Grundlagen der Elektrotechnik - Dr. Stefan Schenke · Vorwort Schon während meines Studiums in...

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Helmut-Schmidt-UniversitätUniversität der Bundeswehr HamburgFakultät für ElektrotechnikGrundlagen der ElektrotechnikUniv.-Prof. Dr.-Ing. S. Dickmann

Grundlagen der Elektrotechnik

das interaktive Skript

von Dr.-Ing. Stefan Schenke

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Version vom 22. August 2019.

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Vorwort

Schon während meines Studiums in Kiel leitete ich im Rahmen eines Hiwi-Jobs Übungs-gruppen im Fach Grundlagen der Elektrotechnik (an dieser Stelle vielen Dank an Prof.Klinkenbusch). Wie es das Schicksal so will, fand ich danach eine Stelle als wissenschaft-licher Mitarbeiter an der Professur für Grundlagen der Elektrotechnik in Hamburg, woich erst promovierte und anschlieÿend eine Anstellung als wissenschaftlicher Laborlei-ter fand. So kommt es, dass ich mittlerweile seit fast 20 Jahren mit vollem Eifer darumbemüht bin, Studienanfängern die Grundlagen so anschaulich wie möglich zu vermit-teln.

Das vorliegende Skript ist eine Zusammenstellung meiner Erklärungsmethoden. Hier-bei versuche ich in erster Linie anschaulich zu sein, damit Sie den Sinn & Zweck dereinzelnen Themen verstehen. Ich erhebe keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit! DiesesSkript kann und soll kein Lehrbuch ersetzen, sondern Ihnen den Einstieg in ein Themavereinfachen.

Zudem handelt es sich hier um die erste Version! Im Gegensatz zu einem Fachbuchhaben weder ein Lektor oder ein fachlicher Experte die folgenden Seiten zur Kontrollegelesen. Passen Sie also auf, Sie werden bestimmt Fehler entdecken. Bitte seien Siedann so nett und schreiben Sie mir einen kurzen Hinweis an [email protected].

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Einstieg in das coolste Studienfach der Welt!

Youtube-VideosMit diesem Skript möchte ich Ihnen helfen, die Grundlagen der Elektrotechnik zu ver-stehen. Um Sie auf verschiedenen Wegen zu erreichen, erkläre ich viele Dinge auchauf Youtube. In den folgenden Kapiteln nden Sie QR-Codes, die auf Videos zumselben Thema verweisen. (Die Graken sind auch klickbar, wenn Sie dieses Skript inelektronischer Form lesen.)

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Inhaltsverzeichnis

1. Grundlegende Denitionen 91.1. Elektrische Ladung, Strom und Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . 91.2. Ohmsches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.3. Leistung und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.4. Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.5. Zählpfeilsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.6. Spezischer Widerstand und elektrische Leitfähigkeit . . . . . . . . . . 151.7. Temperatuabhängige Widerstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2. Gleichstromschaltungen 192.1. Kirchhosche Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.2. Widerstandsnetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.2.1. Reihenschaltung von Widerständen . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2.2. Parallelschaltung von Widerständen . . . . . . . . . . . . . . . . 222.2.3. Stern-Dreieck-Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.3. Spannungsteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.4. Stromteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

2.4.1. Stromteiler mit Leitwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.5. Messung von Spannung und Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.5.1. Idealer und realer Spannungsmesser . . . . . . . . . . . . . . . . 292.5.2. Idealer und realer Strommesser . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.6. Messen von Widerständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312.6.1. Fall 1: Stromrichtige Messschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 312.6.2. Fall 2: Spannungsrichtige Messschaltung . . . . . . . . . . . . . 32

2.7. Wheatstonebrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332.8. Ideale und reale Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

2.8.1. Ideale Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372.8.2. Reale Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382.8.3. Quellenumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

2.9. Arbeitspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432.10. Überlagerungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452.11. Ersatzspannungs- und Ersatzstromquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

2.11.1. Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462.12. Leistungsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482.13. Knotenpotentialverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

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Inhaltsverzeichnis

3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge) 513.1. Ströme und Spannungen an Spulen und Kondensatoren . . . . . . . . . 51

3.1.1. Der Kondensator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513.1.2. Die Spule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3.2. Einschwingvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543.2.1. Beispiel 1: Entladevorgang eines Kondensators . . . . . . . . . . 553.2.2. Beispiel 2: Auadevorgang eines Kondensators . . . . . . . . . . 583.2.3. Beispiel 3: Auadevorgang einer Spule . . . . . . . . . . . . . . 59

3.3. Direkte Bestimmung der Zeitkonstante τ . . . . . . . . . . . . . . . . . 613.4. Anwendung der Laplacetransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

3.4.1. Schritt 1: Umzeichnen der Schaltung in den Bildbereich . . . . . 643.4.2. Schritt 2: Berechnung der gesuchten Gröÿe im Bildbereich . . . 673.4.3. Schritt 3: Rüchtransformation in den Zeitbereich . . . . . . . . . 673.4.4. Schwingfall, Kriechfall und aperiodischer Grenzfall . . . . . . . . 673.4.5. Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

4. Periodische Signale 734.1. Parameter von periodischen Signalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

4.1.1. Mittelwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734.1.2. Eektivwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744.1.3. Eektivwert eines Signals mit Gleichanteil . . . . . . . . . . . . 764.1.4. Gleichrichtwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

5. Wechselstromschaltungen 835.1. Sinusförmige Ströme und Spannungen an Kondensatoren und Spulen . 835.2. Spannungen im Wechselstromkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855.3. Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875.4. Der Phasor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

5.4.1. Zeigerdiagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925.4.2. Impedanzen and Admittanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

5.5. Schwingkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965.5.1. Reihenschwinkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965.5.2. Parallelschwingkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

5.6. Ortskurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1025.6.1. Erstes Beispiel: Impedanz- und Admittanzortskurve einer RL-

Schaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1025.6.2. Das wird wirklich ein Kreis?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1035.6.3. Inversionsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1055.6.4. Beispiel: Ortskurve einer resonanten Schaltung . . . . . . . . . . 108

5.7. Bodediagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115.7.1. Bodediagramme Grundfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . 112

5.8. Leistung in Wechselstromkreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155.8.1. Betrachtung im Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155.8.2. Betrachtung in der komplexen Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 121

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5.8.3. Blindleistungskompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1255.9. Drehstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

5.9.1. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1295.9.2. Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1295.9.3. Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1315.9.4. Beispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1325.9.5. Beispiel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

5.10. Transformator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1355.10.1. Idealer Transformator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1355.10.2. T-Ersatzschaltbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1365.10.3. T-Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1385.10.4. Vermessen eines realen Trafos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

6. Elektrische und magnetische Felder 1436.1. Stationäres elektrisches Strömungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

6.1.1. Benötigte Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1436.1.2. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1476.1.3. Relevante Geometrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

6.2. Elektrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1536.2.1. Benötigte Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1536.2.2. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

6.3. Magnetisches Feld um einen stromdurchossenen Leiter . . . . . . . . . 1586.4. Magnetisches Feld in einem stromdurchossenen Leiter . . . . . . . . . 1606.5. Magnetische Flussdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

6.5.1. Magnetische Kraft auf stromdurchossene Leiter . . . . . . . . . 1626.5.2. Magnetisierbare Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

6.6. Magnetischer Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1686.6.1. Elektrisches Ersatzschaltbild des magnetischen Kreises . . . . . 171

A. Ideale Grundelemente eines Schaltkreises 173

B. Mathematische Spielereien 175B.1. Funktionswerte von Sinus und Cosinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

C. Magnetische Feldstärke H 177

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Inhaltsverzeichnis

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1. Grundlegende Denitionen

In diesem Skript wird für die elektrische Spannung die Variable u benutzt, für denStrom die Variable i. Beachten Sie die Groÿ- und Kleinschreibung!

u, i: Es handelt sich um zeitabhängige Gröÿen.

U, I: Die Gröÿen sind zeitlich konstant (Gleichspannung, Gleichstrom bzw. Eektivwerteiner Wechselgröÿe).

U, I: Spannung (bzw. Strom) sind sinusförmig. Bei dieser Darstellung handelt es sichum die komplexe Schreibweise. Der Betrag der komplexen Zahl gibt den Eektivwertder Spannung (bzw. des Stroms) an, der Winkel der komplexen Zahl entspricht demPhasenverschiebungswinkel der Gröÿe.

1.1. Elektrische Ladung, Strom und Spannung

Das Konzept der elektrischen Ladung ist die Grundlage zur Beschreibung aller elektri-schen Phänomene.

• Die Ladung ist bipolar (negativ oder positiv).

• Sie existiert in diskreten Mengen: Q = ±n · 1, 6022 · 10−19C.

• Elektrische Eekte:Trennung gegensätzlicher Ladungen erzeugt eine elektrische Kraft (Spannung),die Bewegung von Ladungen nennen wir elektrischen Strom.

• Man benötigt Energie, um gegensätzliche Ladungen voneinander zu trennen.

Denition des Stroms: Der elektrische Strom ist ein Maÿ dafür, wieviele Ladungs-träger pro Zeiteinheit durch einen Leitungsquerschnitt ieÿen. (Stellen Sie sich vor, Siestehen mit einer Stoppuhr neben einer Leitung und zählen die Ladungen, die innerhalbeiner Minute an Ihnen vorbei ieÿen. Die Menge der Ladungen geteilt durch die Zeitnennen wir elektrischen Strom.)

i =dq

dt

i: Strom in Ampereq: Ladung in Coulombt: Zeit in Sekunden.

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1. Grundlegende Denitionen

Denition: elektrischer Strom

Denition der Spannung: Damit sich Ladungen durch einen Leiter bewegen, musseine Kraft auf sie wirken. Stellen Sie sich nun vor, eine Spannungsquelle treibt Ladun-gen durch einen Stromkreis und Sie möchten eine Ladung festhalten und entgegen derStromrichtung von einem Pol der Quelle zum anderen ziehen. Hierfür ist Energie er-forderlich. Die Energie, die Sie pro Ladung aufwenden müssen nennen wir elektrischeSpannung.

u =dw

dq

u: Spannung in Voltw: Energy in Jouleq: Ladung in Coulomb.

Denition: elektrische Spannung

1.2. Ohmsches Gesetz

Der Zusammenhang zwischen der Spannung u und dem Strom i an einemWiderstand Rwird durch das Ohmsche Gesetz beschrieben:

u = R · i

u: Spannung in V (Volt)R: Widerstand in Ω (Ohm)i: Strom in A (Ampere)

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1.3. Leistung und Energie

Anschauliches Beispiel

In einem Staubsauger erzeugt ein Ven-tilator eine Luftdruckdierenz. Derdurch den Staubsauger ieÿende Luft-strom ist nun abhängig vom Luftwider-stand (Staubsaugerschlauch montiert?Düse frei oder verstopft? Staubsauger-beutel leer oder gefüllt? ...).

Staubsauber

Luftstrom =Druckdifferenz

Aerodynamischer Widerstand

In einem Stromkreis verhält es sich ge-nauso. Die elektrische Spannung ist einMaÿ für die Kraft, die an den Ladungs-trägern zieht. Die Menge der Ladung,die pro Zeiteinheit durch ein Bauele-ment ieÿt (= der el. Strom) hängt vomelektrischen Widerstand ab.

RU

I

el. Strom =Spannungsabfall

el. Widerstand

Ohmsches Gesetz: I =U

R

Spannung, Strom und Ohmsches Gesetz

1.3. Leistung und Energie

Denition der Leistung: Die elektrische Leistung gibt an, wieviel Energie pro Zeitvon einem Verbraucher aufgenommen wird, bzw. von einer Quelle abgegeben wird.

p =dw

dt

p: Leistung in W (Watt)w: Energie in J (Joule)t: Zeit in s (Sekunden)

Die elektrische Leistung lässt sich auch direkt aus Strom und Spannung berechnen.Hierfür erweitern wir die Gleichung mit dem Term dq

dq(= 1) und tauschen in beiden

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1. Grundlegende Denitionen

Brüchen die Nenner. Die beiden so erzeugten Brüche entsprechen den Denitionen vonSpannung und Strom:

p =dw

dt· dq

dq︸︷︷︸=1

=dw

dq︸︷︷︸=u

· dq

dt︸︷︷︸=i

⇒ p = u · i

Denition: Elektrische Leistung

1.4. Wirkungsgrad

Ein Gerät kann nie die zugeführte Energie komplett auf die gewünschte Weise nutzen.Ein klassische Glühlampe wandelt z. B. nur 5% der zugeführten elektrischen Energie inLicht um, der Rest wird in Wärme umgewandelt. Der Wirkungsgrad η gibt an, wievielder zugeführten Leistung in die gewünschte Ausgangsleistung umgewandelt wird. EineGlühlampe besitzt also einen Wirkungsgrad von nur 5%, wenn man sie als Lichterzeugerbetrachtet. Als der Verkauf von 100W-Glühbirnen in der EU verboten wurde, botenndige Geschäftemacher sie unter dem Begri Heatball an. Ein Heatball erzeugt miteinem Wirkungsgrad von 95% Wärme und der Verbraucher solle sich keine Sorgenmachen, dass ein Heatball im Betrieb leuchtet. Dies sei ein parasitärer Nebeneekt,der jedoch nur einen Energieverlust von 5% verursacht. (Heatballs wurden trotz ihreshohen Wirkungsgrads auch bald verboten.)

System

PVerlust

Pein Paus

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1.5. Zählpfeilsysteme

η =Paus

Pein

η : Wirkungsgrad

Pein : Eingangsleistung des Systems

Paus : nutzbare Ausgangsleistung des Systems

Denition: Wirkungsgrad

1.5. Zählpfeilsysteme

An passiven Elementen (Widerstand, Kondensator, Spule) zeigen Strom und Spannungin die selbe Richtung ⇒ Verbraucherzählpfeilsystem.

R C L

ii i

u u u

u = R · i i = C dudt

u = L didt

Sollten in einer Schaltung an einem passiven Element Strom und Spannung in entge-gengesetzte Richtungen deniert sein, so berücksichtigt man dies mit einem negativenVorzeichen in der Bauelementgleichung.

R C L

ii i

u u u

u = −R · i i = −C dudt

u = −L didt

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1. Grundlegende Denitionen

An aktiven Elementen (Spannungs- und Stromquelle) zeichen Strom und Spannung inentgegengesetzte Richtungen ⇒ Erzeugerzählpfeilsystem.

u u

ii

Hinweis:Wenn an einer Quelle Strom und Spannung in die selbe Richtung zeigen, so nimmtdie Quelle Energie auf (z. B. wenn ein Akku geladen wird).

u u

ii

Verbraucherzählpfeilsystem Erzeugerzählpfeilsystem

Hier gibt die Stromquelle Energie ab, die Spannungquelle nimmt Energie auf.

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1.6. Spezischer Widerstand und elektrische Leitfähigkeit

1.6. Spezischer Widerstand und elektrischeLeitfähigkeit

Jedes Material kann den elektrischen Strom mehr oder weniger gut leiten. Ist die Leit-fähigkeit sehr schlecht, sprechen wir von Isolatoren, ist sie sehr gut von Leitern. Dazwi-schen liegen die Halbleiter. Wir betrachten im Folgenden einen zylindrisch geformtenLeiter, der an seinen Stirnächen ideal leitend mit einem ebenfalls ideal leitfähigenAnschlussdraht verbunden ist.

l

idealer Leiterrealer Leiter

A

Der elektrische Widerstand R des Leiters wird mit seiner Länge zunehmen, denn dieLadungsträger müssen sich über eine gröÿere Strecke durch die Engstelle quetschen.

R ∼ l.

Gleichzeitig wird der Widerstand abnehmen, wenn die Querschnittsäche zunimmt,denn die Ladungsträger haben dann mehr Platz.

R ∼ 1

A

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Widerstand proportional zu l/A sein muss:

R ∼ l

A

Um nun ein bestimmtes Material zu beschreiben, wird eine Proportionalitätskonstantendeniert:

R = % · lA.

Hierbei ist % der spezische elektrische Widerstand. Für gängige Werkstoe istder Wert von % in der Literatur und Tabellenwerken zu nden. Möchte man den Wertfür ein Material bestimmen, so misst man dessen Widerstand R und berechnet dieKonstante mit

% :=R · Al

.

Alternativ lässt sich die Proportionalitätskonstante durch ihren Kehrwert ausdrücken:

κ :=1

%,

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1. Grundlegende Denitionen

die man el. Leitfähigkeit nennt. Damit gilt

R =l

κA.

Ohmscher Widerstand eines Drahtes

1.7. Temperatuabhängige Widerstände

Reale Widerstände weisen ein temperaturabhängiges Verhalten auf. In metallischenLeitern nehmen mit steigender Temperatur die Gitterschwingungen des Materials zu,was wiederum den Stromuss der Elektronen behindert. Die Temperaturabhängigkeitist schematisch im folgenden Diagramm dargestellt:

ϑ

R(ϑ)

Leider ist die Widerstandsänderung nicht linear von der Temperaturänderung abhän-gig, was die mathematische Beschreibung umständlich macht. In den meisten Fällenist jedoch eine Linearisierung zulässig, zum Beispiel, wenn ein Bauteil bei Raumtem-peratur genutzt werden soll und den üblichen Temperaturschwankungen ausgesetzt ist(z. B. 0C...40C). Hierfür wird bei der Bezugstemperatur ϑ0 eine Tangente an denFunktionsgraphen des wahren Widerstandsverlaufs gelegt. Die Geradengleichung derTangente wird dann als lineare Funktionen für den Temperaturverlauf genutzt. Bei der

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1.7. Temperatuabhängige Widerstände

Temperatur ϑ0 stimmt diese Näherung exakt mit dem realen Widerstandswert überein.Je gröÿer die Temperatur von ϑ0 abweicht, umso gröÿer ist auch die Abweichung vomberechneten Widerstandswert.(Die Wahl unterschiedlicher Bezugstemperaturen führt zu unterschiedlichen Geraden-gleichungen, wie die folgenden Graphen zeigen:)

ϑ

R(ϑ)

ϑ0

R(ϑ0)∆ϑ

∆R

ϑ

R(ϑ)

R(ϑ′0) ∆ϑ

∆R

ϑ′0

Anhand der gewählten Tangente lässt sich eine Geradengleichung aufstellen:

R(ϑ) ≈ R(ϑ0) +dR(ϑ)

∣∣∣∣ϑ=ϑ0

· (ϑ− ϑ0).

Hierbei ist dR(ϑ)dϑ

∣∣∣ϑ=ϑ0

die Steigung des Temperaturverlaufs an der Stelle ϑ0. Es ist

üblich, diese Steigung auf den Wert R(ϑ0) zu normieren:

R(ϑ) ≈ R(ϑ0)

1 +1

R(ϑ0)· dR(ϑ)

∣∣∣∣ϑ=ϑ0︸ ︷︷ ︸

αϑ0

·(ϑ− ϑ0︸ ︷︷ ︸∆ϑ

)

≈ R(ϑ0) · (1 + αϑ0 ·∆ϑ).

Den Ausdruck αϑ0 = 1R(ϑ0)

· dR(ϑ)dϑ

∣∣∣ϑ=ϑ0

nennt man Temperaturkoezient bezüglich ϑ0.

Meistens verwendet man ϑ0 = 20C als Bezugstemperatur und nennt den Temperatur-koezienten dann α20.

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1. Grundlegende Denitionen

Temperaturabhängiger Widerstand - lineare Approximation

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2. Gleichstromschaltungen

2.1. Kirchhosche Sätze

Im folgenden werden grundlegende Verfahren zur Berechnung von elektrischen Schal-tungen vorgestellt. Die Grundlage für alle Methoden stellen das Ohmsche Gesätz unddie beiden Kirchhoschen Sätze (siehe unten) dar. Alles Weitere leitet sich aus diesendrei simplen Gesetzen her!

Kirchhoscher Knotensatz Die Summe aller in einen Knoten hinein- und heraus-ieÿender Ströme ist Null. In den Knoten hineinieÿende Ströme werden positiv, hin-ausieÿende Stöme negativ gezählt.

i1

i3

i2i1 + i2 − i3 = 0

Kirchhoscher Machensatz Die Summe aller Spannungen innerhalb einer Mascheist Null. Denieren Sie zunächst die Umlaufrichtung Ihrer Masche. Spannungen in Um-laufrichtung werden positiv gezählt, Spannungen entgegen der Umlaufrichtung negativ.

u3

u0

u1

u4u2

−u0 + u1 + u2 = 0

−u2 + u3 + u4 = 0

u0 − u4 − u3 − u1 = 0

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2. Gleichstromschaltungen

Beispiel: Berechung einer Schaltung

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2.2. Widerstandsnetzwerke

2.2. Widerstandsnetzwerke

2.2.1. Reihenschaltung von Widerständen

I

U

U1

U2

UnRn

R2

R1

Sind mehrere Widerstände in Reihe geschaltet, soieÿt nach dem Kirchhoschen Knotensatz durchjeden Widerstand der selbe Strom. Mit dem Ohm-schen Gesetz lässt sich der Spannungsabfall an je-dem Widerstand berechnen.

U1 = R1 · IU2 = R2 · I

...

Un = Rn · I

Nach dem Kirschhoschen Maschensatz ist die Ge-samtspannung U an der Reihenschaltung die Summeder Einzelspannungen. Der Gesamtwiderstand Rges

errechnet sich nach dem Ohmschen Gesetz aus derSpannung U und dem Strom I.

U = U1 + U2 + ...+ Un

= (R1 +R2 + ...+Rn) · I= Rges · I

Der Gesamtwiderstand von n in Reihe geschalteten Widerständen ist:

Rges = R1 +R2 + ...+Rn

Reihenschaltung von Widerständen

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2. Gleichstromschaltungen

2.2.2. Parallelschaltung von Widerständen

R1 R2 Rn

I

U

I1 I2 In

Sind Widerstände parallel geschaltet, so fällt nachdem Kirchhoschen Maschensatz an jedem die selbeSpannung ab. Mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes las-sen sich die Ströme durch die einzelnen Widerständeberechnen.

I1 =U

R1

I2 =U

R2

...

In =U

Rn

Gemäÿ dem Kirchhoschen Knotensatz ist der Ge-samtstrom I gleich der Summe der Einzelströme.Der Gesamtwiderstand Rges ergibt sich wieder nachdem Ohmschen Gesetz aus U und I.

I = I1 + I2 + ...+ In

=U

R1

+U

R2

+ ...+U

Rn

⇒ I

U=

1

Rges

=1

R1

+1

R2

+ ...+1

Rn

Der Gesamtwiderstand von n parallel geschalteten Widerständen ist:

Rges = 11R1

+ 1R2

+...+ 1Rn

Parallelschaltung von Widerständen

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2.2. Widerstandsnetzwerke

Sonderfall: Parallelschaltung zweier Widerstände

R1 R2

Rges =1

1R1

+ 1R2

=1

R2

R1·R2+ R1

R1·R2

Der Gesamtwiderstand von zwei parallel geschal-teten Widerständen ist:

Rges = R1·R2

R1+R2

2.2.3. Stern-Dreieck-Umwandlung

Hat man eine Dreieckschaltung innerahlb einer gröÿeren Schaltung, so steht man vordem Problem, dass man keine reinen Parallel- oder Reihenschaltungen identizierenkann. Um dennoch den Gesamtwiderstand der Schaltung berechnen zu können, lässtsich eine Sternschaltung nden, die sich bezüglich der drei Anschlussklemmen exaktgleich verhält.

R23R31

R12

21

3

R1→2 =R12 · (R31 +R23)

R12 +R23 +R31

R2→3 =R23 · (R12 +R31)

R12 +R23 +R31

R3→1 =R31 · (R23 +R12)

R12 +R23 +R31

21

3

R1 R2

R3

R1→2 = R1 +R2

R2→3 = R2 +R3

R3→1 = R3 +R1

Da sich beide Schaltungen identisch verhalten sollen, müssen die Widerstandswertezwischen den Klemmen jeweils identisch sein.

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2. Gleichstromschaltungen

⇒ R12 · (R31 +R23)

R12 +R23 +R31

= R1 +R2

R23 · (R12 +R31)

R12 +R23 +R31

= R2 +R3

R31 · (R23 +R12)

R12 +R23 +R31

= R3 +R1

→ 3 Gleichungen, 3 UnbekannteDas Problem lässt sich also mathematisch lösen. Da die Rechnung jedoch ein Reihetrivialer Umformungsschritte erfordert, sei hier nur das Ergebnis gegeben:

Fall 1:R12, R23, R31 bekannt,R1, R2, R3 gesucht.

R1 =R12 ·R31

R12 +R23 +R31

R2 =R23 ·R12

R12 +R23 +R31

R3 =R31 ·R23

R12 +R23 +R31

Fall 2:R1, R2, R3 bekannt,R12, R23, R31 gesucht.

R12 = R1 +R2 +R1R2

R3

R23 = R2 +R3 +R2R3

R1

R31 = R3 +R1 +R3R1

R2

Sonderfall: Symmetrische Netzwerke

R12 = R23 = R31 = R∆, bzw. R1 = R2 = R3 = RY.

R∆R∆

R∆

21

3

21

3

RY

RYRY

R∆ = 3RY

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2.3. Spannungsteiler

2.3. Spannungsteiler

R1

R2

Rn Un

I

U

U und die Werte aller Widerstände seien bekannt.

Un ist gesucht.

Lösung:

I =U

R1 +R2 + ...+Rn

Un = Rn · In

Spannungsteiler: Un = U RnR1+R2+...+Rn

.

Achtung! Diese Gleichung ist nur gültig, wenn durch alle Widerstände der selbeStrom ieÿt!

Spannungsteiler

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2. Gleichstromschaltungen

Sonderfall: Spannungsteiler mit zwei Widerständen

R1

R2

U

U2 = U R2

R1+R2

U1 = U R1

R1+R2

2.4. Stromteiler

R1 Rn

I1 I2 In

R2 ...

I

U

I und die Werte aller Widerstände seien be-kannt.

In ist gesucht.

Lösung:

I = I1 + I2 + ...+ In

U = Rtot · I=

I1R1

+ 1R2

+ ...+ 1Rn

In =U

Rn

Stromteiler: In = IRnR1

+RnR2

+...+RnRn

.

Sonderfall: Stromteiler mit zwei Widerständen

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2.4. Stromteiler

I2 = I R1

R1+R2

I

R1 R2

I1 = I R2

R1+R2

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2. Gleichstromschaltungen

2.4.1. Stromteiler mit Leitwerten

Ein Leitwert ist das selbe Bauelement wie ein Widerstand, nur ist sein Wert überden Kehrwert deniert:

G = 1R

Widerstand Leitwert

R

Beispiele:

10 Ω = 0, 1 S (S = Siemens)

100 Ω = 0, 01 S

1 Ω = 1 S

0, 1 Ω = 10 S

G1 Gn

I1 I2 In

G2 ...

I

U

I und die Werte aller Leitwerte seien be-kannt.

In ist gesucht.

Lösung:

Rges =1

1R1

+ 1R2

+ ...+ 1Rn

=1

G1 +G2 + ...+Gn

⇒ Gges = G1 +G2 + ...+Gn

I = U ·Gges =InGn

·Gges

Stromteiler: In = I GnG1+G2+...+Gn

.

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2.5. Messung von Spannung und Strom

2.5. Messung von Spannung und Strom

2.5.1. Idealer und realer Spannungsmesser

Um

I = 0

V

Ein idealer Spannungsmesser misst den Spannungsabfall Um

zwischen seinen Anschlussklemmen. Durch das Messgerätieÿt kein Strom; sein Innenwiderstand ist unendlich groÿ,es verhält sich wie ein Leerlauf.

Durch einen realen Spannungsmesser ieÿtjedoch ein Strom. Sein Innenwiderstandliegt im kΩ-Bereich bei Zeigerinstrumentenund im MΩ-Bereich bei digitalen Messgerä-ten.

Ein Spannungsmesser wird parallel zu demBauelement geschaltet, an dem man denSpannungsabfall messen möchte.

Um

I = 0

RV

ideal

V

Ersatzschaltbild eines realenSpannungsmessers

2.5.2. Idealer und realer Strommesser

U = 0

Im

AEin idealer Strommesser verhält sich wie ein Kurzschluss undmisst den Strom Im, der durch das Gerät ieÿt.

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2. Gleichstromschaltungen

An einem realen Strommesser fällt jedocheine Spannung ab. Sein Innenwiderstandliegt im mΩ bis Ω-Bereich.

Ein Strommesser wird in Reihe zu demBauelement geschaltet, dessen Strom ge-messen werden soll.

U = 0

Im

RA

A

Ersatzschaltbild eines realenStrommessers

Ideale und reale Messgeräte

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2.6. Messen von Widerständen

2.6. Messen von Widerständen

Ein Widerstandswert ist durch das Ohmsche Gesetz deniert: R = UI. Mit idealen

Spannungs- und Strommessern könnte man die Spannung und den Strom am Wider-stand gleichzeitig messen:

Im

Um Rx = Um

ImV

A

Leider gibt es keine idealen Messgeräte.

2.6.1. Fall 1: Stromrichtige Messschaltung

Schlieÿt man das Amperemeter direkt in Reihe zu Rx, so entspricht der Messwert Im

dem gesuchten Strom Ix. Das Voltmeter misst jedoch nicht nur den gesuchten Span-nungsabfall Ux, sondern nach dem Kirchhoschen Maschensatz zusätzlich den Span-nungsabfall am Amperemeter (also an dessen Innenwiderstand RA). Laut Maschensatzergibt sich Ux = Um − Im ·RA.

UmRV

ImRA

Rx

Ix

Ux

Im ·RA

V

A

Mit diesen Überlegungen berechnet sich der Wert des Widerstands Rx wie folgt:

Rx =UxIx

=Um − Im ·RA

Im

Die stromrichtige Messschaltung ist besonders gut geeignet, um groÿe Werte von Rx zubestimmen. Gilt Rx RA, so kann der Spannungsabfall am Amperemeter gegenüberUx vernachlässigt werden.

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2. Gleichstromschaltungen

2.6.2. Fall 2: Spannungsrichtige Messschaltung

Schlieÿt man das Voltmeter direkt parallel zu Rx, so wird der Spannungsabfall Uxkorrekt gemessen. Das Amperemeter misst jedoch nicht nur den gesuchten Strom Ix,sondern auch den Stromuss durch das Voltmeter Um/RV. Der gesuchte Strom Ixberechnet sich mit Hilfe des Kirchhoschen Knotensatzes:

Ix = Im −Um

RV

.

Ix

Rx UxRV

ImRA

Um

Um

RV

V

A

Rx =UxIx

=Um

Im − Um

RV

Die spannungsrichtige Messschaltung ist besonders gut geeignet, um kleine Widerstän-de Rx zu vermessen. Gilt Rx RV, so kann der Stromuss durch das Voltmetergegenüber Ix vernachlässigt werden.

Strom- und spannungsrichtiges Messen

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2.7. Wheatstonebrücke

2.7. Wheatstonebrücke

Die Wheatstonebrücke ermöglicht eine sehr exakte Bestimmung von unbekannten Wi-derstandswerten. Die Schaltung besteht aus zwei voneinander unabhängigen Span-nungsteilern. Der erste besteht aus der Reihenschaltung eines bekanntenWiderstandsRN

und dem unbekannten Widerstand Rx. Der zweite Spannungsteiler wird in Form einesPotentiometers ausgeführt. Hierbei handelt es sich um einen Widerstand, der einendritten Anschluss besitzt, welcher mit einem Schleifdraht verbunden ist. Dieser Schleif-draht berührt den Widerstandskörper an einer Stelle und kann frei eintlang dessenLänge verschoben werden. Auf diese Weise erhält man einen frei einstellbaren Span-nungsteiler.Um den Wert von Rx zu bestimmen, stellt man das Potentiometer so ein, dass derSpannungsabfall am Brückenzweig U = 0 wird. Man nennt die Brücke dann abgegli-chen.

R pR

(1− p)RU0

RN

Rx

U

drahtSchleif- Potentiometer

RN : bekannter Vergleichswiderstand

Rx : unbekannter Widerstand

R : Potentiometer

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2. Gleichstromschaltungen

RN

U0

RxURx UpR

U

(1− p)R

pR

Die Wheatstonebrücke besitztdie gröÿte Genauigkeit, wennsie bei p = 1

2abgeglichen ist.

Darum sollte der Vergleichs-widerstand ungefähr so groÿsein, wie der unbekannte Wi-derstand: RN ≈ Rx.

Für den allgemeinen (nicht abgeglichenen) Fall be-rechnet sich die Brückenspannung U wie folgt:

Maschensatz : U = URx − UpR= U0

Rx

RN +Rx

− U0pR

pR + (1− p)R

= U0

(Rx

RN +Rx

− p)

= 0 → abgeglichen

⇒ Rx

RN +Rx

= p

RN +Rx

Rx

=1

pRN

Rx

+ 1 =1

pRN

Rx

=1

p− 1

RN

Rx

=1− pp

⇒ Rx = RNp

1− p

Eine Wheatstonebrücke ist abgeglichen, wenn die folgende Beziehung gilt:

R1

R2

=R3

R4

.

U0

I

U

R1

R2 R4

R3

R

Ist die Brücke abgeglichen, so gilt sowohl U = 0 als auch I = 0.

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2.7. Wheatstonebrücke

Wichtige Folgerung: Bei einer abgeglichenen Brücke existiert kein Spannungsabfallim Brückenzweig (per Denition) und somit ieÿt dort auch kein Strom. Dies bedeutet,dass ein passives Bauelement im Brückenzweig keinerlei Einuss auf den Rest derSchaltung besitzt. In einer abgeglichenen Brückenschaltung kann ein Widerstand imBrückenzweig also sogar durch einen Leerlauf oder einen Kurzschluss ersetzt werden!

U0

I = 0

U = 0

R

2R 8R

4R

Leerlauf

U0

I = 0

U = 0

R

2R 8R

4R

Kurzschluss

Wheatstonebrücke Teil 1 - Berechnung der Brückenspannung

Wheatstonebrücke Teil 2 - Widerstandsbestimmung

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2. Gleichstromschaltungen

Wheatstonebrücke Teil 3 - Wahl des Normwiderstands

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2.8. Ideale und reale Quellen

2.8. Ideale und reale Quellen

2.8.1. Ideale Quellen

Ideale Quellen gibt es nicht. (Genausowenig wie reine Ohmsche Widerstände, idealeSpulen oder Kondensatoren). Sie sind jedoch ein hilfreiches Modell für die Schaltungs-analyse. Reales Verhalten von Bauelementen lässt sich durch Ersatzschaltbilder nach-bilden, die wiederum aus idealen Bauelementen bestehen. (Eine Übersicht über die fünfidealen Bauelemente nden Sie in Anhang A.)

Ideale Spannungsquelle

Eine ideale Spannungsquelle erzeugt immer einen denierten Spannungsabfall zwi-schen ihren Anschlussklemmen. Der ieÿende Strom wird durch den Widerstand derangeschlossenen Schaltung bestimmt.

I

U0

U0

U

I

Hinweis: Eine ideale Spannungsquelle gibt es nicht, sie ist nur ein idealisiertes Modell.Dieses Modell hat eine Grenze: Es ergibt keinen Sinn, eine ideale Spannungsquelle kurz-zuschlieÿen. Der Spannungsabfall an einer idealen Spannungsquelle ist immer gegeben,der Spannungsabfall eines idealen Kurzschlusses ist Null. Hier widersprechen sich dieidealen Annahmen von Quelle und Kurzschluss!

Ideale Stromquelle

Eine ideale Stromquelle erzeugt einen denierten Stromuss zwischen ihren Anschluss-klemmen.

Ik

U

I

U

Ik

Hinweis: Auch das Modell der idealen Stromquelle hat seine Grenze: Sie können sienicht leerlaufen lassen, denn bei einem Leerlauf ieÿt kein Strom.

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2. Gleichstromschaltungen

2.8.2. Reale Quellen

Wir haben bereits eingesehen, dass es ideale Quellen nicht geben kann. Das Verhaltenechter Quellen (wie Batterien oder Generatoren) lässt sich jedoch (in guter Näherung)durch das Modell der realen Spannungsquelle oder realen Stromquelle beschreiben.

Reale Spannungsquelle

RLU

IRi

U0

Ik I

U0

U

Ri · I

Eine reale Spannungsquelle besteht aus eineridealen Spannungsquelle U0 mit in Reihe ge-schaltetem Innenwiderstand Ri. Schlieÿt mannun einen Lastwiderstand RL an die Klemmender Quelle an, ieÿt ein Strom, der einen Span-nungsabfall am Innenwiderstand zur Folge hat.Die Ausgangsspannung der realen Spannungs-quelle ist also

U = U0 −Ri · I.

Hierbei handelt es sich um eine Geradenglei-chung, wie sie links unten dargestellt ist. DieSchnittpunkte mit den Achsen nennen wir Leer-laufspannung (es ieÿt kein Stom aus der Quel-le) und Kurzschlussstrom (der Spannungsabfallzwischen den Klemmen ist Null→ die Klemmensind kurzgeschlossen).

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2.8. Ideale und reale Quellen

Reale Stromquelle

RLU

I

Ri

Ik

UU0

Ik

I

URi

Eine reale Stromquelle besteht aus einer idea-len Stromquelle Ik mit parallel geschaltetemInnenwiderstand Ri. Schlieÿt man nun einenLastwiderstand RL an die Klemmen der Quel-le an, ieÿt ein Strom, der einen Spannungs-abfall am Lastwiderstand und am Innenwider-stand zur Folge hat. Ein Teil des Stroms deridealen Stromquelle ieÿt also durch den In-nenwiderstand. Der Ausgangsstrom der realenStromquelle ist also

I = Ik −U

Ri

.

Hierbei handelt es sich wieder um eine Gera-dengleichung, wie sie links unten dargestellt ist.Die Schnittpunkte mit den Achsen nennen wirerneut Kurzschlussstrom (der Spannungsabfallzwischen den Klemmen ist Null→ die Klemmensind kurzgeschlossen) und Leerlaufspannung (esieÿt kein Stom aus der Quelle) .

Ideale und reale Spannungsquellen

Ideale und reale Stromquellen

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2. Gleichstromschaltungen

Beispiele

Reale Spannungsquelle Gegeben sei eine reale Spannungsquelle mit der Leerlauf-spannung U0 = 10 V und dem Innenwiderstand Ri = 2 Ω. An diese Quelle werden nach-einander verschiedene Lastwiderstände RL angeschlossen. Wir berechnen die Klemmen-spannung U mit Hilfe des Spannungsteilers und den Strom I mit Hilfe des OhmschenGesetzes:

1 2 3 4 5 I/A

246810

U/V

RLU

IRi

U0

RL U = U0RL

Ri+RLI = U0

Ri+RL

∞ 10V 0

8Ω 8V 1A

3Ω 6V 2A

43

Ω 4V 3A

12

Ω 2V 4A

0Ω 0V 5A

Reale Stromquelle Gegeben sein eine reale Stromquelle mit dem Kurzschlussstrom Ik = 5 Aund dem Innenwiderstand Ri = 2 Ω. An diese Quelle werden nacheinander verschiedeneLastwiderstände RL angeschlossen. Wir berechnen die Klemmenspannung U mit Hilfedes Ohmschen Gesetzes und den Strom I mit Hilfe des Stromteilers:

2 4 6 8 10

21

345

I/A

U/V

RLU

I

Ri

Ik RL U = IkRL·Ri

Ri+RLI = Ik

Ri

Ri+RL

∞ 10V 0

8Ω 8V 1A

3Ω 6V 2A

43

Ω 4V 3A

12

Ω 2V 4A

0Ω 0V 5A

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2.8. Ideale und reale Quellen

reale Spannungs- und Stromquelle

2.8.3. Quellenumwandlung

Wie man den den vorangegangenen Beispielen erkennen kann, ist das Verhalten einerrealen Spannungs- und einer realen Stromquelle absolut identisch! Darum lassen sichdie Schaltungen auch einfach ineinander umwandeln:

U0

Ri

Ri

Ik

Ik = U0

Ri

U0 = Ik ·Ri

• Der Innenwiderstand bleibt gleich,

• der Zählpfeil an der Quelle ändert seine Richtung,

• der Wert der neuen Quelle errechnet sich mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes.

Quellenumwandlung

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2. Gleichstromschaltungen

Beispiel

Durch schrittweise Quellenumformung möchten wir das folgende Netzwerk in eine realeSpannungsquelle umwandeln.

R2U

R2

R3

R3R1

R1

U · R2

R1+R2

UR1

R1·R2

R1+R2R3

R1·R2

R1+R2+R3

R1·R2

R1+R2

UR1· R1·R2

R1+R2

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2.9. Arbeitspunkt

Ersatzspannungsquelle

2.9. Arbeitspunkt

Eine reale Quelle besitzt eine Kennlinie, die auf den Achsen durch die Punkte derLeerlaufspannung und des Kurzschlussstroms begrenzt wird. Die Kennlinie eines Ohm-schen Widerstandes geht durch den Ursprung und gehorcht dem Ohmschen Gesetz.Wie in der unten dargestellten Grak zu sehen ist, schneiden sich diese Kennlinien ineinem einzigen Punkt. Dieser wird als Arbeitspunkt bezeichnet, an den Achsen lässtsich ablesen, welche Werte Strom und Spannung an den Klemmen einnehmen.

Ri

U0

I I

UU

U0

Spannung

U = U0 −Ri · I

U = R · IArbeitspunktU

I

R

StromU0

Ri

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2. Gleichstromschaltungen

Arbeitspunkt einer realen Spannungsquelle

Arbeitspunkt an nichtlinearen Bauteilen

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2.10. Überlagerungssatz

2.10. Überlagerungssatz

Die Ströme und Spannungen innerhalb einer Schaltung, die mehrere Quellen beinhaltet,lassen sich mit Hilfe des Überlagerungssatzes bestimmen. Hierbei werden nacheinanderalle Quellen bis auf eine deaktiviert und alle Ströme und Spannungen in der verblei-benden Schaltung berechnet. Dies wiederholt man solange, bis jede Quelle einmal aktivwar. Die Ströme und Spannungen in der Schaltung berechnen sich nun als die Summeder Einzelergebnisse.

• Eine deaktivierte Spannungsquelle wird zu einem Kurzschluss und

• eine deaktivierte Stromquelle wird zu einem Leerlauf.(Eselsbrücke: Lass den Kreis der Quelle weg!)

U

U ′1

I ′1I ′2

U ′′1

I ′′1I ′′2

I

U

U ′1 + U ′′1

I ′1 + I ′′1I ′2 + I ′′2

I

U

U1

I1I2

I

U2

U ′2 U ′′2

U ′2 + U ′′2

Stromquelle

deaktivierte deaktivierte

Spannungsquelle

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2. Gleichstromschaltungen

2.11. Ersatzspannungs- und Ersatzstromquelle

Jede lineare Schaltung mit zwei Anschlussklemmen lässt sich auf eine reale Spannungs-quelle bzw. eine reale Stromquelle reduzieren, die bezüglich der Klemmen das selbeVerhalten aufweist:

Ersatzspannungsquelle:Ri

U0

Ersatzstromquelle:

Ri

Ik

• U0 ist die Leerlaufspannung der ursprünglichen Schaltung.

• Ik ist der Kurzschlussstrom der ursprünglichen Schaltung.

• Ri ist der Innenwiderstand der Schaltung, den man zwischen den Klemmen misst,wenn alle internen Quellen dealtiviert sind. (→ Spannungsquellen werden durchKurzschlüsse und Stromquellen durch Leerläufe ersetzt.)

2.11.1. Beispiel

Wir möchten die folgende Schaltung durch eine Ersatzspannungsquelle ersetzen (sieheauch Beispiel 2.8.3):

U

R1 R3

R2

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2.11. Ersatzspannungs- und Ersatzstromquelle

Schritt 1: Berechnung der Leerlaufspannung U0:

U

R1 R3

R2 U0 = U · R2

R1+R2

Schritt 2: Bestimmung des Innenwiderstandes:R1 R3

R2 Ri = R3 + R1·R2

R1+R2deaktivierteSpannungs-quelle

Ergebnis:

Ri

U0

mit U0 = U · R2

R1+R2

und Ri = R3 + R1·R2

R1+R2.

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2. Gleichstromschaltungen

2.12. Leistungsanpassung

Welche maximale Leistung kann man einer gegebenen Quelle entnehmen?

Wie in Abschnitt 2.9 gezeigt wurde, lässt sich der Arbeitspunkt einer realen Quelle mitOhmschen Lastwiderstand auf graschem Wege bestimmen. Die Quelle gibt die Leis-tung P = U · I ab, was grasch der Fläche entspricht, die von den Koordinatenachsenund dem Arbeitspunkt aufgespannt wird. Wie man leicht sieht, nimmt diese Flächeihre maximale Gröÿe ein, wenn U = U0/2 und I = Ik/2.

RLU

IRi

U0

IIk

U

U0

RL,opt

RL < RL,opt

Ik2

U0

2

RL > RL,opt

RL,opt =U0/2

Ik/2=U0

Ik

= Ri

Eine gegebene reale Quelle gibt die maximale Leistung ab, wenn derLastwiderstand so groÿ ist wie der Innenwiderstand der Quelle: RL = Ri.

Die maximale Ausgangsleistung ist Pmax = (U0/2)2

RL,opt=

U20

4Ri.

Leistungsanpassung

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2.12. Leistungsanpassung

Beispielaufgabe: Leistungsanpassung

Herleitung: Über den Strom I im Lastwiderstand RL lässt die aufgenommene Leis-tung in ihm berechnen.

I =U0

Ri +RL

P = I2 ·RL = U20 ·

RL

(Ri +RL)2

Nun suchen wir jenen Wert von R, bei dem P maximal wird. Wir suchen ale denExtremwert der Funktion, wofür wir sie ableiten und die Ableitung gleich Null setzen.

[Ableitungsregel :

(uv

)′=

u′v − uv′v2

]

dP

dRL

= U20 ·

(Ri +RL)2 −RL · 2(Ri +RL)

(Ri +RL)4

!= 0

→ (Ri +RL)2 = RL · 2(Ri +RL)

R2i + 2RiRL +R2

L = 2RiRL + 2R2L

R2i = R2

L

⇒ Ri = RL

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2. Gleichstromschaltungen

2.13. Knotenpotentialverfahren

Der schriftliche Teil zum Knotenpotentialverfahren steht noch aus, aber die Youtube-Videos sind schon fertig:

Knotenpotentialverfahren - Schaltung berechnen, ohne nachzudenken

Knotenpotentialverfahren - ideale Spannungsquellen

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3. Transiente Eekte(Einschwingvorgänge)

3.1. Ströme und Spannungen an Spulen undKondensatoren

Im Folgenden werden wir zwei weitere ideale Bauelemente einführen: Den Kondensatormit der Kapazität C und die Spule mit der Induktivität L. Zusammen mit dem Wider-stand und mit der idealen Spannungs- und Stromquelle kennen wir dann alle idealenlinearen Bauelemente der Elektrotechnik.

Strom und Spannung am Kondensator

Strom und Spannung an der Spule

3.1.1. Der Kondensator

Ein Kondensator besteht aus zwei voneinander isolierten elektrisch leitfähigen Platten.Da die Platten voneinander isoliert sind, kann kein Gleichstom durch das Bauelementieÿen.Wir stellen uns nun einen ungeladenen Kondensator vor. Ein Strom beginnt zu ie-ÿen und befördert positive Ladungen auf die obere Kondensatorplatte. Diese positiven

51

3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Ladungen stoÿen gleichartige Ladungen von der unteren Platte ab, welche durch denunteren Anschluss abieÿen. Zurück bleibt eine negativ geladene untere Platte. Durchdie gegensätzlichen Ladungen entsteht ein elektrisches Feld zwischen den Platten, wel-ches einen Spannungsabfall zur Folge hat.

U

I

I

Der Spannungsabfall U am Kondensator mit der Kapazität C wird durch die Ladungs-menge Q auf seinen Platten bestimmt:

U =Q

C

Leiten wir diese Funktion nach der Zeit ab, erhalten wir

du(t)

dt=

1

C· dq(t)

dt

Die zeitlich Ableitung der Ladung (also die Änderung der Ladungsmenge auf den Kon-densatorplatten) entspricht dem elektrischen Strom, der in den Kondensator hineinoder herausieÿt. Wir erhalten so die

Bauelementgleichung des Kondensators:

uC(t) C

iC(t) = C duC(t)dt

Eine wichtige Konsequenz aus dem Zusammenhang von Strom und Spannung amKondensator ist, dass sich die Spannung nicht sprunghaft ändern kann! Denn damit sichdie Spannung ändert, muss zunächst ein Strom ieÿen, damit sich die Ladungsmengeauf den Platten ändert. Man sagt auch: Die Spannung am Kondensator ist stetig.

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3.1. Ströme und Spannungen an Spulen und Kondensatoren

Der Kondensator im Gleichstomkreis

In einem eingeschwungenen Gleichstromkreis sind alle Ströme und Spannungen kon-stant, somit auch die Spannung an einem Kondensator. Dies bedeutet, dass die zeitlicheAbleitung duC(t)/ dt Null ist, und damit kein Strom durch den Kondensator ieÿt. Diesist nicht weiter verwunderlich, denn der Kondensator besteht ja aus zwei voneinanderisolierten Platten.Der Kondensator verhält sich im eingeschwungenen Gleichstromnetzwerkwie ein Leerlauf.

3.1.2. Die Spule

Eine Spule besteht im einfachsten Fall aus einem aufgewickelten Draht. Legt man nuneine Spannung an die Spule, so beginnt ein Strom zu ieÿen. Ein Stromuss hat jedochimmer ein magnetisches Feld zur Folge (man erinnere sich an die Rechte-Hand-Regel:Der Daumen zeigt in die Richtung des Stromes, die Finger in Richtung der magne-tischen Feldlinien). Gemäÿ der Lenzschen Regel wirkt ein sich änderndes Magnetfeldseiner Ursache entgegen. Sie bewirkt, dass der Stromuss verzögert wird.

U

I

~H

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Flieÿt ein Gleichstrom durch eine (ideale) Spule, fällt keine Spannung an ihr ab, siewirkt wie ein Kurzschluss. Erst wenn sich der Strom (also die Ursache des magnetischenFeldes) ändert, kommt es zum Spannungsabfall. Mit Hilfe dieser Überlegungen erhaltenwir die

Bauelementgleichung der Spule:

L uL(t) = L diL(t)dt

iL(t)

Die Spule im Gleichstomkreis

In einem eingeschwungenen Gleichstromkreis ieÿt ein konstanter Gleichstrom durchdie Spule. Der Spannungsabfall ist also Null.Die Spule verhält sich im eingeschwungenen Gleichstromnetzwerk wie einKurzschluss.

3.2. Einschwingvorgänge

Bislang haben wir nur den sogenannten eingeschwungenen Zustand einer Schaltungbetrachtet. Dies bedeutet, dass alle vorkommenden Gleichspannungen und -ströme ih-ren Wert nicht ändern. Nun haben wir jedoch kennengelernt, dass sich weder die Span-nung an einem Kondensator noch der Stromuss durch eine Spule sprunghaft ändernkann.Was passiert nun in einer Schaltung, direkt nachdem sie mit ihrer Versorgungsspan-

nung verbunden wird? Wir gehen davon aus, dass alle Ströme und Spannungen imausgeschalteten Zustand Null waren. Wenn wir nun die Schaltung in Betrieb nehmenund lange genug warten, stellt sich der eingeschwungene Zustand ein; alle Konden-satoren verhalten sich wie Leerläufe (es kann also eine konstante Spannung an ihnenabfallen) und alle Spulen wie Kurzschlüsse (es kann ein konstanter Strom durch sieieÿen).In der Zwischenzeit muss etwas passieren, was wir bislang nicht kennen. Denn weder

die Spannungen an den Kondensatoren noch die Ströme durch die Spulen können sichsprunghaft von Null auf ihren nalen Wert ändern.Wir betrachten drei Beispiele.

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3.2. Einschwingvorgänge

3.2.1. Beispiel 1: Entladevorgang eines Kondensators

• Ein Kondensator mit der Kapazität C sei auf die Spannung U0 geladen.

• Zum Zeitpunkt t0 wird er mit einem Widerstand R verbunden.

• Nun wird ein Strom ieÿen und der Kondensator wird sich mit der Zeit vollständigentladen.

Wir möchten nun den genauen zeitlichen Verlauf der Kondensatorspannung u(t) be-rechnen.

t = t0

C Ru(t)

Wir analysieren die Schaltung, bevor und nachdem wir den Schalter geschlossen haben.

Vor dem Schlieÿen des Schalters ist die Kondensatorspannung konstant und es ieÿtkein Strom:

u(t ≤ t0) = U0.

Nach dem Schlieÿen des Schalters sieht der Stromkreis folgendermaÿen aus:

C Ru(t)

i(t)

Wir benötigen die Bauelementgleichungen des Kondensators und des Widerstands. Beidem Kondensator müssen wir beachten, dass er entladen wird. Strom und Spannungzeigen in entgegengesetzte Richtungen (Erzeugerzählpfeilsystem!). Wie in Abschnitt 1.5auf Seite 13 erläutert wurde, müssen wir in die Gleichung des Kondensators ein nega-tives Vorzeichen einfügen.

i(t) = −C du(t)

dtu(t) = R · i(t)

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Diese Gleichungen können wir ineinander einsetzen und umstellen:

u(t) = R ·(−C du(t)

dt

)

→ RC · du(t)

dt+ u(t) = 0

In dieser Gleichung steht nicht nur unsere gesuchte Funktion u(t), sondern auch derenzeitlich Ableitung. Wir nennen eine solche Gleichung lineare homogene Dierential-gleichung 1. Ordnung.1

Eine lineare homogene Dierentialgleichung 1. Ordnung der Form

τ · dx(t)

dt+ x(t) = const

besitzt die Lösungx(t) = k1 + k2 · e−

t−t0τ .

Einschwingvorgang Teil 1, Aufstellen der Dierentialgleichung

In unserem Beispiel ist die Zeitkonstante τ = R · C. Für den gesuchten zeitlichenVerlauf der Spannung ergibt sich also

u(t) = k1 + k2 · e−t−t0R·C .

1Linear, weil keine quadratischen Terme, e-Funktionen o.Ä. vorhanden sind. Homogen, weil aufder rechten Seite des Gleichheitsszeiches eine Konstante steht. Dierentialgleichung, weil auchAbleitungen (also Dierentiale) auftauchen. 1. Ordnung, weil nur die erste Ableitung vorhandenist.

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3.2. Einschwingvorgänge

Die noch unbekannten Konstanten k1 und k2 erhalten wir mit Hilfe der sogenanntenRandbedingungen. Wir setzten die Werte t → ∞ und t = t0 in die Lösungsgleichungein und überlegen uns, welche Werte u(t) zu diesen Zeitpunkten besitzt:

u(t→∞) = k1 + k2 e−∞ = k1 = 0

(Bei t→∞ ist der Kondensator vollständig entladen.)

u(t = t0) = k1 + k2 e0 = k1 + k2 = U0

→ k2 = U0

⇒ u(t) = U0 e−t−t0RC

Einschwingvorgang Teil 2, Lösen der Dierentialgleichung

Nun zeichnen wir den Spannungsverlauf. Bevor der Schalter geschlossen wurde, istdie Kondensatorspannung konstant U0. Danach nimmt sie exponentiell ab. Der Wertder Zeitkonstanten τ bestimmt die Anfangssteigung der e-Funktion.

t0 t0 + τ

U0

u(t)

t

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Einschwingvorgang Teil 3, Zeichnen des Spannungsverlaufs

3.2.2. Beispiel 2: Auadevorgang eines Kondensators

Wir betrachten die unten stehende Schaltung.

• Der Kondensator C ist zunächst auf die Spannung uC(t ≤ t0) = U0

2geladen.

• Der Schalter wird zum Zeitpunkt t = t0 geschlossen.

R

uC(t)CU0

t = t0

Wir möchten den Spannungsverlauf uC(t) am Kondensator berechnen.Hierfür betrachten wir die Schaltung nach dem Schlieÿen des Schalters:

R

uC(t)CU0

i(t)

uR(t)

In dieser Schaltung sind drei Gröÿen unbekannt: i(t), uR(t) und uC(t). Wir benötigenalso drei Gleichungen, um die Aufgabe zu lösen.

Bauelementgleichungen : uR(t) = R · i(t)

i(t) = C · duC(t)

dtMaschensatz : uR(t) + uC(t) = U0

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3.2. Einschwingvorgänge

Setzen wir diese drei Gleichungen ineinander ein, erhalten wir direkt die gesuchte Dif-ferentialgleichung:

RC · duC(t)

dt+ uC(t) = U0

Die Lösung dieser Gleichung ist

uC(t) = k1 + k2 e−t−t0RC .

Über die Randbedingungen erhalten wir k1 und k2:

uC(t→∞) = k1 = U0

uC(t = t0) = k1 + k2 =U0

2

→ k2 = −U0

2

Somit ist der zeitliche Verlauf der Kondensatorspannung

uC(t) = U0 −U0

2e−

t−t0RC .

t0

uC(t)

t

U0

U0

2

t0 + τ

3.2.3. Beispiel 3: Auadevorgang einer Spule

In der folgenden Schaltung wird der Schalter zum Zeitpunkt t = t0 geschlossen:

R

U0

t = t0

L

i(t)

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Wir möchten den zeitlichen Verlauf des Stromes i(t) berechnen. Nach dem Schlieÿendes Schalters sieht die Schaltung folgendermaÿen aus:

R

U0

uR(t)

L uL(t)

i(t)

Bauelementgleichungen : uR(t) = R · i(t)

uL(t) = L · di(t)

dtMaschensatz : uR(t) + uL(t) = U0

→ R · i(t) + Ldi(t)

dt= U0

→ L

R· di(t)

dt+ i(t) =

U0

R

⇒ i(t) = k1 + k2 e−t−t0L/R

i(t→∞) = k1 =U0

Ri(t = t0) = k1 + k2 = 0

→ k2 = −U0

R

⇒ i(t) =U0

R− U0

Re−

t−t0L/R

t0

i(t)

t

U0

R

t0 + τ

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3.3. Direkte Bestimmung der Zeitkonstante τ

3.3. Direkte Bestimmung der Zeitkonstante τ

Mit dem eben vorgestellten Verfahren lassen sich Einschwingvorgänge in Gleichstrom-schaltungen berechnen, die nur einen Kondensator oder eine Spule beinhalten. Wirwerden immer zu der Dierentialgleichung

τ · dx(t)

dt+ x(t) = const

mit der Lösung

x(t) = k1 + k2 · e−t−t0τ

gelangen, wobei x(t) entweder für die Kondensatorspannung oder den Spulenstromsteht. Das Aufstellen der Dierentialgleichung bereitet die meiste Mühe und wird nurbenötigt, um die Zeitkonstante τ zu gewinnen. Wir können uns eine Menge Arbeitsparen und τ direkt aus der Schaltung ablesen. Dies wird an einem Beispiel verdeutlicht.

In der folgenden Schaltung wird der Schalter zum Zeitpunkt t = t0 geschlossen.

Ri

R C

U0

t = t0

uRC(t)

Wir möchten die Dierentialgleichung aufstellen, deren Lösung uRC liefert, um dieZeitkonstante τ zu bestimmen. Hierfür betrachten wir die Schaltung nach Schlieÿendes Schalters:

R C

U0

RiuRi(t)

i(t)

iR(t) iC(t)

uRC(t)

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Knotensatz : i(t) = iR(t) + iC(t)

Maschensatz : U0 = uRi(t) + uRC(t)

Bauelemente : uRi(t) = Ri · i(t)

uRC(t) = R · iR(t)

iC(t) = CduRC(t)

dt

Bestimmung der Dierentialgleichung durch inneinander Einsetzen der Gleichungen:

Knotensatz mit Bauelementgleichungen :uRi

(t)

Ri

=uRC(t)

R+ C

duRC(t)

dt

uRi(t) mit Maschensatz ersetzen :

U0 − uRC(t)

Ri

=uRC(t)

R+ C

duRC(t)

dt

Term umsortieren :U0

Ri

= uRC(t)

(1

R+

1

Ri

)+ C

duRC(t)

dt

⇒ C1R

+ 1Ri︸ ︷︷ ︸

· duRC(t)

dt+ uRC(t) =

U0

R1

(1R

+ 1Ri

)

Die lange Rechnung brachte uns zu dem Ergebnis, dass

τ = C · 11R

+ 1Ri

= C · (R||Ri).

Das können wir auch direkt aus der Schaltung ablesen. Hierfür deaktivieren wir alleQuellen und berechnen den Gesamtwiderstand Rges der Schaltung aus Sicht des Kon-

densators :

Ri

R C

Rges = Ri||R

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3.3. Direkte Bestimmung der Zeitkonstante τ

Um die Zeitkonstante τ direkt zu erhalten, bestimmen wir den Widerstand Rges

der Schaltung aus Sicht des speichernden Bauelements (Kondensator oder Spule).

τ = Rges · C

bzw. τ =L

Rges

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

3.4. Anwendung der Laplacetransformation

Einschwingvorgänge lassen sich, wie zuvor gezeigt, mit Hilfe von Dierentialgleichun-gen (DGL) berechnen. Jedoch erhöht jedes energiespeichernde passive Bauelement (Lbzw. C) die Ordnung der DGL. Bereits eine DGL zweiter Ordnung (die also auch die 2.Ableitung enthält) ist mühsam zu lösen. Gibt es in der betrachteten Schaltung auÿer-dem Quellen, die zeitabhängige Spannungen oder Ströme abgeben, führt dies zu einerinhomogenen DGL.

Wendet man das mathematische Werkzeug der Laplace-Transformation an, lassen sichauch komplizierte Einschwingvorgänge mit geringem Aufwand berechnen. Im Folgen-den wird das Vorgehen kochrezeptartig beschrieben. Ich verzichte auf jede Herleitungoder Erläuterung der mathematischen Zusammenhänge.

Bei der Laplacetransformation handelt es sich um eine rechtsseitige Funktion. Diesbedeutet, dass sie nur für t ≥ 0 Gültigkeit besitzt. Darum legen wir den Momentder Änderung in der Schaltung (Einschalten, Schalter umlegen, o.Ä.) immer auf denZeitpunkt t = 0.

3.4.1. Schritt 1: Umzeichnen der Schaltung in den Bildbereich

Die zu analysierende Schaltung wird im ersten Schritt in den sogenannten Bildbe-reich überführt. Hierfür ersetzen wir jedes Bauelement durch das jeweilige Pendant. InAbb. 3.1 sind die passiven Bauelente im Zeit- und Bildbereich gegenübergestellt. ImBildbereich werden bei L und C auch die Anfangsbedingungen berücksichtigt. Da an Lder Strom stetig ist und an C die Spannung, erhalten wir iL(t = 0) und uC(t = 0),indem wir die Schaltung im Zeitbereich für t < 0 betrachten.Die Quellen werden in den Bildbereich transformiert, indem man die Zeitfunktion ih-

rer Ausgangsspannung bzw. ihres Ausgangsstroms laplacetransformiert, siehe Abb. 3.2.Eine Reihe wichtiger Korrespondenzen nden Sie in Tabelle 3.1. (Die Transformierteeiner Konstanten ist a d t a

s. Darum wird aus einer Gleichspannungsquelle im Bild-

bereich U d t Usund aus einer Gleichstromquelle I d t I

s.)

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3.4. Anwendung der Laplacetransformation

R

iR(t)

uR(t) R

IR(s)

UR(s)

sL

iL(t=0)s

UL(s)

IL(s)iL(t)

uL(t)L

iC(t)

C uC(t)

1sC

uC(t=0)s

IC(s)

UC(s)

Abbildung 3.1.: Transformation der passiven Bauelemente in den Bildbereich

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

u(t) Lu(t)

i(t) Li(t)

Abbildung 3.2.: Transformation der aktiven Bauelemente in den Bildbereich

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3.4. Anwendung der Laplacetransformation

3.4.2. Schritt 2: Berechnung der gesuchten Gröÿe im

Bildbereich

Die gesuchte Gröÿe (meist ein Strom oder eine Spannung) kann nun im Bildbereichberechnet werden.

3.4.3. Schritt 3: Rüchtransformation in den Zeitbereich

Nachdem Sie die gesuchte Gröÿe im Bildbereich gefunden haben, können Sie die Glei-chung zurück in den Zeitbereich transformieren. Nutzen Sie die Tabelle 3.1.

3.4.4. Schwingfall, Kriechfall und aperiodischer Grenzfall

Ein schwingfähiges System kann unterschiedliches Verhalten aufweisen. Denken Sie zumBeispiel an ein Fadenpendel, das in der Luft eine fast ungedämpft schwingt. Tauchenwir das Pendel in eine Flüssigkeit, so wird die Dämpfung gröÿer, das Pendel kommtschneller zum Stillstand. Erhöht man nun die Zähigkeit der Flüssigkeit, so wird dasPendel irgendwann gar nicht mehr schwingen können. Es bewegt sich nur träge durchdie zähe Masse, bis es seinen Ruhepunkt erreicht hat.Die letzte Situation nennt man Kriechfall, es kommt zu keiner Schwingung mehr.Kann das Pendel noch schwingen (wenn auch nur kurz), spricht man vom Schwingfall.Technisch ist oft der aperiodische Grenzfall interessant. Hier kommt es zu keinerSchwingung mehr, aber das Pendel erreicht seine Ruheposition in minimaler Zeit. (EineAnwendung ist ein Verladekran. Hier möchte man nicht, dass die angehobene Last insSchwingen gerät, gleichzeitig möchte man sie aber in minimaler Zeit von Punkt A zuPunkt B bewegen.)

Mathematisch weist die Funktion eines schwingfähigen Systems im Bildbereich einedoppelte Polstelle (also eine doppelte Nullstelle im Nenner) auf. Wir nennen Sie sp1

und sp2. Nun können drei Fälle aufteten:

• sp1 = s∗p2 (sp1 und sp2 sind jeweils die konjugier-komplexe der anderen Polstelle):Schwingfall.

• sp1 und sp2 sind beide reell: Kriechfall.

• sp1 und sp2 sind beide reell und gleich: aperiodischer Grenzfall.

Einschwingvorgang mit Laplace-Transformation berechnen

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Tabelle 3.1.: Korrespondenzen der Laplace-Transformation

Originalfunktion Bildfunktion

δ(t) 1

δ(t− t0) e−t0s

1 oder σ(t)1

s

t1

s2

1

2t2

1

s3

tn

n!

1

sn+1

e−at 1

s+ a

t e−at 1

(s+ a)2

tn

n!e−at 1

(s+ a)n+1

δ(t)− a e−at s

s+ a

1

a

(1− e−at

) 1

s (s+ a)

1

a2(e−at + at− 1

) 1

s2 (s+ a)

(1− at) e−at s

(s+ a)2

1

a2(1− (1 + at) e−at

) 1

s (s+ a)2

1

b− a

(e−at − e−bt

) 1

(s+ a) (s+ b)

1

a− b

(a e−at − b e−bt

) s

(s+ a) (s+ b)

(a− b) + b e−at − a e−bt

a b (a− b)

1

s (s+ a) (s+ b)

t(1− a

2t)e−at s

(s+ a)3

(1− 2 at+

a2

2t2)

e−at s2

(s+ a)3

Originalfunktion Bildfunktion

e−at

(b− a)(c− a)

+e−bt

(a− b)(c− b)

1

(s+ a)(s+ b)(s+ c)

+e−ct

(a− c)(b− c)

−a e−at

(b− a)(c− a)

− b e−bt

(a− b)(c− b)

s

(s+ a)(s+ b)(s+ c)

− c e−ct

(a− c)(b− c)

1

ωsinωt

1

s2 + ω2

cosωts

s2 + ω2

1

ω2(1− cosωt)

1

s (s2 + ω2)

sin(ωt+ ϕ)s sinϕ+ ω cosϕ

s2 + ω2

cos(ωt+ ϕ)s cosϕ− ω sinϕ

s2 + ω2

aω sinωt− cosωt+ e−at

a2 + ω2

1

(s+ a) (s2 + ω2)

a cosωt+ ω sinωt− a e−at

a2 + ω2

s

(s+ a) (s2 + ω2)

1

ωe−δt sinωt

1

s2 + 2δs+ δ2 + ω2

(cosωt− δ

ωsinωt

)e−δt s

s2 + 2δs+ δ2 + ω2

1−(cosωt+ δ

ω sinωt)e−δt

δ2 + ω2

1

s (s2 + 2δs+ δ2 + ω2)

1

2ω2

(1

ωsinωt− t cosωt

)1

(s2 + ω2)2

t

2ωsinωt

s

(s2 + ω2)2

1

2ω(sinωt+ ωt cosωt)

s2

(s2 + ω2)2

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3.4. Anwendung der Laplacetransformation

3.4.5. Beispiel

In der folgenden Schaltung war der Schalter S schon sehr lange Zeit geönet, so dasssich ein stationärer Zustand eingestellt hat. Zum Zeitpunkt t = 0 wird der Schaltergeschlossen. Wir möchten den zeitlichen Verlauf des Spulenstroms iL(t) berechnen.

U0

Ri R

t = 0 S L

C

iL(t)

uC(t)

Abbildung 3.3.: Beispielschaltung. Gesucht ist der zeitliche Verlauf von iL(t).

Zunächst machen wir uns Gedanken über die Anfangsbedingungen an L und C. Hier-für betrachten wir das Schaltbild vor dem Schlieÿen des Schalters. Im eingschwungenenZustand konnte kein Strom durch die Schaltung ieÿen (der Kondensator verhindert desStromuss in einer Gleichstromschaltung). Dies führt auf die erste Anfangsbedingung:

iL(t ≤ 0) = 0.

Da kein Strom ieÿt, fällt keine Spannung an den Widerständen ab. Die Induktivitätverhält sich im Gleichstromfall wie ein Kurzschluss. Der Kirchhosche Maschensatzliefert uns die Anfangsspannung am Kondensator:

uC(t ≤ 0) = U0.

Nun zeichnen wir die Schaltung für t ≥ 0 in den Bildbereich um (siehe auch Abb. 3.1und 3.2).

U0

s

Ri R

sL

1sC

uC(t=0)s

iL(t=0)s

IL(s)

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

Da iL(t = 0) = 0, müssen wir die Stromquelle parallel zu sL nicht mit einzeichnen.Wir suchen IL(s). Da der Schalter nun wie ein Kurzschluss wirkt, hat die Quelle U0/skeinen Einuss auf IL(s). Die Schaltung im Bildbereich lässt sich also weiter vereinfa-chen:

R

sL

IL(s)

1sC

U0

s

Nun berechnen wir den gesuchten Strom IL(s). Dies ist im Bildbereich sehr einfach,wir wenden eigentlich nur das Ohmsche Gesetz an:

IL(s) =U0

s

R + sL+ 1sC

.

Diese Gleichung müssen wir nun in den Zeitbereich zurücktransformieren, um denzeitlichen Verlauf von iL(t) zu erhalten. In Tabelle 3.1 können wir diesen Ausdruckjedoch nicht direkt nden. Darum formen wir ihn um:

IL(s) =U0

s

R + sL+ 1sC

· s/Ls/L

=U0/L

s2 + sRL

+ 1LC

In Tabelle 3.1 nden wir folgenden Ausdruck:

1

s2 + 2δs+ δ2 + ω2t d 1

ωe−δt sin(ωt)

Wir führen einen Koezientenvergleich durch:

s2 + sR

L+

1

LC= s2 + 2δs+ δ2 + ω2

⇒ R

L= 2δ

1

LC= δ2 + ω2

→ δ =R

2L

ω =

√1

LC−(R

2L

)2

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3.4. Anwendung der Laplacetransformation

Die Zeitfunktion des gesuchten Stroms lautet also

iL(t) =U0

L· 1

ωe−δt sin(ωt).

Zuletzt wollen wir untersuchen, wann Schwingfall, Kriechfall und aperiodischer Grenz-fall auftreten. Hierfür analysieren wir die Polstellen der Bildfunktion (also die Nullstel-len des Nenners).

s2 + sR

L+

1

LC= 0

→ sp1,2 = − R

2L±√(

R

2L

)2

− 1

LC

Ist der Ausdruck unter der Wurzel negativ, wird das Ergebnis der Wurzel imaginär.Wir hätten also ein konjugiert-komplexes Polstellenpaar.

⇒ Schwingfall bei 1LC

>(R2L

)2.

Ist der Ausdruck unter der Wurzel positiv, wird das Ergebnis der Wurzel reell. Wirhätten also zwei reelle Polstellen.

⇒ Kriechfall bei 1LC

<(R2L

)2.

Wird der Ausdruck unter der Wurzel Null, so liegt eine doppelte Polstelle vor.

⇒ Aperiodischer Grenzfall bei 1LC

=(R2L

)2.

Der zeitliche Verlauf des Stroms ist für die drei Fälle in Abb. 3.4 dargestellt.

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3. Transiente Eekte (Einschwingvorgänge)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

t / ms

-30

-20

-10

0

10

20

30

i L(t

) / m

A

Schwingfall

Kriechfall

aperiodischer Grenzfall

Abbildung 3.4.: Zeitverläufe des Stroms iL(t) der Schaltung in Abb. 3.3 für U0 = 10 V,

L = 1 H, C = 10µF und R = 210

√LC, R = 4

√LCbzw. R = 2

√LC

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4. Periodische Signale

4.1. Parameter von periodischen Signalen

Ein Signal heiÿt periodisch, wenn es sich nach der Periodendauer T exakt identisch wie-derholt. Dieser Vorgang besitzt bei der idealisierten Betrachtungsweise keinen Anfangund kein Ende (das Signal war schon immer da und wird immer da sein).

T t

−x

x

x(t)

Die folgenden Parameter werden zur Charakterisierung verwendet:

x : Amplitude

T : Periodendauer

f =1

T: Frequenz

ω = 2πf =2π

T: Kreisfrequenz

Im Folgenden werden weitere wichtige Kenngröÿen von periodischen Signalen vorge-stellt.

4.1.1. Mittelwert

Der Mittelwert ist der zeitlich durchschnittliche Wert einer Funktion. Wie man denMittelwert berechnet, haben Sie wahrscheinlich bereits in der Grundschule gelernt, als

73

4. Periodische Signale

es darum ging, die Durchschnittsnote einer Klassenarbeit zu berechnen. Sie haben dafürdie Noten aller Arbeiten addiert und durch die Anzahl der Kinder geteilt:

Durchschnittsnote =Note1 + Note2 + ...+ Noten

Anzahl der Kinder.

Mittlerweile würden Sie eine kompaktere Schreibweise verwenden:

Durchschnittsnote =1

N

N∑

i=1

Notei,

wobei N die Anzahl der Kinder ist.

Nun haben wir es mit Zeitsignalen x(t) zu tun, die nicht aus abzählbaren Elementenbestehen. (Wir nennen sie kontinuierliche Signale, im Gegensatz zu den diskreten Si-gnalen.) Den Mittelwert können wir aber auf die selbe Art berechnen, nur verwendenwir eine Integration statt der Summe:

Mittelwert eines periodischen Signals x(t):

x(t) =1

T

t0+T∫

t0

x(t) dt

Um den Mittelwert einer periodischen Funktion zu berechnen, integrieren wir dieFunktion über eine Periode (wobei es egal ist, an welcher Stelle t0 wir beginnen) undteilen das Ergebnis durch die Periodendauer T .

4.1.2. Eektivwert

Der Sinn der Eektivwertes soll anhand eines Beispiels veranschaulicht werden.

Ein Heizstrahler wird an einer sinusförmigen Spannung betrieben:u(t) = u · sin(ωt).Welche Heizleistung gibt das Gerät ab? (Wir gehen davon aus, dass sämtliche elektri-sche Energie in Wärme umgesetzt wird.)

p(t) = u(t) · i(t) = u(t) · u(t)

R=u2(t)

R

(R ist der Widerstand der Heizwendel.) An unserem 50Hz-Stromnetz wird die Heiz-wendel also 100 mal pro Sekunde ein- und ausgeschaltet, wie man am zeitlichen Verlaufvon p(t) erkennen kann:

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4.1. Parameter von periodischen Signalen

0 0.5 1 1.5 2

-1

-0.5

0

0.5

1

1

0

0,5

-0,5

-10,5 1,5

u(t)/up(t)/pmax

t/T

Dies entspricht nicht unserer Alltagserfahrung. Ein Heizlüfter wird nicht schnell ab-wechselnd heiÿ und kalt. In der Tat ist das Material der Heizwendel thermisch zu träge,um sich so schnell zu erwärmen und abzukühlen. Es stellt sich die mittlere Leistungein:

P =1

T

T∫

0

u2(t)

R· dt

=1

R· 1

T

T∫

0

u2(t) · dt

=U2

eff

R

Ueff : Eektivwert

Ueff =

√√√√√ 1

T

t0+T∫

t0

u2(t) · dt

Der Eektivwert einer periodischen Spannung (oder eines periodischen Stroms) ent-spricht dem Wert einer Gleichspannung (eines Gleichstroms), der in einer ohmschenLast die selbe Leistung umsetzt.

Der Eektivwert - Was ist das? Wie wird er berechnet?

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4. Periodische Signale

Beispiel: Eektivwert einer sinusförmigen Spannung

u(t) = u sin(ωt)

→ U2eff =

1

T

T∫

0

(u sin(ωt))2 dt

=1

T

T∫

0

u2 · 1

2(1− cos(2ωt))︸ ︷︷ ︸

sin2(ωt)

dt

=u2

2T

[t− 1

2ωsin(2ωt)

]T

0

⟨ω =

T

=u2

2T

T − T

4π· sin

(2 · 2π

T· T)

︸ ︷︷ ︸0

−0 +T

4πsin(0)︸ ︷︷ ︸

0

︸ ︷︷ ︸0

=u2

2

Eektivwert einer sinusförmigen Spannung mit der Amplitude u:

Ueff =u√2

4.1.3. Eektivwert eines Signals mit Gleichanteil

Der Eektivwert eines Wechselsignals mit überlagertem Gleichanteil U0 kannfolgendermaÿen berechnet werden:

Ueff =√U2

eff∼ + U20

Ueff∼ ist der Eektivwert des Wechselanteils.

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4.1. Parameter von periodischen Signalen

Beispiel

t

U0 + u

U0

U0 − u

u(t)

u(t) = u sin(ωt) + U0

= u∼(t)︸ ︷︷ ︸Wechselanteil

+ U0︸︷︷︸Gleichanteil

Ueff∼ =u√2

⇒ Ueff =

√(u√2

)2

+ U20

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4. Periodische Signale

4.1.4. Gleichrichtwert

Auch der Gleichrichtwert soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden.

Frage: Welchen Wert zeigt ein Drehspulmessgerät (ein klassisches Zeigermessgerät) an?

• Der Zeiger bewegt sich proportional zum anliegenden Signal (Spannung oderStrom).→ Das funktioniert hervorragend für Gleichspannungen und Gleichströme.

• Bei Wechselsignalen versucht der Zeiger dem Signalverlauf zu folgen, ist abermechanisch zu träge und verharrt auf dessen Mittelwert. (Messen Sie also dieSpannung an einer Steckdose mit einem Gleichspannungsmessgerät, so zeigt esNull an!)

• Lösung des Problems: Im Wechselspannungs- (oder Wechslstrom-) Messbereichwird das Signal zunächst gleichgerichtet. Dies geschieht mit einer Gleichrichter-schaltung. Unabhängig von der Polatität der Eingangsspannung ist die Ausgangs-spannung dieser Schaltung immer positiv:

u(t)

t t

|u(t)|

• Der Zeiger versucht nun, dem Verlauf des gleichgerichteten Signals zu folgen.Doch noch immer ist er hierfür zu träge und zeigt dessen Mittelwert an, derGleichrichtwert heiÿt.

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4.1. Parameter von periodischen Signalen

Gleichrichtwerts eines Signals x(t):

|x(t)| = 1

T

t0+T∫

t0

|x(t)| dt

• Der Zeiger schlägt also proportional zum Gleichrichtwert aus. Wir sind jedochinteressiert an dem Eektivwert!

• Aus diesem Grund ist die Skala hinter dem Zeiger so dimensioniert, dass wir denEektivwert ablesen können, wenn wir eine sinusförmige Gröÿe messen.

|u(t)|u(t)

langsamer

Nur für sinusförmige Signale!

Zeiger

Fsin Ueff

faktorForm-

Gleichrichter1T

T∫0

|u(t)| dt

• Dies wird erreicht, indem der Gleichrichtwert mit dem Formfaktor Fsin für sinus-förmige Signale multipliziert wird.

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4. Periodische Signale

Der Formfaktor

F =Ueff

|u(t)|oder F =

Ieff

|i(t)|

u(t) = u sin(ωt)

|u(t)| =1

T

T∫

0

|u sin(ωt)| dt

=2

T

T/2∫

0

u sin(ωt) dt

=2u

T

[1

ω(− cos(ωt))

]T/2

0

⟨ω =

T

=2u

T· T

− cos

(2π

T· T

2

)

︸ ︷︷ ︸=π

+ cos(0)

︸ ︷︷ ︸=2

=2u

π

⇒ Fsin =

u√2

2uπ

2√

2≈ 1, 11

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4.1. Parameter von periodischen Signalen

Welche Werte zeigt ein Drehspulmessgerät bei Rechteck- undDereiecksignalen?

Rechtecksignale

u(t) =

u , 0 ≤ t < T

2

−u , T2≤ t < T

u

−u

u

T2

T

T

u(t) |u(t)|

t tT2

|u(t)| = 1

T

T∫

0

|u(t)| dt =1

T

T∫

0

u dt = u

→ Das Drehspulmessgerät zeigt 1, 11 · u.

Dreiecksignale

uu

−uT2

T

u(t) |u(t)|

t t

TT2

T4

3T4

|u(t)| =4

T

T/4∫

0

(− u

T/4t+ u

)dt

=4

T

[−4u

T· 1

2t2 + ut

]T/4

0

=4

T

(−4u

T· 1

2

T 2

16+ u

T

4

)

=u

2

→ Das Drehspulmessgerät zeigt 1,112· u.

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4. Periodische Signale

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5. Wechselstromschaltungen

5.1. Sinusförmige Ströme und Spannungen anKondensatoren und Spulen

In Abschnitt 3.1.1 haben wir gelernt, dass am Kondensator der Zusammenhang zwi-schen Strom und Spannung wie folgt deniert ist:

uC(t) C

iC(t) = C duC(t)dt

Wir gehen nun davon aus, dass die Spannung bekannt ist:

uC(t) = u sin(ωt).

Laut der Bauelementgleichung gilt für den Strom

iC(t) = Cd(u sin(ωt)

)

dt= Cuω cos(ωt)

= uωC sin(ωt+

π

2

).

Es ieÿt ein ebenfalls sinusförmiger Strom, der jedoch eine Phasenverschiebung zurSpannung aufweist. Bei einem (idealen) Kondensator eilt der Strom der Spannung um90 voraus.

Strom und Spannung am Kondensator

83

5. Wechselstromschaltungen

Ähnlich verhält es sich bei einer Spule, deren Bauelementgleichung wir in Abschnitt 3.1.2kennengelernt haben:

L uL(t) = L diL(t)dt

iL(t)

Nun sei der Strom gegeben:iL(t) = ı sin(ωt)

Laut der Bauelementgleichung gilt für die Spannung

uL(t) = Ld(ı sin(ωt)

)

dt= Lıω cos(ωt)

= ıωL sin(ωt+

π

2

).

Es stellt sich eine sinusförmige Spannung ein, die dem Strom um 90 voraus eilt.

Strom und Spannung an der Spule

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5.2. Spannungen im Wechselstromkreis

5.2. Spannungen im Wechselstromkreis

In der folgenden Schaltung treibt eine ideale Stromquelle einen sinusförmigen Stromdurch die Reihenschaltung aus R, L, und C. Dieser Strom verursacht die drei einge-zeichneten Spannungsabfälle an den Bauteilen:

R

L

C

Rı · sin(ωt)

ı · sin(ωt)

u(t)

ıωC· sin

(ωt− π

2

)

ωLı · sin(ωt+ π

2

)

Für die Gesamtspannung u(t) gilt also

u(t) = R · ı sin(ωt) + ωLı sin(ωt+ 90) +ı

ωCsin (ωt− 90) .

→ Gemäÿ der vorangegangenen Überlegungen sind die Spannungen an allen Bau-elementen ebenfalls sinusförmig, unterscheiden sich jedoch in ihrer Phasenlage.

Wechselstromnetzwerke Teil 1: Rechnen im Zeitbereich

Es wäre sehr mühsam, Wechselstromkreise wie im Beispiel oben zur berechnen. DasAuswerten des Ausdrucks für u(t) benötigt die Anwendung von Additionstheoremenund ist relativ zeitaufwendig.

Da wir jedoch wissen, dass es sich bei allen Spannungen und Strömen innerhalb eineslinearen Wechselstromkreises um sinusförmige Ströme und Spannungen handelt, diesich nur in ihren Beträgen und ihren Phasenverschiebungswinkeln voneinander unter-scheiden, können wir uns der komplexen Zahlen bedienen:

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5. Wechselstromschaltungen

Eine komplexe Zahl besteht von Natur aus aus einem Betrag und einem Phasenwinkel.Dank der mathematischen Rechenregeln lassten sich mit komplexen Zahlen Wechsel-stromschaltungen ganz genauso berechnen, wie Gleichstromschaltungen!

Im folgenden Abschnitt werden die grundlegenden Rechenregeln wiederholt.

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5.3. Komplexe Zahlen

5.3. Komplexe Zahlen

Eine komplexe Zahl besteht aus einem Real- und einem Imaginärteil. Sie lässt sichjedoch auch durch ihren Betrag (also dem Abstand zum Ursprung der Zahlenebene)und ihren Phasenwinkel beschreiben.

Eulers Identität: e jϕ = cos(ϕ) + j sin(ϕ)

-1 1

j

− j

e j90 = j

e j0 = 1e j180 = −1

e j270 = − j

Re

Im

Die komplexe Zahl e jϕ hat immer den Betrag 1 und den Phasenwinkel ϕ.

In diesem Skript werden komplexwertige Variablen durch einen Unterstrich gekenn-zeichnet. Ist die Variable nicht unterstrichen, ist der Betrag gemeint:

A = Re A+ j · Im A = A e jϕ.

A

Im

Re A Re

Im A

ϕ

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5. Wechselstromschaltungen

Multiplikation von komplexen Zahlen

Bei der Multiplikation zweier komplexer Zahlen A und B werden die Beträge multipli-ziert und die Winkel addiert.

ϕB

A = A e jϕA

A ·B = A ·B · e j(ϕA+ϕB)

Re

Im

B = B e jϕB

ϕA

Hieraus folgt auchj · j = −1

Division von komplexen Zahlen

Bei der Division zweier komplexer Zahlen A und B werden die Beträge durcheinandergeteilt und die Winkel voneinander abgezogen.

ϕB

A = A e jϕA

Re

B = B e jϕB

ϕA

AB

= AB· e j(ϕA−ϕB)

Im

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5.3. Komplexe Zahlen

Kehrwert einer komplexen Zahl

Aus der Divisionsregel folgt, dass man den Kehrwert (oder die Inverse) einer komple-xen Zahl erhält, indem man den Kehrwert des Betrags bildet und das Vorzeichen desWinkels invertiert.

Re

Im

ϕA

−ϕA1A

= 1A

e− jϕA

A = A e jϕA

Addition von komplexen Zahlen

Zwei komplexe Zahlen A und B werden addiert, indem man jeweils die Realteile unddie Imaginärteile miteinander addiert.

Re

A

Im

B

Im A

Re B Re A

Im B

A+B = Re A+ Re B+ j(Im A+ Im B)

Substraktion von komplexen Zahlen

Zwei komplexe Zahlen A und B werden subtrahiert, indem man jeweils die Realteileund die Imaginärteile voneinander abzieht.

Re

A

Im

B

Im A

Re B Re A

Im B

A−B = Re A − Re B+ j(Im A − Im B)

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5. Wechselstromschaltungen

Die konjugiert komplexe einer komplexen Zahl

Die konjugiert komplexe Zahl A∗ besitzt den selben Betrag wie A, jedoch das entgegen-gesetzte Vorzeichen des Winkels. Die Summe von A und A∗ ist stets rein reellwertig.

Re

Im

ϕA

−ϕA

A = Re A+ jIm A

A∗ = Re A − jIm A

Wechselstromnetzwerke Teil 2: Komplexe Zahlen

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5.4. Der Phasor

5.4. Der Phasor

Als Phasor bezeichnet man eine komplexe Zahl, die die Amplitude und den Phasen-verschiebungswinkel einer sinusförmigen Gröÿe repräsentiert.

Eulers Identitt : e± jϕ = cos(ϕ)± j sin(ϕ)

→ cos(ϕ) = Re

e jϕ

→ sin(ϕ) = Im

e jϕ

Mit u(t) = u sin(ωt+ ϕ) = Imu e j(ωt+ϕ)

= Im u(t)

u(t) = u e j(ωt+ϕ) = u e jωt e jϕ

komplexe Amplitude : u = u e jϕ

komplexer Effektivwert : U =u√2

=u√2

e jϕ = U e jϕ

Sinusförmige Spannung als komplexen Zeiger darstellen

Vom komplexen Zeiger zur sinusförmigen Spannung

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5. Wechselstromschaltungen

5.4.1. Zeigerdiagramm

(Siehe Beispiel 5.2.)

i(t) = ı sin(ωt)

→ I =ı√2

e j0(

=ı√2

)

uR(t) = R · ı sin(ωt)

→ UR =R · ı√

2e j0

= R · I

uL(t) = ωL · ı sin(ωt+ 90)

→ UL = ωL · ı√2

e j90 = ωL e j90I

= jωL · I

uC(t) =ı

ωCsin (ωt− 90)

→ UC =ı√

2ωCe− j90 =

1

ωCe− j90 · I = − j

1

ωC· I

=1

jωC· I

Wechswelstromnetzwerke Teil 3: Nutzung komplexer Zahlen

Die berechneten Phasoren lassen sich nun in die komplexe Ebene eintragen. Mannennt dies Zeigerdiagramm. Besonders einfach gestaltet sich die Konstruktion derGesamtspannung U , die einfach die geometrische Addition der drei Phasoren von UR,UL und UC darstellt.

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5.4. Der Phasor

UL

UC

U

UR

UC

UR

I

Im

Re

Wechselstromnetzwerke Teil 4: Zeigerdiagramme

5.4.2. Impedanzen and Admittanzen

(Siehe vorheriges Beispiel.)

UR = R · I

UL = jωL · I

UC =1

jωC· I

Der Ausdruck jωL wird Impedanz einer Spule und 1jωC

Impedanz eines Konden-sators genannt. Man könnte sie auch die komplexen Widerstände der Bauelementenennen.

Die inversen Ausdrücke 1jωL

und jωC nennt man Admittanzen. Man könnte sie auchdie Komplexen Leitwerte nennen.

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5. Wechselstromschaltungen

Impedanzen und Admittanzen der drei passiven Grundelemente

Impedanzen:

ZR = R

ZL = jωL

ZC =1

jωC

Admittanzen:

Y R =1

R

Y L =1

jωLY C = jωC

Hinweis: Alle Regeln, die Sie für Gleichspannungsschaltungen kennengelernt ha-ben (Spannungs- und Stromteiler, Kirchhosche Sätze, Quellenumformungen, Er-satzquellen, ...) gelten unverändert auch für Wechselstromschaltungen! ,

Beispiel:

Eine Wechselspannungsquelle U mir der Kreisfrequenz ω treibt den Strom I durch eineL-R-Schaltung. Gesucht ist der Spannungsabfall UR.

R

U

UL

UR

I

L

Wir nutzen die bekannte Formel des Spannungsteilers:

UR = U · R

R + jωL. (Es ist tatsächlich so einfach!)

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5.4. Der Phasor

Im Folgenden möchten wir die eben gefun-dene Gleichung in Real- und Imaginärteilzwelegen. Hierfür erweitern wir den Aus-druck mit dem konjugiert komplexen desNenners.

UR = U · R

R + jωL· R− jωL

R− jωL

= U · R2 − jωLR

R2 + ω2L2

= U ·(

R2

R2 + ω2L2− j

ωLR

R2 + ω2L2

)

Schlieÿlich können wir noch den Betrag vonU und den Phasenverschiebungswinkel ϕURvon UR berechnen. Hierfür benötigen wirnur den Satz von Pythagoras und ein wenigTrigonometrie:

UR = U

√(R2

R2 + ω2L2

)2

+

(ωLR

R2 + ω2L2

)2

ϕUR = arctan

(Im URRe UR

)

= arctan

(−ωLRR2

)

= arctan

(−ωLR

)

Re

Im

Re

Im

IUR

UL

Im UR

Re URϕUR

UR

U

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5. Wechselstromschaltungen

5.5. Schwingkreise

Unter dem Begri Schwingungen versteht man in der Elektrotechnik den wieder-holten, wechselseitigen Energieaustausch zwischen zwei oder mehreren Speichern fürverschiedene Energieformen, also zwischen Schaltelementen, bei denen eine Energie-speicherung durch elektrische und magnetische Felder auftritt. Ein Schwingkreis ent-hält damit wenigstens eine Kapazität C, eine Induktivität L und da L und C nurmittels verlustbehafteter Bauelemente (Spule, Kondensator) realisierbar sind zusätz-lich einen ohmschen Widerstand R. Je nach Anordnung dieser Elemente unterscheidetman noch zwischen Reihen- und Parallelschwingkreis.

5.5.1. Reihenschwinkreis

Ein Reihenschwingkreis besteht aus zwei unterschiedlichen energiespeichernden Bau-elementen (L und C), sowie einem verlustbehafteten Bauelement (R). Die speisendeSpannungsquelle liefert eine konstante Spannung U und eine frei einstellbare Kreisfre-quenz ω. Im Folgenden analysieren wir, wie sich der Strom I in Abhängigkeit von ωverhält.

C

L

RI

U

U = const

ω = 0...∞I(ω = 0) = 0 : Kondensator leitet keinen Strom

I(ω →∞) = 0 : Spule leitet keinen Strom

Imax = ?

ω(Imax) = ?

Der Reihenschwingkreis führt bei ω = 0 und ω →∞ keinen Strom. Es muss also eineKreisfrequenz geben, bei welcher der Strom maximal ist. Nach dem Ohmschen GesetzI = U

Zist der Strom maximal, wenn der Betrag der Schwingkreisimpedanz Z minimal

ist.

Z = R + jωL− 1

jωC

= R︸︷︷︸frequenzunabh.

+ j

(ωL− 1

ωC

)

︸ ︷︷ ︸abh. von ω

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5.5. Schwingkreise

Der Realteil der Impedanz ist unabhängig von ω, der Imaginärteil hingegen schon; erkann sogar Null werden.

→ Im Z != 0

→ ωL!

=1

ωC

⇒ ω0 =1√LC

= 2πf0

• f0 = 12π√LC

heiÿt Resonanzfrequenz.

• In einem Reihenschwingkreis ist der Strom bei Resonanz am gröÿten. Im Wider-stand wird die gröÿte Leistung umgesetzt.Pmax = I2

max ·R

• Bei den Grenzfrequenzen f1 und f2 ist die Leistungsaufnahme Pmax

2.

P1,2 =I2

max ·R2

⇒ I1,2 =Imax√

2

• Die Bandbreite eines Schwingkreises ist

B = f2 − f1.

• Die Güte ist

Q =B

f0

.

0 0.5 1 1.5 2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1Imax

Imax√2

ff0 f2f1

I(f)

B

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5. Wechselstromschaltungen

Bandbreite des Reihenschwingkreises

Im Folgenden möchten wir den Wert der Bandbreite berechnen. Wir wissen, dass beiden Grenzfrequenzen der Strom um den Betrag

√2 kleiner ist, als bei der Resonanz-

frequenz. Dies bedeutet, dass der Betrag der Impedanz um den Faktor√

2 gröÿer seinmuss.

Z(ω) = R + j

(ωL− 1

ωC

)

Z(ω0) = R

Z(ω1) = R + j

(ω1L−

1

ω1C

)

Z(ω2) = R + j

(ω2L−

1

ω2C

)

Der Betrag der Impedanz ist dann um√

2 gröÿer als bei Resonanz, wenn der Betragdes Imaginärteils gleich dem Betrag des Realteils ist.

R = −(ω1L− 1

ω1C

)(kapazitives Verhalten)

oder R = ω2L− 1ω2C

(induktives Verhalten)

Diese beiden Gleichungen kann man nun nach ω1 bzw. ω2 auösen:Für ω1 erhalten wir

ω1L−1

ω1C= −R

ω21 + ω1

R

L− 1

LC= 0

→ ω1 = − R

2L±√(

R

2L

)2

+1

LC

die Frequenz kann nicht negativ sein ⇒ ω1 = − R

2L+

√(R

2L

)2

+1

LC.

Und für ω2:

ω2L−1

ω2C= R

ω22 − ω2

R

L− 1

LC= 0

→ ω2 = +R

2L±√(

R

2L

)2

+1

LC

die Frequenz kann nicht negativ sein ⇒ ω2 =R

2L+

√(R

2L

)2

+1

LC.

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5.5. Schwingkreise

Die Bandbreite wird in der Regel als Frequenz und nicht als Kreisfrequenz angegeben.Sie lautet also

B =1

(ω2 − ω1

)

=1

R

2L+

√(R

2L

)2

+1

LC

− R

2L+

√(R

2L

)2

+1

LC

=R

2πL

Reihenschwingkreis - Resonanzfrequenz, Bandbreite, Güte

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5. Wechselstromschaltungen

5.5.2. Parallelschwingkreis

Die unten stehende Schalung wird von einer Wechselstromquelle mit konstantem Strom Iund variabler Kreisfrequenz ω gespeist. Analog zum Reihenschwingkreis werden wir imFolgenden analysieren, wie sich der Spannungsabfall U an der Schaltung in Abhängig-keit von ω verhält.

I

R L C U

I = const

ω = 0...∞U(ω = 0) = 0 : Spule wird zum Kurzschluss

U(ω →∞) = 0 : Kondensator wird zum Kurzschluss

Umax = ?

ω(Umax) = ?

U = Z · I

U wird maximal, wenn Z maximal wird, bzw. Y minimal wird.

Y =1

R+

1

jωL+ jωC

=1

R︸︷︷︸frequenzunabh.

+ j

(ωC − 1

ωL

)

︸ ︷︷ ︸abh. von ω

→ Im Y != 0

→ ωC!

=1

ωL

⇒ ω0 =1√LC

f0 =1

2π√LC

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5.5. Schwingkreise

Ströme im Parallelschwingkreis

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5. Wechselstromschaltungen

5.6. Ortskurven

Eine Ortskurve stellt den Verlauf einer komplexen Gröÿe, die von einem reellen Pa-rameter abhängt, in der komplexen Ebene dar. In der Elektrotechnik kann man zumBeispiel die Impedanz (den komplexen Widerstand) einer Schaltung in Abhängigkeitvon der (Kreis-) Frequenz darstellen.

Ortskurven - Was ist das?

5.6.1. Erstes Beispiel: Impedanz- und Admittanzortskurve einer

RL-Schaltung

Gegeben ist die Reihenschaltung aus einem Widerstand und einer Spule. Die Gesam-timpedanz ist

ZRL = R + jωL.

Betrachten wir nun die Kreisfrequenz ω als Variable, so kann die Impedanz alle Werteannehmen, die auf der folgenden Geraden liegen:

R

LR

ω →∞

ω

ω = 0

Re ZRL

Im ZRL

Der Realteil besitzt unabhängig von ω den konstanten Wert R. Für ω = 0 ist derImaginärteil Null und wird linear mit wachsendem ω gröÿer.Wie sieht nun aber die Ortskurve der Admittanz (also des komplexwertigen Leit-

werts) aus? Hierfür müssen uns zwei Dinge klar sein:

• Die Admittanz ist der Kehrwert (oder die Inverse) der Impedanz.

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5.6. Ortskurven

• Jeder einzelne Punkt der Impedanzortskurve entspricht der komplexen Impedanz(also einer komplexen Zahl) bei einer bestimmten Kreisfrequenz. Die Admittanzdieses Punktes ist der Kehrwert der komplexen Zahl.

Zur Erinnerung: Den Kehrwert einer komplexen Zahl erhält man, indem man den Kehr-wert des Betrags nimmt und das Vorzeichen des Winkels ändert (siehe Seite 89).

In der folgenden Grak ist links noch einmal die Ortskurve der Impedanz gezeichnet.Drei Punkte auf der Ortskurve wurden zur besseren Übersicht farbig markiert, ebensoeinzelne Abschnitte. Wir beginnen bei dem schwarzen Punkt. Hier ist der Wert derImpedanz rein reell Z(ω = 0) = R, entsprechend ist Y (ω = 0) = 1/R. Mit steigen-der Kreisfrequenz wird der Betrag der Impedanz immer gröÿer, was bedeutet, dassder Betrag der Admittanz stetig abnimmt. Für unendlich groÿe Kreisfrequenzen gilt|Z(ω →∞)| =∞ und entsprechend |Y (ω →∞)| = 0.

Gleichzeitig betrachten wir die Winkel der Ortskurven. In der Impedanzebene startenwir bei ϕ = 0 und laufen nach ϕ = 90. Entsprechend müssen wir in der Admittanze-bene den Winkelbereich 0 bis −90 durchschreiten.

R

ω = 0

Re ZRL

Im ZRL

ω

ω →∞

ω →∞Im Y RL

Re Y RL

1R

ω = 0

ω

5.6.2. Das wird wirklich ein Kreis?!

Die Ausführung oben ist hoentlich nachvollziehbar. Im Folgenden wird gezeigt, dasses sich bei der Admittanz-Ortskurve tatsächlich um einen perfekten Halbkreis handelt.

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5. Wechselstromschaltungen

Im

1R+ jωL

Re

1R+ jωL

1R

12R

12R

1R+ jωL

Wenn die Ortskurve wirklich einen perfekten Halbkreis beschreibt, muss jeder Punkteinen konstanten Abstand zum Mittelpunkt besitzen:

∣∣∣∣1

R + jωL− 1

2R

∣∣∣∣ =1

2R∣∣∣∣R− jωL

R2 + ω2L2− 1

2R

∣∣∣∣ =1

2R∣∣∣∣R

R2 + ω2L2− 1

2R− j

ωL

R2 + ω2L2

∣∣∣∣ =1

2R√(R

R2 + ω2L2− 1

2R

)2

+

(ωL

R2 + ω2L2

)2

=1

2R√

R2

(R2 + ω2L2)2− 2

R

(R2 + ω2L2) · 2R +1

(2R)2+

(ωL)2

(R2 + ω2L2)2=

1

2R√

R2 + ω2L2

(R2 + ω2L2)2− 1

(R2 + ω2L2)+

1

(2R)2=

1

2R√

1

(R2 + ω2L2)− 1

(R2 + ω2L2)+

1

(2R)2=

1

2R√

1

(2R)2=

1

2R

1

2R=

1

2Rw.z.z.w.

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5.6. Ortskurven

5.6.3. Inversionsregeln

Bei der schrittweisen Konstruktion kommt es oft vor, dass wir die Inverse einer Orts-kurve bilden müssen. (Beim vorangehenden Beispiel kamen wir über die Impedanz-zur Admittanzortskurve.) Es gibt drei grundlegende Inversionsregeln, die uns die Kon-struktion erleichtern.

1. Regel: Inversion einer Geraden durch den Ursprung

Die Inversion einer Geraden durch den Ursprung ergibt eine Gerade durchden Ursprung.

k →∞

k = 0

k = 0

k →∞Re X(k) Re

1

X(k)

Im

1X(k)

Im X(k)

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5. Wechselstromschaltungen

2. Regel: Inversion einer allgemeinen Geraden

Die Inversion einer allgemeinen Geraden ergibt einen Kreis durch den Ur-sprung.

k = 0

k →∞

k →∞

k = 0

Im

1X(k)

Im X(k)

Re X(k) Re

1X(k)

3. Regel: Inversion eines allgemeinen Kreises

Die Inversion eines allgemeinen Kreises ergibt einen allgemenen Kreis.

k = 0

k →∞

k →∞

k = 0

Im

1X(k)

Im X(k)

Re X(k) Re

1X(k)

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5.6. Ortskurven

Ortskurven - Inversionsregeln

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5. Wechselstromschaltungen

5.6.4. Beispiel: Ortskurve einer resonanten Schaltung

Zur Veranschaulichung betrachten wir die folgende Schaltung. Da sie sowohl eine In-duktivität als auch eine Kapazität beinhaltet, wird sie resonantes Verhalten aufweisen.Jedoch handelt es sich weder um einen reinen Reihen- noch um einen reinen Parallel-schwingkreis. Ohne mühsame Rechnung möchten wir herausnden, wie groÿ die Impe-danz bei Resonanz ist. Wir wissen, dass die Impedanz bei Resonanz rein reell ist. Aberist sie gröÿer als, gleich oder kleiner als R?

C

R

L

Wir lösen die Frage ganz ohne Rechnung mit Hilfe der Ortskurvenkonstruktion. Dienachfolgende Grak beinhaltet alle Zwischenschritte.

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5.6. Ortskurven

R

Im ZRL

Im Y C

R

ω

ω

ω

ω = 0

ω = 0

ω = 0

ω →∞

ω →∞

ω0

Im ZRLC

Im Y RL1/R

Im Y RLC

ω

ω

1/R

ω = 0

ω →∞

ω = 0

ω →∞

ω0

Re Y RL

Re Y RLCRe Y C

Re ZRL

Re ZRLC

Wir sehen also, dass die Impedanz der Schaltung bei Resonanz gröÿer ist als R.

Die notwendigen Gedankenschritte zu den einzelnen Teilbildern sind diese:

1. Wir beginnen bei der Reihenschaltung von R und L. Da die Bauelelemente inReihe geschaltet sind, zeichnen wir die Impedanzortskurve in Abhängigkeit vonder Kreisfrequenz ω. (Die Gesamtimpedanz bei einer Reihenschaltung ist dieSumme der Einzelimpedanzen.) ZRL = R+ jωL. Der Realteil ist also konstant Rund unabhängig von ω, der Imaginärteil steigt mit zunehmendem ω.

2. Die RL-Schaltung liegt parallel zu C. Bei einer Parallelschaltung erhält manden Gesamtleitwert, indem man die Einzelleitwerte addiert. Wir müssen also dieOrtskurve von ZRL invertieren, um Y RL zu erhalten. Wir wenden die 2. Inver-sionsregel an: Aus der Halbgeraden wird ein Halbkreis durch den Ursprung. Da

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5. Wechselstromschaltungen

ZRL(ω = 0) = R ist, muss dieser Punkt auf Y RL(ω = 0) = 1/R abgebildet wer-den. Der Betrag der Impedanzortskurve strebt für ZRL(ω →∞) gegen unendlich,es muss also gelten |Y RL(ω →∞)| = 0. Die Impedanzortskurve deckt den Win-kelbereich 0 ≤ ϕ ≤ 90 ab, darum muss die Admittanzortskurve 0 ≥ ϕ ≥ −90

abdecken.

3. Die Admittanz der Kapazität beträgt Y C = jωC, ist also rein Imaginär mit|Y C(ω = 0)| = 0 und |Y C(ω →∞)| → ∞.

4. Nun addieren wir die Ortskurven Y RL(ω) und Y C(ω) miteinander. Hierfür rufenwir uns in Erinnerung, dass jeder einzelne Punkt der Ortskurven den Wert derjeweiligen Admittanz bei einer bestimmten Kreisfrequenz repräsentiert.

• Für ω = 0 addieren wir die Punkte (1/R + j0) und (0 + j0). Es gilt alsoY RLC(ω = 0) = 1/R.

• Bei gröÿer werdendem ω liefert Y RL einen negativen Beitrag zum Imaginär-teil, Y C einen positiven. Da die Schaltung eine Resonanzfrequenz aufweisensoll, benötigen wir einen Schnittpunkt mit der reellen Achse. (Dort ist derImaginärteil Null, was die Bedingung für die Resonanz ist.) Die OrtskurveY RLC weist also zunächst einen negativen Imaginärteil auf, bei wachsendemω dominiert jedoch Y C und der Imaginärteil von Y RLC strebt schlieÿlichauch gegen Unendlich.

• Der Realteil von Y RLC wird allein von Y RL bestimmt, beginnt also bei 1/Rund strebt gegen Null.

5. Da wir die Impedanzortskurve ZRLC suchen, müssen wir abschlieÿend die Admit-tanzortskurve Y RLC invertieren.

• Da der Startpunkt auf der reellen Achse liegt, ist seine Inversion einfach.Y RLC(ω = 0) = 1/R, also ist ZRLC(ω = 0) = R.

• Mit wachsendem ω durchschreitet Y RLC zunächst den grün gezeichnetenBereich. Hier ist der Phasenwinkel aller Punkte kleiner oder gleich Null.Zudem nimmt der Betrag (also der Abstand von Koordinatenursprung zumjeweiligen Punkt) mit wachsendem ω ab.Für ZRLC muss im grün gezeichneten Bereich also gelten, dass die Pha-senwinkel aller Punkte positiv oder Null sein müssen und der Betrag mitwachsendem ω zunimmt.

• In den Schnittpunkten der Ortskurven mit der jeweiligen reellen Achse liegtdie Resonanzfrequenz der Schaltung.

• In dem blau gezeichneten Abschnitt von Y RLC überstreicht der Phasen-winkel den Bereich 0 ≤ ϕ ≤ 90, der Betrag nimmt stetig zu und strebtschlieÿlich gegen Unendlich.Für ZRLC muss also gelten, dass der Winkelbereich 0 ≥ ϕ ≥ −90 ist undder Betrag gegen Null strebt.

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5.7. Bodediagramme

5.7. Bodediagramme

Der schriftliche Teil zu Bodediagrammen steht noch aus, aber die Youtube-Videos sindschon fertig:

Bodediagramme Teil 1 - Was ist das eigentlich?

Bodediagramme Teil 2 - Was ist der Pegel in dB?

Bodediagramme Teil 3 - einfache Funktionen zeichnen

Bodediagramme Teil 4 - Übertragungsfunktion einer Schaltung zeichnen

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5. Wechselstromschaltungen

5.7.1. Bodediagramme Grundfunktionen

Die folgenden Tabellen stellen einige Grundfunktionen zusammen, welche Ihnen beimBearbeiten von Bodediagrammen begenen können. Lernen Sie sie auf keinen Fall aus-wendig, sondern nutzen Sie die Zusammenstellung nur um zu kontrollieren, ob Sie dasKonstruktionsprinzip verstanden haben!

Übertragungs- Amplituden- Phasen-funktion Frequenzgang FrequenzgangH( jω) |H( jω)| in dB 6 (H( jω))

A > 0 (Konstante)ω

20 · log |A|

ω

A < 0 (Konstante) ω

20 · log |A|ω

180

j ωωg

ωg

20dB/Dekade

ω ω

90

− j ωωg

ωg

20dB/Dekade

ω ω−90

jωg

ω

ωωg

-20dB/Dekade

ω

90

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5.7. Bodediagramme

Übertragungs- Amplituden- Phasen-funktion Frequenzgang FrequenzgangH( jω) |H( jω)| in dB 6 (H( jω))

− jωg

ω

ωωg

-20dB/Dekade

ω−90

1 + j ωωg

ωωg

20dB/Dekade

ωωg

4590

1− j ωωg

ωωg

20dB/Dekade

ω−90−45

ωg

1 + jωg

ω

ωωg

-20dB/Dekade

ωωg

90

45

1− jωg

ω

ωωg

-20dB/Dekade

ω

ωg

−45

−90

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5. Wechselstromschaltungen

Übertragungs- Amplituden- Phasen-funktion Frequenzgang FrequenzgangH( jω) |H( jω)| in dB 6 (H( jω))

11+ j ω

ωg ω

ωg

-20dB/Dekade

ω−90−45

ωg

11− j ω

ωg ω

ωg

-20dB/Dekade

ωωg

4590

11+ j

ωgω

ω

ωg

20dB/Dekade

ω

ωg

−45

−90

11− j

ωgω

ω

ωg

20dB/Dekade

ωωg

90

45

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5.8. Leistung in Wechselstromkreisen

5.8. Leistung in Wechselstromkreisen

Im Folgenden betrachten wir verschiedene Beispiele, um die Besonderheiten der elek-trischen Leitung in Wechselstromkreisen zu verstehen.

5.8.1. Betrachtung im Zeitbereich

Wirkleistung P

Ein Widerstand R = 1, 5 Ω wird von einem Strom i(t) = 1 A·sin(ωt) durchossen. Nachdem Ohmschen Gesetz gilt uR(t) = R · i(t) = 1, 5 V · sin(ωt). Der zeitliche Verlauf derim Widerstand umgesetzten Leistung beträgt p(t) = u(t) · i(t). Die zeitlichen Verläufesind in der folgenden Grak dargestellt.

R

i(t)

uR(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

u /

V ,

i /

A

Widerstand

i(t)

uR

(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

0

0.5

1

1.5

p /

W

p(t) = uR

(t) i(t)

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5. Wechselstromschaltungen

Wir erkennen, dass die elektrische Leistung zu jedem Zeitpunkt positiv oder Null ist.Der Mittelwert der im Widertstand umgesetzten Leistung entspricht dem Produkt derEektivwerte von Spannung und Strom:

P =1, 5 V√

2· 1 A√

2= 0, 75 W.

Scheinleistung Q

Der selbe Strom i(t) = 1 A · sin(ωt) ieÿt nun durch eine Spule mit der Reaktanz XL =ωL = 0, 9 Ω. Der Spannungsabfall am Bauelement beträgt uL(t) = 0, 9 V ·sin(ωt+π/2).Der zeitliche Verlauf der Leistung beträgt p(t) = uL(t) ·i(t), wie in der folgenden Grakdargestellt:

L

i(t)

uL(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-1

-0.5

0

0.5

1

u /

V ,

i /

A

Spule

i(t)

uL(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-0.5

0

0.5

p /

W

p(t) = uL(t) i(t)

Wieder ist die Leistungsaufnahme des Bauelements eine zeitlich veränderliche Funktion.Jedoch fällt auf, dass die aufgenommene Leistung im zeitlichen Mittel Null ist. DieSpule hat keine Energie verbraucht! Während der positiven Halbwellen von p(t) hatsie Energie aufgenommen und in den negativen Halbwellen wieder abgegeben. (Wenn

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5.8. Leistung in Wechselstromkreisen

Sie eine ideale(!) Spule zu Hause an die Steckdose anschlieÿen, wird ihr Stromzählerim Keller deswegen nicht schneller drehen!)Es ieÿt dennoch ein Strom durch das Bauelement und es fällt eine Spannung ab.

Wir nennen das Produkt der Eektivwerte Blindleistung:

Q =0, 9 V√

2· 1 A√

2= 0, 45 var.

Die Einheit var steht für Volt-Ampere-reaktiv.Als nächstes betrachten wir einen Kondensator mir der Reaktanz XC = 1

ωC= 0, 5 Ω,

der wieder von dem selben Strom durchossen wird. An ihm fällt die Spannung uC(t) =0, 5 V · sin(ωt− π/2) ab.

i(t)

C uC(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-1

-0.5

0

0.5

1

u /

V ,

i /

A

Kondensator

i(t)

uC

(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-0.2

0

0.2

p /

W

p(t) = uC

(t) i(t)

Wieder ist der Mittelwert der aufgenommenen Leistung Null. Jedoch fällt im Vergleichmit der Spule auf, dass der zeitliche Verlauf der Leistungsaufnahme am Kondensatorimmer negativ ist, wenn er an der Spule positiv ist und umgekehrt. Darum deniertman die Blindleistungsaufnahme am Kondensator negativ:

Q = −0, 5 V√2· 1 A√

2= −0, 25 var.

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5. Wechselstromschaltungen

Dies hat wichtige Konsequenzen, wie wir am folgenden Beispiel sehen werden.Nun schalten wir die Spule und den Kondensator in Reihe und lassen wieder den

zuvor verwendeten Strom durch die Elemente ieÿen. Die Teilspannungen an den Bau-elementen addieren sich zu der Gesamtspannung uLC(t). Die zeitabhängige Leistungbeträgt also p(t) = uLC(t) · i(t).

C uC(t)

i(t)

L uL(t)

uLC(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-1

-0.5

0

0.5

1

u /

V ,

i /

A

Spule - Kondensator

i(t)

uL

(t)

uC

(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-1

-0.5

0

0.5

1

u /

V ,

i /

A

i(t)

uLC

(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-0.2

-0.1

0

0.1

0.2

p /

W

p(t) = uLC

(t) i(t)

Wieder ist der Mittelwert der Leistungsaufnahme Null. Die Blindleistung lässt sich ausdem Produkt der Eektivwerte der Gesamtspannung und des Stroms bestimmen. Dader Phasenverschiebungswinkel zwischen den Spannungen uL(t) und uC(t) exakt 180

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5.8. Leistung in Wechselstromkreisen

beträgt, erhält man die Amplitude der Summenspannung, indem man die Amplitudender Einzelspannungen voneinander abzieht.

Q =0, 9 V − 0, 5 V√

2· 1 A√

2= 0, 2 var

= QL −QC = 0, 45 var− 0, 25 var = 0, 2 var

Die Blindleistungsaufnahme der Reihenschaltung ist also die Summe der Aufnahmeder Einzelelemente, wobei die Blindleistung am Kondensator negativ gezählt wird.

Scheinleistung S

Bei den voran gegangenen Beispielen hatten wir es entweder mit reiner Wirkleistungs-oder Blindleistungsaufnahme zu tun. Nun werden wir uns ein Beispiel ansehen, beidem beides gleichzeitig auftritt.

uL(t)

i(t)

uR(t)

uRL(t)

R

L

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5. Wechselstromschaltungen

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-2

-1

0

1

2

u /

V ,

i /

A

Widerstand - Spule

i(t)

uR

(t)

uL

(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-2

-1

0

1

2

u /

V ,

i /

A

i(t)

uRL

(t)

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t / T

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

p /

W

p(t) = uRL

(t) i(t)

Wir erkennen, dass die Leistungsaufnahme erneut den zeitlich abhängigen Verlauf an-nimmt. Da jedoch der Widerstand Wirkleistung aufnimmt und die Spule Blindleistung,ist die Leistungsaufnahme nicht mehr eindeutig denierbar. Wir behelfen uns mit ei-ner neuen Denition und nennen das Produkt aus den Eektivwerten von Strom undGesamtspannung Scheinleistung

S =

√(1, 5 V)2 + (0, 9 V2)√

2· 1 A√

2≈ 0, 875 VA

Zur Berechnung der Gesamtspannung müssen wir den Satz von Pythagoras anwenden,da uR(t) und uL(t) um 90 phasenverschoben sind. Die Einheit der Scheinleistung istVA (Volt-Ampere).

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5.8. Leistung in Wechselstromkreisen

Unter Anwendung von trigonometrischen Additionstheoremen lässt sich die Augen-blicksleistung in Wirk- und Blindanteil zerlegen:

p(t) = u(t) · i(t) =u√2· sin(ωt+ ϕ) · ı√

2· sin(ωt)

=u · ı

2· sin(ωt+ ϕ) · sin(ωt)

[sin(α) · sin(β) =

1

2(cos(α− β)− cos(α + β))

]

=u · ı

2·(

cos(ϕ)− cos(2ωt+ ϕ))

[cos(α + β) = cos(α) · cos(β)− sin(α) · sin(β)

]

=u · ı

2·(

cos(ϕ)−[

cos(2ωt) · cos(ϕ)− sin(2ωt) · sin(ϕ)])

=u · ı

2·(

cos(ϕ)− cos(2ωt) · cos(ϕ) + sin(2ωt) · sin(ϕ))

=u · ı

2· cos(ϕ)

︸ ︷︷ ︸P

·(1− cos(2ωt)) +u · ı

2· sin(ϕ)

︸ ︷︷ ︸Q

· sin(2ωt).

Der Term 1−cos(2ωt) beschreibt die zeitliche Änderung der Wirkleistung und sin(2ωt)die der Blindleistung.

5.8.2. Betrachtung in der komplexen Ebene

Bei Verwendung der komplexen Schreibweise von Strom und Spannung, berechnet sichdie komplexe Scheinleistung wie folgt:

S = U · I∗,

wobei I∗ die Konjugiertkomplexe des Stoms ist (Realteil bleibt gleich, der Imaginär-teil ändert das Vorzeichen). In den folgenden Beispielen werden wir den Sinn dieserDenition verstehen.

Scheinleistung am Widerstand

Wir betrachten einen Widerstand R, der vom Strom IR durchossen wird. Der Span-nungsabfall beträgt UR = R · IR.

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5. Wechselstromschaltungen

R

IR

IR

Egal welchen Phasenwinkel der Strom annimmt, die Scheinleistung S = UR · I∗R istimmer rein reell.

IR

I∗R S

UR

S S

IR

I∗R

UR

UR

IR

I∗R

Scheinleistung an der Spule und am Kondensator

Als nächstes betrachten eine Spule L, die vom Strom IR durchossen wird. Der Span-nungsabfall beträgt UL = jωL · IL.

L

IL

UL

Egal welchen Phasenwinkel der Strom annimmt, die Scheinleistung S = UL · I∗L istimmer rein imaginär und positiv.

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5.8. Leistung in Wechselstromkreisen

IL = I∗L

UL

I∗L

S SS UL ULI∗L

IL

IL

Bei einem Kondensator beträgt der Spannungsabfall UC = 1jωC· IC .

IC

C UC

Egal welchen Phasenwinkel der Strom annimmt, die Scheinleistung S = UC · I∗C istimmer rein imaginär und negativ.

IC = I∗CI∗C

I∗C

IC

UCSUC UCS S

IC

Scheinleistung an R-L

Zuletzt betrachten wir die Reihenschaltung aus einem Widerstand und einem Kon-densator, die vom Strom IRL durchossen wird. Der Spannungsabfall beträgt URL =(R + jωL) · IRL.

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5. Wechselstromschaltungen

UL

IRL

UR

URL

R

L

Im folgenden Bild wird das Zeigerdiagramm nur für einen Phasenwinkel von IRL dar-gestellt. Links ist zu sehen, wie der Strom, die Teilspannungen, die Gesamtspannungund die Konjugiertkomplexe des Stroms zueinander stehen. Rechts sind der konjugiert-komplexe Strom, die Gesamtspannung und die komplexe Scheinleistung eingezeichnet.

URL

UR

IRL

I∗RL

UL

URL

I∗RL

P

SQ

Man erkennt folgende wichtige Dinge:

• Der Realteil der komplexen Scheinleistung entspricht der in der Schaltung umge-setzten Wirkleistung (dies geschieht im Widerstand):P = Re S

• Der Imaginärteil der komplexen Scheinleistung entspricht der in der Schaltungumgesetzten Blindleistung (dies geschieht in der Spule):Q = Im S

• Es gilt also S = P + jQ. Für die Beträge bedeutet das S =√P 2 +Q2 (berechnet

mit Pythagoras).

Ebenfalls erkennt man am letzten Beispiel, dass S den selben Winkel besitzt, wie auchder Phasenverschiebungswinkel zwischen URL und IRL aufweist. Tatsächlich nden wirden selben Winkel in drei verschiedenen Zeigerbildern:

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5.8. Leistung in Wechselstromkreisen

1. Zwischen I und U ,

2. zwischen R und Z, und

3. zwischen P und S.

ϕ

U

I

ϕS:Scheinleistung

P : Wirkleistung

Q:Blindleistung

ϕ

R

ZjωL

Leistungsfaktor λ

In der Praxis kann man oft nur die Beträge von Strom und Spannung messen (z. B.mit herkömmlichen Multimetern). Misst man nun also die Beträge von Strom undSpannung an einem Verbraucher, so kann man sich nur die Scheinleistung ausrechnen:S = U · I. Um dennoch Aussagen über die Wirkleistungsaufnahme treen zu können,gibt der Hersteller oft den Leistungsfaktor λ an. Dieser beschreibt, wie groÿ der Wirk-leistungsanteil an der Scheinleistung ist. Gleichzeitig entspricht λ auch dem Cosinusdes Phasenverschiebungswinkels, wie man leicht an dem Zeigerbild von S, P und Qerkennen kann.

λ := cos(ϕ) =P

S

5.8.3. Blindleistungskompensation

Blindleistung führt nur zu nutzlosen Strömen auf den Versorgungsleitungen. Technischnutzen können wir sie nicht. Zum Glück kann man sie dadurch ausgleichen, dass eineInduktivität positive Blindleistung aufnimmt und ein Kapazität negative. Wir betrach-ten die folgende RL-Schaltung:

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5. Wechselstromschaltungen

UL

UR

L

R

U

IC

C UC = U

I IRL

load

UL

IC

UR

U

I

IRL

• Die ohmsch-induktive Lastnimmt Wirk- und Blindleis-tung auf.

• Die Blindleistung führt nurzu höheren Leitungsströmen,hat aber keinen sinnvollenNutzen.

• Durch das Parallelschalteneines Kondensators kanndie Blindleistungsaufnah-me der Spule kompensiertwerden, denn der Kon-densator nimmt negativeBlindleistung auf, die Spulepositive.

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5.9. Drehstrom

5.9. Drehstrom

Die Generatoren in unseren Stromkraftwerken besitzen auf ihrem Rotor drei Wicklun-gen, die geometrisch um 120 versetzt angeordnet sind.In jede Wicklung wird eine Wechselspannung induziert (230V, 50Hz), die drei Span-

nungen sind jedoch zueinander um je 120 phasenverschoben:

u1(ωt) u2(ωt) u3(ωt)

120 240 360

ωt

Die drei Wechselspannungsquellen werden zu einer Sternschaltung zusammengeschal-tet:

U2N

U3NU1N

1

3

2

N

Die drei Spannungen U1N, U2N und U3N werden auch Strangspannungen genannt.Deniert man die Phase von U1N als Nullphasenwinkel, so ergibt sich

U1N = UY e j0

U2N = UY e− j120

U3N = UY e− j240 = UY e j120

mit UY = 230 V.

(In einer ganz normalen Haushaltssteckdose nden wir in den Löchern übrigens aufder einen Seite den Nullleiter N und auf der anderen Seite eine der Phasen 1, 2 oder 3wieder.)Nun wollen wir uns überlegen, wie groÿ die Spannungen zwischen den äuÿeren Punk-

ten unserer Drehstromquelle (Auÿenleiterspannungen genannt) sind.

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5. Wechselstromschaltungen

U2N

U3NU1N

U12

U31

U231

3

2

N

Wir zeichnen ein potential- und phasenrichtiges Zeigerbild der sechs Spannungen:

U12

U31

U23

U1N

U3N

U2N

Es ist zu erkennen, dass oenbar ein festes Verhältnis zwischen den Beträgen und denPhasenwinkeln existiert. Die Winkel in der Mitte betragen alle 120. Daraus ergibtsich, dass zB der Winkel zwischen U1N und U12 30 betragen muss.Um den Betrag der Auÿenleiterspannungen zu bestimmen, betrachten wir einen Aus-

schnitt des Zeigerbilds genauer:

U1N

U31

60

UY

U∆/2 30

U3N

Aus dem eingezeichneten Dreieck ist ersichtlich, dass gilt

cos(30) =U∆/2

UY

.

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5.9. Drehstrom

Daraus folgt

U∆ = 2UY cos(30) =√

3UY.

5.9.1. Zusammenfassung

Für die Strangspannungen gilt:

U1N = UY e j0 (5.1)

U2N = UY e− j120 (5.2)

U3N = UY e− j240 = UY e j120 (5.3)

mit UY = 230 V.

Für die Auÿenleiterspannungen gilt:

U12 = U∆ e j30 , (5.4)

U23 = U∆ e− j90 , (5.5)

U31 = U∆ e j150 , (5.6)

mit U∆ =√

3UY = 400 V. (5.7)

5.9.2. Beispiel 1

Gegeben ist folgende Schaltung:

I2

I3

I0

I1

U1NL

L

U3N

U2N

L

Die Wechselspannungsquellen sind im Stern verschaltet und bilden ein Drehstrom-Erzeugersystem:U1N = UY e j0 , U2N = UY e− j120 , U3N = UY e− j240 ,mit UY = 230 V.

Berechnen Sie die Stöme I1, I2, I3 und I0.

Lösung Da die Sternpunkte von Quelle und Last miteinander verbunden sind, fälltan jeder Impedanz der Last genau eine der Strangspannungen ab.

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5. Wechselstromschaltungen

Damit lassen sich die Ströme I1, I2 und I3 folgendermaÿen berechnen:

I1 =U1N

jωL=

UY e j0

ωL e j90=UY

ωLe− j90 ,

I2 =U2N

jωL=UY e− j120

ωL e j90=UY

ωLe− j210 =

UY

ωLe j150 ,

I3 =U3N

jωL=UY e− j240

ωL e j90=UY

ωLe− j330 =

UY

ωLe j30 .

Der Strom I0 lässt sich mit dem Knotensatz berechnen:

I0 = −(I1 + I2 + I3)

=UY

ωL

(e− j90 + e j150 + e j30

).

Wir wollen nun betrachten, was die Summe der e-Funktionen ergibt. Hierfür zeichnenwir die drei Zahlen in die komplexe Zahlenebene ein:

e− j90

e j150

e j30

−90

30

150

Es zeigt sich, dass die Summe der e-Funktionen Null ergibt. Das bedeutet

I0 = −(I1 + I2 + I3) = 0.

Dies ist eine wichtige Erkenntnis.

Merke: Ist eine sternförmig verschaltete Last symmetrisch (d.h. alle dreiElemente der Last sind identisch), benden sich die Sternpunkte von Quelleund Last auf dem selben Potential!

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5.9. Drehstrom

5.9.3. Beispiel 2

Gegeben ist folgende Schaltung:

I2

I3

I1

U1N

R

R

R

U3N

U2N

Die Wechselspannungsquellen bilden ein Drehstrom-Erzeugersystem:U1N = UY e j0 , U2N = UY e− j120 , U3N = UY e j120 ,mit UY = 230 V.

Berechnen Sie die Stöme I1, I2 und I3.

Lösung Aus der vorherigen Aufgabe wissen wir, dass sich die Sternpunkte von Quelleund Last auf dem selben Potential benden, wenn die Last symmetrisch ist. Dies isthier der Fall.Es macht also keinen Unterschied, ob die Sternpunkte mit einem Leiter verbunden sindoder nicht, durch den Leiter würde ohnehin kein Strom ieÿen.Um uns die Rechnung zu erleichtern, zeichnen wir einen Leiter mit ein:

I2

I3

I1

U1N

R

R

R

I0 = 0U3N

U2N

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5. Wechselstromschaltungen

Nun sehen wir, dass sich die Ströme auf sehr einfache Weise berechnen lassen:

I1 =U1N

R=UY

Re j0 ,

I2 =U2N

R=UY

Re− j120 ,

I3 =U3N

R=UY

Re j120 .

5.9.4. Beispiel 3

Gegeben ist folgende Schaltung:

I2

I3

I0

I1

U1N

C

L

U2N

ZU3N

Die Wechselspannungsquellen bilden ein Drehstrom-Erzeugersystem:U1N = UY e j0 , U2N = UY e− j120 , U3N = UY e j120 ,mit UY = 230 V.Die Werte von L und C sind bekannt.

Dimensionieren Sie Z so, dass I0 = 0.

Lösung Zunächst berechnen wir die Ströme I1, I2 und I3:

I1 =U1N

jωL=

UY e j0

ωL e j90=UY

ωLe− j90 ,

I2 =U2N

Z=UY e− j120

Z,

I3 = U3N · jωC = UY e j120 · ωC e j90 = UYωC e j210 .

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5.9. Drehstrom

Der Knotensatz liefert

−I0 = I1 + I2 + I3

= 0 (Forderung der Aufgabenstellung).

⇒ 0 =UY

ωLe− j90 + UYωC e j210 +

UY e− j120

Z

− 1

Ze j120 =

1

ωLe− j90 + ωC e j210

e j180 1

Ze j−120 =

1

ωLe− j90 + ωC e j210

1

Z=

(1

ωLe− j90 + ωC e j210

)e− j60

Z =1

1ωL

e− j150 + ωC e j150.

5.9.5. Beispiel 4

Gegeben ist folgende Schaltung:

I2

I3

I1

U1N

C

LUL

U3N

U2N

RUC

UR

Die Wechselspannungsquellen bilden ein Drehstrom-Erzeugersystem:U1N = UY e j0 , U2N = UY e− j120 , U3N = UY e j120 ,mit UY = 230 V.Die Werte von L, R und C sind bekannt.

Berechnen Sie die Stöme I1, I2 und I3, sowie die Spannungen UL, UR und UC .

Lösung Dies ist der komplizierteste Fall einer Drehstromaufgabe. Die Last ist nichtsymmetrisch und die Sternpunkte sind nicht miteinander verbunden. Unser Problemhat sechs Unbekannte: I1, I2, I3, UL, UR und UC . Wir müssen also sechs unabhängigeGleichungen nden, um das Problem lösen zu können.

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5. Wechselstromschaltungen

13: die Bauelementgleichungen:

UL = jωLI1,

UC =1

jωCI2,

UR = RI3.

4: der Kirchhosche Knotensatz:

I1 + I2 + I3 = 0.

56: der Kirchhosche Maschensatz:

III

U12 = UL − UR,

U31 = UC − UL.

mit U12 = U∆ e j30 ,

U31 = U∆ e j150 ,

U∆ =√

3UY = 400 V.

Die Aufgabe ist nun durch triviale mathematische Umformungen lösbar. An dieserStelle wird auf die (zugegebenermaÿen längere) Rechnung verzichtet.

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5.10. Transformator

5.10. Transformator

Ein Transformator (oder kurz Trafo) besteht aus mehreren magnetisch gekoppeltenSpulen, welche (in den meisten Fällen) auf einen gemeinsamen Eisenkern gewickeltsind. Wir betrachten im Folgenden nur den 1-phasigen Transformator, der auf derPrimärseite N1 Windungen besitzt und auf der Sekundärseite N2 Windungen.

N2N1

Φ

U1

I1

I2

U2

Der Zusammenhang zwischen den Spannungen und Stömen auf der Primär- und Se-kundärseite lässt sich über die Betrachtung des magnetischen Kreises berechnen. Dauns an dieser Stelle noch das notwendige Fachwissen fehlt, verzichten wir auf die Herlei-tung der einzelnen Formeln. Der T-Ersatzschaltbild des Transformators ist auch ohneein tiefes Verständnis für die inneren Vorgänge recht anschaulich nachzuvollziehen.

5.10.1. Idealer Transformator

Ein idealer Transformator besitzt keine Verluste. Das Verhältnis der Spannung aufPrimär- und Sekundärseite wird direkt über das Verhältnis der Windungszahlen be-stimmt:

U1

U2

=N1

N2

= u.

u wird auch Übersetzungsverhältnis genannt.

U1

I1 I2

U2

u

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5. Wechselstromschaltungen

Ein Transformator wird in den meisten Fällen dazu verwendet, eine Spannung zu än-dern. So lassen sich z. B. elektronische Geräte an einer Steckdose betreiben, die nureine vergleichsweise geringe Spannung benötigen.Wir schlieÿen nun einen Lastwiderstand an einen idealen Trafo an:

U1

I1 u I2

RL U2

Auf der Primärseite liegt die Spannung U1 an, es ieÿt der Strom I1. Der Trafo nimmtalso die Leistung P = U1 · I1 auf. Da er verlustlos ist, muss diese Leistung im Lastwi-derstand RL umgesetzt werden. Damit lässt sich der sekundärseitige Strom berechnen:

U1 · I1 = U2 · I2

U1 · I1 =U1

u· I2

⇒ I2 = u · I1.

Auf der Sekundärseite wird der Strom I2 durch die Spannung U2 und den Lastwider-stand RL bestimmt. Es gilt

RL =U2

I2

.

Wir können dies auch über die Primärgröÿen ausdrücken:

RL =U1/u

u · I1

=1

u2· U1

I1

→ u2RL =U1

I1

.

Für die Primärseite fühlt es sich also so an, als sei sie direkt mit einem WiderstandR′L = u2 ·RL verbunden.

I1

U1R′L = u2 ·RL

5.10.2. T-Ersatzschaltbild

Leider gibt es keine idealen Transformatoren. Die Wickungen auf Primär- und Se-kundärseite haben ohmsche Widerstände, zudem breitet sich ein Teil des von ihnenerzeugten magnetischen Flusses nicht im Trafokern, sondern in der Luft aus und trägt

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5.10. Transformator

nichts zur Energieübertragung bei. Und auch der Kern sorgt für Verluste, denn durchdie permanenten Ummagnetisierungen wird er warm. All diese Eekte werdem im T-Ersatzschaltbild berücksichtigt:

Hystereseverluste,Wirbelstromverluste,

usw.

RFe Lh

L1σ L′2σ R′2R1

U ′2

I ′2I1

Primärseite ktive Sekundärseite

U1

u

idealerTrafo

I2

U2

Sekundärseite

Φ

Φ2σΦ1σohmschen Verlusten

Kupferdrähte mitU1 U2

I1

I2

Die Ohmschen Widerstände R1 und R′2 repräsentieren die Verluste in den Drahtwick-lungen (ohmsche Verluste, Stromverdrängung). Der von den Wicklungsströmen ver-ursachte magnetische Fluss Φ wird hauptsächlich im Eisenkern geführt (im Ersatz-schaltbild repräsentiert durch Lh) und verkoppelt die Stromkreise der Primär- undSekundärseite. Ein Teil des Flusses breitet sich jedoch in der Luft aus und trägt nichtzur Kopplung bei, was durch die beiden Streuinduktivitäten L1σ und L′2σ nachgebil-det wird. Auch im Eisenkern treten Verluste auf. Hier sind vorrangig Hysterese- undWirbelstromverluste zu nennen. Sämtliche Eisenverluste werden im Widerstand RFe

zusammengefasst.

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5. Wechselstromschaltungen

Den idealen Trafo in dem obigen Ersatzschaltbild zeichnet man häug nicht mit:

RFe Lh

L1σ L′2σ R′2R1

U ′2

I ′2I1

Primärseite

U1 Z ′L

ktive Sekundärseite

Bei den Gröÿen auf der ktiven Sekundärseite (L′2σ, R′2, U

′2 und I ′2) handelt es sich

um Ersatzgröÿen, die es ermöglichen die unterschiedlichen Strom- und Spannungslevelder beiden Transformatorseiten in einem Schaltbild zu betrachten. Zwischen den realenund ktiven Gröÿen der Sekundärseite bestehen folgenden Zusammenhänge:

R′2 = u2 ·R2

L′2σ = u2 · L2σ

Z ′L = u2 · ZL

U ′2 = u · U2

I ′2 =1

u· I2

5.10.3. T-Symmetrie

Die Querschnitte der Drähte, die man für die Trafowicklungen benutzt, müssen für dendort ieÿenden Strom ausgelegt sein. Ein Trafo, der die Spannung herunter transfor-miert, besitzt primärseitig viele dünne Windungen und sekundärseitig wenige dicke.Bei einem sinnvoll dimensionierten Trafo liegt die sogenannte T-Symmetrie von:

R1 = R′2L1σ = L′2σ

5.10.4. Vermessen eines realen Trafos

Die sechs Elemente des T-Ersatzschaltbildes lassen mit Hilfe zweier einfacher Messun-gen bestimmen.

Leerlauf-Versuch

Bei dem Leerlaufversuch wird der Trafo auf der Primärseite mit seiner Nennspan-nung U1N betrieben, auf der Sekundärseite läuft er leer (es ist also sekundärseitignichts angeschlossen).

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5.10. Transformator

Lh

L1σ L′2σ R′2R1

I1L

U1N

≈ 0 V

U ′2L ≈ U1N

= 0 V

RFe≈ U1N

I ′2 = 0

Für die weitere Betrachtung muss man sich darüber im klaren sein, dass R1 RFe

(die Wicklungsverluste sind gegenüber der Eisenverluste vernachlässigbar) und L1σ Lh (die Streuinduktivität ist gegenüber der Hauptinduktivität vernachlässigbar). Diesbewirkt, dass im Ersatzschaltbild nahezu die gesamte Spannung U1N an RFe und Lh

abfällt.Übrig bleibt das Leerlauf-Ersatzschaltbild (LL-ESB):

LhRFe

I1L

U1N

In der Praxis kann man nun U1N und I1L (also die Beträge) messen und benötigt eineweitere Gröÿe. Entweder misst man die im Transformator umgesetzte Wirkleistung PL,oder den Phasenverschiebungswinkel ϕL zwischen U1N und I1L.

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5. Wechselstromschaltungen

1. Durch Messung der Wirkleistung P berechnen sich die Bauelemente wie folgt:

PL =U2

1N

RFe

→ RFe =U2

1N

PL

QL =√S2

L − P 2L

=√

(U1N · I1L)2 − P 2L

ωLh =U2

1N

QL

→ Lh =U2

1N

ωQL

2. Bei Kenntnis des Phasenverschiebungswinkels ϕL lassen sich Wirk- und Blind-leistung wie folgt berechnen:

PL = U1N · I1L · cos(ϕL),

Qh = U1N · I1L · sin(ϕL).

Die Bauelemente berechnen sich hieraus wie oben gezeigt.

Kurzschluss-Versuch

Als zweites führt man den Kurzschlussversuch durch. Hierbei wird die Sekundärseitedes Trafos kurzgeschlossen. Es wäre jetzt eine doofe Idee, primärseitig Nennspannunganzulegen! Stattdessen wird die primärseitige Spannung langsam erhöht, bis der Nenn-strom ieÿt (was schon bei sehr kleinen Spannungen passiert!). Der Strom im Ersatz-schaltbild wird nun nahezu komplett durch die Längsimpedanzen ieÿen, denn es giltja R1 RFe und L1σ Lh.

Lh

L1σ L′2σ R′2R1

I1N

U1kI ′2 ≈ I1NRFe

I ≈ 0 A

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5.10. Transformator

Dadurch erhalten wir das Kurzschluss-Ersatzschaltbild (KS-ESB):

L1σ L′2σ R′2R1

I1N

U1k

Da wir von T-symmetrischen Trafos ausgehen (R1 = R′2, L1σ = L′2σ) können wir dasKS-ESB weiter vereinfachen:

LkRk

I1N

U1k

Hierbei ist

Rk = R1 +R′2 = 2R1,

Lk = L1σ + L′2σ = 2L1σ,

Wieder messen wir U1k und I1N, sowie die Wirkleistung Pk oder den Phasenverschie-bungswinkel ϕk.

1. Bei Messung der Wirkleistung Pk berechnen sich die Bauelemente wie folgt:

Pk = I21N ·Rk

→ Rk =Pk

I21N

Qk =√S2

k − P 2k

=√

(U1k · I1N)2 − P 2k

Lk =1

ω· Qk

I21N

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5. Wechselstromschaltungen

2. Bei Kenntnis des Phasenverschiebungswinkels ϕ berechnen sich die Bauelementewie folgt:

Rk =U1k

I1N

· cos(ϕk),

Lk =1

ω· U1k

I1N

· sin(ϕk).

Abschlieÿend lassen sich nun die Elemente des Erstzschaltbildes, sowie der sekundärsei-tige Wicklungswiderstand R2 und die sekundärseitige Streuinduktivität L2σ berechnen:

R1 =Rk

2,

R′2 =Rk

2,

R2 =R′2u2.

L1σ =Lk

2,

L′2σ =Lk

2,

L2σ =L′2σu2

.

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6. Elektrische und magnetischeFelder

6.1. Stationäres elektrisches Strömungsfeld

Bisher sind wir in elektrischen Netzwerken von konzentrierten Bauelementen ausge-gangen. Dies bedeutet, dass man z. B. einen ohmschen Widerstand R darauf reduziert,dass durch ihn ein Strom I ieÿt und eine Spannung U an ihm abfällt. Die drei Gröÿensind über das Ohmsche Gesetz miteinander verknüpft: R = U/I.Hier soll nun betrachtet werden, wie sich der Strom über die Querschnittsäche eines

Widerstandskörpers verteilt.

6.1.1. Benötigte Formeln

I =x

A

~J · d ~A (6.1)

~E =1

κ~J (6.2)

UP1→P2 =

P2∫

P1

~E · d~s (6.3)

R =U

I(6.4)

Die Bedeutung der Variablen wird in den nächsten Abschnitten erläutert.

Strom und Stromdichte, Gleichung (6.1)

Die elektrische Stromdichte ~J ist ein Maÿ für den Strom dI, der durch eine innitisimalkleine Fläche dA ieÿt

~J =dI

dA~eI .

Gemäÿ Gl. (6.1) ist der Gesamtstrom I das Integral der Stromdichte ~J über eineQuerschnittsäche A des Leiters.

143

6. Elektrische und magnetische Felder

Die Rechnung vereinfacht sich sehr stark, wenn man eine Äquipotentialäche alsIntegrationsäche wählt. Dies ist eine Fläche, auf der alle Feldlinien von ~J senkrechtstehen, siehe Abb. 6.1.

Id ~A

~J

I

Abbildung 6.1.: Wahl einer geeigneten Integrationsäche zur Anwendung von Gl. (6.1).

Dadurch dass nun die Feldlinien der Stromdichte ~J und die Flächennormalenvekto-ren d ~A parallel zueinander stehen, vereinfacht sich Gl. (6.1), denn das Skalarproduktvon parallelen Vektoren ergibt das Produkt ihrer Beträge:

I =x

A

J · dA.

Für den Fall, dass zusätzlich J auf der gesamten Fläche konstant ist, lässt sich J vordas Integral ziehen und die Gleichung vereinfacht sich weiter

I = J ·x

A

dA,

I = J · A. (6.5)

Für den Fall, dass die Stromdichte ~J auf einer Äquipotentialäche A konstantist, lässt sie sich mit Hilfe von Gl. (6.5) direkt angeben:

J =I

A.

Dies ist dann der Fall, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

1. Die Leitfähigkeit κ ist konstant auf A,

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6.1. Stationäres elektrisches Strömungsfeld

2. die Feldlinien von ~J verlaufen parallel zueinander,

3. die Feldlinien von ~J sind gleich lang.

Elektrisches Feld und elektrische Stromdichte, Gleichung (6.2)

Die elektrische Feldstärke ~E ist ein Maÿ für die Kraft, mit der an Ladungsträgern ge-

zogen wird. Sie ist gemäÿ Gl. (6.2) über die elektrische Leitfähigkeit κ mit der Strom-dichte ~J verknüpft. Die Bedeutung ist sehr anschaulich, wenn man die Formulierung

~J = κ~E

wählt: Wird mit konstanter Kraft an den Ladungsträgern gezogen, so wird bei einergröÿeren Leitfähigkeit κ der Stromuss gröÿer sein.

Elektrische Spannung und elektrisches Feld, Gleichung (6.3)

Die elektrische Spannung U zwischen zwei Punkten erhält man, wenn man die elektri-sche Feldstärke ~E entlang eines Weges zwischen beiden Punkten integriert. Wählt manals Weg den Verlauf einer Feldlinie, so vereinfacht sich Gl. (6.3) folgendermaÿen (sieheauch Abb. 6.2):

UP1→P2 =

P2∫

P1

~E · d~s,

UP1→P2 =

P2∫

P1

E · ds.

I I~E

d~s

Abbildung 6.2.: Wahl eines geeigneten Integrationswegs zur Anwendung von Gl. (6.3).

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6. Elektrische und magnetische Felder

Für den Fall, dass zusätzlich die elektrische Feldstärke E entlang des Weges konstantist (κ konstant entlang einer Feldlinie, Feldlinien verlaufen parallel, Feldlinien sindgleich lang), lässt sich E vor das Integral ziehen und man erhält

UP1→P2 = E ·P2∫

P1

ds,

UP1→P2 = E · d. (6.6)

Hierbei ist d die Länge des Integrationswegs.

Elektrischer Widerstand, Gleichung (6.4)

Hat man mit Hilfe der Gleichungen (6.1)(6.3) den Strom I und die Spannung Ubestimmt, lässt sich über das Ohmsche Gesetz, Gl. (6.4) der elektrische Widerstandder Anordnung berechnen.

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6.1. Stationäres elektrisches Strömungsfeld

6.1.2. Beispiele

Die Anwendung der Gleichungen (6.1)(6.4) wird im Folgenden anhand von Beispielenerläutert.

Geschichtetes Leitermaterial, Reihenschaltung

Ein Strom I ieÿt über ideal leitende Kontaktächen durch die Reihenschaltung zweierleitender Materialien κ1 und κ2. Um die Stromdichte nach Gl. (6.1) berechnen zu

I Iκ1 κ2

Abbildung 6.3.: Geometrische Anordnung der in Reihe geschalteten Materialien κ1

und κ2.

können, wählt man eine Integrationsäche gemäÿ Abb. 6.1. Da die Leitfähigkeit κ überdie Fläche konstant ist und aufgrund der Geometrie auch die Stromdichte J auf derFläche konstant sein wird, lässt sich Gl. (6.1) zu Gl. (6.5) vereinfachen:

J =I

A,

siehe auch Abb. 6.4.

I I

~J

Abbildung 6.4.: Die elektrische Stromdichte ~J ist konstant.

Aus der Stromdichte lässt sich nun mit Gl. (6.2) das elektrische Feld berechnen. Es istaufgrund der unterschiedlichen Leitfähigkeiten in beiden Raumgebieten unterschiedlich.

E1 =1

κ1

J

E2 =1

κ2

J

Die Berechnung der elektrischen Spannung und des ohmschen Widerstands kanndirekt mit Hilfe der Gleichungen (6.3) und (6.4) erfolgen.

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6. Elektrische und magnetische Felder

I I

~J

~E1

~E2

Abbildung 6.5.: Die elektrische Feldstärke ~E ist in beiden Raumgebieten unterschied-lich.

Geschichtetes Leitermaterial, Parallelschaltung

In diesem Beispiel sind zwei leitende Materialien als Parallelschaltung angeordnet, sie-he Abb. 6.6. Der Stom I und die Spannung U seien bekannt. Die Stromdichte lässt sich

I I

κ1

κ2

U

Abbildung 6.6.: Geometrische Anordnung der parallel geschalteten Materialien κ1

und κ2.

jetzt nicht mehr einfach über Gl. (6.5) bestimmen, denn auf einer Äquipotentialächegemäÿ Abb. 6.1 ist die Leitfähigkeit nicht konstant. Allerdings treen die Bedingun-gen zu, dass entlang einer ~E-Feldlinie die Leitfähigkeit konstant ist, alle ~E-Feldlinienparallel zueinander verlaufen und die selbe Länge besitzen, siehe Abb. 6.7. Für dieelektrische Feldstärke gilt also gemäÿ Gl. (6.6)

E =U

d.

Für die Stromdichte ergibt sich nach Gl. (6.2)

J = κE,

siehe auch Abb. 6.8.

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6.1. Stationäres elektrisches Strömungsfeld

I I

~E

Abbildung 6.7.: Die elektrische Feldstärke ~E ist konstant.

I I

~J1

~J2

~E

Abbildung 6.8.: Die elektrische Stromdichte ~J ist in beiden Raumgebieten unterschied-lich

Der Strom I, kann mit Hilfe von Gl. (6.1) bestimmt werden, wobei man ausnutzenkann, dass die Stromdichte auf den beiden Teilquerschnittsächen jeweils konstant ist.

I = J1 · A1 + J2 · A2.

Der elektrische Widerstand der Anordnung berechnet sich nun aus dem OhmschenGesetz (Gl.(6.4)):

R =U

I.

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6. Elektrische und magnetische Felder

6.1.3. Relevante Geometrien

In den folgenden Abschnitten sind die in Rahmen der GET-Lehrveranstaltung betrach-teten Geometrien vorgestellt. Beispielhaft sind jeweils eine Äquipotentialäche (blau)und eine Feldlinie (rot) eingezeichnet. Teilweise ist in den Beispielen die elektrischeLeitfähigkeit κ nicht konstant, sondern hängt von einer (oder mehreren) Richtung(en)ab, in den Abbildungen durch unterschiedliche Graustufen dargestellt. Die Änderungder Leitfähigkeit muss nicht sprunghaft stattnden (wie man fälschlicherweise auf-grund der Abbildungen vermuten könnte), sondern kann kontinuierlich erfolgen (ineiner Übungsaufgabe wäre dann eine Formel für κ angegeben).

Parallele Platten

Gegeben sind zwei ideal leitende rechteckige Platten (Höhe: h, Breite b), die paral-lel (Abstand d) zueinander stehen. Zwischen den Platten bendet sich ein leitfähigerWerksto.

~ez~ex

~ey

~ez~ex

~ey

I

~ez~ex

~ey

I II I I

I = J · A I = J · AU = E · d

U = E · d

E = Ud

I =b∫

z=0

h∫y=0

J(y, z) · dy dz

J(y, z) = κ(y, z) · E

J = Ib·h J = I

b·h

U =d∫

x=0

E(x) · dx

E(x) = Jκ(x)

E = Jκ

κ = const κ = κ(y, z) κ = κ(x)

150 Dieses Skript nden Sie gratis auf www.stefan-schenke.de/get

6.1. Stationäres elektrisches Strömungsfeld

Zylindergeometrie

Zwei ideal leitende Rohre der Länge l und den Radien ρi und ρa stecken konzentrischinneinander. Zwischen ihnen bendet sich ein leitfähiger Werksto.

U =ρa∫

ρ=ρi

E(ρ) · dρ

I

I

I

I

I

I

In GET wird Ihnen nur der Fallbegegnen, dass es verschiedeneGebiete mit jeweils konstanter

Sie separat betrachten. Beachten

identisch ist.

Leitfähigkeit gibt.Diese Raumbereiche können

Sie, dass ~E(ρ) in jedem Bereich

J(ρ) = I2πρl

I = J(ρ) · A(ρ)

U = Iκ2πl

ln(ρaρi

)

J(ρ) = I2πρl

U =ρa∫

ρ=ρi

Iκ(ρ)2πρl

· dρ

U =ρa∫

ρ=ρi

E(ρ) · dρ

I = J(ρ) · A(ρ)

U =ρa∫

ρ=ρi

Iκ2πρl

· dρ

κ = const κ = κ(ρ) κ = κ(z)

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6. Elektrische und magnetische Felder

Kugelgeometrie

Zwei ideal leitende Kugeln mir den Radien ri und ra stecken konzentrisch inneinander.Zwischen ihnen bendet sich ein leitfähiger Werksto.

I = J(r) · A(r)

J(r) = I4πr2

U = I2πκ

(1ri− 1

ra

)

I = J(r) · A(r)

J(r) = I4πr2

U =ra∫ri

J(r)κ(r)

drU =ra∫ri

J(r)κ

dr

In GET wird Ihnen nur der Fallbegegnen, dass es verschiedeneGebiete mit jeweils konstanterLeitfähigkeit (z. B. Halbkugeln)gibt. Diese Raumbereiche könnenSie separat betrachten. BeachtenSie, dass ~E(r) in jedem Bereichidentisch ist.

κ = κ(r) κ = κ(ϕ, θ)κ = const.

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6.2. Elektrostatik

6.2. Elektrostatik

In der Elektrostatik ieÿt kein Strom, alle Ladungen bleiben statisch auf ihrer Positi-on. Dass sich gleichartige Ladungen anziehen und gegensätzliche Ladungen abstoÿen,können wir uns mit Hilfe von Feldern erklären.

6.2.1. Benötigte Formeln

Q =

A

~D · d ~A (6.7)

~E =1

εrε0

~D (6.8)

UP1→P2 =

P2∫

P1

~E · d~s (6.9)

C =Q

U(6.10)

Die Bedeutung der Variablen wird in den nächsten Abschnitten erläutert.

Elektrische Ladung und elektrische Flussdichte, Gleichung (6.7)

Wir Ingenieure haben die elektrische Flussdichte ~D erfunden. (Physiker kommen ohnesie aus und arbeiten nur mit der elektrischen Feldstärke ~E.) Die ~D-Feldlinien ent-springen einer positiven Ladung und enden in einer negativen. Ist keine Gegenladungvorhanden, breiten sich die Feldlinien radial um die Ladung aus und enden im Unend-lichen.

~D

Die Gleichung (6.7) besagt nun das Folgende: Legen wir um eine Ladungsmenge einein sich geschlossene Hülläche (das ist eine Fläche ohne Rand, wie das Leder eines

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6. Elektrische und magnetische Felder

Fuÿballs) und integrieren wir über die elektrische Flussdichte, welche durch die Flächetritt, so entspricht das Ergebnis der Menge der freien Ladungen im von der Hüllächeeingeschlossenen Volumen.

In der folgenden Abbildung wird dies verdeutlicht. Der Einfachheit halber gehen wir(fälschlicherweise) davon aus, dass jeder positiven Ladung eine Feldlinie entspringt unddiese in einer negativen Ladung oder im Unendlichen endet. Zählen wir die Anzahl derFeldlinien, welche die eingezeichnete Hülläche durchstoÿen (es sind drei), so entsprichtdies der Anzahl der freien Ladungsträger im Volumen.

~D

~D

~D

~D

d ~A

d ~A

d ~A

A

Es ist grundsätzlich egal, welche Form die Hülläche besitzt. Es bietet sich jedochan, die Fläche so zu wählen, dass sie von den Feldlinien senkrecht durchstoÿen wird.Hierfür gilt die selbe Argumentation wie bei dem elektrischen Strömungsfeld.

Elektrische Flussdichte und elektrische Feldstärke, Gleichung (6.8)

Die elektrische Flussdichte ~D ist über die Materialeigenschaften des Mediums mit derelektrischen Feldstärke ~E verknüpft. Hierbei ist ε0 = 8, 8541878... · 10−12 A s

V mdie Di-

elektrische Feldkonstante des freien Raums und εr die relative Permittivität. Für denfreien Raum ist εr = 1, für Materie gilt εr > 1.

Elektrische Spannung und elektrische Feldstärke, Gleichung (6.9)

Hierbei handelt es sich um die selbe Formel wie wir sie bereits vom elektrischen Strö-mungsfeld her kennen.

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6.2. Elektrostatik

Die Kapazität

Die Kapazität C eines Kondensators (oder einer kapazitiven Anordung) ist deniertüber die Ladungsmenge Q, welche auf einer Kondensatorplatte gespeichert ist, wenndie Spannung U zwischen den Platten abfällt.

6.2.2. Beispiele

Grundsätzlich verhalten sich Aufgabenstellung zur Elektrostatik absolut genauso wiesolche zum elektrischen Strömungsfeld. Darum sollen hier nur zwei kurze Beispiele ohneRechnung angeführt werden.

Beispiel 1: Zylinderkondensator mit radial geschichteten Dielektrika

Zwischen dem Innen- und dem Auÿenleiter eines Zylinderkondensators benden sichzwei verschiedene Dielektrika, welche radial geschichtet sind. Das äuÿere Dielektrikumbesitzt eine geringere Permittivität, als das innere. Der Kondensator sei geladen, dasbedeutet, es bendet sich auf der inneren Elektrode die Ladungsmenge Q, auf deräuÿeren −Q. Aufgrund der Geometriebedingungen gibt es für die Ladungen keinenGrund, sich nicht gleichmäÿig auf den Elektrodenächen zu verteilen. In Folge dessenwird auch die elektrische Flussdichte nur von Radius % abhängen.

~D(%)

Der Betrag der elektrischen Feldstärke ~E wird sich jedoch laut Gleichung (6.8) an derGrenzäche sprunghaft ändern.

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6. Elektrische und magnetische Felder

~E2(%)

~E1(%)

~D(%)

Beispiel 2: Zylinderkondensator mit axial geschichteten Dielektrika

Anders verhält es sich, wenn sich das Dielektrikum in axialer Richtung ändert.

Zwischen den Kondensatorplatten liegt aufgrund der Ladung eine konstante Span-nung an. Egal in welchem Medium die Gleichung (6.9) angewendet wird, muss dasErgebnis identisch sein. Dies bedeutet, dass die elektrische Feldstärke ~E in beidenMedien identisch sein muss.

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6.2. Elektrostatik

~E(%)

Aus Gleichung (6.8) folgt, dass sich die elektrische Flussdichte in beiden Raumbereichenunterscheiden muss.

~E(%)

~D2(%) = ε2~E(%)~D1(%) = ε1

~E(%)

Dies wiederum bedeutet, dass sich die Ladungen asymetrisch auf den Elektroden desKondensators anordnen.

~D2(%) = ε2~E(%)~D1(%) = ε1

~E(%))

~E(%)

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6. Elektrische und magnetische Felder

6.3. Magnetisches Feld um einenstromdurchossenen Leiter

Aus dem Schul-Physikunterricht ist bekannt, dass sich um einen stromdurchossenenLeiter ein magnetisches Feld ~H ausbildet. Die Feldlinien von ~H sind hierbei konzentri-sche Kreise um den Leiter, die Orientierung des Feldes lässt sich mit der Rechte-Hand-Regel bestimmen: Der Daumen der rechten Hand zeigt in die Richtung des Stroms,die Finger zeigen in die Richung des Feldes.

I

~H

Wir stellen uns nun vor, wir hätten einen Leiter, durch den ein Gleichstrom ieÿt.Mit einer H-Feldsonde können wir die magnetische Feldstärke messen. Wir stellen fest,dass der Betrag von ~H nur vom Abstand zum Leiter abhängt. Nun fügen wir einenPlattenkondensator in die Leitung ein. Da auf der Leitung ein Gleichstrom ieÿt, wirdder Kondensator stetig geladen. Das bedeutet, dass sich eine Platte stetig positiv auf-lädt, die andere negativ. Die Ladungsdienrenz hat eine elektrische Flussdichte ~D zurFolge, welche stetig zunimmt.

Die verblüende Beobachtung, die wir machen können ist, dass wir mit der H-Feldsondenicht in der Lage sind, die Position des Kondensators zu bestimmen! Das magnetischeFeld in der Nähe des stromdurchossenen Leiters ist genauso groÿ wie neben der sichaufbauenden elektrischen Flussdichte!

I I

~H~H ~H

∂ ~D∂t

Dies führt uns zur allgemeinen Form des Durchutungsgesetzes.

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6.3. Magnetisches Feld um einen stromdurchossenen Leiter

Durchutungsgesetz:

∂A

~H · d~s =x

A

(~J +

∂ ~D

∂t

)· d ~A

=x

A

~J · d ~A

︸ ︷︷ ︸Durchflutung Θ

+d

dt

x

A

~D · d ~A

︸ ︷︷ ︸el. Fluss Ψ︸ ︷︷ ︸

Verschiebungsstrom

= Θ +dΨ

dt

Die linke Seite der Gleichung ist ein geschlossenes Wegintegral. Das bedeutet, dassman am Ende des Integrationsweges wieder am Startpunkt ankommt. Dieser geschlos-sene Weg umspannt eine Fläche A. Über diese Fläche wird auf der rechten Seite derGleichung integriert.

Den Term ∂ ~D∂t

habe ich hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. In der Regel möch-ten wir nicht das magnetische Feld um einen Kondensator berechnen. Der besagte Termwird erst in der Hochfrequenztechnik interessant. Um das magnetische Feld um einenstromdurchossenen Leiter zu berechnen, genügt die Formel

∂A

~H · d~s =x

A

~J · d ~A.

Wir werten zunächst die linke Seite aus. Hierfür wählen wir einen Integrationswegentlang einer Feldlinie, also einen konzentrischen Kreis um den Leiter.

d~s

I

~H

~H

d~s

d~s

~H

%

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6. Elektrische und magnetische Felder

An jedem Ort entlang des Weges gilt ~H|| d~s. Daraus folgt, dass das Ergebnis des Ska-larprodukts das Produkt der Beträge ergibt: ~H · d~s = H · ds.Da der Integrationsweg einen konstanten Abstand % zum Leiter besitzt, wird sich derBetrag von H entlang des Weges nicht ändern. Es gilt also:

∂A

~H · d~s =

∂A

H · ds = H ·∮

∂A

ds

Das Integral∮∂A

ds ergibt die Länge des Integrationsweges:

H ·∮

∂A

ds = H · 2π%.

Da wir eine Feldlinie auÿerhalb des Leiters betrachten, gilt

x

A

~J · d ~A = I.

Es gilt also H · 2π% = I. Somit erhalten wir den Betrag des magnetischen Feldes imAbstand % zu einem vom Strom I durchossenen Leiter:

H =I

2π%.

6.4. Magnetisches Feld in einemstromdurchossenen Leiter

Mit Hilfe des Durchutungsgesetzes möchten wir nun ausrechen, wie groÿ die magne-tische Feldstärke H innerhalb des Leiters ist. Hierfür nehmen wir an, dass der Leiter-querschnitt den Radius R besitzt und von einem Strom I durchossen wird.Die linke Seite des Durchutungsgesetzes können wir vollkommen analog wie obenbetrachten: ∮

∂A

~H · d~s =

∂A

H · ds = H ·∮

∂A

ds = H · 2π%.

Die rechte Seite erfordert mehr Überlegungen. Zunächst benötigen wir für die Formeldie Stromdichte ~J . Wir gehen davon aus, dass sich der Strom I gleichmäÿig über denLeiterquerschnitt verteilt. Somit gilt J = I

πR2 . Wir integrieren jedoch nur über jene

Fläche, die von der betrachteten ~H-Feldlinie umschlossen wird.

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6.4. Magnetisches Feld in einem stromdurchossenen Leiter

~J~J

~J

R

%

~H(%)Integrations-äche

Leiter-quer-

schnitt

Hierbei liegt die Fläche senkrecht zu der Stromdichte, der Flächennormalenvektor d ~Aist also parallel zu ~J .

~J~H d ~A

Es gilt also

x

A

~J · d ~A =x

A

J · dA =x

A

I

πR2· dA =

I

πR2·x

A

dA =I

πR2· π%2.

Nun fassen wir die beiden Seiten zusammen:∮

∂A

~H · d~s =x

A

~J · d ~A

→ H · 2π% =I

πR2· π%2

⇒ H =I

2πR2· % fur % ≤ R.

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6. Elektrische und magnetische Felder

6.5. Magnetische Flussdichte

Wir haben bereits kennengelernt, dass das magnetische Feld ~H von einem elektrischenStrom verursacht wird. Wenn wir den Einuss von Materie auf magnetische Phänomeneanalysieren möchten, vereinfacht es die Berechnungen, wenn wir eine zweite Feldgröÿeeinführen: Die magnetische Flussdichte ~B1. Im freien Raum gilt der Zusammenhang

~B = µ0~H.

Hierbei ist µ0 = 4π · 10−7 V sA m

die magnetische Feldkonstante.

6.5.1. Magnetische Kraft auf stromdurchossene Leiter

Bendet sich ein stromdurchossener Leiter im Feld eines Hufeisenmagneten, so wirktauf ihn die (Lorenz-)Kraft ~F , welche sowohl senkrecht auf der Richtung des Stromus-ses ~I als auch senkrecht auf der Richtung der magnetischen Flussdichte ~B steht:

~F = l · ~I × ~B.

Hierbei ist l die Länge des Leiterstücks, das sich im Feld des Magneten bendet.

~B

I

~F

Man kann die Lorenzkraft auch für eine einzelne Ladung Q angeben, die sich mit derGeschwindigkeit ~v durch ein magnetisches Feld bewegt:

~F = Q~v × ~B.

Wir nutzen also die Gröÿe magnetische Fussdichte ~B, um die Kraftwirkung auf beweg-te Ladungen zu beschreiben, während die magnetische Feldstärke ~H jene Feldgröÿedarstellt, die von elektrischen Strömen in Leitern verursacht wird.

1Analog zum elektrischen Feld ~E und der elektrischen Flussdichte ~D = ε0εr ~E.

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6.5. Magnetische Flussdichte

6.5.2. Magnetisierbare Materialien

Im Folgenden werden wir betrachten, was im Inneren von Materialien passiert, die wirumgangssprachlich magnetisch nennen. Hierfür müssen wir zunächst den magneti-schen Dipol einführen.Wir betrachten einen Strom I, der im Kreis um eine (kleine) Fläche A ieÿt. Der

Strom erzeugt eine magnetische Flussdichte ~B, welche den links skizzierten Verlaufaufweist:

~m

I

I

~Bµ0

A

Nun denieren wir eine neue Gröÿe: Das magnetische Moment ~m. Sein Betrag berech-net sich mit m = AI und seine Richtung kann mit der Rechte-Hand-Regel bestimmtwerden: Der Daumen zeigt in Richtung ~m und die Finger in Richtung von I. Auf denKreisstrom I wirkt im Magnetfeld ~B eine Kraft, die dazu führt, dass sich der Dipolzum Feld ausrichtet.

~m

I

~mI

~F

~F

~F

~F

~B

In einem magnetisierbaren Material sind viele solcher Kreisströme zu nden. Es han-delt sich um die Elektronen, die sich auf Kreisbahnen um die Atomkerne bewegen. ImPhysikunterricht in der Schule haben wir sie Elementarmagneten genannt. In einemunmagnetisierten Medium sind die magnetischen Dipole ungeordnet und ihre magne-tischen Felder heben sich gegenseitig auf.

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6. Elektrische und magnetische Felder

Wird das Medium nun durch ein äuÿeres Feld magnetisiert, richten sich die Dipole aus.

Um unterschiedliche Materialien charakterisieren zu können, führen wir die Magne-tisierung ~M ein, welche das magnetische Moment mit der Anzahl N der Dipole proVolumen V gewichtet:

~M =N

V~m.

Im magnetisierbaren Medium gilt also2

~B = µ0( ~H + ~M).

Da sich die Dipole nach dem äuÿeren (vom Leitungsstrom erzeugten) Feld ausrichten,gilt

~M = χ ~H,

wobei χ die (dimensionslose) magnetische Suszeptibilität genannt wird. Für ein linea-res und isotropes3 Medium gilt nun

~B = µ0( ~H + χ ~H)

= µ0 (1 + χ)︸ ︷︷ ︸µr

~H

= µ0µr~H

Polarisationsarten

Je nach Gröÿe von χ unterscheidet man zwischen

1. Paramagnetismus (0 < χ 1; µr > 1),

2. Diamagnetismus (χ < 0, |χ| 1; µr < 1) und

3. Ferromagnetismus (χ 1; µr 1).2Die Herleitung ist in Anhang C zu nden.3isotrop bedeutet richtungsunabhängig

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6.5. Magnetische Flussdichte

Sättigung magnetischer Materialien

Der Betrag der Magnetisierung ~M nimmt bei steigender magnetischer Feldstärke ~Hzu: ~M = χ ~H. Jedoch sind irgendwann alle magnetischen Dipole ausgerichtet, so dassdie Magnetisierung nicht weiter ansteigen kann.

H

M

Steigung: dMdH

= χ

Steigung: dMdH

= 0

Für die magnetische Flussdichte ~B = µ0( ~H + ~M) bedeutet dies, dass sie bei zuneh-mender magnetischer Feldstärke H zunächst stark ansteigt, jedoch nach Erreichen derSättigung der Flussdichtezuwachs bei weiter zunehmenden H-Feld nicht gröÿer ist alsim Vakuum.

H

B

Steigung: dBdH

= µ0(1 + χ) = µ0µr

Steigung: dBdH

= µ0

Eigenschaften ferromagnetischer Materialien

In ferromagnetischen Materialien sind die magnetischen Dipole nicht unabhängig von-einander ausgerichtet, sondern innerhalb der Weiÿ'schen Bezirke jeweils identisch aus-gerichtet. Diese Bezirke werden von den Blochwänden begrenzt. Im unmagnetisierenMedium heben sich die Felder der einzelnen Bezirke auf.

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6. Elektrische und magnetische Felder

Legt man nun ein äuÿeres magnetisches Feld an, so verschieben sich die Grenzen derBlochwände schlagartig, das heiÿt die Magnetisierung ~M ändert in einigen Raumbe-reichen plötzlich ihre Richtung. Bei weichmagnetischen Materialien ist dieser Eekt(mehr oder weniger) reversibel. In hartmagnetischen Materialien hingegen verharrendie Blochwände an ihrer neuen Position.

Auch nach Abschalten des äuÿeren H-Feldes bleibt dann die Remanenzussdichte be-stehen; das Material ist magnetisiert, wir haben einen Permanentmagneten gebaut.

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6.5. Magnetische Flussdichte

3Br

Hc

Neukurve

dB/ dH = µ0

41

2

B

H

Diesen Eekt nennt man Hysterese. Die oben stehende Hysteresekurve zeigt, wiedas zunächst unmagnetisierte Material (H = 0, B = 0) durch ein äuÿeres H-Feldin Sättigung gebracht wird À→Á. Schaltet man das H-Feld ab, so reduziert sich dieFlussdichte, jedoch geht sich nicht auf Null sondern nur bis zur Remanenzussdichte Br

zurück Â. Um das Material zu entmagnetisieren, muss man die Koerzitivfeldstärke Hc

in entgegengesetzter Richtung anlegen Ã.

In technischen Anwendungen (z. B. bei Transformatoren) nutzt man sinusförmigeWech-selströme, um den magnetischen Fluss im Kern zu erzeugen (hierbei vermeidet manes, den Kern bis in die Sättigung zu bringen, um einen möglichst linearen Zusammen-hang zwischen H und B zu behalten). Bei unserem 50Hz Stromnetz wird die Hyste-reseschleife also 50 mal pro Sekunde durchlaufen. Darum verwendet man für Trafosweichmagnetische Materialien mit einer möglichst schmalen Hysteresekurve, denn imKernmaterial treten magnetische Ummagnetisierungsverluste auf, welche proportionalzu der Fläche der Hystereseschleife sind.

Magnetisches Feld und magnetische Flussdichte in ferromagnetischenMaterialien

In ferromagnetischen Materialien gilt leider NICHT die einfache Beziehung ~B = µ0µr~H!

Dies soll an einem anschaulichen Beispiel verdeutlicht werden.

Wir nehmen einen Torus aus einem hartmagnetischen Werksto und magnetisierenihn mit Hilfe einer stromdurchossenen Spule (Strom I und N Windungen) bis in dieSättigung (siehe links).

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6. Elektrische und magnetische Felder

B

H

B

H

B

H

N ~Br~B

I

~B ~H

~H~HL =

~Bµ0

1. Material magnetisieren 2. Strom ausschalten 3. Luftspalt einsägen

Sowohl magnetische Flussdichte ~B als auch Feldstärke ~H sind positiv, wie man an derHysteresekurve ablesen kann. Für die Feldstärke gilt

∮~H · d~s = N · I.

Nun schalten wir den Strom ab. Das hartmagnetische Material behält seinen Remanenz-uss Br bei (siehe mittlere Skizze). Die magnetische Feldstärke wird jedoch Null, dennnun gilt

∮~H · d~s = 0.

Schlieÿlich sägen wir einen Luftspalt in das magnetisierte Material. An B ändert sichim Material nichts, und das Feld setzt sich auch im Luftspalt fort. Hier muss ~H =

~Bµ0

gelten, gleichzeitig jedoch weiterhin∮~H · d~s = 0, denn nach wie vor ieÿt ja kein exter-

ner Strom mehr. Damit das geschlossene Wegintegral über die magnetische FeldstärkeNull wird, muss auch im Kernmaterial ein H-Feld vorhanden sein. Dieses Feld mussnegativ sein (also in die entgegengesetzte Richtung zeigen). Auf der rechten Hysterese-kurve erkennt man, dass sich der Arbeitspunkt hierfür nur leicht verschieben musste.

Wir haben also gesehen, dass innerhalb eines ferromagnetischen Materials kein linearerZusammenhang zwischen ~H und ~B besteht, die Feldgröÿen sogar in unterschiedlicheRichtungen zeigen können!

6.6. Magnetischer Kreis

Ferromagnetische Materialien werden technich genutzt, um z.B. Induktivitäten, Elek-tromagneten oder Transformatoren zu bauen. Natürlich könnte man das Verhaltendieser Bauelemente und Bauteile mit Hilfe der Feldtheorie berechnen. Da dies jedochrecht aufwändig ist, werden wir im Folgenden eine magnetische Anwendung in ein

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6.6. Magnetischer Kreis

elektrisches Ersatzschaltbild überführen, welches wir mit den bekannten Methoden fürNetzwerke analysieren können.

Gegeben ist ein Eisenkern mit der mittleren Länge l und der Querschnittsäche A.Das Material wird vereinfacht als linear angesehen und besitzt eine hohe Permeabi-lität µ = µ0µr. Er ist von einer Spule mit N Windungen umwickelt, durch die derStrom I ieÿt.

N

I

~H

A

Der Strom verursacht ein magnetisches Feld ~H. Wir betrachten nun eine Feldlinie, diekomplett im Eisenkern geführt wird.Wir vereinfachen nun das Durchutungsgesetz:

∂A

~H · d~s =x

A

~J · d ~A.

Linke Seite: Wir nehmen an, dass das ~H-Feld im Eisenkern homogen, also nichtvom Ort abhängig ist. Für die Länge des Integrationsweges wählen wir vereinfacht diemittlere Länge l des Eisenkerns.

∂A

~H · d~s = H · l.

Rechte Seite: Wir müssen die Ströme aufsummieren, die von einer ~H-Kennlinie ein-geschlossen werden. Betrachten wir ein Schnittbild des Eisenkerns:

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6. Elektrische und magnetische Felder

~H

NI

I

I

I

I

I

I

I

I

Wir erkennen, dass eine ~H-Feldlinie den Strom N · I einschlieÿt. Es gilt alsox

A

~J · d ~A = N · I.

Das Durchutungsgesetz vereinfacht sich also zu

H · l = N · I.

Das Produkt N · I wird auch magnetische Durchutung Θ genannt.

Magnetische Durchutung:Θ = N · I

Wir möchten nun mit Hilfe der Materialgleichung ~B = µ ~H die magnetische Fluss-dichte B im Eisenkern berechnen:

H · l = N · I→ H =

N · Il

→ B = µ0µrN · Il

Da wir vereinfacht annehmen, dass die magnetische Feldstärke H konstant über dieQuerschnittsäche A des Eisenkerns ist, gilt dies folglich auch für die magnetischeFlussdichte B. Der magnetische Fluss Φ =

s~B · d ~A berechnet sich daher einfach:

Φ = B · A = µ0µr ·N · Il· A.

Mit N · I = Θ und Umstellen folgt das

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6.6. Magnetischer Kreis

Ohmsches Gesetz des magnetischen Kreises

Θ =l

µ0µrA︸ ︷︷ ︸Rm

·Φ = Rm · Φ

Den Ausdruck Rm = lµ0µrA

nennt man magnetischen Widerstand.

6.6.1. Elektrisches Ersatzschaltbild des magnetischen Kreises

Der skizzierte Eisenkern besitzt die mittlere Eisenlänge l und die Querschnittsäche A.In den Eisenkern wurde ein Luftspalt der Dicke d gesägt. Ein Schenkel ist mit einerSpule mit N Windungen umwickelt, die den Strom I führt. Der Eisenkern besitzt dierelative Permeabilität µr.

I

N d

Gesucht ist die magnetische Feldstärke HL im Luftspalt.

Lösung: Wir berechnen zunächst die magnetischen Widerstände des Eisenkerns Rm,E

und des Luftspalts Rm,L:

Rm,E =l

µ0µrA,

Rm,L =d

µ0A.

Ein magnetischer Kreis lässt sich in eine äquivalente elektrische Schaltung umzeichnen.Hierbei werden stromdurchossene Wicklungen zu Durchutungsquellen, welche sichim Ersatzschaltbild wie Spannungsquellen verhalten.

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6. Elektrische und magnetische Felder

N

⇒ Θ = N · IN

Magnetische Widerstände werden wie Ohmsche Widerstände eingezeichnet und die sicheinstellenden Ströme im Ersatzschaltbild entsprechen den magnetischen Flüssen Φ imEisenkreis.

Das Ersatzschaltbild sieht also wie folgt aus:

Rm,E

Θ Rm,L

Φ

nach dem Ohmschen Gesetz des magnetischen Kreises lässt sich der magnetische Flussnun einfach berechnen:

Φ =Θ

Rm,E +Rm,L

Da wir beim magnetischen Kreis von homogener Feldverteilung ausgehen, folgt für diemagnetische Flussdichte

B =Φ

A.

Die gesucht magnetische Feldstärke im Luftspalt beträgt also

H =B

µ0

.

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A. Ideale Grundelemente einesSchaltkreises

Ein ideales Grundelement

• besitzt zwei Anschlüsse,

• lässt sich mathematisch als Ausdruck von Strom und/oder Spannung beschreiben,

• kann nicht in kleinere Elemente zerlegt werden.

173

A. Ideale Grundelemente eines SchaltkreisesElement

allgemein

Gleich

spannung/-Stro

msin

usfö

rmigeAnregung

Widerstand

u(t)

=R·i(t)

U=R·I

i(t)=ısin

(ωt)

Ru

(t)=R·ı

︸︷︷︸sin

(ωt)

u·sin

(ωt)

Kapazität

iC

(t)=C

duC

(t)dt

Annahm

e:UC

istbekannt

undkonstant

uC

(t)=u

sin(ωt)

CuC

(t)=

t∫t0

iC

(t ′)dt ′+

UC

(t0 )

IC

=C

dUC

dt

=0

iC

(t)=Cωu

︸︷︷︸cos(ω

t)

Ineinem

Gleichstrom

kreisver-

hältsich

einKondensator

wieein

Leerlauf.

=ısin

(ωt

+π/2)

komplexe

Schreibweise:

IC

=jωC·UC

InduktivitätuL(t)

=L

diL

(t)dt

Annahm

e:IL

istbekannt

undkonstant

iL(t)

=ısin

(ωt)

LiL(t)

=t∫t0

uL(t ′)

dt ′+

IL(t

0 )UL

=L

dIL

dt

=0

uL(t)

=Lωı

︸︷︷︸cos(ω

t)

Ineinen

Gleichstrom

kreisver-

hältsich

eineSpule

wieein

Kurz-

schluss.=

usin

(ωt

+π/2)

Kom

plexeSchreibw

eise:UL

=jωL·I

L

Spannungsquelleu

(t)ist

bekannt

undnicht

vonauÿen

beeinussbar

U=

const

u(t)

=u

sin(ωt+

ϕ);U

=u√2 ·

ejϕ

u(t)

i(t)hängt

vonder

angeschlosse-nen

Schaltungab

Ihängt

vonder

angeschlossenenSchaltung

abi(t)

oderIhängt

vonder

ange-schlossenen

Schaltungab

Stromquelle

i(t)ist

bekannt

undnicht

vonau-

ÿenbeeinussbar

I=

const

i(t)=ısin

(ωt

);I

=ı√

2 ·e

i(t)u

(t)hängt

vonder

angeschlosse-nen

Schaltungab

Uhängt

vonder

angeschlossenenSchaltung

abu

(t)oder

Uhängt

vonder

ange-schlossenen

Schaltungab

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B. Mathematische Spielereien

B.1. Funktionswerte von Sinus und Cosinus

Wichtige Werte von Sinus und Cosinus sind:

0 30 45 60 90

sin 0 12

1√2

√3

21

cos 1√

32

1√2

12

0

Diese Funktionswerte kann man sich auf folgende Weise ganz leicht merken:

0 30 45 60 90

sin√

02

√1

2

√2

2

√3

2

√4

2

cos√

42

√3

2

√2

2

√1

2

√0

2

175

B. Mathematische Spielereien

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C. Magnetische Feldstärke H

Hintergrundwissen: Die magnetischen Phänomene lassen sich auch allein mit dem~B-Feld beschreiben. Jedoch müsste man dann neben den leitungsgebundenen Strömenauch die Kreisströme innerhalb der Materie berücksichtigen. Die magnetische Feldstär-ke ~H ist eine künstliche Gröÿe und wie folgt deniert:

~H :=~B

µ0

− ~M.

Im Folgenden wird gezeigt, wie man zu dieser Denition gelangt.Wir betrachten einen geschlossenen Ringkern. Ein Leiter ist mit NL Windungen um

einen Schenkel gewickelt und führt den Strom IL. Zusätzlich ist das Kernmaterial ma-gnetisiert. Die Kreisströme IM bilden magnetische Dipole, deren Dichte im MaterialN/V (Anzahl pro Volumen) beträgt.

~B

IL

NL

IM

AKern

177

C. Magnetische Feldstärke H

Wenden wir nun das Durchutungsgesetz an

∮ ~B

µ0

· d~s =x

~J · d ~A,

so müssen wir sowohl die Leiterströme NLIL als auch die Kreisströme IM im Materialberücksichtigen.Anhand der folgenden Abbildung ist erkennbar, dass sich die Kreisströme innerhalbdes Materials aufheben (an den Berührungsstellen zeigen sie in entgegengesetzte Rich-tungen). In einer Schnittebene wirkt die Summe aller Kreisströme wie ein Strom IM,welcher auf der Kernoberäche im Kreis ieÿt.

IMIM IM IM IM

IMIM IM IM IM

IMIM IM IM IM

IMIM IM IM IM

IMIM IM IM IM

IM

IM

IMIM

Wir können uns nun vorstellen, dass um den Kern eine bestimmte Anzahl dieser Strömeieÿt.

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IM

IM

IM

Um das Durchutungsgesetz anwenden zu können, benötigen wir die Anzahl NOberfl.

dieser makroskopischen Kreisströme. Wir erhalten dann

∮ ~B

µ0

· d~s = NOberfl. · IM +NL · IL.

Ausgehend von der Anzahl der magnetischen Dipole pro Volumen N/V , der Quer-schnittsäche des Eisenkerns AKern und dessen mittlere Länge l können wir die Ge-samtzahl Nges der Dipole berechnen:

Nges =N

V· AKern · l.

Die Anzahl der Oberächenströme NOberfl. erhalten wir, wenn wir die Gesamtzahl Nges

durch die Anzahl der Dipole pro Querschnittsäche teilen.

NOberfl. = Nges

/AKern

A

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C. Magnetische Feldstärke H

Hierbei ist A die Fläche eines Dipols. (Wir nehmen an, dass die Summe der Dipolächenin einer Ebene der Querschnittsäche des Eisenkerns entspricht.) Nun können wir dasDurchutungsgesetz wie folgt schreiben:

∮ ~B

µ0

· d~s = NOberfl. · IM +NL · IL

=N

V· AKern · l ·

A

AKern

· IM +NL · IL

=N

V· A · IM · l +NL · IL

=

∮N

V· A · IM

︸ ︷︷ ︸M

ds+NL · IL

⇒∮ ( ~B

µ0

− ~M

)

︸ ︷︷ ︸:= ~H

· d~s = NL · IL

Der Vorteil dieser Denition besteht darin, dass wir nur noch externe Leitungsströmebei der Berechnung des H-Feldes berücksichtigen müssen.

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