Grout-Verbindungen in Monopile-Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen

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273 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 4 Fachthemen DOI: 10.1002/stab.201410151 Grout-Verbindungen in Monopile-Tragstrukturen von Offshore- Windenergieanlagen sind hohen zyklischen Belastungen aus- gesetzt. Basierend auf theoretischen und experimentellen Unter- suchungen werden in diesem Beitrag Einflussfaktoren auf die Be- messung von Grout-Verbindungen diskutiert. Die Diskussion der Einflussfaktoren erfolgt vor dem Hintergrund der im Jahr 2009 festgestellten vertikalen Setzungen an Grout-Verbindungen ohne Schubrippen. Grouted joints in monopiles for offshore wind energy turbines. Grouted joints in monopile substructures are exposed to high cyclic loads. Based on theoretical and experimental investiga- tions, this paper presents discovered reasons and discusses the design driving parameters for these grouted joints in the context of vertical settlements in grouted joints without shear keys which have become public knowledge in 2009. 1 Einleitung Die Offshore-Windenergie erreicht von Jahr zu Jahr größere Dimensionen in Form größerer Turbinen in größeren Was- sertiefen. Für Wassertiefen über 40 m ist die Installation von Jackets ([1] und [2]), oder so genannten XXL-Monopi- les [3] geplant. Letzteres Konzept basiert auf klassischen Monopile-Tragstrukturen, die mit einem Durchmesser von ungefähr 5000 mm für Wassertiefen bis 30 m eingesetzt werden (s. Bild 1). Nicht zuletzt aufgrund einfacher Ferti- gung und Installation werden in der Offshore-Windenergie Monopiles bevorzugt verwendet. Die Verbindung zwischen Turm und Monopile wird dabei zumeist durch eine mit hochfestem Mörtel gefüllte Rohr-in-Rohr-Steckverbindung, dem Grouted Joint, realisiert. 2 Schäden an Grout-Verbindungen Im Jahr 2009 wurde bekannt, dass bei Wartungsarbeiten Vertikalsetzungen an Grout-Verbindungen in Monopiles detektiert wurden (s. [4]). Wie sich herausstellte, wurde die Mehrheit sämtlicher bis dahin eingebauter Grouted Joints ohne Schubrippen als zusätzliche Stahlrohroberflächen- profilierung ausgeführt (s. Bilder 1 und 2). Trotz dieser aus der Offshore-Öl-und-Gasindustrie favorisierten Ausfüh- rungsform des Grouted Joints mit Schubrippen als ge- schweißte Auftragsnähte in Rohrumfangsrichtung, wurde bei Grouted Joints in Monopiles auf diese Oberflächenpro- filierungen zumeist verzichtet (vgl. [5], [6] und [7]). Im Zu- Grout-Verbindungen in Monopile-Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen Erkenntnisse und Entwicklungen Herrn Professor Dr.-Ing. Peter Schaumann zur Vollendung seines 60. Lebensjahres gewidmet Stephan Lochte-Holtgreven Anne Bechtel sammenhang mit den festgestellten Setzungen wurde ver- mutet, dass das verwendete Bemessungskonzept das tat- sächliche Trag- und Ermüdungsverhalten biege- und axialbeanspruchter Grout-Verbindungen ohne Schubrip- pen nicht gänzlich zutreffend beschreibt (s. [8]). Um die Ursachen der Setzungen genauer zu untersu- chen, wurde 2009 vom Det Norske Veritas (DNV) ein Joint Industry Projekt (JIP) initiiert ([8]). Dieses hatte zum Ziel, das Trag- und Ermüdungsverhalten der Verbindungen zu erforschen. Im JIP wurde festgestellt, dass das bislang an- gewandte Bemessungsverfahren für Grout-Verbindungen ohne Schubrippen insbesondere bei sehr großen Rohr- durchmessern zu nicht zutreffenden Bemessungsergebnis- sen führen kann ([8]). Neben verbesserten Bemessungs- grundlagen für Grout-Verbindungen ohne Schubrippen wurden basierend auf experimentellen Untersuchungen an biegebeanspruchten Versuchskörpern folgende Faktoren festgestellt, die das Langzeitverhalten der Verbindungen unter Ermüdungsbeanspruchungen beeinflussen: Bild 1. Monopile-Tragstruktur und idealisierter Lastüber- tragungsmechanismus bei Biegebeanspruchung Fig. 1. Location of a grouted joint and load transfer in a monopile foundation under bending

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Fachthemen

DOI: 10.1002/stab.201410151

Grout-Verbindungen in Monopile-Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen sind hohen zyklischen Belastungen aus-gesetzt. Basierend auf theoretischen und experimentellen Unter-suchungen werden in diesem Beitrag Einflussfaktoren auf die Be-messung von Grout-Verbindungen diskutiert. Die Diskussion der Einflussfaktoren erfolgt vor dem Hintergrund der im Jahr 2009 festgestellten vertikalen Setzungen an Grout-Verbindungen ohne Schubrippen.

Grouted joints in monopiles for offshore wind energy turbines. Grouted joints in monopile substructures are exposed to high cyclic loads. Based on theoretical and experimental investiga-tions, this paper presents discovered reasons and discusses the design driving parameters for these grouted joints in the context of vertical settlements in grouted joints without shear keys which have become public knowledge in 2009.

1 Einleitung

Die Offshore-Windenergie erreicht von Jahr zu Jahr größere Dimensionen in Form größerer Turbinen in größeren Was-sertiefen. Für Wassertiefen über 40 m ist die Installation von Jackets ([1] und [2]), oder so genannten XXL-Monopi-les [3] geplant. Letzteres Konzept basiert auf klassischen Monopile-Tragstrukturen, die mit einem Durchmesser von ungefähr 5000 mm für Wassertiefen bis 30 m eingesetzt werden (s. Bild 1). Nicht zuletzt aufgrund einfacher Ferti-gung und Installation werden in der Offshore-Windenergie Monopiles bevorzugt verwendet. Die Verbindung zwischen Turm und Monopile wird dabei zumeist durch eine mit hochfestem Mörtel gefüllte Rohr-in-Rohr-Steckverbindung, dem Grouted Joint, realisiert.

2 Schäden an Grout-Verbindungen

Im Jahr 2009 wurde bekannt, dass bei Wartungsarbeiten Vertikalsetzungen an Grout-Verbindungen in Monopiles detektiert wurden (s. [4]). Wie sich herausstellte, wurde die Mehrheit sämtlicher bis dahin eingebauter Grouted Joints ohne Schubrippen als zusätzliche Stahlrohroberflächen-profilierung ausgeführt (s. Bilder 1 und 2). Trotz dieser aus der Offshore-Öl-und-Gasindustrie favorisierten Ausfüh-rungsform des Grouted Joints mit Schubrippen als ge-schweißte Auftragsnähte in Rohrumfangsrichtung, wurde bei Grouted Joints in Monopiles auf diese Oberflächenpro-filierungen zumeist verzichtet (vgl. [5], [6] und [7]). Im Zu-

Grout-Verbindungen in Monopile-Tragstrukturen von Offshore-WindenergieanlagenErkenntnisse und EntwicklungenHerrn Professor Dr.-Ing. Peter Schaumann zur Vollendung seines 60. Lebensjahres gewidmet

Stephan Lochte-Holtgreven Anne Bechtel

sammenhang mit den festgestellten Setzungen wurde ver-mutet, dass das verwendete Bemessungskonzept das tat-sächliche Trag- und Ermüdungsverhalten biege- und axialbeanspruchter Grout-Verbindungen ohne Schubrip-pen nicht gänzlich zutreffend beschreibt (s. [8]).

Um die Ursachen der Setzungen genauer zu untersu-chen, wurde 2009 vom Det Norske Veritas (DNV) ein Joint Industry Projekt (JIP) initiiert ([8]). Dieses hatte zum Ziel, das Trag- und Ermüdungsverhalten der Verbindungen zu erforschen. Im JIP wurde festgestellt, dass das bislang an-gewandte Bemessungsverfahren für Grout-Verbindungen ohne Schubrippen insbesondere bei sehr großen Rohr-durchmessern zu nicht zutreffenden Bemessungsergebnis-sen führen kann ([8]). Neben verbesserten Bemessungs-grundlagen für Grout-Verbindungen ohne Schubrippen wurden basierend auf experimentellen Untersuchungen an biegebeanspruchten Versuchskörpern folgende Faktoren festgestellt, die das Langzeitverhalten der Verbindungen unter Ermüdungsbeanspruchungen beeinflussen:

Bild 1. Monopile-Tragstruktur und idealisierter Lastüber-tragungsmechanismus bei BiegebeanspruchungFig. 1. Location of a grouted joint and load transfer in a monopile foundation under bending

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führen. Rein zufällig ließen die Untersuchungsergebnisse an großmaßstäblichen Versuchen von Schaumann und Wilke ([9], [10]) vermuten, dass gegebenenfalls zyklische Ermü-dungsbeanspruchungen infolge Biegung in Interaktion mit dem axialen Tragverhalten von Grout-Verbindungen ohne Schubrippen stehen. Statistisch belastbare Aussagen wa-ren aufgrund der geringen Anzahl an durchgeführten Ver-suchen und der im Ermüdungsversuch vernachlässigten statischen Axiallast jedoch nicht möglich.

Der von Schaumann et al. ([9], [10], [13], [14]) verwen-dete Versuchsaufbau ist in Bild 3 in der Mitte dargestellt. Für die Abmessungen der Versuchskörper sei auf Tabelle 1 verwiesen.

Versuchskörper 1 wurde als Referenzprobe ohne Schubrippen und Versuchskörper 2 mit sieben Schubrip-penpaaren als Auftragsschweißnähte auf der Außenseite des Innenrohrs (Pile) und der Innenseite des Außenrohrs (Sleeve) ausgeführt. Als Füllmaterial (Grout) kam ein off-shore-typischer Grout mit einer einaxialen Würfel-Druckfestigkeit von fc,cube 75×75 = 130 N/mm² zum Einsatz. Jeder Versuchskörper wurde drei unterschiedlichen Last-stufen ausgesetzt (s. Tabelle 2). Dabei spiegeln die ersten beiden Laststufen zu erwartende Ermüdungs- (FLS) sowie Traglastbeanspruchungen (ULS) von Monopiles unter Bie-gung wider. Da die Versuchslasten im Vier-Punkt-Biegever-such exzentrisch in jeden Versuchskörper eingeleitet wur-den (Bild 3), konnte ein für Monopiles typischer linearer Biegemomentenverlauf realisiert werden. Wie bei Schau-mann et al. [14] gezeigt, wurden die schadensäquivalenten Lasten in beiden Laststufen sinusförmig aufgebracht.

– Stahlrohroberflächenungenauigkeit und Rohrfabrika-tionstoleranz

– Rohrschlankheit und Verbindungssteifigkeit – akkumulierte Verschiebungslänge infolge zyklischer Be-

anspruchungen – Reibungskoeffizient in der Kontaktzone zwischen Stahl

und Grout – abrasiver Verschleiß in der Kontaktzone

Grundlage der experimentellen Untersuchungen im JIP bil-deten unter anderem die in Abschnitt 3 vorgestellten groß-maßstäblichen Biegeversuche von Schaumann et al. ([9], [10]), deren Geometrie im JIP adaptiert und um den Para-meter statischer Axiallasten erweitert wurden. Die Untersu-chungsergebnisse aus dem JIP führten zu einer Überarbei-tung der bis dahin geltenden DNV-Richtlinie OS-J101 [11].

3 Experimentelle Untersuchungen an Grout-Verbindungen3.1 Untersuchungen von Schaumann & Wilke

Erste Untersuchungen zum Trag- und Ermüdungsverhalten an biegebeanspruchten Grout-Verbindungen wurden in 2001 von Tech-wise [12] durchgeführt. Weitere Untersu-chungen an biegebeanspruchten Grout-Verbindungen er-folgten durch Schaumann et al. ([9], [10], [13], [14]) sowie durch Lotsberg [8]. Im Gegensatz zu den Untersuchungen von Tech-wise wurden von Schaumann et al. unter ande-rem die Einflüsse von Schubrippen, Rohr-Übergreifungs-längen und Füllmaterialdruckfestigkeiten auf das Ermü-dungsverhalten der Verbindung untersucht. Dies sollte insbesondere zur Optimierung von Grout-Verbindungen

Bild 2. Offshore-Windparks mit Monopile-Tragstruktur und Grout-Verbindungstyp, Stand 2013Fig. 2. Offshore wind farms with monopile foundations and grouted joints in 2013

Tabelle 1. Geometrie der Versuchskörper 1 und 2 nach [14]Table 1. Geometry of the test specimen 1 and 2 acc. to [14]

Versuch Nr. Pile Grout Sleeve Übergreifung Druckfestigkeit Grout Schubrippen (Anzahl)

1 D = 800 mm t = 8 mm

D = 840 mm t = 20 mm

D = 856 mm t = 8 mm

Lg = 1.040 mm fc,cube 75×75 = 130 N/mm²nein (0)

2 ja (7)

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mit zeigen die Versuchsergebnisse, dass der Versuchskör-per mit Schubrippen steifer ist als der Versuchskörper ohne Schubrippen. Sowohl gemessene Relativverschiebun-gen an der Messstelle LVDT 2 als auch lokale Spaltöff-nungsmaße an der Messstelle LVDT 3 sind beim Versuchs-körper mit Schubrippen geringer als bei dem ohne Schub-rippen. Auf Grundlage dieser Versuchsergebnisse kann untergestellt werden, dass der Versuchskörper mit Schub-rippen nicht größere Ermüdungseffekte aufweist. Vielmehr verfügt der Versuchskörper mit Schubrippen auch nach Versuchsende über höhere Steifigkeiten als der Versuchs-körper ohne Schubrippen.

3.3 Ergebnisse der axialen Resttragfähigkeitsuntersuchungen

Nach Abschluss der zyklischen Biegeversuche wurde mit-tels nachgestellter Traglastversuche die axiale Resttragfä-higkeit der Versuchskörper ermittelt (s. Bild 4). Die Prüf-drucklast Faxial wurde über Lasteinleitungsplatten (Bild 4 links), in die Versuchskörper axial eingeleitet und kontinu-ierlich bis zum Bruch gesteigert. Parallel dazu wurde der Prüfmaschinenweg u aufgezeichnet. Als Ergebnis konnten Last-Verformungskurven der Versuchskörper mit und ohne Schubrippen ermittelt werden (s. Bild 4 rechts). Erwartungs-gemäß lag die axiale Resttragfähigkeit des Versuchskörpers mit Schubrippen über der Resttragfähigkeit des Probekör-pers ohne Schubrippen. Es zeigte sich jedoch, dass die axiale Resttragfähigkeit des Versuchskörpers ohne Schubrippen unter dem nach DNV-OS-J101 [11] berechneten Traglast-niveau lag. Unter der Annahme der Gültigkeit des Bemes-sungsansatzes nach [11], deutete das Ergebnis darauf hin, dass die Axialtragfähigkeit möglicherweise durch zyklische Biegebeanspruchungen beeinflusst werden könnte. Es lässt sich vermuten, dass die Reibkontaktbedingungen infolge

Während der Versuchsdurchführung wurden die Stahl deh-nungen mittels Dehnungsmessstreifen und die lokalen und globalen Verformungen über induktive Wegaufnehmer (LVDT) aufgezeichnet. Die in Bild 3 dargestellten Verfor-mungs-Lastwechsel-Diagramme der induktiven Wegauf-nehmer LVDT 2 und LVDT 3 repräsentieren die lokale Relativverschiebung sowie das Aufklaffen von Pile und Sleeve an der Unterkante der Verbindung bei Erreichen der minimalen Prüflast Fmin in Laststufe 2.

3.2 Ergebnisse der Biegeversuche

Von Schaumann und Wilke [9] konnte bereits an klein-maßstäblichen Versuchen gezeigt werden, dass Schubrip-pen das Trag- und Ermüdungsverhalten axial beanspruch-ter Proben nicht zwangsläufig negativ beeinflussen. Dies kann in gewissem Maß auch für biegebeanspruchte Groß-versuche durch die Darstellung der Versuchsergebnisse der zweiten Laststufe exemplarisch dargestellt werden. Wie bereits in [14] vorgestellt, kann durch die Auswertung der Messergebnisse der lokalen Relativverschiebungen und -öffnungen gezeigt werden, welchen Einfluss die Oberflächen pro fi lierung auf das Ermüdungsverhalten der Versuchskörper hat. Es sei angemerkt, dass für Laststufe 2 deutlich größere Beanspruchungen als in einem Ermü-dungslastfall vorliegen. Exemplarisch sind in Bild 3 links die lokalen Relativverschiebungen sowie rechts die lokale Spaltbildung zwischen Innen- und Außenrohr über die Anzahl der aufgebrachten Lastwechsel N aufgetragen. Die kontinuierliche Verformungszunahme bedeutet, dass unab-hängig von der Ausführungsform der Stahlrohroberfläche lokale Grout-Degradation auftritt und dadurch die Ver-suchskörpersteifigkeit reduziert wird. Kleinere Verformun-gen repräsentieren dabei größere Bauteilsteifigkeiten. So-

Bild 3. Versuchsaufbau der 4-Punkt-Biegeversuche und Versuchsergebnisse nach [14]Fig. 3. Four-point-bending test setup for grouted joints (center) and results acc. to [14]

Laststufe Fmax/Fmin [kN] ∆F [kN] Faxial [kN] Lastwechsel N [–] Beanspruchungsart

1 –Ermüdung +100/–185 285 0 2.000.000 Biegung

2 – Traglast 0/–435 435 0 250.000 Biegung

3 – Resttraglast 0 0 Versagen 1 Axiallast

Tabelle 2. Laststufen für die großmaßstäblichen VersucheTable 2. Load levels for the large scale test specimen

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Verschleiß an der Kontaktzone zwischen Grout und Stahl reduziert werden. Dies begründet sich in der zutreffenden Approximation der Resttragfähigkeit bei Annahme eines reduzierten Reibbeiwertes µ (s. Bild 4).

3.4 Ergebnisse tribologischer Untersuchungen

Um den vermuteten Einfluss von Abriebeffekten auf den Reibkontakt zwischen Stahl und Grout infolge zyklischer Biegebeanspruchungen genauer zu untersuchen, wurden von Lochte-Holtgreven [15] ergänzende Untersuchungen der Stahloberflächen durchgeführt. Neben visuellen Prü-fungen mittels Rasterelekronenmikroskop (REM) kamen taktile Messverfahren zum Einsatz. Als Vergleichsproben dienten zwei Stahlproben aus dem Versuchskörper ohne Schubrippen von Schaumann und Wilke ([9], [10]). Die Proben spiegeln einerseits den Zustand der Stahlrohrober-fläche vor Vergrouten und andererseits nach Abschluss der experimentellen Untersuchungen wider.

Die Ergebnisse der visuellen Prüfungen mittels REM (s. Bilder 5a und 5b) lassen erkennen, dass die Stahlober-fläche vor Vergrouten zerklüftet und uneben ist. Demge-genüber erscheint die Stahloberflächentextur nach Ab-schluss der Versuche glatter und ebener. Es wird vermutet, dass dies auf den Abrieb von Zementleim in den Tälern der Stahlrohroberfläche und durch den Grout hervorgerufene Stahlabrasion zurückzuführen ist. Auch wenn das sprö-dere Grout-Material lokal zermalmt wird, wirkt das abge-riebene Material als Schleifmittel und reduziert unter zykli-scher Beanspruchung die Rauigkeit des Stahls. Diese Hy-pothese konnte durch taktile Rauigkeitsmessungen bestätigt werden. Unter Vernachlässigung von Oberflä-chenwelligkeiten lieferte die Auswertung der Oberflächen-rauigkeit geringere Rauigkeiten für die Stahlrohroberflä-che nach Abschluss der Versuche als die Probe vor Ver-suchsbeginn (s. Bild 5c). Die Amplitude der Rauigkeit Ra an der Probe nach Versuchsende ist kleiner als vor dem Vergrouten. Basierend auf dem maschinenbautechnischen Verständnis einer Oberflächentexturänderung infolge zykli-scher Beanspruchung kann die in dem Versuch mit glatten Stahlrohroberflächen von Schaumann et al. vermutete Oberflächenveränderung als abrasiver Verschleiß bezeich-net werden.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Grout-Verbindungen in Monopile-Tragstrukturen von Off-shore-Windenergieanlagen wurden zu Beginn der Off-shore-Windenergie überwiegend mit Grout-Verbindungen ohne Schubrippen ausgeführt. Bemessungsansätze aus der Offshore-Öl-und-Gasindustrie stellten bis zur Entdeckung vertikaler Setzungen an glatten Grout-Verbindungen von Monopiles den Stand der Technik dar. Einen Beitrag zur Absicherung und zur Erweiterung des Stands der For-schung lieferten die Untersuchungen von Schaumann, des-sen großmaßstäbliche Ermüdungsversuche an biegebean-spruchten Grout-Verbindungen den Wissensstand signifi-kant erweitert und das Optimierungspotential aufgezeigt haben. Es stellte sich heraus, dass Schubrippen das Trag- und Ermüdungsverhalten nicht zwangsläufig negativ be-einflussen. Rein zufällig konnte durch nachgestellte stati-sche Axiallastversuche ein Einfluss zyklischer Biegeermü-dungsbeanspruchungen auf das Axialtragverhalten der Versuchskörper detektiert werden. Inwiefern dieses Ergeb-nis für reale Grout-Verbindungen übertragbar sei, konnte aufgrund der geringen Versuchskörperanzahl nicht geklärt werden. Gleichwohl wurden die Ergebnisse von Schau-mann im Rahmen eines Joint Industry Projekts bestätigt, welches nach Feststellung vertikaler Setzungen an realen Monopile-Tragstrukturen mit Grout-Verbindungen ohne Schubrippen durchgeführt wurde und zu einem veränder-ten Bemessungsverfahren geführt hat. Es ist zu erwarten, dass zukünftig Grout-Verbindungen in Monopiles mit Schubrippen oder als konische Verbindung ausgeführt werden. Im Vergleich zu biegebeanspruchten Grout-Verbin-dungen liegt für Grout-Verbindungen in aufgelösten Trag-strukturen unter zyklischer Axialbeanspruchung ein ver-

Bild 4. Versuchsaufbau und LastverformungskurvenFig. 4. Test setup and axial load-displacement-curves

Bild 5. REM-Messungen und Ergebnis der taktilen Rauig-keitsmessungen an Stahloberflächen vor und nach dem Ver-suchFig. 5. Scanning electron microscopy and roughness measure-ments of steel surfaces before and after testing

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[7] Nielsen, L. P.: Finite Element Analysis of Large Diameter Grouted Connection. Proc. of 26th Int. Conf. on Offshore Me-chanics and Arctic Eng., OMEA2007, San Diego, USA, 2007.

[8] Lotsberg, I.: Summary Report from the JIP on the Capacity of Grouted Connections in Offshore Wind Turbine Structures. Det Norske Veritas. Technical Report Joint Industry Project, Report No. 2010-1053, Rev. No 05. Høvik, Norwegen, 2011.

[9] Schaumann, P., Wilke, F.: Fatigue of Grouted Joint Connec-tions. Proc. of the 8th German Wind Energy Conference –DEWEK 2006, Bremen, Deutschland, 2006.

[10] Schaumann, P., Wilke, F.: Design of Large Diameter Hy-brid Connections Grouted with High Performance Concrete. Proc. of the 17th ISOPE Conference, Lisbon, Portugal, 2007.

[11] DNV-OS-J101: Design of Offshore Wind Turbine Support Structures. Offshore Standard DNV-OS-J101, Det Norske Veritas, Høvik, Norway, 2004.

[12] Model tests of the grouted transition piece for the Horns Rev turbines. Translation made by Tech-wise A/S, Frederica, Denmark, 2001.

[13] Schaumann, P., Wilke, F., Lochte-Holtgreven, S.: Nonlinear Structural Dynamics of Offshore Wind Energy Converters with Grouted Transition Piece. Proc. of the European Wind Energy Conference 2008, Brussels, Belgium, 2008.

[14] Schaumann, P., Lochte-Holtgreven, S., Wilke, F.: Bending Tests on Grouted Joints for Monopile Support Structures. Proc. of the 10th German Wind Energy Conference – DEWEK 2010, Bremen, Deutschland, 2010.

[15] Lochte-Holtgreven, S.: Zum Trag- und Ermüdungsverhalten biegebeanspruchter Grouted Joints in Offshore-Windenergie-anlagen. Dissertation, Band 29, Institut für Stahlbau, Leibniz Universität Hannover, 2013.

Autoren dieses Beitrages:Dr.-Ing. Stephan Lochte-Holtgreven, [email protected], grbv Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co. KG, Expo Plaza 10, 30539 Hannover

Dipl.-Ing. Anne Bechtel, [email protected], Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover,Institut für Stahlbau, Appelstraße 9A, 30167 Hannover

gleichsweise geringer Kenntnisstand vor. Für Deutschland ist aufgrund großer Wassertiefen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone vom Zubau aufgelöster Tragstrukturen auszugehen. Die seit 2011 von Schaumann et al. durchge-führten Forschungsaktivitäten befassen sich daher mit dem Trag- und Ermüdungsverhalten der in aufgelösten Tragstrukturen eingesetzten Grouted Joints. In experimen-tellen Untersuchungen werden großmaßstäbliche Grout-Verbindungen durch axiale Wechselbeanspruchungen be-lastet, um so den Einfluss unterschiedlicher Parameter wie Grout-Spaltdicke, Grout-Materialdruckfestigkeit, Schub-rippenanordnung und Wassereinfluss zu untersuchen.

Danksagung

Wir gratulieren unserem Doktorvater zur Vollendung sei-nes 60. Lebensjahres und danken für die unter seiner Lei-tung möglichen Entwicklungschancen sowie für seine Un-terstützung beim wissenschaftlichen Arbeiten am Institut für Stahlbau der Leibniz Universität Hannover.

Literatur

[1] Schaumann, P., Bechtel, A., Lochte-Holtgreven, S.: Nach-weisverfahren zur Tragfähigkeit überwiegend axial bean-spruchter Grouted Joints in Offshore-Tragstrukturen. Stahl-bau 81 (2012), H. 9, S. 679–688.

[2] Schaumann, P., Bechtel, A., Lochte-Holtgreven, S.: Grouted Joints for Offshore Wind Turbines jackets under Full Reversal Axially Loading Conditions. Proc. of the 23th ISOPE Confer-ence, Anchorage, USA, 2013.

[3] Seidel, M.: The Monopile is dead – long live the Monopile! Präsentation auf der Windforce 2013, 9th WAB Offshore Con-ference, 4. bis 6. Juni 2013, Bremerhaven.

[4] Arnott, S.: Fresh blow for wind farms as possible flaw is scrutinised – Industry investigates design error as offshore tur-bines hit by conditions. The Independent, 12. April 2010. Großbritannien, 2010.

[5] Andersen, M. S., Petersen, P.: Structural Design of Grouted Connections in Offshore Steel Monopile Foundations. Proc. of the Global Windpower Conference, Chicago, USA, 2004.

[6] Feld, T.: State-of-the-Art Design Standard – Specific Devel-oped and Applicable for Offshore Wind Turbine Structures. DNV Global Wind Energy, Roskilde, Denmark, 2004.