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Christiane Gohl Julia am Ziel ihrer Träume

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Christiane GohlJulia am Ziel ihrer Träume

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DIE AUTORIN

Christiane Gohl wurde 1958 in Bochumgeboren. Die promovierte Pädagoginarbeitet als freie Fachjournalistin und Werbetexterin. Seit ihrem zehntenLebensjahr beschäftigt sie sich mitPferden und reitet in verschiedenenDisziplinen. Pferdefreundliches Reiten und artgerechte Haltung sind ihr dabei besonders wichtig. Mit ihren Sachbüchern und Romanen avancierte siein kurzer Zeit zu einer Bestsellerautorin der Pferdeszene.

Von Christiane Gohl ist bei OMNIBUS und cbj erschienen:Ein Pflegepferd für Julia (20793)Julia und das weiße Pony (20794)Julia und der Hengst aus Spanien (20795)Julias erster Wanderritt (20796)Julia und das Springpferd (21029)Ein Traumpferd für Julia (21028)Julia und ihr Fohlen (21025)Julia – Aufregung im Reitverein (21027)Julia – Ferienjob mitIslandpferden (21026)Julia und der Dressurstar (21024)Julia – Neue Pferde, neue Freunde (21258)Julia – Ein Pferd für zwei (21257)Julia und der Pferdeflüsterer (21259)Julia – Reitbeteiligung gesucht (21260)Julia und die Nachtreiter (21261)Julia und das Reitturnier (21262)Julia – Eifersucht im Reitstall (21508)Julia – Ferien im Sattel (21518)Julia – Reiterglück mitHindernissen (21408)Sophie – Alles für ein PferdSophie – Endlich Reitstunden!Sophie – Zoff im ReitstallSophie – Ferien mit PferdenSophie – Heimliche AusritteWeitere Bände der beiden Serien sind in Vorbereitung.

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Christiane Gohl

Julia am Ziel ihrer Träume

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OMNIBUS ist der Taschenbuchverlag für Kinderin der Verlagsgruppe Random House

Umwelthinweis:Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuchessind chlorfrei und umweltschonend.

1. AuflageErstmals als OMNIBUS Taschenbuch Februar 2006Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform © 2003 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co.,StuttgartAlle Rechte an dieser Ausgabe vorbehalten durchOMNIBUS, MünchenIllustrationen im Anhang: Rahel SchaleUmschlagbild und Vignette: Peter KlauckeUmschlaggestaltung: Atelier Langenfass, Ismaningkb · Herstellung: CZSatz: Uhl + Massopust, AalenDruck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckISBN-10: 3-570-21409-5ISBN-13: 978-3-570-21409-1Printed in Germany

www.omnibus-verlag.de

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Inhalt

Nur Fliegen ist schöner 7Für Megan wird’s ernst 18Der erste Schritt zum Reitabzeichen 32Rodeo bei Walters 42Ein ganz gelassenes Pferd 53Sättel für Coffee 61Auf dem Sprung 71Dittie macht nicht mehr mit 85Mutproben 95Neue Pferde in Sicht 100Start frei fürs Reitabzeichen 112Große und kleine Sprünge 122Zwei Herzen für zwei Ponys 132

Kleines illustriertes Reiterlexikonmit Zeichnungen von Rahel Schale 141

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Nur Fliegen ist schöner

»Warum machst du denn nicht einfach das Dressurab-zeichen?«, fragte Olaf etwas genervt. Seit zwei Stundensaß er jetzt schon in Julias Garten und trank Kaffee mitihrem Besuch. Ihre erwachsene Freundin Stephanie, dieseine Vorliebe fürs Westernreiten teilte, gefiel ihm dabeiganz gut. Aber auf Kathis Gejammer reagierte er zuneh-mend gereizt. Das rothaarige Mädchen hockte in seinemGartenstuhl wie ein Häufchen Unglück und wirkte garnicht wie die erfolgreiche Turnierreiterin, als die Julia sieimmer geschildert hatte.

»Tolle Idee. Und vielleicht noch das Töltabzeichenoder das Rinder-Treib-Abzeichen für Westernreiter, fallses so was gibt«, wies ihn Julia zurecht und legte Kathinoch ein Cremetörtchen auf den Teller. »Kapier’s end-lich, Olaf, Kathi ist nicht scharf darauf, Plaketten undUrkunden zu sammeln. Der Ehrgeizling in ihrer Familieist ihr Vater. Und wenn der das Silberne Reitabzeichensehen will, muss sie springen.«

»Im wahrsten Sinne des Wortes«, lachte Stephanie.

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Die blonde junge Frau verfolgte Julias und Kathis Ge-schichte seit langem. Sie war die Besitzerin von Juliaserstem Pflegepferd. Außerdem gehörte ihr die Conne-mara-Stute Violetta, die Mutter von Julias vierjährigemWallach Coffee.

»Und springen kann ich nun mal nicht«, begann Kathierneut mit ihrem Gejammer. »Genauso wenig wie Pretty.«

Olaf schlug die Augen gen Himmel. Nach Julias Er-zählungen war Kathis Dressurpferd Pretty Girl eine bild-schöne, hochprämierte Hannoveraner-Stute. Olaf ver-stand nicht, warum die nicht ein paar Hindernisse be-wältigen sollte.

»Unsinn«, sagte er schließlich. »Jedes Warmblut kannspringen.«

»Ja?«, fragte Kathi böse. »Dann erzähl das malPretty! Im Übrigen reden wir nicht von ein paar Hup-fern, sondern von L-Hindernissen. So groß wie Wolken-kratzer. Da kann Pretty aufrecht drunter durchgehen!«

»Na, na!«, kicherte Julia. »Jojo vielleicht, aber Prettyist ja doch ein bisschen höher.«

Jojo, ein rundlicher Rappe, stand mit den anderenPferden von Julias Haltergemeinschaft auf der Weidenebenan. Als er seinen Namen hörte, tappte er neugie-rig näher und fixierte die verbleibenden Cremetörtchenmit dem herzzerreißenden Blick eines hungrigen Ponys.Der kleine Wallach gehörte Sarah, einem Mädchen ausder Nachbarschaft, und zeichnete sich vor allem durchseine Gelassenheit in jeder Lebenssituation aus. Freund-

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lich ausgedrückt: Wer das Pony nicht so gern hatte, be-zeichnete es schlicht und ergreifend als faul.

»Jojo läuft unter jedem Hindernis aufrecht durch.Hinterher ist da bloß meist kein Hindernis mehr.« Die-se Bemerkung stammte von Gloria, die eben durchsGartentor trat. Die junge Frau trug Reitzeug und ihrwuscheliges braunes Haar stand wieder mal in alle Rich-tungen. Offensichtlich kam sie gerade aus dem Reitstall.Gloria hatte die Reitwartprüfung und verdiente sich ihrStudium mit Reitunterricht.

»Hallo, Stephanie! Lange nicht gesehen! Und dumusst Kathi sein!« Gloria begrüßte die Besucherinnenund wurde gleich zum Kaffeetrinken eingeladen. Dazuzeigte sie aber wenig Lust.

»Wollen wir nicht lieber zusammen ausreiten?« Glo-rias nussbraune Augen leuchteten unternehmungslustig.»Bei dem schönen Wetter rumzusitzen, ist doch ätzend,und wir haben genug Pferde für alle: Rainbow, Godi, Pi-azza und Schneewittchen – und wer als Letzter ›hier‹schreit, muss auf Jojo. Los, macht mit! Olaf guckt auchschon ganz gelangweilt.«

Das war die Untertreibung des Tages. In Wirklichkeitschaute Olaf geradezu leidend drein und sprang sofortauf, als er das Wort »Reiten« nur hörte. Auch Stephanieund Julia hatten Lust auf einen Ausritt. Lediglich Kathiwar unsicher.

»Ich weiß nicht, ich…«»Nun komm, vor einem ganz normalen Ausritt hast

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du doch wohl keine Angst!«, raunzte Olaf sie an. »Wenndu dich noch ein bisschen zierst, setzen wir dich auf Jojo.Dann hast du endlich allen Grund, dich zu fürchten –nämlich vor dem Muskelkater am nächsten Tag. Aufdem Prachtstück treibst du dich halb tot!«

Die Mädchen lachten.»Tut mir Leid, ich bin sonst nicht so feige«, entschul-

digte sich Kathi, als schließlich alle aufstanden und dasKaffeegeschirr ins Haus trugen. »Aber ich nehme ge-rade mal wieder Springstunden. Und beim letzten Pfer-detausch landete ich auf einem Monster, ungelogen,1,83 Meter groß und vier linke Füße! Jedenfalls habenwir uns beim vorletzten Hindernis gemeinschaftlich aufdie Klappe gelegt. Zum Glück ist nichts passiert, bis aufein paar blaue Flecken. Aber ihr könnt euch vorstellen,dass ich zurzeit nicht gerade wild auf fremde Pferde bin.«

»Dann kriegst du Rainbow«, bestimmte Gloria. Derbraune Wallach gehörte ihr und sie teilte mit Kathi dieBegeisterung fürs Dressurreiten. Allerdings war Glorianicht so stark sportlich orientiert wie Kathi, sondern be-vorzugte die Klassisch-Iberische Variante. Rainbow sahein bisschen aus wie die Kleinausgabe eines Andalusiers.

»Und du kannst Schneewittchen haben, Julia. Jennyund Sarah sind ja auf Klassenfahrt.«

»Super!« Erfreut griff Julia nach dem Halfter der ele-ganten kleinen Schimmelstute. Schneewittchen war einerfolgreiches Turnierpony und sehr angenehm zu reiten.Wenn ihre Besitzerin keine Zeit hatte, sprang Julia

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immer gern ein. Da sie für ihr Alter sehr zierlich war,passte sie immer noch gut auf das leicht gebaute Pony.

»Du nimmst Piazza, Stephanie. Nickie hat bestimmtnichts dagegen. Na ja, und ich mache Jojo etwas flott.Wird sowieso mal wieder Zeit.« Gloria wog mehr alsJulia, aber bei Jojo machte das nicht viel aus. Der Rap-pe war zwar nur etwas über 1,30 Meter groß, aber stäm-mig. Er konnte Erwachsene mühelos tragen, machteallerdings schon beim Anblick des Sattels ein Gesicht,als wolle man ihm alle Bürden der Welt auflasten.

Olaf sattelte seinen dunkelbraunen Isländer Godi.Hillbilly, sein dreijähriger Quarter-Horse-Wallach, undJulias Coffee sahen traurig hinterdrein. Die beiden durf-ten sonst oft als Handpferde mitlaufen, aber bei diesemGruppenausritt ließen Julia und Olaf sie lieber zu Hau-se. Schließlich trösteten sich die Jungpferde mit einemkleinen Galopp über die Koppel. Die vierjährige Welsh-Cob-Stute Megan und der fünfjährige Lollypop schlos-sen sich ihnen begeistert an.

»Megan hat sich ja prächtig entwickelt«, bemerkteStephanie mit einem Blick auf die hochelegante brauneStute. »Sie wird fabelhaft aussehen unter Nickie. Diekann das Anreiten doch sicher kaum erwarten, oder?«

»Frag mal wer noch!«, lachte Julia mit einem verlieb-ten Blick auf Coffee. Der milchkaffeefarbene Wallachschwebte im Imponiertrab über die Weide. In diesem Jahrwürden alle jungen Pferde unter den Sattel kommen.

»Lilly hat sich und Lollypop übrigens wirklich für den

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Reitabzeichenkurs angemeldet«, verkündete Gloria undschwang sich auf Jojo, der daraufhin einen Seufzer vonsich gab. »Ich hätte nie gedacht, dass sie die Drohungwahr macht, aber sie ist fest entschlossen, es allen zu zei-gen.«

Lollypop war ein in Olafs Worten etwas »gewöh-nungsbedürftiges« Pferd. Der kleine Schecke hatte einenKopf wie ein Schuhkarton, entschieden zu kurze Beinefür seine Größe und ein braunes und ein blaues Auge.Dafür war er blitzgescheit, sehr angenehm zu reiten undder Augenstern seiner Besitzerin Lilly. Das Mädchen littallerdings unter dem Spott vieler anderer Reiter, die kein gutes Haar an Lolly lassen wollten. Besonders dieSpringreiter Alina und Jens taten sich durch bösartigeBemerkungen hervor. Irgendwann hatte es Lilly danngelangt, und sie hatte mit Jens gewettet, dass sie mitLollypop die Reitabzeichenprüfung bestehen würde. Undzwar mit besseren Noten als seine Freundin Alina aufihrem teuren Warmblutpferd!

»Am Springkurs will Lilly auch teilnehmen«, fuhrGloria fort. »Auf Biegen und Brechen, sie trägt sogarZeitungen aus, um ihn zu bezahlen. Ich hatte ja erst Be-denken, ob Sybil Jennings sie mit dem komischen Pferdüberhaupt annimmt, aber die sieht das nicht so eng. Fabelhaft nett übrigens, die Frau, und dieser lustige Ak-zent! ›Eine Kurs voller Superspringpferde ist schön, aberlangweilig. Wenn Pferde nicht springen, ist viel mehrinteressaant!‹« Lachend imitierte Gloria die amerikani-

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sche Springreiterin. Herr Hannemann, der Vereinsvor-sitzende, hatte Frau Jennings für den Springkurs vor derReitabzeichenprüfung angeheuert. Sybil Jennings wareine weltbekannte Springreiterin, die ihr Land sogar beider Olympiade vertreten hatte. Dann heiratete sie abereinen Deutschen, zog mit ihm nach Europa und ver-kaufte ihre Turnierpferde. Inzwischen befand sie sich inScheidung und musste Kurse geben, um ihr Budget auf-zubessern.

»Da sieht man’s mal wieder«, bemerkte Stephanie, alsGloria ihr Sybils Geschichte erzählte.

Kathi und Julia warfen sich vielsagende Blicke zu.Kathi hatte Julia vorhin schon kurz angedeutet, dasszwischen Stephanie und ihrem langjährigen Freund,Reitlehrer Holthoff, ein bisschen der Haussegen schiefhing. Holthoff wollte heiraten, Stephanie nicht.

»Sybil darf jetzt jedenfalls Lollypop in die Weihen desSpringsports einführen«, lachte Gloria. »Könnte schwe-rer werden als die Olympiade. Aber wenigstens bleibtihr Jojo erspart. Sarah macht mit ihm nur das KleineReitabzeichen und zum Springkurs hat sie sich nicht an-gemeldet.« Energisch trieb Gloria Jojo an, der daraufhinrecht fleißig vorwärts ging, wenn auch mit äußerst miss-mutigem Gesichtsausdruck.

Rainbow, der zweite Faulpelz in der Gruppe, gingebenfalls sehr gut, wie Julia befriedigt registrierte. Olafwürde seine Meinung über ihre Freundin Kathi gründ-lich revidieren müssen. Das rothaarige Mädchen hatte

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einen hervorragenden Sitz, stellte Rainbow geschickt andie Hilfen und fand Riesenspaß daran, den gut geritte-nen Wallach immer mal wieder ein paar Schritte Traversund Schulterherein gehen zu lassen. Auch beim Trabenund Galoppieren zeigte Kathi sich nicht so ängstlich,wie Olaf befürchtet hatte. Stattdessen setzte sie sich ne-ben Schneewittchen an die Spitze der Gruppe und legteein flottes Tempo vor. Das große, schlanke Mädchenwirkte jetzt auch nicht mehr geduckt und verdrießlich,sondern sah sehr hübsch aus mit seinen leuchtendengrünen Augen und dem wehenden roten Haar.

Aber jetzt stach Olaf der Hafer. Bei der nächstenSchrittstrecke lenkte er Godi neben Julia. Stephanie hattePiazza inzwischen zu Kathi aufschließen lassen, und diebeiden unterhielten sich über das fantastische Reitge-biet, das Julia und ihre Freunde hier hatten. Sie selbstwaren in Bochum längst nicht so gut dran, sondernmussten viele Straßen überqueren, bevor sie überhauptauf annehmbare Reitwege kamen.

»Wie wär’s, sollen wir Kathi ein bisschen auf dieSprünge helfen? Im wahrsten Sinne des Wortes?«, er-kundigte sich Olaf bei Julia. »Gleich kommt doch dieGeländestrecke…«

»Untersteh dich!«, wollte Julia ihn warnen, aber dawurde den beiden die Sache schon aus der Hand ge-nommen. Piazza, deren Besitzerin Nickie ein paar klei-nen Hupfern nie abgeneigt war, bog gerade auf dieSpringstrecke ab. Stephanie ließ ihr die Zügel.

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»Ist doch richtig hier, nicht? So ein schöner Galopp-weg!«, rief sie über die Schulter zurück, während Piaz-za auch schon ansprang. Julia rief etwas und auch Glo-ria meldete sich von hinten, aber Kathi und Stephaniewaren bereits in flottem Tempo unterwegs und hörtensie nicht mehr.

Julia seufzte, als sie Schneewittchen ebenfalls anga-loppieren ließ. Der erste Sprung lag hinter einer Kurve.Stephanie würde ihn völlig überraschend vor sich ha-ben. Freilich war er nicht hoch. Herr Hannemann hattedie Strecke in diesem Frühjahr für die Vereinsreiter an-legen lassen und von denen hatte niemand Vielseitig-keitsambitionen. Die Hindernisse waren deshalb höchs-tens 80 Zentimeter hoch, einladend und gut zu taxieren.Das erste war ein Baumstamm, der quer über den Weglag. Piazza nahm ihn mit Bravour und Rainbow folgtein ebenso gutem Stil. Kathi überraschte Olaf wieder, in-dem sie nicht schrie, sondern gelassen die Zügel vorgabund in untadeliger Haltung über den Sprung setzte. Olafselbst wurde dagegen kalt erwischt. Godi kam etwas un-geschickt ab, und Julia beobachtete schadenfroh, wiesich ihr Freund am Horn des Westernsattels stieß.Schneewittchen schloss inzwischen zu Rainbow auf, denKathi ordentlich hinter Piazza hielt. Kathi lachte Juliazu, anscheinend machte der Ritt ihr Spaß.

Stephanie hatte jetzt das nächste Hindernis gesichtetund parierte zum Trab durch. »Weiter oder anhalten?«,fragte sie.

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»Weiter!«, antworteten Kathi und Julia wie aus einemMund. Das nächste Hindernis, einen kleinen Steilsprung,nahmen ihre Ponys nebeneinander – Julias brauner Pfer-deschwanz und Kathis roter Schopf wippten synchron.

Der folgende Sprung war ein Billard, über den Piazzasetzte wie ein rotweißer Gummiball. Die Welsh-Partbred-Stute neigte ein wenig zur Fülle, war jedoch lebhaft undspringfreudig. Stephanie genoss den Ritt über die Hup-fer sichtlich. Auch Kathi strahlte wie ein Honigkuchen-pferd, als sie schließlich alle sechs Hindernisse hinter sichhatte und neben Julia durchparierte.

»War das toll!«, freute sie sich und konnte gar nichtmehr aufhören, Rainbow zu klopfen und zu streicheln.»Nur Fliegen ist schöner!«

»Das klang vorhin aber noch ganz anders«, meinteOlaf vergrätzt. »Kannst du mir mal sagen, was das Ge-jammer sollte? Mit deinem Sitz könntest du doch jedesStilspringen gewinnen!«

Kathi freute sich über das Lob, während Julia fastetwas eifersüchtig wurde.

»So macht mir Springen ja auch Spaß«, erklärte Kathi.»Ein nettes Pferd und kleine Sprünge. Nur diese Wolken-kratzer machen mir Angst!«

»Kleine Sprünge?«, fragte Olaf und rieb sich die emp-findlichen Körperpartien, die bei ihm eben unsanft inKontakt mit dem Westernsattel gekommen waren. »Na,ich weiß nicht…«

Die Mädchen kicherten.

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Inzwischen waren auch Gloria und Jojo angekom-men. Die Reitlehrerin wirkte so erhitzt, als hätte sie dieHindernisse selbst genommen. Jojo schnaufte gotter-bärmlich, hatte aber kein einziges feuchtes Haar amKörper.

»Wenn ihr noch einmal über diese Strecke reitet, ohnevorher Bescheid zu sagen, dürft ihr beim nächsten MalJojo drübertragen!«, grollte Gloria. »Dieses Pony ist eineKatastrophe. Aber falls Sarah eines Tages mal auf einanderes Pferd wechselt, wird sie sagenhaft reiten. Wennman ein normales Pony mit dem gleichen Kreuzeinsatztreibt, den man bei Jojo nur zum Anreiten braucht, kriegtes garantiert eine Ausstrahlung wie eine Christbaum-beleuchtung.«

Den Rest der Strecke brachten die Freunde langsamhinter sich, schon um Gloria eine Atempause zu bieten.

»Also irgendwann muss ich euch unbedingt mit Vio-letta besuchen«, meinte Stephanie. »Das Ausreitgeländehier ist zu schön.«

»Würde Pretty auch Spaß machen«, bestätigte Kathisehnsuchtsvoll. »Mal ein oder zwei Wochen nur Aus-reiten. Aber ich muss ja für dieses elende Reitabzeichenüben!«

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Für Megan wird’s ernst

Den Abend nach dem Ausritt hatten Kathi und Julia fürsich allein. Olaf musste für eine Arbeit lernen, Gloriaschrieb eine Hausarbeit und Stephanie besuchte Nickie,Piazzas Besitzerin. Die beiden Frauen kannten sichnicht nur durch ihre gemeinsame Pferdebegeisterung,sondern hatten auch beruflich schon öfter zusammen-gearbeitet. Stephanie war Journalistin und Nickie foto-grafierte und illustrierte Bücher. Jetzt wollten sie offi-ziell über ein paar neue Projekte sprechen – aber vorallem genüsslich klatschen. Das taten Kathi und Julianatürlich auch. Die vielen gemeinsamen Bekannten anJulias altem Wohnort und vor allem Stephanies Be-ziehung zu Reitlehrer Holthoff boten reichlich Stoffdazu. Die zwei wappneten sich mit Cola und Unmen-gen Kartoffelchips und machten es sich auf Julias Bettgemütlich. Längere Ruhe war ihnen jedoch nicht ver-gönnt.

»Hör mal, ist da draußen irgendwas los?« Alarmiertunterbrach Kathi ihre Erzählung und setzte sich im Bett

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auf. Julia horchte. Tatsächlich war vom Pferdestall ausein Quietschen und das Geräusch brechenden Holzes zuhören.

»Todsicher wieder Megan und Piazza«, stöhnte Juliaund sprang aus dem Bett. »Zwischen den beiden tobtzurzeit der Kampf um die Rangordnung. Megan willunbedingt Chefin werden, aber Piazza gibt den Postennatürlich nicht kampflos auf. Megan ist schrecklich imMoment: Chronisch gelangweilt geht sie allen auf dieNerven. Wenn Nickie sie nicht bald anreitet, legen meineEltern sie irgendwann auf den Grill.«

In ihren Schlafanzügen rasten die Mädchen RichtungStall, wo sich der Krach inzwischen gelegt hatte. Megan,Piazza und die meisten anderen Pferde standen aufge-regt schnaubend im Auslauf vor dem Offenstall. Aller-dings war die Trennwand zwischen dem Gemeinschafts-stall und der abgetrennten Einzelbox zerschlagen. Die-ser Stall wurde eigentlich für eventuelle Krankheitsfällefreigehalten, aber jetzt stand dort schlotternd Lollypop.Er musste wohl zwischen die kämpfenden Stuten gera-ten sein und dann in seiner Verzweiflung den Sprungüber die Abtrennung gewagt haben.

»Guck mal nach, ob er sich was getan hat!«, rief JuliaKathi zu. Sie selbst machte sich daran, die fest verram-melte Zwischentür zwischen Auslauf und Krankenstallzu öffnen, um Lollypop wieder zu den anderen zu lassen.Julia fluchte, als sie sich beim Aufdröseln der Drahtsi-cherung die Hand verletzte. Im Schein der Taschenlam-

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pe war es nicht einfach, den pferdesicheren Verschluss zubetätigen.

Lollypop war zum Glück in Ordnung. Er hatte nocheiniges Winterfell an den Beinen, das wohl als Polster ge-wirkt hatte. Auch den Stuten war bei ihrem Schlagab-tausch nichts passiert.

»Jetzt bleibt ihr alle auf der Weide!«, entschied Julia,als Lolly wieder zu den anderen gestoßen war. Meganquietschte ärgerlich, als er sich an ihr vorbeidrückte. »Icherkläre die Saison hiermit für eröffnet.« Bis jetzt hattendie Reiter die Pferde nachts noch in den Stall geholt undmit Heu gefüttert. Die Umstellung vom Trockenfutterzum Gras musste allmählich geschehen, sonst warenKoliken vorprogrammiert. Aber heute Nacht wollteJulia keine Unruhe mehr riskieren. »Und mit Meganmuss sich Nickie wirklich was einfallen lassen. Reitenoder essen, würde ich vorschlagen.«

Kathi lachte.

Stephanie und Nickie kamen am nächsten Morgen zumFrühstück und brachten Brötchen und Croissants mit.Die zwei wirkten äußerst vergnügt und gut gelaunt, Stephanie allerdings ein wenig verkatert. Nickie sah mandie lange Nacht dagegen nicht an. Sie sah bildhübschaus wie stets mit ihrem klaren, dunklen Teint, ihren süd-ländisch blitzenden Augen und dem langen, glänzendenHaar.

Julia bemerkte, dass Kathi sich bei ihrem Anblick ver-

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stohlen nach einem Spiegel umsah. Diese Wirkung hatteNickie auf jedes Mädchen. Man verglich sich unweiger-lich mit ihrer natürlichen Schönheit und entwickelte denDrang, dem eigenen Aussehen durch etwas Make-upoder wenigstens eine ordentliche Frisur nachzuhelfen.Julia und Gloria hatten allerdings bereits gelernt, diesenReflex zu unterdrücken.

»Ich habe einen Entschluss gefasst!«, verkündete Ste-phanie vergnügt und füllte die Brötchen in einen Korb.»Violetta und ich werden an diesem Springkurs bei SybilJennings teilnehmen.«

»Wie bitte?«, fragte Julia verblüfft. »Wie kommst dudenn darauf, sie ist doch ein Westernpferd.«

»Sie ist ein Connemara«, berichtigte Stephanie, »unddenen liegt Springen im Blut. Bislang habe ich diesesGrundbedürfnis bei Vio stets unterdrückt, aber damit istjetzt Schluss.«

Julia runzelte die Stirn. Sie hatte nicht das Gefühl, alshätte Violetta das Springen bislang sehr vermisst. Auchihr Sohn Coffee zeigte keine große Begeisterung für dieÜberwindung von Hindernissen. Wenn Julia ihn überCavaletti longierte, musste sie stets höllisch aufpassen,dass er nicht darum herumlief.

»Piazza und ich sind natürlich auch dabei!«, meinteNickie. »Wird uns beiden gut tun, das bringt uns malraus aus dem Alltagstrott.«

»Sagtest du Alltagstrott?«, fragte Julia scheinheilig.»Du langweilst dich? Also wir dagegen hatten heute

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wieder eine sehr interessante Nacht mit der lieben, klei-nen Megan.«

Nickie kaute auf ihrer Unterlippe, als die Mädchenerzählten.

»Ach, ich weiß, sie ist schrecklich«, seufzte sie schließ-lich. »Sie müsste was zu tun kriegen, sonst denkt sie sichnur Unsinn aus. Aber ich arbeite sie schon regelmä-ßig an der Doppellonge, sie geht nett am Zügel, machtSchulterherein im Schritt und Trab und Travers imSchritt. Sie kann so ziemlich alle Zirkuskunststücke außerHinsetzen, dafür ist sie zu hibbelig. Sie geht super alsHandpferd, ist an Sattel und Trense gewöhnt und kannsogar Treppen steigen! Was um Himmels willen soll ichsonst noch mit ihr machen?« Verzweifelt blickte Nickiein die Runde. Julia und die anderen konnten sich dasLachen kaum verbeißen.

Stephanie grinste. »Wie wär’s denn mal mit Reiten?«,fragte sie sanft. »Ich meine, ich will dir ja nicht zu nahetreten, aber hast du das Pferd nicht mal genau dafür an-geschafft? Und ist es nicht bald vier Jahre alt?«

»Nächsten Monat«, bestätigte Nickie, und plötzlichging ein Strahlen über ihr Gesicht. »Du hast Recht. Dakönnte ich mich schon mal draufsetzen. Sie ist so gut wieerwachsen. Ich sollte mich damit abfinden. Also los.Kommt!«

»Wohin?«, fragte Julia und strich Nutella auf ihr zwei-tes Brötchen.

»Na, Megan holen«, meinte Nickie mit Gemütsruhe.

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