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Vergabe Navigator 4 · 2006 9 GRUNDSÄTZE DER BESCHAFFUNG UND VERGABE Im Rahmen eines Vergabeverfahrens steht zwischen der Eröffnung der Ange- bote (Submission) und der Auftragsver- gabe die Angebotsauswertung durch die Vergabestelle. Die VOB/A differenziert die Angebotsauswertung in die Vorgänge „Prüfung der Angebote“ und „Wertung der Angebote“. Prüfung der Angebote Die Prüfung der Angebote gliedert sich in folgende Teilvorgänge: 1. Formelle Prüfung 2. Rechnerische Prüfung 3. Technische Prüfung 4. Wirtschaftliche Prüfung Die bei der rein handwerklichen Prüfung der Angebote ermittelten Ergebnisse und Vergleiche sind Grundlage für die Wer- tung der Angebote. Die formelle Prüfung Die formelle Prüfung umfasst die Prü- fung des Angebots auf Vollständigkeit der geforderten Unterlagen, wie zum Beispiel daraufhin, ob alle geforderten Preisangaben, Nachweise, Materialpro- ben, Hersteller- und Typenbezeichnun- gen, ein Bauzeitenplan, ein verpreistes Leistungsverzeichnis im Langtext, rechtsgültige Unterschriften etc. im vor- gelegten Angebot enthalten sind. Zu prüfen ist weiterhin, ob vom Bieter auch keine unzulässigen Änderungen an den Ausschreibungsunterlagen vorge- nommen worden sind und ob der Bieter keine Bedingungen genannt hat, die den Verdingungsunterlagen widersprechen. Erst wenn die formelle Ordnungsmäßig- keit eines Angebots festgestellt ist, kann die inhaltliche Angebotsprüfung, die die rechnerische, technische und wirtschaft- liche Prüfung umfasst, folgen. Die rechnerische Prüfung Die rechnerische Prüfung erfolgt heute in aller Regel unter Zuhilfenahme gängi- ger Ausschreibungssoftware. Hier wer- den von der Vergabestelle oder von sei- nem Erfüllungsgehilfen alle von den Bietern in den Angeboten eingetragenen Einheits- und Gesamtpreise in die schon vorbereitete Ausschreibungsmaske des Programms eingetippt. Das Programm stellt die Diskrepanzen zwischen den Daten der Angebote und den elektroni- schen Rechenergebnissen fest und korri- giert diese nach den Vorschriften der VOB/A. Danach ist der Einheitspreis maßgebend, wenn der im Angebot einge- tragene Gesamtpreis einer Position nicht der Multiplikation von ausgeschriebener Menge und angebotenem Einheitspreis entspricht. Die in den Angeboten enthal- tenen und festgestellten Schreib-, Rechen- und Übertragungsfehler werden in einem Fehlerprotokoll ausgewiesen. Die Fehler werden automatisch korri- giert. Das kann natürlich Auswirkungen auf die Rangfolge der Bieter haben. Die Ergebnisse der rechnerischen Prü- fung werden in Preisspiegeln (nach Bereichen, Titeln, Positionen) und Positi- onslisten (zum Beispiel Fehlerprotokol- le, Ausreißerpositionen, Eventual- und Alternativpositionen) ausgeworfen. Die technische Prüfung Bei der technischen Prüfung geht es darum, das Angebot auf Einhaltung der technischen Vorgaben und Randbedin- gungen zu prüfen. Zur technischen Prü- fung zählt auch die technische Prüfung von Nebenangeboten und Sondervor- schlägen. Die wirtschaftliche Prüfung Der wirtschaftlichen Angebotsprüfung kommt eine besondere Bedeutung zu, weil der Zuschlag auf das wirtschaftlich- ste Angebot erfolgen soll. Im Rahmen der wirtschaftlichen Prüfung werden auffallend hohe oder niedrige Einheits- preise und Spekulationspreise, Nachläs- se und Skonti, Preisgleitklauseln sowie Nebenangebote und Sondervorschläge behandelt. Ist die rechnerische, technische und wirt- schaftliche Prüfung der Angebote abge- schlossen, so ist der öffentliche Auftrag- geber gehalten, die geprüften Angebotssummen in das Submissions- protokoll nachzutragen. Dies ist der Transparenz des Vergabeverfahrens geschuldet. Die Wertung der Angebote Die Wertung der Angebote stellt eine Fortsetzung des Prüfungsverfahrens dar. Nach Vorlage der Ergebnisse der Ange- botsprüfung erfolgt die Angebotswer- tung in vier Wertungsstufen: 1. Stufe: Ausschluss von Angeboten wegen formeller oder inhaltli- cher Mängel 2. Stufe: Prüfung der Eignung der Bieter (im offenen Verfahren) 3. Stufe: Prüfung der Angemessenheit der Angebotspreise 4. Stufe: Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots Die einzelnen Wertungsstufen werden nachfolgend näher beleuchtet. 1. Wertungsstufe: Angebotsausschluss? Die erste Wertungsstufe setzt auf den Ergebnissen der formellen Prüfung der Angebote auf. Hier wird bewertet, ob ein Angebot ausgeschlossen werden kann oder muss. Unter welchen Umständen darf oder muss ein Angebot ausgeschlossen wer- den? Die VOB/A unterscheidet zwischen zwingenden Ausschlussgründen ohne Ermessen der Vergabestelle und fakulta- tiven Ausschlussgründen im Ermessen Dipl.-Ing. Maike Ehrensberger, BCM BauConsult Management GmbH, Berlin Die Angebots- auswertung nach VOB/A Checklisten und Praxis-Tipps für eine rechtssichere Auswertung der Angebote Öffentliche Auftraggeber haben eine ganze Reihe von Vorschriften zu beachten, um im Rahmen der Auftragsvergabe einerseits dem haus- haltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu genügen, und andererseits den Bietern gleiche Chancen auf den Auf- trag zu gewähren.

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G R U N D S Ä T Z E D E R B E S C H A F F U N G U N D V E R G A B E

Im Rahmen eines Vergabeverfahrenssteht zwischen der Eröffnung der Ange-bote (Submission) und der Auftragsver-gabe die Angebotsauswertung durch dieVergabestelle. Die VOB/A differenziertdie Angebotsauswertung in die Vorgänge„Prüfung der Angebote“ und „Wertungder Angebote“.

Prüfung der Angebote

Die Prüfung der Angebote gliedert sichin folgende Teilvorgänge:

1. Formelle Prüfung

2. Rechnerische Prüfung

3. Technische Prüfung

4. Wirtschaftliche Prüfung

Die bei der rein handwerklichen Prüfungder Angebote ermittelten Ergebnisse undVergleiche sind Grundlage für die Wer-tung der Angebote.

Die formelle Prüfung

Die formelle Prüfung umfasst die Prü-fung des Angebots auf Vollständigkeitder geforderten Unterlagen, wie zumBeispiel daraufhin, ob alle gefordertenPreisangaben, Nachweise, Materialpro-ben, Hersteller- und Typenbezeichnun-gen, ein Bauzeitenplan, ein verpreistesLeistungsverzeichnis im Langtext,rechtsgültige Unterschriften etc. im vor-gelegten Angebot enthalten sind.

Zu prüfen ist weiterhin, ob vom Bieterauch keine unzulässigen Änderungen anden Ausschreibungsunterlagen vorge-nommen worden sind und ob der Bieter

keine Bedingungen genannt hat, die denVerdingungsunterlagen widersprechen.

Erst wenn die formelle Ordnungsmäßig-keit eines Angebots festgestellt ist, kanndie inhaltliche Angebotsprüfung, die dierechnerische, technische und wirtschaft-liche Prüfung umfasst, folgen.

Die rechnerische Prüfung

Die rechnerische Prüfung erfolgt heutein aller Regel unter Zuhilfenahme gängi-ger Ausschreibungssoftware. Hier wer-den von der Vergabestelle oder von sei-nem Erfüllungsgehilfen alle von denBietern in den Angeboten eingetragenenEinheits- und Gesamtpreise in die schonvorbereitete Ausschreibungsmaske desProgramms eingetippt. Das Programmstellt die Diskrepanzen zwischen denDaten der Angebote und den elektroni-schen Rechenergebnissen fest und korri-giert diese nach den Vorschriften derVOB/A. Danach ist der Einheitspreismaßgebend, wenn der im Angebot einge-tragene Gesamtpreis einer Position nichtder Multiplikation von ausgeschriebenerMenge und angebotenem Einheitspreisentspricht. Die in den Angeboten enthal-tenen und festgestellten Schreib-,Rechen- und Übertragungsfehler werdenin einem Fehlerprotokoll ausgewiesen.Die Fehler werden automatisch korri-giert. Das kann natürlich Auswirkungenauf die Rangfolge der Bieter haben.

Die Ergebnisse der rechnerischen Prü-fung werden in Preisspiegeln (nachBereichen, Titeln, Positionen) und Positi-

onslisten (zum Beispiel Fehlerprotokol-le, Ausreißerpositionen, Eventual- undAlternativpositionen) ausgeworfen.

Die technische Prüfung

Bei der technischen Prüfung geht esdarum, das Angebot auf Einhaltung dertechnischen Vorgaben und Randbedin-gungen zu prüfen. Zur technischen Prü-fung zählt auch die technische Prüfungvon Nebenangeboten und Sondervor-schlägen.

Die wirtschaftliche Prüfung

Der wirtschaftlichen Angebotsprüfungkommt eine besondere Bedeutung zu,weil der Zuschlag auf das wirtschaftlich-ste Angebot erfolgen soll. Im Rahmender wirtschaftlichen Prüfung werdenauffallend hohe oder niedrige Einheits-preise und Spekulationspreise, Nachläs-se und Skonti, Preisgleitklauseln sowieNebenangebote und Sondervorschlägebehandelt.

Ist die rechnerische, technische und wirt-schaftliche Prüfung der Angebote abge-schlossen, so ist der öffentliche Auftrag-geber gehalten, die geprüftenAngebotssummen in das Submissions-protokoll nachzutragen. Dies ist derTransparenz des Vergabeverfahrensgeschuldet.

Die Wertung der Angebote

Die Wertung der Angebote stellt eineFortsetzung des Prüfungsverfahrens dar.Nach Vorlage der Ergebnisse der Ange-botsprüfung erfolgt die Angebotswer-tung in vier Wertungsstufen:

1. Stufe: Ausschluss von Angebotenwegen formeller oder inhaltli-cher Mängel

2. Stufe: Prüfung der Eignung der Bieter(im offenen Verfahren)

3. Stufe: Prüfung der Angemessenheitder Angebotspreise

4. Stufe: Auswahl des wirtschaftlichstenAngebots

Die einzelnen Wertungsstufen werdennachfolgend näher beleuchtet.

1. Wertungsstufe:Angebotsausschluss?

Die erste Wertungsstufe setzt auf denErgebnissen der formellen Prüfung derAngebote auf. Hier wird bewertet, obein Angebot ausgeschlossen werdenkann oder muss.

Unter welchen Umständen darf odermuss ein Angebot ausgeschlossen wer-den? Die VOB/A unterscheidet zwischenzwingenden Ausschlussgründen ohneErmessen der Vergabestelle und fakulta-tiven Ausschlussgründen im Ermessen

� Dipl.-Ing. Maike Ehrensberger, BCM BauConsult Management GmbH, Berlin

Die Angebots-auswertung nachVOB/AChecklisten und Praxis-Tipps für einerechtssichere Auswertung derAngebote Öffentliche Auftraggeber haben eine ganze Reihe von Vorschriften zubeachten, um im Rahmen der Auftragsvergabe einerseits dem haus-haltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zugenügen, und andererseits den Bietern gleiche Chancen auf den Auf-trag zu gewähren.

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der Vergabestelle. Die einzelnen Aus-schlussgründe sind in einer Übersicht inAbb. 1 dargestellt.

2. Wertungsstufe: Prüfung der Eignung der Bieter

In der zweiten Wertungsstufe erfolgt diePrüfung der Eignung der Bieter, wenndie Eignung nicht bereits Gegenstandeines vorgeschalteten Teilnahmewettbe-werbs (nicht offenes Verfahren) war. DiePrüfung der Eignung untergliedert sichin die Prüfung der Fachkunde, der Lei-stungsfähigkeit und der Zuverlässigkeitund erfolgt auf Grundlage der in der Ver-gabebekanntmachung veröffentlichtenEignungskriterien und der gefordertenNachweise.

3. Wertungsstufe: Prüfung derAngemessenheit der Preise

Gegenstand der dritten Wertungsstufe istdie Prüfung der Angemessenheit derPreise. Auf ein Angebot mit einem unan-gemessen hohen oder niedrigen Preisdarf nach VOB/A der Zuschlag nichterteilt werden. In Zweifelsfällen mussdie Vergabestelle vom Bieter schriftlichdie Aufklärung über die Preisermittlungfür die Gesamtleistung oder für diebetroffenen Teilleistungen verlangen.

Maßgeblich für die Bewertung der Ange-messenheit der Preise ist der Gesamt-preis des Angebots. Als Anhaltspunktefür einen ungewöhnlich niedrigen Preissind die marktüblichen Preise, also zumBeispiel die auf Grundlage marktübli-cher Preise aufgestellte Kostenberech-nung des Planers oder eine erheblicheDifferenz zum zweitgünstigsten Ange-bot.

Im Rahmen der Prüfung der Angemes-senheit der Preise sind die Angeboteauch immer auf Mischkalkulation undauf spekulative Preise zu prüfen. Auf

diese weit reichende Thematik wird indiesem Beitrag nicht näher eingegangen.

Eine Pflicht zum Ausschluss eines Ange-bots besteht nur bei wettbewerblich nichtbegründeten Unterkostenangeboten.Normalerweise hat ein Bieter keinenAnspruch auf Ausschluss eines Unterko-sten-Angebots eines anderen Bieters, essei denn, es handelt sich um einen offen-kundigen Verdrängungswettbewerb.

Im Vordergrund dieser dritten Wertungs-stufe steht der Schutz des Auftraggebersvor wirtschaftlichem Risiko. Der Schutzdes Bieters ist in dieser Wertungsstufenachrangig.

4. Wertungsstufe: Auswahl deswirtschaftlichsten Angebots

Im Rahmen der vierten Wertungsstufeerfolgt die Auswahl des wirtschaftlichenAngebots. Maßgeblich für die Vergabe-entscheidung ist das beste Preis-Lei-stungsverhältnis. Der Preis allein – sodie vergaberechtliche Forderung füröffentliche Auftraggeber – ist nicht ent-scheidend. Eine Ausnahme stellen stan-dardisierte Leistungen dar, bei derenVergabe ausnahmsweise allein der Preisentscheiden kann.

Die Auswahl der Wirtschaftlichkeits-beziehungsweise Zuschlagskriterienliegt im Ermessen der Vergabestelle.

Gerne wird bei der Betrachtung derWirtschaftlichkeit der Angebote nocheinmal die Eignung als ausschlaggeben-des Kriterium herangezogen. Das istnicht zulässig. Geboten ist eine strikteTrennung von Eignungs- und Zuschlags-kriterien. Es gibt kein „Mehr“ an Eig-nung, denn die Eignung wird absch-ließend in der Wertungsstufe 2 oder imRahmen eines vorgeschalteten Teilnah-mewettbewerbs (nichtoffenes Verfahren)geprüft.

Die Vergabestelle ist verpflichtet, dieZuschlagskriterien bekannt zu machen.Wenn keine Zuschlagskriterien bekanntgegeben wurden, entscheidet allein derPreis! Im Rahmen eines nichtoffenenVerfahrens genügt es, in der Vergabebe-kanntmachung lediglich die Eignungs-kriterien bekannt zu geben, wenn mitden Verdingungsunterlagen ergänzendauch die Zuschlagskriterien allen Bieternbekannt gegeben werden. Im offenenVerfahren sind sowohl die Eignungskri-terien, als auch die Zuschlagskriterienmit der Vergabebekanntmachung zu ver-öffentlichen. An die einmal bekanntgemachten Kriterien ist die Vergabestellegebunden.

Die Wertungsmatrix

Die Eignungs- und Zuschlagskriterien,wie auch die Wertungsmatrix sollten aufdie besonderen Anforderungen desjeweiligen Projektes zugeschnitten sein.Die Vergabestelle darf bei Aufstellen derWertungsmatrix ihren Ermessensspiel-raum voll ausschöpfen. Die Wertungs-matrix darf jedoch nur solche Kriterienenthalten, die vorher bekannt gemachtworden sind.

Rechtlich umstritten ist, ob die Vergabe-stelle verpflichtet werden kann, bereitsvor Submission eine Wertungsmatrixaufzustellen. Dies wäre notwendig, umjegliche Manipulationsmöglichkeit beider Auswertung der Angebote auszusch-ließen, würde aber für die Vergabestelledie Verpflichtung mit sich bringen, imSinne der Transparenz des Verfahrensnicht nur die Zuschlagskriterien, sondernauch die Wichtungen der Kriterien allenBietern bekannt zu geben.

Die Wertungsmatrix enthält dieZuschlagskriterien und deren jeweiligevon der Vergabestelle zu fixierendeWichtung in Prozent zur Gesamtbetrach-tung. Die Wertung der Angebote erfolgtüber die Bepunktung der jeweiligen Kri-terien mit den Punkten von 1 bis 5. Diemaximale Punktzahl wird bei Bepunk-tung aller Kriterien mit 5 erreicht.

Eine weitere vergaberechtliche Vorgabelautet, dass der Preis nicht marginalisiertwerden darf, das heißt, der Preis solltenicht unterhalb der Wertungsgröße von30 Prozent angesetzt werden.

Der weitere Weg bis zurVergabeentscheidung

Die Prüfung und Wertung der Angebotewird von den Vergabestellen in der Regelan Ingenieure und Architekten delegiert.Diese legen als Ergebnis ihrer Tätigkei-ten einen Vergabevorschlag vor undempfehlen dem Bauherrn, mit den zweibis vier ranghöchsten Bietern Bieterge-

Abb. 1 – Ausschlussgründe

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spräche zu führen. Diese Gespräche mitdeutlicher Außenwirkung lässt sich derBauherr in der Regel nicht nehmen undwird sie selbst durchführen. Wie geht ermit diesen nächsten Schritten um? Aufwas sollte er achten? Wann ist ein Verga-bevorschlag vollständig?

Das Verhandlungsverbot

Die Vergabestelle darf, so regelt es dieVOB/A, mit einem Bieter nur zu folgen-den Kriterien seines Angebots verhan-deln:

• Änderungsvorschläge und Nebenan-gebote

• geplante Art der Durchführung

• Bezugsquellen von Stoffen und Bau-teilen

• Angemessenheit der Preise.

Über die Eignung, das heißt die techni-sche und wirtschaftliche Leistungsfähig-keit des Bieters darf die Vergabestellemit dem Bieter nur dann verhandeln,wenn der Ausschreibung nicht schon einTeilnahmewettbewerb vorangegangenist, in welchem die Eignung bereitsabschließend bewertet wurde. Die Wer-tung der Eignung im Rahmen von Teil-nahmewettbewerben ist immer absch-ließend.

Eine Verhandlung der Preise ist nachVOB/A unstatthaft. Eine Ausnahme stel-len die freihändige Vergabe und das Ver-handlungsverfahren dar.

Die Aufklärung des Bieters

Die Aufklärung des Bieters über seinAngebot kann sowohl schriftlich, alsauch mündlich erfolgen. Wenngleich einBietergespräch mit den besser platzier-ten Bietern fast immer üblich ist, so ist esdoch wenig verbreitet aber deswegennicht weniger empfehlenswert, den Bie-ter zum Beispiel im Falle berechtigterZweifel an der Angemessenheit bzw.Auskömmlichkeit seiner Preise bereitsim Vorlauf zu einem möglichen Bieter-gespräch schriftlich zur Aufklärung sei-nes Angebotsinhaltes in näher bezeich-neten Punkten aufzufordern. Auf dem

gleichen Wege lassen sich eventuellvorab erkannte Widersprüche oderUnklarheiten aufklären.

Das Bietergespräch

Zu einer ordentlichen Vorbereitung einesBietergespräches gehört die Erstellungvon einem Fragenkatalog je Bieter alsErgebnis der dezidierten Auseinander-setzung mit den Angeboten. Das Bieter-

gespräch dient der Aufklärung des Ange-botsinhaltes durch den Bieter. Zugleichbirgt das Bietergespräch für die Vergabe-stellen die Chance, die mittlerweileerkannten Unklarheiten und Wider-sprüche in den Ausschreibungsunterla-gen aufzulösen und mit dem Bieter ent-sprechend Vereinbarungen zu treffen.

Die für Bietergespräche ausgewähltenBieter sollten rechtzeitig vor dem Bieter-gespräch eine Tagesordnung erhalten,damit sie sich entsprechend vorbereitenund relevante Unterlagen, zum BeispielAuszüge aus der Angebotskalkulationals Nachweis für die Angemessenheit derPreise, zum Gespräch mitbringen kön-nen.

Es hat sich für die Verhandlungspositionder Vergabestelle oft als förderlicherwiesen, die Bietergespräche so zuorganisieren, dass dem Favoriten unterden Bietern der letzte Termin gewidmetist. Denn dann können die Erfahrungenund Erkenntnisse aus den anderen

Abb. 2 – Wertungsmatrix

Abb. 3 – Vergabevorschlag

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� Martin Krämer, Leiter des Liegenschaftsamtes der Bundesstadt Bonn

Zur Praxis derSchulbuchbeschaffungKünftig ein Geschäft der einzelnen Schule?Alle Jahre wieder steht sie an: die Beschaffung von Schulbüchern zurentsprechenden Ausstattung und Versorgung der einzelnen Schulen.Und alle Jahre wieder – so könnte man sagen – gibt es dabei Problememannigfacher Art, die sich – wo sonst – auch und speziell in vergabe-rechtlichen Fragestellungen niederschlagen.

tes von 200.000 Euro europaweit zuerfolgen hatte. Wenn nach Abschluss desVerfahrens dann ein Angebot bezuschlagtwurde, konnten (und können) die einzel-nen Schulen ihren jeweiligen Bedarf ausdem Ergebnis dieser Ausschreibungpraktisch abrufen.

Besonderheiten der Schul-buchbeschaffung

Die Besonderheit indes bei der Schulbuch-beschaffung liegt darin, dass hierfür dieVorschriften des Buchpreisbindungsgeset-zes mit der Maßgabe gelten, dass gesetz-lich Buchpreise bestimmt sind, die einempreiswettbewerblichen Beschaffungsver-fahren sonach nicht zugänglich sind.

Der – freilich auch gesetzlich geregelte –„Preisvorteil“ liegt bei Sammelbestel-lungen von Büchern für den Schulunter-richt, die überwiegend von der öffentli-chen Hand finanziert werden, in einerRabattierung, die – von Auftragswertenabhängig – in einer Nachlassgewährungvon bis zu 15 Prozent maximal besteht;soweit Schulbücher von den Schulen im

Gesprächen bereits in das evtl. vertrags-relevante Bietergespräch mit dem Favo-riten einfließen.

Bietergespräche sollten von der Vergabe-stelle protokolliert werden. Dies solltemit äußerster Sorgfalt erfolgen, schonallein deshalb, weil eines der Protokolleder Bietergespräche mit dem ZuschlagVertragsgrundlage wird. Empfehlens-wert ist daher, das Bietergespräch bereitselektronisch mitzuprotokollieren, amEnde der Verhandlung zu verlesen undvon der Vergabestelle, wie auch vomBieter rechtsverbindlich unterzeichnenzu lassen. Zwecks Vereinfachung undTransparenz bieten sich als technischeHilfsmittel ein Notebook und ein Bea-mer an, um die Protokollverlesung undgegebenenfalls -korrektur gemeinsamvornehmen zu können.

Der Vergabevorschlag

Der Vergabevorschlag beinhaltet dieErgebnisse der Angebotsauswertung undeinen Vorschlag darüber, welchem derBieter der Zuschlag aus technisch-wirt-schaftlichen Erwägungen heraus erteiltwerden sollte. Der Vergabevorschlagwird in aller Regel von dem planendenIngenieur/Architekten im Rahmen derHOAI-Leistungsphase 7 – Mitwirkungbei der Vergabe – an die Vergabestellegerichtet.

Wie sollte ein Vergabevorschlag ausse-hen? Als Arbeitshilfe für Aufbau undInhalt des Vergabevorschlags dient dieCheckliste „Vergabevorschlag“ in Abb. 3.

Unter Ingenieuren und Architekten, diemit der Angebotsauswertung befasst sindund regelmäßig Vergabevorschläge erar-beiten, wird häufig gewarnt, es sollten inAnbetracht drohender Haftungstatbe-stände weder Vergabeempfehlungennoch Vergabevorschläge eingereicht wer-den. Mit beiden Termini könnte der Auf-traggeber im Falle einer nachträglichsich als fehlerhaft erweisenden Vergabe-entscheidung eine Mithaftung des Inge-nieurs ableiten. Da die HOAI aber keinender Termini Vergabeempfehlung undVergabevorschlag kennt, können durch-aus alternative Begrifflichkeiten Anwen-dung finden, die sich eindeutig von derVergabeentscheidung, die ja meistgrundsätzlich bei der Vergabestelle liegt,distanzieren. Zwei Beispiele: „Rechneri-sche Prüfung und Bewertung der Ange-bote“ oder „Auswertung der Angebote“.

Die Vergabeentscheidung

Die Vergabeentscheidung liegt allein beider Vergabestelle und ihren zugehörigenOrganen. Gängig ist die Bildung einerinternen Vergabekommission, die ausverschiedenen Ressorts zusammenge-setzt ist und über große Vergaben ent-scheidet.

Nachdem die Entscheidung über denZuschlag gefallen ist, ist die Vergabestel-le nach § 13 der Vergabeverordnungverpflichtet, den Bietern, deren Angebo-te nicht berücksichtigt werden sollen,den Namen des Bieters, der den Auftragerhalten soll, und die Gründe für die

Nichtberücksichtigung der nicht zumZug kommenden Angebote schriftlichmitzuteilen und ihnen eine 14-tägigeEinspruchsfrist zu gewähren. Erst nachAblauf dieser Frist darf die Beauftragungan den ausgewählten Bieter erfolgen.

Kommentar

Minutiös dokumentieren, sonst drohtUngemach

Entgegen früherer Zeiten, als sich dieBauherren bei der Vergabe von Baulei-stungen im nahezu rechtsfreien Raumewähnten, müssen Vergabestellen heutenicht nur das aktuelle Vergaberecht mitaktueller Rechtsprechung berücksich-tigen, sondern sie müssen das vonihnen durchgeführte Vergabeverfahrenminutiös dokumentieren. Tun sie diesnicht, droht Ungemach von der Kon-trollinstanz namens Vergabekammer,oder sogar vom Oberlandesgericht alszweiter Instanz. Natürlich braucht esdafür einen Kläger. Das ist aber in Zei-ten wie heute das kleinste Problem,denn bei vielen Firmen gehört dieAkquisition im laufenden Vergabever-fahren bereits zum Tagesgeschäft.Gerade Baufirmen waren noch niezimperlich bei der Ideenfindung, anneue Aufträge heranzukommen. Undseit der Bieter per Gesetz die Möglich-keit hat, seine Gleichbehandlung unddie Transparenz des Verfahrens einzu-klagen, nimmt er davon regeGebrauch.

Unbestritten ist sicher, dass die Beschaf-fung von Schulbüchern als Lieferlei-stung unter die Vorschriften der VOL/Afällt und damit dem vergaberechtlichenRegime unterliegt. Das bedeutet, dassdie Beschaffung – je nach Auftragswert– im Wege eines förmlichen Vergabever-fahrens erfolgt.

Die Städte als Schulträger sind bislangdabei so vorgegangen, dass sie den jewei-ligen Jahres- (oder Mehrjahres-)Bedarfder Schulen in ihrem Zuständigkeitsbe-reich ermittelt und alsdann eine Aus-schreibung gestartet haben, die – jeden-falls bei mittleren und größeren Städten –wegen Überschreitens des Schwellenwer-