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Boolesche Algebra und Schaltalgebra Prof. Dr.-Ing. Axel Hunger Grundlagen der Technischen Informatik Grundlagen der technischen Informatik Kapitel 1 – Boolesche Algebra und Schaltalgebra Prof. Dr.-Ing. Axel Hunger Pascal A. Klein, M.Sc.

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Boolesche Algebra und Schaltalgebra

Prof. Dr.-Ing. Axel Hunger Grundlagen der Technischen Informatik

Grundlagen der

technischen Informatik

Kapitel 1 – Boolesche Algebra und

Schaltalgebra

Prof. Dr.-Ing. Axel Hunger

Pascal A. Klein, M.Sc.

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Boolesche Algebra und Schaltalgebra

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1. Boolesche Algebra und Schaltalgebra ........................................... 2

1.1 Einführung .............................................................................. 2

1.2 Definition der Booleschen Algebra ........................................ 4

1.3 Schaltalgebra .......................................................................... 7

1.3.1 Technische Grundlagen ...................................................... 7

1.3.2 Logische Grundfunktionen ................................................. 9

1.3.2.1 Logische Grundfunktionen für eine Variable .................. 9

1.3.2.2 Logische Grundfunktionen für zwei Variablen ............. 10

1.3.3 Gesetze der Schaltalgebra ................................................. 11

1.3.3.1 Theoreme für eine Variable ........................................... 13

1.3.3.2 Theoreme für zwei Variablen ........................................ 16

1.3.3.3 Theoreme für drei Variablen ......................................... 17

1.3.3.4 Theoreme für n∈N Variablen ....................................... 18

1.3.4 Funktionen der Schaltalgebra ........................................... 19

1.4 Systeme vollständiger Verknüpfung .................................... 23

1.4.1 NEGATION ..................................................................... 24

1.4.2 UND ................................................................................. 25

1.4.3 ODER ............................................................................... 26

1.4.4 Zusammenfassung ............................................................ 26

1.5 Darstellungsformen .............................................................. 28

1.5.1 Kurzzeichen ...................................................................... 28

1.5.2 Wahrheitstabelle ............................................................... 29

1.5.3 Mengendiagramm ............................................................. 30

1.5.4 Schaltzeichen .................................................................... 30

1.5.5 Impulsdiagramm ............................................................... 32

1.6 Normalformen ...................................................................... 33

1.6.1 Wahrheitstabelle mit Min- und Maxtermen ..................... 33

1.6.2 Disjunktive Normalformen ............................................... 36

1.6.3 Konjunktive Normalformen ............................................. 37

1.6.4 Unvollständig definierte Boolesche Funktionen .............. 38

1.7 Vereinfachung von Funktionen ............................................ 40

1.7.1 Karnaugh-Veitch Diagramm ............................................ 43

1.7.1.1 Allgemeines Aufbauprinzip ........................................... 43

1.7.1.2 Minimierung .................................................................. 48

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1. Boolesche Algebra und Schaltalgebra 1.1 Einführung In der Informatik sind logische Ausdrücke und logische Systeme die Grundlage sowohl für elementare Schaltungen als auch für höhere Programmiersprachen. Dabei werden Aussagen gefällt, die nach ihren Wahrheitsgehalt (wahre oder falsche Aussage) hin untersucht werden. Diese elementaren Aussagen können dann mittels spezifischer Regeln und Gesetze zu einem komplexen System kombiniert werden. Die Aussagenalgebra läßt sich auf den griechischen Philosophen Aristoteles (384-322 v.Chr.) zurückführen. Aristoteles führte das noch heute verwendete zweiwertige Logikkalkül ein. Hierbei werden den Aussagen sowie deren Verknüpfungen nur die zwei Wahrheitswerte "wahr" oder "falsch" zugeordnet. Durch diese formale Logik lassen sich viele Aussagen der Mathematik und Informatik, aber auch aus dem täglichen Leben, auf diese zwei Wahrheitswerte zurückführen, ohne sie einzuschränken. „Eine Aussage ist ein sprachliches Gebilde, von dem es sinnvoll ist, zu sagen, es sei wahr oder falsch.“ (Aristoteles)

Definition: Aussage

Eine Aussage bezeichnet dabei ein sprachliches Gebilde, dem in sinnvoller Weise genau eine der beiden Eigenschaften wahr oder falsch zugeordnet werden kann.

So kann z.B. die Entscheidung zum Überqueren einer Straße stark vereinfacht mittels der Aussagen "es kommt kein Auto von links" und "es kommt kein Auto von rechts" dargestellt werden. Sind beide Aussagen wahr, so ist ebenfalls das Resultat "die Straße kann überquert werden" wahr. Das heißt die Verknüpfung der Aussagen lautet: "Die Straße kann überquert werden, wenn kein Auto von links kommt und wenn kein Auto von rechts kommt."

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Weiterführende Frage: Die Zuordnung der Wahrheitswerte zu einer sprachlich formulierten Aussage ist oft subjektiv, kann jedoch auch bei Zweifel an der Richtigkeit der Wahrheitswertzuordnung ohne Verletzung des Logikkalküls als Aussage formuliert werden. Andererseits handelt es sich zweifellos um keine Aussage, wenn ihre Aussageform bei gegebenen Randbedingungen in sich widersprüchlich ist. Suche ein Beispiel für eine solche Aussageform. Definition: Aussageform Eine logische Aussage kann auf verschiedene Art und Weise dargestellt werden. Sie kann sprachlich formuliert werden oder durch Verwendung bestimmter Formalismen beschrieben werden (Boolesche Algebra). Aber auch innerhalb einer festgelegten Beschreibungsform gibt es meist mehrere Darstellungsmöglichkeiten, die alle zueinander äquivalent sind. Eine Aussage kann also durch mehrere zueinander äquivalente Aussageformen beschrieben werden.

Aussageformen textueller Art sind unübersichtlich und fehleranfällig. Daher versuchte der englische Mathematiker George Boole (1815-1864) diese Logik formal auszudrücken und entwickelte 1847 die Algebra der Logik, welche dann nach ihm Boolesche Algebra genannt wurde. Boole verwendete dabei für die Aussagen das folgende Binäralphabet:

wahr:H (High), 1 oder I

falsch:L (Low), 0 oder 0

Die Boolesche Algebra durchlief über E. Huntington (formale Festlegung) und Shannon (Schaltalgebra als Spezialfall) weitere Entwicklungsstufen.

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1.2 Definition der Booleschen Algebra Definition: Boolesche Algebra Die Boolesche Algebra besteht aus: - einer Menge M mit den Elementen a, b, c, ... , - den binären Operationen φ und ψ mit der Eigenschaft, daβ

ihre Anwendung auf Elemente der Menge M wiederum eindeutig Elemente der Menge M ergibt. Die Operationen φ und ψ beschreiben dabei die UND- bzw. ODER-Verknüpfung der Variablen,

- sowie dem Negations-Operator, der die Negation, das Komplement1, a zur Variablen a bildet, welches wiederum Element der Menge M ist

Außerdem gelten nach Huntington die folgenden Axiome, die auch bei der Multiplikation und Addition von natürlichen Zahlen zu finden sind: A1: Kommutativgesetz

Die Operationen φ und ψ sind kommutativ.

ABBAABBA

ψψφφ

==

A2: Distributivgesetz Jede Operation ist distributiv bezüglich der anderen.

( ) ( ) ( )CABACBA)CA()BA()CB(A

ψφψφψφψφψφ

==

A3: Neutrale Elemente In M sind zwei Elemente e bzw. n bezüglich der Operationen φ bzw. ψ dadurch ausgezeichnet, daβ ihre Verknüpfung mit

1 Lat. Ergänzung, aber auch Komplementärmenge, so ergänzt die Komplementärmenge {1} die Menge {0} zur gegebenen Grundmenge {1;0}

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einem beliebigen Element x ∈ M wieder x ergibt. Es gibt zwei neutrale Elemente e, n ∈ M, so dass für alle x ∈ M gilt:

AeA =φ e: Einselement

bzw. AnA =ψ n: Nullelement

A4: Komplement Zu jedem Element x ∈ M soll auch das sogenannte Komplement x in M enthalten sein, für das gilt:

eAA =ψ

bzw. nAA =φ

Aus diesen 4 Axiomen lassen sich weitere Theoreme ableiten, z.B.:

T1: Assoziativgesetz ( ) ( )( ) ( )CBACBA

CBACBAψψψψ

φφφφ=

=

T2: Idempotenzgesetz

AAAAAA

==

ψφ

T3: Absorptionsgesetz ( )( ) ABAA

ABAA==

ψφφψ

T4: De Morgan’sche Regel

BABABABA

ψφφψ

=

=

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Beispiele boolescher Algebra:

a) Die Potenzmenge

M = P(S) einer Menge S wird mit Durchschnitt (φ) und Vereinigung (ψ) zu einer Booleschen Algebra:

S = { 1 , 2 , 3 }

P(S) = { { } , { 1 } , { 2 } , { 3 } , { 1 , 2 } , { 1, 3 } , { 2 , 3 } ,

{ 1 , 2 , 3 } }

n = { } Null-Element

e ={ 1 , 2 , 3 } Eins-Element

{ 2 , 3} φ e = { 2 , 3}

{ 2 , 3} ψ n = { 2 , 3}

{⎯1 } = { 2, 3 } ={ 1 , 2 , 3 } – { 1 }

b) Zwei-elementige Boolesche Algebra

M = { A , B }

( )( )

A1AB,AmaxBA

B,AminBA

−=

==

ψφ

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1.3 Schaltalgebra 1.3.1 Technische Grundlagen

Viele technische Systeme (insbesondere die der Digitaltechnik) lassen sich mit der Booleschen Algebra analysieren und konstruieren, wenn sie binäres Verhalten aufweisen. Dies kann festgelegt werden über die Aussagen:

Strom fließt: ja / nein

Spannung ist angelegt: ja / nein

Kontakt besteht: ja / nein

Hieraus wurde die Schaltalgebra entwickelt.

Definition: Schaltalgebra Die Aussagenalgebra, im technischen Kontext Schaltalgebra genannt, ist eine spezielle Boolesche Algebra, die die zweielementige Menge M = {0,1} benutzt. Die Operation ψ wird dabei als ODER-Verknüpfung bzw. Disjunktion (+,∨) und die Operation Φ als UND-Verknüpfung bzw. Konjunktion (⋅,∧) erklärt. Die beiden Elemente e = 1 und n = 0 werden als Wahrheitswerte „wahr“ bzw. „falsch“ beliebiger Aussagen interpretiert. Die Komplementbildung bezeichnet man in der Schaltalgebra auch als Negation (⎯A, A).

Alle Axiome und Gesetze der Booleschen Algebra gelten natürlich auch in ihrer Spezialform, der Schaltalgebra. Sie werden dort jedoch zum direkten praktischen Gebrauch in anderer Form dargestellt und teilweise ergänzt. Die praktische Bedeutung der Schaltalgebra wurde zuerst von Shannon erkannt. Mit Hilfe der Schaltalgebra können Logikschaltungen oder logische Problemstellungen in Form einer Gleichung dargestellt werden.

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Achtung: Die symbolische Beschreibung in der Schaltalgebra erfaßt nur die logische Funktion. Sie kann und soll keine Aussagen über technische Realisierungen und Probleme machen!

Ein technischer Bezug läßt sich z.B. über eine stromdurchflossene Leitung mit den Schaltern a und b herstellen. Ein offener Schalter entspricht dem logischen Wert 0 und ein geschlossener Schalter dem logischen Wert I. Beispiel für das "Schalter-Modell":

Y = 0 mit Y = f(A)

Y = I

Die schaltungstechnische Darstellung der Zustände logisch 0 und logisch 1 geschieht meistens durch zwei Spannungswerte. Dem Spannungswert U = 0V wird der logische Zustand 0 und dem Spannungswert Umax wird der logische Zustand I zugeordnet. In diesem Fall handelt es sich um eine positive Logik. Logische Systeme akzeptieren in der Regel einen gewissen Toleranzbereich für die jeweiligen logischen Werte.

U

Umax

0

Bereich von logisch 1

undefinierter Bereich

Bereich von logisch 0

positive Logikt

Schalter-modell

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Der logische Wert 0 wird durch den physikalischen Signalpegel L und der logische Wert I durch den physikalischen Signalpegel H repräsentiert (H → I; L → 0). Dies entspricht der meist verwendeten positiven Logik. Die Zuordnung der Signalpegel kann auch entgegengesetzt erfolgen (H → 0; L → I). In diesem Fall wird von einer negativen Logik gesprochen. Die folgende Grafik zeigt den Spannungsverlauf bei einem Wechsel von logisch 0 auf logisch 1 für positive und negative Logik.

positive LogikUmax

Umin

logisch 0 logisch 1

U

t

U

logisch 0 logisch 1

negative Logik

t

Umax

Umin

1.3.2 Logische Grundfunktionen

1.3.2.1 Logische Grundfunktionen für eine Variable

Definition: Identität (A = 0 → Y = 0) ∧ (A = I → Y = I) <=> A = Y

Definition: Negation

(A = 0 → Y = I) ∧ (A = I → Y = 0) <=> YA =

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Die Negation entspricht einer Umkehrung (Invertierung, Inversion) des Wahrheitswertes. Sie besitzt in der Schaltalgebra eine große praktische Bedeutung. Wogegen es für die Identität keine praktische Anwendung gibt. Die Negation eines Signals wird dabei durch einen Strich über der Variablen gekennzeichnet.

1.3.2.2 Logische Grundfunktionen für zwei Variablen

Definition: Konjunktion Die Ergebnisgröße2 ist nur dann wahr, wenn alle Eingangsvariablen gleichzeitig wahr sind. Die Konjunktion wird auch als UND-Verknüpfung (englisch AND) bezeichnet. In der folgenden Grafik wird der Zusammenhang anhand einer Spannungsquelle und eines Verbrauchers, welche über zwei Schalter miteinander verbunden sind dargestellt. Die Lampe leuchtet nur auf, wenn beide Schalter geschlossen sind.

X A B= ⋅

2 Die Ergebnisgröße ist der logische Wert einer Verknüpfungen aller Eingangsgrößen(-variablen).

X= 1 falls A = 1 und B = 1

0 sonst

Spannungsquelle Verbraucher

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Definition: Disjunktion

Die Ergebnisgröße ist dann wahr, wenn eine, mehrere oder alle Eingangsvariablen wahr sind. Die Disjunktion wird auch als ODER-Verknüpfung (englisch OR) bezeichnet. In der folgenden Grafik wird wieder die Schaltung mit der Spannungsquelle und dem Verbraucher verwendet. Die Lampe leuchtet auf, sobald mindestens ein Schalter geschlossen wird.

X A B= +

1.3.3 Gesetze der Schaltalgebra

Zur Herleitung der unterschiedlichen Rechenregeln der Schaltalgebra, wird von einigen Grundbeziehungen ausgegangen. Diese Axiome bezeichnen Grundsätze, die als absolut richtig anerkannt sind und somit keines Beweises bedürfen. Sie können aber zur Beweisführung für weitere Theoreme3 herangezogen werden.

3 Lehrsätze, die für wahr gehalten werden müssen (z. B. wegen Bestätigung durch Experimente oder einer mathematischer Beweisführung)

X= 1 falls A = 1 oder B = 1

0 falls A = 1 und B = 1

Spannungsquelle Verbraucher

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Axiome für die logischen Werte

Grundlegender Zusammenhang zwischen den Elementen:

A1: A = 0 g.d.w A ≠ 1 nur zweiwertige Variablen zugelassen,

A = 1 g.d.w A ≠ 0 Dualität (s.u.) erkennbar.

Aus Axiom A1 und der Regeln der Negation gilt entsprechend:

A2: I0 = 0I =

Aus der Definition der UND- und ODER-Verknüpfung resultieren die folgenden Axiome:

A3: 000 =⋅ UND III =+ ODER

A4: III =⋅ UND 000 =+ ODER

A5: 0I00I =⋅=⋅ UND I0II0 =+=+ ODER

Bei allen Axiomen läßt sich das Dualitätsprinzip erkennen. Hierunter wird der folgende Sachverhalt verstanden.

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Definition: Dualitätsprinzip Ist eine Aussage einer Booleschen Algebra aus den Axiomen abgeleitet und damit als gültig erkannt worden, dann ist auch die duale Aussage aus den Axiomen ableitbar und damit automatisch gültig.

Dabei wird unter dual das Folgende verstanden:

Definition: Dualität Zwei Axiome, Terme, Gesetze oder Aussagen einer Booleschen Algebra werden genau dann als zueinander dual bezeichnet, wenn eines aus dem anderen dadurch hervorgeht, dass jede Verknüpfung + oder ⋅ und jedes neutrale Element 0 oder I an allen Stellen, an denen es in einem Axiom, Term, Gesetz oder einer Aussage auftritt, durch die andere Verknüpfung bzw. durch das andere neutrale Element ersetzt wird. Mit Hilfe den im Folgenden vorgestellten Formeln lassen sich schaltalgebraische Ausdrücke vereinfachen. Das Ziel der Vereinfachung besteht darin, durch Äquivalenzumformung einen Ausdruck mit möglichst wenig Eingangsvariablen zu erhalten. Bei der folgenden Darstellung dieser Theoreme soll das "Schalter-Modell", welches im Kapitel Technische Grundlagen eingeführten wurde, zur Veranschaulichung dienen. 1.3.3.1 Theoreme für eine Variable

Die folgenden Theorme beschreiben die möglichen Verknüpfungen zwischen einem festen logischen Wert und einer Variablen bzw. die möglichen Verknüpfungen einer Variablen mit sich selbst.

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T1: Formulierung des Axioms A1 der Schaltalgebra für eine Variable Die Negation eines Termes, der identisch mit A ist, entspricht der Negation von A. ( ) AA =

Eine doppelte Negation einer Variablen entspricht der Variablen selbst.

AA =

T2: Definition der neutralen Elemente Die folgende Gleichung entspricht der Parallelschaltung des Schalters A mit einer Unterbrechung, welche auch weggelassen werden kann.

A0A =+

0

A

<=> A Die nun folgende Gleichung entspricht der Hintereinanderschaltung des Schalters A mit einer Leitungsverbindung, welche auch weggelassen werden kann.

AIA =⋅

A I <=> A

T3: Folgerung aus der Definition von UND und ODER Durch die Parallelschaltung des Schalters A mit einer Leitungsverbindung hat der Schalter A keinen Einfluss auf die Schaltfunktion und kann weggelassen werden.

IIA =+

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A

I <=> I Eine Reihenschaltung eines Schalters A mit einer Leitungsunterbrechung führt dazu, dass der Stromkreis immer unterbrochen ist.

00A =⋅

A 0 <=> 0

T4: Idempotenzgesetz Die Reihen- oder Parallelschaltung zweier Schalter A führen dazu, dass jeweils ein Schalter entbehrt werden kann.

AAA =+

A

A

<=> A

AAA =⋅

A A <=> A

T5: Komplement Sind zwei inverse Schalter A und A miteinander parallel geschaltet, so ist stets über einen der beiden Schalter ein Strompfad geschlossen.

IAA =+

A

A

<=> I Sind zwei inverse Schalter A und A dagegen in Reihe geschaltet, so ist stets einer der beiden Schalter geöffnet und somit der Strompfad immer unterbrochen.

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0AA =⋅

A A <=> 0

1.3.3.2 Theoreme für zwei Variablen

T6: Kommutatives Gesetz Das Kommutative Gesetz (Vertauschungsgesetz) sagt aus, dass die Eingangsvariablen bei einer UND- oder ODER-Verknüpfung vertauscht werden können.

ABBA +=+

A

B <=> A

B

ABBA ⋅=⋅

A B <=> AB

T7: Expansionsformel Oft ist es notwendig einen booleschen Ausduck zunächst zu expandieren, um in dann neu zu gruppieren und dadurch zu reduzieren.

( ) ( )BABAA ⋅+⋅=

A <=> A

A B

B

( ) ( )BABAA +⋅+=

A <=>

AA

B B

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T8: Reduktionsformeln 1 (Absorptionsgesetz)

Reduktionsformeln dienen zur Reduktion eines gegebenem booleschen Ausdrucks

( ) ABAA =+⋅

A

A

B <=> A ( ) ABAA =⋅+

BA

A

<=> A

T9: Reduktionsformeln 2

( ) BABAA ⋅=+⋅

A

A

B <=> A B

( ) BABAA +=⋅+

BA

A

<=>

A

B

1.3.3.3 Theoreme für drei Variablen

T10: Distributives Gesetz Das Distributive Gesetz (Verteilungsgesetz) verteilt die Variable A konjunktiv bzw. disjunktiv an die Variablen B und C in den Klammern.

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( ) ( ) ( )CABACBA ⋅+⋅=+⋅

A

C

B

<=> A

A B

C ( ) ( ) ( )CABACBA +⋅+=⋅+

A

CB <=>

A

C

A

B

T11: Assoziatives Gesetz Beim Assoziativen Gesetz (Verbindungsgesetz) dürfen die Variablen einer UND- oder einer ODER-Verknüpfung beliebig zusammengefasst werden.

( ) ( ) ( )CABCBACBACBA ++=++=++=++

C

A

B

<=> C

A

B

<=> C

A

B

<=> C

A

B ( ) ( ) ( )CABCBACBACBA ⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅

A CB

1.3.3.4 Theoreme für n∈N Variablen

T12: De Morgansche Regel Das Komplement (die Negation) einer UND-Verknüpfung von Variablen ist gleich der ODER-Verknüpfung der Komplemente aller Variablen. Dies gilt auch umgekehrt (Dualitätsprinzip).

( ) ...DCBA...DCBA ++++=⋅⋅⋅⋅

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( ) ...DCBA...DCBA ⋅⋅⋅⋅=++++

T13: Verallgemeinerung des Gesetzes von de Morgan (Satz

von Shannon) ( ) ( ) ( )+⋅=⋅+=⋅+ ,,...,C,B,A,...,C,B,Af,,...,C,B,A,...,C,B,Af,,...,C,B,A,...,C,B,Af

Die Komplementbildung einer Funktion mit den Operatoren +, ⋅ und Negation kann formal erfolgen, indem

1. alle Variablen negiert werden, 2. die Operatoren: " ⋅ " gegen "+" und "+" gegen " ⋅ " vertauscht werden sowie 3. die neutralen Elemente: "0" gegen "I" und "I" gegen "0" getauscht werden.

Der Satz von Shannon gilt jedoch nicht für =)Y,X(f BA)CB(A +⊕⋅⋅ . Hier müsste das XOR zunächst in das System vollständiger Verknüpfung {+, ⋅, -} umgewandelt werden, bevor der Satz von Shannon angewendet werden kann.

Die Negation von Teilausdrücken wird unverändert übernommen, d.h. es werden nur die Variablen selbst invertiert.

Beispiel: YX)Y,X(f += mit )CB(AX ⋅⋅= und BAY += und somit ist =)Y,X(f ( ) ( )BA)CB(A ++⋅⋅ => ( ) ( )BA)CB(A)Y,X(f)Y,X(f ⋅⋅++==

Weiterführende Frage: Beweis: Zeige, dass der Satz von Shannon für das obige Beispiel gilt. 1.3.4 Funktionen der Schaltalgebra

Für den praktischen Gebrauch der Schaltalgebra werden neben den allgemeinen Gesetzen der Schaltalgebra zusätzliche

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Funktionen verwendet. Basis hierfür sind die 16 möglichen Funktionen, die zwischen zwei Variablen definiert werden können. 2 Variablen können mit 22 = 4 Kombinationen belegt werden. Jede dieser Kombinationen kann der Wahrheitswert 0 oder I zugeordnet werden. Demzufolge können 42 = 16 Funktionen (f1 bis f16) definiert werden können. Die folgende Tabelle zeigt die aus der Verknüpfung zweier Variablen resultierenden Funktionen.

Variable

Funktionen

A B f0 f1 f2 f3 f4 f5 f6 f7 f8 f9 f10 f11 f12 f13 f14 f15

0 0 0 I 0 I 0 I 0 I 0 I 0 I 0 I 0 I 0 I 0 0 I I 0 0 I I 0 0 I I 0 0 I I I 0 0 0 0 0 I I I I 0 0 0 0 I I I I I I 0 0 0 0 0 0 0 0 I I I I I I I I

Die folgende Aufstellung gibt neben der formalen Beschreibung der Funktionen auch deren gebräuchlichen Bezeichnungen an. Die wesentlichen Funktionsbezeichnungen werden, falls dies noch nicht geschehen ist, in den folgenden Kapiteln näher erläutert.

0)B,A(f0 = Nullfunktion, Kontradiktion

BABABA)B,A(f1

↓=

+=⋅=

NICHT-ODER, NOR, Pierce-Funktion

A B

A B

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ABBA)B,A(f2

→/=⋅=

Inhibition, Nicht-Implikation, Ausschluss,Wenn B dann A

A)B,A(f3 = Negation, Inversion, Invertierung, Komplement, NICHT, NOT (nur für A def.)

BABA)B,A(f4→/=⋅=

Inhibition, Nicht-Implikation, Ausschluss, Wenn A dann B

B)B,A(f5 = Negation, Inversion, Invertierung, Komplement, NICHT, NOT (nur für B def.)

BABABABA)B,A(f6≡/=⊕=

⋅+⋅=

Antivalenz, Exklusiv-ODER, XOR, EXOR, modulo 2 Addition

( )B|A

BABAB,Af7=

⋅=+= NICHT-UND, NAND, Sheffer-Funktion

BABA)B,A(f8

∧=⋅=

UND, AND, Konjunktion

BABABABA)B,A(f9↔=≡=

⋅+⋅= Äquivalenz, Inklusiv-Oder

B)B,A(f10 = Identität, Tautologie (nur für B definiert)

BABA)B,A(f11

→=+=

Implikation, Wenn A dann B

A)B,A(f12 = Identität, Tautologie (nur für A definiert)

A B

A B

A B

A B

A B

A B

A B

A B

A B

A B

A B

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ABBA)B,A(f13

→=+=

Implikation, Wenn B dann A

BABA)B,A(f14

∨=+=

ODER, OR, Disjunktion

I)B,A(f15 = Einsfunktion, Tautologie (immer)

A B

A B

A B

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1.4 Systeme vollständiger Verknüpfung Bisher wurde festgestellt, dass die Menge der Operatoren ODER, UND und NEGATION {+, ⋅ , -} ausreichend ist zur Darstellung aller Booleschen Funktionen. Es gibt aber auch andere Mindestmengen von Operatoren mit derselben Eigenschaft. Hintergrund für die Suche nach solchen alternativen Mindestmengen (Systemen vollständiger Verknüpfung) ist die technische Realisierung der Verknüpfungen, die in unterschiedlichen Technologien für die verschiedenen Verknüpfungen zu unterschiedlichen Kosten und Problemen führen kann. Jede beliebige Schaltfunktion, die mittels der drei Verknüpfungen UND, ODER und NEGATION realisiert wurde, läßt sich u.a. mit Hilfe des Theorems von DeMorgan bzw. von Shannon in eine Schaltung überführen, die nur den Operator NAND (UND-NICHT) oder den Operator NOR (ODER-NICHT) verwendet. Den Beweis hierfür erbrachten Sheffer für die NAND- und Pierce für die NOR-Verknüpfung. (In diesem Zusammenhang werden diese Verknüpfung auch gerne als Sheffer- bzw. Pierce-Funktion bezeichnet.) Bei der Anwendung dieser Systeme vollständiger Verknüpfungen braucht nur noch auf jeweils ein Schaltungselement (NAND bzw. NOR) zurückgegriffen werden. Nachfolgend wird gezeigt, dass sich die Grundfunktionen mit Hilfe der NAND- und NOR-Verknüpfung darstellen lassen. Die Erklärung der hierbei verwendeten Schaltzeichen4 erfolgt im Kapitel Darstellungsformen.

4 Ein Schaltzeichen ist eine symbolische Darstellung der logischen Verknüpfungsfunktionen in einem Schaltplan.

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Variable

Funktionen

A B f1(A,B)

NOR(A,B)

f3(A,B)

NOT (A)

f7(A,B)

NAND(A,B)

f8(A,B)

AND(A,B)

f14(A,B)

OR(A,B)

0 0 I I I 0 0 0 I 0 I I 0 I I 0 0 0 I 0 I I I 0 0 0 I I

Die Menge der Operatoren UND, ODER und NEGATION sind ausreichend zur Darstellung aller Booleschen Funktionen. Gibt es eine andere Möglichkeit / Mindestmenge von Operatoren, die dieselben Eigenschaften aufweisen?

Technische Realisierungen der Verknüpfungen führen in den unterschiedlichen Technologien (CMOS, TTL, TriState) zu verschiedenen Kosten und Problemen. Jede beliebige Schaltfunktion, die mittels der drei Verknüpfungen (+, ·, ⌐) realisiert werden kann, lässt sich u.a. mit Hilfe des Theorems von DeMorgan bzw. von Shannon in eine Schalfunktion, die nur den

Sheffer Operator NAND { | } oder den

Pierce Operator NOR { ↓ } verwendet, darstellen.

Nachfolgend wird gezeigt, dass sich die Grundfunktionen mit Hilfe der NAND- und NOR-Verknüpfung darstellen lassen. Die Erklärung der hierbei verwendeten Schaltzeichen5 erfolgt im Kapitel Darstellungsformen. 1.4.1 NEGATION

Die Realisierung einer NEGATION mit Hilfe von NAND- oder NOR-Verknüpfungen gestaltet sich einfach, indem beide

5 Ein Schaltzeichen ist eine symbolische Darstellung der logischen Verknüpfungsfunktionen in einem Schaltplan.

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Eingänge des jeweiligen Schaltungselementes miteinander verbunden werden. Dadurch führen beide Eingänge das gleiche Signal. Sowohl bei einer UND- als auch bei einer ODER-Verknüpfung ist das Ausgangssignal bei einer direkter Verbindung der Eingänge gleich dem Eingangssignal. Aufgrund der anschließenden Negation durch die NAND- (UND-NICHT) bzw. NOR- (ODER-NICHT) Verknüpfung wird das Eingangssignal negiert.

AIAAAAAAAA =↓=+=⋅=

& AA

>1 A

A

1.4.2 UND

Die Realisierung der Gleichung

X A B= ⋅

mittels der NAND-Verknüpfung kann auf die folgende Art und Weise geschehen.

&AB

A B&

Das erste Schaltungselement liefert am Ausgang die Gleichung

Z A B

Z A B A B

= ⋅

= ⋅ = ⋅

Im Abschnitt Negation (s.o.) wurde schon gezeigt, dass das zweite Schaltungselement einer Negation entspricht, und somit ergibt sich am Schaltungsausgang die gewünschte Funktion

BA ⋅ . Die notwendige Schaltungsstruktur kann hierbei aus der gewünschten Funktionsgleichung BAX ⋅= hergeleitet werden:

( ) ( )A B A B A B A B A B A B A B⋅ = ⋅ + ⋅ = ⋅ + ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅

Die Realisierung der oben genannten Verknüpfung mittels NOR-Gliedern kann folgender Maßen erfolgen:

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>1

>1

>1A

B

A B

Herleitung der Schaltungsstruktur:

( ) ( )A B A B A B A A B B A B A B⋅ = ⋅ = + = + + + = ↓ ↓ ↓

1.4.3 ODER

Wie in der oben dargelegten Weise läßt sich auch die Gleichung X A B= +

mittels NAND- bzw. NOR-Verknüpfungen darstellen.

&&

&A

B

A + B

Herleitung der Schaltungsstruktur:

A B A B A B A A B B+ = + = ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ AB

A + B>1>1

Herleitung der Schaltungsstruktur:

( ) ( ) ( ) ( )A B A B A B A B A B A B A B A B A B+ = + ⋅ + = + ⋅ + = + + + = ↓ ↓ ↓

1.4.4 Zusammenfassung

NAND bzw. NOR können jeweils unter alleiniger Verwendung dieses Operators alle Funktionen der Schaltalgebra darstellen.

Aber: Weder für den NOR- noch für den NAND-Operator gilt das Assoziativgesetz!

NOR

NAND

NOR

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(A ↓ B) ↓ C ≠ A ↓ (B ↓ C) (A | B) | C ≠ A | (B | C)

Weiterführende Frage: Beweis: Zeige, dass weder für den NAND- noch für NOR-Operator das Assoziativgesetz gilt.

Folge: Das Assoziativgesetz gilt nicht, folglich dürfen in einer Boolesche Funktion die Pierce- und Sheffer-Operator immer nur auf genau zwei Operanden angewandt werden, falls keine Einschränkungen in Bezug auf die schaltungstechnische Realisierung gemacht werden soll. D.h. bei der Verwendung von Gatter mit nur zwei Eingängen kann eine Funktion, die 3 Variablen direkt miteinander verknüpft, nur für die AND- oder OR-Verknüpfung schaltungstechnisch realisiert werden, nicht aber für eine NAND- oder NOR-Verknüpfung. Beispielsweise kann der Term A+B+C auf Grund der Assoziativität der OR-Verknüpfung als A+(B+C) geschrieben werden und somit durch zwei hintereinander geschaltete OR-Gatter mit nur zwei Eingängen realisiert werden. Dies funktioniert bei den Pierce- und Sheffer-Operatoren nicht, da sie nicht assoziativ sind.

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1.5 Darstellungsformen Zur rein formalen Darstellung Boolescher Funktionen gibt es verschiedene Möglichkeiten, wobei überlegt werden muß, welche Darstellungsweise jeweils für das gegebene Problem die anschaulichste ist. 1.5.1 Kurzzeichen

Beispiele für die Darstellung der Grundoperationen in den verschiedenen Logikformen:

Verknüpfung Mengen-algebra

Aussagen-algebra

Schalt-algebra

Darstellung nach DIN 66000

Konjunktion ∩ oder &∧ ⋅ ∧ Diskonjunktion ∪ ∨ + ∨

Negation ¬ − ;¬ −

Neutrale Elemente G6, Ø7 ,w f 0,1

Im folgenden soll die Kurzzeichendarstellung in der Schaltalgebra ausführlich dargestellt werden.

Die Konjunktion dreier Variablen A, B und C wird wie folgt geschrieben:

X A B C= ⋅ ⋅

Bei der Konjunktion ist es möglich für eine verkürzte Schreibweise das Konjunktionssymbol wegzulassen:

X ABC=

Analog sieht die Disjunktion der Variablen wie folgt aus:

X A B C= + +

6 Grundmenge, d. h. alle möglichen Mengenelemente 7 Leermenge, d. h. sie enthält überhaupt kein Element; auch oft wie folgt bezeichnet: {}

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Für die Negation wird ein horizontaler Strich über die Variable geschrieben:

X A=

Definition: Schaltfunktion Die Darstellungsweise der logischen Funktionsweise einer Schaltung mittels einer Booleschen Funktion wird als Schaltfunktion bezeichnet. Hierbei werden die in der Spalte "Schaltalgebra" angegebenen Kurzzeichen verwendet.

1.5.2 Wahrheitstabelle

Definition: Wahrheitstabelle In einer Wahrheitstabelle werden alle Kombinationen der Eingangsvariablen für die zulässigen Werte logisch 0 und logisch 1 eingetragen. Jede Eingangsvariable sowie die Ausgangsvariable erhalten dabei eine eigene Spalte. Die Ausgangsvariable erhält entsprechend der Verknüpfung einen eindeutigen Wert.

Beispiele:

Konjunktion (AND)

Disjunktion (OR) Negation (NOT)

BAX ⋅= BAX += AX = A B X A B X A X 0 0 0 0 0 0 0 1 0 I 0 0 I 1 I 0 I 0 0 I 0 1 I I 1 I I 1

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1.5.3 Mengendiagramm

Für die anschauliche Darstellung logischer Funktionen mit wenigen Eingangsvariablen (≤4) eignen sich Mengendiagramme. Diese Darstellungsweise wurde aus der mathematischen Mengenlehre abgeleitet. Die gefüllte Fläche stellt den Funktionswert dar, für die die Funktion X den Wert I annimmt.

Beispiele:

Konjunktion (AND) Disjunktion (OR) Negation (NOT) BAX ⋅= BAX += AX =

B

A

A

B

A

A

1.5.4 Schaltzeichen

In technischen Schaltplänen werden meist graphische Symbole zur Darstellung der Funktionen verwendet. Aus den nachfolgend aufgeführten Grundgattern können beliebige Boolesche Ausdrücke durch Zusammenschalten dieser Gatter realisiert werden. Die folgende Zusammenstellung gibt die gebräuchlichsten Formen dieser Schaltzeichen sowohl nach DIN als auch in der amerikanischen Darstellungsweise wieder.

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DIN / IEC ANSI / IEEE Funktion

AND &

BAX ⋅=

OR >1

BAX +=

NOT 1

AX =

NAND &

BAX ⋅=

NOR >1

BAX +=

Antivalenz

XOR

=1

BABAX ⋅+⋅=

Äquivalenz =

BABAX ⋅+⋅=

Bei diesen Schaltzeichen ist es möglich einen invertierten Eingang durch einen Kreis zu kennzeichnen.

Beispiel:

<=>

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1.5.5 Impulsdiagramm

Zur Darstellung des technischen Verhaltens logischer Verknüpfungen eigene sich insbesondere Impulsdiagramme, da diese das Ausgangssignal einer Schaltung den Signalverläufen an den Schaltungseingängen gegenüberstellen, so dass durch direkten Signalverlaufsvergleich ein Rückschluss auf die Funktionalität der Schaltung gezogen werden können.

Beispiele:

Konjunktion (AND) Disjunktion (OR) Negation (NOT) BAX ⋅= BAX += AX =

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1.6 Normalformen Definition: Normalform Eine Normalform ist eine Aussageform, die als Repräsentant einer Menge von Aussageformen dient, die sich zwar in ihrer Darstellung unterscheiden, aber nicht in ihrer Funktionalität. Letzteres bedeutet, dass alle Aussageformen aus dieser Menge von Aussageformen für eine beliebige Eingangskombinationen die selbe Ergebnisgröße liefern. Bei der Normalform handelt es sich um eine Form mit klar definierten Aufbau. Dabei beschreiben Normalformen eine Schaltfunktion ausgehend von einer Wahrheitstabelle in Gleichungsform. Normalformen sind sozusagen standardisierte Darstellungen von Booleschen Funktionen. Zwei in eine Normalform umgerechnete Ausdrücke lassen sich leicht miteinander vergleichen. Desweiteren ist eine Normalform oft der Ausgangspunkt für Rechenverfahren, die auf eine Funktion mit dem Ziel der Vereinfachung angewendet werden.

1.6.1 Wahrheitstabelle mit Min- und Maxtermen

Aus der Wahrheitstabelle lassen sich zwei verschiedene algebraische Ausdrücke ableiten, die als Minterm und Maxterm bezeichnet werden. Beide werden im Folgenden näher betrachtet. Gegeben sei die Boolesche Funktion f mit n Variablen a1, a2, a3, ... an. Diese Funktion ermöglicht k = 2n Funktionswerte bzw. liefert eine Wahrheitstabelle mit k = 2n Zeilen. Werden alle Eingangsvariablen oder deren Negation konjunktiv (UND) miteinander verknüpft, so ergibt sich eine Vollkonjunktion, welche als Minterm bezeichnet wird. Bei n binären Variablen gibt es folglich 2n verschiedene Minterme.

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Definition: Minterm Eine konjunktive Verknüpfung aller Eingangsvariablen (in negierter oder nicht negierter Form) heißt Minterm (oder Vollkonjunktion).

n321 bn

b3

b2

b1k a...aaam ⋅⋅⋅⋅= ⎩

⎨⎧

=

==

0bfüra

Ibfüraamit

ii

iibi

i

Desweitern gilt: - k gibt die Zeile der Wahrheitstabelle an - i gibt die Spalte der Wahrheitstabelle an - ai steht für die Variablebezeichnung in der i-ten Spalte; für das

nachfolgende Beispiel gilt: a1 steht für "A", a2 für "B", u.s.w.

- bi steht für den Wert der Eingangsvariable ai für die gerade betrachtete Wahrheitstabellenzeile k

- mk steht für den Minterm der k-ten Zeile Werden hingegen alle Eingangsvariablen oder deren Negation disjunktiv miteinander verknüpft, so ergibt sich eine Volldisjunktion, welche als Maxterm bezeichnet wird. Bei n binären Variablen gibt es 2n verschiedene Maxterme. Definition: Maxterm Eine disjunktive Verknüpfung aller Eingangsvariablen (in negierter oder nicht negierter Form) heißt Maxterm (oder Volldisjunktion).

n321 bn

b3

b2

b1k a...aaaM ++++= ⎩

⎨⎧

==

=0bfüraIbfüraamit

ii

iibi

i

Dabei gilt dieselbe Symbolik wie bei den Mintermen (s.o.), mit der Ausnahme, dass hier Mk für den Maxterm der k-ten Zeile steht.

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Beispiel:

Gegeben sei eine Funktion f mit den drei Variablen A, B, C. Daraus ergibt sich eine Wahrheitstabelle mit 822 3 ==n Zeilen. Die folgende Tabelle zeigt die zur jeweiligen Eingangsbelegung gehörenden Min- und Maxterme.

A B C Minterme, mk Maxterme, Mk

0 0 0 A B C⋅ ⋅ A B C+ +

0 0 I A B C⋅ ⋅ A B C+ +

0 I 0 A B C⋅ ⋅ A B C+ +

0 I I A B C⋅ ⋅ A B C+ +

I 0 0 A B C⋅ ⋅ A B C+ +

I 0 I A B C⋅ ⋅ A B C+ +

I I 0 A B C⋅ ⋅ A B C+ +

I I I A B C⋅ ⋅ A B C+ +

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1.6.2 Disjunktive Normalformen

Werden alle Minterme mk disjunktiv miteinander verknüpft, bei denen der Funktionswert f den Wert logisch 1 aufweist, so erhält man die Disjunktive Normalform. Sie stellt in der Schaltalgebra eine häufig verwendete Beschreibungsform dar. Definition: Disjunktive Normalform (DNF) Jede Boolesche Funktion f(a1, a2, ... an) läßt sich durch disjunktive Verknüpftung bestimmter Minterme darstellen:

∑=k

ckn21

km)a,...a,a(f⎩⎨⎧

==

=0cfür0

Icfürmmmit

k

kkck

k

und ck = Funktionswert f in der k-ten Zeile der Wahrheitstabelle von f. Diese Darstellung wird als disjunktive Normalform (DNF) bezeichnet. In der Literatur findet sich auch die Bezeichnung "vollständig disjunktive Normalform". Dabei drückt der Zusatz "vollständig" aus, dass die nach oben beschriebene Schema erstellte DNF noch nicht minimiert ist.

Beispiel: Gegeben sei Funktion f durch die folgende Wahrheitstabelle.

A B C f Minterme, mk

0 0 0 I ⋅ ⋅A B C

0 0 I 0 A B C⋅ ⋅

0 I 0 0 A B C⋅ ⋅

0 I I 0 A B C⋅ ⋅

I 0 0 I A B C⋅ ⋅

I 0 I I A B C⋅ ⋅

I I 0 I A B C⋅ ⋅

I I I I A B C⋅ ⋅

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Damit lautet die DNF der gegebenen Funktion:

= ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅f A B C A B C A B C A B C A B C 1.6.3 Konjunktive Normalformen

Werden alle Maxterme konjunktiv miteinander verknüpft, bei denen der Funktionswert f den Wert logisch 0 aufweist, so erhält man die Konjunktive Normalform (KNF). Definition: Konjunktive Normalform (KNF) Jede Boolesche Funktion f(a1, a2, ... an) läßt sich durch konjunktive Verknüpfung bestimmter Maxterme darstellen:

kck

kn21 M)a,...a,a(f Π=

⎩⎨⎧

==

=IcfürI

0cfürMMmit

k

kkck

k

Beispiel: Für selbige Funktion f lautet die Tabelle mit Maxtermen:

A B C f Maxterme, Mk

0 0 0 I A B C+ +

0 0 I 0 A B C+ +

0 I 0 0 A B C+ +

0 I I 0 A B C+ +

I 0 0 I A B C+ +

I 0 I I A B C+ +

I I 0 I A B C+ +

I I I I A B C+ +

Damit lautet die KNF der gegebenen Funktion:

( ) ( ) ( )f A B C A B C A B C= + + ⋅ + + ⋅ + +

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Weiterführende Frage: Wie kann die DNF in die KNF überführt werden?

1.6.4 Unvollständig definierte Boolesche Funktionen

In der Praxis existieren häufig Belegungen der Eingangsvariablen, die für die gegebenen Problemstellung keine Relevanz haben. Das heißt der Funktionswert der Ausgangsvariablen für eine solche Eingangsbelegung wird nicht durch die Problemstellung explizit definiert. Somit ist die zugehörige Boolesche Funktion auch nur unvollständig definiert, d.h. sie ordnet nicht jeder Eingangsbelegung eindeutig einen Funktionswert zu. Unvollständig definierte Boolesche Funktionen werden i.d.R. mittels einer Wahrheitstabelle definiert, die nur die Eingangsbelegungen aufführt, für die die Funktion definiert sein soll. Beispiel: Die folgende Wahrheitstabelle sei die ausreichende Definition der Funktion f(A,B,C).

A B C f

0 0 I I

0 I 0 0

I 0 0 I

Für alle in dieser Wahrheitstabelle nicht aufgeführten Eingangsbelegungen ist der Funktionswert f beliebig. Ein solch beliebiger Funktionswert wird bei der Schaltungssynthese als "don't care" bezeichnet und durch ein "X" symbolisiert. Wird obige Wahrheitstabelle um die Eingangsbelegungen ergänzt, für die kein Funktionswert durch f definiert wird und wird in diesen Zeilen für den Funktionswert ein "X" eingetragen. So entsteht die folgende vervollständigte Wahrheitstabelle für die Funktion f.

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A B C f f1 f2 f3

0 0 0 X → 0 1 1

0 0 I I 1 1 0

0 I 0 0 0 0 1

0 I I X → 1 0 1

I 0 0 I 1 1 0

I 0 I X → 1 1 0

I I 0 X → 0 1 0

I I I X → 1 1 0

Dabei kann für das "X" sowohl I als auch 0 angesetzt werden. Die Funktionen f1 bis f3 zeigen mögliche Vervollständigungen der unvollständig definierten Funktion f. Welche der möglichen Zuweisungsvarianten die geeignetste ist, hängt von den daraus resultierenden Minimierungsmöglichkeiten ab (s.n.Kap.). Auch bei der Schaltungsanalyse wird mit "don't cares" gearbeitet, falls eine bestimmte Eingangsbelegung für die logische Schaltung keine Relevanz haben sollte. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass "don’t care" gleichzeitig auch "don’t know" bedeutet. Das heißt tritt diese nicht gewollte Eingangsbelegung auf, wird das Verhalten der Schaltung nicht mehr durch die zugrunde liegende Boolesche Funktion der Schaltung beschrieben.

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1.7 Vereinfachung von Funktionen Es ist ein gängiges Verfahren Funktionen der Booleschen Algebra mittels Wahrheitstabellen zu definieren. Aus den Wahrheitstabellen lassen sich die vollständigen disjunktiven oder konjunktiven Normalformen ableiten. In der Regel stellen diese Normalformen nicht die einfachste Form dar. Es ist vorteilhaft "irrelevante Variablen" zu eliminieren und dadurch die aus der Wahrheitstabelle ermittelten Funktionen zu vereinfachen. Warum wird eine Boolesche Funktion vereinfacht? Zum einen ist ein Ausdruck in der Form

DCBADCBADCBACDBADABCABCDX +++++=

um einiges unübersichtlicher als ein Ausdruck in der Form CBAACX +=

wobei beide Ausdrücke die selbe logische Funktionen X beschreiben. Zum anderen ist es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit zweckmäßig, jede Schaltfunktion vor ihrer technischen Realisierung auf redundante Faktoren hin zu untersuchen und diese gegebenenfalls mit geeigneten Methoden zu eliminieren. Die folgende Abbildung stellt die schaltungstechnische Realisierung der beiden im obigen Beispiel aufgeführten Ausdrücke für die Funktion X dar.

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Beide Schaltungen liefern dieselben Ergebnisse, doch ist die Realisierung der zweiten Schaltung wesentlich einfacher und kostengünstiger. Vereinfachungsverfahren "von Hand" sind in der Regel zu zeitaufwendig und zu fehleranfällig. Außerdem hängt die Qualität des Ergebnisses stark von der Erfahrung und der Intuition der damit beschäftigten Person ab; vor allem, wenn die Zahl der Variablen enorm steigt. Daher wurden schon frühzeitig systematische Minimierungsverfahren eingeführt, welche immer auf dieselbe Art und Weise auf Funktionen angewendet werden können und zu einer minimalen Lösung führen, wobei es ggf. auch mehrere minimalste Lösung für die selbe Funktion geben kann. Es existieren zwei Gruppen von systematischen Minimierungsverfahren: - grafische Minimierungsverfahren - tabellarische Minimierungsverfahren Grafische Minimierungsverfahren führen schnell ans Ziel, sind aber nur bis zu einer bestimmten Anzahl von Variablen sinnvoll

a) Übersichtlicher

b) Wirtschaftlicher und Zuverlässigkeits-betreffende Gründe

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einsetzbar. Bei zu vielen Variablen werden sie schnell unübersichtlich. Die tabellarischen Verfahren sind in ihrer Anwendung komplizierter als grafische Verfahren, bieten aber die Möglichkeit Funktionen mit vielen Variablen zu handhaben. Außerdem lassen sich die tabellarischen Verfahren als Computerprogramm realisieren. Zwei gängige Verfahren zur Vereinfachung Boolescher Funktionen sind zum einen das von Karnaugh und Veitch und zum anderen das Verfahren von Quine und McCluskey. Algebraische Minimierungsverfahren:

Distributivgesetzt, Idempotenzgesetz, Absorbierungsgesetz, DeMorgan

Beispiel:

( ) ( ) ( )( ) ( ) ( )

y A B C A B C A B C A B C A B C

A B C A B C A B C A B C A B C A B C

A C B B A B C C A B C C

A C A B A B

= ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

= ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

= ⋅ ⋅ + + ⋅ ⋅ + + ⋅ ⋅ +

= ⋅ + ⋅ + ⋅

Die anderen Verfahren lassen sich leichter Systematisieren:

Grafische Minimalisierungsverfahren:

- führen schneller ans Ziel

- nur sinnvoll bis zu einer bestimmten Anzahl von Variablen (Sonst wird es unübersichtlich)

- z.B. Karnaugh-Veitch-Diagramme (KV-Diagramme)

Tabellarische Verfahren:

- Komplizierter

- Auch bei vielen Variablen handhabbar

- Realisierbar mit Computerprogrammen

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Grundlage beider Verfahren:

( ) (Distributivgesetz)

(1) (Komplement) (Neutrales Element)

A B C A B C A B C C

ABAB

⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ +

==

Es existieren drei Gruppen von systematischen Minimierungs-verfahren:

- algebraische Minimierungsverfahren - grafische Minimierungsverfahren - tabellarische Minimierungsverfahren - 1.7.1 Karnaugh-Veitch Diagramm

Karnaugh-Veitch-Diagramme stellen ein Anfang der 50er Jahre entwickeltes graphisches Verfahren zur Optimierung von Schaltfunktionen dar. Sie sind benannt nach den Mathematikern Karnaugh und Veitch, daher stammt auch die Kurzbezeichnung KV-Diagramm. Ihre Zielsetzung ist die Minimierung von Booleschen Gleichungen mit bis zu vier Variablen. Für mehr als vier Variablen eignet sich das KV-Diagramm zur Verfeinerung Boolescher Ausdrücke nicht. Das Verfahren ist von dem in der Mengenlehre benutzten Euler-Venn-Diagramm (Euler'scher Kreis) abgeleitet. Die Mengenlehre ist wie die zweiwertige Aussagenlogik und der aus ihr abgeleiteten Schaltalgebra eine Form der Booleschen Algebra. 1.7.1.1 Allgemeines Aufbauprinzip

Das KV-Diagramm ist die graphische Darstellung einer Wahrheitstabelle in Matrixform. Jedes Feld der Matrix entspricht einem Minterm der Eingangsvariablen. Bei n Eingangsvariablen hat das KV-Diagramm 2n Felder. Die Anordnung der Felder wird so vorgenommen, dass benachbarte Felder sich nur in einer

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Eingangsvariablen unterscheiden. Der Grundaufbau eines KV-Diagramms mit einer Variablen ist in der folgenden Abbildung gegeben:

A = 0A

A

1 Variable: 2 FelderA = 1

Ein KV-Diagramm ist jeweils in zwei Bereiche unterteilt, einen für das Auftreten der Variable (A=I) und einen für das Auftreten der negierten Variable (A=0). Die Bereiche werden durch Balken am Rand des KV-Diagramm gekennzeichnet. Die Beschriftung der Bereiche mit wahrer Belegung der Variablen ist ausreichend; aus der Angabe des Bereichs für A=I ist der Bereich für A=0 implizit gegeben. Um ein besseres Verständnis des KV-Diagramms zu gewährleisten, sei der Aufbau kurz an einem einfachen Beispiel des Euler-Venn-Diagramms erläutert.

A A

kombiniert mit

BB

ergibt BB A ABA

BA

A A

A A

kombiniert mit

B

B

B

B ergibt

BA

A A

B

B

B

B

A AB

A

Ein KV-Diagramm mit zwei Variablen besitzt für beide Variablen einen negierten und einen nicht negierten Bereich. Es entsteht somit ein Diagramm mit vier Feldern. Das KV-Diagramm für mehrere Variablen kann durch fortgesetzte Spiegelung des Grundaufbaus gewonnen werden. Dadurch wird die Anzahl der Felder jeweils verdoppelt. Die ursprünglichen Felder

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repräsentieren die neue Variable und die neu hinzugekommenen Felder deren Negation.

A

A

B

A

B

C

A

C

B

D

A

B

C

D

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Anmerkung: Es gibt viele Möglichkeiten ein KV-Diagramm für 4 Variablen aufzubauen. Soll das nachfolgend beschriebene Minimierungsverfahren jedoch funktionieren, so muß der Diagrammaufbau bestimmten Bedingungen genügen. So dürfen direkt nebeneinander liegende Felder sich nur in genau einer Variablen unterscheiden. Das folgende KV-Diagramm zeigt eine gültige Alternative zum oben entwickelten KV-Diagramm für vier Variablen:

A

B

C

D

Jedes Feld des KV-Diagramms entspricht genau einem Minterm.

Definition: benachbart Zwei Felder gelten als benachbart., wenn sie sich in genau einer Variablen unterscheiden, die beim einen Feld in negierter und beim anderen in nicht negierter Form auftritt. Daraus folgt, dass Felder der ersten und letzten Zeile, aber gleichen Spalte, wie auch Felder der ersten und letzten Spalte, aber gleichen Zeile, benachbart sind, da sie sich ebenfalls nur in einer Variablen unterscheiden. Auch die Eckfelder eines KV-Diagramms für 4 Variablen sind zueinander benachtbart.

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Weiterführende Frage: Konstruiere ein Diagramm, in dem direkt nebeneinander liegende Felder nicht als benachbart gelten und somit die Minimierung nach Karnaugh und Veitch mit diesem Diagramm nicht möglich ist.

A

B

C

0000

D

0I00 II00 I000

0000 0I00 II00 I000

00I0 0II0 III0 I0I0

00II 0III IIII I0II

000I 0I0I II0I I00I

000I 0I0I II0I I00I

0000

00I0

00II

000I

I000

I0I0

I0II

I00I

Achtung: Bei KV-Diagrammen mit mehr als vier Variablen ergeben sich ab der fünften Variablen nicht mehr für alle Variablen zusammenhängende Bereiche! Dadurch wird das KV-Diagramm mit zunehmender Anzahl an Variablen schnell unübersichtlich.

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AE

C

Bp2D

A

BD

A C.

A C.

p2

p1 p1 p1 p1

p2 p2p3 p3

Beispiele:

EDCB3pDBC 2pDBA1p

⋅⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅=

Boolesche Funktionen werden in KV-Diagramme eingetragen, indem die einzelnen Felder mit dem Funktionswert der zugehörigen Eingangsbelegung gekennzeichnet werden. Es reicht aus die I-Werte oder die 0-Werte in das Diagramm einzutragen. Bei einer unvollständig definierten Funktion können die dabei auftretenden "don’t care"-Werte ebenfalls in das KV-Diagramm eingetragen werden. Diese werden dabei durch ein "X" gekennzeichnet. Zum Ausfüllen des KV-Diagramms ist es zweckmäßig, dass die Booleschen Funktionen in einer disjunktiven Normalform vorliegen, da jedem Minterm genau ein Feld zugeordnet ist.

1.7.1.2 Minimierung

Mit einem KV-Diagramm kann jede Schaltfunktion dargestellt werden. Zudem ist es möglich für eine gegebene Schaltfunktion einen minimalen Ausdruck zu erhalten8. Eine Möglichkeit zur

8 Allerdings kann es auch mehrere minimalste Ausdrücke geben, so dass das Ergebnis nicht eineindeutig ist.

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algebraischen Vereinfachung ist dadurch gegeben, dass bei zwei Termen, die sich nur dadurch unterscheiden, dass eine Variable einmal negiert und einmal nicht negiert auftritt, eben diese Variable entfernt werden kann.

Beispiel:

( ) BACCBACBACBAf ⋅=+⋅⋅=⋅⋅+⋅⋅=

Dieser Vorgang wird im KV-Diagramm grafisch realisiert, indem benachbarte Felder, die beide mit einer I gekennzeichnet sind, zusammengefasst werden. Diese Zusammenfassung wird durch einen Kringel um dies Felder kenntlich gemacht. Achtung: Ein "don’t care"-Funktionswert kann hierbei als I

betrachtet werden, falls es für die Minimierung förderlich ist.

Beispiel:

CBACBAf ⋅⋅+⋅⋅=

BAf ⋅=⇒

Es können jedoch auch mehr als 2 Felder zusammengefasst werden, also beispielsweise ganze Spalten oder Zeilen oder ein Quadrat aus 4 Feldern (vgl. Bspl. 1 u. 2). Im allgemeinen können Felder zusammengefasst werden, die gemeinsam ein Rechteck bilden, dessen Seitenlängen 2n Feldern entspricht (vgl. Bspl. 1-3). Diese allgemeine Beschreibung gilt nur für KV-Diagramme

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bis zu 4 Variablen. Somit liegt n im Bereich von 0 bis 2. Damit können die eingekringelten Bereiche eine Kantenlänge von 1, 2 oder maximal 4 Felder aufweisen. Ziel der Zusammenfassung ist es mit möglichst wenigen und mit möglichst großen Kringeln alle Felder, die eine I enthalten, zu erfassen. Dabei sind stets die größeren Kringel zu bevorzugen. So ist es sinnvoll - und auf Grund des Idempotenzgesetzes auch erlaubt - eine I mehrfach zu benutzen. Ansonsten wäre der letzte Minterm aus Beispiel 1 ( CBA ) nicht mehr zu minimieren und es läge keine Minimalform vor. Dass die Randfelder auch zueinander benachbart sind, ist in der zweidimensionalen Darstellung nicht direkt ersichtlich, da ihre Kanten dort nicht aneinander angrenzen. Wird das KV-Diagramm für 3 Variablen hingegen auf den Mantel eines Kreiszylinders aufgespannt, so wird auch anschaulich klar, dass die Minterme CBA und CBA bzw. CBA und CBA ebenfalls zueinander benachbart sind (vgl. Abb. XYZ).

Abb. XVZ Beim KV-Diagramm für 4 Variablen sind nicht nur die gegenüberliegenden Randfelder zu einander benachbart, sondern auch die vier Eckfelder (s. Bspl. 5). Wird das KV-Diagramm auf einen Kreisring (Torus) gelegt, so grenzen diese Felder auch tatsächlich aneinander. Somit kann ein Kringel zur Zusammenfassung von Mintermen auch über den Rand des KV-

CBA

CBA

CBA

CBA

CBACBA

ABC CBA

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Diagramms hinausgehen (vgl. Bspl. 4 u. 5) Weiterführende Frage: Konstruiere einen Torus (dieser kann auch eckig sein), um das obige Phänomen und das im folgenden beschriebene zu veranschaulichen. Desweitern kann durch die 3D-Darstellung gezeigt werden, warum es mehrere Möglichkeiten für ein gültiges KV-Diagramm gibt. Denn sowohl der Mantel des Zylinders als auch der des Kreisrings kann an verschiedenen Kanten aufgeschnitten werden, um ihn plan in der Ebene auszubreiten. So entstehen unterschiedliche zweidimensionale Abbildungen des selben KV-Diagrammtyps. Beispiel 1:

DNF: 1f A B C A B C A B C A B C A B C A B C= ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

A

C

B

I

I I

I

0 0

I I

=> Disjunktive Minimalform: 1f A B= +

Beispiel 2:

DNF: f2 = DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA

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0

I I

I

I I

I I

0

I I

0

0 I

0 I

C

A

B

D

=> Disjunktive Minimalform: 2f A C B D B C= ⋅ + ⋅ + ⋅

Beispiel 3:

DNF: f3 = DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA + DCBA

I

I I

I

I I

I I

0

0 0

0

0 0

0 0

C

A

B

D

=> Disjunktive Minimalform: 3f D=

Beispiel 4:

DNF: f4 = DCBA + DCBA + DCBA + DCBA +

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DCBA + DCBA

0

0 I

I

0 0

0 I

0

I 0

0

0 I

I 0

C

A

B

D

=> Disjunktive Minimalform: 4f A B A B C= ⋅ + ⋅ ⋅

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Beispiel 5:

DNF: f5 = DCBA + DCBA + DCBA + DCBA

0

I 0

0

0 I

0 0

0

0 0

I

0 0

0 I

C

A

B

D

=> Disjunktive Minimalform: 5f A B= ⋅

Weiterführende Frage: Mit einem KV-Diagramm kann auch eine gegebene vollständige konjunktive Normalform minimiert werden. Wie sieht die entsprechende Vorgehensweise dafür aus? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede treten dabei auf?