Gravitationswellen II. Detektion und erste Ergebnisse. · bilden 2 Fabry -Perot-Interferometer)....

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1 Wolfgang Gebhardt Gravitationswellen II. Detektion und erste Ergebnisse. 1. Zur Geschichte. Als im Anfang des 20. Jahrhunderts der Feldcharakter der Gravitation diskutiert wurde, war bald klar, dass sich eine Änderung des Gravitationsfelds im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten müsse. 1905 stellte H. Poincaré zur Diskussion, dass in einer relativistischen Theorie der Gravitation eine beschleunigt bewegte Masse Gravitationswellen (GW) abstrahlen sollte in Analogie zu einer beschleunigten Ladung in der Elektrodynamik. Einstein nahm nach 1915 diese Idee auf, war aber zunächst skeptisch, da die Gravitation keine Dipole kennt. In einer linearen Näherung seiner Feldgleichungen fand er drei mögliche Polarisationen. 1922 zeigte Eddington, dass zwei von Einsteins Lösungen Artefakte waren, welche durch die Wahl eines anderen Bezugssystems verschwanden. 1936 nahm Einstein zusammen mit Nathan Rosen die Frage nach der Existenz von GW wieder auf. Die Autoren verneinten die Frage, weil die Gleichungen eine Singularität enthielten. Sie schickten die Arbeit an Phys. Rev. und bekamen sie mit der Bemerkung des Referees (H.C. Robertson) zurück, dass die Singularität nur eine harmlose Koordinatensingularität sei, bedingt durch die verwendeten Zylinderkoordinaten. Rosen erkannte das Problem und hatte Mühe, Einstein zu überzeugen, dass der Referee recht hatte. In der geänderten Fassung des Papers (die nun nicht mehr an Phys. Rev. geschickt wurde), kam man zum umgekehrten Schluss: Ja, es gibt Gravitationswellen! Die Frage wurde endgültig 1956 von F. Pirani geklärt, der ausgehend vom Riemannschen Krümmungs-Tensor eine Lösung unabhängig von Koordinatensystemen anstrebte. !957, zwei Jahre nach Einsteins Tod, fand eine Konferenz über „Allgemeine Relativitätstheorie“ in Chapel Hill statt (The Chapel Hill Conference), wo besonders die Frage diskutiert wurde, ob eine GW Energie transportieren könne. Feynman, der anwesend war, beantwortete die Frage durch ein Gedanken-Experiment: Man nehme einen dünnen Stab auf den zwei Glasperlen beweglich aufgezogen sind. Eine vorbei laufende Gravitationswelle würde die Glasperlen entlang des Stabs bewegen. Ihre Reibung erzeugt Wärme, die der Gravitationswelle entzogen wird. 1958 begann Josef Weber mi der Konstruktion eines Detektors. Seine Detektoren bestanden aus großen Aluminium-Zylindern mit aufgeklebten Piezoelementen. Die empfangenen Signale erregten zunächst großes Aufsehen, konnten aber nicht reproduziert werden. Nach heutiger Auffassung war die Empfindlichkeit und die Rauschunterdrückung nicht ausreichend.

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Wolfgang Gebhardt

Gravitationswellen II. Detektion und erste Ergebnisse.

1. Zur Geschichte. Als im Anfang des 20. Jahrhunderts der Feldcharakter der Gravitation diskutiert wurde, war bald klar, dass sich eine Änderung des Gravitationsfelds im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten müsse. 1905 stellte H. Poincaré zur Diskussion, dass in einer relativistischen Theorie der Gravitation eine beschleunigt bewegte Masse Gravitationswellen (GW) abstrahlen sollte in Analogie zu einer beschleunigten Ladung in der Elektrodynamik. Einstein nahm nach 1915 diese Idee auf, war aber zunächst skeptisch, da die Gravitation keine Dipole kennt. In einer linearen Näherung seiner Feldgleichungen fand er drei mögliche Polarisationen.

1922 zeigte Eddington, dass zwei von Einsteins Lösungen Artefakte waren, welche durch die Wahl eines anderen Bezugssystems verschwanden.

1936 nahm Einstein zusammen mit Nathan Rosen die Frage nach der Existenz von GW wieder auf. Die Autoren verneinten die Frage, weil die Gleichungen eine Singularität enthielten. Sie schickten die Arbeit an Phys. Rev. und bekamen sie mit der Bemerkung des Referees (H.C. Robertson) zurück, dass die Singularität nur eine harmlose Koordinatensingularität sei, bedingt durch die verwendeten Zylinderkoordinaten. Rosen erkannte das Problem und hatte Mühe, Einstein zu überzeugen, dass der Referee recht hatte. In der geänderten Fassung des Papers (die nun nicht mehr an Phys. Rev. geschickt wurde), kam man zum umgekehrten Schluss: Ja, es gibt Gravitationswellen!

Die Frage wurde endgültig 1956 von F. Pirani geklärt, der ausgehend vom Riemannschen Krümmungs-Tensor eine Lösung unabhängig von Koordinatensystemen anstrebte.

!957, zwei Jahre nach Einsteins Tod, fand eine Konferenz über „Allgemeine Relativitätstheorie“ in Chapel Hill statt (The Chapel Hill Conference), wo besonders die Frage diskutiert wurde, ob eine GW Energie transportieren könne. Feynman, der anwesend war, beantwortete die Frage durch ein Gedanken-Experiment: Man nehme einen dünnen Stab auf den zwei Glasperlen beweglich aufgezogen sind. Eine vorbei laufende Gravitationswelle würde die Glasperlen entlang des Stabs bewegen. Ihre Reibung erzeugt Wärme, die der Gravitationswelle entzogen wird.

1958 begann Josef Weber mi der Konstruktion eines Detektors. Seine Detektoren bestanden aus großen Aluminium-Zylindern mit aufgeklebten Piezoelementen. Die empfangenen Signale erregten zunächst großes Aufsehen, konnten aber nicht reproduziert werden. Nach heutiger Auffassung war die Empfindlichkeit und die Rauschunterdrückung nicht ausreichend.

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1979 publizierten Hulse und Taylor ihre Untersuchungen an dem Pulsar-Doppelstern PSR 1913 + 16 und zeigten, dass das System Energie durch Abstrahlung von GW verliert.

1983 baut das MPI f. Quantenoptik in Garching einen Gravitationswellen-Detektor nach dem Prinzip eines Michelson-Interferometers mit 30 m Armlänge.

1994 ist Baubeginn der beiden US-amerikanischen Detektoren „LIGO“ in Hanford/Washington und Livingston/Louisiana, Armlänge des Laser-Interferometers 4 – 5 km.

1995 Baubeginn des deutsch.britischen Laser-Interferometers GEO 600 mit 600 m Armlänge bei Ruthe/Hannover.

2002 Erster Koinzidenz-Testlauf von LIGO und GEO 600.

2007 Inbetriebnahme des franzosisch-italienischen Laserinterferometers VIRGO mit 2 Armen von je 3 km Länge. Es befindet sich in Santo Stefano a Macerata (Cascina It.). 2007 - 2011 wurden Daten gesammelt. Seit 2011 ist Virgo außer Betrieb und wird zum Advanced VIRGO umgebaut. Der Umbau sollte längst abgeschlossen sein, aber man wartet noch auf die Bekanntgabe seiner Wiederinbetriebnahme.

2010 beginnt der Umbau von LIGO zum Advanced LIGO Laser Interferometer.

14.09.2015: Mit Adv. LIGO gelingt der erste Nachweis von GW während einer der letzten Testphasen nur zwei Tage nach Beginn des Meßzyklus [1], [2].

2. Gravitationswellen in Theorie und Praxis. Dieser Abschnitt referiert im Wesentlichen die ersten Kapitel der Arbeit von K. Riles [3] Gravitationswellen (GW) erhält man bei der Betrachtung von sehr kleinen Änderungen h der Hintergrund-Metrik η

(1)

Dabei sind g und h Funktionen der Raumzeit, was wir hier der Übersichtlichkeit halber nicht besonders anzeigen. Es ist dann möglich folgende inhomogene Wellengleichung herzuleiten (s. Seminar-Beitrag: Gravitationswellen I)

(2)

Mit der Konstanten

[im m-kg-s-System] (3)

3

Der Vorfaktor C ist sehr klein und zeigt an, dass die Gravitation eine sehr schwache Kraft ist. Das ist einer der der Hauptgründe, warum die Erforschung dieser Effekte so solange gedauert hat. Im Vakuum außerhalb von Feldern erhält man mit Tαβ = 0 die homogene Wellengleichung

(4)

mit der Lösung

(5)

Die Komponenten der vierdimensionalen Vektoren sind mit kleinen griechischen Buchstaben notiert, die lokalen räumlichen Koodinaten mit kleinen

Lateinischen Buchstaben a,b =1,2,3. Im Raum hat ka die Richtung einer Geodäten. Aus den Eichbedingungen erhält man

und (6)

Die erste Formel ergibt die Dispersionsbeziehung der Welle in der Minkowski-Metrik

(7)

die 2. Formel garantiert die Transversalität der Welle. Bei der Detektion einer Gravitationswelle ist man i.a. sehr weit von der Quelle entfernt, r >>Rsource . Deshalb können wir die Gravitationswelle als ebene Welle behandeln. Wir legen noch die z-Richtung in die Ausbreitungsrichtung k = (0.0.kz). Dann haben die beiden Tensor-Komponenten der Polarisation in Gl. (5) die Form

(8)

Man kann sie als Komponenten eines Verzerrungstensors ansehen, der in der Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung wirkt und dessen beide Komponenten in Gl. (8) in Polarkoordinaten angegeben sind. Ein Kreis von Atomen, der in der Polarisationsebene liegt, wird elliptisch wie in Fig. 1 deformiert. Der vollständige 4x4 Tensor lautet dann

0 0 0 0 0 h+ hx 0

0 hx –h+ 0 (9) 0 0 0 0

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Die Spur des Tensor verschwindet!

1.a) 1.b)

Fig. 1 a) Aufsicht auf die Deformation beim Durchgang einer Gravitationswelle der Polarisation h+. 1 b) Der Effekt der h+.-Polarisation auf einen Materie-Kreis. Die Zeit läuft von links nach rechts. Das Vorzeichen kehrt sich nach einer halben Schwingungszeit um. Credit U. Reichert S u W [1].

Fig.2 zeigt beide Polarisationen h+ oben und hx unten. Die Zeit läuft von links nach rechts. (Credit: K. Riles [3])

Um Informationen über die Quelle zu erhalten, kehren wir zur inhomogenen Gleichung (2) zurück. In Analogie zur Elektrodynamik lässt sich die inhomogene Gleichung durch eine Greens-Funktion lösen

(10)

Der Integrand läßt sich nach Multipolen entwickeln. Im Unterschied zur E-Dynamik gibt es in der Gravitation keinen Dipol-Beitrag, da es keine negativen Massen gibt. Stattdessen liefert in niedrigster Näherung der Quadrupol den dominierenden Beitrag. Um den Zusammenhang mit dem Quadrupol-Moment herzustellen, müssen wir eine Reihe von Näherungen und Annahmen machen:

!) die Entfernung der Quelle vom Empfänger r ist viel größer als die Ausdehnung der Quelle r < Rsource

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2) die Wellenlänge ist viel größer als die Ausdehnung der Quelle λ > Rsource. Bei dem ersten registrierten LIGO-Ereignis war v = 100 Hz und λ = c/v = 3000 km. Andererseits ist die Ausdehnung der Quelle im Allgemeinen größer als die Summe der Schwarzschildradien der Komponenten RSource > RS1 + RS2 = 220 km . Wir nehmen als Beispiel Rsource = 2000 km. Diese Bedingung ist nur knapp zu erfüllen. Realistisch ist es eher anzunehmen, dass λ und Rsource

‚von gleicher Größenordnung oder sogar von gleicher Größe sind. Das führt dazu, dass Gravitationswellen kohärent sind, was bei ihrem Nachweis sehr vorteilhaft ist.

3) Energie und Impuls sollen lokal erhalten bleiben. In der speziellen Relativitätstheorie ist das Quadrat des Vierer-Impulses eine Invariante

(11)

und für v << c ergibt sich

Die Invarianz von Impuls und Energie gilt in der Allg. Relativitätstheorie nicht, weil die g α β von den Werten +1 und -1 abweichen, also eine affine Geometrie statt einer pseudo-euklidischen beschreiben. Wir gehen hier davon aus, dass diese Abweichungen genügend klein bleiben, so dass (11) weiterhin näherungsweise gilt. Die Events, welche bisher beim Empfang von GW beobachtet wurden, verändern das System der Quelle. Ein Doppelsternsystem ist nach einem Merger-Prozess verschwunden und nur noch ein kompaktes Objekt (Schwarzes Loch oder Neutronenstern) vorhanden. So kann also von einer Energieerhaltung keine Rede mehr sein. Wir können uns deshalb hier nur auf stationäre und schwach gedämpfte Prozesse beschränken. Dazu erhalten wir aus Gl. (10) näherungsweise

(12)

Nach Integration in Teilen folgt

Die Entwicklung nach Multipolen ergibt für die Gravitation das Quadrupol-Moment als wesentlichen Beitrag. Da es keine negativen Massen gibt, entfällt das Dipolmoment. Wir benutzen hier das Trägheitsmoments. Es ist wie folgt definiert

(13)

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wobei μ die Ruhmassendichte bedeutet. Wir können jetzt hij durch die 3. Ableitung des Trägheitsmoments ausdrücken

(14)

Man beachte auch die lineare Abhängigkeit von der Entfernung. Wir messen hier die Verzerrungs- Amplitude, keinen Energiefluss.

Als Beispiel für die Größe des Effekts seien 2 Neutronensterne mit 1,4 Sonnenmassen ( M = 1,4 MO) im Abstand von 20 km gegeben. Ihre Umlaufsfrequenz um den gemeinsamen Schwerpunkt beträgt 400 Hz. Sie sollen sich im Abstand von 15 Mps befinden, was etwa dem Abstand des Virgo-Haufens entspricht. Das zu erwartende Signal ist h ~ 10-21 bei einer Empfangsfrequenz von 800 Hz. Man beachte, dass das Signal die Verzerrung (strain) angibt also eine unbenannte Größe ist

Wie groß ist der Energiefluß [W/m2] einer Gravitationswelle? Wir wollen das wie folgt abschätzen

und setzen dazu h ~ 10-21 und die Frequenz v =100 Hz ein. Das Ergebnis versetzt uns in Staunen

F =1,6 mW/ m2

Wenn wir etwa vergleichen mit dem Strahlungsstrom der Sonne, der auf der Erde ankommt und ca.

F = 1400 W/m2

beträgt, dann finden wir (nur) einen Unterschied von 6 Größenordnungen. Vergleichen wir jedoch die Entfernung Erde-Sonne und Erde-Virgohaufen, so sind das 12 Zehnerpotenzen. Der Energiefluß der GW, der auf der Erde ankommt, erscheint ungewöhnlich hoch. Riles vergleicht zusätzlich noch mit einer bekannten intensiven Röntgenquelle, dem Crab-Nebel, der gern als Referenz für die Intensität kosmischer Röntgenstrahlung benutzt wird. Der Röntgen-Strahlungsstrom beträgt beim Crab im Energieberich von 2 – 10 keV nur 10 -11 W/m2. Die elektromagnetische Strahlung ist inkohärent. Aber die Quantenenergie der Photonen ist groß (keV) und damit leicht zu detektieren. Im Gegensatz dazu haben Gravitonen bei 100 Hz eine Quantenenergie von 10-9 eV. Die Strahlung ist kohärent. Bei den LIGO-Ereignissen ist die Wellenlänge der GW λ = 3 000 km und die Dimension der Quelle 200 - 1 000 km. GW durchdringen leicht alle Arten von Materie, was einerseits ein Vorteil ist, wenn wir Informationen von kosmischen Katastrophen bei extremer Materiedichte aus großer Entfernung empfangen wollen. Andererseits bleiben die Schwierigkeiten der Detektion bleiben bestehen; insbesondere können wir keinen Nutzen aus dem erstaunlich großen Energiefluss der GW ziehen.

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3. Die Konstruktion der Interferometer Die beiden LIGO-Observatorien für Gravitationswellen bilden riesige Michelson-Interferometer. Sie bringen zwei 4 km lange Lichtwege miteinander zur Interferenz. Dabei sind die beiden rechtwinklig zueinander stehende Arme des Interferometers mit je 2 zusätzlichen Spiegel ausgestattet, welche den Lichtstrahl hin und her laufen lassen (und bilden 2 Fabry-Perot-Interferometer). Beide 4 km langen Arme sind durch 2 zusätzliche Spiegel (Reflektivität 0,99999) begrenzt und bilden jeweils eine „Cavity“, welche sowohl die Lichtleistung als auch den Gangunterschied der Teilstrahlen um Größenordnungen erhöht. Die Speicherzeit des Lichts in einem Interferometer-Arm beträgt ca. 1 ms. Die Lichtquelle ist ein Nd-YAG-Laser (Wellenlänge λ = 1068 nm ) mit einer ursprünglichen Leistung von 10 W. Er wird noch von unerwünschten Moden gereinigt, durch einen Strahlteiler aufgeteilt und in beide Arme des Interferometers geschickt.

Tab. 1. Die Tabelle enthält die Parameter von LIGO nach ursprüglicher Planung und Konstruktion. H1 und H2 sind die beiden in Hanford aufgestellten Interferometer, L1 das von Livingston [2].

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Fig. 4. Arbeiten in dem Vakuum-Rohr, in welchem das Interferometer untergebracht ist

[2].

https://www.advancedligo.mit.edu/sei.html.

.

Fig. 5. Prinzip-Skizze des Laser-Interferometers. Die beiden Arme sind mit zwei zusätzlichen Spiegeln als Fabry-Perot-Interferometer ausgebildet, wobei diese Spiegel auch die Funktion von Testmassen haben [2]..

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Jedes Interferometer befindet sich mit seinen Komponenten im Ultrahochvakuum, wobei ein Volumen von 4 000 m3 ausgepumpt und mit Kryopumpen auf Ultrahochvakuum gebracht werden muß. Ein besonderes Kapitel ist auch die mechanische Entkopplung des Systems von der Umgebung. Das wird mit 2 Systemen erreicht, ein äußeres, das mit hydraulischen Dämpfern arbeitet und einem inneren, welches die einzelnen optischen Komponenten isoliert.

Fig.6. Äußere hydraulische Dämpfung des Interferometers [2],

Credit:

https://www.advancedligo.mit.edu/sei.html.

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Fig. 3. Fig.7. Luftaufnahmen der beiden LIGO-Observatories in Livingston/ Louisiana (oben) in Hanford/ Washington (unten). https://www.advancedligo.mit.edu/sei.html

Die Umrüstung auf das Advanced LIGO System, die fast 5 Jahre in Anspruch nahm, betraf fast alle Komponenten. Das Ziel war vor allem die Unterdrückung des Photonen-Rauschens

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und die Kompensation des Strahlungsdrucks. Das erste Ziel wurde durch Erhöhung der Laserleistung von 10 auf 200 W erreicht. Die zweite Aufgabe wurde gelöst durch Erhöhung der „Testmasse“ der Spiegel, welche die „Cavity“ abschließen von 11 kg auf 40 kg. Die Durchmesser der Spiegel wurden von 25 auf 34 cm vergrößert. Die Aufhängung an dünnen Stahldrähten wurde durch Quarzfäden ersetzt. Die Aufhängung bildet jetzt ein 5-stufiges Pendel. Durch die erheblich größere Laserleistung in den Interferometerarmen stieg die gespeicherte Leistung von 60 kW auf 1 MW. In der Folge war man genötigt, sich um eventuelle Aufwärmungen durch Absorption im System zu kümmern.

Das italienisch-französische Interferometer ist nach den gleichen Prinzipien mit recht ähnlichen Maßen gebaut wie LIGO und bisher noch im Umbau auf „Avanced Virgo“.Es soll aber Ende 2016 messbereit sein. Das deutsche Vorhaben GEO 600 musste von vornherein mit einem (zu) kleinen Budget auskommen. Sein Bewilligungstermin lag in der Zeit kurz nach der Wiedervereinigung, als das Bundesforschungsministerium plötzlich auch für die Finanzierung der Institute in den neuen Bundesländern zuständig war. Die Armlänge der beiden Teilstrahlen von GEO 600 wurde deshalb auf 600 m begrenzt. Andererseits stand im MPI für Quantenoptik, das für Planung und Ausführung zuständig war, ein wertvolles Know-how zur Verfügung, das von 1997 an durch Beitritt zur „ LIGO Scientific Cooperation“ auch den anderen Forschern an den internationalen Projekten der Gravitationswellenphysik zur Verfügung stand.

2001 übernimmt das MPI für Gravitationsphysik in Potsdam (Albert-Einstein-Institut) die Aktivitäten des MPI für Quantenoptik in Hannover. Ein erster Testlauf zur Koinzidenz von GEO 600 und LIGO wird 2002 absolviert. Hannover liefert die höchst stabilen Nd-YAG-Laser für LIGO und steuert die Technik der Quarzfasern bei der Spiegel-Aufhängung bei. 2011 fand ein gemeinsamer Testlauf von GEO 600 und Virgo statt.

4. Das erste direkte Gravitationswellensignal und zwei Folgende. Am 11 Februar 2016 gab das internationale LIGO.Team in einer offiziellen Stellungnahme und Pressekonferenz die erste wohlbestätigte und gesicherte Messung eines GW-Ereignisses bekannt. Durch Vergleich des empfangenen Signals mit einer Serie von Modell-Rechnungen des Albert-Einstein-Instituts konnte man schließen, dass es sich um die Vereinigung von zwei Schwarzen Löchern (Black Holes = BH) mit Massen von 36 und 29 Sonnenmassen gehandelt haben musste.

Der Erste, der das Signal bemerkte, war Marco Draco, ein italienischer Postdoktorand, der die LIGO-Datenströme in Hannover im MPI für Gravitationsphysik überwachte. Er bemerkte am 14. September 2015 gegen 11:50 h MEZ (Sommerzeit) ein Alarmsignal des Systems. In Louisiana war es erst um 3h morgens in Washington 5h. War das ein Test-Alarm, wie er immer mal wieder ausgelöst wird und in welchen nur wenige eingeweiht waren? Aber um diese Zeit? Von dem Signal, das den Alarm ausgelöst hatte, konnte man nur sagen: “Es ist zu schön, um wahr zu sein!“. Einer der leitenden Wissenschaftler von LIGO sagte später, es wäre auch zu schön gewesen, um es so im System zu simulieren: das wäre nämlich verdammt

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schwer. Deswegen war ihm bald klar, dass die Signale echt sein müssten. Gegen alle Zweifel und Vorsicht bestätigte sich in den folgenden Wochen, dass den Signaldn in Hanford und Louisiana tatsächlich ein reales Ereignis entsprach, das in 500 Millionen Lichtjahren Entfernung am Südhimmel stattfand. Zwei BH, größer als die stellaren Schwarzen Löcher hatten sich vereinigt. Die in der Analyse bestimmten Daten finden sich in Tab. 2. Das Ereignis hat jetzt die offizielle Bezeichnung GW 15.09.14

Fig.8. Die drei im September, November und Dezember 2015 registrierten LIGO –Events.

Credit: LIGO Cooperation und https://www.advancedligo.mit.edu/sei.html

Primary BH mass 36 (+5 -4) solar masses Secondary BH mass 29 (±4) Final BH mass 62(+4 -1) Final BH Spin 0,67 (+0,05 -0,07) Luminosity distance 410 (+160 -180) Mpc Source Redshift z 0,09 (+0,03 -0,04) Chirp mass 30 Solar mass

Tab.2 . Die Daten des ersten mit LIGO entdeckten GW-Ereignisses. Die ganze zeitliche Dauer des Ereignisses GW 15.09.14 betrug nur wenig mehr als 150 ms, wobei die Aufzeichnungen von Livingston und Hanford wegen der Laufweit der Welle um ca. 1 ms gegen einander verschoben waren [4].

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Ein zweites Ereignis GW 15.12.26 wurde nach Filterung mit einem 30 - 600 Hz Bandpass in den Daten vom Dezember 2015 gefunden (online matched filtering) und durch eine zweite nachträgliche Filterung bestätigt. Die Signifikanz wurde hoch eingeschätzt. Die Unsicherheit, es könnte sich um ein Untergrundrauschen handeln, wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von eins in 1 000 Jahren angegeben. Das Ereignis passierte LIGO in einer Sekunde und änderte dabei die Frequenz um 55 Hz.

Fig. 9. GW 14.09.15. Oberste Zeile: die gemessenen Signale von Hanford /Washington und Livinston/Louisiana, die um 10 ms zueinander versetzt sind. Zweite Reihe von oben: Computer-Simulation der Signale. Dritte Reihe von oben: Der Rauschuntergrund. Unterste Zeile: Die Frequenzänderung während des Ereignisses zur Bestimmung der „Chirp Frequency“ = dν/dt. [4]

Primary BH mass 14,2 (+8,3 -1,7)

Secondary BH mass 7,5 ±2,3 Total BH mass 21,8 (+5,9 -1,7)- Final BH mass 20.8 (+6,1 -1,7) Radiated GW energy 1,0 ±0,2 Peak juminosity 3,3 (+0,5 -1,6) 1056 Final BH spin 0,74

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Luminosity distance 140 (+180 -190) Mpc Source redshift 0,09 (+0,03 -0,04) Chirp mass 8,9 ±0,3

Tab. 3. GW 15.12.26 Die an Hand von Modellrechnungen ermittelten Daten [6]..

Fig. 10. GW 15.12.26. OberstZeile: Die Signale in beiden Detektoren, die zeitlich um 1,1 ms zueinander verschoben sind. Zweite Zeile von oben: Akkumuliertes Signal-zu-Rausch- Verhältnis. Dritte Zeile: Signal-zu-Rauschen im zeitlichen Verhalten, Unterste Zeile: Frequenzänderung während des Ereignisses [6].

Wir schließen den Aufsatz mit einem kurzen Blick auf die Astrophysik, welche durch die GW einen neuen Beobachtungskanal gewonnen hat [5]. Denn es ist nun im Prinzip möglich, einen direkten Blick in die Vereinigung und die Nachschwingungen von BH Löchern zu erhalten, ohne Störung oder Abschirmung durch die Strahlung eines heißen Plasmas. Die GW sind unabhängig von der elektromagnetischen Wechselwirkung und bilden somit einen unabhängigen Kanal, der nur auf Ereignisse starker Gravitation anspricht. Wie häufig ähnliche Ereignisse mit BH oder Neutronensternen am Ende sind, wird sich in naher Zukunft entscheiden, wenn sich eine Statistik der Ereignisse aufstellen läßt. Immerhin konnten in reichlich 2 Monaten zwei bestätigte Ereignisse und ein Vermutetes nachgewiesen werden.

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5. Anhang. Newtonsche Gravitation. Chirp.Masse Wir wollen am Schluss die BH-Doppelsterne noch durch ein paar elementare physikalische Betrachtungen veranschaulichen. Die Anregungen dazu verdanke ich den Arbeiten von H. Mathur [8] und J. Bland-Hawthorn & R. Sudiwala [9].

Zwei Massen M1 und M2 umkreisen ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Mit der reduzierten Masse

läßt sich die Bewegungsgleichung (in der Newtonschen Gravitation) wie folgt schreiben

A1

oder

A2

Verdeutlichung durch ein Zahlenbeispiel: M1 + M2 = 20 Sonnenmassen, Summe der großen Halbachsen R1 + R2 = 200 km Dann wird die Frequenz v = 92 Hz. Achtung: LIGO würde die doppelte Frequenz messen, weil es auf die Frequenz des Quadrupols anspricht. Für größere Entfernungen der beiden (Punkt-)Massen sind Werte der Frequenzen bzw. Umlaufszeiten in der Tabelle angegeben

(R1 + R2) km 200 2 000 20 000 200 000 2 000 000 v Hz 92 2,91 92 mHz 2,91 mHz 0,0919 mHz T sek 10,8 sek 434 s = 7,23

min 10 889 s =

T Stunden 3 Stunden Tab. 9. Umlaufsfrequenzen ind –Zeiten von zwei Massen M1 = M2 = 20 solaren Massen

Neben der Frequenz v ist auch die zeitliche Änderung der Frequenz direkt meßbar, die sogenannte Chirp-Frequenz. Mit Hilfe von Frequenz und Chirpfrequenz lässt sich eine Masse ableiten, die Chirp-Masse [4]:

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A3

Wenn M1 = M2 ist, wird die Chirp-Masse besonders einfach

Wie man sieht, ist die Chirp-Masse so etwas wie eine mittlere Masse, und ws wichtig ist: Sie ist Modell unabhängig.

Im Folgenden skizzieren wir die elementare aber etwas umständliche Ableitung von A3. Wir gehen von der Gesamtenergie des Binärsystems in Newtonscher Gravitation aus

A4

Wir fügen noch die Bewegungsgleichung hinzu

Hier ist µ die reduzierte Masse des Systems. Setzt man sie ein und löst nach auf, so erhält man

A5

Da R1 und R2 nicht direkt meßbar sind, eliminieren wir sie mit der Gleichung

A6

Aus der Gesamtenergie und bekommen

A7

Daraus leiten wir die zeitliche Änderung ab

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A8

Die Energieänderung muss gleich der Strahlungsleistung der Abstrahlung von GW sein

A9

Die 6. Potenz der Frequenz kommt vom Quadrat der dritten Ableitung des Trägheitsmoments

A11

Wir erinnern uns dabei an die Strahlungsleistung eines elektrischen Dipols, welche das Quadrat der zweiten Ableitung des Dipolmoments enthält und auf die 4. Potenz der Frequenz führt. Die Konstante

C = 32/5

stammt aus der strengen relativistischen Ableitung. Mit diesen Vorgaben und der Eliminierung von (R1 + R2) erhalten wir für die Strahlungsleistung

A12

Durch Gleichsetzen

A13

bekommt man auf der rechten und linken Seite etwas umständliche Ausdrücke. Man sammelt die Massenfunktionen links. Die resultierende Massenfunktion hat noch nicht die Dimension einer Masse. Dazu potenzieren wir ( Zähler und Nenner!) auf beiden Seiten mit 3/5 und erhalten den gesuchten Ausdruck für die Chirp-Masse

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Siehe auch in Gl. A3 oben den vollständigen Ausdruck

6. Literatur [1] Sterne u. Weltraum 4, 2016, S.24

[2] LIGO: An overview of detector upgrades. https://www.advancedligo.mit.edu/overview.html

[3] K. Riles. Gravitational Waves. arXiv:1209.2013

[4] B.P. Abbott et al. Observation of gravitational waver from a binary black hole. Phys. Rev. Lett. 116, 861102, 2016

[5] Emanuelle Berti: The first sound of merging black holes, Physics Viewpoint. American Physical Society. 15. Febr. 2016

[6] B.P. Abbott et al. GW 15.12.26. Observation of Gravitational Waves from a Binary 22-Solar-Mass Black Hole Coalescence. Phys. Rev. Lett. 116, 241 103. 2016

[7] MPI f. Radioastronomie. http://www.mpifr-bonn.mpg.de/47442/research_report_313592

[8] H. Mathur: An analysis of the LIGO discoverybased on Introductory Physics. ArchiV: 1609.09349

[9] J. Bland-Hawthorn and R. Sudiwala. Student project:Of spinning coins and merging black holes. archxiv: 1611.00070

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