GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite...

12
Juni 2004 Rundschreiben Nr. 27 Editorial, Anschriften, Termine 2 Der Engel von Chartres, 3 Analemmatische Sonnenuhren - Teil 1, 4 Eine Sonnenuhr für die Mittlere Zeit in Äquatoriale Sonnenuhren mit automatischem Zeitausgleich - Teil 2 8 K. Schwarzinger H. Sonderegger , R. Wieland Bristol, England, 6 Bücher - Zeitschriften - CDs, 9 „Meine Zeit steht in deiner Hand, Herr.” („Aus der Werkstatt unserer Mitglieder”) 10 W. Hofmann I. Fabian , E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen Verein Im Sturm, der um die starke Kathedrale wie ein Verneiner stürzt, der denkt und denkt, fühlt man sich zärtlicher mit einem Male von deinem Lächeln zu dir hingelenkt: lächelnder Engel, fühlende Figur, mit einem Mund, gemacht aus hundert Munden: gewahrst du gar nicht, wie dir unsre Stunden abgleiten von der vollen Sonnenuhr, auf der des Tages ganze Zahl zugleich, gleich wirklich, steht in tiefem Gleichgewichte, als wären alle Stunden reif und reich. Was weißt du, Steinerner, von unserm Sein? und hältst du mit noch seligerm Gesichte vielleicht die Tafel in die Nacht hinein? Chartres Rainer Maria Rilke, Mai/Juni 1906, Paris Foto: Karl Schwarzinger

Transcript of GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite...

Page 1: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Juni 2004Rundschreiben Nr. 27

Editorial, Anschriften, Termine 2Der Engel von Chartres, 3Analemmatische Sonnenuhren - Teil 1, 4Eine Sonnenuhr für die Mittlere Zeit inÄquatoriale Sonnenuhren mit automatischem Zeitausgleich - Teil 2 8

K. SchwarzingerH. Sonderegger

, R. WielandBristol, England, 6

Bücher - Zeitschriften - CDs, 9„Meine Zeit steht in deiner Hand, Herr.” („Aus der Werkstatt unserer Mitglieder”) 10

W. Hofmann

I. Fabian, E. Tuma

Inhaltsverzeichnis: Seite

ARBEITSGRUPPE SONNENUHRENGnomonicae Societas Austriaca (GSA)

im Österreichischen Astronomischen Verein

Im Sturm, der um die starke Kathedrale

wie ein Verneiner stürzt, der denkt und denkt,

fühlt man sich zärtlicher mit einem Male

von deinem Lächeln zu dir hingelenkt:

lächelnder Engel, fühlende Figur,

mit einem Mund, gemacht aus hundert Munden:

gewahrst du gar nicht, wie dir unsre Stunden

abgleiten von der vollen Sonnenuhr,

auf der des Tages ganze Zahl zugleich,

gleich wirklich, steht in tiefem Gleichgewichte,

als wären alle Stunden reif und reich.

Was weißt du, Steinerner, von unserm Sein?

und hältst du mit noch seligerm Gesichte

vielleicht die Tafel in die Nacht hinein?

Chartres

Rainer Maria Rilke, Mai/Juni 1906, Paris

Foto: Karl Schwarzinger

Page 2: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 2 Rundschreiben 27 / 2004

Impressum:Medieninhaber:

Leiter:

Redaktionsteam:

Layout:

Österreichischer Astronomischer Verein,Arbeitsgruppe Sonnenuhren

Dr. Helmut Sonderegger,Sonnengasse 24, 6800 FeldkirchTel. +43/5522/79 638e-mail: [email protected]

Ilse Fabian,Helmut Sonderegger

Heinrich Stocker

Walter Hofmann,Karl Schwarzinger,

Homepages:

Dipl.-Ing. Karl Schwarzingerhttp://members.aon.at/sundials/

Dr. Helmut Sondereggerhttp://web.utanet.at/sondereh/

Liebe Sonnenuhrenfreunde!

Mit großer Freude können wir Ihnen Herrn Dr. KlausGöller als neues Redaktionsmitglied unseres Rund-schreibens vorstellen. Herr Dr. Göller ist ein langjäh-riges, engagiertes Mitglied unserer Arbeitsgruppe.Er hat an mehreren inländischen und ausländischenSonnenuhr-Tagungen teilgenommen und ist von dorther sicher vielen von Ihnen als kompetent bekannt.Er wird die Koordinierungsarbeiten übernehmen.Wir bitten Sie daher, Ihre Beiträge und Anregungenkünftig an ihn zu senden (Dr. Klaus Göller,Degengasse 70, 1160 Wien; [email protected])

In der Jahreshauptversammlung des Österreichi-schen Astronomischen Vereins gab Herr Dipl.-Ing.Johann Albrecht seinen Rücktritt als Vorsitzenderaus gesundheitlichen und familiären Gründen be-kannt. Den Vorsitz übernahm Ao. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Robert Weber, der am Institut fürGeodäsie und Geophysik der TU Wien tätig ist. DieArbeitsgruppe Sonnenuhren dankt Herrn SenatsratAlbrecht für seineArbeit im Verein und wünscht ihmnoch viele gute Jahre. Zugleich gratulieren wir demneuen Vorsitzenden zu seinemAmt.

Die Arbeit an der Neuauflage des Katalogs der orts-festen Sonnenuhren Österreichs von KarlSchwarzinger schreitet fort. Sollten Vereins-mitglieder interessiert sein, darin mit Werbeein-schaltungen auf ihre Angebote im Bereich derSonnenuhren aufmerksam zu machen, dann mögensie sich bitte mit Herrn Dr. Helmut Sonderegger inVerbindung setzen.

Wir freuen uns, dass das neue Layout unseres Rund-schreibens Anerkennung gefunden hat und dankenfür Ihre Rückmeldungen. Die Einladung zu unsererJahrestagung 2004 in Oberperfuss haben Sie hof-fentlich erhalten; wenn nicht, dann bitten wir um ra-sche Rückmeldung.

Wie wir vor kurzem erfahren haben, ist unserMitglied Herr Robert Felix (Basel) verstorben. SeinFachgeschäft für Sonnenuhren im Gerbergässleinwar vielen Sonnenuhrenfreunden bekannt. Wir trau-

ern um einen weit über die Grenzen seiner Heimathinaus angesehenen Sonnenuhrfachmann. UnserMitgefühl gilt seiner Familie.

Anfang Juni traf auch die traurige Nachricht vomTod unseres Mitglieds Herrn Dipl.-Ing. MatthiasBuschek ein. Er war eine Bereicherung für unsereGruppe und wird uns sehr fehlen. Wir trauern mit sei-nenAngehörigen.

Der im letzten Rundschreiben angekündigte Artikelüber die Restaurierungsarbeiten an der Sonnenuhrdes Wiener Stephansdoms muss aus terminlichenGründen auf später verschoben werden.

Wir können auch diesmal vier neue Mitglieder in un-sererArbeitsgruppe begrüßen:Jörg Bentele, 2291 LasseeJohanna Cox, 1140 WienMartin Kramer, 4204 HaibachUniv.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Robert Weber, 1220 Wien

Wir wünschen viel Freude bei der Beschäftigung mitSonnenuhren!

Das Redaktionsteam

Anschriften der Autorinnen undAutoren:

Dr. Ilse FABIAN, Hietzinger Hauptstr. 152, 1130Wien; [email protected]. Walter HOFMANN, Favoritenstraße 108/6,1100 WienHR Dipl.-Ing. Karl SCHWARZINGER, Am Tigls76A, 6073 Sistrans; [email protected]. Helmut SONDEREGGER, Sonnengasse 24,6800 Feldkirch; [email protected]. Eva TUMA, Rudolf-Zellergasse 48/C2,1230 Wien; [email protected]. Rolf WIELAND, Baumgartenweg 5,74589 Satteldorf, Deutschland;[email protected]

Termin

24.-25. September 2004: Jahrestagung derArbeitsgruppe Sonnenuhren im ÖsterreichischenAstronomischen Verein in 6173 Oberperfuss, Tirol

Örtlicher Organisator: Dipl.-Ing. Karl Schwarzinger,Am Tigls 76A, 6073 Sistrans;e-mail: [email protected]

Page 3: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 3Rundschreiben 27 / 2004

Mit dem Bau der Kathedrale in Chartres wurde einneuer Baustil, die Gotik, eingeleitet. In weniger alseinem dreiviertel Jahrhundert wurde diese Kathe-drale mit ihren außergewöhnlichen Skulpturen,Schiff und Querschiff, dem Labyrinth, Portalen undGlasfenstern errichtet. 1194 wurde begonnen, 1220war der Rohbau nahezu fertig und 1260 wurde sievon Bischof Pierre de Mincy eingeweiht. Das beson-dere Wunder waren und sind heute noch dieGlasfenster, die den riesigen Innenraum in einemnicht zu beschreibenden, fast überirdischen Lichterscheinen lassen. Auffällig ist der reiche Figuren-schmuck, vor allem an denAußenmauern. UnzähligeHeilige, Könige und Engel zieren das Bauwerk.

Ein Engel - genannt der „Engel von Chartres“ - stehtisoliert an der Südecke des romanischen Südturmsauf einer Säulenkonsole unter einem neuromani-schen Baldachin. Die Figur ist betont schlank, auf-fällig der reiche Faltenwurf des Kleides. Vor demEngel tragen zwei schmiedeeiserne Konsolen eineSonnenuhr, so, als würde der Engel sie halten.Sonnenuhr und Engel gehörten ursprünglich nichtzur Kathedrale, sondern wurden mitsamt denFlügeln des Engels aus Stücken verschiedensterHerkunft zusammengestellt. Das Original hat übri-gens längst ausgedient und steht jetzt verwittert inder Krypta unter dem südlichen Querschiff. Engelund Sonnenuhr an der Turmecke sind erneuert.

Die halbkreisförmige steinerne Sonnenuhr besitztein nach Süden gerichtetes Zifferblatt mit denStundenlinien für die wahre Sonnenzeit. Die Ziffernreichen von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Wie essich für eine Süduhr gehört, sind die beiden 6 Uhr-Stundenlinien waagrecht. Auf der Scheibe ist dieJahreszahl 1578 zu lesen.

Wenn man im Sommer auf der Sonnenuhr die Zeitabliest, so stellt man fest, daß sie um rund 2 Stunden

zu spät geht. Das hängt vorwiegend mit unsererMitteleuropäischen Zeit und mit der Sommerzeit zu-sammen. Chartres hat eine geogr. Länge von 1° 30'Ost, d.h. die Zeitdifferenz gegenüber dem Meridianfür die MEZ beträgt fast 1 Stunde. Schließlich wirftdie Sommerzeit die Zeitanzeige noch um eine weite-re Stunde zurück.

Wenn man das Antlitz des Engels über derSonnenuhr betrachtet, fällt einem unweigerlich dasstille, verhaltene Lächeln auf. Worüber lächelt derEngel? Vielleicht über unsere seltsame Zeiteintei-lung, über die Hast der Menschen, die der Zeit nach-jagen ?Lassen wir nach Rainer Maria Rilke auf derTitelseite hier auch eine Dichterin zu Wort kommen:

Kathedrale von Chartres

Im Schattenwurf teilt er die Stunden zu,das Maß des Lichts als Schild vor seinem Herzendenn wer kann je die Finsternis ermessen?An seiner Brust wird jeder Tag gekreuzigt.SeinAntlitz weist die unteilbare Zeit.

Christine Busta, Der Engel mit der Sonnenuhr

Literatur :René R.J. Rohr : „Die Sonnenuhr“ Callwey.Günther Knesch : „Ein lächelnder Engel mitSonnenuhr“, Landshuter Zeitung vom 12.6.1997.Charles K. Aked : “The Angel Of Chartres“,Bulletin of the British Sundial Society, No. 97.3,July 1997.Internet-Seite zur Kirchengeschichte:

Internet-Seite zu einem weiteren Gedicht über denEngel von Chartres:

http://www.veoveo.com/

Http://www.suedwesten.de/frommenhausen/chartres.htm

Der Engel von ChartresKarl Schwarzinger

Frankreich, Centre-Valle-de-Loire, Departement 28 Eure-et-Loir, Chartres

Page 4: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 4 Rundschreiben 27 / 2004

1. Zum Begriff der analemmatischen Sonnenuhr

Oft denkt man bei analemmatischen Sonnenuhren anhorizontale Sonnenuhren mit einer Person alsSchattenwerfer, die auf dem dem Kalenderdatumzugeordneten Datumspunkt steht. Alle Datums-punkte liegen auf der sogenannten Nebenachse derEllipse, die genau in der Nord-Süd-Richtungverläuft. Der Schatten zeigt dann auf den elliptischangeordneten Zeitmarken die wahre Ortszeit oderallenfalls die wahre Ortszeit des Zonenmeridians an.Man muss also zusätzlich noch den Wert derZeitgleichung kennen, um damit aus derabgelesenen Zeit die in unserem Alltag verwendetemittlere Zeit bestimmen zu können.

Eine Sonnenuhr dieser Art wurde von KarlSchwarzinger für den Stadtplatz von Leobenberechnet (Abb.1). Als Besonderheit ist dort dieDatumslinie auf einem steinernen Podest in derHöhe einer Sitzbank angebracht.

Man kann die Konstruktion einer analemmatischenSonnenuhr aus der äquatorialen Sonnenuhr ableiten,wenn man diese lotrecht auf eine horizontale Ebeneprojiziert (vgl. [3], S.120). Aus den kreisförmigangeordneten Zeitmarkierungen der äquatorialenSonnenuhr werden im allgemeinen elliptischangeordnete Zeitmarkierungen, aus der Projektiondes polgerichteten Schattenwerfers wird die in Nord-Süd-Richtung verlaufende gerade Datumslinie.

Allgemein wird der Begriff der analemmatischenSonnenuhr jedoch etwas weiter gefasst. Die Ziffer-blattebene darf beliebig geneigt sein, und auch dieProjektionsrichtung darf innerhalb bestimmterGrenzen beliebig - jedoch keinesfalls parallel zurZifferblattebene - angenommen werden. Derschattenwerfende Zeiger muss parallel zur Projek-tionsrichtung sein, seine Länge ist beliebig. Er mussverschiebbar sein, da er zur Zeitablesung auf denjeweiligen Datumspunkt zu stellen ist. Die allge-meinen Formeln für ebene Zifferblätter sind immathematischen Anhang zu Teil 2 dieses Artikels zufinden.

Die Sonnenuhren nach Parent und Foster-Lambertsind spezielle Arten von analemmatischen Sonnen-uhren. Hier sind die Neigung der Zifferblattebene

und die Projektionsrichtung (=Stabrichtung) soaufeinander abgestimmt, dass man ein geradlinigesbzw. kreisförmiges regelmäßiges Zifferblatt erhält(vgl. [4], S. 123ff.). Eine besonders originellevertikale Form einer analemmatischen Sonnenuhrwird im Artikel

auf Seite 6 dieses Rund-schreibens beschrieben.

Bereits Johann Heinrich Lambert hatte daraufhingewiesen, dass man auf horizontalenanalemmatischen Sonnenuhren mit vertikalemSchattenzeiger durch eine relativ einfacheKonstruktion dieAuf- und Untergangszeit der Sonnefür einen beliebigen Tag ermitteln kann (vgl. [3]):Ein Kreis durch den Datumspunkt und durch diebeiden Brennpunkte der Ellipse schneidet dieStundenellipse genau in den Stundenpunkten desAufgangs und des Untergangs der Sonne. DieZeitgleichung und die Einflüsse der Atmosphärewerden dabei allerdings nicht berücksichtigt. Die sokonstruierten Kreise nennt man Lambertsche Kreise.Bei geneigter Uhrenebene oder bei geneigtem Zeigerist diese Konstruktion nicht mehr möglich.

Auf der Jahrestagung 2002 der North AmericanSundial Society (NASS) schlug Roger Bailey eineverblüffend einfache Methode vor, um die Zeiten destäglichen Auf- und Untergangs der Sonne mit rechtguter Näherung zu bestimmen (vgl. [2]). Erkonstruierte für jeden Tag den Schnittpunkt der Ost-West-Achse der analemmatischen Sonnenuhr mitder Verbindungsgeraden vom Datumspunkt zurZeitmarke des Sonnenaufgangs. Dabei fand er, dassalle diese Schnittpunkte verhältnismäßig nahebeieinander liegen. (Für den Sonnenuntergang ist dieKonstruktion symmetrisch zur Nord-Süd-Achse deranalemmatischen Sonnenuhr.) Wenn man nun einendieser Schnittpunkte auswählt und ihn alsAufgangspunkt (“Sunrise” in Abb. 2) bezeichnet, soergibt sich folgende einfache Regel:

Die Blickrichtung vom Aufgangspunkt zumDatumspunkt zeigt, wo die Sonne aufgeht.Die Blickrichtung vom Datumspunkt zumAufgangspunkt zeigt, wann die Sonne aufgeht.

„Eine Sonnenuhr für die Mittlere

Zeit in Bristol, England“

2. Analemmatische Sonnenuhren mit Auf- undUntergangspunkten

x

x

Analemmatische Sonnenuhren - Teil 1Helmut Sonderegger

Inhalt: Nach einer Begriffsklärung werden im 1.Teil Auf- und Untergangsmarken nach R. Bailey vorgestellt. Der

2. Teil behandelt eine neuere Entwicklung, nämlich „geteilte analemmatische Sonnenuhren“, die mittlere Zeit

anzeigen können.

Page 5: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 5Rundschreiben 27 / 2004

Der maximale Fehler dieser Peilmethode nimmt mitder geographischen Breite zu. Er liegt jedoch auf 48°nördl. Breite bei höchstens 1,1 . Dies ist eineGenauigkeit, die wohl in den meisten praktischenFällen ausreichend sein dürfte, zumal wie auch beiden Lambertschen Kreisen die Einflüsse der Zeit-gleichung und der atmosphärischen Bedingungenunberücksichtigt bleiben.

Die Methode von R. Bailey kann auch dann mitVorteil angewendet werden, wenn bei horizontalemZifferblatt die Zeigerrichtung innerhalb dervertikalen Nord-Süd-Ebene in einem eher kleinenBereich von der Lotrechten abweicht. DieserBereich und die Lage der Punkte von Bailey hängenvon der geographischen Breite ab. Ist die Ebene einesZifferblattes gegen die Horizontale geneigt, können

o

für die eben beschriebenen Zeigerrichtungen dieZeiten des Auf- und des Untergangs der Sonneebenfalls mit Hilfe der von R. Bailey vorge-schlagenen Punkte angenähert ermittelt werden.

Literaturliste[1] Aulenbacher, Gerhard: „

”,n

[2] Bailey, Roger:

[3] Rohr, René R.J.: „ ”,

[4] Rohr, René R.J.: „

[5] Sawyer, Frederick W. III:”,

[6] Schwarzinger, Karl: „

[7] Seidelmann, P. Kenneth:

[8] Sonderegger, Helmut:

:Analemmatische

Sonnenuhren Schriften der Freunde alterUhre , 1996, XXXV: p. 168-179.

SMNotes. Pdf-File forNASS-presentation at Tucson, 2002.

Der Lambertsche KreisSchriften der Freunde alter Uhren, 1989,XXVIII: p. 129-137.

Die Sonnenuhr:Geschichte, Theorie, Funktion”, Callwey,München, 1982: p. 118 ff.

“Of Analemmas,Mean Time and the Analemmatic SundialSciatheric Notes - I, North AmericanSundial Society Press, 1998: p. 7.1 7.21.

Die analemmatischeSonnenuhr”, Rundschreiben 15, Nov. 1997p. 4-10

“A design for ananalemmatic standard-time sundial”, Skyand Telescope, Dec 1975, 50(6):368-369.

”AnalemmaticSundials and Mean time“, TheCompendium, Journal of the NorthAmerican Sundial Society, Sep. 2003(10/3); p. 8-14.

(Fortsetzung folgt)

Abb. 1:Analemmatische Sonnenuhr auf dem Stadtplatz in Leoben.Konstruktion und Foto: K. Schwarzinger

Abb. 2, Copyright Roger Bailey, [2]

Summer Solstice

Equinox

Winter Solstice

May

Apr.Aug.

Sep.

Mar.

Oct.

Feb.

Nov.Jan.

Jul.

7

6

5

4

3

211211

10

9

8

7

6

5

North

West East

Sunrise Time

Sunrise Sunset

Solstice Sunrise

2.802.80

9.00

3.09 5.41

Stand on Marker, sight over date to see where the sun risesStand on Date, sight over Marker to see where the sun rises

Page 6: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 6 Rundschreiben 27 / 2004

Ein Briefwechsel beginnt...

Analemmatische Uhren mit Stundenkreisen

Im Juni 2002 hatte James D. Richard an derÖsterreichexkursion der British Sundial Societyteilgenommen. Als Dank für ein Gruppenfoto sandteer ein Bild einer Sonnenuhr, die er 1995 für denBalkon vor seiner Wohnung in Bristol angefertigthatte. Ein erster Blick auf die Sonnenuhr magverblüffen. Schließlich lässt sie sich unter dieanalemmatischen Sonnenuhren einordnen.

Sonnenuhren dieser Art wurden 1680 von SamuelFoster erdacht, gerieten in Vergessenheit und wurden1777 von Johann Heinrich Lambert neu erfunden(Rohr, „Die Sonnenuhr“). Die Erklärung jederanalemmatischen Sonnenuhr geht von einemgedachten äquatorparallelen Kreis k aus. DenÄquinoktialstunden entsprechend wird er in 24 glei-che Teile geteilt.

Das Besondere an einer Uhr nach Foster undLambert ist die Richtung, in der der jeweilige Kreis kauf die Ebene des Zifferblattes projiziert wird. DieseRichtung ist dann zugleich die des Zeigers. Sie wirdso festgelegt, dass das Bild des Kreises k mit seinenTeilungspunkten ein Kreis k* gleicher Größe mitebenfalls regelmäßiger Teilung ist, an dem die Zeitabgelesen wird. Üblicherweise werden dieseSonnenuhren für horizontale Zifferblätter erklärt; essind aber auch andere Lagen der Zifferblättermöglich.

Befindet sich das Zifferblatt in einer lotrechten, nachSüden gerichteten Ebene auf einem Standort mit dergeographischen Breite , dann schließt die Ebenedes Kreises k mit der Zifferblattebene die Winkelund 180 - ein (Figur 1). Jeder dieser beidenWinkel wird durch eine Symmetrieebene halbiert.Wird k an den beiden Symmetrieebenen gespiegelt,sind die Bilder gleich große Kreise k * und k * mitebenfalls regelmäßigen Teilungen, von denen einemit dem, die andere gegen den Uhrzeigersinnorientiert ist. Die Spiegelungsstrahlen sind recht-winklig zu den Symmetrieebenen, sie sind zugleichProjektionsstrahlen und geben die Zeigerrichtungenzweier möglicher Sonnenuhren vor.

Betrachtet wird nun die Projektion parallel zurSymmetrieebene des Winkels , der Umlaufsinn derTeilungspunkte auf k* ist der des Uhrzeigers (Figur2). Der Zeiger ist entsprechend der jeweiligenSonnendeklination so zu stellen, dass seineAchse adurch die Spitze S eines Drehkegels mit demBasiswinkel geht, der dem gedachten Kreis k,ebenfalls in Gedanken, aufgesetzt ist. Der Zeigertrifft das Zifferblatt in einem Punkt D der lotrechtenDatumsgeraden. Der Punkt D darf nicht außerhalbdes Kreises k* liegen, da die Schatten des Zeigers

j

j

j

j

d

d

o

1 2

Eine Sonnenuhr für die Mittlere Zeit in Bristol, EnglandWalter Hofmann

Kreise in einer lotrechten Südebene alsParallelprojektion eines äquatorialen Kreises

“What is this life if, full of care,

„We have no time to stand and stare?”

Was hilft es, wenn wir ständig rennen und nicht mehrstehn und staunen können?”

(Foto: James D. Richard)

Page 7: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 7Rundschreiben 27 / 2004

den Kreis sonst in zwei Punkten schneiden könnten.Damit ist diese Bauart durch 2 < < 90 -begrenzt. Sei M* der Äquinoktialpunkt der Datums-geraden und r der Radius von k, dann gilt für dieAbstände d der Datumspunkte D von M*:d = r. tan / tan( /2).

Zu einer bestimmten Stunde falle der Schatten derKegelspitze S auf einen Stundenpunkt H auf demKreis k. Die „Schattenebene“ durch die Zeigerachsea und den Punkt H enthält auch den ProjektionsstrahlHH*. Somit gehen die Schatten des Zeigersunabhängig von der Deklination zur gleichenStunde immer durch den Punkt H*.

Der Standort der Sonnenuhr hat die Koordinaten= 2,61 und = 51,48 . Die geographische Breite

ist größer als 2 ; sie erlaubt die Ausführung, bei derdie Stundenskala im Uhrzeigersinn orientiert ist. DieStraße, an der das Haus liegt, weicht um 13 von derOstwestrichtung ab. Damit ist die Dauer einermöglichen Besonnung begrenzt, auf dem nachSüden gerichteten Zifferblatt genügen zwölf Stun-denpunkte.

Die regelmäßige Teilung der Stundenskalaermöglicht, an jedem sonnigen Tag das Zifferblatt sozu drehen, dass der Schatten des Zeigers die MittlereZeit anzeigt. Zum Einstellen sind auf der Rückseitedes Zifferblattes vier kleinere Kreise mit Datums-marken eingetragen, Teile eines ungewohntenZeitgleichungsdiagramms. Die Anordnung derKreise berücksichtigt die Längendifferenz zumMeridian von Greenwich sowie den Unterschiedzwischen Zonenzeit und Sommerzeit. Die Ziffer-blattscheibe wird so gedreht, dass Geraden durch dieDatumsmarken an eine Anlegekante gerückt werden(Figur 3; nicht im Bild, weiter links, die Kreise fürdie Monate mit der Sommerzeit).

e j e

d j

d

l j

e

o

o o

o

Die Sonnenuhr in der Cavendish Road

Seitenansicht zur Funktion der betrachtetenSonnenuhr

Rückseite der Sonnenuhr (Detail)

James D. Richard wollte zeigen, dass eineSonnenuhr die Mittlere Zeit anzeigen kann und nichtnotwendig „falsch geht“. Das Zifferblatt solltemöglichst einfach sein, die Mittagsanzeige oben unddie Anordnung der Stundenmarken im Uhr-zeigersinn. Diese Überlegungen führten ihn zurForster-Lambert-Uhr. Allerdings, so berichtet er,dreht sich der Schatten um die Zeit derSommersonnenwende sehr rasch, in drei Stundenum etwa 180 . Das erschwert das Einstellen. VieleEinzelheiten an der Uhr hat James D. Richard selbsterdacht. Bescheiden meint er, dass er mit seinenGedanken sicher nicht allein ist. Auf weitere Fragenantwortet er:

Wir gratulieren unserem englischen Freund zu derschönen Sonnenuhr und zu der Begeisterung, dieMühen ihrer Betreuung auf sich zu nehmen.

o

„Ich habe die Sonnenuhr selbst hergestellt, mitAusnahme der Buchstaben für den Spruch (18mm)und der Ziffern für die Zahlen (60mm), die ichgekauft habe. Sie waren selbstklebend und habensich auch nach acht Jahren Regen nicht gelöst.Mein Vater hatte eine gutausgestattete Heimwerk-stätte, so war ich den Gebrauch von Werkzeugen vonKind an gewöhnt. Ich war Technischer Offizier in derRoyal Navy. Was ich dort lernte, war für das Her-stellen von Sonnenuhren aus Messing von Nutzen,nicht von solchen aus Holz. Ich interessierte mich fürdie Navigation, obwohl ich es nicht gemusst hätte.Vieles hing damals vom Sonnenstand ab. So wurdenmir Begriffe wie Deklination und Stundenwinkelvertraut. Das blieb mir erhalten. Nach dem Abschiedvon der Marine wurde ich Lehrer und unterrichtetePhysik und Mathematik.“

Page 8: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 8 Rundschreiben 27 / 2004

In der ersten Folge wurde gezeigt, dass der Schatten-körper, der die Zeitgleichung für eine bestimmteSonnendeklination berücksichtigt, durch Drehungeiner Geraden um eine zum Himmelspol gerichteteDrehachse erzeugt werden kann. Diese Geradeschneidet die Drehachse nicht und folgt mit ihrerRichtung der Sonne auf ihrer scheinbarenTagesbahn. Die Gerade überstreicht ein einschaligesDrehhyperboloid, eine Fläche, die auch durchDrehung einer Hyperbel um ihre Nebenachseentsteht (Abb.1). Die Gleichung der Hyperbel unddie Formeln für die Parameter r, h, m in dieserGleichung sind in der ersten Folge angegeben. Fürdie Deklination = 0 hüllt die zur Sonne gerichteteGerade einen Kreis ein.

Betrachtet werden nun die Hyperbeln für allewachsenden Deklinationen der Sonne in einerebenen Figur, für alle abnehmenden Deklinationenin einer anderen ebenen Figur. Es zeigt sich, dass dieHyperbeln bis in die Nähe der Deklinationen und -hin Hüllkurven besitzen. Die Hyperbelscheitelliegen im allgemeinen nicht auf diesen Hüllkurven,

d

e e

o

Äquatoriale Sonnenuhren mit automatischem Zeitausgleich -Teil 2Rolf Wieland, Satteldorf

Abb. 1: Einschaliges Drehyperboloid(Zeichnung: W. Hofmann)

1

1

2

2

Hüllkurve von Hyperbel-bögenOrtslinien der Hauptscheitel fürden Winterkörper

ausgenommen dort, wo die Tangenten an dieHüllkurven parallel zu den Drehachsen sind (Abb.2).

In den Randbereichen um die Deklinationen derSonnenwenden überdecken Hyperbeln diebenachbarten Hyperbeln in der Nähe der Drehachsevollständig (Abb.3). In diesen Bereichen werden dieHüllkurven durch kurze Kurvenstücke ergänzt. DieHüllkurven mit ihren Ergänzungen werden um dieDrehachsen gedreht und legen so die Gestalt derbeiden Schattenkörper fest. Besonders nach denbeiden Sonnenwenden ist die Anzeige auf derBernhardt-Uhr ungenau. Martin Bernhardtempfiehlt, die Schattenkörper erst vier Tage nachden Solstitien zu wechseln, wodurch die konkavenBereiche der „alten“ Schattenkörper weiterhin zurAnzeige benützt werden.

Fortsetzung folgt.

Die vom Verfasser betrachteten Hyperboloideermöglichen eine mathematische Analyse der beidenSchattenkörper sowie Berechnungen der Fehler inder Zeitanzeige um die Sonnenwenden. Diese Fehlerkönnen an der Bernhardt-Uhr nicht vermiedenwerden. Wir gratulieren Herrn Wieland zu demschönen Ansatz!

(Anmerkung der Redaktion)

Abb. 2: Ortslinie der Hauptscheitel Abb. 3: Überdeckungen nachder Wintersonnenwende(für R = 250 mm, d = 30 mm;Hyperbeln in Abständen von3 Tagen)

Page 9: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 9Rundschreiben 27 / 2004

Bücher - Zeitschriften - CDs

Einer Anregung Andrea Costamagnas von der ita-lienischen Arbeitsgruppe folgend, den inter-nationalen Kontakt unter den Sonnenuhren-freunden zu fördern, wollen wir unseren Leserinnenund Lesern einen Einblick in die gnomonischenAktivitäten unserer Nachbarn ermöglichen. Alsersten Schritt dazu ist die wechselseitigeVeröffentlichung der Inhaltsverzeichnisse derjeweiligen Vereinszeitschriften zu verstehen. Indiesem Sinne bringen wir im Folgenden eineInhaltsübersicht von der uns zuletzt zugegangenenAusgabe der italienischen Vereinszeitschrift

Die Zeitschrift erscheintdreimal im Jahr mit einer Seitenanzahl von ca. 60Seiten (siehe dazu auch RU 23, S.11).Eine Inhaltsübersicht der uns zuletzt zugegangenenAusgabe der Vereinszeitschrift der BritishSundial Society erscheint im nächsten Rund-schreiben.

Gnomonica Italiana.

Bulletin

GNOMONICAITALIANARivista di Storia, Arte,Cultura e Technichedegli Orologi Solari;fondata da NicolaSeverinoAnno II, n.5 giugno2003(64 Seiten, zahlreicheAbbildungen in SWund Farbe)

Inhaltsverzeichnis:

PAOLO ALBERI AUBER:

ALESSANDRO GUNELLA e ALBERTONICELLI:

FABIO SAVIAN:

(Fortsetzung zumArtikel „Bifilare Sonnenuhren; einneuer vereinfachter Zugang“, in Gnomonica ItalianaNr.1, Dezember 2001; neben der theoretischenBespre-chung negativer Fadenhöhen wird auch einepraktische Ausführung einer solchen Bifilar-sonnenuhr mit den beiden an einem Fensterbefestigten Fäden und ihrer Projektion auf eineAuffangfläche im Raum beschrieben.)

SILVANO BIANCHI:(über die Spuren alter Sonnenuhren in Ivrea,

Piverone und Spineta).

NICOLA SEVERINO:

(Über eine bisher unbekannteMittagslinie, die sich in einem zur Zeit vom Militärgenutzten Gebäude befindet.)

GIANNI FERRARI e ROBERT HOUGH:

GIANNI FERRARI:

Über das Messen derWandabweichung.

Über ein Buch des Astrologen OronzioFineo und eine Streitschrift über die Unterteilungder„Himmels-Häuser“ und über die ungleichenStunden.

Bifilarsonnenuhren über derKosubstilare und mit Fäden negativer Höhe.

Verschwunden, aber nichtganz

Die Mittagslinien in der”Camera Oscura” von Pizzofalcone in Neapel undin Piedimonte Matese.

Einepraktische Formel-Zusammenstellung zur raschenBerechnung der verschiedenen Daten der Sonne.

Die Projektion der äqutorialenSonnenuhr und die analemmatischen Sonnenuhren.

„Sommerwalze” 29. 6. - 26. 12. „Winterwalze” 26. 12. - 29. 6.Fotos: Klaus Leckebusch

Page 10: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 10 Rundschreiben 27 / 2004

„Meine Zeit steht in deiner Hand, Herr.“„Aus der Werkstatt unserer Mitglieder”

Eva Tuma

Schon als Kind waren meine HauptinteressenNaturwissenschaften und Kunst, und da beides vonmeinen Eltern auch gefördert wurde, konnte ich1970 an unserem damals neu gebauten Haus inBrasilien eine Sonnenuhr in Mosaiktechnikanbringen. Zu dieser Zeit wusste ich nur, dass derSchattenstab parallel zur Erdachse sein muss, sokonnte ich diesen einigermaßen richtig montieren.Von der Zeitgleichung wusste ich nichts; ich habeeinfach an einem bestimmten Tag nach der Uhr jede

Stunde einen Strich gemacht. So ist diese Sonnenuhrinsgesamt dekorativ, aber ungenau.

Etwa 30 Jahre danach tauchte die Idee einerSonnenuhr wieder auf. Diesmal bot sich dieSüdwand an unserer Eigentumswohnung im 23.Wiener Gemeindebezirk (48° 10' nördl. Breite und16° 17' östl. Länge) an. Da hatte ich mir auch schoneine Broschüre über Sonnenuhren gekauft. DenBerechnungen mit Computerprogrammen traute ich

15. Jahrestagung der British Sundial Society16. - 18. April 2004, St. Anne`s College, Oxford

Die Gesellschaft wurde 1989 in Oxford gegründet.Anlässlich des 15-jährigen Bestehens wurde zu einerinternationalen Tagung eingeladen und Oxford alsTagungsort gewählt. Am Programm standenVorträge, Besichtigungen und ein Festbankett. Einekleine Verkaufsausstellung war eingerichtet. An dergelungenen Veranstaltung nahmen 87 Mitglieder ausGroßbritannien sowie 40 Mitglieder und Gäste aus

anderen Ländern teil (Deutschland 4, Frankreich 2,Irland 3, Italien 3, Japan 5, Kanada 5,Norwegen 2,Österreich 1, Spanien 4, USA 9, Zypern 2). DerVerfasser konnte in einem Referat vor dem Plenumunsere Arbeitsgruppe vorstellen sowie Diapositiveder unseres Wissens ältesten SonnenuhrenÖsterreichs zeigen.

Walter Hofmann

ALESSANDRO GUNELLA:

MARIO ARNALDI:

.(15derartige Sonnenuhren entlang der Via Francigenavon Canterbury bis Rom werden beschrieben; zweidavon, jene von Genua und Piacenza, ausführlicher.)

DIEGO BONATA:

(DieseKombination aus einer großflächigen Sonnen- undMonduhr mit einer Reflexionssonnenuhr befindetsich an der Südseite des Turms des Observatoriums.)

RICCARDO ANSELMI:(Kurzer Aufsatz über die vertikale Sonnenuhr inHinblick auf Computerprogramme unter vor-wiegender Verwendung der sphärischen Trigono-metrie.)

MARCO ROSSI:

DANIELE BELLIO:

Die analemmatischeSonnenuhr.

Kreisrunde mittelalterlicheSonnenuhren, ihre Entstehung und ihre Verbreitungin der Zeit vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

Die Millennium - Sonnenuhr,Mond-Sonnenuhr für Wahre Zeit am Astrono-mischen Observatoriums Alpi Orobiche.

Die vertikale Sonnenuhr

Ermittlung der Hyperbeln destäglichen Schattenlaufs mittels projektiverStrahlenbüschel.

Wahre und Mittlere Zeit. Die

Zeitgleichung.

Ilse Fabian

Dazu kommen ein Tagungsbericht, eine Informationzum jährlichen Wettbewerb für Sonnenuhrbau, einetechnische Beratung zum Thema „Verwendung vonFarben“, ein Hinweis auf Internetseiten, z.B. „LaMeridiana del Mese“ (die Sonnenuhr des Monats)auf www.gnomonicaitaliana.vialattea.net/, ein Quiz,Bücherrezensionen und last, not least auchUnterhaltsames und Kurioses aus der Welt derGnomonik.

Die in der Zeitschrift angekündigte 12. NationaleItalienische Sonnenuhrentagung fand in der Zeitvom 3. bis 5. Oktober 2003 im Centro Convegni„Mondo Migliore“ am Albanersee in der Nähe vonRocca di Papa statt. 20 Redner trugen in 28Kurzreferaten interessante Themen zur Gnomonikvor. Im Rahmen der Tagung wurde dasObservatorium in der Sommerresidenz des Papstesin Castelgandolfo besucht. Die nächste Tagung wirdim Frühjahr 2005 in Lignano Sabbiadoro abge-halten, einem kleinen Küstenort zwischen Venedigund Triest.

Page 11: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 11Rundschreiben 27 / 2004

allerdings nicht so ganz, und so montierten wir mitSchnellmörtel und selbstgebastelten Montagelehrenzuerst einmal ein dünnes Messingrohr alsSchattenstab. Die Hausmauer weicht um 15° nachWesten ab. Nun machte ich - ausgerüstet mit einemStockerl, einer Uhr und einer Tabelle für dieZeitgleichung - über ein Jahr lang immer wiederStriche direkt auf die Mauer, die ich dann auf eingroßes Transparentpapier übertrug. DieÜbereinstimmung mit den berechneten Daten warzufriedenstellend. So verwendete ich dasTransparentpapier gleich weiter für den 1:1 Entwurfund als Unterlage für die Mosaiksteinchen, es sindeinige Tausend. Hergestellt habe ich sie, indem ichgewöhnliche bunte Fliesen in Streifen schnitt unddann mit einer Zange weiter zerkleinerte. Auf einemgroßen Arbeitstisch entstand so nach und nach dasgesamte Bild, einem riesigen Puzzle ähnlich. Wiedann das solcherart fertiggestellte Mosaik auf dieHausmauer aufgebracht wurde, möchte ich hiernicht beschreiben, es würde den Rahmen diesesBeitrags sprengen.

Jedenfalls war die Sonnenuhr Anfang 2001 fertigund wir konnten sie am 12. Mai im Rahmen einerkleinen Einweihungsfeier (zu der zum Glück auchgrößtenteils die Sonne schien) unseren Freunden,Bekannten und Nachbarn vorstellen. Der obere Teilhat eigentlich nur eine dekorative Funktion, deruntere Teil dient der Zeitablesung. Die obereBegrenzung dieses Teils folgt einigermaßen demVerlauf des Schattenendes zur Wintersonnenwende,und die etwas geneigte Gerade, welche die warmen(dem Sommerhalbjahr zugeordneten) von denkälteren (dem Winter zugeordneten) Farben trennt,stellt die Äquinoktiallinie dar. Die ganze Sonnenuhrist 1,4 m breit und 1,45 m hoch (Abb.1).

Nachdem ich inzwischen Mitglied der GSAgeworden und mein Interesse an Sonnenuhrengestiegen war, planten wir zwei Sonnenuhren für einHaus bei Kleinzell (48° 0' nördl. Breite, 15° 42' östl.Länge) in Niederösterreich, das unserer Tochtergehört. Sie wurden im Herbst 2003 fertiggestellt. Diebeiden Uhren befinden sich gewissermaßen Rückenan Rücken an zwei parallelen Hausmauern; die eineschaut nach Südosten (Südabweichung -53°), dieandere nach Nordwesten (Südabweichung 127°).Beide Polstäbe sind aus Messingrohr und wurdenmit Hilfe von Montagelehren direkt in dasMauerwerk eingelassen. Beide Uhren zeigen dieWahre Ortszeit des Zonenmeridians an, wobei dieStundenpunkte entsprechend unserer Sommerzeitbeschriftet sind. Auch hier war es mir sehr wichtig,eine gelungene Verbindung zwischenAussage durchBild und Spruch, astronomischer Funktion undkünstlerischer Gestaltung zu finden.

Bei der NW-Uhr (Abb.2) verdeckt eine leichtkonvex gehämmerte Messingscheibe den Ansatz-punkt. Der Rahmen, der die Uhr begrenzt, entsprichtgenau einem daneben liegenden Fenster, sodass sichdie Uhr harmonisch in das Gesamtbild des etwa 175Jahre alten Hauses einfügt. Der Verlauf desHorizonts ist nach der Natur gezeichnet. DurchSchraffuren, die auf dem Foto wohl kaum zuerkennen sind, kann man nähere und fernereBergrücken unterscheiden. Der linke Berg heißtHochstaff und ist ca. 1300 m hoch.

Die Idee der Hand als Motiv für die SO-Uhr (Abb.3und 4) kam mir ganz spontan, als mir einmal auffiel,dass die Hauptlinien auf meiner inneren Handflächestark an die Datumslinien einer SO- oder SW-Sonnenuhr erinnern. Das hat mich sehr bewegt, unddaher fand ich den Psalmvers

(„Meine Zeit steht in deiner Hand,Herr“ Psalm 31,16) sehr passend. Ich habe meineeigene Hand in normaler Größe gezeichnet, dann aufOverheadfolie gepaust und damit auf den großenPackpapierbogen projiziert, nachgezeichnet undauch wieder mit Hilfe von vielen Löchern im Papierauf die Mauer übertragen. Die Malerei auf der Mauererfolgte mit Dispersionsfarben und verschiedenen,zum Teil sehr dünnen Pinseln, wobei es erschwerendwar, dass die Mauer ziemlich rau ist und die Farbeneher dickflüssig sind.

Bei beiden Uhren war die Vorgangsweise ähnlichwie in Wien: Computerausdruck, eigene Stricheübers Jahr verteilt, viel Kopfzerbrechen beimangelnder Übereinstimmung, schließlich dasÜbertragen auf Transparentpapier, von da auf großeBögen Packpapier, auf die auch der künstlerischeEntwurf gezeichnet wurde, von da wieder dasÜbertragen mit Bleistift auf die Mauer durch insPapier geschnittene Löcher. Die Texte wurden innatürlicher Größe mit dem Computer ausgedruckt,auf Transparentpapier gepaust und mit einer feinenSchere ausgeschnitten. Dann wurden dieseSchablonen mit Klebeband auf der Mauer befestigt,die Buchstaben sorgfältig mit Bleistift durch-gezeichnet und anschließend gemalt.

Die Außenmaße der Uhren sind: NW-Uhr:1,2 mbreit und 2,25 m hoch, SO-Uhr:1,65 m breit und ca.1,9 m hoch. Für jede der beiden Uhren war einesolide Arbeitsplattform nötig. Ich möchte an dieserStelle meinem Mann sehr herzlich danken für dieKonstruktion dieses Gerüsts aus allerlei altenPfosten und Brettern, wie man sie ja am Land fastimmer in irgendeinem Schuppen findet, auch fürseine geduldige und sehr ermutigende Unterstützungin allen Phasen meiner Arbeit sowie im Umgang mitdem von mir nicht besonders geliebten Computer.

In manu tua temporamea, Domine

Page 12: GSA - Rundschreiben Nr. 27€¦ · W. Hofmann I. Fabian, E. Tuma Inhaltsverzeichnis: Seite ARBEITSGRUPPE SONNENUHREN Gnomonicae Societas Austriaca (GSA) im Österreichischen Astronomischen

Seite 12 Rundschreiben 27 / 2004

Abb. 1: 1230 Wien Abb. 2: Ebenwald 21, Abenduhr

Abb. 3: Ebenwald 21, Morgenuhr Abb. 4: Die Verfasserin bei der Arbeit

Sollte einmal jemand von Ihnen, liebe Sonnen-uhrenfreunde, in die Gegend von Kleinzell kommenund die beiden Sonnenuhren sehen wollen folgt hiereine Wegbeschreibung: Von der Ortsmitte fahren Siedie Straße nach Ebenwald mehrere Kehren weithinauf. Knapp vor einer großen Schottergrube links

biegen Sie scharf links in eine Forststraße ab. Dieserfolgen Sie etwa 1,8 km bis zu zwei Häusern. An demgelben Haus, Ebenwald Nr. 21, können die Uhrenbesichtigt werden, auch wenn wir nicht dort sind. BeiSchneelage ist eine Zufahrt nicht möglich.