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  • Grundlagen der Phonetik

    Prof. Dr.-Ing. Wolfgang HessInstitut fr Kommunikationsforschung und Phonetik (IKP)

    Universitt BonnPoppelsdorfer Allee 47, 53115 Bonn

    [email protected]://www.ikp.uni-bonn.de

    12.12.2003

  • Grundlagen der Phonetik02a

    1. Einfhrung. Grundlagen der akustischenPhonetik

    2. Deskriptive Phonetik

    3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    4. Suprasegmentale Merkmale undProsodie

  • Literaturempfehlung01c

    Vorlesungsskripten -- deutsch -- bilingual deutsch/englischAllgemein zur PhonetikCatford, John C. (1988, 22001): A practical introduction to phonetics (Clarendon Press, Oxford)Clark, John / Yallop, Colin (1990, 21995): An introduction to phonetics and phonology (Blackwell, Oxford)Kohler, Klaus (1977, 21994): Einfhrung in die Phonetik des Deutschen (Erich Schmidt, Berlin)Ladefoged, Peter (1975, 21982, 31993): A course in phonetics (Harcourt Brace Jovanovich, New York)Ptursson, Magns / Neppert, Joachim (1990, 21996): Elementarbuch der Phonetik (Buske, Hamburg)Pompino-Marschall, Bernd (1995): Einfhrung in die Phonetik (de Gruyter Studienbuch, Berlin)Speziell zu Kapitel 3Heike, Georg (1974): Phonologie (Metzler, Stuttgart)Kelz, Heinrich P. (1976): Phonetische Probleme im Fremdsprachenunterricht. IKP-Forschungsberichte II-59 (Buske, Ham-burg)

    Kohler, Klaus J. (1990): Segmental reduction in connected speech in German: phonological facts and phonetic explana-tions. In Speech production and speech modelling, ed. by W. J. Hardcastle and A. Marchal (Kluwer, Dordrecht), 69-92

    Menzerath, Paul (1954): Die Architektonik des deutschen Wortschatzes (Dmmler, Bonn)Spencer, Andrew (1996): Phonology (Blackwell, Oxford)Ternes, Elmar (1987, 21999): Einfhrung in die Phonologie (Wissenschaftliche Buchges., Darmstadt)Ungeheuer, Gerold (1969): Das Phonemsystem der deutschen Hochlautung. In Siebs:Deutsche Aussprache, 19. Auflage(Berlin); nachgedruckt in Ungeheuer, Gerold (1977): Materialien xur Phonetik des Deutschen. IKP-ForschungsberichteII-61 (Buske, Hamburg)

    (WDA, 1982): Groes Wrterbuch der deutschen Aussprache (Leipzig)Werner, Otmar (1972): Phonemik des Deutschen (Stuttgart)

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip derphonologischen Abstraktion

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie:Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem desDeutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • Standort

    langueparole

    Phonetische Wissenschaften(Phonetik im weiteren Sinn)

    Phonetik(im engeren Sinn)

    Phonologie

    gph_3.101a

  • Standort [SPENCER, 1996]gph_3.201a

    Phonetics [im engeren Sinn, WH] is essentially the study of the physi-cal aspects of speech. This means the acoustic bases of speech(linked most closely with speech perception) and the physiologicalbases of speech (linked most closely with speech production). [...]

    Phonology is concerned with the linguistic patterning of sounds in hu-man languages. This means phonologists will be interested in allthose aspects of sound production and perception which can be con-trolled [...] by a mature native speaker in order to achieve a particularlinguistic effect. It also means that phonologists are concerned withthose abstract patterns [in the sounds of languages that have to belearned by a child (or indeed adult) acquiring the language. In this re-spect phonology is concerned with something psychological, mental,or in contemporary terms, cognitive. [SPENCER, 1996:2; Hervorhebun-gen WH]

  • gph_3.300c Zur Arbitraritt des Zeichensauf phonologischer Ebene

    Es bleibt einer Sprachgemeinschaft vorbehalten, wie sie dievorhandenen Freiheitsgrade auf akustischer, phonetischer,phonologischer usw. Ebene nutzt.S Akustische und artikulatorische Varianten knnen in der

    einen Sprache eine Rolle spielen, in einer anderen Sprachespielen sie keine.

    S Der gleiche Laut kann in verschiedenen Sprachsystemenverschiedene Funktionen innehaben.

  • gph_3.400c Beispiel 1: Allophonie Zw\ - ZB\

    Im Deutschen wie im (Neu-)Griechischen existieren die bei-den Laute Zw\ und ZB\ in stellungsbedingter Allophonie (Ab-schnitt 3.2.3).Regel im Deutschen:S Zw\ nach dunklen Vokalen und Z@T\;S ZB\ a) nach hellen Vokalen und Diphthongen, b) nach

    Konsonanten, c) am Silbenanfang.Diese Regel wird auch bei Fremdwrtern angewendet, z. B. beiden aus dem Griechischen kommenden Wrtern Echo ZDBn9\und Rachitis Zq`wh9shr\.

  • gph_3.500c Beispiel 1: Allophonie Zw\ - ZB\(Forts.)

    Regel im Griechischen:S Zw\ vor dunklen Vokalen;S ZB\ vor hellen Vokalen.In den Wrtern Echo und Rachitis werden somit die beidenallophonischen Varianten gegenber dem Deutschen ver-tauscht: Echo ZDwn\, Rachitis Zq`Bhshr\.Fazit: Beide Regeln sind artikulatorisch sinnvoll, weil sie eineAssimilation des Artikulationsortes an benachbarte Vokalevornehmen. Der unterschiedlich genutzte Freiheitsgrad istdie zeitliche Richtung der Assimilation.

  • gph_3.600c Beispiel 2: Quantitt (vgl. Kap.4)

    Quantitt (auf der Ebene des Lautes): (relative) Dauer vonLauten (vgl. Abschnitt 3.3.1).S Deutsch: Quantitt fr Vokale distinktiv, d. h., es existie-

    ren Minimalpaare, die sich allein durch die Dauer des Vokalsunterscheiden, wie Mae Zl`9r?\ versus Masse Zl`r?\.Nicht distinktiv fr Konsonanten.

    S Italienisch: Quantitt fr Konsonanten distinktiv; vgl.cammino Zj`l!lhmn / j`!l9hmn\ (Weg) und caminoZj`!lhmn\ (Kamin). Nicht distinktiv fr Vokale.

    S Latein: Quantitt sowohl fr Vokale als auch fr Konsonan-ten distinktiv. Finnisch: ebenso.

    S Englisch oder Franzsisch: Quantitt weder bei Vokalennoch bei Konsonanten distinktiv.

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip derphonologischen Abstraktion

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie:Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem desDeutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.700c Phonologische Abstraktion

    Das Phonem als kleinste bedeutungsunterscheidende Einheitexistiert in einem System phonologischer (phonemischer)Oppositionen.Eine Opposition auf Phonemebene wird von zwei Phonen gebil-det, die die lautunterscheidenden Segmente eines Minimal-paares sind.Das Ziel der phonologischen Abstraktion besteht in derReduktion einer unberschaubar groen Zahl akustischer undartikulatorischer Mglichkeiten auf eine berschaubare,endliche, mglichst kleine Zahl von Einheiten.

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip der phonologischenAbstraktion3.2.1 Minimalpaaranalyse auf der phonetischen Ebene3.2.2 Aufstellung eines Phonemsystems nach erfolgter Minimal-

    paaranalyse3.2.3 Sonderflle3.2.4 Phonem und Orthophon

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie: Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem des Deutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.800c Die drei Schritte derMinimalpaaranalyse auf Phonemebene

    1) Segmentierung - Zerlegung des lautlichen Kontinuums ineine lineare (das heit sequentielle, lckenlose und berlap-pungsfreie) Folge diskreter Einheiten;

    2) Deskription (Beschreibung) dieser lautlichen Einheiten,in der Regel durch eine Transkription;

    3) Klassifizieren und Ordnen der lautlichen Einheiten.

  • gph_3.900c (1) Segmentierung

    Segmentierung - Zerlegung des lautlichen Kontinuums in mg-lichst kleine lautliche Einheiten, die eine gemeinsame Eigen-schaft bzw. ein gemeinsames Merkmal besitzen.Von der Akustik her eigentlich eine Illusion, denn die Artiku-latoren knnen nicht springen.Unser Gehr hat es trotzdem gelernt, beispielsweise inS Laute, die einer festen Stellung der Artikulatoren entspre-

    chen. Ergebnis: Dauerlaute, z. B. Monophthonge (Vokoide),Frikative, Laterale, Nasale, Vibranten.

    S Laute, die einer einheitlichen Bewegung der Artikulations-organe entsprechen, wie Okklusive, Affrikaten, Diph-thonge, Gleitlaute.

  • gph_3.1000c (1) Segmentierung

    Das Phon, das aus dieser Segmentierung resultiert, stelltsomit bereits eine erste Abstraktion dar. Wir definieren eswie folgt:

    Ein Phon ist ein (zeitlich) minimales Segment deslautlichen Kontinuums, das noch nicht auf seine Funktionim Sprachsystem klassifiziert ist.

  • gph_3.1100c (2) Deskription

    Die Beschreibung des Phons auf dieser Ebene erfolgt durcheine mglichst enge Transkription.Insbesondere wenn es das Ziel einer Untersuchung ist, dasPhonemsystem einer dem Experimentator fremden Spracheaufzustellen, kann die Transkription zunchst kaum eng genug sein, dasonst die Gefahr besteht, dass fr diese Sprache relevante Merkmaleberhrt werden.

    Segmentierung und Transkription knnen interagieren unditerative Prozesse darstellen.

  • gph_3.1200c (3) Klassifizieren und Ordnen

    DieMinimalpaaranalyse erfolgt auf vier Ebenen, die sich durchzunehmende Abstraktion [durch gezieltes Weglassen vonMerkmalen] auszeichnen.

    phonologisch relevante Merkmale

    auf Phonebene relevante Merkmale

    akustisch/artikulatorisch relevante Merkmale

    Wahrnehmbare Merkmale

  • gph_3.1300c Minimalpaaranalyse: Beispiel [1][TERNES, 1987:46]

    (1) Beschreibung aller wahrnehmbaren Merkmale durchsehr enge Transkription

    [tHI(I(I(WSW]+ +o

  • gph_3.1400c Minimalpaaranalyse: Beispiel [2][TERNES, 1987:46]

    (2) Eliminieren aller Merkmale, die mit Sicherheit aufartikulatorische Randbedingungen zurckzufhren und damitvom Sprecher nicht willkrlich gesetzt sind. Im Beispiel:S der infolge Nachbarschaft des ZH\ nach vorn verschobene Artikulations-

    ort des Zs\ sowie des ZR\;

    S die Entstimmung des ersten ZH\-Segments infolge des verzgertenStimmeinsatzes (voice onset time) durch das vorangehende Zs\; ebensodie im letzten ZH\-Segment durch die Nachbarschaft zum ZR\ bereitseinsetzende Lippenrundung.

    brig bleibt eine gemigt enge Transkription.

    [tHI(I(I(WSW] [tHISW]+ +o

  • gph_3.1500c Minimalpaaranalyse: Beispiel [3][TERNES, 1987:46]

    (3) Weitere Analyse durch Kontrastieren bzw.Substitution; dabei Entfernung aller Merkmale, die zwar vomSprecher willkrlich gesetzt werden und Gegenstand derAusspracheregeln einer Sprachgemeinschaft sein knnen,jedoch nicht zu einem Bedeutungsunterschied fhren.S Fr deutsche Konsonanten ist weder eine Lippenrundung noch eine

    Aspiration distinktiv; d.h., eine unaspirierte oder gerundete Aussprachedes Zs\ oder eine ungerundete Aussprache des ZR\ wrden zwar nichtder deutschen Aussprachenorm entsprechen, nicht aber zu einemBedeutungsunterschied fhren.

    brig bleibt eine gemigt weite Transkription.

    [tHI(I(I(WSW] [tHISW] [tIS]+ +o

  • gph_3.1600c Minimalpaaranalyse: Beispiel [4][TERNES, 1987:46 ff.]

    (4) Prfung der Phonemeigenschaft durch Substitution mitanderen Phonen (fr jedes Phon einzeln).S DieSubstitutionZs\--Ze\ (Tisch vs.Fisch) fhrt zu einemBedeutungsun-

    terschied.

    S Ebenso ZH\--ZT\ (Tisch vs. Tusch) und ZR\--Zj\ (Tisch vs. Tick).

    S Damit sind /s+ e+ h+ t+ R+ j/ Phoneme des Deutschen.

    brig bleibt die phonologische Transkription, in der nur nochdie bedeutungsunterscheidenden Merkmale beibehalten wer-den. Wir verwenden hier zur Kennzeichnung Schrgstriche(Ebene der langue).

    [tHI(I(I(WSW][tHISW][tIS]tiS+ +o

  • gph_3.1700c Definition des Minimalpaaresauf Phonemebene

    Ein Minimalpaar besteht aus zwei Wrtern bzw.Wortformen verschiedenerBedeutung, die sich durch nurein Phon in gleicher Position unterscheiden.

    Erst dadurch, dass zwei Phone die Laute sind, in denen sichdie beiden Wrter eines Minimalpaares unterscheiden, wer-den sie zu Phonemen.Hiermit wird auch die phonologische Opposition definiert; siestellt eine paradigmatische Beziehung dar:

    Sind zwei Phoneme die unterscheidenden Laute einesMinimalpaares, so stehen sie zueinander in direkterphonologischer Opposition.

  • Anlaut Inlaut Auslautr r r

    y y y

    Die Minimalpaaranalyse fr eine einzelne Opposition solltekeineswegs auf eine bestimmte Lautstellung beschrnktbleiben, da manche Oppositionen an bestimmten Stellenneutralisiert sind und ein Partner dieser Oppositionen dortdeshalb nicht vorkommen kann.Beispiel. Die phonologische Opposition /r/-/y/ kann nur im In-laut durch Minimalpaare belegt werden, z.B. reisen - reien.

    gph_3.1800c Minimalpaare und Neutralisierung

    (Auslautverhrtung)

    (Ausspracheregelim Deutschen)

  • Eine Phonemopposition kann zur Not auch durch minimaleStellung belegt werden, wenn kein echtes Minimalpaarverfgbar ist. Bei minimaler Stellung ist nur die unmittelbareUmgebung des untersuchten Phon(em)s gleich.

    gph_3.1900c Minimale Stellung

    Echtes Minimalpaar

    sinnen ZyHm?m\singen ZyHM?m\

    Minimale Stellung

    sinnen ZyHm?m\zwingen ZsrOHM?m\

  • Funktionale Belastung einer Opposition: auszudrcken durchdie Zahl der Minimalpaare, in denen diese Oppositionvorkommt.Beispiel: /s/--/e/ Tisch -- Fisch, Tang -- Fang, Tier -- vier, hat -- Haff usw.

    Funktionale Belastung eines Phonems: auszudrcken durch dieSumme der funktionalen Belastungen der Oppositionen, andenen dieses Phonem beteiligt ist.

    gph_3.2000c Funktionale Belastung

    Je strker die funktionale Belastung eines Phonems, destogrer die Gefahr von Verwechslungen bei seiner Realisierung.Der hufigste Vokal im Deutschen, das Schwa Z?\, istfunktional mit am geringsten belastet.

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip der phonologischenAbstraktion3.2.1 Minimalpaaranalyse auf der phonetischen Ebene3.2.2 Aufstellung eines Phonemsystems nach erfolgter Minimal-

    paaranalyse3.2.3 Sonderflle3.2.4 Phonem und Orthophon

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie: Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem des Deutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • Konsonanten: Es ist naheliegend, die Phoneme entsprechendder deskriptiven Phonetik nach Artikulationsart und Artikula-tionsort einzuteilen.

    Eine Artikulationsart / ein Artikulationsort ist dann pho-nologisch distinktiv, wenn es Phoneme gibt, die sich nurdurch diese Artikulationsart / diesen Artikulationsortvon anderen Phoneme unterscheiden.

    Nahe verwandte Artikulationsarten und -orte, die nicht alleindistinktiv sind, werden dabei auf der phonemischen Ebenehufig zusammengefasst.

    gph_3.2100c Konsonanten

  • gph_3.2200c Zusammenfassung vonArtikulationsorten

    Plosiv Frikativbilabial o a

    labiodental e u

    Plosiv Frikativlabial o a e u

    Eng benachbarte Artikulationsorte, die fr sich allein nichtdistinktiv sind, knnen zu Oberklassen zusammengefasstwerden.Beispiel im Deutschen:

  • gph_3.2300c Probleme bei der Aufstellungeines Phonemsystems

    Segmentierung und Zuordnung sind nicht (umkehrbar) eindeutig.Diphthong, z. B. Z`H\: mit Sicherheit zwei Phone -- zwei Phoneme odereines?

    Affrikate, z. B. Zsr\: akustisch nicht trennbar -- zwei Phoneme oder eines?

    Fr manche Oppositionen existieren keine direkten Minimalpaare.Sind Zw\ -- ZB\ zwei getrennte Phoneme -- und wenn nein, was dann?

    In manchen Minimalpaaren interferieren segmentale und hhereEbenen (Morphologie, suprasegmentale Merkmale).DasWortpaarMiete Z!lh9s?\ -- Mitte Z!lHs?\ ist phonetisch kein echtesMinimalpaar, da Unterscheidung in zwei Merkmalen (Vokalqualitt undQuantitt). Mssen beide Merkmale bercksichtigt werden, und wenn ja,welches ist dann magebend?

  • gph_3.2400c Quantitt in den Vokalen des Deutschen [1](vgl. Kap.4)

    Interferenz zwischen Vokalqualitt und Vokalquantitt: Die PaareMiete Zlh9s?\ -- Mitte ZlHs?\Hte Zgx9?\ -- Htte ZgXs?\stehlen ZRsd9k?m\ -- stellen ZRsDk?m\Hhle Zg19k?\ -- Hlle Zg8k?\Polen Zon9k?m\ -- Pollen ZoNk?m\Stuhle ZRst9k?\ -- Stulle ZRsTk?\

    sind phonetisch keine echten Minimalpaare, da Unterscheidung in zweiMerkmalen (Qualitt und Quantitt).

    Magebend: Quantitt, da sie fr sich Minimalpaare bildet:Bahn Za`9m\ -- Bann Za`m\sthlen ZRsD9k?m\ -- stellen ZRsDk?m\

    Damit ist die Quantitt fr deutsche Vokale distinktiv:ZH X 8 T N\ ! /h x 1 t n/

  • gph_3.2500c Quantitt in den Vokalen des Deutschen [2](vgl. Kap.4)

    Die Darstellung der Vokale auf der phonematischen EbeneZH X 8 T N\ ! /h x 1 t n/

    ist nicht frei von Willkr, da die Unterscheidung kurz-lang nicht auchdie Unterscheidung entspannt-gespannt bedingt.Es gibt gespannte Kurzvokale im Deutschen, z. B. in

    Polizei Zonkh!sr`H\; Figur Zeh!ft95\-

    Jedoch unterscheidet sich ein Paar in minimaler StellungPollen Z!oNk?m\ -- Polizei Zonkh!sr`H\

    in zwei Merkmalen (Vokalqualitt und Betonung), so dass wiederum keineechte minimale Stellung vorliegt.

    (Offene) Frage: mssen wir bei der Minimalpaaranalyse denDurchgriff hherer Ebenen (Morphologie, suprasegmentaleEigenschaften) bercksichtigen?

  • gph_3.2600c Vokalsystem des Deutschen

    n9

    hdD

    `

    + `H @T NX + ?

    h9H

    d9

    D9.D b

    ?

    x t1 n

    x9 t9X T19

    `9.`

    *.9.

    + `H @T NXPhonematisch Orthophon

    Merke: Die phonematische Transkription kann von den Aus-sprachevorschriften einer Sprache abweichen; sie ist in derRegel breiter.

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  • gph_3.2700c Problematik derVokal-Vokal-Verbindungen

    im Deutschen

    Diphthong1 Phonem -- 1 Silbenkern

    Z`H `T NX\

    Diphthonghnliche Kombinationen mit Z5\2 Phoneme -- Silbenkern und Coda [oder 2 Silbenkerne]

    z. B. Z`95 d95 h95 n95 t95 195 ...\

    Vokal-Vokal-Verbindungen2 Phoneme -- 2 Silbenkerne

    z.B. Ehe Z>d9?\

    Triphthonghnliche Kombinationen mit Z5\2 Phoneme -- 2 Silbenkerne

    z. B. Z`H5 NX5\

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip der phonologischenAbstraktion3.2.1 Minimalpaaranalyse auf der phonetischen Ebene3.2.2 Aufstellung eines Phonemsystems nach erfolgter Minimal-

    paaranalyse3.2.3 Sonderflle3.2.4 Phonem und Orthophon

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie: Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem des Deutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.2800c Stellungsbedingte Allophonie

    Phone mit unterschiedlichen akustischen Eigenschaften kn-nen dem gleichen Phonem zugeordnet werden, wennS sie in komplementrer Distribution stehen, d. h., mit ande-

    ren Phonemen Minimalpaare bilden, nur nicht mit sichselbst. Dies bedeutet, dass in einer bestimmten Stellungjeweils nur eines dieser beiden Phone auftreten kann;

    S die gemeinsamen Merkmale der beiden Phone in keinemanderen Laut vorkommen.

    Im Deutschen trifft dies zu fr die ch-Laute ZB\ und Zw\ -- streng genom-men sind es drei, da der Laut beispielsweise nach ZN\ uvular artikuliert wird:doch ZcNW\ (vgl. jedoch Abschnitt 3.4.2).

    Diese Laute sind damit Allophone des Phonems /w/.Gemeinsames Merkmal: dorsal artikulierte Frikative.

  • gph_3.2900c Freie Varianten

    Phone mit akustisch verschiedenen Eigenschaften, die demgleichen Phonem zugeordnet werden. Es existiert keine festeRegel, welches dieser Phone in welcher Stellung verwendetwird; dies ist dem Gutdnken des Sprechers (bzw. derSprachgemeinschaft) berlassen.Im Deutschen hat das Phonem /q/ freie Varianten:

    Zq\ -- apikaler (alveolarer) Vibrant (Zungen-/q/)Z\ -- uvularer Vibrant (Zpfchen-/q/)ZQ\ -- uvularer stimmhafter Frikativ (Zpfchen-/q/).

    Neben diesen Varianten, die in beliebigem Kontext gewhlt werden knnen,hat das /q/ im Deutschen auch feste, Allophon--hnliche Varianten: NachVokalen (aber nicht in intervokalischer Position) bzw. im Auslaut wird esmeist als hinterer Zentralvokal Z5\ realisiert.

    Daneben existieren regional verschieden noch weitere Varianten (vgl. imRheinland Garten Zf`ws?m\).

  • gph_3.3000c Neutralisierung von Oppositionen

    Oppositionen, die in einer Sprache grundstzlich existieren,knnen in bestimmter Stellung aufgehoben (neutralisiert)sein. Von zwei Lauten (bzw. Lautklassen), die eine Oppositionbilden, kann damit der (bzw. die) eine an der betroffenenStel-le nicht vorkommen.Im Deutschen und in manchen anderen Sprachen (z.B. Russisch, Trkisch,nicht aber Englisch oder romanische Sprachen) bekanntester Fall: Auslaut-verhrtung.

    In auslautender Position, also amWortende bzw. an signifikantenMorphem-grenzen ist die Opposition stimmhaft -- stimmlos (bzw. lenis -- fortis) fr Plo-sive und Frikative derart aufgehoben, dass stimmhafte Laute dieser Artikula-tionsarten dort nicht vorkommen. Dies erfasst im Deutschen die Oppositio-nen /o/--/a/, /s/--/c/, /j/--/f/, /r/--/y/ (auch /e/--/u/).

    Die Neutralisierung einer Opposition ist ein phonologischerProzess (siehe Abschnitt 3.5).

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip der phonologischenAbstraktion3.2.1 Minimalpaaranalyse auf der phonetischen Ebene3.2.2 Aufstellung eines Phonemsystems nach erfolgter Minimal-

    paaranalyse3.2.3 Sonderflle3.2.4 Phonem und Orthophon

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie: Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem des Deutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.3100c Von der langue zur parole

    phonologisch relevante Merkmale

    fr Sprachgemeinschaft und Sprecherrelevante Merkmale

    akustisch/artikulatorisch relevante Merkmale

    Wahrnehmbare Merkmale

    langue

    parole

    (Phonemsystem)

    (Orthophonie)

  • gph_3.3200c Orthophonie

    Grundlage fr die Aussprachenorm ist in der Regel nicht diephonematische Ebene, sondern die Ebene, die am ehesten durch diegemigt weite Transkription reprsentiert ist. KELZ (1976) definiert dielautliche Einheit, die der Aussprachenorm (auf Wortebene Orthoepie)entspricht, als Orthophon ; eine Arbeitsdefinition hierzu kannfolgendermaen lauten:

    DasOrthophon ist die derAussprachenormeinerSprachegeme Realisierung von Phonemen, Allophonen und freienVarianten.

    Im Deutschen mssen gegenber der phonematischen Darstellung zustz-lich bercksichtigt werden:S Stellungsbedingte Allophonie, also Zw\ und ZB\;S Vokalqualitten, also Zh x t\ und ZH X T\;S Regelhafte Varianten des /q/, also die Unterscheidung Zq..Q\--Z5\;S (optional) weitere Varianten wie Aspiration des /s/.

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip der phonologischenAbstraktion

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie: Phonotaktik3.3.1 Phonotaktik3.3.2 Grenzsignale - Junktur

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem des Deutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.3300c Silbenstruktur

    Silbe

    Silbenrand Silbenkern Silbenrand(Nukleus)

    [Vokaloder

    Diphthong]

    Anfangskonsonantenfolge Endkonsonantenfolge(AKF) (EKF)

    initiale KF finale KFanlautende KF auslautende KF[Anlaut] [Auslaut]Onset Coda

    AKF Silbenkern EKF+AKF Silbenkern EKF

    Innere Konsonantenfolge (IKF)mediale Konsonantenfolge

  • gph_3.34021 Silbenstruktur: Reim

    Nukleus und Codawerden zum Reim(rhyme, rime)zusammengefasst.

    C

    r olzs

    CCVC

    Silbe

    Segment

    On CoNu

    Reim

    Bei den meisten auf Silbenebene relevanten Merkmalen und Pro-zessen (Silbengewicht; Zuweisung der Wortbetonung) spielt derOnset keine Rolle, whrend manche Eigenschaften von Nukleus undCoda gegeneinander austauschbar sind.

  • gph_3.3500c Phonotaktische Beschrnkung

    Die Distributionsbeschrnkungen in Anfangs- und Endkonso-nantenfolgen sind sehr mchtig. Nur ein geringer Bruchteilder kombinatorisch mglichen Konsonantenfolgen kommt ineiner Sprache tatschlich vor.Wichtig: Vokalaffinitt (Sonorittsprinzip): Neigung der Vo-kale, bestimmte Konsonanten an sich zu binden oder nicht.Allgemein gilt: je vokalhnlicher ein Konsonant klingt undproduziert wird, desto grer ist seine Vokalaffinitt. Infallender Reihenfolge der Vokalaffinitt erhalten wir diefolgende Gruppierung der Konsonantenklassen:

    Liquide und Gleitlaute > Nasale > Frikative und Plosive.

  • gph_3.3600c Sonorittsprinzip im Deutschen

    Das Deutsche gehrt zu den Sprachen, die das Sonoritts-prinzip ziemlich gut befolgen.S Es existieren Konsonantenfolgen wie

    (initial) /ek-/ [Flug /ekt9j/], aber nicht */ke/, oder (fi-nal) /ks/ [alt /`ks/], aber nicht */sk/.

    S Auch innerhalb der einzelnen Gruppen gibt es Hierarchien.So hat /q/ eine hhere Vokalaffinitt als /k/ (Beispiel:/j`qk/, aber nicht */j`kq/).

    S Nasale treten nur einzeln auf.S Plosive und Frikative knnen (fast) beliebig miteinander

    kombiniert werden.

  • gph_3.3700c Anfangskonsonantenfolgenim Deutschen [RUSKE/SCHOTOLA, 1978]

    e R Ro Rs a c f o oe s sr sR jk ek Rk Rok ak fk ok oek jkq eq Rq Roq Rsq aq cq fq oq oeq sq jqu Ru sru jul Rlm Rm fm jmgiy

  • gph_3.3800c Endkonsonantenfolgen im Deutschen [1](RUSKE/SCHOTOLA, 1978)

    q k l m M e r R B w o s j

    qk ql qm qe qr qR qB qo qs qjkl ke kr kR kB ko ks kjlr lR lo lsme mr mR mB msMr Ms Mjer esrs RsBr Bs wr wsoe or oR ossr sRjr jR js

  • qkr qks qlr qls qmr qms qer qes qrs qRs qBr qBsqor qos qsr qjr qjs

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    loers msRrs

    gph_3.3900c Endkonsonantenfolgen im Deutschen [2](RUSKE/SCHOTOLA, 1978)

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip der phonologischenAbstraktion

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie: Phonotaktik3.3.1 Phonotaktik3.3.2 Grenzsignale - Junktur

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem des Deutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.4000c Grenzsignale

    Phone und sonstige Einheiten mit einer delimitativen Funktionwerden als Grenzsignale bezeichnet.S Im Deutschen ist dies vor allem der Glottalverschlusslaut

    (Knacklaut Z>\), der stets bei vokalischem Beginn einesWortes auftritt und somit keine Phonemfunktion erfllt,wohl aber zur Orthophonie des Deutschen gehrt.

    S In Sprachen, derenWortakzent streng auf der ersten oderletzten Silbe liegt, erfllt dieser die Funktion eines Grenz-signals.

  • gph_3.4100c Junktur[LEHISTE, 1963]

    Junktur: Art der Verbindung oder des bergangs zwischenden einzelnen Phonemen in ihrer syntagmatischen Abfolge.S Innerhalb des Wortes Regelfall: geschlossene Junktur,

    also einfach die direkte Verbindung aufeinanderfolgenderPhoneme.

    S An Wortgrenzen in flieender Sprache und an Morphem-grenzen innerhalb eines Wortes: offene Junktur. Sie wirdin phonematischer oder phonetischer Transkription optio-nal mit dem Symbol Z+\ gekennzeichnet.

    Wir knnen darunter auch die Art und Weise des Durchgriffs hhererEbenen, vor allem der morphologischen, auf die phonematische Ebene imRahmen syntagmatischer Beziehungen subsumieren.

  • gph_3.4200c Offene Junktur im Deutschen

    Offene Junkturen an Morphgrenzen imWortinneren ben im Deutschenerheblichen Einfluss auf die Aussprache aus. Betroffen:S Auslautverhrtung;S Glottalverschluss;S Zw\-ZB\-Allophonie.Diese drei Regeln sind bei offener Junktur im Wortinnern ebenso wirk-sam wie am Wortanfang oder -ende:

    vereisen /eDq+`Hy?m/ Ze5>`Hy?m\ --verreisen /eDq+q`Hy?m/ Ze5`Hy?m\

    beobachten /a?*na'*(`ws?m/ Za?>n9a`ws?m\oder sogar (im norddeutschen Regiolekt)Za?>No>`ws?m\ .

    Bei dieser Konstellation ist die Bercksichtigung der Junkturauf der orthophonischen Ebene zwingend, auf derphonematischen sehr ratsam.

  • gph_3.4300c Offene Junktur im Deutschenund die Zw\-ZB\-Allophonie

    Ist ein Paar wietauchen Zs`Tw?m\ -- Tauchen Zs`TB?m\ (kleines Tau)

    ein Minimalpaar - ja oder nein? Sind dementsprechend Zw\und ZB\ Allophone oder unabhngige Phoneme?

    S Ohne Bercksichtigung der Junktur:tauchen Zs`Tw?m\ -- Tauchen Zs`TB?m\ ist Minimalpaar; damit sind/w/ und /B/ zwei unabhngige Phoneme des Deutschen.

    S Mit Bercksichtigung der Junktur:tauchen Zs`Tw?m\ -- Tauchen Zs`T*B?m\ ist kein Minimalpaar, daUnterscheidung in zwei Merkmalen (Lautwert und Junktur); derAllophonstatus von Zw\ und ZB\ bleibt erhalten.

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip derphonologischen Abstraktion

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie:Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem desDeutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.4400c Konsonantensystem des DeutschenProblemfall Affrikate [Segmentierung!]

    Als Affrikate wird ein Laut bezeichnet, der aus einer Verbin-dung von (stimmlosem) Plosiv und nachfolgendem homorganenFrikativ entsteht, im Deutschen also Zoe\ oder Zsr\.S Akustisch sind Plosiv und Frikativ nicht voneinander zu trennen; damit

    entsteht eine eigene Lautklasse, und die Affrikate wird als eigenstn-dige Art der Artikulation angesehen.

    S Auf phonetischer Ebene bildet eine Affrikate also unstreitig ein (undnur ein) Phon.

    Die Frage ist auf der phonematischen Ebene: wird eine Affrikate als einPhonem oder die Kombination aus zwei Phonemen angesehen?

    Im Deutschen ist im Prinzip beides mglich, und fr jede der beiden Va-rianten sprechen gewichtige Argumente, so dass die Darstellungen inder Literatur uneinheitlich sind (vgl. UNGEHEUER, 1969; KOHLER, 1977;TERNES, 1987)

  • gph_3.4501a Konsonantensystem des DeutschenProblemfall Affrikate [Segmentierung!]

    Als Affrikate wird ein Laut bezeichnet, der aus einer Verbin-dung von (stimmlosem) Plosiv und nachfolgendem homorganenFrikativ entsteht, im Deutschen also Zoe\ oder Zsr\.Wird eine Affrikate als ein Phonem oder die Kombination auszwei Phonemen angesehen? - Was empfinden Sie?

    Beispiel: Man entferne von dem Wort pflge das erstePhonem.

  • gph_3.4601a Konsonantensystem des DeutschenProblemfall Affrikate [Segmentierung!]

    Als Affrikate wird ein Laut bezeichnet, der aus einer Verbin-dung von (stimmlosem) Plosiv und nachfolgendem homorganenFrikativ entsteht, im Deutschen also Zoe\ oder Zsr\.Wird eine Affrikate als ein Phonem oder die Kombination auszwei Phonemen angesehen? - Was empfinden Sie?

    Beispiel: Man entferne von dem Wort pflge das erstePhonem.

    Zoekx9f?\

    Zkx9f?\Zekx9f?\

    ? ?

  • post--labial alveolar palatal velar uvular glottal

    (laminal)

    Plosiv stimmhaft (lenis) a c fPlosiv stimmlos (fortis) o s jFrikativ stimmhaft (lenis) (u) y YFrikativ stimmlos (fortis) e r R [B] [w] gNasal l m MVibrant (q) ()Approximant / Lateral (O) k i

    gph_3.4700c Konsonantensystem des Deutschen

    alveolar(apikal)

    (S) freie Variante [S] Allophon Junktur bercksichtigtAffrikaten biphonematisch gewertet

  • Grundlagen der Phonetik3. Funktionale Phonetik und Phonologie

    02a

    3.1 Vorbemerkungen und einige Beispiele

    3.2 Vom Phon zum Phonem - Das Prinzip derphonologischen Abstraktion

    3.3 Syntagmatische Aspekte der Phonologie:Phonotaktik

    3.4 Nochmals zum Konsonantensystem desDeutschen

    3.5 Phonologische Grundprozesse

  • gph_3.4801a Was ist ein phonologischer Prozess?

    Ein phonologischer Prozess bedeutet die strukturelle (katego-riale) nderung eines Segments abhngig von einer bestimm-ten Situation.Phonologische Prozesse knnen sowohl synchron als auchdiachron beobachtet werden.(Synchrone) phonologische Prozesse werden insbesondereverursacht durchS KontextS SprechstilS Morphologie

    Hufigste Hintergrundursachen fr phonologische Prozessesind Koartikulation und Reduktion (siehe Vorlesung ARTIKULA-TORISCHE UND AKUSTISCHE PHONETIK, Kap.3/4)

  • gph_3.4901a Phonologische Grundprozesse

    Beteiligte an einem phonologischen Prozess sindS die Menge der Segmente, auf die der Prozess angewendet

    wird;S die Menge der dabei erzeugten Segmente;S die Bedingungen, unter denen der Prozess aktiviert wird.

    Als phonologische Grundprozesse knnen betrachtetwerdenS Assimilation und DissimilationS Elision und EpentheseS Lenisierung und Fortisierung

  • gph_3.5001a Assimilation

    Assimilation bedeutet Angleichung von Segmenten.(lat. assimilare angleichen).

    Wir unterscheidenS regressive vs. progressive Assimilation, also Assimilation in

    bzw. gegen die ZeitrichtungS partielle (teilweise) vs. totale (vollstndige) Assimilation,

    also Assimilation nur einzelner Merkmale eines Segmentsbzw. aller Merkmale

    S Kontaktassimilation bzw. Fernassimilation, also Assimilationunmittelbar benachbarter bzw. nicht unmittelbar benach-barter Segmente.

  • gph_3.5101a Assimilation - Beispiele

    Beispiel: Kontextabhngige Entstimmung stimmhafterFrikative

    Deutsch: Satz Zy`sr\ -- auf Z`Te\Aufsatz Z`tey`sr\ Z`tey`sr\ bzw. Z`ter`sr\

    Englisch: five Ze`Hu\ -- past Zo@rs\five past Ze`Huo@rs\ Ze`heo@rs\

    In beiden Fllen handelt es sich um eine partielle Assimilation[Merkmal Stimmhaftigkeit]; imdeutschenBeispiel progressiv,im englischen Beispiel regressiv; stets Kontaktassimilation.

  • gph_3.5201a Assimilation - Beispiele

    Beispiel: Assimilation als diachroner Prozess

    Latein: octo ZNjsN\ -- Italienisch: otto ZNssN\

    Hier handelt es sich umeine vollstndigeAssimilation. DasZj\bleibt nur noch ber die (im Italienischen distinktive) Konso-nantenquantitt erhalten.

  • gph_3.5301a Vokalharmonieals Beispiel fr Fernassimilation

    Trkisch kennt acht Vokale, die durch drei distinktive Merkmale be-schrieben werden knnen.

    h x L t

    @ ND 8

    geschlossen/offen

    ungerundet/gerundet

    hell/dunkel

    Vokalharmonie bedeutet: Der Vokal einer grammatischen Endung (Suffix)bzw., genauer gesagt, eines oder zwei seiner distinktiven Merkmale variie-ren abhngig vom letzten vorangehenden Vokal (im Stamm bzw. eines vor-angehenden Suffixes).

  • gph_3.5401a Vokalharmonieals Beispiel fr Fernassimilation

    Zwei Arten der Vokalharmonie im Trkischen:

    Vokalharmonie existiert auch in anderen Sprachen, ist dort aberteilweise anders organisiert.

    Groe VH Kleine VHVokal Beispiel (zwei Merkmale) (ein Merkmal) (deutsch)

    (Bsp. Poss.1.ps.sg. /Il/) Bsp.: Plural /kEq/

    Zh\ di ZchR\ diim ZchRhl\ diler ZchRkDq\ ZahnZD\ ev ZDe\ evim ZDuhl\ evler ZDekDq\ HausZ8\ gl Zf8k\ glm Zf8kxl\ gller Zf8kkDq\ SeeZx\ gl ZchR\ glm Zfxkxl\ gller ZfxkkDq\ RoseZL\ kz ZjLr\ kzm ZjLyLl\ kzlar ZjLrk@q\ MdchenZ@\ at Z@s\ adm Z@cLl\ atlar Z@sk@q\ NameZN\ kol ZjNk\ kolum ZjNktl\ kollar ZjNkk@q\ NameZt\ ku ZjtR\ kuum ZjtRtl\ kular ZjtRk@q\ Vogel

  • gph_3.5501a Dissimilation

    Dissimilation ist ein Prozess, der Segmente kon-trastiert, d.h., einander weniger hnlich macht.(lat. dissimilare unhnlich machen).

    S Dissimilation ist somit das direkte Gegenstck zurAssimilation.

    S Auch hier wird unterschieden zwischen progressiver/regressiver Dissimilation sowie Dissimilation unmittelbarbenachbarter oder weiter auseinanderliegender Segmente.

    S Im Vergleich zur Assimilation ist Dissimilation ein eherseltener Prozess in den Sprachen der Welt.

  • gph_3.5601a Dissimilation - Beispiele

    Dissimilation als diachroner ProzessAltgriechisch: okto ZNjsN\ -- Neugriechisch: oxto Znwsn\

    Dissimilation /q/-/k/ in Latein (-alis/-aris)floris (flos) floralis luna lunarislateris (latus) lateralis militis (miles) militarisnatura naturalis populus popularismortis (mors) mortalis sol solarisvocis (vox) vocalisnavis navalis

  • gph_3.5701a Elision

    Elision ist die vollstndige Unterdrckung einesSegments.S Elision ist im Grunde ein Reduktionsprozess, bei dem die

    Dauer des betroffenen Segments auf Null reduziert wird.S Das betroffene Segment verschwindet damit vollstndig

    und wird auch aus dem artikulatorischen Plan fr die ue-rung entfernt.

    S Dies schafft Raum fr weitere phonologische Prozesse (wieAssimilation), die durch die Elision erst ermglicht werden.

  • gph_3.5801a Elision - Beispiele

    Deutsch: (Sprechstilabhngige) Elision des schwa ingewissen Suffixenreden Zqd9c?m\ Zqd9cm

  • gph_3.5901a Epenthese

    Epenthese ist das Einfgen eines Vokals (Spross-vokal) oder eines Konsonanten (Sprosskonsonant) ineine lautliche uerung.S Epenthese ist somit das Gegenstck zur Elision.S Epenthese ist in derRegel die Folge der Fehlsynchronisation

    zweier oder mehrerer Artikulationsgesten, die im Prinzipgleichzeitig ablaufen mssen.

    Beispiel: Regiolekte im Deutschenfnf ZeXme\ ZeXm?e\

    ZeXle\ ZeXloe\

  • gph_3.6001a Lenisierung und Fortisierung

    Lenisierung: (fortschreitende) Erweichung (Schwchung)eines Konsonanten, die bis hin zur Elision fhren kann.S Plosiv FrikativS stimmloser (fortis) Obstruent stimmhafter (lenis)

    ObstruentS Plosiv Frikativ Approximant S Plosiv stimmlos aspiriert stimmlos stimmhaft S Geminate einfacher Konsonant

    Fortisierung: entgegengesetzter Prozess. Fhrt zur Verstr-kung von Konsonanten.

  • gph_3.6103c Fortisierung - Beispiele

    Die hufigste Form der Fortisierung tritt im Auslaut auf:Auslautverhrtung

    Viele Sprachen haben Auslautverhrtung, z. B. Deutsch,Russisch, Trkisch, Katalanisch

    Bei manchen Sprachen ohne Auslautverhrtung(Franzsisch, Spanisch) ist umgekehrt eine Tendenz zurLenisierung auslautender Konsonanten zu erkennen.

    Fortisierung im An- und Inlaut ist wesentlich seltener.

    Beispiel: deutsche Regiolekte (Eigennamen im Salzburgi-schen), z.B. Baumgartner Paumgartner

  • gph_3.6203c Lenisierung - Beispiele

    Lenisierungen treten hauptschlich im An- und Inlaut auf.Beispiel Japanischori (falten) + kami (Papier) origami (Papier falten)Beispiel Alt-/Neugriechisch [beta] [vita]Beispiel Deutsch (KOHLER, 1990)mit dem [mItH dem] [mItdem] [mIt|dm] [mIdm] [mIdm]` [mIbm]` [mIm]

    Im Auslaut sind Lenisierungen eher selten, kommen aber vor:Beispiel SpanischMadrid Zl`cqhc\ Zl`cqhC\

    Lenisierungen imAuslaut knnen zumVerschwinden von Konso-nanten fhren.

  • gph_3.63031 Fortgesetzte Prozesse

    Jeder phonologische Prozess fhrt zu einer Reorganisationder Artikulation und kann damit den Ausgangspunkt fr neuephonologische Prozesse bilden. Beispiel Magnifizenz

    Zl`fmhehsrDmsr\

    ZMm\ ZfM\

    ZMM\

    ZM\

    (Vollform)

    Regiolektale Assimilation(links: rheinisch; rechts: sddeutsch)

    Weitere (totale) Assimilation

    Geminatenreduktion(die deutsche Orthophonie und Phono-

    taktik lsst Geminaten nicht zu)