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93 GM 256 (2018) sYMBOlKrAFt der GeOMetrie im Alten Ägypten Werner Hönig In diesem Artikel wird die Symbolkraft der Geometrie im alten Ägypten beleuchtet. zur symbolischen Bedeutung findet man in der Fachliteratur einige Hinweise. So beschreibt Pierre Montet 1 in seinem Werk „Das Leben der Pharaonen“: Die Pyramide ist das Grab des Königs, aber ihre Bedeutung reicht weiter. Sie ist eine Gottheit, der König selbst, nicht der Sterbliche, der ein paar Jahre auf dem Thron des Horus saß, sondern ein Wesen, dessen Bestimmung Unsterblichkeit bedeutete.Dieses zitat verdeutlicht, dass Geometrie und religiöse Symbolik hier zusammen gedacht werden müssen, also eins sind. Aus der Idee heraus, einen menschlichen Körper durch besondere Merkmale in ein Gebäude hinein zu projizieren, sind im Mittelalter christliche Kirchen entstanden. Diese hatten als Grundriss die Form eines Kreuzes, wobei der Kopfteil nach Osten zur aufgehenden Sonne ausgerichtet wurde. Derartige zusammenhänge sind auch an der Cheopspyramide zu finden, nachgewiesen insb. durch Messungen von W. M. Flinders Petrie 2 und Georges Goyon 3 , 4 . Das Heft Nr. 248 der Göttinger Miszellen enthält einen Beitrag, der sich mit Untersuchungen der beiden Schächte in der Königinnenkammer der Cheopspyramide im zeitraum von 1872 bis zum Jahr 2011 befasst. Unter anderem wurden Untersuchungen der Längen und die geometrischen Gegebenheiten der beiden Schächte beschrieben. Diese belegen die Richtigkeit der geometrischen Berechnungen und der daraus entwickelten religiösen Sonnensymbolik in der Cheopspyramide. Für die beiden Kammerschächte wurden im zusammenhang mit der Entwicklung der Theorie der religiösen Sonnensymbolik vom geometrischen Ausgangspunkt eine Länge von 121 Ellen (=11x11 Ellen) festgestellt 5 . Diese zur Sonnensymbolik gehörenden Schächte sind Teil einer Konstruktion in Form einer Raute. Genau diese Streckenangabe, bestätigt durch James P. Allen 6 und Luca Miatello 7 , haben Arbeiter vor über 4500 Jahren am oberen geometrischen Ende des südlichen Schachtes hinter dem Blockierstein auf dem Boden 8 in roter hieratischer Schreibschrift dokumentiert. Im Rahmen dieses Artikels soll die Symbolik der Geometrie im Alten Ägypten anhand verschiedener Aspekte verdeutlich werden. zunächst werden die zusammenhänge am Beispiel der Konstruktion der Cheopspyramide beschrieben. Im Anschluss werden detailliert Einsatz und symbolische Bedeutung der Geißel erläutert. 1 Vgl. Pierre Montet, Das Leben der Pharaonen, Pawlak Verlag Herrsching, S. 29. 2 Vgl. W.M. Flinders Petrie, The Pyramids and Temples, London 1883. 3 Vgl. Georges Goyon, Die Cheopspyramide, Geheimnis und Geschichte, Bergisch Gladbach, 1979, Gustav Lübbe Verlag, S. 236-238 und Werner Hönig <<Discussions in Egyptology>>, Oxford, 1988 DE Nr. 12, S. 39. 4 Alle diese Messungen mussten zuerst in Fingerbreiten von 18,7 mm auf den 28zigsten Teil der ägyptischen Elle von 523,8 mm umgerechnet werden. Vgl. Werner Hönig, Discussions in Egyptology, Oxford, 1988 DE Nr. 10, S. 27. 5 Vgl. Werner Hönig, Discussions in Egyptology (Oxford 2006), Heft Nr. 64, Seiten 32-35. 6 Vgl. Stefan Bergdoll in: Göttinger Miszellen, 2016 GM Nr. 248, S. 80; Anmerkung 77. 7 Vgl. Luca Miatello in: online:http://news.discovery.com/history/ancient-egypt/pyramid-hieroglyph-markings- archaeologist-110607.htm. 8 Vgl. Stefan Bergdoll in: Göttinger Miszellen, 2016 GM Nr. 248, Abbildung S. 80.

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sYMBOlKrAFt der GeOMetrie im Alten Ägypten

Werner Hönig

In diesem Artikel wird die Symbolkraft der Geometrie im alten Ägypten beleuchtet. zur symbolischen Bedeutung findet man in der Fachliteratur einige Hinweise. So beschreibt Pierre Montet 1 in seinem Werk „Das Leben der Pharaonen“: „Die Pyramide ist das Grab des Königs, aber ihre Bedeutung reicht weiter. Sie ist eine Gottheit, der König selbst, nicht der Sterbliche, der ein paar Jahre auf dem Thron des Horus saß, sondern ein Wesen, dessen Bestimmung Unsterblichkeit bedeutete.“Dieses zitat verdeutlicht, dass Geometrie und religiöse Symbolik hier zusammen gedacht werden müssen, also eins sind. Aus der Idee heraus, einen menschlichen Körper durch besondere Merkmale in ein Gebäude hinein zu projizieren, sind im Mittelalter christliche Kirchen entstanden. Diese hatten als Grundriss die Form eines Kreuzes, wobei der Kopfteil nach Osten zur aufgehenden Sonne ausgerichtet wurde.Derartige zusammenhänge sind auch an der Cheopspyramide zu finden, nachgewiesen insb. durch Messungen von W. M. Flinders Petrie2 und Georges Goyon3,4.

Das Heft Nr. 248 der Göttinger Miszellen enthält einen Beitrag, der sich mit Untersuchungen der beiden Schächte in der Königinnenkammer der Cheopspyramide im zeitraum von 1872 bis zum Jahr 2011 befasst. Unter anderem wurden Untersuchungen der Längen und die geometrischen Gegebenheiten der beiden Schächte beschrieben. Diese belegen die Richtigkeit der geometrischen Berechnungen und der daraus entwickelten religiösen Sonnensymbolik in der Cheopspyramide. Für die beiden Kammerschächte wurden im zusammenhang mit der Entwicklung der Theorie der religiösen Sonnensymbolik vom geometrischen Ausgangspunkt eine Länge von 121 Ellen (=11x11 Ellen) festgestellt5. Diese zur Sonnensymbolik gehörenden Schächte sind Teil einer Konstruktion in Form einer Raute. Genau diese Streckenangabe, bestätigt durch James P. Allen6 und Luca Miatello7, haben Arbeiter vor über 4500 Jahren am oberen geometrischen Ende des südlichen Schachtes hinter dem Blockierstein auf dem Boden8 in roter hieratischer Schreibschrift dokumentiert.

Im Rahmen dieses Artikels soll die Symbolik der Geometrie im Alten Ägypten anhand verschiedener Aspekte verdeutlich werden. zunächst werden die zusammenhänge am Beispiel der Konstruktion der Cheopspyramide beschrieben. Im Anschluss werden detailliert Einsatz und symbolische Bedeutung der Geißel erläutert. 1 Vgl. Pierre Montet, Das Leben der Pharaonen, Pawlak Verlag Herrsching, S. 29. 2 Vgl. W.M. Flinders Petrie, The Pyramids and Temples, London 1883. 3 Vgl. Georges Goyon, Die Cheopspyramide, Geheimnis und Geschichte, Bergisch Gladbach, 1979, Gustav Lübbe Verlag, S. 236-238 und Werner Hönig <<Discussions in Egyptology>>, Oxford, 1988 DE Nr. 12, S. 39. 4 Alle diese Messungen mussten zuerst in Fingerbreiten von 18,7 mm auf den 28zigsten Teil der ägyptischen Elle von 523,8 mm umgerechnet werden. Vgl. Werner Hönig, Discussions in Egyptology, Oxford, 1988 DE Nr. 10, S. 27. 5 Vgl. Werner Hönig, Discussions in Egyptology (Oxford 2006), Heft Nr. 64, Seiten 32-35. 6 Vgl. Stefan Bergdoll in: Göttinger Miszellen, 2016 GM Nr. 248, S. 80; Anmerkung 77. 7 Vgl. Luca Miatello in: online:http://news.discovery.com/history/ancient-egypt/pyramid-hieroglyph-markings-archaeologist-110607.htm. 8 Vgl. Stefan Bergdoll in: Göttinger Miszellen, 2016 GM Nr. 248, Abbildung S. 80.

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Da diese ursprünglich bei der Durchführung von Feldvermessungen (Kultlauf König Djoser) zum Einsatz kam, wird abschließend auch auf die verwendete geometrische Symbolik, insb. von Was-zepter, Djed-Pfeiler und Dexel, eingegangen.

Geometrie und symbolik in der Cheopspyramide

Universalgelehrte mit Fähigkeiten in Anatomie, Geometrie, Mathematik und Astronomie waren im alten Ägypten zu großen Leistungen fähig9. Dieses Wissen war eingebettet in religiös mythologische Denkstrukturen. zentrum dieser Wissenschaften war Heliopolis, in dem das zentrale Element der altägyptischen Religion des Sonnenkultes aufzufinden war. Es ist anzunehmen, dass die Idee zum Projekt von den drei Pyramiden auf dem Plateau von Gizeh schon viele Jahrzehnte vor seiner praktischen Umsetzung entstanden ist. In diesem zusammenhang ist erklärbar, dass alle schweren und unförmigen Steinbauteile im Inneren der Cheopspyramide schon lange vor dem Baubeginn angefertigt wurden. Bis zur Einbauphase sind die Bauteile schließlich vom jeweiligen Steinlagenplateau nach vorübergehender zwischenlagerung zum nächsten Steinlagenplateauplatz mitgewandert. Dieses galt auch für alle größeren Skulpturen bis hin zum Abschlussstein. Im Folgenden wird dargelegt, wie im Einzelnen vorgegangen wurde. Als erste Baumaßnahme wurden die Verkleidungssteine der Pyramidenkernscheiben10 und die vier Ecksteine genau horizontal zueinander gesetzt. Das gilt für jede der 200 Steinlagen. Dabei wurde das bis heute bekannte Gangsystem von 2 Ellen Breite vom Pyramideneingang ausgehend für die königlichen Kammern 14 Ellen östlich aus der Pyramidenmitte an die nördliche Kernscheibe heranführend in Vorschubbauweise eingearbeitet. Die noch fehlenden Verkleidungssteine wurden anschließend entsprechend platziert. Als letztes wurde das jeweilige Steinlagenplateau waagerecht zu den Verkleidungssteinen mit Steinblöcken ausgefüllt. Das geschah bis zu heute sichtbaren Pyramidenplattform. Bis zur oberen Steinlage konnten noch Feinarbeiten für die Kammern, Gänge und Schachtsysteme auf dem jeweiligen Steinlagenplateau durchgeführt werden. Bruchsteine, die anfielen, kamen in die zwischenräume der Steinlagen, was sich bei Erdbeben als Vorteil herausgestellt hat. Erst wenn die großen Verschlussplatten11 unterhalb der heute sichtbaren Giebelsteine mit dem dahinterliegenden großen Eingang, der direkt zur Großen Galerie führt, entfernt werden, wird man in zukunft zu weiteren Gang und Kammersystemen vordringen können. Eine Rampe, die vom Nil-Kanal bis zum großen Eingang hinaufführte, war notwendig, um Steine aus Rosengranit für die Kammersysteme und den eigentlichen Pyramidenbau in die entsprechenden Positionen einbauen zu können.

In erster Linie hatte die Große Pyramide als Grabmal für Cheops seine Bedeutung. Aus zweiter Sicht war die Pyramide für die Astronomie und Geodäsie von großem Nutzen. Von der Pyramidenplattform als Aussichtspunkt konnten bestimmte Objekte auf der Erde anvisiert und astronomische Beobachtungen von Sonne, Mond, den Planeten und dem Sternenhimmel durchgeführt werden. An dritter Stelle ist die Cheopspyramdie im Innern ein Sonnensymbol12 mit einem aufrecht stehenden Osiris als Fruchtbarkeitsgott einschließlich der neun Götter von Heliopolis, die durch die 9 Vgl. W. Helck und E. Otto Kleines Wörterbuch der Ägyptologie, Wiesbaden, 1970, S. 157 (Imhotep). 10 Vgl. Werner Hönig in: DE Nr. 64, 2006, S. 25. 11 Vgl. Werner Hönig in: DE Nr. 20, 1991, S. 20. 12 Vgl. Werner Hönig in: DE Nr. 64, 2006, S.39.

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innere Bauausführung13 als Symbole zugegen sind. Dadurch hatte die Cheopspyramide eine religiöse Bestimmung, vergleichbar mit den christlichen Kreuzkirchen im Mittelalter.

Abbildung 1, Die Geißel

13 Vgl. Werner Hönig in: DE Nr. 33, 1995, S. 33 – S. 39.

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einsatz und symbolische Bedeutung der Geißel

Der Schlüssel zum Verständnis der Cheopspyramide ist die als geometrisches und religiöses Machtsymbol zu deutende sogenannte „Geißel“ (Flagellum)14.Besonders anschaulich wird diese Symbolik anhand der Geißel vom dritten Osiris Goldsarg Tut-ench-Amuns. Die Geißel wurde im November 1925 von Howard Carter gesäubert. Leider wurde in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts eine ungenaue Restaurierung der Geißel vorgenommen. Glücklicherweise sind aus der zeit nach 1925/26 Fotos vom dritten Osiris Goldsarg mit der Geißel vorhanden. Die Geißel (vgl. Abbildung 1) war mit einem Dreifachseilgehänge als Lotstrecke (Ankathete=11 Teile), sowie einem gegenüberliegenden Holzgriff mit Kupfervierkantanreißstab zur zeichnerischen Konstruktion einer Böschungsstrecke (Hypotenuse=14 Teile) ausgestattet worden. Gleiche Streckenverhältnisse finden wir an der Cheopspyramide in den beiden Längen von Pyramidenhöhe und Böschungsstrecke.

Durch dem Seilgehänge gegenüberliegenden Haltestab, bestehend überwiegend aus einem Kupferkern mit Holzgriff, sowie einer vergoldeten Dreiecksspitze, werden die Geißel-Gehängeeinteilungen in einer lotrechten Stellung gehalten. Angefangen mit einem teilweise blau markierten goldfarbigen Kreiszylinderteil. Danach vierfach, wahrscheinlich ursprünglich fünffach, übereinander abwechselnd in blau, rot und goldfarbig aufgereihte Kreiskegeln. Diese stehen symbolisch für den Bereich des Phallus. Im oberen Teil des Dreifachseilgehänges nach den drei goldfarbigen zylinderteilen befindet sich der symbolische Kopfteil. Dieser ist ebenfalls mit farbigen Kegeln bestückt. An der fünften Position von sieben Kegelreihen befindet sich das Auge des Osiris Goldsarges. Hier durch hellblaue Kegel angegeben. Der Mund wird durch grüne Kegel in der dritten Kegelreihe angezeigt. Diesdeutet auf den in Darstellungen grün angemalten Osiris als Fruchtbarkeits- und Totengott hin. Angelegt an ein Quadratgitternetz mit 28er Rasterunterteilung bis zur Geißelspitze liegt das hellblaue Osiris Götterauge in der 21er Position lotrecht zur Kreiskegel und Kreiszylinder-Seilgehängeeinteilung. Vergleichbares finden wir anhand der Steinlagen an der Cheopspyramide. So sind es von Georges Gayon lotrecht metrisch gemessen bis zur 150. Steinlage 109,99 m15 über der Pyramidenbasis. Das sind genau 210 Ellen. Dieses entspricht der Position des Auges von Osiris als symbolisch dargestellte Gottheit in der Cheopspyramide. In heutiger zeit würde man das vollkommen harmonische Dreieck der Geißel des Gottes Osiris mit den damals nicht bekannten Werten 1:√𝜑𝜑:φ bezeichnend, wobei φ=1,618 die stetige Teilung ist. zum Vergleich wurde die Chephrenpyramide nach dem Dreieck 3:4:5 ausgerichtet. Die Geißel als Symbol für den Toten und Fruchtbarkeitsgott Osiris ist zugleich als geometrisches und religiöses Machtsymbol für die Ewigkeit gedacht. Sie ist ein Spiegelbild der Cheopspyramide. So sind die Streckenverhältnisse an der Geißel, gleich denen an der Cheopspyramide:

A Pyramidenhöhe zur halben südlichen Pyramidengrundkantenlänge 14 Teile zu 11 Teile. Danach beträgt die Höhe der Cheopspyramide genau 280 Ellen bzw. 146,65 m.

B Pyramidenböschung zur Pyramidenhöhe ebenfalls 14 Teile zu 11 Teile (wobei ein geringer Höhenunterschied von 8 cm entsteht). Bei Verwendung dieses 14 Vgl. Flagellum (ägyptische Mythologie) - Wikipedia. 15 Vgl. Werner Hönig, Discussions in egyptology, Oxford, 1988 DE Nr. 12 S. 39 und 1989 DE Nr. 14 S. 51.

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Streckenverhältnisses betrüge somit die Höhe der Pyramide 146,57 m bei gleicher halber südlicher Pyramidengrundkantenlänge.

Durch diese Unterschiede entsteht außen an der Cheopspyramide auf allen vier Seiten in der Mitte eine konkave Einbuchtung. Deutlich sichtbar wird diese Erscheinung zweimal im Jahr zu Tagundnachtgleiche. Beachtlich erscheint in diesem zusammenhang, dass 11 Teile durch 14 geteilt rechnerisch 0,786 ergeben, also nahezu dem damals nicht bekannten 𝜋𝜋𝜋Viertelwert von 0,785. Die einzige vorhandene 8 cm hohe Elfenbeinfigur von Cheops mit der Geißel in der rechten Hand steht im Eingangsbereich des ägyptischen Museums in Kairo unter einer Glashaube geschützt. Die Geißel in der Hand von Cheops drückt somit Geometrie und religiöse Machtsymbolik aus.

Geißeln haben in der Regel als Streckenverhältnis an der Böschungsseite (Hypotenuse) 14 Teillängen und am Lotrechten Seilgehänge (Ankathete) 11 Teillängen. Aber auch Geißeln mit dem Streckenverhältnis an der lotrechten Geißelhöhe mit Seilgehänge (Ankathete) 9 Teillängen zur Böschungsseite (Hypotenuse) 14 Teillängen wurden verwendet. Möglicherweise ist eine Geißel mit letztgenanntem Streckenverhältnis für die symbolischen Sonnenschächte in der Kammer der Königin zur Anwendung gekommen. So wie auch Geißeln mit verschiedenen Streckenverhältnissen für Osirissärge aus Holz verwendet wurden. Geißeln drücken die Streckenverhältnisse von Lotstrecke und Böschungsstrecke aus. Genutzt werden sie in verschiedenen praktischen wie symbolischen Anwendungsbereichen. Entsprechend ist die Vermessungsgeometrie des Südschachtes und Nordschachtes in der Kammer der Königin nach dem Streckenverhältnis Böschungslänge (Hypotenuse) 14 Teile mit einer Strecke von 121 Ellen (= 11 x 11 Ellen) zur lotrechten Höhe (Ankathete) von 9 Teilen konstruktiv angelegt worden (vgl. Abbildung 2). 12 Ellen sind es vom Ausgang Nullpunkt B bis zum Böschungsanfang der beiden Schächte. Von der Bodenmitte der Kammer der Königin betragen die drei Strecken bis zum Anfang der Schachtböschung 12 Ellen. Damit fallen von den zweifachen Nullpunkten bis zum Böschungsende der beiden Schächte vermessungstechnisch viermal 121 Ellen Streckenlänge an. Von der 11. Steinlage abwärts lotrecht bis zum Fundament sind es nach Georges Goyon’s metrischen Messungen16 an der Cheopspyramide 11,53 m. Das entspricht bis auf 1 cm genau 616 Fingerbreiten, gleich 22 Ellen. Die Diagonale (Hypotenuse) des dazugehörigen Rechtecks von 28 Ellen Basislänge ergibt 997 Fingerbreiten, gleich 35 Ellen, 4 Handbreiten und 1 Fingerbreite. Diese Strecke ist das Maß vom Fundament der Pyramidenbasis lotrecht zum geometrischen Ausgangs-Nullpunkt A für die Böschung der beiden Sonnenschächte in der Kammer der Königin. Geometrische Berechnungen waren im alten Ägypten häufig, wie im vorgenannten Fall, zum einen die Längen der lotrechten Höhen (Ankathete), und zum anderen die Böschungsstrecken (Hypotenuse). So zum Beispiel für den Bau von Rampen, die für den Transport von Steinmaterial benötigt wurden.

Die Geißel findet sich ebenfalls auf Darstellungen beim Fruchtbarkeitsgott Min. Hier schwebt die Geißel in geheimnisvoller Weise über der hoch erhobenen geöffneten Hand. Die schöpferische Hand als Ursprung des Urmaßes beinhaltet nicht nur das 16 Vgl. Werner Hönig, Discussions in Egyptology, Oxford, 1988 DE Nr. 12, S.39.

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Maß für die ägyptische Elle von 28 Fingerbreiten, gleich 7 Handbreiten (523,76 mm), sondern es enthalten die 4 Finger der Hand auch die Streckenverhältnisse 14:11 und sind somit die Grundlage für die Geometrie der Cheopspyramide. Der in einer späteren Dynastie entstandene Krummstab17 des Herrschers mit seiner Geißel ergibt einen zusätzlichen symbolischen Sinn. Dargestellt wird am Krummstab das Querschnittsprofil des Herrschers vom Rücken der Wirbelsäule aufwärts, über den Kopf, bis unterhalb der Nasenspitze.

Abbildung 2, Kammer der Königin, Geometrie der symbolischen Schächte

Pharaonen, die nach ihrem Tode zu Osiris wurden, brauchten auch im Jenseits ein religiöses sowie politisches Machtsymbol. Die Geißel ist als ein solches Machtsymbol verwendet worden. Fälschlicherweise wird die Geißel in der Literatur18

unter anderem als Dreschflegel bezeichnet. Ihren Ursprung hat sie aber in der Feldvermessung. Schon König Djoser hält bei einem Kultlauf, dargestellt auf einem Wandrelief in der Anlage von Sakkara, die Geißel in der rechten Hand und schreitet das zu vermessene Terrain seiner zukünftigen Tempelanlage ab. Dieses war gleichzeitig auch eine religiöse Handlung.

Geometrie und symbolik in der Feldvermessung

Die ägyptischen Feldvermesser haben bei den alljährlichen wiederkehrenden Vermessungsarbeiten drei durch Knoten eingeteilte Seile gespannt (vgl. Abbildung3), die zur Wiederherstellung eines vom Nilschlamm angetrocknet überdeckten und vormals überfluteten Feldes benutzt wurden. Das entstandene rechteckige Feld ist möglichst nach dem Streckenverhältnis 14:11 festgelegt worden, um eine einfache

17 Vgl. Wikipedia – Krummstab, https://wikipedia.org/wiki/Krummstab. 18 Siehe bspw. unter https://de.wiktionary.org/wiki/flagellum.

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Grenzsteinwiederherstellung und die dazugehörige Berechnung der Feldflächengröße zu ermöglichen.

Abbildung 3, Wandbild im Grab Menna

Meine Untersuchungen unter an-derem am menschlichen Finger mittels eines Reduktionszirkels ergaben einen Bezug zur Cheopspyramide. So ist das Streckenverhältnis obere große Fingergliedlänge zu der kleinen mittleren Fingergliedlänge am Treffpunkt beider Fingerglieder stetig geteilt (Goldener Schnitt =1,618=φ). Wird die Hand zur Faust gehalten, so erhält man am zeigefinger über den Daumen gesehen die Streckenverhält-nisse eines rechtwinkligen Drei-ecks für einen halben Pyramiden-

querschnitt mit der Pyramidenböschung als Hypotenuse (oberes Fingerglied) und der halben Pyramiden-Grundkantenlänge (mittleres Fingerglied) als Ankathete. Das Streckenverhältnis Pyramidenhöhe zur halben Pyramiden-Grundkantenlänge ist dann √𝜑𝜑:1 (vgl. auch Abbildung 1) oder einfacher 14:11 in der praktischen Anwendung.

Ein plastisches Beispiel für die Anwendung des harmonischen rechtwinkligen Dreiecks ist die Darstellung eines Wandbildes im Grab Ramses IX. Ramses IX liegt an der Böschung (Hypotenuse) des durch die Schlange als Nilsymbol gebildeten Dreiecks. Durch die maßstabsgetreue Abzeichnung von M. Felix Guilmant im Auftrag des französischen ägyptologischen Instituts in Kairo im Jahr 1907 ist es möglich, dem geheimnisvollen Inhalt des Wandbildes eine Deutung zu geben.

Die eindrucksvolle Darstellung Ramses IX mit der erhobenen Hand und dem erigierten Phallus in Verbindung mit der Schlange als Nilsymbol geben dem Wandbild einen fruchtbarkeitssymbolischen Sinn. Hand und Arm sind zum Himmel ausgestreckt,um die Spitze eines Obelisken anzuzeigen (vgl. Abbildung 4). Die Mittelfingerkuppe der linken Hand weist auf die Spitze des Obelisken- Dreiecks, welches nach dem Streckenverhältnis 2:1 dem rechtwinkligen Dreieck 1:2:√5 ausgerichtet ist.

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Abbildung 4, Wandbild im Grab Ramses IX - zeichnung von M. Felix Guilmant

Die Böschung der Obelisken-Spitze entspricht der Länge von 9 Handbreiten. Der daneben dargestellte Skarabäus mit einer Sonnenscheibe überflutet alles mit seinen Strahlen. Ramses IX schaut auf die Sonne als wolle er den Moment abwarten, an dem die vergoldete Spitze des Obelisken den reflektierenden Strahl der Sonne in die Ferne aussendet, um von der Anwesenheit des Herrschers zu künden. Das Wandbild im Grab Ramses IX (im absteigenden Gang) unterstreicht die Gleichwertigkeit von Obelisk und Pyramide. Beide Monumente sind in ihrer Bedeutung als Gottheit des jeweiligen Herrschers anzusehen. Pyramide und Obelisk sind mit der Person identisch, für die sie angefertigt wurden. So ist jeder Obelisk symbolisch wie eine Pyramide nach altägyptischer Vorstellung, ein menschliches und göttliches Wesen zugleich.

Die Konstruktionsschritte zum 14:11 Dreieck am Wandbild sind:

1) Bestimmung der Körpergröße Ramses IX, vom Fuß bis zu den Kopfhaaren (28 Handbreiten = 4 Ellen = 2,09 m)

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2) ziehen einer Böschungslinie (Hypotenuse) am Körperrücken von Ramses IX (dieses konnte z. B. durch Anlegen einer Geißel mit der Kupfervierkantanrisskante an einer zeichnungsvorlage für das Wandbild im Gang zum Grab geschehen)

3) Von der Augenmitte (Unterkante) der Schlange wird ein rechtwinkliges Dreieck zum Fußende Ramses IX gebildet. Die Konstruktionslinie am Fußende Ramses IX durchläuft 9 Wellen der Schlange, um dann an der Knickstelle der Schlange im rechten Winkel zum Schlangenauge hinaufzuführen. Die neun Wellen der Schlange sind Symbol für die Wellen des Nils, wodurch Ramses Sonnenbarke gradlinig mit den 9 Heliopolisgöttern nilabwärts von Theben Richtung fruchtbaren Nildelta dahingleitet.

Abbildung 5, Wandbild im Grab Ramsis IX

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Um die zusammenhänge des aus dem Griechischen stammenden WortesGeometrie (Erdvermessung) bei der Vermessung eines fruchtbaren Feldes im alten Ägypten in ihrer Symbolkraft zu verstehen, muss man die damals benutzten vermessungstechnischen Geräte, in ihren gegensätzlichen Anwendungen, näher untersuchen. zum einen als praktische Geräte auf Feld und Flur, und zum anderen als religiös zu verstehende symbolische Gebrauchsgegenstände.

Vermessungen mit Hilfe von Fluchtstäben waren im alten Ägypten verursacht durch die jährliche Nilschwemme der Felder zur Auffindung von Grenzsteinen unbedingt erforderlich. Der Nilschlamm, der aus dem Süden Ägyptens mit gewaltigen Wassermassen herankam, machte das Land, und hier insbesondere das Nildelta, fruchtbar. zurück blieb der schwarze Nilschlamm. Mit der Nil-Flut, die sich durch Sothis, dem Siriusstern am Erdhorizont, im Frühjahr ankündigt, konnte man anhand des Nilometers den einsetzenden Nilwasserhöchststand, also den optimalen zeitpunkt von Vermessungsarbeiten, vorausberechnen. Nach der Nilschlammtrocknung begann die Arbeit der Feldvermesser. Für Vermessungen von Feldern und Grundstücken wurden, wie auch in heutiger zeit, Fluchtstäbe verwendet. Anders als heute waren zur damaligen zeit praktische Vermessungsgeräte auch für religiöse, rituelle und symbo-lische Handlungen in Gebrauch. Häufig sind sogenannte Was-zepter auf bildlichen Darstellungen für verschieden Anwendungen zu sehen. zwei dieser Arten von Was-zeptern sind als Feldvermessungs-Fluchtstäbe zu bezeichnen. In einfacher Form besteht der Feldvermessungs-Fluchtstab (vgl. Abbildung 6a) und 6b)) aus Holz, mit angebrachten stilisierten Tierkopfschädel, der die Richtung, passend zur Gabelung am Fußende des Stabes, vorgibt, um damit einen kräftigen Stoß in den angetrockneten Nilschlamm mit der Hand auszuführen. Dadurch wird die gewünschte Standfestigkeit des Fluchtstabes erreicht.

Abbildung 6a) Wandbild im Grab Menna – Vermessungsarbeiten, 6b) Bauer mit Fluchstab

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In einer besonderen Form des Feldvermessungs-Fluchtstabes (Was-zepter), mit aufwendig hergerichteten Tierkopfschädel und seitlicher Schutzeinrichtung, wahr-scheinlich aus Federn gefertigt (vgl. Abbildung 7a), werden Sonnenstrahlen vom Auge des Benutzers ferngehalten. Diese Art von Fluchtstäben (Was-zepter) wurde zum Beispiel eingesetzt, um bei aufgehender und untergehender Sonne zur Tagundnachtgleiche eine Westostrichtung am Morgen beziehungsweise Ostwest-richtung am Abend für eine Tempelanlage oder Pyramide zu bestimmen. zu anderen Tageszeiten waren Fluchtstäbe für Vermessungsarbeiten nur mit einem stilisierten Tierkopfschädel im Gebrauch. Beide Arten von Fluchtstäben (Was-zepter) sind von gleicher Bedeutung in Darstellungen von religiös symbolischen Handlungen in Grab und Tempelanlagen. Gegenseitige Unterhaltungen mittels Fluchtstab (Was-zepter) mit stilisiertem Tierkopfschädel, waren durch Augen- und Sprachkontaktübertragung möglich (vgl. Abbildung 7a und 7b). zu sehen sind sich gegenüberstehende Personen, mit mittig dazwischen gehaltenem lotrecht stehenden Fluchtstab (im Fall der Könige, 7a, ausnahmsweise mit zwei Fluchtstäben). Die Fluchtstäbe waren mit stilisiertem Tierkopfschädel versehen, in dessen Auge sich zwei kreuzende unsichtbare Visierlinien treffen. Abgebildete Götter und Personen sind dadurch für alle Ewigkeit unsterblich im Gespräch anwesend. Darstellungen vom Anch-Lebenszeichen (vgl. Abbildung 7c), dessen ursprüngliche Bedeutung als Seilschlaufe aus Flachs19

zur Befestigung am Djed-Pfeiler diente, in Kombination mit dem Fluchtstab (Was-zepter), in der Hand einer Gottheit oder Person, deutet auf eine symbolisch religiöse Handlung hin, die der fruchtbaren Erde eine lebenspendende Kraft geben soll. Auf Darstellungen zur zeit Echnatons wird eine gleiche symbolische Kraft, durch die Sonnenstrahlenhände des Sonnengottes, auf alles erdliche Leben verteilt.

Abbildung 7, a) zwei Könige im Gespräch, b) König Sethos I mit Opfergaben vor Göttin Isis c) Anch Lebenssymbol als Flax Seilschlaufe, Kamm von König Uadji (1. Dynastie)

19 Vgl. U. Wicker, Flax and Egypt, Discussions in Egyptology, Oxford 1997 DE Nr. 39, S. 108.

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zur Abgrenzung von Pyramiden und Tempelanlagen wurden für Vermessungsarbeiten Djed-Pfeiler benötigt. Diese haben an ihrem Kopfteil zur Aufnahme von Seilen aus Flax mit Knoteneinteilungen drei übereinanderliegende vorstehende Einkerbungen (vgl. Abbildung 8), die zur Erstellung einer quadratischen oder rechteckigen ebenen Fläche dienten. zwei Seile, die jeweils mit drei Knoten ausgestattet sind, werden durch den mittleren Knoten im diagonalen Kreuzungsbereich der Feldfläche zur Deckung gebracht. Damit sind die rechten Winkel an den vier Ecken der Abgrenzung gewährleistet. Die Streckeneinteilungen für die Knoten auf den entsprechenden Seilen wurden vor Arbeitsbeginn genau berechnet und danach in die jeweiligen Knotenpositionen eingeknüpft. Vor Beginn eines Bauprojektes wurde durch den Pharao ein reich verzierter Djed-Pfeiler in einer religiös symbolischen Handlung auf einen Fundamentsockel aufgerichtet. zu sehen ist dieses Detail an der Südwestwand in der ersten Halle des Osiris-Komplexes im Totentempel des Sethos I von Abydos (vgl. Abbildung 9). Dort wird der königliche Feldvermesser zwischen Isis und Sethos I in verkleinerter Statue kniend auf dem Sockel des noch nicht aufrecht stehenden Djed-Pfeilers dargestellt. Aufgerichtet mit seinen beiden stützenden Händen, soll der Djed-Pfeiler lotrecht aufgestellt werden.

Abbildung 8, Anwendung von Djed-Pfeilern

Gott Ptah mit Djed-Pfeiler

Abbildung 9, Aufstellung eines Djed-Pfeilers durch Sethos I

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Nivellierungsarbeiten wurden von Feldvermessern mit Erfahrung in der Handhabung des Dexel ausgeführt. zur Anwendung spielte der rechte zeigefinger als horizontaler Waagepunkt und das verstellbare Gewicht unterhalb der messerscharfen Schneide beziehungsweise geschliffenen Visierfläche eine wichtige Rolle. Mit dem Dexel konnten horizontale sowie auch Flächen für Rampen mit einer bestimmten Böschung festgelegt werden. Die Spitzen mehrerer aufgestellter Stäbe wurden in eine Visierlinie für das entsprechende Bauvorhaben mit Hilfe des Dexel ausgerichtet. Ein schönes Beispiel für die Anwendung des Dexel ist die im Grab Tut-ench-Amuns dargestellte Wandmalerei, die König Eje als Priester im Leopardenfell und Tut-ench-Amun als Totengott Osiris zeigt. Auf einem zwischen beiden Personen aufgestellten Arbeitstisch liegen Geräte, die zur zeichnerischen sowie zur Anwendung im Gelände benötigt wurden (zirkel und Dexel, vgl. Abbildung 8). über dem dort vorhandenen Dexel ist die auch heute noch gebräuchliche zeichnerische Darstellung eines Wegeuntergrundes mittels unterschiedlichster Steinlagenarten einschließlich einer ebenmäßigen Befestigungsdecklage zu sehen.

Abbildung 8, symbolische Handhabung des Dexel durch König Eje vor Tut-Ench-Amun als Osiris

In gleicher Weise konnte ein Dexel auch für religiöse Handlungen benutzt werden. Am gebräuchlichsten ist hier die Mundöffnungszeremonie am Verstorbenen zur Wiederbelebung im Jenseits zu nennen. In der Darstellung im Grab Tut-ench-Amuns zwischen König Eje und Tut-ench-Amun als Osiris kommt eine andere symbolische Handlung zur Anwendung. Das gefährliche Gift der Uräusschlange auf der Stirn des verstorbenen Tut-ench-Amun musste unter Aufrechterhaltung des Augensichtkontaktes zwischen König Eje und dem Uräus-Schlangenmaul kontrolliert unschädlich gemacht werden, was hier mittels Dexel für alle zeit gewährleistet ist. Eine lebensbedrohende Situation wird dadurch im Jenseits ausgeschlossen.

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Es zeigt sich, dass die hochentwickelte ägyptische Geometrie einschließlich ihrer vermessungstechnischen Geräte für religiös symbolische Handlungen im täglichen Leben der Ägypter sowie für das unsterbliche Leben im Jenseits nach dem Tod unbedingt erforderlich war. Einen entscheidenden Beitrag hat damit die Symbolkraft der Geometrie für die fast 3000 Jahre anhaltende Kultur im Alten Ägypten. In diesem zusammenhang spielt die Geißel als auffälliges geometrisches Symbol, das jeden Betrachter in seinen Bann zieht, eine besondere Rolle.

Abbildung 11, Dritter innerster Goldsarg von Tut-ench-Amun als Osiris mit Geißel und Krummstab