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Graphentheorie Prof. Dr. Anand Srivastav Wintersemester 2014/15

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Graphentheorie

Prof. Dr. Anand Srivastav

Wintersemester 2014/15

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Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen 5

1.1 Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.2 Einfache Struktureigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2 Bäume und Wege in Graphen 15

2.1 Minimal aufspannende Bäume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.2 Kürzeste Wege in Graphen mit Kantengewichten . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Matching und Vertex-Cover 21

3.1 Matching und Vertex-Cover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3.2 Bipartites Matching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3.3 Der Satz von Tutte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

4 Flüsse 31

4.1 Gerichtete Graphen und Flüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

4.2 Das Max-Flow/Min-Cut-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4.3 Schneller Ford-Fulkerson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

4.4 Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

4.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

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Inhaltsverzeichnis

5 Planarität von Graphen 47

5.1 Die Eulerformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

5.2 Der Satz von Kuratowski und Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

5.3 Färbbarkeit planarer Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

6 Färbbarkeit 55

6.1 Der Greedy-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

6.2 Der Satz von Brooks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

6.3 Der Satz von Vizing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

6.4 Das Art-Gallery Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

6.5 Ramseyzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

7 Zufällige Graphen 69

7.1 Das Modell Gpn, pq . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

7.2 Einige grundlegende Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

7.3 Existenz isolierter Knoten Gpn, pq . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

7.4 Subgraphen in Gpn, pq . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

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Kapitel 1

Grundlagen

1.1. Graphen

Wir vereinbaren folgende Bezeichnungen.

Ź N “ 1, 2, 3, . . ., N0 :“ NY 0, für n P N setzen wir rns :“ a P N ; a ď n.

Ź Für eine Menge M bezeichne PpMq :“ T ; T ĎM die Potenzmenge von M . Füreine Menge M und n P N0 sei

(Mn

):“ T ĎM ; |T | “ n die Menge der n-elementigen

Teilmengen von M . Ist M endlich, so gilt∣∣∣∣∣∣(M

n

)∣∣∣∣∣∣ “(|M |

n

)“

|M |!n!p|M | ´ nq! .

Ź Sei k P N und seien f, g : Nk Ñ Rě0 Abbildungen. Wir schreiben

fpnq “ Opgpnqq, falls es c1, c2 P Rą0 gibt, so dass für alle n P N gilt:

fpnq ď c1gpnq ` c2,

fpnq “ Ωpgpnqq, falls gpnq “ Opfpnqq,

fpnq “ Θpgpnqq, falls fpnq “ Opgpnqq und fpnq “ Ωpgpnqq,

fpnq “ opgpnqq, falls fpnqgpnq

nÑ8ÝÑ 0.

Beispiel 1.1. Für f : NÑ Rě0, n ÞÑ 170n2 ` 13n´ 21, g : NÑ Rě0, n ÞÑ n2 und h : NÑRě0, n ÞÑ log2 n gilt: fpnq “ Opgpnqq, hpnq “ Opgpnqq, gpnq “ Θpfpnqq, hpnq “ opgpnqq,hpnq “ Θplnnq.

Definition 1.2 (Graphen und Hypergraphen).

(i) Ein Hypergraph oder Mengensystem ist ein Tupel H “ pV , Eq, bestehend aus einerendlichen V , der Knotenmenge und der Menge der Hyperkanten E Ď PpV q.

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Kapitel 1. Grundlagen

(ii) Ein einfacher Graph ist ein Hypergraph, in dem alle Hyperkanten die Kardinalitätgenau zwei haben. Wir notieren Graphen in der Regel durch das Tupel G “ pV,Eq,wobei E Ă

(V2

). Eine Kante e hat die Form e “ v, w, u, v P V . Für einen Graphen G

bezeichnet V pGq die Menge seiner Knoten und EpGq die Menge seiner Kanten.

(iii) Ein gerichteter Graph G “ pV, ~Eq besteht aus einer endlichen Knotenmenge V undeiner Kantenmenge ~E Ď V ˆ V . Dabei interpretieren wir für eine Kante pv, wq P ~E denKnoten v als Anfangs- und w als Endpunkt der Kante pv, wq. Man zeichnet pv, wq oftals Vektorpfeil mit Anfangspunkt v und Spitze w ein.

Beispiel 1.3.

(i) Hypergraph H “ p1, 2, 3, 4, 5, 1, 2, 1, 3, 5, 2, 3, 4q

(ii) (einfacher) Graph

G “ p1, 2, 3, 4, 5, 1, 2, 1, 3, 2, 4, 3, 4, 3, 5, 4, 5q

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1.1. Graphen

(iii) gerichteter Graph

G “ p1, 2, 3, 4, 5, p1, 2q, p2, 1q, p3, 5q, p4, 5qq

Vereinbarung. Wenn im folgenden von einem Graphen die Rede ist – ohne nähere Angaben,zu welcher Klasse er gehört, so ist stets ein einfacher Graph mit n Knoten und m Kantengemeint.

Sei G “ pV,Eq ein Graph und n :“ |V | ą 0.

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Kapitel 1. Grundlagen

Ź Zwei Knoten v, w P V heißen benachbart, falls v, w P E. Für v P V sei

Γpvq :“ w P V ; v, w P E

die Nachbarschaft von v und degpvq :“ |Γpvq| der Grad von v.

Ź Für V 1 Ď V sei ΓpV 1q :“ ⋃vPV 1 Γpvq die Nachbarschaft von V 1.

Ź Gibt es r P N mit degpvq “ r für alle v P V , so heißt G r-regulär. Ein Graph G1 “ pV 1, E 1qheißt Teilgraph von G, falls V 1 Ď V und E 1 Ď E. Gilt zusätzlich E 1 “ E X

(V 1

2

), so heißt

G1 induzierter Teilgraph von G, und wir schreiben: G1 “ G|V 1 .

Beispiele.

Ź Für V 1 Ď V und E 1 Ď E sei

G´ V 1 :“ pV zV 1, E X(V zV 1

2

)q und G´ E 1 :“ pV,EzE 1q.

Für v P V schreiben wir statt G ´ v auch G ´ v, und analog für e P E statt G ´ eauch G´ e.

Für eine Menge W mit W X V “ H und eine beliebige Menge F zweielementiger Mengensei

G`W :“ pV YW,Eq und G` F :“ pV Y⋃F,E Y F q

die Addition der Graphen G und W .

Ź Sei H “ pW,F q ein weiterer Graph. G und H heißen isomorph, in Zeichen G » H, wennes eine bijektive Abbildung ϕ : V Ñ W gibt, so dass für alle v, w P V gilt:

v, w P E ô ϕpvq, ϕpwq P F.

Die Abbildung ϕ heißt Isomorphismus.

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1.1. Graphen

Ź Sei v1, v2, . . . , vn eine Aufzählung der Knoten von G. Die Matrix A “ paijq P 0, 1nˆn mit

aij :“

1, falls vi, vj P E

0 sonst

heißt Adjazenzmatrix von G.

Sei e1, e2, . . . , em eine Aufzählung der Kanten von G. Die Matrix B “ pbijq P 0, 1nˆm

mitbij :“

1, falls vi P ej0 sonst

heißt (Knoten-Kanten)-Inzidenzmatrix von G. Die Gestalt der Matrizen A und B hängtvon der gewählten Aufzählung der Knoten und Kanten ab. Dies ist jedoch unwesentlich, daA und B den Graphen G (unabhängig von der gewählten Aufzählung) bis auf Isomorphiefestlegen.

Ź G heißt vollständiger Graph. wenn E “(V2

)und wir schreiben: G “ Kn. G heißt leerer

Graph, wenn E “ H. Ein vollständiger Teilgraph heißt Clique, ein leerer induzierterTeilgraph heißt unabhängige Menge.

Ź Das Komplement von G ist der Graph G :“ Kn´E. Sei G P pV,Eq, pV, ~Eq ein einfacheroder gerichteter Graph und seien v, w P V . Ein Subgraph P heißt Weg von u nach v in G,kurz u-v-Weg, wenn V pP q “ v1, . . . , vk und für alle i P rk ´ 1s gilt: vi, vi`1 P E (bzw.pvi, vi`1q P ~E). P heißt geschlossen, falls v1 “ vk. Einen Weg P notieren wir auch durchP “ v1, . . . , vk.

Ź Ist P “ pv1, . . . , vkq ein Weg, so heißt |P | :“ k ´ 1 die Länge des Weges P .

Ź Sind P1 “ v1, . . . , vk und P2 “ w1, . . . , wl zwei Wege, so bezeichne P1 ˝ P2 den Weg

v1, . . . , vk, w2, . . . , wl.

Ź Ein Pfad ist ein Weg P mit |P | “ |V pP q| ´ 1, d.h. alle Knoten auf P sind verschieden.

Achtung: Die Bezeichnung kommt aus der englischsprachigen Literatur, hier wird einPfad meist als “path” bezeichnet, während ein Weg “walk” genannt wird.

Ź Ein Weg P “ v1, . . . , vk, v1 heißt Kreis, falls |P | ě 3 und v1 . . . , vk ein Pfad ist. G heißtkreisfrei, wenn es keinen Kreis in G gibt.

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Kapitel 1. Grundlagen

Ź Ein Graph G heißt zusammenhängend, wenn für alle v, w P V ein Weg von v nach w

existiert. Ein zusammenhängender induzierter Teilgraph von G, der in keinem anderenzusammenhängenden Teilgraphen von G echt enthalten ist, heißt Zusammenhangskompo-nente von G. G heißt Baum, wenn G kreisfrei und zusammenhängend ist. G heißt Wald,wenn G kreisfrei ist.

Ź Ein Graph G heißt bipartit, wenn es V1, V2 Ď V gibt mit V1 X V2 “ H, V1 Y V2 “ V undE Ď v1, v2 ; v1 P V1, v2 P V2. In diesem Fall heißt pV1, V2q eine Bipartition von G undwir schreiben G “ pV1YV2, Eq.

Ź Ist E “ v1, v2 ; v1 P V1, v2 P V2 so heißt G vollständig bipartit und wir schreibenG “ Kn1,n2 , wobei n1 :“ |V1|, n2 :“ |V2|.

Ź Sei G “ pV,Eq ein zusammenhängender Graph. Für alle u.v P V heißt

dGpu, vq :“ min |P | ; P ist ein u-w-Weg

der Abstand von v zu w. Ein u-v-Weg P mit |P | “ dGpu, vq heißt kürzester Weg von unach v in G.

Kürzeste Wege lassen sich effizient berechnen.

Algorithm 1: BreitensucheEingabe: Graph G “ pV,Eq, Knoten v0 P V .Ausgabe: Ein Baum, der die kürzesten Wege von v0 zu allen Knoten beschreibt.

1 pW,F q Ð pv0,Hq;2 Q :“ pv0q; /* Q dient als Warteschlange */

3 solange Q nicht-leer tue4 Seien v1, . . . , vl so dass Q “ pv1, . . . , vlq;5 Bestimme w1, . . . , wk so dass Γpv1q X pV zW q “ w1, . . . , wk;6 QÐ pv2, . . . , vl, w1, . . . , wkq;7 W Ð W Y w1, . . . , wk;8 F Ð F Y v, w ; w “ w1, . . . , wk;

9 Ausgabe pW,F q;

Proposition 1.4. pW,F q ist ein Baum und enthält die kürzesten Wege in g von v0 nach wfür alle w P V .

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1.2. Einfache Struktureigenschaften

1.2. Einfache Struktureigenschaften

Proposition 1.5. Sei G “ pV,Eq ein Graph mit n :“ |V |, m :“ |E|. Dann gilt

(i) ∑vPV degpvq “ 2m.

(ii) Die Anzahl der Knoten ungeraden Grades in G ist gerade.

(iii) Ist G zusammenhängend, so ist m ě n´ 1.

(iv) Ist G kreisfrei, so ist m ď n´ 1.

Beweis. (i). Wenn man degpvq über alle Knoten v summiert, wird jede Kante genau zweimalbetrachtet. Also gilt ∑vPV degpvq “ 2m.

(ii). Es ist ∑v: degpvq gerade degpvq eine gerade Zahl, etwa 2p. Mit (i) folgt∑v: degpvq ungerade

degpvq “∑

v: degpvq ungeradedegpvq `

∑v: degpvq gerade

degpvq ´ 2p

“ 2m´ 2p “ 2pm´ pq.

Damit ist ∑v: degpvq ungerade degpvq gerade und somit auch die Anzahl der Summanden (dajeder Summand ungerade ist).

(iii). Per Induktion über n. Für n “ 1 ist die Aussage trivial. Sei nun G ein zusammenhän-gender Graph auf n ě 2 Knoten. Wir wählen einen beliebigen Knoten v und betrachtenden Graphen H “ G ´ v. H ist nicht notwendig zusammenhängend. Wir nehmen an,dass H in k Zusammenhangskomponenten Z1, . . . , Zk zerfällt mit n1, . . . , nk Knoten, alson1 ` ...` nk “ n´ 1. Nach Induktionannahme enthält der von Zi induzierte Untergaph vonH mindestens ni ´ 1 Kanten. Da G zusammenhängend ist, muß v mit jeder Komponente Zidurch wenigstens eine Kante verbunden sein. Somit enthält G insgesamt mindestens

k `k∑i“1pni ´ 1q “

k∑i“1

ni “ n´ 1

Kanten.

(iv). Per Induktion über n. Für n “ 1 ist m “ 0. Sei jetzt n ě 2. Wir wählen eine Kantee P E so, dass H “ G´ e eine Zusammenhangskomponente mehr als G hat. Also zerfällt Hin zusammenhängende, kreisfreie Graphen H1, . . . , Hk, k ě 2, mit Knotenzahlen n1, . . . , nk,

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Kapitel 1. Grundlagen

und ni ď n ´ 1 für alle i P rks. Nach Induktionshypothese hat jeder Graph Hi höchstensni ´ 1 Kanten, und damit hat G höchstens

pni ´ 1q ` ..` pnk ´ 1q ` 1 “ pn1 ` ..` nkq ´ pk ´ 1q ď n´ 1

Kanten.

Korollar 1.6. Sei G “ pV,Eq ein Baum, n :“ |V |, m :“ |E|. Dann gilt m “ n´ 1.

Beweis. Folgt aus Proposition 1.5 (iii) und (iv).

Satz 1.7. Für einen Graph G sind folgende Aussagen äquivalent:

(a) G ist ein Baum.

(b) G ist ein minimaler zusammenhängender Graph.

(c) G ist ein maximaler kreisfreier Graph.

Beweis. (a) ùñ (b). Da G kreisfrei ist, zerstört die Entnahme einer Kante den Zusammen-hang.

(b) ùñ (c). Seien u, v P V . Da G zusammenhängend ist, gibt es einen Weg von u nach v.Fügt man die Kante u, v ein, so bildet sie zusammen mit dem Weg einen Kreis.

(c) ùñ (a). Angenommen, G ist nicht zusammenhängend. Wähle zwei Zusammenhangskom-ponenten K1 und K2. Zwischen diesen kann eine Kante eingefügt werden, ohne dass ein Kreisentsteht. Dies ist ein Widerspruch zu (c).

Definition 1.8. Sei G “ pV,Eq ein zusammenhängender Graph. Ein Baum T “ pV, F q mitF Ď E heißt Gerüst oder aufspannender Baum von G.

Korollar 1.9. Jeder zusammenhängender Graph enthält einen aufspannenden Baum.

Beweis. Betrachte den folgenden Algorithmus. Alternativ wende Breitensuche an, Algorith-mus 1.

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1.2. Einfache Struktureigenschaften

Algorithm 2: Aufspannender BaumEingabe: Graph G “ pV,Eq, E “ e1, . . . , em.Ausgabe: Ein aufspannender Baum von G.

1 T Ð pV,Hq;2 für iÐ 1 bis n tue3 wenn T ` ei kreisfrei dann4 T Ð T ` ei;

5 Ausgabe T ;

Definition 1.10. Sei G “ pV,Eq ein Graph, k P N. Eine k-Färbung von G ist eine Funktionf : V ÝÑ rks, so dass für je zwei benachbarte Knoten u, v P V gilt fpuq ‰ fpvq.

Die chromatische Zahl χpGq ist die kleinste Zahl k P N, so dass eine k-Färbung von G

existiert.

Satz 1.11. Sei G “ pV,Eq ein nicht-leerer Graph. Es sind äquivalent:

(a) G ist bipartit, etwa V “ SYT , EpSq “ EpT q “ H.

(b) χpGq “ 2.

(c) G enthält keinen ungeraden Kreis.

Beweis. (a) ùñ (b). Wir können alle Knoten in S mit einer ersten Farbe färben und die inT mit einer zweiten Farbe, d.h. χpGq ď 2. Da E ‰ H haben wir χpGq ě 2 (die Enden einerKante müssen verschieden gefärbt sein).

(b) ùñ (c). Sei f eine 2-Färbung von G. Wir zerlegen die Knotenmenge V in zwei Mengen S,T , wobei jede Menge monochromatisch ist, d.h. S :“ f´1p1q und T :“ f´1p2q. Dann habenwir SYT “ V . Es enthalten weder T noch S eine Kante. Sei C “ pv1, v2, .., vl, v1q ein Kreisin G. O.B.d.A. sei v1 P S. Da innerhalb von S (und T ) keine Kante verläuft, gilt

v2 P T, v3 P S, . . . , vl P T, v1 P S.

Der Index l ist gerade, d.h die Länge des Pfades pv1, .., vlq ist ungerade und somit hat Cgerade Länge.

(c) ùñ (a). O.B.d.A. sei G zusammenhängend. Wir wählen einen Knoten v0. Mit S bezeichnenwir die Menge aller Knoten, die von v0 geraden Abstand haben, und mit T das Komplementvon S. Angenommen, es gibt eine Kante v, u P S. Es seien Pv “ pv1 “ v0, v2, . . . , vk “ vq,

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Kapitel 1. Grundlagen

Pu “ pu1 “ v0, u2, . . . , ul “ uq kürzeste Pfade von v0 nach v bzw u. Nach Voraussetzung habenPv und Pu gerade Länge. Sei s der letzte gemeinsame Knoten auf den beiden Pfaden, d.h.s P V pPvq X V pPuq, etwa s “ vi0 “ uj0 , und für alle i ą i0 gilt vi R V pPuq und für alle j ą j0

gilt uj R V pPvq. Dann bildet C :“ ps “ vi0 , vi0`1, . . . , v “ vk, u “ ul, ul´1, . . . , uj0`1, uj0 “ sq

einen Kreis. Da Pv und Pw jeweils kürzeste Pfade sind, gilt i0 “ j0. Der Teilweg von s nach vvon Pv und der von s nach u von Pu sind somit beide gerade. Damit hat C ungerade Länge,ein Widerspruch.

Algorithm 3: Test auf BipartitionEingabe: Ein Graph G “ pV,Eq.Ausgabe: Ob G bipartit, und falls ja: Bipartition, sonst ein Kreis ungerader Länge.

1 Wähle ein v0 P V ;2 Führe Breitensuche durch und partitioniere V in S und T , so dassS “ w ; dpv0, wq gerade, und T “ w ; dpv0, wq ungerade;

3 für alle e “ v, w P E tue4 wenn v, w P S oder v, w P T dann5 Ausgabe Nein, sowie ein Kreis ungerader Länge konstruiert wie im Beweis von

Satz 1.11;

6 Ausgabe Ja, sowie Bipartition S, T ;

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Kapitel 2

Bäume und Wege in Graphen

2.1. Minimal aufspannende Bäume

Lemma 2.1. Sei G “ pV,Eq ein Graph. Folgende Aussagen sind äquivalent.

(a) G ist ein Baum.

(b) Zwischen je zwei Knoten von G existiert genau ein Pfad.

(c) G ist zusammenhängend und |E| “ |V | ´ 1.

Satz 2.2 (Cayley-Formel). Die Anzahl der aufspannenden Bäume des Kn ist gleich nn´2 (fürn ě 2).

Beweis. siehe J. Matoušek, J. Nešetřil, Diskrete Mathematik, Seite 249–270.

Schreibweise. Sei f : M Ñ R eine Abbildung und T Ď M . Dann schreiben wir fpT q für∑tPT fptq.

Problem 2.3 (Minimal aufspannender Baum (MST)).

Eingabe Zusammenhängender Graph G “ pV,Eq, Kantengewichtsfunktion c : E Ñ Q.

Aufgabe Finde einen aufspannenden Baum T “ pV, F q von G mit minimalem Gewicht, d.h.mit cpF q “ min cpF 1q ; T 1 “ pV, F 1q ist Baum .

Beispiel 2.4. Wir wenden den Kruskal-Algorithmus auf folgenden Graphen an.

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Kapitel 2. Bäume und Wege in Graphen

Algorithm 4: MST (Kruskal)Eingabe: G “ pV,Eq mit n :“ |V |, m :“ |E|, c : E Ñ Q.

1 T Ð pV,Hq;2 Sortiere die Kanten nach Gewicht: cpe1q ď cpe2q ď . . . ď cpemq;3 für iÐ 1 bis m tue4 wenn T ` ei kreisfrei dann5 T Ð T ` ei;

6 Ausgabe T ;

Ein möglicher Ablauf des Algorithmus sieht dann so aus.

Satz 2.5 (Kruskal, 1956). Der Kruskal-Algorithmus findet einen MST in Zeit Opmnq.

Beweis. Sei T “ pV, F q die Ausgabe des Algorithmus. Angenommen, T ist nicht zusam-menhängend. Dann gibt es zwei Zusammenhangskomponenten und eine Kante e1 P EzF , diediese verbindet. Sei e P EzF die leichteste Verbindungskante der beiden Zusammenhangskom-ponenten. Dann ist T ` e kreisfrei und folglich e P F im Widerspruch zur Wahl von e. Somitist T zusammenhängend. Nach Konstruktion ist T auch kreisfrei und enthält alle Knotenvon G, also ist T ein Gerüst von G. Angenommen, es gibt einen MST T ˚ “ pV, F ˚q

mit cpF ˚q ă cpF q. Für alle i P rn ´ 1s sei fi P F diejenige Kante, die der Algorithmusals i-te hinzugefügt hat. Wir können T ˚ so wählen, dass der kleinste Index k P rn ´ 1smit fk R F ˚ maximal ist. T ˚ ` fk besitzt einen Kreis C. Dieser enthält eine Kante g mit

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2.1. Minimal aufspannende Bäume

g R F . Wegen g P F ˚ und f1, . . . , fk´1 P F ˚ ist pV, f1, . . . , fk´1 Y gq kreisfrei. Dag R F gilt, folgt cpgq ě cpfkq. Dann aber ist T 1 “ pV, F 1q :“ T ˚ ` fk ´ g ein Gerüst vonG mit cpF 1q “ cpF ˚q ` cpfkq ´ cpgq ď cpF ˚q, d.h. T 1 ist ein MST mit f1, . . . , fk P F 1 imWiderspruch zur Wahl von T ˚.

Zur Laufzeit: Die Eingabelänge ist Ωpm ` nq. Das Sortieren der Kanten lässt sich in ZeitOpm logmq erledigen. Mit Breitensuche ist der Test auf Kreisfreiheit in Zeit Opnq möglich,also ist die Gesamtlaufzeit Opmnq.

Bemerkung 2.6. Durch eine geschicktere Implementierung lässt sich die Laufzeit des Kruskal-Algorithmus auf Opm log nq verringern (siehe B. Korte, J. Vygen, Combinatorial Optimization,Seite 120).

Algorithm 5: MST (Prim)Eingabe: G “ pV,Eq mit n :“ |V |, m :“ |E|, c : E Ñ Q.

1 Wähle v P V und setze T Ð pv,Hq;2 solange V pT q ­“ V tue3 Wähle e P E mit minimalem Gewicht unter allen Kanten mit |eX V pT q| “ 1;4 T Ð T ` e;5 Ausgabe T ;

Beispiel 2.7. Mit dem Graphen aus Beispiel 2.4 als Eingabe kann der Prim-Algorithmuswie in Abbildung 2.1 dargestellt arbeiten.

Abbildung 2.1. Beispiel für den Prim-Algorithmus.

Satz 2.8 (Jarnik, 1930; Prim, 1957). Der Prim-Algorithmus bestimmt einen MST in ZeitOpn2q – bei Verwendung geeigneter Datenstrukturen („Fibonacci-Heaps“, siehe M.L. Fredman,R.E. Tarjan, Fibonacci heaps and their uses in improvemed network optimization problems,Journal of the ACM 34 (1987), Seite 596–615) sogar in Zeit Opm` n log nq.

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Kapitel 2. Bäume und Wege in Graphen

2.2. Kürzeste Wege in Graphen mit Kantengewichten

Definition 2.9. Sei G “ pV,Eq ein zusammenhängender Graph und c : E Ñ Q eineKantengewichtsfunktion. Für alle v, w P V sei dGpv, wq :“ mincpP q | P P v Ñ wG, wobeicpP q :“ cpEpP qq. Ein Weg P P v Ñ wG mit cpP q “ dGpv, wq heißt kürzester Weg von vnach w in G.

Lemma 2.10 (Optimalitätsprinzip). Ist P “ pv, . . . , x, wq ein kürzester Weg von v nach wmit cpeq ě 0 für alle e P EpP q, so ist P ´ w :“ pv, . . . , xq ein kürzester Weg von v nach x.

Beweis. Angenommen, es gibt einen Weg P 1 von v nach x mit cpP 1q ă cpP ´ wq. Dann giltcpP 1 ˝ px,wqq “ cpP 1q` cpx,wq ă cpP ´wq` cpx,wq “ cpP q. P 1 ˝ px,wq ist ein Pfad vonv nach w. Da alle Kantengewichte nichtnegativ sind, enthält P 1 ˝ px,wq einen Weg P ˚ von vnach w mit cpP ˚q ď cpP 1 ˝ px,wqq ă cpP q im Widerspruch zur Wahl von P .

Bemerkung 2.11. Die Voraussetzung nicht-negativer Kantengewichte ist notwendig, wieder Beispielgraph aus Abbildung 2.2 zeigt.

Abbildung 2.2. In diesem Graph gilt: dpa, cq “ ´9 “ dpa, bq. Wegen cppa, b, cqq “ ´9 ist pa, b, cqein kürzester Weg von a nach c. Der Weg pa, bq ist jedoch kein kürzester Weg von a nach b, denncpa, bq “ 1 ą dpa, bq.

Korollar 2.12. Sei G “ pV,Eq ein zusammenhängender Graph und c : E Ñ Qě0 eineKantengewichtsfunktion. Dann gibt es für jedes v0 P V einen Baum T “ pV, F q, so dass füralle v P V gilt: Der eindeutig bestimmte Weg von v0 nach v in T ist ein kürzester Weg von v0

nach v in G.

Beweis. Sei T ein Baum mit maximaler Knotenmenge V 1, so dass für alle v1 P V 1 der Wegvon v0 nach v1 in T ein kürzester Weg in G ist. Angenommen, es gibt ein v P V zV 1. Sei y dererste Knoten auf einem kürzesten Weg von v0 nach v in G, der nicht in T liegt. Nach demOptimalitätsprinzip ist pv0, . . . , yq P v0 Ñ yT`y ein kürzester Weg in G, und nach Wahl

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2.2. Kürzeste Wege in Graphen mit Kantengewichten

von y liegt der Vorgängerknoten x von y in T . Da T ` y ein Baum ist, erhalten wir einenWiderspruch zur Wahl von T .

Problem 2.13 (Kürzeste Wege).

Eingabe: Zusammenhängender Graph G “ pV,Eq, c : E Ñ Qě0, Startknoten v0.

Aufgabe: Finde ein Gerüst T von G, so dass für alle v P V gilt: dT pv0, vq “ dGpv0, vq.

Algorithm 6: DijkstraEingabe: G “ pV,Eq, c : E Ñ Qě0, v0 P V .

1 für alle v P V tue2 lpvq Ð 8;3 v Ð v0, lpvq Ð 0, V 1 Ð v, F ÐH;4 solange V 1 ­“ V : tue5 für alle w P ΓpvqzV 1 tue6 wenn lpwq ą lpvq ` cpv, wq dann7 lpwq Ð lpvq ` cpv, wq und ppwq Ð v;8 Wähle v P V zV 1 mit lpvq “ min lpwq ; w P V zV 1;9 V 1 Ð V 1 Y v, F Ð F Y v, ppvq;

10 Ausgabe T :“ pV, F q;

Beispiel 2.14. Das Beispiel aus Abbildung 2.3 zeigt einen Ablauf des Dijkstra-Algorithmus.Die umrahmten Felder geben die berechneten Abstände zum Startknoten v0 an.

Abbildung 2.3. Beispiel für den Dijkstra-Algorithmus..

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Kapitel 2. Bäume und Wege in Graphen

Satz 2.15 (Dijkstra, 1959). Der Algorithmus Dijkstra löst das Kürzeste-Wege-Problem inZeit Opn2q.

Beweis. Der Algorithmus arbeitet analog zum Prim-Algorithmus und konstruiert daher inZeit Opn2q ein Gerüst von G. Sei Vi die Knotenmenge V 1 nach der i-ten Ausführung von3.2 und V0 :“ v0. Vi unterscheidet sich von Vi´1 nur durch den neu hinzugefügten Knotenvi :“ VizVi´1. Wir zeigen per Induktion über i:

p˚q Für alle v P Vi gilt: dT pv0, vq “ lpvq “ dGpv0, vq.

Offenbar gilt p˚q für V0. Sei v P Vi, und p˚q gelte für i ´ 1. Falls v P Vi´1 ist, gilt p˚q nachInduktionsvoraussetzung. Anderenfalls ist v “ vi, und es gilt:

lpviq “ lpppviqq ` cpvi, ppviqq

“ dT pv0, ppviqq ` cpvi, ppviqq nach Induktionsvoraussetzung,

da ppviq P Vi´1

“ dT pv0, viq.

Sei P “ pv0 “ u0, u1, . . . , uk “ viq ein kürzester Weg in G und sei j P rks minimal mituj R Vi´1. Da Vi´1 durch vi vergrößert wird und uj´1 P Vi´1 ist, gilt:

lpviq ď lpujq ď lpuj´1q ` cpuj, uj´1qq

“ dGpv0, uj´1q ` cpuj, uj´1q nach Induktionsvoraussetzung

“ dGpv0, ujq, da P ein kürzester Weg ist

ď dGpv0, viq.

Mit lpviq “ dT pv0, viq folgt dT pv0, viq “ dGpv0, viq.

Bemerkung 2.16.

(i) Der Dijkstra-Algorithmus funktioniert analog für das kürzeste-Wege-Problem ingerichteten Graphen.

(ii) Der Dijkstra-Algorithmus lässt sich auch mit Laufzeit Opm`n ¨ log nq implementieren(mit Fibonacci-Heaps, siehe Fredman, Tarjan, 1987).

(iii) Für das Kürzeste-Wege-Problem mit beliebigen rationalen Kantengewichten gibt eseinen Algorithmus, der in Zeit Opmnq einen Kreis mit negativem Gesamtgewicht findetoder alle kürzesten Wege berechnet (modifizierter Moore-Bellman-Ford-Algorithmus,siehe Korte, Seite 144).

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Kapitel 3

Matching und Vertex-Cover

3.1. Matching und Vertex-Cover

Definition 3.1. Sei G “ pV,Eq ein Graph.

(i) Eine MengeM Ď E heißt Matching (Paarung), wenn für alle e1 ­“ e2 PM gilt: e1Xe2 “ H.

(ii) Ein Matching M Ď E heißt (kardinalitäts-)maximal, wenn für jedes Matching M 1 Ď E gilt:|M 1| ď |M |. Die Mächtigkeit eines maximalen Matchings in G bezeichnen wir mit νpGq.

(iii) Ein Matching M Ď E heißt perfekt (1-Faktor), wenn |M | “ |V |2 gilt.

Problem 3.2 (Maximales Matching).

Eingabe: Graph G “ pV,Eq.

Aufgabe: Finde ein maximales Matching in G.

Definition 3.3. Sei G “ pV,Eq ein Graph und M Ď E.

(i) Ein Knoten v P V wird von M überdeckt, wenn es e PM gibt mit v P e.

(ii) Ein Pfad in G heißt M -alternierend, wenn er abwechselnd Kanten aus M und EzM

durchläuft (oder Länge 1 hat).

(iii) Ein M -alternierender Pfad heißt M -augmentierender Pfad, wenn seine Endknoten nichtvon M überdeckt werden.

Satz 3.4 (Berge, 1957). Sei G “ pV,Eq ein Graph und M Ď E ein Matching in G. M istgenau dann maximal, wenn G keinen M -augmentierenden Pfad enthält.

Beweis. ć: Sei M maximal. Angenommen, es gibt einen M -augmentierenden Pfad P in G.Dann ist M 1 :“ pMzEpP qq Y pEpP qzMq ein Matching mit |M 1| “ |M | ` 1.

„ð“: Sei M ein Matching, so dass G keinen M -augmentierenden Pfad enthält und sei M 1

ein maximales Matching. Wir betrachten den Teilgraphen H :“ p⋃pM YM 1q,M YM 1q. Alle

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Kapitel 3. Matching und Vertex-Cover

Knoten in H haben Grad höchstens 2. Daher besteht H aus Kreisen und Wegen. Jeder Kreisenthält ebensoviele Kanten aus M wie aus M 1. Die Wege sind M - und M 1-alternierend undhaben gerade Länge, da es weder M - noch M 1-augmentierende Pfade gibt. Also enthaltenauch die Wege ebensoviele Kanten aus M wie aus M 1. Es folgt: |M | “ |M 1|.

Definition 3.5. Seien A und B Mengen. Dann ist A∆B :“ pAzBqYpBzAq die symmetrischeDifferenz von A und B.

Algorithm 7: Bipartites maximales MatchingEingabe: G “ pV1YV2, Eq.

1 M ÐH;2 solange es existiert ein M-augmentierender Pfad P in G tue3 M ÐM∆EpP q;4 Ausgabe M

Satz 3.6. Der Algorithmus 7 Bipartites maximales Matching lässt sich so implemen-tieren, dass er in Zeit Opmnq das Problem Maximales Matching in bipartiten Graphenlöst.

Beweis. Die Korrektheit folgt aus dem Satz von Berge. Schritt 2 implementieren wir mittelswie folgt modifizierter Tiefensuche: Wir betrachten für jeden Knoten zwei Adjazenzlisten ΓMund ΓEzM , wobei für alle v P V die Liste ΓMpvq alle Nachbarn w mit v, w P M enthalteund ΓEzMpvq die Liste der Nachbarn w mit v, w P EzM sei. In jeder Iteration von 2wählen wir einen unmarkierten, nicht durch M überdeckten Startknoten v1 und markierenihn mit 1. Für mit 1 markierte Knoten werden nur Nachbarn aus ΓEzM betrachtet undmit 2 markiert. Für mit 2 markierte Knoten werden nur Nachbarn aus ΓM betrachtet undmit 1 markiert. Für jeden Knoten v wird ein Vorgängerknoten als ppvq abgespeichert. DieSuche bricht ab, sowie ein nicht von M überdeckter Knoten w mit 2 markiert wurde, mitdem M -augmentierender Pfad P :“ pw, ppwq, ppppwqq, . . . , v1q als Suchergebnis. Sind allevon v1 erreichbaren Knoten markiert, ohne dass ein M -augmentierender Pfad gefundenwurde, so wird ein neuer unmarkierter, nicht von M überdeckter Startknoten v1 gewählt. DerAlgorithmus terminiert, wenn alle Knoten markiert sind. ΓM und ΓEzM lassen sich in ZeitOpmq erzeugen. Die Suche hat ebenfalls Laufzeit Opmq. Da jeder Knoten höchstens einmal alsStartknoten einer Suche betrachtet wird, ist die Gesamtlaufzeit Opmnq. Es bleibt zu zeigen,dass die modifizierte Tiefensuche stets einenM -augmentierenden Pfad findet, wenn ein solcherexistiert. Angenommen, die Tiefensuche betrachtet überhaupt keinen Anfangsknoten eines

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3.1. Matching und Vertex-Cover

M -augmentierenden Pfades als Startknoten, obwohl ein solcher Anfangsknoten v1 existiert.Dann wird v1 von der Tiefensuche markiert, und zwar auf dem Pfad von einem nicht vonM überdeckten Startknoten v0 aus. Da v1 nicht von M -Uberdeckt wird, ist dieser Pfadein M -augmentierender Pfad im Widerspruch zur Annahme. Sei nun v1 der erste Knoten,den die modifizierte Tiefensuche als Startknoten betrachtet, für den ein M -augmentierenderP “ pv1, . . . , vkq existiert. Zu dem Zeitpunkt, an dem v1 Startknoten wird, ist kein Knotenauf P markiert, denn wäre vi von einem Startknoten v0 aus markiert worden, so gäbe es einenM -alternierenden Weg P 1 von v0 nach vk oder nach v1 mit nicht-überdeckten Endknoten.Da G bipartit ist, enthielte P 1 nur gerade Kreise, so dass durch Weglassen der Kreiskantenein M -augmentierender Pfad entstünde. Sei i P rks der größte Index, so dass vi von derTiefensuche mit Startknoten v1 markiert wird. Offenbar ist vi ­“ v1. Angenommen, vi ­“ vk.Sei P1 “ pv1 “ v11, v

12, . . . , v

1l “ viq der alternierende Pfad von v1 nach vi, den die Tiefensuche

findet, und P2 P v1 Ñ viG der Teilpfad von P .

1. Fall: vi´1, vi P M . Dann gilt vi, vi`1 P EzM . Da die Tiefensuche vi`1 nicht alsNachbarn von vi betrachtet, obwohl vi`1 unmarkiert ist, gilt v1l´1, v

1l P EzM . Dann aber

ist |P1| ungerade und |P2| gerade, und folglich enthält G einen geschlossenen Weg ungeraderLänge, im Widerspruch zur Wahl von G als bipartit.

2. Fall: vi´1, vi P EzM . Dann folgt analog v1l´1, v1l P M , d.h. |P1| ist gerade und |P2|

ungerade, im Widerspruch zur Wahl von G als bipartit.

Somit gilt vi “ vk, und die Tiefensuche findet einen M -augmentierenden Pfad.

Definition 3.7. Sei G “ pV,Eq ein Graph. T Ď V heißt Vertex-Cover (Knotenüberde-ckung), wenn für alle e P E gilt: e X T ­“ H. Mit τpGq bezeichnen wir die Größe einerKnotenüberdeckung minimaler Mächtigkeit.

Problem 3.8 (Vertex-Cover).

Eingabe: G “ pV,Eq, k P N.

Frage: Ist τpGq ď k?

Bemerkung 3.9. τpGq ě νpGq.

Beweis. Seien M ein Matching und T ein Vertex-Cover von G. Dann gibt es für jedes e PMein v P T mit v P e. Da die Kanten aus M disjunkt sind, folgt |T | ě |M |.

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Kapitel 3. Matching und Vertex-Cover

3.2. Bipartites Matching

Satz 3.10 (Hall 1935;Heiratssatz). Sei G “ pV,Eq ein bipartites Graph mit BipartitionV “ S Y T , S X T “ H. Es gilt νpGq “ |S| genau dann, wenn |NpAq| ě |A| für alle A Ď S.

Abbildung 3.1. S sei die Menge der Jungs, T die der Mädchen, Eine kante steht für Sympathie

Vollständig Heirat ist möglich, wenn jeder Junge s P S ein Mädchen t P T findet.

Der Heiratssatz ist ein Struktursatz. Leider ist es nur in 2|S| Zeit möglich, alle TeilmengenA Ď S auf die Hall-Bedingung|NpAq| ě |A| zu testen.

Beweis. (Satz 3.10)

Wir benutzen Induktion nach |S|.

Induktionsanfang: |S| “ 1. Hier gibt es wegen |NpSq| ě |S| “ 1 einen t P T , das mit demKnoten s P S gematcht werden kann und die Behauptung gilt.

Induktionsschluß: Sei |S| ě 2 and wir nehmen an, daß die Behauptung für Graphen mitBipartitions-menge der Kardinalität höchstens |S| ´ 1 gilt.

Ź Full: |NpAq| ě |A|`1 für alle A Ď S, A ‰ S. Sei a, b P E beliebig gewählt und betrachteG1 :“ Gza, b. Für jedes A Ď Sza gilt nun.

|NG1pAq| ě |NGpAq| ´ 1 ě |S| ` 1´ 1 “ |S|

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3.2. Bipartites Matching

Damit besitzt G1 ein Matching M von S nach T und |M | “ |S| ´ 1 nach Induktionsvor-aussetzung. Nun füge man die Kante a, b zu M hinzu und erhalte so ein Matching M 1

mit |M 1| “ |S| ´ 1` 1 “ |S|.

Ź Full: Es gibt ein A1 Ď S, A1 ‰ S, A1 ‰ H mit |NpA1q| “ |A1|. Sei G1 der Graph auf derKnotenmenge A1 YNpA1q. Diese erfüllt die Hall-Bedingung und da |A1| ă |S|, besitzt ernach Induktionsvoraussetzung ein Matching M von A1 nach NpA1q mit |M | “ |A1|. SeiG2 “ GzG1. G2 erfüllt ebenfalls die Hall-Bedingung.

Nehmen wir für einen moment an, daß dies nicht der Fall ist. Dann gibt es A Ď SzV pG1q

und NG2pAq ă |A|. Somit

|NGpAY A1q| ď |NGpAq| ` |NGpA

1q|

“ |NG2pAq| ` |NGpA1q|

ă |A| ` |A1|

“ |AY A1|,

ein Widerspruch zu Hall-Bedingung für G.

Also enthält G´G2 ein Matching F mit |F | “ |SzA1| “ |S| ´ |A|. Die Mengen M und Fsind nach Konstruktion disjunkt Ferner gilt.

|M Y F | “ |A1| ` |S| ´ |A1| “ |S|,

also wird S nach T gematcht.

Korollar 3.11 („Heiratssatz“, Frobenius, 1917). Sei G “ pSYT,Eq ein bipartiter Graph.Genau dann hat G ein perfektes Matching, wenn |S| “ |T | und |ΓpHq| ě |H| für alle H Ď S.

Wie sieht νpGq in einem allgemeinen bipartiten GraphenG “ pSYT,Eq aus ?

Das Problem ist, daß die Hallbedingung |NpAq| ě |A| für gewisse A Ď S verletzt sein kann.Eine Menge A Ď S mit |A| ą |NpAq| kann nicht vollständig gematcht werden. Die in diesemSinn nicht matchbaren Knoten definieren den Matchingdefekt.

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Kapitel 3. Matching und Vertex-Cover

Definition 3.12. Sei G “ pSYT,Eq ein bipartiter Graph. Der Matchingdefekt von G ist

defpGq :“ max|A| ´ |NpAq| : A Ď S.

Korollar 3.13. (Defektversion des Heiratssatzes) Sei G “ pSYT,Eq ein bipartiter Graph.Dann gilt

νpGq “ |S| ´ defpGq.

Beweis. Sei A Ď S mit |A|´ |NpAq| “ defpGq. Sei maximales Matching. Es gilt: |AX⋃M | “|NMpAq Ď |NpAq|, folglich

νpGq “ |M | “ |S X⋃M | “ |pSzAq X⋃M | ` |AX⋃M |

ď |SzA| ` |NpAq| “ |S| ´ |A| ` |NpAq| “ S ´ defpGq.

Sei D eine neue Knotenmenge mit |D| “ defpGq. Setze G1 “ pSYpT YDq, E Y s, d; s PS, d P Dq. Dann gilt für A Ď S:

|NG1pAq| “ |NGpAq YD|

“ |NGpAq| ` defpGq

“ |NGpAq| `max|A| ´ |NGpAq|; A Ď S|

ě |NGpAq| ` |A| ´ |NGpAq|

“ |A|.

Also erfüllt G1 die Heiratsbedingung, und es existiert ein MatchingM in G1 mit |S| “ |M |. SeiM “M XE. Dann gilt |M | ě |M |´ |D| “ |S|´defpGq und somit auch νpGq ě |S|´defpGq.

Ein Vertex-Cover (oder Knotenüberdeckung) in einem Graphen G “ pV,Eq ist eine TeilmengeW Ď V , in der all Kanten sind. τpGq ist die Größe eines Vertex-Cover minimaler Kardinalität.Es gilt νpGq ď τpGq für jeden Graphen G.

Satz 3.14. (Dualitätssatz für Bipartites Matching / Vertex-Cover) Ist G bipartit, so giltνpGq “ τpGq.

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3.3. Der Satz von Tutte

Beweis. Sei A Ď S mit defpGq “ |A| ´ |NpAq|. W :“ pSzAq Y NpAq ist ein Vertex-Covervon G, da es keine Kanten zwischen A und T zNpAq gibt. Es folgt:

τpGq ď |W |

“ |S| ´ |A| ` |NpAq|

“ |S| ´ defpGq

“ νpGq pKorollar 3.13q

3.3. Der Satz von Tutte

Tutte gab 1947 ein einfaches Kriterium für die Existenz eines 1-Faktors in allgemeinen Graphenan. Ist G ein Graph, so sei qpGq die Anzahl der ungeraden Zusammenhangskomponenten vonG “ pV,Eq. Besitzt G einen 1-Faktor, dann ist offensichtlich

|S| ě qpG´ Sq für alle S Ď V, (3.1)

denn jede ungerade Zusammenhangskomponente von G ´ S enthält einen ungematchtenKnoten, der durch Hinzunahme von S durch eine Matchingkante mit S verbunden wird. DerSatz von Tutte lehrt, daß diese Bedingung auch hinreichend ist. Die Bedingung (3.1) nennenwir Tutte-Bedingung.

Satz 3.15 (Tutte, 1947). Ein Graph G “ pV,Eq besitzt einen 1-Faktor genau dann, wenn|S| ě qpG´ Sq für alle S Ď V gilt.

Beweis. „ñ“ ist nach der obigen Beobachtung klar.

„ð“ Annahme 1: G besitzt keinen 1-Faktor.

Sei G˚ der Graph, der aus G durch Hinzufügen von Kanten entsteht, derart, daß G˚ kanten-maximal ist und keinen 1-Faktor enthält. G˚ erfüllt die Tutte-Bedingung, denn

qpG˚ ´ Sq ď qpG´ Sq für alle S Ď V.

gilt, da durch Hinzufügen von Kanten ungerade Komponenten von G´ S entweder ungeradebleiben oder zu geraden Komponenten verschmolzen, werden.

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Kapitel 3. Matching und Vertex-Cover

Sei K Ď V , so daß jeder Knoten aus K zu allen Knoten aus V in G˚ adjazent ist. K heißtdas Zentrum von G˚. Sei G1 “ G˚ ´K. Wir zeigen, daß jede Zusammenhangskomponentevon G1 vollständig ist. Dann läßt sich aber folgendermaßen ein 1-Faktor von G˚ konstruieren,im Widerspruch zur Annahme 1:

Ist K “ H, so ist mit der Tutte-Bedingung 0 “ |K| ě qpG˚ ´Kq “ qpG˚q, also qpG˚q “ 0und alle Zusammenhangskomponenten von G˚ sind gerade. Da sie zudem vollständig sind,finden wir einen 1-Faktor in jeder Komponente und somit in G˚. Sei nun K ‰ H, In jedergeraden Zusammenhangskomponente von G1 finden wir einen 1-Faktor. Aus jeder ungeradenKomponente von G1 verbinden wir genau einen Knoten mit je einem Knoten aus K. Dieverbleibenden, gerade viele Knoten in jeder ungeraden Zusammenhangskomponente von G1

werden vollständig gematcht. Sei K0 die Menge der verbleibenden ungematchten Knoten vonK.

Wegen 0 “ |H| ě qpG˚ ´Hq “ qpG˚q ist qpG˚q “ 0 und alle Zusammenhangskomponentenvon G˚ sind gerade, mithin ist |V | gerade. Im Fall, dass qpG˚ ´Kq gerade ist, ist |KzK0|

gerade, somit ist |K0| “ |V zpKzK0q| “ |V | ´ |KzK0| gerade und in K0 existiert ein perfektesMatching. Falls qpG˚ ´Kq ungerade ist, ist |KzK0| ungerade. Sei Vg die Menge der Knotenin geraden und Vu die Menge der Knoten in ungeraden Zusammenhangskomponenten vonG˚ ´K. Wegen qpG˚ ´Kq ungerade ist |Vg| ungerade und somit

|K0| “ |V zpVg Y Vu Y pKzK0qq|

“ |V |︸︷︷︸gerade

´ |Vg|︸︷︷︸gerade

´ |Vu|︸︷︷︸ungerade

´ |KzK0|︸ ︷︷ ︸ungerade

ist gerade. In K0 können daher alle Knoten gematcht werden.

Annahme 2: Es gibt eine Zusammenhangskomponente von G1, die nicht vollständig ist.

Dann existieren paarweise verschiedene Knoten a, b, c R K mit a, b, b, c P E, abera, c R E. Außerdem gibt es einen Knoten d P V mit b, d R E, denn sonst wäre ja b P K.Da G˚ kanten-maximal ist, besitzen die Graphen G1 “ G˚ ` a, c und G2 “ G˚ ` b, djeweils einen 1-Faktor M1 bzw. M2. Da G˚ keinen 1-Faktor besitzt, gilt a, c P M1 undb, d P M2. Sei P “ d . . . yx ein maximaler, pM1,M2q-alternierender Pfad in G˚, der in dmit einer M1-Kante beginnt.

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3.3. Der Satz von Tutte

Fall 1: Die letzte Kante in P ist eine M1-Kante. Dann ist x “ b, denn andernfalls läßt sichP mit einer an x anliegenden M2-Kante verlängern. Wir entfernen aus M2 die M2-Kantenvon P und ersetzen diese durch die M1-Kanten von P . Dieses neue Matching ist aber ein1-Faktor in G˚ im Widerspruch zur Wahl von G˚.

M “ pM2zpM2 X P qq Y pM1 X P q

Fall 2: Die letzte Kante von P ist eine M2-Kante. Dann ist aber x “ a oder x “ c, dennandernfalls ließe sich P mit einer M1-Kante, fortsetzen. Wir entfernen aus M2 die M2-Kantenvon P und nehmen die M1-Kanten von P sowie die Kante a, b zu M2 hinzu. Diesesmodifizierte Matching ist ein 1-Faktor von G˚, Widerspruch!

M “ pM2zpM2 X P qq Y pM1 X P q Y a, b

Damit ist Annahme 2 und daher auch Annahme 1 falsch.

Korollar 3.16 (Petersen, 1891). Jeder kubische Graph ohne Brücke hat einen 1-Faktor.

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Kapitel 3. Matching und Vertex-Cover

Beweis. Sei G “ pV,Eq ein kubischer Graph ohne Brücke. Wir zeigen, daß G die Tutte-Bedingung erfüllt. Sei S Ď V und sei C eine ungerade Zusammenhangskomponente vonG´ S. Da G kubisch ist, ist die Summe der Grade der Knoten von C somit ungerade.

Ist epS,Cq die Anzahl der Kanten zwischen C und S und e1 die Anzahl der Kanten in C, sogilt ∑

vPC

degpvq︸ ︷︷ ︸ungerade

´epS,Cq “ 2 ¨ e1︸ ︷︷ ︸gerade

,

also ist epS,Cq ungerade. Weil G kubisch ist, hat G keine Brücke. Daher epS,Cq ě 2, undweil epS,Cq ungerade ist, gilt epS,Cq ě 3. Für die Gesamtzahl der Kanten epG´ S, Sq, diezwischen S und G´ S verlaufen, folgt

3qpG´ Sq ď epG´ Sq ď 3|S| ,

also gilt die Tutte-Bedingung |S| ě qpG ´ Sq. Nach dem Satz von Tutte besitzt G einen1-Faktor.

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Kapitel 4

Flüsse

4.1. Gerichtete Graphen und Flüsse

Ein gerichteter Graph ist ein Paar ~G “ pV, ~Eq, wobei V eine Menge ist und ~E Ď V ˆ V . Wirnennen die Elemente aus V Knoten und die Elemente aus ~E Kanten. px, yq P ~E nennt mandie Kante von x nach y. Mit px, yq´1 bezeichnen wir die Kante py, xq. Diese Notation wendenwir auch auf Mengen von Kanten an. pV, ~E´1q etwa ist der gerichtete Graph, der aus ~G durchUmdrehen sämtlicher Kanten hervorgeht.

Für alle x P V seien N`pxq :“ y P V ; px, yq P ~E und N´pxq :“ y P V ; py, xq P ~E dieOut-Nachbarn bzw. In-Nachbarn von x.

Wir definieren Wege in gerichteten Graphen analog zum ungerichteten Fall. Es ist alsoW “ x1 . . . xl ein Weg der Länge l in G, falls für alle i P rl ´ 1s gilt pxi, xi`iq P ~E. Manchmalspricht man bei Wegen in gerichteten Graphen zur Verdeutlichung, dass es hier auf dieRichtungen der passierten Kanten ankommt, auch von gerichteten Wegen. Es bezeichneEpW q die von W passierten Kanten, also EpW q “ pxi, xi`1 ; i P rl ´ 1s. Wenn es derKontext erlaubt, werden wir auch W mit EpW q identifizieren.

Wir nennen einen Weg x1 . . . xl einen Pfad der Länge l, wenn alle Knoten paarweise verschiedensind.

Eine Funktion c : ~E ÝÑ Q`0 heißt Kapazitätsfunktion. Für eine Kante px, yq P ~E nennen wirden Wert cpx, yq die Kapazität dieser Kante.

Das Tupel p~G, cq, wobei ~G “ pV, ~Eq ein gerichteter Graph ist, nennt man auch Netz-werk.

Ein Pseudofluss ist eine Funktion f : ~E Ñ Rě0. Für px, yq P ~E nennen wir fpx, yq den Flussvon x nach y, oder auch den Fluss durch die Kante px, yq. Wir sagen auch, die Kante px, yqist flussführend, wenn fpx, yq ą 0.

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Kapitel 4. Flüsse

Definition 4.1. Seien s, t P V . Ein Pseudofluss f : ~E Ñ Rą0 heißt s-t-Fluss in ~G bezüglichder Kapazitäten c, falls die folgenden Bedingungen gelten:

(i) fpeq ď cpeq für alle e P ~E.

(ii) (Kirchhoffbedingung) ∑yPN`pxq

fpx, yq “∑

zPN´pxq

fpz, xq

für alle x P V zs, t.

Der Knoten s heißt in diesem Kontext auch Quelle (source), und t heißt Senke (sink).Ein solches Tupel p~G, c, s, tq, wobei ~G “ pV, ~Eq ein gerichteter Graph ist, heißt Netz-werk.

Für alle x P V definiere den Nettofluss von x als

Bfpxq :“∑

yPN`pxq

fpx, yq ´∑

zPN´pxq

fpz, xq. (4.1)

Bfpxq ist also die Differenz von Einfluss in x und Ausfluss aus x. Die Kirchhoffbedingunglässt sich jetzt auch so formulieren: Bfpxq “ 0 für alle x P V zs, t.

Proposition 4.2. Sei f ein s-t-Fluss. Dann gilt: Bfpsq “ ´Bfptq.

Beweis. TODO: Beweis

Der Wert |f | eines s-t-Flusses f ist der gemeinsame Wert von Bfpsq und ´Bfptq. Ein ma-ximaler s-t-Fluss einer Instanz I “ pV,E, c, s, tq ist ein solcher, dessen Wert unter allens-t-Flüssen von I maximal ist. Den Wert eines maximalen s-t-Flusses einer Instanz I be-zeichnen wir mit fmaxpIq, oder nur mit fmax, falls die Instanz durch den Kontext festgelegtist.

Problem 4.3 (Max-Flow).

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4.1. Gerichtete Graphen und Flüsse

Eingabe: Ein Netzwerk I “ p~G, c, s, tq mit ~G “ pV, ~Eq.

Gesucht: Ein s-t-Fluss f von I mit |f | “ fmaxpIq.

Proposition 4.4. Es gibt einen maximalen s-t-Fluss.

Beweis. Ein s-t-Fluss g lässt sich als Vektor im Rm mit m “ | ~E| auffassen. Somit ist dieMenge K aller s-t-Flüsse eome Teilmenge des Rm. Wir versehen den Rm mit der ‖¨‖

8-Norm.

Mit cmax “ ‖c‖8

gilt ‖g‖8ď cmax, also ist K beschränkt. Für jedes x P V ist die Abbildung

f ÞÑ Bfpxq von K nach R stetig. Daraus folgt, dass bei einer konvergenten Folge von s-t-Flüssen auch deren Grenzwert die Kirchhoffbedingung erfüllt. Somit ist K auch abgeschlossen,insgesamt also kompakt nach dem Satz von Heine-Borel.

Da insbesondere die Abbildung f ÞÑ |f | p“ Bfpsqq, die jedem Fluss seinen Wert zuordnet,stetig ist, nimmt sie auf K ihr Maximum an. Es gibt also einen maximalen s-t-Fluss.

Definition 4.5 (Schnitte). Sei p~G, c, s, tq ein Netzwerk mit ~G “ pV, ~Eq, f ein Pseudoflussund S Ď V .

(i) Die Menge δpSq :“ px, yq P ~E ; x P S, y R S ist der (gerichtete) Schnitt, oder auchkurz Schnitt, zwischen S und Sc “ V zS.

(ii) Es bezeichnet δ´1pSq :“ px, yq P ~E ; x R S, y P S den (gerichteten) Schnitt, oderauch kurz Schnitt, zwischen Sc und S.

(iii) Ist s P S und t R S, so heißt δpSq ein s-t-Schnitt.

(iv) Der Nettofluss eines s-t-Schnittes δpSq sei

BfpδpSqq :“∑ePδpSq

fpeq ´∑

ePδ´1pSq

fpeq.

(v) Es ist cpδpSqq :“ ∑ePδpSq cpeq die Kapazität des Schnittes δpSq.

(vi) Es bezeichne cmin die Kapazität eines kapazitäts-minimalen s-t-Schnittes in ~G. Wirschreiben meistens cmin, wenn ~G durch den Kontext festgelegt ist.

Wir können nun das Min-Cut-Problem formulieren.

Problem 4.6 (Min-Cut).

Eingabe: Ein Netzwerk I “ p~G, c, s, tq mit ~G “ pV, ~Eq.

Gesucht: Ein s-t-Schnittf mit minimaler Kapazität.

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Kapitel 4. Flüsse

Lemma 4.7. Für jeden s-t-Fluss f und jeden s-t-Schnitt δpSq gilt BfpδpSqq “ |f |.

Beweis. Beweis. Wir führen Induktion über |S|. Der Anfang S “ s ist klar nach Definitionvon |f |. Sei |S| ě 2 und v P Szs. Wir haben

δ`pSzvq “(δ`pSqz

(δ`pvq X δ`pSq

))Y

(δ´pvqz

(δ´pSq X δ´pvq

)),

δ´pSzvq “(δ´pSqz

(δ´pvq X δ´pSq

))Y

(δ`pvqz

(δ`pSq X δ`pvq

)).

Dann gilt mit der Induktionsvoraussetzung

|f | “ BfpSzvq

“ fpδ`pSzvqq ´ fpδ´pSzvqq

“ f

(δ`pSqz

(δ`pvq X δ`pSq

))` f

(δ´pvqz

(δ´pSq X δ´pvq

))

´ f

(δ´pSqz

(δ´pvq X δ´pSq

))´ f

(δ`pvqz

(δ`pSq X δ`pvq

))“ fpδ`pSqq ´ f

(δ`pvq X δ`pSq

)` fpδ´pvq ´ f

(δ´pSq X δ´pvq

)´ fpδ´pSqq ` f

(δ´pvq X δ´pSq

)´ fpδ`pvq ` f

(δ`pSq X δ`pvq

)“ fpδ`pSqq ´ fpδ´pSqq

“ BfpSq .

Satz 4.8 (Schwache Dualität). fmax ď cmin.

Beweis. Sei f ein maximaler s-t-Fluss, d.h. |f | “ fmax. Sei δpSq ein beliebiger s-t-Schnitt.Mit Lemma 4.7 gilt:

fmax “ BfpδpSqq “∑ePδpSq

fpeq ´∑

ePδ´1pSq

fpeq

ď∑ePδpSq

fpeq

ď∑ePδpSq

cpeq

“ cpδpSqq.

Also fmax ď cmin.

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4.2. Das Max-Flow/Min-Cut-Theorem

Satz 4.8 beschreibt die schwache Dualität zwischen dem maximalen s-t-Fluss und demminimalen s-t-Schnitt. Wir zeigen nun, dass sogar fmax “ cmin gilt.

4.2. Das Max-Flow/Min-Cut-Theorem

Aus technischen Gründen ist es hilfreich anzunehmen, dass in einer Instanz I “ p~G, c, s, tq,~G “ pV, ~Eq, keine entgegengesetzten Kanten vorliegen. D.h. wir möchten, dass mit einerKante e P E nicht auch die umgekehrte Kante e´1 sich in E befindet. Sollten sich die Kantene “ pv, wq sowie e´1 “ pw, vq in E befinden, so fügen wir einen zusätzlichen Knoten x ein undersetzen e durch die beiden Kanten pv, xq und px,wq. Wir erhalten so V 1 und E 1. Die neueKapazität c1 setzen wir c1pv, xq :“ c1px,wq :“ cpv, wq und c1peq :“ cpeq für alle e P Ezpv, wq.Ein optimaler s-t-Fluss für I 1 führt offenbar sofort auf einen optimalen s-t-Fluss für I. DasErsetzen aller entgegengesetzter Kanten in I dauert Opmq, und die Größe der Instanz ändertsich nur um einen konstanten Faktor.

Somit machen wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit folgende Voraussetzung.

Konvention 4.9. Für den Rest des Kapitels, soweit nicht explizit anders ausgewiesen, sindalle Instanzen p~G, c, s, tq frei von entgegengesetzten Kanten. Wenn also e P E gilt, so folgte´1 R E. Mit anderen Worten: E X E´1 “ H.

Ist ein ungerichteter Pfad P “ x1 . . . xl in unserer Instanz gegeben, so wird nun damit eindeutigeine Folge von Kanten e1, . . . , el´1 festgelegt. Wir nennen diejenigen Kanten ei, für die ei “pxi, xi`1q gilt, Vorwärtskanten und diejenigen, für die ei “ pxi`1, xiq gilt, Rückwärtskanten.Die Menge aller dieser Kanten auf P bezeichnen wir mit EpP q und manchmal auch nur mitP , wenn aus dem Kontext ersichtlich ist, dass die Kanten und nicht die Knoten gemeintsind.

Sei f ein s-t-Fluss und P “ x1 . . . xl ein ungerichteter s-t-Pfad so, dass folgendes gilt:

• fpeq ă cpeq, falls e eine Vorwärtskanten auf P ist.

• 0 ă fpeq, falls e eine Rückwärtskante auf P ist.

Dann nennen wir P einen f -augmentierenden Pfad.

f -augmentierende Pfade sind wichtig, da sie die Möglichkeit bieten, den Fluss f zu vergrö-ßern.

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Kapitel 4. Flüsse

Definition 4.10. Sei f ein s-t-Fluss und P “ x1 . . . xl ein ungerichteter s-t-Pfad Wirdefinieren für alle e P EpP q

εe :“

cpeq ´ fpeq falls e eine Vorwärtskante auf P ist

fpeq falls e eine Rückwärtskante auf P ist

undεP :“ min

ePEpP qεe.

Es gilt unmittelbar:

Proposition 4.11. P ist f -augmentierend genau dann, wenn εP ą 0.

εP ist der Betrag, um den wir den Wert von f einfach vergrößern können.

Lemma 4.12. Sei f ein s-t-Fluss in p~G, cq, ~G “ pV, ~Eq und P “ x1 . . . xl ein f -augmentierenderPfad. Für jede Kante e “ px, yq P ~E sei

fP peq :“

1 , falls e eine Vorwärtskante auf P ist

´1 , falls e eine Rückwärtskante auf P ist0 sonst.

Dann ist fP ein s-t-Fluss.

Sei ferner f˚ : ~E Ñ Rě0 definiert durch f˚peq :“ fpeq ` εPfP peq. Dann ist auch f˚ eins-t-Fluss, und es gilt |f˚| “ |f |` εP .

Beweis. f˚ erfüllt die Kirchhoffbedingung: Sei x P V zs, t. Für x R P gilt die Kirchhoffbe-dingung offensichtlich. Ist hingegen x P P , so kann x zwischen zwei Vorwärtskanten oderzwischen zwei Rückwärtskanten oder zwischen einer Vorwärts- und einer Rückwärtskanteliegen.

In den ersten beiden Fällen ist der eingehende Fluss gleich dem ausgehenden Fluss. Im dritten

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4.2. Das Max-Flow/Min-Cut-Theorem

Fall gilt f˚pe1q “ fpe1q ` εp und f˚pe2q “ fpe2q ´ εp, somit gilt∑yPN`pxq

f˚peq ´∑

yPN´pxq

f˚peq “∑

yPN`pxq

fpeq ´∑

yPN´pxqzu,v´pf˚pe1q ` f

˚pe2qq

“∑

yPN`pxq

fpeq ´∑

yPN´pxq

fpeq ´ pεp ´ εpq

“ 0 ,

da f die Kirchhoffbedingung erfüllt. f˚ erfüllt dier Kapazitätsbedingung. Für e P ~EzEpP q istnichts zu zeigen. Ist e P EpP q eine Vorwärtskante, so gilt

f˚peq “ fpeq ` εP ď fpeq ` cpeq ´ fpeq ď cpeq .

Ist e eine Rückwärtskante, so gilt

f˚peq “ fpeq ´ εP ď fpeq ´ fpeq “ 0 ď cpeq .

Der Flusswert von f˚ ist schließlich

|f˚| “ Bf˚psq “∑

yPN`psq

f˚ps, yq ´∑

zPN´psq

f˚pz, sq

“∑

yPN`psqzxfps, yq ´

∑zPN´psq

fpz, sq ` fps, xq ` εP

“ Bfpsq ` εP “ |f |` εP ,

falls ps, xq P EpP q. Analog erhält man für px, sq P EpP q das Gewünschte.

Solange es in der Instanz also noch f -augmentierende Pfade gibt, kann man f vergrößern.Das gibt die Idee für einen ersten Algorithmus zur Lösung des Problems Max-Flow: Starte mitdem Fluss f :“ 0 und vergrößere diesen entlang f -augmentierender Pfade.

Die effiziente Bestimmung eines f -augmentierenden Pfades (oder der Nachweis, dass es keinensolchen mehr gibt), kann mit dem Residualgraph erfolgen. Zu einem Fluss f in der Instanzp~G, c, s, tq mit ~G “ pV, ~Eq definieren wir:

~E`f :“e P ~E ; fpeq ă cpeq

~E´f :“

e´1

P ~E´1 ; fpeq ą 0,

und ~Ef :“ ~E`f Y~E´f . Den Graphen ~Gf :“ pV, ~Ef q nennen wir den Residualgraphen von f .

Wir haben unmittelbar:

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Kapitel 4. Flüsse

Proposition 4.13. Ein s-t-Pfad in ~Gf ist ein f -augmentierender Pfad für I und umgekehrt.

In ~Gf können s-t-Pfade mit einer Breitensuche gefunden werden, solange es welche gibt. Esfolgt:

Lemma 4.14. Ein f -augmentierender Pfad kann in Opmq Zeit gefunden, oder aber seineNichtexistenz nachgewiesen werden.

Algorithm 8: Ford-FulkersonEingabe: Eine Instanz I “ p~G, c, s, tq, ~G “ pV, ~Eq.Ausgabe: Ein s-t-Fluss f von I mit |f | “ fmaxpIq.

1 Initialisiere f :“ 0;2 repeat3 Bestimme Gf ;4 Ausgehend von s führe eine Graphensuche in Gf durch;5 Gibt es keinen s-t-Pfad in ~Gf , stoppe;6 Gibt es einen s-t-Pfad P in ~Gf (welcher somit ein f -augmentierender Pfad für I

ist), so berechne εP ;7 Setze f :“ f ` εPfP ;8 until endlos;

Proposition 4.15. Bei rationalen Kantenkapazitäten terminiert der Ford-Fulkerson-Algorithmusin Opmfmaxq Zeit.

Beweis. Da alle Kantenkapazitäten rationale Zahlen sind, gibt es für sie einen gemeinsamenNenner N P N. Für jeden f -augmentierenden s-t-Pfad P ist εP der Wert des Flusses über eineKante oder die Differenz aus dem Fluss über eine Kante und einer Kapazität. Ist also fpeq füralle Kanten e P ~E eine rationale Zahl der Form n

N(n P N), dann ist auch εP ein Vielfaches

von 1N. Da der initiale Fluss f “ 0 unsere Annahme erfüllt, erhalten wir induktiv, dass in

Algorithmus 8 der Fluss in jedem Schritt um ein Vielfaches von (und damit mindestens um)1N

erhöht wird. Somit werden höchstens fmaxN Schritte benötigt. Mit Lemma 4.14 erhaltenwir die gemischte Laufzeit.

Satz 4.16 (Max-Flow/Min-Cut-Theorem). Der Ford-Fulkerson-Algorithmus liefert, falls erterminiert, einen maximalen s-t-Fluss und es gilt fmax “ cmin in Opmfmaxq Zeit.

Beweis. Nachdem der Algorithmus terminiert ist, gibt es im Netzwerk keine f -augmentierendens-t-Pfade mehr. Sei U Ď V die Menge aller Knoten, die auf einem f -augmentierenden Pfad

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4.3. Schneller Ford-Fulkerson

mit Startknoten s zu erreichen sind. Es gilt dann s P U und t R U , womit δpUq ein s-t-Schnittist. Für alle e “ px, yq P δpUq gilt fpeq “ cpeq, da sonst der x-erreichende f -augmentierendes-t-Pfade um e verlöngert werden könnte. Mit demselben Argument gilt für eine Kante e P ~E,für die e P δ´1pUq ist, dass fpeq “ 0. Es folgt

BfpδpUqq “∑

ePδpUq

fpeq ´∑

ePδ´1pUq

fpeq

“∑

ePδpUq

cpeq “ cpδpUqq.

Mit dem Satz4.8 und Lemma 4.7 folgt

cmin ě fmax ě |f | “ BfpδpUqq “ cpδpUqq ě cmin.

Wir haben also in dieser Ungleichungskette überall Gleichheit und damit |f | “ fmax.

Ferner erhalten wir das folgende Korollar.

Korollar 4.17. Sei I “ p~G, c, s, tq, G “ pV, ~Eq eine Instanz so, dass cpeq P N für alle e P ~Egilt. Dann findet der Algorithmus von Ford und Fulkerson in Opmfmaxq Zeit einen ganzzahligenmaximalen s-t-Fluss f , d.h. es gilt |f | “ fmaxpIq und fpeq P N für alle e P ~E.

4.3. Der Fluss-Algorithmus von Edmonds und Karp

Unter Umständen kann der Ford-Fulkerson-Algorithmus sehr lange brauchen, bis er terminiert.Man betrachte zum Beispiel die folgende Instanz:

Es gilt hier fmax “ 2 ¨ 10k. Wählt der Algorithmus als f -augmentierende Pfade abwechselnddie Pfade mit den Kanten abe und dbc, so benötigt er 2 ¨ 10k Iterationen, um einen maximalenFluss zu finden. Dies ist nicht polynomiell in der Eingabelänge.

Wir werden sehen, dass die Wahl von einem kürzesten f -augmentierenden Pfad zu folgendenVerbesserungen führen:

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Kapitel 4. Flüsse

• Eine Laufzeit von Opnm2q,

• Die Forderung, dass alle Kantenkapazitäten rational sind, kann fallengelassen werden.

Definition 4.18. Sei I “ p~G, c, s, tq, ~G “ pV, ~Eq eine Instanz und ~H “ pV, ~F q ein Graph aufV .

(i) Sei dstp ~Hqdie Länge eines kürzesten s-t-Pfades in H.

(ii) Mit Eµp ~Hq bezeichnen wir die Menge aller Kanten e P ~F , für die gilt: Es gibt einens-t-Pfad mit Länge dstp ~Hq, der e enthält.

Lemma 4.19. Sei I “ p~G, c, s, tq, ~G “ pV, ~Eq. Definiere ~G1 :“ pV, ~E Y Eµp~Gq´1q. Dann gilt

(i) Estp~Gq “ Estp~G1q

(ii) dstp~Gq “ dstp~G1q

Beweis. Aussage (ii) folgt aus (i): ein kürzester s-t-Pfad in ~G ist wegen (ii) auch ein s-t-Pfadin ~G1, somit gilt dstp~G1q ď dstp~Gq, und wenn wir die Rollen von ~G und ~G1 vertauschen, folgtdstp~Gq ď dstp~G

1q, also (ii).

Für den Beweis von (i) zeigen wir, dass ein kürzester s-t-Pfad in ~G1 keine Kanten aus ~Estp~Gq´1

enthält. Denn dann ist ein kürzester s-t-Pfad in ~G auch einer in ~G1 und umgekehrt, wassofort ~Estp~Gq “ ~Estp~G

1q impliziert. Annahme: Es gibt einen kürzesten s-t-Pfad P in ~G1, dereine Kante aus ~Estp~Gq´1 enthält. Sei e´1 “ pw, vq die erste derartige Kante auf P und seie “ pv, wq P ~Estp~Gq. Von den Pfaden P1 “ s . . . w und P2 “ v . . . t ist P1 ein Pfad in ~G.Da e P ~Estp~Gq, gibt es einen s-t-Pfad Q in ~G, der e enthält. Die Pfade Q1 “ s . . . v undQ2 “ w . . . t sind sowohl Pfade in ~G als auch in ~G1. Der Pfad P1Q2 “ s . . . w . . . t ist eins-t-Pfad in ~G, also dstp~Gq ď lpP1Q2q. Andererseits ist Q1P2 “ s . . . v . . . t ein s-t-Pfad in ~G,somit dstp~G1q ď lpQ1P2q.

tP2

Q2

Q1

s

P1

we´1

v

e

P :

Q :

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4.3. Schneller Ford-Fulkerson

Der entscheidende Punkt ist, dass die Pfade P1Q2 und Q1P2 genau zwei Knoten wenigertraversieren als P und Q. Somit gilt

dstp~Gq ` dstp~G1q ď lpP1Q2q ` lpQ1P2q

“ |V pP1Q2q| ` |V pQ1P2q|

“ |V pP q| ` |V pQq| ´ 2

“ dstp~Gq ` dstp~G1q ´ 2

ă dstp~Gq ` dstp~G1q ,

Widerspruch.

Algorithm 9: Edmonds und Karp, 1972Eingabe: Ein Netzwerk p~G, c, s, tq, ~G “ pV, ~Eq.Ausgabe: Ein s-t-Fluss f mit |f | “ fmax.

1 Initialisiere f :“ 0;2 repeat3 Erzeuge ~Gf ;4 Führe beginnend bei s Breitensuche in ~Gf durch. Dies bestimmt einen kürzesten

gerichteten s-t-Pfad in ~Gf , falls ein solcher existiert;5 Findet die Breitensuche keinen s-t-Pfad in ~Gf , so Abbruch.;6 Findet die Breitensuche einen kürzesten s-t-Pfad P in ~Gf , so bestimme εP

bezüglich des durch P induzierten f -augmentierenden Pfades.;7 Setze f :“ f ` εPfP ;8 until endlos;

Satz 4.20. Der Algorithmus von Edmonds und Karp bestimmt einen s-t-Fluss mit maximalemWert in der Zeit Opnm2q. Diese Aussage bleibt richtig, selbst wenn die Kantenkapazitätennicht sämtlich rational sind.

Beweis. Wenn wir Gf mit Adjazenzlisten erzeugen, geht die Breitensuche in Opmq. Jeder derSchritte 2 bis 6 braucht dann Opmq. Somit kostet eine Iteration Opmq.

Wir zeigen nun, dass es nach spätestens Opmnq Iterationen keinen f -augmentierenden s-t-Pfad mehr gibt. Wie im Beweis des Max-Flow/Min-Cut-Theorems (Satz 4.16) sieht mandann, dass f ein Fluss maximalen Wertes ist. Dies gibt die Gesamtlaufzeit von Opnm2q.

Sei ~Gf für irgendeine Iteration gegeben und P darin ein kürzester s-t-Pfad. Definiere ~G1f :“pV, ~Ef Y Eµp~Gf q

´1q. Sei fP der entlang P augmentierte s-t-Fluss.

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Kapitel 4. Flüsse

Es ist dann ~GfPein Subgraph von ~G1f . Ob und in welcher Richtung zwei Knoten in ~GfP

verbunden sind, hängt alleine vom Fluss auf den Kanten, die diese Knoten in ~G verbinden, undderen Kapazitäten ab. Beim übergang von f zu fP gab es diesbezüglich nur Veränderungenentlang von P . Da die Kanten von P in Estp~Gf q enthalten sind, folgt die Behauptung.

Wir erhalten mit Lemma 4.19 (ii)

µpGf˚q ě µp~G1f q “ µpGf q, (4.2)

Die obige Ungleichung gilt in jeder Iteration, also wird die Länge kürzester s-t-Pfade nichtkleiner. Da die Länge eines kürzesten s-t-Pfades höchstens n ist, kann die Ungleichungdstp~Gf q ă dstp~GfP

q in höchstens n Iterationen gelten. In diesem Fall sagen wir, dass einKnoten „verbraucht“ wurde. Was passiert aber, wenn in einer Iteration kein Knoten verbrauchtwird, also dstp~Gf q “ dstp~GfP

q?

Dann folgt aus (1): dstp~GfPq “ dstp~G

1f q. Wir bemerkten bereits, dass ~GfP

ein Subgraph von~Gf ist. Also ist jeder kürzeste s-t-Pfad in ~GfP

auch ein kürzester s-t-Pfad in ~G1f , somit~Estp~GfP

q ď ~Estp~G1f q “

~Estp~Gf q. Offenbar gilt aber ~EpP q ď ~Estp~Gf q. Auf jeder Kante vonP , auf der das Minimum der Flussausnutzung εP angenommen wird, ist nicht mehr in ~GfP

,also auch nicht in ~Estp~Gf q enthalten. Wir sagen, eine Kante wurde „verbraucht“. Somitwird in jeder Iteration entweder ein Knoten oder eine Kante verbraucht. Wenn eine Kanteverbraucht wird, so geschieht dies nacheinander höchstens Opmq mal, denn spätestens dannwird wieder ein Knoten verbraucht. Da nur n Knoten vorhanden sind, kann es höchstensOpnmq Iterationen geben.

4.4. Zusammenhang

Es sei ~G “ pV, ~Eq ein gerichteter Graph und C “ x1 . . . xl ein Kreis in ~G. Wie üblich istV pCq die Knotenmenge und ~EpCq “ pxi, xi`1q, pxl, x1q ; i P rl ´ 1s die Kantenmenge vonC. Anders als im ungerichteten Fall können unter Umständen Kreise in gerichteten Graphenbereits auf nur zwei Knoten realisiert werden. Wie aber auch schon im ungerichteten Fallgibt es hier keine Kreise der Länge Null (und auch nicht der Länge 1).

Definition 4.21. Sei ~G “ pV, ~Eq ein gerichteter Graph. Ein s-t-Fluss einer Instanz p~G, c, s, tqheißt kreisfrei, wenn es keinen Kreis in ~G derart gibt, dass jede Kante des Kreises flussführendist.

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4.4. Zusammenhang

Proposition 4.22. Sei ~G “ pV, ~Eq ein gerichteter Graph und p~G, c, s, tq eine Instanz. Zujedem s-t-Fluss f in ~G gibt es einen kreisfreien s-t-Fluss f 1 so, dass |f | “ |f 1|. Ist f ganzzahlig,so kann auch f 1 ganzzahlig gewählt werden.

Beweis. Wir eliminieren sukzessive die flussführenden Kreise. Sei x1 . . . xl ein Kreis in ~G,e1, . . . , el die Kanten dieses Kreises und fpeiq ą 0 für alle i P rls. Setze δ :“ minfpeiq ; i P rls.Dann ist δ ą 0, und im Falle eines ganzzahligen Flusses ist δ P N. Ferner ist fpejq “ δ für einj P rns. Definiere den neuen Fluss f

fpeq :“

fpeq ´ δ falls e P e1, . . . , el

fpeq sonst.

Dann ist f wieder ein s-t-Fluss, denn für keinen Knoten hat sich der Nettofluss verändert. Ausdiesem Grunde ist auch |f | “ |f |. Aber der Kreis x1, ¨ ¨ ¨ , xl ist nicht mehr flussführend für f .Wir iterieren dieses Verfahren. Ist f ganzzahlig, so ist wegen δ P N auch f ganzzahlig.

Sei PpIq die Menge aller s-t-Pfade in einer Instanz p~G, c, s, tq, ~G “ pV, ~Eq. Ist eine Funktiong : PpIq ÝÑ Rě0 gegeben, so erhalten wir durch

f : ~E ÝÑ Rě0, e ÞÑ∑

PPPpGqeP ~EpP q

gpP q

einen Fluss. Sofern dieser die Kapazitätsbedingungen erfüllt, ist es auch ein s-t-Fluss, da dieKirchhoffbedingung automatisch erfüllt ist. Die folgende Proposition beschreibt, dass manjeden kreisfreien Fluss und damit nach Proposition 4.22 im wesentlichen jeden Fluss auf dieseWeise ausdrücken kann.

Proposition 4.23. Sei ~G “ pV, ~Eq ein gerichteter Graph und p~G, c, s, tq eine Instanz desFlussproblems. Sei f ein kreisfreier s-t-Fluss in ~G so, dass |f | ě 0. Dann gibt es g : PpIq ÝÑRě0 so, dass für alle e P E gilt fpeq “ ∑

PPPpIq,ePP gpP q. Ist f ganzzahlig, so kann auchgpP q P Z für alle P P PpIq erreicht werden.

Beweis. Übungsaufgabe 4.4.

Für kreisfreie Flüsse mit nichtnegativem Wert werden wir im folgenden je nach Anwendungeine passende der beiden Darstellungen wählen.

Wir wenden uns nun dem Zusammenhang zu.

Definition 4.24.

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Kapitel 4. Flüsse

(i) Sei k P N. Ein Graph G “ pV,Eq heißt k-zusammenhängend, falls |V | ě k ` 1 undG´W für jede Menge W Ď V mit |W | ď k ´ 1 zusammenhängend ist.

(ii) G heißt k-kantenzusammenhängend, falls |V | ě 2 und GzF für jede Menge F Ď E mit|F | ď k ´ 1 zusammenhängend ist.

(iii) Definiere die Zusammenhangszahl von G als

κpGq :“ maxk ; G ist k-zusammenhängend,

und die Kantenzusammenhangszahl von G als

λpGq :“ maxk ; G ist k-kantenzusammenhängend.

Satz 4.25 (Menger 1932). Sei G “ pV,Eq ein Graph und s, t P V .

(i) Die minimale Anzahl1 der Kanten, die s und t trennen, ist gleich der maximalen Anzahlkantendisjunkter s-t-Pfade in G.

(ii) Es seien s, t P V nicht benachbart. Die minimale Anzahl der Knoten, die s und t

trennen, ist gleich der maximalen Anzahl knotendisjunkter s-t-Pfade in G.

Beweis. Zu (i) Seien λ die Kardinalität einer kardinalitäts-minimalen s-t-trennenden Kan-tenmenge und sei p die Kardinalität einer kardinalitäts-maximalen Menge kantendisjunkters-t-Pfade in G. Zu zeigen ist λ “ p. Entfernt man aus jedem dieser Pfade eine Kante, so istdie Menge dieser Kanten ein s-t-Kantenschnitt. Daher gilt λ ě p.

Für die anderen Abschätzung wenden wir das Max-Flow/Min-Cut-Theorem (Satz 4.16) an.

Wir definieren die Instanz I “ pV, ~E, c, s, tq folgendermaßen: für x, y P V gilt

ps, xq P ~E : ðñ s, x P E

px, tq P ~E : ðñ x, t P E

py, xq, px, yq P ~E : ðñ x, y P E und x, y P V zs, t

cpeq :“ 1 @e P ~E

Schreibe ~G “ pV, ~Eq. Jede s und t trennende Menge von Kanten in G definiert einen s-t-Schnitt in ~G im Sinne des Max-Flow/Min-Cut-Theorems. Ist cmin die Kapazität einesminimalen s-t-Schnitts in p~G, cq, so haben wir λ “ cmin.

1Gemeint ist die Kardinalität einer kardinalitäts-minimalen Menge von Kanten, deren Herausnahme ausdem Graphen s und t trennt. Die später gebrauchte Bezeichnung „maximale Anzahl“ ist auch in diesem Sinnezu verstehen.

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4.5. Aufgaben

Nach 4.17 gibt es einen ganzzahligen maximalen s-t-Fluss f in p~G, cq, den wir nach Proposition4.22 kreisfrei wählen können. f sei als Funktion auf PpIq beschrieben.

Dann gilt fpP q P 0, 1 für alle P P PpIq. Da die Kapazitäten sämtlich 1 sind, ist somitdie Menge aller flussführenden Pfade, deren Kardinalität k sei, kantendisjunkt. Wegender Kreisfreiheit führen keine zwei Kanten px, yq und py, xq Fluss. Somit definieren dieflussführenden Pfade auch im ungerichteten Graphen G eine Menge von k kantendisjunktenPfaden, womit p ě k gilt. Nach Definition von k ist k “ |f |. Es folgt

p ě k “ |f | “ fmax “ cmin “ λ.

Zu (ii). Seien I und ~G wie in (i). In dieser Instanz ersetze jeden Knoten v P V zs, t durch zweiKnoten v`, v´. Die In-Kanten von v werden zu In-Kanten von v` und die Out-Kanten von v zuOut-Kanten von v´. Dazu gibt es die Kante pv`, v´q. Wende das Max-Flow/Min-Cut-Theoremauf das entstandene Netzwerk an.

Aus dem Mengerschen Satz erhalten wir den Satz von Whitney.

Korollar 4.26 (Whitney). Sei G “ pV,Eq ein Graph mit |V | ě 2.

(i) G ist k-kantenzusammenhängend genau dann, wenn je zwei Knoten durch k kantendis-junkte Wege verbunden werden können.

(ii) G ist k-knotenzusammenhängend genau dann, wenn je zwei Knoten durch k knotendis-junkte Pfade verbunden werden können.

4.5. Aufgaben

4.1. Sei f ein s-t-Fluss. Dann gilt: Bfpsq “ ´Bfptq.

4.2. Für jeden s-t-Fluss f und jeden s-t-Schnitt δpSq gilt BfpδpSqq “ |f |.

4.3. Sei I “ p~G, c, s, tq, ~G “ pV, ~Eq. Definiere ~G1 :“ pV, ~E Y Eµp~Gq´1q. Dann gilt

(i) Estp~Gq “ Estp~G1q

(ii) dstp~Gq “ dstp~G1q

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Kapitel 4. Flüsse

4.4. Sei ~G “ pV, ~Eq ein gerichteter Graph und p~G, c, s, tq eine Instanz des Flussproblems.Sei f ein kreisfreier s-t-Fluss in ~G so, dass |f | ě 0. Dann gibt es g : PpIq ÝÑ Rě0 so, dassfür alle e P E gilt fpeq “ ∑

PPPpIq,ePP gpP q. Ist f ganzzahlig, so kann auch gpP q P Z für alleP P PpIq erreicht werden.

4.5. Man zeige, dass es in jedem Netzwerk, welches nur ganzzahlige Kantenkapazitäten hat,einen optimalen Fluss mit ganzzahligen Werten gibt. Ferner verdeutliche man sich an einemBeispiel, dass dies im Falle mehrerer Güter nicht so zu sein braucht.

4.6. Konstruiere mit dem Flussalgorithmus von Ford-Fulkerson ein Maximum-Matching ineinem bipartiten Graphen.

4.7. Konstruiere (direkt) mit dem Flussalgorithmus von Ford-Fulkerson ein Vertex-Coverminimaler Kardinalität in einem bipartiten Graphen.

4.8. Zeige mit dem Max-Flow/Min-Cut Theorem die Dualität von Matching und Vertex-Coverim bipartiten Fall.

4.9. Jeder zusammenhängende Graph besitzt einen Knoten, dessen Herausnahme den Zu-sammenhang nicht zerstört.

4.10. Sei k ě 2 eine natürliche Zahl. Ein zusammenhängender, k-regulärer bipartiter Graphist 2-zusammenhängend.

4.11. Sei cpGq die Anzahl der Zusammenhangskomponenten eines Graphen G “ pV,Eq

(n “ |V |,m “ |E|). Dann gilt cpGq `m ě n.

4.12. a) Für jeden Graphen G gilt κpGq ď λpGq.

b) λpGq ď δpGq

(Hinweis zu a): Betrachte die Fälle λpGq “ 0, 1 gesondert und führe dann den Beweis für denFall λpGq ě 2.)

4.13. Ein 3-regulärer Graph heißt kubisch. Zeige κpGq “ λpGq für kubische Graphen G.

4.14. Sei G “ Qd der d´dimensionale Würfelgraph. Bestimme κpGq und λpGq.

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Kapitel 5

Planarität von Graphen

5.1. Die Eulerformel

Anschaulich heißt ein Graph planar, wenn er sich in der Ebene so zeichnen lässt, dass sichKanten nur dort überschneiden, wo sie gemeinsam in einem Knoten inzidieren. Die Kantenkönnen dabei Kurvenstücke im R2 sein. Ein solche Darstellung nennt man eine kreuzungsfreieEinbettung in der Ebene. Wir präzisieren dies mit Hilfe von Jordankurven.

Definition 5.1. Sei γ : r0, 1s ÝÑ R2 eine stetige Abbildung. Dann heißt γ ein Jordanbogen,wenn γ injektiv ist. γ heißt eine Jordankurve, wenn γ|

r0,1q injektiv ist und γp0q “ γp1q gilt.Wir bezeichnen jeweils auch das Bild γpr0, 1sq Ă R2 als Jordanbogen oder -kurve.

Aus dem Zusammenhang wird immer klar sein, ob mit „Jordanbogen“ oder „Jordankurve“eine Funktion oder eine Teilmenge des R2 gemeint ist.

Sind a, b P R, a ă b und γ : ra, bs ÝÑ R stetig, so ist offenbar J :“ γpra, bsq ein Jordan-bogen, wenn γ injektiv ist und J eine Jordankurve, wenn γ|

ra,bq injektiv und γpaq “ γpbq

ist.

Wir zitieren ohne Beweis ein fundamentales Ergebnis über Jordankurven, das in Vorlesungenzur komplexen Analysis bewiesen wird.

Satz 5.2 (Jordanscher Kurvensatz (1905)). Sei J eine Jordankurve. Dann hat R2zJ genauzwei Zusammenhangskomponenten K1, K2, und es gilt BK1 “ J “ BK2.

Definition 5.3. Sei G “ pV,Eq ein Graph.

(i) Seien φV , φE zwei Abbildungen φV : V ÝÑ R2 und φE von E in die Menge allerJordanbögen. Es gelten die folgenden Bedingungen:

• φV ist injektiv.

• φEpeq X φV pV q “ φEpeqp0, 1q für alle e P E.

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Kapitel 5. Planarität von Graphen

• φEpeqp0, 1q “ φV peq.

• φEpeq X φEpfq “ φV peX fq für alle e, f P E, e ‰ f .

Dann nennen wir das Paar pφV , φEq eine Einbettung von G.

(ii) Das Bild pφV pV q, φEpEqq in R2 nennen wir den eingebetteten Graphen oder auch ebenenGraphen G.

(iii) G heißt planar, wenn er eine Einbettung in R2 besitzt.

Abbildung 5.1. Planare Graphen.

Im folgenden identifizieren wir bei planaren Graphen den (abstrakten) Graphen mit dem ein-gebetteten Graphen (zu irgendeiner Einbettung). G steht also abhängig vom Zusammenhangfür ein Paar pV,Eq oder für eine Menge aus Punkten und Jordanbögen oder auch für eineTeilmenge des R2. Wir sprechen auch von Knoten und Kanten, wenn eigentlich Punkte oderJordanbögen im R2 gemeint sind.

Durch den Begriff der Einbettung wird eine Darstellung, eine Zeichnung des Graphen in derEbene formalisiert, bei der gilt:

• Jeder Knoten wird durch einen anderen Punkt in der Ebene dargestellt.

• Jede gezeichnete Kante überschneidet die Menge dieser Punkte genau mit ihren Enden.

• Jede gezeichnete Kante verbindet die Punkte ihrer Endknoten miteinander.

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5.1. Die Eulerformel

Abbildung 5.2. Nicht-planare Graphen.

• Gezeichnete Kanten schneiden sich genau in den Punkten, die zu Knoten gehören, in denendiese Kanten inzident sind.

Definition 5.4. Sei G ein planarer Graph. Dann heißen die Zusammenhangskomponentenvon R2zG die Gebiete von G.

Man kann zeigen, dass die Ränder der Gebiete Vereinigung von Kanten sind. Da ein einge-betteter Graph beschränkt ist, hat er genau ein unbeschränktes Gebiet.

Proposition 5.5. Sei G ein planarer Graph. Dann hat G genau dann genau ein Gebiet,wenn G ein Wald ist.

Beweis. Ist G ein Wald, so gibt es nur das eine Gebiet von G, nämlich das unbeschränkteGebiet. Umgekehrt, wenn G einen Kreis enthält, so besitzt G mit dem Jordanschen Kurvensatzmindestens zwei Gebiete.

Satz 5.6 (Eulerformel). Sei G “ pV,Eq ein planarer, zusammenhängender Graph mit Ge-bietsmenge R. Dann gilt

|V | ´ |E| ` |R| “ 2.

Beweis. Wir führen eine Induktion nach |R| durch.

Ist |R| “ 1, so besitzt G keinen Kreis und ist, weil zusammenhängend, ein Baum, also|V | ´ |E| ` |R| “ |V | ´ p|V | ´ 1q ` 1 “ 2.

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Kapitel 5. Planarität von Graphen

Sei nun |R| ě 2. Dann besitzt G einen Kreis und ist kein Baum. Sei C ein solcher Kreis. Seie P C eine Kante. Dann gilt: G1 :“ G´ e hat |R1| “ |R| ´ 1 Gebiete. Mit G1 “ pV 1, E 1q undder Induktionsvoraussetzung erhalten wir 2 “ |V 1|´ |E 1|` |R1| “ |V |´ p|E|´1q` p|R|´1q “|V | ´ |E| ` |R|.

Definition 5.7. Unter der Taillenweite (oder auch Girth) eines Graphen G verstehen wir dieLänge eines kürzesten Kreises in G. Hat G keine Kreise, so setzen wir 8 als seine Taillenweite.

Satz 5.8. Sei G “ pV,Eq ein planarer, zusammenhängender Graph mit n :“ |V | ě 3,m :“ |E| und Taillenweite g. Dann gilt m ď max g

g´2pn´ 2q, n´ 1, falls g ‰ 8 und sonstm “ n´ 1.

Beweis. Es gilt 3 ď g ď 8.

Fall 1: g “ 8, dann ist G ein Baum, also m “ n´ 1.

Fall 2: g ă 8, dann gilt g ď n.

Induktion über n:

Induktionsanfang: Sei n “ 3. Dann ist G “ K3 und g “ 3 und die Behauptung gilt mitpgpg ´ 2qqpn´ 2q “ 3.

Induktionsschluss:

Fall a: G besitzt eine Brücke e P E. G ´ e besitzt zwei ZusammenhangskomponentenG1 “ pV1, E1q, G2 “ pV2, E2q. Sei ni “ |Vi|, mi “ |Ei|, i “ 1, 2. Dann gilt

m “ m1 `m2 ` 1

ď max g

g ´ 2pn1 ´ 2q, n1 ´ 1`max g

g ´ 2pn2 ´ 2q, n2 ´ 1` 1

ď max g

g ´ 2pn´ 2q, n´ 1.

Fall b: G besitzt keine Brücken. Dann liegt jede Kante im Rand von genau 2 Gebieten von G.Sei ri die Anzahl der Gebiete von G mit genau i begrenzenden Kanten. Dann ist

2m “∑i

iri “∑iěg

iri ě g∑i

ri “ g|R|,

alsom` 2 Satz 5.6

“ n` |R| ď n`2mg

.

Es folgt m ďgg´2pn´ 2q.

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5.2. Der Satz von Kuratowski und Wagner

Korollar 5.9. Sei G “ pV,Eq planar und n :“ |V | ě 3, m :“ |E|. Dann gilt m ď 3n ´ 6und, falls der Graph dreiecksfrei ist, m ď 2n´ 4.

Korollar 5.10. K5 und K3,3 sind nicht planar.

Beweis. |EpK5q| “(

52

)“ 10, aber 3|V pK5q| ´ 6 “ 9, mit Korollar 5.9 ist K5 nicht planar.

|EpK3,3q| “ 9, aber 2|V pK3,3q| ´ 4 “ 8. Wiederum mit Korollar 5.9 ist K3,3 nicht planar.

5.2. Der Satz von Kuratowski und Wagner

Definition 5.11.

(i) Seien v, w Knoten des Graphen G. Wir sagen, H gehe aus G durch Verschmelzen derKnoten v und w hervor, wenn sich in H anstelle von v und w ein neuer Knoten befindet,mit dem alle Kanten inzident sind, die vorher mit v oder w inzident waren. Alle übrigenKnoten und Kanten sind in H wie in G.

(ii) Der Graph H gehe aus dem Graphen G dadurch hervor, dass zunächst Knoten oderKanten gelöscht und dann Knoten verschmolzen werden. Dann nennen wir H einenMinor von G. Wir sagen auch, G enthalte H als Minor.

(iii) Der Graph G gehe aus dem Graphen H durch sukzessives Einfügen neuer Knoten vomGrad 2 auf Kanten hervor, d.h. die Kanten von H werden durch Pfade der Länge ě 1ersetzt. Dann heißt G Unterteilung von H.

(iv) Wir sagen, G enthalte H als Unterteilung (oder als topologischen Minor), wenn G

einen Subgraphen besitzt, der eine Unterteilung von H ist.

Wir zitieren ohne Beweis:

Satz 5.12 (Kuratowski und Wagner). Sei G ein Graph. Dann sind äquivalent:

(i) G ist planar.

(ii) G enthält weder K5 noch K3,3 als Minor.

(iii) G enthält weder K5 noch K3,3 als topologischen Minor.

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Kapitel 5. Planarität von Graphen

5.3. Färbbarkeit planarer Graphen

In diesem Abschnitt geht es um die Färbbarkeit planarer Graphen. Diese lassen sich mit„wenigen“ Farben färben. Kenneth Appel, Wolfgang Haken (in Zusammenarbeit mit JohnKoch) zeigten durch einen computergestützten Beweis 1976, dass jeder planare Graph mitvier Farben gefärbt werden kann. Der Beweis besteht aus einer Fallunterscheidung mitmehereren tausend Fällen. Der heutzutage kürzeste Beweis hat immerhin nur noch 633Fallunterscheidungen (Seymour et al, 1996).

Hier führen wir nur Beweise für die 6- und anschließend die 5-Färbbarkeit von planarenGraphen, um einen Einblick in das Thema zu geben.

Lemma 5.13. Ein planarer Graph G “ pV,Eq besitzt einen Knoten mit Grad höchstens 5.

Beweis. Angenommen die Aussage ist falsch. Dann gilt deg v ě 6 für alle v P V , insbesonderen ě 3. Es folgt 2m “

∑vPV deg v ě 6n, also m ě 3n. Dies ist ein Widerspruch zu Korollar

5.9.

Satz 5.14. Jeder planare Graph G ist mit sechs Farben färbbar.

Beweis. Wir führen Induktion über die Anzahl der Knoten. Nach Lemma 5.13 gibt es einenKnoten v mit Grad höchstens 5. G´ v ist planar und besitzt nach Induktionsvoraussetzungeine 6-Färbung. Wähle diese und setze sie auf v fort, indem für v eine der 6 Farben ausgesuchtwird, die nicht unter den Nachbarn von v vorkommt. Da v höchstens 5 Nachbarn hat, istdies möglich.

Satz 5.15. Jeder planare Graph G ist mit fünf Farben färbbar.

Beweis. Induktion über die Anzahl der Knoten : Besitzt G nur einen Knoten so ist nichtszu zeigen und der Induktionsanfang ist gegeben und wir können zum Induktionsschlussgehen. Annahme: G sei nicht mit fünf Farben färbbar. Wir wählen unter diesen Graphen denGraph G so, dass die Anzahl der Kanten minimal ist. Wir identifizieren G mit einer ebenenEinbettung.

Gibt es einen Knoten mit Grad höchstens 4, so können wir wie im Beweis von Satz 5.14zeigen, dass G 5-färbbar ist. Widerspruch! O.B.d.A habe nun also jeder Knoten mindestensGrad 5. Dann gibt es nach Lemma 5.13 einen Knoten v so, dass deg v “ 5 ist. Seien v1, . . . , v5

die Nachbarn von v und so nummeriert, dass sie in der Einbettung im Uhrzeigersinn liegen(siehe Abbildung 5.3).

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5.3. Färbbarkeit planarer Graphen

Abbildung 5.3. v und seine Nachbarn.

Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine 5-Färbung von G´ v. Ohne Beschränkung derAllgemeinheit habe vi die Farbe i. Bezeichne Hpi, jq den von den Knoten der Farben i und jinduzierten Subgraphen von G. Wir zeigen:

Für alle i, j P r5s, i ‰ j, liegen vi und vj in der selben Zusammenhangskompo-nente von Hpi, jq.

(5.1)

Angenommen, vi und vj liegen für eine Wahl von i, j P r5s, i ‰ j, in verschiedenen Zusam-menhangskomponenten von Hpi, jq. In der Komponente von vi können wir die Farben i undj vertauschen und haben weiterhin eine zulässige Färbung vorliegen. In dieser Färbung habenvi und vj beide die Farbe j. Unter den 5 Nachbarn von v kommen also nur noch vier Farbenvor, womit eine der fünf Farben für v übrig bleibt. Wir färben v mit dieser Farbe und erhalteneine 5-Färbung von G. Widerspruch. Damit gilt 5.1.

Es liegen also insbesondere v1 und v3 zusammen in einer Komponente von Hp1, 3q und v2

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Kapitel 5. Planarität von Graphen

und v4 zusammen in einer Komponente von Hp2, 4q. Somit gibt es einen Pfad P1,3 in Hp1, 3qbestehend abwechselnd aus Knoten der Farben 1 und 3 (weil er in Hp1, 3q verläuft) von v1

nach v3. Ebenso gibt es einen Pfad P2,4 in Hp2, 4q der v2 mit v4 verbindet und abwechselndaus Knoten der Farben 2 und 4 besteht.

Abbildung 5.4. P1,3 und P2,4 schneiden sich.

Aufgrund der Lage der Knoten in der Einbettung kreuzen sich P1,3 und P2,4, (siehe inAbbildung 5.4). Dies kann aber nicht in einem Knoten passieren, da die Farbe der Knoteneindeutig ist. Also kreuzen sich die Pfade außerhalb von Knoten und es liegt keine ebeneEinbettung vor, im Widerspruch zur Planarität von G.

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Kapitel 6

Färbbarkeit

6.1. Der Greedy-Algorithmus

Eine k-Knotenfärbung eines Graphen G “ pV,Eq ist eine Abbildung f : V Ñ 1, . . . , k mitfpuq ‰ fpvq, falls pu, vq P E. χpGq :“ min k ; G ist k-färbbar. ist die chromatische Zahlvon G.

Proposition 6.1. Es gelten die folgenden Aussagen:

(i) χpGq ě ωpGq.

(ii) χpGq “ 2 genau dann, wenn G bipartit ist.

(iii) χpGq ě 3 genau dann, wenn G einen ungeraden Kreis enthält.

(iv) χpGq ě nαpGq

.

Beweis. (i) und (ii) sind unmittelbar klar. Zu (iii): „ð“ ist klar. „ñ“ Angenommen, Genthält keinen ungeraden Kreis. Dann wäre G bipartit und somit χpGq “ 2, ein Widerspruch.Zu (iv): Sei Si :“ χ´1piq, die i-te Farbklasse in V pGq. |Si| ď αpGq, da in Si keine Kantenverlaufen. Also gilt: n “ ∑χpGq

i“1 |Si| ď χpGqαpGq.

Ist eine Reihenfolge der Knoten vorgegeben, so läßt sich eine Färbung mit einem Greedy-Algorithmus finden.

Algorithm 10: Greedy-ColorEingabe: Graph G “ pV,Eq, eine Reihenfolge v1, . . . , vn der Knoten die wir mit einer

Permutation σ P Sn identifizieren.1 for i “ 1, . . . , n do: Färbe vi wenn möglich, mit einer der bisher verwendeten Farben.Ist dies nicht möglich, färbe vi mit einer neuen Farbe.

2 Ausgabe Eine Knotenfärbung von G.

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Kapitel 6. Färbbarkeit

Erstaunlicherweise konstruiert der Greedy-Algorithmus eine gute Färbung für nicht-reguläreGraphen mit Maximalgrad ∆.

Proposition 6.2. Sei G “ pV,Eq ein nicht regulärer Graph mit Maximalgrad ∆. Dann findetder Greedy-Algorithmus eine Färbung mit höchstens ∆ Farben.

Beweis. Es gibt einen Knoten v1 mit degpv1q ď ∆´1. Wir numerieren die Knoten durch Brei-tensuche beginnend mit v1. Sei v1, . . . , vn diese Numerierung. Mit dem Greedy-Algorithmusfärben wir die Knoten in der Reihenfolge vn, . . . , v1. Da die Knoten nach Breitensuche nume-riert werden, hat jeder Knoten v P vn, . . . , v2 hat einen Nachbarn mit kleinerer Nummer.Wenn also der Greedy-Algorithmus v erreicht, so sind höchstens ∆ ´ 1 Nachbarn von v

gefärbt worden, also wurden höchstens ∆´ 1 Farben gebraucht. Es bleibt also eine Farbe fürv übrig. Färbe v mit dieser Farbe. Die Knoten vn, . . . , v2 können daher mit ∆ Farben gefärbtwerden. Da aber degpv1q ď ∆´ 1 ist, können höchstens ∆´ 1 Farben für die Nachbarn von v1

verwendet worden sein. Es bleibt eine der ∆´Farben für die Färbung von v1 übrig. Insgesamthaben wir daher höchstens ∆ Farben verwendet.

Wie kann man überhaupt eine Färbung mit χpGq Farben finden? Eine (triviale) Möglichkeit istdie vollständige Enumeration. Man wende den Greedy-Algorithmus für alle n! verschiedenenKnotenpermutationen an.

Die Komplexität ist Opn!q “ Op2nplogn´log eqq, mit der Stirlingformel n! „√

2πn(ne

)n. Daß

ein solches Verfahren funktioniert, liegt an der folgenden Beobachtung:

Proposition 6.3. Sei G “ pV,Eq ein Graph mit Knotenmenge pv1, . . . , vnq. Sei σ einePermutation der Knoten, d.h. σ P Sn. Dann gilt:

χpGq “ minσPSn

Greedy-ColorpG, σq.

Beweis. Seien V1, . . . , VχpGq die Farbklassen in V einer χ-Färbung von G. σ˚ sei die folgendeAnordnung

σ˚ “ V1, . . . , VχpGq,

d.h. erst kommen die Knoten von V1, in beliebiger Reihenfolge, dann die Knoten von V2,ebenfalls in beliebiger Reihenfolge, u.s.w..

Greedy-Color färbt alle Knoten von Vi mit derselben Farbe, für alle i, denn gäbe es ein k, sodaß Greedy-Color Vk mit zwei oder mehr Farben färbt wäre das ein Widerspruch dazu, daßdie Vi unabhängige Mengen bilden.

56

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6.2. Der Satz von Brooks

Man kann Beispiele angeben, für die der Greedy-Algorithmus beliebig schlechte Färbungenliefert, er färbt sogar Bäume schlecht: Es gibt Bäume pTkqkPN mit |Tk| Ñ 8, so daß der Greedy-Algorithmus bei einer bestimmten Anordnung der Knoten von Tk sogar 1` logp|Tk|q Farbenbenötigt. Es gibt sogar Graphen für die der Greedy-Algorithmus bei fast allen Anordnungender Knoten eine schlechte Färbung liefert.

Satz 6.4 (Kucera 1991). Seien ε, δ ą 0 und c ă 1 Konstanten. Für n ě n0 gibt es GraphenGn mit χpGnq ď nε, für die der Anteil der Knotenmengen, für die Greedy-Color höchstenscn

logn Farben benötigt, Opn´δq ist.

6.2. Der Satz von Brooks

Der Beweis, daß der Greedyalgorithmus auch für reguläre Graphen eine Färbung mit höchstens∆ Farben findet, ist ein schönes und klassisches Resultat, das als Satz von Brooks bekanntist. Dazu benötigen wir die folgenden beiden Lemmata.

Das erste Lemma besagt, daß wir uns auf den Fall eines zweifach zusammenhängendenGraphen zurückziehen können, da jeder einfach zusammenhängende Graph als ein Baumaufgefaßt werden kann, dessen Knoten zusammenhängenden Subgraphen entsprechen. EinBlock B in einem Graphen G ist ein inklusions-maximaler, zusammenhängender, nichttrivialerSubgraph von G ohne Artikulation. Der Block-Artikulations-Graph bcpGq ist der folgendeGraph. Sei B die Menge der verschiedenen Blöcke von G. Die Blöcke bilden eine Partition derKanten von G und je zwei verschiedene Blöcke haben höchstens einen Knoten gemeinsam.Sei A die Menge der Artikulationsknoten von G. bcpGq hat A Y B als Knotenmenge undzwei Knoten B, a sind genau dann durch eine Kante verbunden, falls B P B, d.h. B ist einBlock und a P A gilt.

Satz 6.5 (Galil 1964, Hardy, Preuss 1966). Ist G zusammenhängend, so ist bcpGq ein Baum.

Wir geben einen sehr eleganten Beweis von Lovasz.

Lemma 6.6. Sei G “ pV,Eq, |V | “ n ein 2-fach zusammenhängender Graph und G R

Cn, Kn. Dann existieren x, y P V mit

(i) distpx, yq “ 2,

(ii) G´ x´ y ist zusammenhängend.

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Kapitel 6. Färbbarkeit

uuu u u

uu

uu

u

JJJJJ

AAA

AAA

'

&

$

%

'

&

$

%'

&

$

%

B1

B2

B3

Abbildung 6.1. So sieht bcpGq aus.

Beweis. Sei ∆ der Maximalgrad von G und sei v P V mit degpvq “ ∆.

Behauptung 1: Dann gibt es x, y P Γpvq mit distpx, yq “ 2.

Annahme: Die Behauptung ist falsch. Dann ist der induzierte Subgraph H :“ Γpvq Y vvollständig.

Fall a) G “ H. Das kann nicht sein, denn G ist nicht vollständig.

Fall b) H ‰ G. Da degpxq “ ∆ für alle x P Γpvq Y v ist, ist H eine echte Zusammenhangs-komponente von G. Also ist G nicht zusammenhängend, im Widerspruch zur Voraussetzungund Behauptung 1 ist bewiesen. Wir betrachten nun zwei Fälle:

Fall a) G´ x´ y ist zusammenhängend. Dann sind wir fertig.

Fall b) G ´ x ´ y ist nicht zusammenhängend. G ist 2-fach zusammenhängend, aber keinKreis, also dpvq “ ∆ ě 3. Sei C die Zusammenhangskomponente von G´ x´ y, die v enthält.Wegen dpvq ě 3 enthält C mindestens einen weiteren Knoten neben v. Ferner enthält C ´ veinen Knoten x, der zu x oder y benachbart ist. Denn andernfalls wäre v eine Artikulation.

u

u r r r u

u

ppppppppppppppppp

ppppppppppppppppp

p p p p p p p p p p pp p p p p p p p p p p

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C

x y

v x

58

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6.2. Der Satz von Brooks

Da G´ x´ y in mindestens zwei Zusammenhangskomponenten zerfällt, gibt es eine weitereKomponente C 1 mit C 1 ‰ C. In G haben sowohl x als auch y Nachbarn in C 1, denn andernfallswäre x oder y schon eine Artikulation in G. x ist Nachbar von x oder y, also gibt es y P C 1

mit distpx, yq “ 2.

Behauptung 2: G´ x´ y ist zusammenhängend.Beweis: G ´ x ist zusammenhängend (sonst wäre x eine Artikulation). Sei a P C ´ x einbeliebiger Knoten. a ist in G´ x mit x und y durch einen Pfad verbunden. Sei Px bzw. Pyder Pfad von a nach x bzw. y. O.B.d.A. nehmen wir an, dass Px den Knoten y nicht enthält.Dieser Pfad enthält y nicht, denn andernfalls wären C und C 1 in G´ x´ y durch einen Pfadverbunden, im Widerspruch dazu, daß C und C 1 verschiedene Zusammenhangskomponentenvon G´ x´ y sind.

G´ y ist zusammenhängend (sonst wäre y eine Artikulation).Sei b P V zpC Y x, y, yq einbeliebiger Knoten. b ist in G´ y mit x bzw. y durch einen Pfad P 1x bzw. P 1y verbunden. Seio.B.d.A. P 1y der Pfad, der x nicht enthält (andernfalls enthält P 1x den Knoten y nicht und wirnehmen P 1x). P 1y enthält auch x nicht, denn andernfalls wäre C mit einem Knoten aus eineranderen Zusammenhangskomponente von G´ x´ y verbunden.

u

u r r r u

u

ppppppppppppppppp

ppppppppppppppppp

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@@

'&

$%

C

x y

P 1y

v xrrrrr

u

u uuu

p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p'

&$%

a

C 1

y

b

Über den Teilpfad x, v, y sind also a und b in G ´ x ´ y untereinander verbunden, undG´ x´ y ist zusammenhängend.

Satz 6.7 (Brooks 1941). Ist G ein zusammenhängender Graph mit Maximalgrad ∆ ě 3 undG R Cn, Kn, dann gilt χpGq ď ∆pGq.

Beweis. Fall 1: G ist nicht ∆-regulär. Die Behauptung ist gerade die Proposition 6.2.

Fall 2: G ist ∆-regulär.

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Kapitel 6. Färbbarkeit

Fall 2 a: G ist 2-zusammenhängend.

Nach Lemma 6.6 gibt es x, y P V mit distpx, yq “ 2, so daß G´ x´ y zusammenhängend ist.Sei v1 der Verbindungsknoten zwischen x und y. Betrachte H :“ G´ x´ y. Beginnend mitv1 nummerieren wir die Knoten von H.

Sei v1, . . . , vn´2 eine solche Nummerierung. Setze vn´1 “ x und vn “ y. Wir färben wie folgt:

1.) vn und vn´1 erhalten dieselbe Farbe.

2.) Färbe die Knoten vn´2, ..., v2 mit dem Greedy-Algorithmus.

3.) Wenn v1 an der Reihe ist, so wissen wir, daß die beiden Nachbarn vn “ x und vn´1 “ y

von v1 mit derselben Farbe gefärbt wurden. Die restlichen ∆´ 2 Nachbarn haben alsohöchstens ∆´ 2 Farben verbraucht, also wurden für die Nachbarn von v1 höchstens ∆´ 1Farben verbraucht. v1 wird nun mit der verbleibenden Farbe gefärbt. Insgesamt werdenso höchstens ∆ Farben benutzt.

Fall 2 b: G ist einfach zusammenhängend.

Nach Satz 6.5 ist der Block-Artikulationsgraph bcpGq von G ein Baum. Dann gilt

χpGq “ max χpBq ; B P B.

(Dies ist klar; man färbe die Blöcke nacheinander.) Nach Definition ist jeder Block 2-zusammen-hängend. Mit Fall 2 a folgt nun

χpGq ď maxBPB

χpBq ď ∆pGq.

Man überzeugt sich leicht, daß der Beweis des Satzes von Brooks nicht nur konstruktiv ist,sondern sogar in polynomieler Zeit eine Färbung mit ∆´Farben liefert.

6.3. Der Satz von Vizing

Eine Kantenfärbung eines Graphen G “ pV,Eq ist eine Abbildung f : E Ñ 1, . . . , k, sodaß k-gleichfarbige Kanten nicht inzidieren. Wir bezeichnen mit

χ1pGq “ min k ; G ist k´kantenfarbbar

den chromatischen Index von G.

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6.3. Der Satz von Vizing

Kreise haben χ1 P 2, 3. Sei LpGq der Linegraph von G, das ist der Graph mit der Knoten-menge E und der Kantenmenge e, f ; e, f P E, |eX f | “ 1.

Proposition 6.8. Es gelten die folgenden Beziehungen:

(i) χ1pGq “ χpLpGqq ě ωpLpGqq ě ∆pGq.

(ii) χ1pGq ě⌈

mνpGq

⌉, νpGq “ Matchingzahl von G.

(iii) χ1pKnq “

n´ 1 : n geraden : n ungerade.

Beweis. (i) Ist unmittelbar klar.

(ii) Jede Farbklasse einer Kantenfärbung von G ist ein Matching in G. Seien S1, . . . , Sχ1pGq

diese Farbklassen. Wir haben

m “

χ1pGq∑i“1

|Si| ď νpGqχ1pGq.

(iii) Ist n ungerade, so gilt mit (ii):

χ1pKnq ě

⌈m

νpKnq

⌉“

⌈npn´ 1q2pn´ 1q2

⌉“ n.

Der Fall n gerade geht analog.

Satz 6.9 (Vizing 1964). Sei ∆ der Maximalgrad in einem Graphen G “ pV,Eq. Dann gilt∆ ď χ1pGq ď ∆` 1 und eine Kantenfärbung mit höchstens ∆` 1 Farben kann in Opmn∆qZeit konstruiert werden.

Beweis. Wir führen Induktion nach |E|. Für |E| “ 0 ist nichts zu beweisen. Die Behauptunggelte für alle Graphen mit höchstens |E| ´ 1 Kanten. Es sei e “ x, y0 P E eine beliebigeKante. Nach Induktionsvoraussetzung existiert für G´ e eine Kantenfärbung c mit höchstens∆` 1 Farben.

y0 x

∆ Farben ě ď ∆Farben

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Kapitel 6. Färbbarkeit

Da der Maximalgrad ∆ ist, fehlt an x sowie y0 jeweils eine der ∆ ` 1 Farben. Fehlt an xund y0 dieselbe Farbe, dann lässt sich e mit genau dieser Farbe färben und dies ist einep∆ ` 1q-Färbung von G. Leider tritt dieser Fall nicht notwendigerweise ein. Die Idee desBeweises besteht darin, durch Umfärben eine der ∆` 1 Farben „freizusetzen“, so dass dieseFarbe weder an x noch an y0 anliegt und e mit dieser Färbung zu färben.

Zur Vereinfachung der Notation sei F “ 1, . . . ,∆` 1 die Menge der p∆` 1q vielen Farbenund sei für v P V Fv die Menge der Farben, deren Kanten in v inzidieren. Für f P Fv sagenwir, dass die Farbe f an v anliegt. Eine q P F gefärbte Kante nennen wir eine q-Kante. EinNachbar von v, der mit v durch eine q-Kante verbunden ist, heisse f -Nachbar.

Wie bereits gesagt fehlt an x eine Farbe, sagen wir a, und an y0 fehlt eine Farbe, sagen wirb1. Wir können annehmen, dass b1 P Fx, denn anderenfalls ließe sich e mit b1 färben und wirwären fertig. Sei y1 ein b1-Nachbar von x. An y1 fehlt eine Farbe, sagen wir b2.

y0 x y1

c “ b1c “?b1 R Fy0 b2 R Fy1

Wir können weiter b2 P Fx annehmen. Denn anderenfalls können wir x, y1 mit b2 färben,wodurch b1 freigesetzt wird und für die Färbung von e “ x, y0 zur Verfügung steht. Sonstexistiert ein b2-Nachbar von x, den wir y2 nennen. Dies liefert eine Folge pyi, bi`1q, i “ 1, 2, . . .,wobei yi nicht anliegt.

y1

y2

yi

b1 R Fy0

x bi`1 R Fyiy0

Bei dieser Folge dürfen wir stets annehmen, dass bi`1 an x anliegt. Denn anderenfalls färbenwir x, yi mit bi`1, x, yi`1 mit bi, . . . , x, y1 mit b2. Nun wird b1 freigesetzt und stehtfür die Färbung von x, y0 zur Verfügung. Diesen Umfärbungsprozess bezeichnen wir mitFarbshiftpi, bi`1q. Wir halten fest: solange bi`1 an x anliegt, wird die Konstruktion der Folgepyi, bi`1q fortgesetzt. Aber nach spätestens p∆` 1q Schritten wiederholt sich eine Farbe. Sei l

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6.3. Der Satz von Vizing

der kleinste Index, wo dies geschieht, l ď ∆` 1. Hier gilt bl`1 P b1, . . . , bl. Es ist bl`1 “ bk

für ein k P 1, . . . , l. bk fehltz an yk´1, aber x, yk hat Farbe bk.

yk´1

b1

bk´1

bk

yk

bk “ bl`1 R Fyl

bk R Fyk´1

y1

y0 x

yl

Wir wissen, a liegt an x nicht an.

1. Fall: a R Fyl. Dann färben wir x, yl mit a und Farbshiftpl ´ 1, blq vollendet die Färbung.

2. Fall: a P Fyl. Dies ist der wesentlich komplexe Fall. Die Idee ist, druch Umfärben a an yl

freizugeben. Dann ist man im Fall 1 und somit fertig. Das geht so: wegen a P Fylliegt an yl

eine a-Kante an. Inzidiert in dieser a-Kante keine bk-Kante, dann färben wir diese a-Kantemit bk um, die Kante x, yl erhält Farbe a und Farbshiftpl ´ 1, blq vollendet die Färbung.Somit können wir annehmen, dass ein yl ein a-bk-alternierender Pfad P beginnt, dessen Längemaximal ist und der schließlich einen Knoten z P V zx, yl terminiert.

Fall a): z R yk´1, yk. Auf P vertauschen wir die Farben a und bk, x, yl wird mit a gefärbtund Farbshiftpl ´ 1, blq vollendet die Färbung.

Fall b): z “ yk. Wir wissen, bk P Fyk, also erreicht P yk mit einer a-Kante.

x

bk

yl

yk

bk

a

a

P

a bk

x, yk ist eine bk-Kante, somit ist wegen der Maximalität von P auch diese in P und daa R Fx, endet P in x. Wir vertauschen a und bk auf P und Farbshiftpk ´ 1, bkq vollendet dieFärbung.

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Kapitel 6. Färbbarkeit

Fall c): z “ yk´1. Da bk R Fyk´1 , erreicht P yk´1 mit einer a-Kante und endet hier. Wirvertauschen auf P die Farben a und bk, färben x, yk´1 mit a und vollenden die Färbungdurch Farbshiftpk ´ 2, bk´1q.

6.4. Das Art-Gallery Theorem

Wir geben nun eine schöne und vielleicht auch amüsante Anwendung der Färbungstheo-rie.

Wie bewacht man ein Museum?

Viktor Klee formulierte 1973 das museum guard problem:Gegeben sei ein Museum mit n Wänden. Wieviele Wärter benötigt man, umjeden Punkt des Museums zu bewachen?

Wir präzisieren dahingehend, dass die Wände Ebenenstücke sind und die Wächter in alleRichtungen gleichzeitig blicken können, aber natürlich nicht durch Wände hindurch. Hiersind einige Beispiele.

2 PICTURES!

Die bemerkenswerte Erkenntnis ist:

Satz 6.10. Für jedes Museum mit n “ 3mWänden, m P N, sind m “ n3 Wächter ausreichend.

Dies ist das berühmte Art-Gallery-Theorem, das erstmals durch Vašek Chvátal 1975 bewiesenwurde. Wir geben einen Beweis von Steve Fisk (1975), der Färbungen benutzt.

Ein ebener Graph ist eine vollständige Triangulierung, wenn alle beschränkten GebieteDreiecke sind. Aus jedem ebenen Graphen läßt sich eine vollständige Triangulierung angeben,die aber nicht eindeutig ist.

Lemma 6.11. Sei G eine vollständige Triangulierung. Dann ist χpGq “ 3.

Beweis. Für n “ 3 ist die Aussage offensichtlich, was insbesondere χpGq ě 3 zeigt. Sei nunn ě 4 und χpHq “ 3 für alle vollständigen Triangulierungen mit höchstens n´ 1 Knoten. Wirwählen eine Kante u, v P EpGq, so dass das dazugehörige Dreieck C an das unbeschränkteGebiet grenzt. Diese Kante zerteilt G in zwei vollständige Triangulierungen, nämlich G1 undC. Nach Induktionsvoraussetzung läßt sich G1 mit 3 Farben färben, in der die Knoten u und

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6.5. Ramseyzahlen

v mit den Farben, sagen wir 1 und 2, gefärbt sind. Den verbliebenden Knoten von C färbtman mit Farbe 3 und dies ist eine 3-Färbung von G.

Beweis des Satzes: Die Projektion der Museumswände auf die Bodenfläche ist ein ebenerGraph den wir vollständig triangulieren. Nach Lemma besitzt diese Triangulierung eine3-Färbung. Sei Si die i-te Farbklasse, i “ 1, 2, 3. Es gilt

|S1|` |S2|` |S3| “ n,

also gibt es ein i0 mit |Si0| ď n3 “ m. Wir plazieren jeweils einen Wächter auf den Knoten

aus Si0 . Da jedes Dreieck einen i0-gefärbten Knoten besitzt, werden alle Dreiecke überwachtund insbesondere alle Räume des Originalmuseums.

6.5. Ramseyzahlen

Im Jahr 1927 bewies B. L. van der Waerden in seiner berühmten Arbeit „Beweis einerBaudetschen Vermutung“, dass jede Färbung der natürlichen Zahlen mit endlich vielenZahlen eine Farbklasse enthält, die eine arithmetische Progression beliebig großer Längeenthält. Dies ist heute bekannt als der Satz von Waerden. Er ist Ausgangspunkt für sehrviele Entwicklungen in der Kombinatorik, aber auch der Logik. I. Schur zeigte 1916, dassjede endliche Färbung der natürlichen Zahlen eine Farbklasse enthält, in der die Gleichungx` y “ z lösbar ist. Frank Ramsey zeigte 1930, dass ein Graph, der genügend viele Knotenals Funktion eines Parameters k, k P N, enthält, entweder eine Clique oder eine unabhängigeMenge der Größe k enthalten muss.

In einer anderen Formulierung besagt der Satz von Ramsey, dass für alle l, r, k P N ein n0 P N

existiert, so dass für alle n ą n0 in jeder Färbung von rnsk mit r Farben ein monochromatischesrlsk existiert.

In einer dritten Formulierung besagt der Satz von Ramsey, dass ein Graph genügend vielerKnoten als Funktion von k die Eigenschaft besitzt, dass in jeder Färbung der Kanten entwederein monochromatischer vollständiger Subgraph auf k Knoten existiert, insbesondere ist dieKnotenanzahl endlich.

Diese Sätze haben ein gemeinsames Charakteristikum: sie sichern in einem genügend großenGrundraum die Existenz monochromatischer Strukturen in jeder endlichen Färbung, oder wiekönnen auch sagen endlicher Partitionen, des Grundraumes. In diesem Abschnitt geben wir

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Kapitel 6. Färbbarkeit

eine erste Einführung in das Thema, das heute als Ramsey-Theorie ein klassisches und grundle-gendes Gebiet der Kombinatorik, aber auch der Gruppentheorie darstellt.

Definition 6.12 (Ramseyzahl). Es seien k, l P N. Die Ramseyzahl Rpk, lq ist eine kleinsteZahl n P N, so dass in jeder 2-Färbung (rot, blau) der Kanten des Kn entweder ein roter Kk

oder ein blauer Kl existiert.

Erdös und Szekeres bewiesen folgenden Spezialfall des Satzes von Ramsey und gaben aucheine Schranke für Rpk, lq an, die wesentlich besser ist als Ramseys Originalschranke.Offenbar gilt: Rpk, lq “ Rpl, kq und für k, l ě 2 : Rpk, 2q “ l.

Satz 6.13. Für k, l ą 2 gilt:

i) Rpk, lq ist endlich für alle k, l P N.

ii) Rpk, lq ď Rpk ´ 1, lq `Rpk, l ´ 1q

iii) Rpk, lq ď(k`l´2k´1

)iv) Rpk, kq ď 22k´2

√k

Beweis. (i) Wir führen eine Induktion über k für festes l und für l bei festem k aus. DerInduktionsanfang ist klar, denn Rpk, 2q “ k und Rp2, lq “ l. Nach Induktionshypthese sindRpk ´ 1, lq und Rpk, l ´ 1q endlich.

Wir beweisen nun (ii), dann daraus folgt (i). Sei n “ Rpk ´ 1, lq `Rpk, l ´ 1q und betrachteeine beliebige 2-Färbung der Kanten von Kn mit den Farben rot und blau. Jeder Knotenx des Kn hat Grad n ´ 1 “ Rpk ´ 1, lq ` Rpk, l ´ 1q ´ 1. Das Schubfachprinzip garantiertuns die Existenz von entweder mindestens n1 :“ Rpk ´ 1, lq roten Kanten, oder mindestensn2 “ Rpk, l ´ 1q blauen Kanten, die in x inzidieren. Wegen Symmetrie nehmen wir an, dassdas erstgenannte gilt. Sei Kn1 ein Subgraph von Kn, der durch n1 Knoten aufgespannt wird,die mit x durch rote Kante verbunden sind.

Falls Kn1 einen blauen Kl enthält, sind wir fertig. Andernfalls enthält Kn1 , weil ja n1 “

Rpk ´ 1, lq ist, einen roten Kk´1, der zusammen mit x einen roten Kk bildet. Also Rpk, lq ďn “ Rpk ´ 1, lq `Rpk, l ´ 1q.

Das beweist (ii) und mit Induktionshypothese auch (i).

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6.5. Ramseyzahlen

(iii) Wir führen wieder eine Induktion nach l bei festem k und nach k bei festem l aus. DieInduktionsverankerung gilt, denn

Rpk, 2q “ k “

k ` 2´ 2k ´ 1

und mit Symmetrie

Rp2, lq “ Rpl, 2q “ l “

2` l ´ 22´ 1

Die Induktionshypothese besagt, dass die Ungleichung für jedes Paar pk1, l1q P N ˆN mit2 ď k1 ` l1 ă k ` l gilt. Mit (ii) erhalten wir:

RpK, lq ď Rpk ´ 1, lq `Rpk, l ´ 1q

k ` l ´ 3k ´ 2

` k ` l ´ 3

k ´ 1

k ` l ´ 2k ´ 1

(iv)

Rpk, kq ď

2k ´ 2k ´ 1

ď 22k´2√k

wobei die letzte Ungleichung durch eine einfache Induktion folgt.

Um einen Einblick über die Güte dieser oberen Schranke n zu erhalten, schauen wir unsuntere Schranken an.

Satz 6.14.

i) Rpk, kq ě b2k2c für k ě 3

ii) Rpk, kq ě n´(nk

)21´p k

2 q für jedes n P N.

iii) Rpk, kq ě 1e¨ p1` op1qqk ¨ 2k2 für jedes k ě 3.

Bemerkung 6.15. Für k ě 3 haben wir1

e√

2k ¨ 2k2 ď Rpk, kq ď

22k´2√k ` 1

,

d.h. obere und untere Schranke weisen einen exponentiellen Gap in k auf.

Beweis. (i) zur Übung.

(ii) Wir betrachten eine zufällige 2-Färbung der Kanten von Kn. Sei R eine beliebige Mengevon k Knoten des Kn und sei XR die Indikatorvariable, die Eins genau dann ist, wenn der

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Kapitel 6. Färbbarkeit

induzierte Subgraph auf R monochromatisch ist. Wir nennen R eine monochromatische|R|-Menge. Sei X :“ ∑

RXR. Mit der Linearität des Erwartungswertes gilt

EpXq “∑R

EpXRq “

(n

k

)21´p k

2 q

ñ Es gibt eine 2-Färbung mit X ď m. Sei χ eine solche Färbung. Entferne aus jedermonochromatischen k-Kantenmenge des Kn einen Knoten. Es werden höchstens m Knotenentfernt, es bleiben also mindestens n1 ě n ´m Knoten übrig. Sei S die Menge der übriggebliebenen Knoten. Der Subgraph des Kn auf S ist ein Kn1 und enthält in der FärbungχKn1 keine monochromatischen Kk mehr, also Rpk, kq ě n1.

(iii) Mit n „ 1ep1´ op1qqk2k2 folgt die Behauptung.

Schließlich beweisen wir den Satz von van der Waerden in einer schwächeren Form als dasOriginalresultat. Sei W pr, kq die kleinste Zahl n P N, so dass in jeder Färbung von 1, . . . , nmit r Farben eine monochromatische arithmetische Progression mit k Termen existiert, d.h.es gibt a, b P 1, . . . , n, so dass die Zahlen

a, a` b, a` 2b, . . . , a` pk ´ 1qb

die selbe Farbe haben.

Satz 6.16. W p2, kq ě 2k2. D.h. für 1, . . . , n existiert eine 2-Färbung, so dass keinearithmetische Progression der Länge 2 logpnq monochromatisch ist.

Beweis. Wir färben 1, . . . , n zufällig, d.h. für jedes i P 1, . . . , n werfen wir eine faireMünze, die i die Farbe rot oder blau zuweist, unabhängig für alle i “ 1, . . . , n. Sei S einearithmetische Progression mit k Termen und sei AS das Ergebnis, dass S monochromatischist. Dann gilt

PrASs “ 2 ¨ 2´|S| “ 2´k`1

Damit gilt

PrDS : S monochromatischs “ pr⋃S

ASs

ď∑S

PrASs

ď 2´k`1(n

2

)p‹q

p‹q ă 1, wenn n2 ď 2k, also n ď 2k2.Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass für eine zufällige Färbung kein S monochromatischist, strikt größer als Null, d.h. es gilt eine solche Färbung. Also W p2, kq ą 2k2.

68

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Kapitel 7

Zufällige Graphen

7.1. Das Modell Gpn, pq

Sei p P rt, ss und betrachte V “ v1, ..., vn. Wir identifizieren V mit 1, ..., n und einenKnoten vj mit seinem Index j. Für jede Kante e “ i, j werfen wir eine p-gefälschte Münze,und nehmen die Kante e zu der Kantenmenge E hinzu, wenn die Münze „Kopf“ zeigt.Andernfalls wird e nicht zu E aufgenommen.

„Kopf“ identifizieren wir mit 1 und „Zahl“ mit 0. Somit erhalten wir nach N “(n2

)“

npn´1q2

Würfen der p-gefälschten Münze einen Graphen. Man spricht auch vom Zufallsgraph-ModellGpn, pq.

Skizze:

FIGURE

Wahrscheinlichkeit, dass eine Kante im Graphen ist:

Ppe P Eq “ p und Ppe R Eq “ 1´ p

69

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Kapitel 7. Zufällige Graphen

das Zufallsexperiment zur Erzeugung eines Graphen aus Gpn, pq wird durch N unabhängigeBernoulli Zufallsvariable, X1, ..., Xn beschrieben, wobei PpXi “ 1q “ p, PpXi “ 0q “ 1´ p,@i. Der Index i P rN s steht für die entsprechende Kante.

Gpn, pq kann man natürlich auch als einen endlichen Wahrscheinlichkeitsraum auffassen. Ω seidie Menge aller Graphen V , PpΩq die Potenzmenge und für einen Graphen G “ pV,Eq P Ω mitepGq “ |E| definiert PpGq :“ pepGqp1´ pqN´epGq einen stochastischen Vektor und ein Wahr-scheinlichkeitsmaß auf Ω. Somit identifizieren wir Gpn, pq mit pΩ,PpΩq,Pq.

Beim Studium von Gpn, pq gibt es zwei Aspekte: p ist konstant oder p “ ppnq ist eine Funktionvon n. Der interessanteste Aspekt ist die Entwicklung der Kantenwahrscheinlichkeit p “ ppnq

von 0 zu 1. Diesen Prozess nennt wan Evolution von Gpn, pq. In dieser Evolution gibt eswie in der statischen Physik sogenannte Phasenübergänge. Diese treten für gewisse ppnqplötzlich auf, d.h. vorher passiert kaum etwas und danach auch nicht für eine gewisse Zeit.Wir interessieren uns dafür, wann in der Evolution ein typischer Graph aus Gpn, pq gewissegraphentheoretische Merkmale aufweist, z.B. Zusammenhang oder daß ein fester SubgraphH auftritt.

Eine Jahrzehnte lang studierte Frage war (ist): Was passiert bevor der Graph zusammenhän-gend wird?

Die Evolution einer Giant Component:

FIGURE

(D. Knuth et al.)

Erdös, Rényi (1957) haben das Gebiet der zufälligen Graphen eingeführt.

70

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7.2. Einige grundlegende Eigenschaften

7.2. Einige grundlegende Eigenschaften

Proposition 7.1. Sei G “ pV,Eq ein Gpn, pq-Graph. Dann gilt Ep|E|q “ Np und Varp|E|q “Npp1´ pq “ Npq.

Beweis. |E| “ ∑Ni“1Xi. Dabei EpXiq “ p ¨ 1` p1´ pq ¨ 0 “ p für alle i.

Somit

E(|E|) “ E(

N∑i“1

Xi

)“

N∑i“1E(Xi) “

N∑i“1

p “ Np

Var(|E|) “ Var(

N∑i“1

Xi

)“

N∑i“1

Var(Xi) “N∑i“1

pq “ Npq,

denn

Var(Xi) “ E(X2i )´ E(Xi)2

“ E(Xi)´ E(Xi)2“ E(Xi)p1´ E(Xi)q “ pp1´ pq “ pq.

Wenn p konstant ist, haben Graphen aus Gpn, pq typischerweise sehr viele Kanten, nämlichpN „ Θpn2q.

Wie sieht die Verteilung von |E| aus? Dazu seiX :“ ∑Ni“1Xi.Mit des Chebyshev-Ungleichung

Pp|X ´ E(X)| ą tq ďVarpXqt2

für jedes t ą 0,

EpXq “ Np, VarpXq “ Npq (Prop. 7.1) gilt Pp|X ´ Np| ě tq ďNpq

t2ďN

t2“ op1q, falls

t “ N12`ε, ε ą 0. D.h. die Verteilung sieht skizzenhaft so aus:

FIGURE

Somit ist X um den Erwartungswert EpXq “ Np konzentriert. Viel bessere Konzentrationenkann man mit der Chernoff-Ungleichung beweisen.

71

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Kapitel 7. Zufällige Graphen

Wann ist ein Gpn, pq´Graph ein Baum? Eine notwendige Bedingung ist, dass die Kantenzahln´1 ist. Das ist der Fall, wenn Ep|E|q “ n´1 ðñ Np “ n´1 ðñ p “ 2

n.

Wir betrachten ωpGq “ maxk; G enhält eine Clique der Größe k die Cliquenzahl vonG.

Satz 7.2. Sei p “ ppnq “ n´34 . Dann gilt PpωpGq ą 4q Ñ 0, wenn nÑ 8.

Beweis. Sei S Ď V. S ist ein K4, wenn |S| “ 4 und alle 6 Kanten vorhanden sind.

Sei XS die Indikatorvariable mit

XS :“

1, S eine Clique in G, d.h. S ist ein K4

0 sonst,

Es gilt EpXSq “ PpXS “ 1q “ p6.

Nun betrachte X “∑S,|S|“4XS. X zählt die Anzahl der K4’s. Wir haben Also EpXq “

Ep∑S,|S|“4XSq “

∑S,|S|“4EpXSq “ p6 ¨

(n4

)ď c ¨ p6n4,wobei c ą 0 eine geeignete Konstante

PpωpGq ě 4q ď PpX ě 1q ď EpXq

1 ďc ¨ p6 ¨ n4

1 “ c ¨ n´184 `4 “

c√nÝÝÝÑnÑ8

0.

Typisches Vorgehen bei Random-Graph-Beweisen:

1. Modelliere die betrachtete Eigenschaft durch eine geeignete Zufallsvariable X;

2. Berechne EpXq;

3. Betrachte große Abweichung der Form

PpX ě E(X)` tq bzw. PpX ď E(X)´ tq

und schätze mit Konzentrationsgleichungen (Markov, Chebyshev, Chernoff) ab und wählet geeignet.

Seien X1, ..., Xk Zufallsvariable. Wir definieren

∆1 “k∑

i,j“1E(XiXj) und ∆2 “

k∑i,j“1i„j

E(XiXj).

Die Notation i „ j bedeutet, dass Xi und Xj nicht unabhängig sind.

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7.2. Einige grundlegende Eigenschaften

Beachte: EpXiXjq ‰ EpXiqEpXjq im Allgemeinen ∆1 und ∆2 messen im gewissen Sinne dieAbhängigkeit der Xi’s.

Proposition 7.3. X1, ..., Xk seien Zufallsvariable und sei X “∑ki“1Xi.

Dann gilt

1. VarpXq “ ∑ki“1 VarpXiq `

∑ki,j“1i‰j

CovpXi, Xjq,

2. Wenn die Xi’s 01 Zufallsvariablen sind, dann ist

(a) VarpXq “ EpXq ´ EpXq2`∆1,

(b) VarpXq ď EpXq `∆2,

3. PpX “ 0q ď 1EpXq

´ 1` ∆1

EpXq2 ,

4. PpX “ 0q ď 1EpXq

`∆2

EpXq2 .

5. Sind pAiqi Ereignisse und pXiqi die zugehörigen Indikator-Zufallsvariablen, so definierenwir ∆˚ :“ ∑

i„j PpAj|Aiq. Es gilt PpX “ 0q ď 1EpXq

` ∆˚EpXq

.

Beweis. 1. Ist klar.

2. Benutze EpX2i q “ EpXiq, für alle i,

3. PpX “ 0q ď Pp|X ´ EpXq| “ EpXqq ď Pp|X ´ EpXq| ě EpXqq ď VarpXqEpXq2 .

Benutze Teil 2b.

4. Wie Teil 3 mit 2b.

5. Es ist

∆2 “∑i„j

E(XiXj) “∑i„j

PpAi X Ajq

“∑i

PpAiq∑j

PpAj|Aiq

“ ∆˚E(X),

und die Behauptung folgt aus H.

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Kapitel 7. Zufällige Graphen

7.3. Existenz isolierter Knoten Gpn, pq

Definition 7.4. Sei Q eine Grapheneigenschaft. Wir sagen, dass Graphen aus Gpn, pq dieEigenschaft Q fast sicher (asymptotically almost surely (a.a.s.)) haben, falls

PpGpn, pq hat Eigenschaft Qq Ñ 1 für nÑ 8.

Satz 7.2 besagt, dass in Gpn, pq für p “ n´34 a.a.s ωpGq ď 3.

Proposition 7.5. Sei p P r0, 1s. Gpn, pq´Graphen haben a.a.s keine isolierten Knoten.

Beweis. Für v P V “ 1, ..., n sei Xv die 0, 1 Zufallsvariable, die 1 ist, wenn v isolierterKnoten ist und ansonsten 0 ist, dann ist X “

∑vPV Xv die Anzahl der isolierten Knoten. Wir

interessieren uns für das Ereignis X “ 0.

Beh: PpX “ 0q Ñ 1 für nÑ 8

Bew: EpXvq “ PpXv “ 1q “ p1´ pqn´1.

Somit

PpX ě 1q ďMarkov

EpXq

1 “ E(X) “ E(∑v

Xv)

“∑v

E(Xv) “ p1´ pqn´1n

ď e´ppn´1q`lnpnq

“ e´pn`p`lnpnq

nÑ8ÝÝÝÑ 0.

Des Beweis klappte, weil p konstant war!

Für welche p “ ppnq würde er ebenfalls funktionieren?

Für p “ ppnq “2 lnpnqn

gilt immer noch PpX ě 1q Ñ 0, für nÑ 8.

Was passiert unterhalb bzw. oberhalb von 2 lnpnqn

?

Kann es sein, dass bei 2 lnpnqn

für isoliert Knoten ein Phasenübergang erfolgt?

Dazu benötigen wir den Begriff der Schwellwert-Funktion (Threshold-Funktion).

Definition 7.6. Sei Q eine Grapheneigenschaft und seien α, s, t : NÑ R Funktionen.

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7.3. Existenz isolierter Knoten Gpn, pq

1. s ist eine untere Schwellwertfunktion (lower threshold function (LTF)), falls für alle p ď s,Gpn, pq die Eigenschaft Q nicht besitzt a.a.s.

2. t ist eine obere Schwellwertfunktion (upper threshold Funktion (UTF)), falls für alle p ě t,Gpn, pq die Eigenschaft Q a. a. s besitzt.

Dann spricht man auch davon, daß in r0, 1s ein Phasenübergang für die Eigenschaft Qstattfindet.

Eine perfekte Lokalisation des Phasenübergangs ist dann gegeben, wenn s´ t möglichst kleinwird, idealerweise asymptotisch gegen 0 konvergiert, wenn nÑ 8.

Satz 7.7. spnq “ lnpnq´αpnqn

ist eine LTF und tpnq “ lnpnq´αpnqn

ist eine UTF für die Eigenschaft,dass Gpn, pq-Graphen isolierte Knoten besitzen, wobei αpnq ď lnpnq und αpnq Ñ 8 fürnÑ 8.

Beweis. Oberer Schwellwert. Sei p ě t. Es wurde bereits bewiesen, dass die Wahrscheinlich-keit, dass Gpn, pq´ Graphen isolierte Knoten haben, höchstens np1´ pqn´1 ist. Wir habenp ě t, ferner benutzen wir in den folgenden Abschätzungen 1` x ď ex, @x P R.

Dann gilt

n ¨ p1´ pqn´1ď n ¨ p1´ tqn´1

ď1´tďe´t

n ¨ e´t¨n ¨1

1´ t“

n

1´ t ¨ e´ lnpnq´αpnq

“1

1´ t ¨ elnpnq´lnpnq´αpnq

“1

1´ t ¨ e´αpnq

nÑ8ÝÝÝÑ 0.

Unterer Schwellwert. Sei p ď s. Sei X die Zufallsvariable, die die Anzahl der isolierten Knotenin einem Gpn, pq Gaphen Zählt, X “

∑vPV Xv. Wir wollen zeigen, dass isolierte Knoten

vorhanden sind. Somit ist das Gegenereignis „X “ 0“ und wir zeigen, dass PpX “ 0q Ñ 0,nÑ 8. Hieraus folgt die Behauptung.

Dazu

PpX “ 0q ď 1EpXq

´ 1` ∆1

EpXq2 (Prop. 7.3)

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Kapitel 7. Zufällige Graphen

Wir schätzen EpXq mit Hilfe von s und ∆1 nach oben ab.

Es ist ja ∆1 “∑

v,wPVv‰w

PpXv “ 1^Xw “ 1q Beachte, dass Xv und Xw nicht unabhängig sind.

Wir benötigen 1´ x ď e´x´x2 , @x P r0, 1

3s. Es gilt

E(X) “ n ¨ p1´ pqn´1ě n ¨ p1´ sqn´1

“n

1´ sp1´ sqn

ěn

1´ se´nps`s2q

“1

1´ seαpnq´βpnq

mit βpnq “ ln2pnq ´ 2 lnpnqαpnq ` αpnq2

n. Es gilt

βpnq Ñ 0, αpnq Ñ 8, somit αpnq ` βpnq Ñ 8, Da spnq Ñ 0, folgt EpXq ÝÝÝÑnÑ8

8

EpXq “ n ¨ p1´ pqn´1, also EpXq2“ n2p1´ pq2pn´1q,

∆1 “∑v,wPV

v‰w

PpXv “ 1^Xw “ 1q “∑v,wPV

v‰w

p1´ pq2pn´2q`1

“ p1´ pq2pn´2q`1¨ npn´ 1q “ p1´ pq2n´3

¨ npn´ 1q.

Somit ∆1

EpXq2 “p1´ pq2n´3npn´ 1qn2p1´ pq2pn´1q “ p1´ 1

nq︸ ︷︷ ︸

Ñ1

¨1

1´ p︸ ︷︷ ︸Ñ1︸ ︷︷ ︸

Ñ1

Ñ 1.

ñ PpX “ 0q Ñ 0 für nÑ 8.

Satz 7.8. Sei α “ αpnq eine Funktion mit αpnq Ñ 8. Sei αpnq ď lnpnq.

Dann ist spnq :“ lnpnq´αpnqn

eine LTF und tpnq :“ lnpnq´αpnqn

eine UTF für den Zusammenhangeines Gpn, pq Graphen.

Beweis. LTF: Satz 7.7 sagt, dass für p ď s a.a.s. isolierte Knoten existieren. Somit ist derGraph a.a.s. nicht zusammenhängend.

UTF: Sei p ě t. Satz 7.7 ist hier leider nicht anwendbar, weil der Zusammenhang eine stärkereEigenschaft als die Existenz isolierter Knoten ist.

Sei für k ď n, Xk die 10 Zufallsvariable, die genau dann 1 ist, wenn eine Zusammenhangs-komponente der Größe k existiert. Sei X :“ ∑

kďb k2 c Xk, Y :“ ∑

kănXk.

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7.3. Existenz isolierter Knoten Gpn, pq

Das für uns schlechte Ereignis ist, dass für irgendein k ă n, Xk “ 1. Das gute Ereignis istY “ 0.

z.z.: PpY “ 0q Ñ 1 für nÑ 8.

Es gilt Y ě 1 ñ X ě 1. Denn für Y ě 1 ist ein Xk ě 1 ist Xk “ 1 und mit k ă n, d.h. esgibt eine Zusammenhangskomponente auf k Knoten. Falls k ď n

2 , dann X ě 1.

Falls k ą n2 , dann gibt es eine Zusammenhangskomponente mit ď n

2 Knoten, also gibt es eink0 ď bn2 c, so dass Xk0 “ 1, somit X ě 1. Wir haben mit der Markov-Ungleichung

PpY ě 1q ď PpX ě 1q ď EpXq

1 “ EpXq.

Behauptung: EpXq Ñ 0 für nÑ 8.

Beweis: Sei S Ď V.

PpS induziert eine Zusammenhangskomponente q

ď Pp kein Knoten aus S ist mit einem Knoten aus Sc verbunden q

“ p1´ pq|s|pn´|s|qď e´p|s|pn´|s|q

ďpět

e´t|s|pn´|s|q

ñkďb n

2 cE(Xk) ď e´pk¨pn´kq ¨

(n

k

)ď(n ¨ ek

)k¨ e´tkpn´kq

“ e´αpnq(e1´p1´ 1

kq¨αpnq` k

n¨plnpnq`αpnqq

k︸ ︷︷ ︸:“Bk

)k(7.1)

“ e´αpnqBkk

Problem: Wie verhält sich ∑rn2 sk“1Bk

k?

Fall 1: k ď bn 34 c. Dann

k

n¨ plnpnq ` αpnqq ď 1

n14plnpnq ` αpnqq ÝÝÝÑ

nÑ80.

Somit ist der Zähler in dem Bk Term ă Konstante, c ą 0.

1. c ă k ñ Bk ďck“: θ ă 1.

ñ∑bn

34 c

k“1 Bkk ď

∑bn34 c

k“1 θk ď∑8k“1 θ

k “1

1´ θ “ Op1q und aus (7.1) folgt die Behauptung.

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Kapitel 7. Zufällige Graphen

2. c ě k. Dann ist Bkk “ Op1q für alle k und aus (7.1) folgt die Behauptung.

Fall 2: bn 34 c ď k ď bn2 c. Dann ist Bk ď expp1´ 1

4 lnpnq ´ p12 ´

1kqαpnqq, damit konvergiert der

Exponent gegen ´8.

Somit gilt für hinreichend große n, dass Bk ă θ ă 1 für ein Konstante θ.

Daraus folgt rn34 s∑

k“b n2 cBk

∑rn

34 sďkďb n

2 c

θk ď8∑k“0

θk “1

1´ θ “ Op1q.

Somit gilt EpXq ď e´αpnq ¨ pOp1q `Op1qq ÝÝÝÑnÑ8

0.

7.4. Subgraphen in Gpn, pq

Wir sagen fpnq ď gpnq, falls fpnqgpnq Ñ 0 für nÑ 8.

Definition 7.9. Sei A eine Grapheneigenschaft. r “ rpnq ist eine Treshold-Funktion für Ain Gpn, pq, falls:

1. ppnq ! rpnq, dann limnÑ8PrGpn, pq hat Eigenschaft As “ 0

2. ppnq " rpnq, dann limnÑ8PrGpn, pq hat Eigenschaft As “ 1.

Satz 7.10. Sei H ein balanzierter Graph mit v Knoten und e Kanten. Sei A die Eigenschaftdaß Gpn, pq-Graph G H als Subgraphen enthält. Dann ist p “ ppnq “ n´

ve eine Treshold-

Funktion für A.

Beweis. Sei S Ď V , |S| “ v und AS das Ereignis, daß GS, H als Subgraphen enthält. Dann

pe ď PrAss ď v ¨ pe. (7.2)

Sei XS die Indikatorvariable für AS und X :“ ∑S,|S|“vXS. A gilt genau dann, wenn X ą 0.

Das schlechte Ereignis ist also X “ 0. Wir haben mit (7.2), wobei v als Konstante angesehenwird,

E(X) “∑

S,|S|“v

E(XS) “(n

v

)PrASs “ θpnvpeq.

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7.4. Subgraphen in Gpn, pq

1. Fall p ! n´ve . Dann ist ja nvpe ! nvn´v “ 1, also nvpe Ñ 0 für n Ñ 8. Somit EpXq “

θpnvpeq Ñ 0 für n Ñ 8. Also PpX ě 1q ď EpXq Ñ 0 für n Ñ 8, somit PpX “ 0q Ñ 1für nÑ 8, d. h. X “ 0 a. a. s und A gilt nicht a. a. s.

2. Fall p " n´ve . Somit EpXq “ θpnvpeq Ñ 0 für nÑ 8. Betrachte ∆˚ aus der Proposition

7.3, Teil 5.Wir haben für zwei Mengen S, T Ď V , XS „ XT genau dann, wenn S ‰ T undS und T in Gpn, pq gesemeisame Kanten haben können, d. h. |SXT | “ i mit 2 ď i ď v´1.

Sei S fest. Nun gilt

∆˚“

∑XS„XT

PrAT |ASs “v´1∑i“2

∑|SXT |“i

PrAT |ASs.

Für jedes i “ |T XS| gibt es Opnv´iq Möglichkeiten, T zu wählen. Betrachte PrAT |ASs. Esgibt Op1q mögliche Kopien von H auf T . Jede dieser Kopien hat höchstens i ¨ e

vKanten,

die ganz in S liegen, denn die Dichte von H ist evund H ist balanziert. Somit hat jede

dieser Kopien mindestens e´ i ¨ e

vandere Kanten.

AlsoPrAT |ASs “ Oppe´

i¨ev q,

und weiter∆˚

v´1∑i“2

Opnv´i ¨ pe´i¨ev q “

v´1∑i“2

Oppnv ¨ peq1´iv q

ñ ∆˚E(X) “

v´1∑i“2

Oppnv ¨ peq1´iv´1q “

v´1∑i“2

Oppnv ¨ peq´iv q.

Somit wegen nvpe Ñ 8 für n Ñ 8, und v Konstant, haben nur ∆˚EpXq Ñ 0 für n Ñ 8.Mit Proposition 7.3 folgt

PpX “ 0q ď 1EpXq

`∆˚

EpXqÝÝÝÑnÑ8

0.

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