsicht: nicht mit der Unterwerfungserklärung (= vor- bzw. außerprozessuale Streitbeile-

gung) verwechseln, die Abschlusserklärung macht einen vorläufigen Titel zum endgültigen

• Abschlussschreiben = Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner zur Abgabe einer

Abschlusserklärung innerhalb einer angemessenen Frist, bei Ablehnung durch den Schuld-

ner und anschließender Hauptsacheklage Abwendung der Kostenfolge des § 93 ZPO.

• Abschlusserklärung = Verzicht auf alle möglichen Rechtsbehelfe gegen die eV, stellt den

Gläubiger so als hätte er einen endgültigen Titel

4. Einigungsstellen (§ 15 UWG)

Bedeutung und Verfahren

• dienen der Herbeiführung eines gütlichen Ausgleichs

• keine Schiedsgerichte

• können durch jeden aus UWG-Ansprüchen Aktiv- oder Passivlegitimierten angerufen wer-

den.

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• Verfahren weitgehend frei, keine Gebühren, nur Anspruch der IHK auf Auslagenersatz

• Während des Verfahrens sind Leistungs- und Feststellungsklagen unzulässig, ein Antrag

auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedoch möglich (Arg. § 15 X 2 UWG). Die Ver-

jährung ist gehemmt.

• Verfahren kann durch Vergleich beendet werden.