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Bild: epa/Justin Lane Publikation: tbhb Pagina: 11 Ist-Farben: cmyk Ressort: tb-dw Erscheinungstag: 11. 10. 2008 MPS-Planfarben: cmyk SAMSTAG, 11. OKTOBER 2008 dossier TAGBLATT 11 Gold zu Schrott gemacht Den Mechanismus der gegenwärtigen Finanzkrise erklärt der Ökonom Mathias Binswanger: Die Nationalbanken haben zu billige Kredite vergeben, mit denen die Banken Schrott produzierten. Den soll der Staat jetzt selbst wieder aufkaufen. MATHIAS BINSWANGER Im Moment scheint auf den Fi- nanzmärkten alles drunter und drüber zu gehen. Etablierte Ban- ken verschwinden plötzlich, die Börse spielt täglich verrückt. Und am Schluss bleibt nur noch der Staat als letzter Hoffnungsträger. Er soll jetzt nicht nur über die Zen- tralbank für tiefe Zinsen sorgen und als «lender of last resort» den Banken unbeschränkt Liquidität zur Verfügung stellen. Nein, er soll vielmehr auch als «buyer of last resort» den Banken ihre ganzen faulen Kredite und die daraus fabrizierten und inzwischen wert- losen Wertpapiere abkaufen. Und die vor dem Bankrott stehenden Banken, für die sich kein Käufer findet, darf der Staat gleich selbst übernehmen, indem diese ver- staatlicht werden. Sozialisierte Verluste Im ganzen System scheint der Wurm drinzustecken, und die lan- ge vorherrschende Markteupho- rie ist verflogen. Märkte erfreuen sich eben meist nur so lange gros- ser Beliebtheit, als man dort auch Gewinne macht. Doch wenn die Verluste überhandnehmen, dann sozialisiert man diese gerne und überlässt sie grosszügig dem Staat. Wohlverstanden, das hier ist keine Kritik an den derzeit voran- getriebenen staatlichen Rettungs- programmen. Diese sind notwen- dig, um eine äusserst schmerz- liche Korrektur der Finanzmärkte selbst zu verhindern. Vielmehr geht es darum, aufzuzeigen, dass der gesamte Finanzsektor nur deshalb in einem solchen Umfang wachsen konnte, gerade weil der Staat dort ständig mitwirkt. Seit dem 18. Jahrhundert entwickelten sich in Europa und später auch im Rest der Welt staatliche Zentral- banken, welche der zuvor relativ freien Marktwirtschaft im Finanz- sektor ein Ende setzten. Solange es noch keine Zentral- banken gab, war die Kreditver- gabe der Banken kaum be- schränkt, und jede Bank konnte ihr eigenes Geld unter die Leute bringen. Doch diese freien Kredit- märkte entpuppten sich bald als untragbar für die wirtschaftliche Entwicklung. Da Banken mit der Kreditvergabe einen Grossteil ih- res Geldes verdienen, haben diese immer die Tendenz, zu viele Kre- dite zu vergeben und es mit der Kreditwürdigkeit ihrer Kunden nicht mehr allzu genau zu neh- men. Das Resultat waren häufige Finanzmarktkrisen und Banken- zusammenbrüche, welche zu schweren Rezessionen führten. Wenn sich nun diese Geschich- te heute trotz Zentralbanken wie- derholt, dann liegt das daran, dass die amerikanische Zentralbank (Fed) ihre Rolle als Hüterin der Stabilität der Finanzmärkte seit Beginn der neuen Jahrtausends nur noch ungenügend wahrneh- men konnte oder wollte. Die Banken waren de facto wie- der völlig frei. Das führte wie immer in der Geschichte dazu, dass zu viele Kredite an kredit- unwürdige Kunden vergeben wurden. Eigentlich dürfte das in einem modernen Finanzsystem nicht geschehen, denn die Zentralbank hätte erheblichen Einfluss auf die Kreditvergabepolitik der Banken. Sie bestimmt den Zinssatz, zu denen sich die Banken bei der Zentralbank refinanzieren kön- nen, um sich sogenannte Reser- ven zu beschaffen. Die Reserven stellen Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zen- tralbank dar, welche diese brau- chen, um die ebenfalls von der Zentralbank festgeschriebenen Mindestreservevorschriften ein- zuhalten und um sich von der Zentralbank zusätzliches Bargeld zu beschaffen. Das bedeutet im Klartext: Je mehr Kredite die Ban- ken vergeben wollen, umso mehr Reserven brauchen sie. Die Zen- tralbank kann diese Reserven über den Zinssatz beliebig verteu- ern oder verbilligen. Warum das System versagt Warum hat dieses System in den USA in letzter Zeit versagt? Die amerikanische Zentralbank unter ihrem damaligen Chef Alan Greenspan entschied sich, von 2001 bis 2005 eine Politik von un- gewöhnlich tiefen Zinsen zu ver- folgen. Im Jahr 2003 etwa konnten sich die Geschäftsbanken bei der Zentralbank Reserven zu einem Zinssatz von einem Prozent be- schaffen. Wenn wir auch die Infla- tion berücksichtigen, dann be- deutet dies, dass die Reserven gra- tis zur Verfügung gestellt wurden. Das war nun ein für viele Ban- ken äusserst verlockendes Ange- bot. Es gab nur ein entscheiden- des Problem: Der Kreditmarkt und insbesondere der Hypotheken- markt, der den weitaus grössten Teil aller Bankkredite ausmacht, war gesättigt. Praktisch alle kredit- würdigen Kunden, die ein Haus bauen oder kaufen wollten, waren bereits mit Krediten versorgt, und es gab kaum mehr Wachstums- möglichkeiten. Also blieben nur noch die kreditunwürdigen Kun- den (Subprime-Schuldner), um weitere Kredite (Subprime-Kre- dite) zur vergeben. Von dieser Möglichkeit wurde dann auch kräftig Gebrauch ge- macht. Ungefähr sechs Millionen US-Bürger haben sich danach als Subprime-Schuldner ohne ent- sprechende Sicherheiten zu fast 100 Prozent für ihr Eigenheim ver- schuldet. Diese Entwicklung führ- te zu einem enormen Boom bei den Wohnbauinvestitionen. Als dann allerdings im Jahr 2006 die Preise für Immobilien zu sinken begannen und gleichzeitig die Zinsen anstiegen, war Schluss mit dem Boom. Die Subprime- Schuldner wurden in zunehmen- dem Ausmass zahlungsunfähig, und der Immobilienmarkt brach zusammen. Hätten die Banken nun einfach in traditioneller Weise Hypothe- karkredite vergeben, dann wäre dieser Boom nicht möglich ge- wesen. Auf diese Weise wäre das Ausfallrisiko dieser Kredite viel zu gross gewesen, und auch die Eigenkapitalvorschriften vieler Banken wären verletzt gewesen. Doch dank neuer Finanzinno- vationen findiger Investmentban- ker liess sich das Problem um- gehen. Diese entwickelten in kur- zer Zeit Möglichkeiten, das an und für sich nicht marktfähige Ausfall- risiko der Subprime-Kunden auf attraktive Weise neu zu verpacken und dann an Investoren zu ver- schachern. Mit andern Worten: Sie machten Schrott zu Gold. Sie kreierten sogenannte mortgage backed securities (MBS), welche es ihnen ermöglichten, die Hypothe- karkredite zu verbriefen und an Investoren (vor allem pension funds und hedge funds) zu verkau- fen. Und damit die untragbar hohen Risiken der Subprime- Schuldner nicht mehr als solche erkenntlich waren, wurden sie zu- sätzlich mit Hypotheken von kre- ditwürdigen Kunden vermischt. Ja, und genau diese inzwischen wertlosen Papiere, auf denen die Banken zu einem grossen Teil selbst sitzenblieben, soll jetzt der Staat aufkaufen. Perverse Anreizstrukturen Die tiefen Zinsen der Zentral- bank und damit ein ausserhalb des Marktes festgesetzter, staat- licher Preis waren ein wichtiges Element, welches die jetzige Krise verursacht hat. Ein zweites eben- so wichtiges Element sind die in den Banken selbst gesetzten, per- versen Anreizstrukturen. Gross- unternehmen wie die jetzt von der Krise betroffenen Banken sind eben intern auch keine Märkte, sondern hierarchisch gegliederte, bürokratische Strukturen. Das Problem besteht nun darin, für die Manager und Angestellten Anrei- ze zu schaffen, damit diese mög- lichst viel Leistung für das Unter- nehmen erbringen und zu dessen Gewinnmaximierung beitragen. In den letzten Jahrzehnten ist man deshalb immer mehr auf die glor- reiche Idee gekommen, auch in- nerhalb der Unternehmen so et- was wie Markt und Wettbewerb zu simulieren, indem man das Gehalt der Angestellten vom Er- folg des Unternehmens abhängig machte. Doch Märkte lassen sich leider nicht simulieren. Stattdes- sen wurden in den Banken per- verse Anreize gesetzt, möglichst viel kurzfristigen Gewinn zu erzie- len, egal welches Risiko damit ver- bunden ist. Da boten nun die tiefen Zinsen der Zentralbank und die Möglich- keit der Kreditvergabe an kredit- unwürdige Kunden eine einma- lige Chance, innerhalb kürzester Zeit enorme Gewinne einzustrei- chen. Letztlich kann man den hier angesprochenen Investmentban- kern und Vermögensverwaltern nicht einmal einen Vorwurf ma- chen, denn sie haben einfach ihr eigenes Einkommen maximiert. Wenn man perverse Anreize setzt, dann muss man sich über perver- ses Verhalten nicht wundern. Mehr Kontrolle, andere Anreize Etwas salopp formuliert, prä- sentiert sich die ganze Geschichte somit folgendermassen: Der Staat lässt die Banken mit seinen prak- tisch gratis zur Verfügung gestell- ten Ressourcen Schrott produzie- ren und muss diesen Schrott jetzt selbst wieder aufkaufen. Und die Banken, die sich über eine Zeit als Alchemisten aufspielten und be- haupteten, sie seien in der Lage, aus Schrott Gold zu produzieren, stehen jetzt selbst mit abgesägten Hosen da. Aus diesen Erfahrungen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen. Erstens müssen die Zen- tralbanken vermehrt darauf ach- ten, was Banken mit den ihnen zur Verfügung gestellten Reserven tat- sächlich anstellen, wenn sie die Stabilität auf den Finanzmärkten weiterhin garantieren wollen. Und zweitens müssen die Geschäfts- banken ernsthafte Anstrengungen unternehmen, ihre Bonus- und Gehaltssysteme so zu ändern, dass die perversen Anreize verschwin- den. Darauf wartet man bis heute leider vergebens. Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Er hält auch weltweit Vorlesungen an anderen Universitäten. Der Staat richtet’s Die Finanzmärkte sind ausser Rand und Band. In der Krise, in der selbst die grössten Banken Bankrott zu machen drohen, wird nach dem Staat gerufen. Lange wurden die Gewinne von Privaten abgesahnt, die Verluste aber werden nun sozialisiert. Der Staat muss helfen, soll nicht alles bachab gehen. Bilder: ky Banken wackeln. Weltweit werden Banken von der Finanzkrise erfasst. Die Regierungen stützen, beteiligen sich an Finanzinstituten, kaufen faule Kredite auf, verstaatlichen die bankrotten Banken. Zu verkaufen. Das gilt nicht nur für Immobilien, sondern auch für die Banken.

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SAMSTAG, 11. OKTOBER 2008 dossier TAGBLATT 11

Gold zu Schrott gemachtDen Mechanismus der gegenwärtigen Finanzkrise erklärt der Ökonom Mathias Binswanger: Die Nationalbankenhaben zu billige Kredite vergeben, mit denen die Banken Schrott produzierten. Den soll der Staat jetzt selbst wieder aufkaufen.

MATHIAS BINSWANGER

Im Moment scheint auf den Fi-nanzmärkten alles drunter unddrüber zu gehen. Etablierte Ban-ken verschwinden plötzlich, dieBörse spielt täglich verrückt. Undam Schluss bleibt nur noch derStaat als letzter Hoffnungsträger.Er soll jetzt nicht nur über die Zen-tralbank für tiefe Zinsen sorgenund als «lender of last resort» denBanken unbeschränkt Liquiditätzur Verfügung stellen. Nein, er sollvielmehr auch als «buyer of lastresort» den Banken ihre ganzenfaulen Kredite und die darausfabrizierten und inzwischen wert-losen Wertpapiere abkaufen. Unddie vor dem Bankrott stehendenBanken, für die sich kein Käuferfindet, darf der Staat gleich selbstübernehmen, indem diese ver-staatlicht werden.

Sozialisierte Verluste

Im ganzen System scheint derWurm drinzustecken, und die lan-ge vorherrschende Markteupho-rie ist verflogen. Märkte erfreuensich eben meist nur so lange gros-ser Beliebtheit, als man dort auchGewinne macht. Doch wenn dieVerluste überhandnehmen, dannsozialisiert man diese gerne undüberlässt sie grosszügig demStaat. Wohlverstanden, das hier istkeine Kritik an den derzeit voran-getriebenen staatlichen Rettungs-programmen. Diese sind notwen-dig, um eine äusserst schmerz-liche Korrektur der Finanzmärkteselbst zu verhindern. Vielmehrgeht es darum, aufzuzeigen, dassder gesamte Finanzsektor nurdeshalb in einem solchen Umfangwachsen konnte, gerade weil derStaat dort ständig mitwirkt. Seitdem 18. Jahrhundert entwickeltensich in Europa und später auch imRest der Welt staatliche Zentral-banken, welche der zuvor relativfreien Marktwirtschaft im Finanz-sektor ein Ende setzten.

Solange es noch keine Zentral-banken gab, war die Kreditver-gabe der Banken kaum be-schränkt, und jede Bank konnteihr eigenes Geld unter die Leutebringen. Doch diese freien Kredit-märkte entpuppten sich bald alsuntragbar für die wirtschaftlicheEntwicklung. Da Banken mit derKreditvergabe einen Grossteil ih-res Geldes verdienen, haben dieseimmer die Tendenz, zu viele Kre-dite zu vergeben und es mit derKreditwürdigkeit ihrer Kundennicht mehr allzu genau zu neh-men. Das Resultat waren häufigeFinanzmarktkrisen und Banken-zusammenbrüche, welche zuschweren Rezessionen führten.

Wenn sich nun diese Geschich-te heute trotz Zentralbanken wie-

derholt, dann liegt das daran, dassdie amerikanische Zentralbank(Fed) ihre Rolle als Hüterin derStabilität der Finanzmärkte seitBeginn der neuen Jahrtausendsnur noch ungenügend wahrneh-men konnte oder wollte.

Die Banken waren de facto wie-der völlig frei. Das führte wieimmer in der Geschichte dazu,dass zu viele Kredite an kredit-unwürdige Kunden vergebenwurden.

Eigentlich dürfte das in einemmodernen Finanzsystem nichtgeschehen, denn die Zentralbankhätte erheblichen Einfluss auf dieKreditvergabepolitik der Banken.Sie bestimmt den Zinssatz, zudenen sich die Banken bei derZentralbank refinanzieren kön-nen, um sich sogenannte Reser-ven zu beschaffen.

Die Reserven stellen Guthabender Geschäftsbanken bei der Zen-tralbank dar, welche diese brau-chen, um die ebenfalls von derZentralbank festgeschriebenenMindestreservevorschriften ein-zuhalten und um sich von derZentralbank zusätzliches Bargeldzu beschaffen. Das bedeutet imKlartext: Je mehr Kredite die Ban-ken vergeben wollen, umso mehrReserven brauchen sie. Die Zen-tralbank kann diese Reservenüber den Zinssatz beliebig verteu-ern oder verbilligen.

Warum das System versagt

Warum hat dieses System inden USA in letzter Zeit versagt?Die amerikanische Zentralbankunter ihrem damaligen Chef AlanGreenspan entschied sich, von2001 bis 2005 eine Politik von un-gewöhnlich tiefen Zinsen zu ver-folgen. Im Jahr 2003 etwa konntensich die Geschäftsbanken bei derZentralbank Reserven zu einemZinssatz von einem Prozent be-schaffen. Wenn wir auch die Infla-tion berücksichtigen, dann be-deutet dies, dass die Reserven gra-tis zur Verfügung gestellt wurden.

Das war nun ein für viele Ban-ken äusserst verlockendes Ange-bot. Es gab nur ein entscheiden-des Problem: Der Kreditmarkt undinsbesondere der Hypotheken-markt, der den weitaus grösstenTeil aller Bankkredite ausmacht,war gesättigt. Praktisch alle kredit-würdigen Kunden, die ein Hausbauen oder kaufen wollten, warenbereits mit Krediten versorgt, undes gab kaum mehr Wachstums-möglichkeiten. Also blieben nurnoch die kreditunwürdigen Kun-den (Subprime-Schuldner), umweitere Kredite (Subprime-Kre-dite) zur vergeben.

Von dieser Möglichkeit wurdedann auch kräftig Gebrauch ge-

macht. Ungefähr sechs MillionenUS-Bürger haben sich danach alsSubprime-Schuldner ohne ent-sprechende Sicherheiten zu fast100 Prozent für ihr Eigenheim ver-schuldet. Diese Entwicklung führ-te zu einem enormen Boom beiden Wohnbauinvestitionen.

Als dann allerdings im Jahr2006 die Preise für Immobilien zusinken begannen und gleichzeitigdie Zinsen anstiegen, war Schlussmit dem Boom. Die Subprime-Schuldner wurden in zunehmen-dem Ausmass zahlungsunfähig,und der Immobilienmarkt brachzusammen.

Hätten die Banken nun einfachin traditioneller Weise Hypothe-karkredite vergeben, dann wäredieser Boom nicht möglich ge-wesen. Auf diese Weise wäre dasAusfallrisiko dieser Kredite viel zugross gewesen, und auch die

Eigenkapitalvorschriften vielerBanken wären verletzt gewesen.

Doch dank neuer Finanzinno-vationen findiger Investmentban-ker liess sich das Problem um-gehen. Diese entwickelten in kur-zer Zeit Möglichkeiten, das an undfür sich nicht marktfähige Ausfall-risiko der Subprime-Kunden aufattraktive Weise neu zu verpackenund dann an Investoren zu ver-schachern. Mit andern Worten:Sie machten Schrott zu Gold. Siekreierten sogenannte mortgagebacked securities (MBS), welche esihnen ermöglichten, die Hypothe-karkredite zu verbriefen und anInvestoren (vor allem pensionfunds und hedge funds) zu verkau-fen. Und damit die untragbarhohen Risiken der Subprime-Schuldner nicht mehr als solcheerkenntlich waren, wurden sie zu-sätzlich mit Hypotheken von kre-

ditwürdigen Kunden vermischt.Ja, und genau diese inzwischenwertlosen Papiere, auf denen dieBanken zu einem grossen Teilselbst sitzenblieben, soll jetzt derStaat aufkaufen.

Perverse Anreizstrukturen

Die tiefen Zinsen der Zentral-bank und damit ein ausserhalbdes Marktes festgesetzter, staat-licher Preis waren ein wichtigesElement, welches die jetzige Kriseverursacht hat. Ein zweites eben-so wichtiges Element sind die inden Banken selbst gesetzten, per-versen Anreizstrukturen. Gross-unternehmen wie die jetzt von derKrise betroffenen Banken sindeben intern auch keine Märkte,sondern hierarchisch gegliederte,bürokratische Strukturen. DasProblem besteht nun darin, für dieManager und Angestellten Anrei-

ze zu schaffen, damit diese mög-lichst viel Leistung für das Unter-nehmen erbringen und zu dessenGewinnmaximierung beitragen.In den letzten Jahrzehnten ist mandeshalb immer mehr auf die glor-reiche Idee gekommen, auch in-nerhalb der Unternehmen so et-was wie Markt und Wettbewerbzu simulieren, indem man dasGehalt der Angestellten vom Er-folg des Unternehmens abhängigmachte. Doch Märkte lassen sichleider nicht simulieren. Stattdes-sen wurden in den Banken per-verse Anreize gesetzt, möglichstviel kurzfristigen Gewinn zu erzie-len, egal welches Risiko damit ver-bunden ist.

Da boten nun die tiefen Zinsender Zentralbank und die Möglich-keit der Kreditvergabe an kredit-unwürdige Kunden eine einma-lige Chance, innerhalb kürzesterZeit enorme Gewinne einzustrei-chen. Letztlich kann man den hierangesprochenen Investmentban-kern und Vermögensverwalternnicht einmal einen Vorwurf ma-chen, denn sie haben einfach ihreigenes Einkommen maximiert.Wenn man perverse Anreize setzt,dann muss man sich über perver-ses Verhalten nicht wundern.

Mehr Kontrolle, andere Anreize

Etwas salopp formuliert, prä-sentiert sich die ganze Geschichtesomit folgendermassen: Der Staatlässt die Banken mit seinen prak-tisch gratis zur Verfügung gestell-ten Ressourcen Schrott produzie-ren und muss diesen Schrott jetztselbst wieder aufkaufen. Und dieBanken, die sich über eine Zeit alsAlchemisten aufspielten und be-haupteten, sie seien in der Lage,aus Schrott Gold zu produzieren,stehen jetzt selbst mit abgesägtenHosen da.

Aus diesen Erfahrungen lassensich folgende Schlussfolgerungenziehen. Erstens müssen die Zen-tralbanken vermehrt darauf ach-ten, was Banken mit den ihnen zurVerfügung gestellten Reserven tat-sächlich anstellen, wenn sie dieStabilität auf den Finanzmärktenweiterhin garantieren wollen. Undzweitens müssen die Geschäfts-banken ernsthafte Anstrengungenunternehmen, ihre Bonus- undGehaltssysteme so zu ändern, dassdie perversen Anreize verschwin-den. Darauf wartet man bis heuteleider vergebens.

Mathias Binswanger ist Professorfür Volkswirtschaftslehre an derFachhochschule Nordwestschweizin Olten und Privatdozent an derUniversität St.Gallen. Er hält auchweltweit Vorlesungen an anderenUniversitäten.

Der Staat richtet’s Die Finanzmärkte sind ausser Rand und Band. In der Krise, in der selbst die grössten BankenBankrott zu machen drohen, wird nach dem Staat gerufen. Lange wurden die Gewinne von Privaten abgesahnt,die Verluste aber werden nun sozialisiert. Der Staat muss helfen, soll nicht alles bachab gehen.� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

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