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MENSCH & MASCHINE

PILOT REPORT: DIAMOND AIRCRAFT DA40 TUNDRA STAR

Fürs GrobeGroße Reifen, verstärktes Fahrwerk – und das an einem Composite-Tiefdecker? Na klar! Denn Diamond Aircraft hat mit seiner Tundra Star eine Marktlücke entdeckt: In dieser Version kommt der Diesel-Viersitzer mit den übelsten Pistenverhältnissen zurecht – während normale Flugzeuge im Hangar bleiben müssen

Für jede Piste: Mit Bigfoot-Unterbau kann die Tundra Star auch auf tiefem Boden betrieben werden

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Weil der AE300 eine Common-Rail-Einspritzung hat, muss der Kraftstoffdruck hoch sein, wodurch sich der Sprit erwärmt. Überschüssiges Jet Fuel wird in den rech-ten Flügeltank zurückgeleitet und fließt an-schließend von dort in den Haupttank auf der linken Seite. Dabei kühlt sich der Kraft-stoff ab, gleichzeitig erwärmt er, was sich in den Tanks befindet. Vom rechten in den lin-ken Tank gelangt der Sprit mit Hilfe einer elektrischen Pumpe, die sich automatisch abschaltet, damit keine Flüssigkeit durch die Entlüftung über Bord geht. Sollte die Pumpe ausfallen, lässt sich die Füllmenge im rechten Tank nutzen, indem man den Tankwahlschalter auf die Emergency-Stel-lung dreht.

Im Zusammenhang mit dem Kraft-stoffsystem verweist Diamond gern auf die sicherheitsrelevanten Merkmale des Flugzeugs. Eines davon: Der Sprit schwappt nicht einfach im Composite-Flügel (wet wing), sondern in Aluminiumtanks zwi-schen den Holmen.

TEXT Ian SeagerFOTOS Ed Hicks

Es war im Jahr 2000, als Diamond die DA40 einführte. Ich bin nicht sicher, ob damals irgendjemand daran dachte, dass dieses Mus-ter eines Tages in modifizierter

Form als ernstzunehmendes Flugzeug für den Betrieb abseits von befestigten Pisten angeboten würde. Tatsächlich hat sich das Muster als ziemlich vielseitig erwiesen, und im Laufe der Jahre wurden wesentliche Än-derungen vorgenommen.

Als sie herauskam, war die DA40 aus-schließlich mit 180-PS-Lycoming erhält-lich, aber schon zwei Jahre später brachte der Hersteller eine Version mit dem 135 PS starken TAE-125 von Thielert auf den Markt. Die DA40-TDi war damals das weltweit erste Serienflugzeug mit Dieselmotor. Die Kom-bination aus moderner Kunststoffzelle und wirtschaftlichem Antrieb kam bei Flug-

schulen in Europa gut an, obwohl die Zuver-lässigkeit des Antriebs zu wünschen übrig ließ. Dies bewog Diamond-Chef Christian Dries, in der Tochterfirma Austro Engine ei-gene Dieselmotoren zu entwickeln.

Heute wird die Standard-DA40 in Euro-pa mit AE300 angeboten, einem 168 PS leis-tenden Diesel von Austro Engine. Allerdings musste die Cowling angepasst werden, da die neue Motor-Getriebe-Kombination größer ist als die ursprüngliche Thielert-Antriebseinheit. Man zog die Frontpartie weiter nach unten und ließ sie dort in einen großen Lufteinlass übergehen – hier war die Thielert-DA40 schlanker und »clean«, op-tisch das wichtigste Unterscheidungsmerk-mal. Die großen Reifen der Sonderversion Tundra Star passen zu dieser bulligeren Schnauze. Fast jedes Flugzeug mit Fest-fahrwerk, dem man solche Reifen verpasst, erhält diesen »Ich hab mehr drauf, als Ihr denkt!«-Look. Irgendwie scheint er die Ma-schine der freundlichen Obhut von Flug-verkehrskontrolle und Lotsen zu entziehen

und sie in die abenteuerliche Welt unbefes-tigter Buschpisten und fliegerischer Selbst-verantwortung mitzunehmen. Eher karier-te Hemden und Jeans als Uniformen und goldene Streifen, wenn man so will.

Um die unauffällige DA40 in die Tun-dra Star zu verwandeln, hat Diamond ei-nige Modifikationen durchgeführt, die in erster Linie das Fahrwerk betreffen. Die Bremsen und Räder wurden durch elo-xierte Beringer-Komponenten ersetzt. Das Bugfahrwerksbein – eine Schwachstelle je-des Dreibeinfahrwerks – haben die Öster-reicher verstärkt und ihm mehr Federweg gegeben, damit Stöße besser weggesteckt werden. Auch das Hauptfahrwerk ist sta-biler ausgeführt. Dessen Räder haben nun 56 Zentimeter Durchmesser, vorn sind es 44 Zentimeter. Okay, das reicht nicht an die Dimensionen Wasserski-tauglicher Ballon-reifen ran, wie sie manche extreme Busch-flugzeuge haben, aber sowohl das Bugrad als auch die Haupträder sind viel größer als in der Standard-Version.

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Anstelle von Radverkleidungen gibt’s an den Haupträdern etwas, das man als Nach-lauf-Keile bezeichnen könnte: Kunststoff-teile, die vielleicht auch den Widerstand senken, deren hauptsächliche Funktion aber darin besteht, die Flügelunterseite zu schützen, wenn Steine und andere Fremd-körper von unbefestigtem Untergrund auf-gewirbelt werden – oder von einigen Flug-platzpisten, die man so kennt.

Eine DA40, die irgendwo abgestellt ist, als Tundra Star zu identifizieren fällt ziem-lich leicht, sogar aus größerer Entfernung: Das geänderte Fahrwerk trägt sie höher über dem Boden als gewohnt, außerdem ragt die Nase in Sitz-und-Habachtstellung etwas nach oben. Der Rest des Flugzeugs ist weitgehend Standard-DA40. Die vorde-re Kabinenhaube wird also nach vorn auf-geklappt, wobei sie sich hebt, und die hin-teren Sitzen sowie das Gepäckfach erreicht man von der linken Seite über eine oben angeschlagene (Flügel-)Tür. Normalerweise gibt es vor der Tragfläche eine Trittstütze,

um auf die Fläche zu gelangen, aber weil die Tundra Star vorn so hoch steht, hat der Her-steller die Stütze hinter die Fläche verlegt – hurra! Warum kann sie eigentlich nicht immer dort sein?

Im Cockpit findet man die gewohnte Diamond-Konfiguration vor: feste Sit-ze und verstellbare Seitenruderpedale, Steuerknüppel statt -hörner (der einzi-

ge Diamond-Typ ohne Knüppel war der D-Jet), ein gemeinsamer Hebel für Motor und Propeller auf der Mittelkonsole, Glascock-pit mit Garmin G1000 und optional GFC 700-Autopilot. Wie bei der DA40 NG sind 28 Gallonen Kraftstoff in zwei Flügeltanks untergebracht, auf Wunsch kann man Zu-satztanks für weitere 11 Gallonen bekom-men. Der Austro-Engine-Dieselmotor läuft mit Jet Fuel. Das Kraftstoffsystem unter-scheidet sich insofern von den meisten Flugzeugen der Allgemeinen Luftfahrt, als der Motor vom linken Flügeltank aus ver-sorgt wird.

Nase hoch: Obwohl das Bugfahrwerk ver-stärkt ist, sollte man es schonend behandeln – wie bei jedem Flugzeug mit Bugrad

Komfortabel: Sitze mit verstellbaren Rückenlehnen und eine extra Tür für die Passagiere in der zweiten Reihe

Modern: Garmin G1000, auf der Mittel-konsole die Ein-Hebel-Bedienung fürs Triebwerk (vor dem Tankwahlschalter)

FOTO

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Bevor wir am Firmensitz in Wiener Neu-stadt zum Probeflug starten, gehen wir die Verfahren für unebenen und weichen Un-tergrund sowie für kurze Pisten durch. Tie-fer Boden – wo gibt’s das hier? Was Luftfahrt-regularien angeht, scheint Österreich für den Flugbetrieb abseits befestigter Pisten nicht der Nabel der Welt zu sein – sogar das Gras neben der Bahn zu nutzen geht nur, wenn man mit den Flugplatz-Managern de-battiert.

Doch eins nach dem andern, erst mal einsteigen und den Motor anlassen. Neu ist es zwar nicht, aber ich bin immer noch überrascht, wenn man dazu nur einen Schlüssel drehen muss (je nach Wetter kann es notwendig sein, etwas vorzuglühen). Was für eine verrückte Welt, dass uns im Jahr 2016 die Einfachheit erstaunt, einen Flug-zeugmotor zu starten, indem wir lediglich einen Schlüsel drehen!

Gelenkt wird am Boden durch dif-ferenzierten Einsatz der Bremsen, und genau das mache ich, während ich versuche, den unebensten Weg

zur Piste zu finden. Trotz längerer Fahr-werksbeine und des zusätzlichen Federwegs fühlt man sich beim Rollen erfreulicherwei-se nicht wie in einem schlingernden Boot. Auf holprigem Untergrund scheint es auch keine Neigung zum Aufschaukeln zu geben, angeregt durch Stöße aufs Fahrwerk. Rich-tig langweilig wird’s beim Triebwerkscheck: Power-Check-Knopf drücken und halten. Jetzt noch Klappen in Stellung eins, und es kann losgehen.

Vollgas – Bremsen frei. Betriebshand-buch und mechanisches Verständnis legen nahe, den Knüppel so lange gezogen zu halten, bis das Bugrad abgehoben hat. Ehr-

lich gesagt: Die Beschleunigung ist nicht so gewaltig, dass man sich anschließend zur Nackenmassage anmeldet, um ein Schleu-dertrauma zu kurieren. Sanft nimmt die Maschine Fahrt auf, und wenn das Bugrad abhebt, lässt man den Knüppel etwas nach, damit sie nicht überrotiert. Zunächst über-rascht mich die Startrollstrecke etwas; sie ist länger als erwartet. Doch dann wird mir bewusst, dass ich von rauem Untergrund und großen Reifen auf STOL-Eigenschaften schließe, was ja zunächst mal nichts mit-einander zu tun hat. Diamond nennt eine Startrollstrecke von 340 Metern, wobei hier die Bahnbeschaffenheit zu berücksichtigen ist.

Beim Flugverhalten gibt’s keinen Unter-schied zwischen Tundra Star und DA40 NG – da gilt für beide Versionen: tadellos. We-sentlichen Anteil daran hat der Flügel, der einer der besten ist, den die Industrie zu bieten hat. Er macht die Maschine gutmü-

tig und wendig, obwohl die Spannweite grö-ßer ist als bei vergleichbaren Flugzeugen.

Ein paar Zahlen: Bei Vollgas beträgt die Steigrate knapp 700 Fuß pro Minute und der Verbrauch 34 Liter pro Stunde. Fliegt man mit maximaler Dauerleistung (92 Pro-zent, 2100 rpm), geht der Verbrauch auf zir-ka 30 Liter zurück, wobei die Tundra Star in den unteren Höhenbereichen mit rund 125 Knoten IAS unterwegs ist. Wirtschaftlicher geht’s weiter oben: Dank Turbomotor steht die volle Leistung bis 14 000 Fuß zur Verfü-gung – wo die Insassen allerdings Sauerstoff benötigen. In dieser Höhe ist die Speed bei 60 Prozent Power praktisch identisch mit jener der DA40 NG: 124 Knoten TAS (statt 125). Dabei soll der AE300 pro Stunde weni-ger als 20 Liter Jet Fuel schlucken. Realisti-scher sind im Alltagsbetrieb Geschwindig-keiten um 100 Knoten, ein Verbrauch von 22 Litern und komfortable fünf Stunden Endurance plus großzügige Reserve.

Was uns an diesem Flugzeug aber mehr interessiert, ist alles, was sich bei Bodenkon-takt abspielt. Meine erste Landung ist zu schnell – trotz voll gesetzter Klappen habe ich keine Chance, mit den 270 Metern Roll-strecke aus dem Handbuch auszukommen. Bei der zweiten Landung lege ich mir einen besseren Plan zurecht: Im Anflug nehme ich die Fahrt weiter zurück, die Nase höher und lasse etwas mehr Gas stehen. Als wir irgendwelche Taxiway-Markierungen über-fliegen, reduziere ich die Geschwindigkeit noch weiter und bekomme gleich zu spü-ren, dass abnehmende Speed auf dramati-sche Weise die Sinkrate beeinflusst. Aber wollten wir das verstärkte Fahrwerk nicht ordentlich testen?

Zurück in die Platzrunde und noch ein paar Landungen. Die Tundra Star fliegt sich unkompliziert, doch wie bei jedem Muster braucht man Übung, um bei Start und Lan-dung die Rollstrecken zu minimieren.

Als ich die Tundra Star auf der AERO 2011 zum ersten Mal sah, erzählten die Dia-mond-Leute jedem, die Maschine sei für den Ausbildungsbetrieb in Russland entwi-ckelt worden, wo schlechte Pisten normal seien und die Robustheit dieser DA40-Ver-sion hoch geschätzt werde. Seit damals ha-be ich nirgendwo eine Tundra Star gesehen, außer an einem Diamond-Messestand oder auf der Abstellfläche des Werksgeländes in Wiener Neustadt – und um ehrlich zu sein: Ich hatte sie unter »Schulflugzeug für den Osten« abgehakt. Das war ein Fehler.

Es mag bei uns keine riesige Anzahl sehr schlechter Pisten geben, aber doch etliche, die besser sein könn-ten. Gerade jetzt im Winter bewegt

sich der Zustand vieler Grasplätze irgendwo zwischen aufgeweicht und nass, unbrauch-bar für alles, was kleine Räder hat – oder sollte ich sagen: normale Räder?

Die DA40 Tundra Star kommt mit sol-chen Verhältnissen spielend klar. Mit den großen Rädern verrichtet sie munter ihren Dienst, während Flugzeuge mit normaler Bereifung im Hangar bleiben, weil zu be-fürchten ist, dass Start und Landung ins Desaster führen oder die Piste beschädigt wird. Auch unter normalen Bedingungen wird man mit der Bigfoot-DA40 über mie-se Landungen viel öfter lachen können – die steckt das verstärkte Fahrwerk sowieso besser weg. Neben den niedrigen direkten Betriebskosten des Diesel-Fliegers dürfte seine Robustheit der große Pluspunkt im Schulbetrieb sein.

Erkauft wird die Tundra-Tauglichkeit durch ein Mehrgewicht von zirka zehn Kilo, wobei die Leermasse am Ende auch von der Ausstattung abhängt. Den Spaß verdirbt das nicht – vor allem im Schulbetrieb, wenn andere Flugzeuge, die am Boden bleiben müssen, bloß die Fixkosten erhöhen.

Spannweite 11,63 mFlügelfläche 13,24 m2

Länge 8,06 mHöhe 1,97 mLeermasse 910 kgMTOM 1310 kgTankinhalt 106 l, optional 147 lMotor/Leistung Austro Engine

AE300/168 PSKraftstoff Jet A-1, Jet A (und aus-

ländische Jet-Fuel-Sorten)

Propeller MT, 3-Blatt, Composite, constant speed, 1,90 m

Vs 58 kts CASVReise (60%, 14000 ft) 124 kts TASVne 172 kts IASBestes Steigen 670 ft/minStart- / Landerollstrecke 340 / 270 mReichweite 893 NM (mit 147-Liter-

Tanks)Rollrate 180 Grad/secPreis Uns hat Diamond den

Preis nicht verraten – vielleicht haben Sie mehr Glück!

Hersteller Diamond Aircraft Industries GmbHN. A. Otto-Straße 5A-2700 Wiener Neustadt

Telefon 0043-2622-267 00Internet www.diamond-air.at

TECHNISCHE DATENDiamond DA40 Tundra Star

»Ich hatte sie unter ›Schulflugzeug für den Osten‹ abgehakt. Das war ein Fehler« Tadellos: Beim Flugverhalten gibt’s keinen

Unterschied zur DA40 NG. Trotz großer Spannweite ist der Viersitzer wendig

Softfield-Start: Beim Rotieren kommt das Heck dem Boden sehr nah